Fressen und gefressen werde« - Vom Umgang pathogener ... · a specific vacuole and ultimately kill...

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Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich (2003) 148/4: 113-121 Fressen und gefressen werde« - Vom Umgang pathogener Bakterien mit Phagozyten Hubert Hilbi (Zürich) Zusammenfassung Phagozyten (Fresszellen) nehmen inerte Partikel und Bakterien in einem Prozess auf, der als Phagozytose bezeichnel wird. Bakterien werden von Phagozylen des Immunsystems (Makrophagen und Neutrophile Granulozyten) einverleibt und in einem membrange- bundenen Kompartiment, dem Phagolysosom, getötet und abgebaut. Phagolysosomen entstehen kontinuier- lich aus Phagosomen, indem sie mit Endosomen und Lysosomen fusionieren. Verschiedene pathogene Bakterien sind in der Lage, praktisch jeden Schritt der Phagolysosomen-Reifung zu unterbinden oder zu modifizieren. Auf diese Weise entrinnen die Bakterien ihrem Tod und töten ihreIseits die phagozytische Zelle. Zu den pathogenen Strategien gehören Zytotoxizität, Antiphagozytose, pathogen-in- duzierte Phagozytose und intrazelluläre Replikation. Viele Pathogene replizieren in Makrophagen entweder in einer massgeschneiderten Vakuole oder, nach Flucht aus dem Phagolysosom, im Zytoplasma der Wirtszelle. Die Interaktion mit Phagozyten ist entscheidend für den Erfolg der ViIulenz-Strategie eines Pathogens. Freilebende Amöben, wie zum Beispiel Acantha- moeba castellanii oderDictyostelium discoideum, sind urtümliche Phagozyten, die sich von Bakterien ernäh- ren. Gewisse Bakterien, unter ihnen Legionella pneu- mophila, replizieren in diesen Amöben in einer spezifi- schen Vakuole und töten dadurch letztendlich die Wirtszelle. Werden Legionellen über Aerosole eingeat- met, können sie sich in den alveolären Makrophagen der menschlichen Lunge vermehren und die Legio- närskrankheit auslösen. Die intrazelluläre Replikation von Legionellen in Amöben und Makrophagen läuft mechanistisch ähnlich ab. Daher sind Amöben ein nützliches Modell, um zelluläre Aspekte der Legio- närskrankheit zu analysieren. Eat and be eaten — On the interaction between pathogenic bacteria and phagocytes Phagocytes («cells that devour») take up inert parti- cles and bacteria in a process called phagocytosis. Bacteria are engulfed by immune phagocytes (macro- phages and neutrophile granulocytes) and killed and degraded in the phagolysosome, a membrane-bound compartment. Phagolysosomes forrn continuously from phagosomes by fusing with endosomes and lyso- somes. Various pathogenic bacteria can interrupt or modi- fy basically every step during the maturation ofphago- lysosomes. Thus, the bacteria not only avoid their own death but eventually kill the phagocytic cell instead. Pathogenic strategies include cytotoxicity, antiphago- cytosis, pathogen-induced phagocytosis and intracel- lular replication. Many pathogens replicate in macro- phages either in a custom-tailored vacuole, or in the host cell cytoplasm after escapingfrom the phagolyso- some. The interaction with phagocytes is crucial for the success of a pathogen's virulence strategy. Free-living amoebae such as Acanthamoeba castel- lanii or Dictyostelium discoideum are primordial pha- gocytes that feed on bacteria. Some bacteria, including Legionella pneumophila, replicate in these amoebae in a specific vacuole and ultimately kill the host cell. If gionellae are inhaled via aerosols, they may replicate in the alveolar macrophages of the human lung and cause Legionnaires ' disease. Intracellular replication of Legionella within amoebae and macrophages is me- chanistically similar Therefore, amoebae are a valid model system to study cellular aspects of Legionnaires' disease. Keywords: Acanthamoeba castellanii — Amöbe — Apoptose — Dictyostelium discoideum — Legionella pneumophila — Makrophage — Phagozytose — Shigella flexneri 113

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Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich (2003) 148/4: 113-121

Fressen und gefressen werde« -Vom Umgang pathogener Bakterien mit Phagozyten

Hubert Hilbi (Zürich)

Zusammenfassung

Phagozyten (Fresszellen) nehmen inerte Partikel und

Bakterien in einem Prozess auf, der als Phagozytose

bezeichnel wird. Bakterien werden von Phagozylen

des Immunsystems (Makrophagen und Neutrophile

Granulozyten) einverleibt und in einem membrange-

bundenen Kompartiment, dem Phagolysosom, getötet

und abgebaut. Phagolysosomen entstehen kontinuier-

lich aus Phagosomen, indem sie mit Endosomen und

Lysosomen fusionieren.

Verschiedene pathogene Bakterien sind in der Lage,

praktisch jeden Schritt der Phagolysosomen-Reifung

zu unterbinden oder zu modifizieren. Auf diese Weise

entrinnen die Bakterien ihrem Tod und töten ihreIseits

die phagozytische Zelle. Zu den pathogenen Strategien

gehören Zytotoxizität, Antiphagozytose, pathogen-in-

duzierte Phagozytose und intrazelluläre Replikation.

Viele Pathogene replizieren in Makrophagen entweder

in einer massgeschneiderten Vakuole oder, nach Flucht

aus dem Phagolysosom, im Zytoplasma der Wirtszelle.

Die Interaktion mit Phagozyten ist entscheidend für

den Erfolg der ViIulenz-Strategie eines Pathogens.

Freilebende Amöben, wie zum Beispiel Acantha-

moeba castellanii oderDictyostelium discoideum, sind

urtümliche Phagozyten, die sich von Bakterien ernäh-

ren. Gewisse Bakterien, unter ihnen Legionella pneu-

mophila, replizieren in diesen Amöben in einer spezifi-

schen Vakuole und töten dadurch letztendlich die

Wirtszelle. Werden Legionellen über Aerosole eingeat-

met, können sie sich in den alveolären Makrophagen

der menschlichen Lunge vermehren und die Legio-

närskrankheit auslösen. Die intrazelluläre Replikation

von Legionellen in Amöben und Makrophagen läuft

mechanistisch ähnlich ab. Daher sind Amöben ein

nützliches Modell, um zelluläre Aspekte der Legio-

närskrankheit zu analysieren.

Eat and be eaten —On the interaction between pathogenicbacteria and phagocytes

Phagocytes («cells that devour») take up inert parti-

cles and bacteria in a process called phagocytosis.

Bacteria are engulfed by immune phagocytes (macro-

phages and neutrophile granulocytes) and killed and

degraded in the phagolysosome, a membrane-bound

compartment. Phagolysosomes forrn continuously

from phagosomes by fusing with endosomes and lyso-

somes.

Various pathogenic bacteria can interrupt or modi-

fy basically every step during the maturation ofphago-

lysosomes. Thus, the bacteria not only avoid their own

death but eventually kill the phagocytic cell instead.

Pathogenic strategies include cytotoxicity, antiphago-

cytosis, pathogen-induced phagocytosis and intracel-

lular replication. Many pathogens replicate in macro-

phages either in a custom-tailored vacuole, or in the

host cell cytoplasm after escapingfrom the phagolyso-

some. The interaction with phagocytes is crucial for the

success of a pathogen's virulence strategy.

Free-living amoebae such as Acanthamoeba castel-

lanii or Dictyostelium discoideum are primordial pha-

gocytes that feed on bacteria. Some bacteria, including

Legionella pneumophila, replicate in these amoebae in

a specific vacuole and ultimately kill the host cell. If

gionellae are inhaled via aerosols, they may replicate

in the alveolar macrophages of the human lung and

cause Legionnaires ' disease. Intracellular replication

of Legionella within amoebae and macrophages is me-

chanistically similar Therefore, amoebae are a valid

model system to study cellular aspects of Legionnaires'

disease.

Keywords: Acanthamoeba castellanii — Amöbe — Apoptose — Dictyostelium discoideum — Legionella pneumophila —Makrophage — Phagozytose — Shigella flexneri

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Hubert Hilbi

GLOSSAR

Antigen-Peptide: Kurze Fragmente von Proteinen, die vonFremdorganismen (Bakterien, Viren) stammen, vom Im-munsystem erkannt werden und spezifische Immunzellenaktivieren.Antiphagozytose: Aktive Strategie von pathogenen Bakte-rien, mittels Injektion von Effektorproteinen ihre Aufnahmedurch Fresszellen des Immunsystems zu blockieren.Deletion: Inaktivierung eines Gens durch Entfernen der ent-sprechenden Nukleotid-Bausteine.Effektorproteine: Von pathogenen Bakterien mittels spe-zieller Transportsysteme ausgeschiedene und in Zellen inji-zierte Proteine, die biochemische und zellbiologische Vor-gänge in einer Zielzelle beeinflussen.Endosom: Membran-umschlossenes, durch spezifische Pro-teine charakterisiertes Zell-Kompartiment.Inert: Nicht aktiv an einem Vorgang teilnehmend.Intrazelluläre Replikation: Vermehrung von Bakterien in-nerhalb einer Wirtszelle.Leukozyten: «Weisse» Immunzellen, z. B. Makrophagenoder neutrophile Granulozyten.Lysosom: Membran-umschlossenes Zell-Kompartiment,welches durch einen sauren pH und spezifische Protein-ab-bauende Enzyme charakterisiert ist.Makrophagen: Langlebige Fresszellen des Immunsystems,die Bakterien aufnehmen, abtöten und prozessieren und bak-terielle Antigen-Peptide anderen Immunzellen auf derZelloberfläche präsentieren.Neutrophile Granulozyten: Kurzlebige Fresszellen des Im-munsystems, die als Bestandteil einer Entzündungsreaktionwährend der unmittelbaren Immunantwort Bakterien effi-zient aufnehmen und abtöten.Pathogen: Erreger einer infektiösen Krankheit.Pathogenität: Potential, eine infektiöse Krankheit auszulö-sen.Pathogen-induzierte Phagozytose: Aktive Strategie vonpathogenen Bakterien, durch die Injektion von Effektorpro-teinen ihre Aufnahme durch Fress- und andere Zellen zu mo-difizieren oder zu ermöglichen.Phagosom: Membran-umschlossenes Zell-Kompartiment,das aufgenommene Bakterien oder andere Partikel enthält.Phagolysosom: Mit Lysosom fusioniertes Phagosom, wel-ches die Eigenschaften beider Membran-umschlossenerZell-Kompartimente aufweist.Phagozyten: Zellen des Immunsystems («Fresszellen»),z. B. Makrophagen oder neutrophile Granulozyten, die Bak-terien und andere Partikel aufnehmen.

Phagozytose: Auf molekularer Ebene durch Umlagerungendes Zellskeletts und der Zellmembran charakterisierter kom-plexer Vorgang der Partikelaufnahme durch eine Fresszelle.Vakuole: Membran-umschlossenes Zell-Kompartiment.Virulenz: (Quantitatives) Potential, eine infektiöse Krank-heit auszulösen.Zytotoxizität: Zellabtötung («Zellgiftigkeit»).

1 VON DER BAKTERIOLOGIE UND ZELLBIOLOGIEZUR ZELLULÄREN MIKROBIOLOGIE

Die moderne Bakteriologie nimmt ihren Ursprung gegenEnde des 19. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit führt Louis PasteurSterilisationsexperimente mit Bakterien durch und falsifi-ziert die Hypothese, dass Leben spontan erzeugt werdenkann. Robert Koch (Nobelpreis 1905) etabliert die Technik,Bakterien auf festen Nährmedien in Reinkultur zu züchten.Er isoliert die Erreger von Milzbrand (1876), Tuberkulose(1882) und Cholera (1883) und formuliert erstmals Postula-te, die erfüllt werden müssen, um einen infektiösen Erregereindeutig zu identifizieren. Etwa gleichzeitig (1884) ent-deckt Elie Metchnikoff Fresszellen (Phagozyten) in höherenOrganismen und beschreibt Phagozytose von Fremdparti-keln als zentralen Bestandteil der Immunantwort. Für dieseErkenntnisse wird er 1908 mit dem Nobelpreis geehrt.

Die nächsten 100 Jahre durchlaufen Mikrobiologie undZellbiologie mehr oder weniger getrennt ihre jeweils eigene(molekulare) Entwicklung. Erst gegen Ende des 20. Jahrhun-derts kommen einige Mikrobiologen auf die Idee, eukaryon-tische Zellen absichtlich mit Bakterien zu «kontaminieren»und die resultierenden Interaktionen auf zellulärer und mole-kularer Ebene zu analysieren. Dies ist die Geburtsstunde derDisziplin «Zelluläre Mikrobiologie» (COSSART et al., 1996;FALKOW, 1999). Zu den ersten, die diese neue Forschungs-richtung ausloten und etablieren, gehört Stanley Falkow, derfast genau hundert Jahre nach Robert Koch eine molekulareVersion der Koch'schen Postulate formuliert, um Virulenz-gene zu definieren (Tab. 1).

Im Folgenden wird nur auf einen kleinen Ausschni tt ausdem vielfältigen Gebiet der Zellulären Mikrobiologie nähereingegangen, nämlich auf die Interaktionen zwischen phago-zytischen Zellen und pathogenen Bakterien. Besonderes Ge-wicht wird dabei Legionella pneumophila, dem Erreger derLegionärskranlheit, zugemessen.

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^ FE

aLS Phago-

lysosom

I,

Fressen und gefressen werden -Vorn Umgang pathogener Bakterien mit Phagozyten

Tab. l. Die klassische und molekulare Version der Koch'schenPostulate. Die klassischen Koch'schen Postulate formulieren dieBedingungen, die erfüllt sein müssen, um einen Erreger als Ursacheeiner Infektionskrankheit zu identifizieren. Die molekulare Versionder Koch'schen Postulate etabliert die ursächliche Verknüpfungzwischen einem Gen und einer Vimlenz-Eigenschaft.

Tab. 1. The classical and molecular version of Koch 's postulates.The classical Koch 's postulates define the requirements that must bemet to identify a germ as the etiological agent of an infectious disea-se. The molecular version ofKoch 's postulates establishes the cau-sal link between a gene and a virulence trait.

Postulat Klassische Version Molekulare Version(Robert Koch, 1882)

(Stanley Falkow, 1988)

l. Erreger ist in krankem Gen ist assoziert mit

Gewebe nachweisbar. pathogenen Stämmeneiner Bakteriengattungoder -spezies.

Phagozytose Endozytose

2. Erreger kann in Reinkultur Gen kann durchisoliert werden. Klonierung isoliert

werden, und Deletion führtzu verminderterPathogenität.

Reversion oder Ersatz desmutierten Gens ste llt dieursprüngliche Virulenzwieder her.

4. Erreger kann eIneut in Gen ist während derReinkultur isoliert werden. Infektion im Tier oder

Menschen exprimiert.

2 PHAGOZYTOSE VON NICHT PATHOGENENBAKTERIEN DURCH PHAGOZYTEN

Im Verlauf einer Infektion werden Phagozyten von bakteriel-len Produkten, Zell- und Gewebetrümmern oder Immun-Komponenten (z. B. den Komplementfaktoren C3 a und C5 a)chemotaktisch zur Infektionsstelle gelockt. Tri fft ein Makro-phage auf ein nicht-pathogenes Bakterium, wird dieses inmehreren Schritten aufgenommen, abgebaut und dem Im-munsystem in Form von kurzen Antigen-Peptiden präsen-tiert. Während diesem Vorgang unterscheidet man die Pro-zesse Adhäsion, Phagozytose, Endozytose und Degradation(Abb. 1).

Zunächst adhäriert ein Bakterium Tiber verschiedeneZelloberflächen-Rezeptoren an die phagozytische Zelle(UNDERHILL und OzINSKY, 2002). Wurde das Bakteriumvorgängig mittels humoralen (löslichen) hmmi-Kompo-nenten, z. B. durch die Komplement-Faktoren C3b, iC3boder Antikörper, opsonisiert («schmackhaft gemacht»), bin-det es an Komplement- oder Fc-Rezeptoren auf der Makro-phagen-Oberfläche. Nicht-opsonisierte Bakterien werden

Abb. l. Phagozytose und Degradation eines nicht-pathogenenBakteriums durch einen Makrophagen. Die Phagozytose einesnicht-pathogenen Bakteriums durch einen Makrophagen umfasstdie folgenden Schritte: l) Adhäsion über bakterielle Liganden anZelloberflächen-Rezeptoren, 2) Bildung von Pseudopodien undPhagosom, 3) Reifung des Phagosoms durch Fusion mit frühen(FE) und späten (SE) Endosomen, 4) Bildung des Phagolysosomsdurch Fusion mit Lysosomen (LS) und 5) Degradation des Bakteri-ums im Phagolysosom und Immun-Präsentation von bakteriellenAntigenen.Fig. 1. Phagocytosis and degradation of a non-pathogenic bacte-rium by a macrophage. Phagocytosis of a non-pathogenic bacteri-um by a macrophage involves the following steps: 1) adhesion viabacterial ligands to cell surface receptors, 2) . formation of pseudo-pods and the phagosome, 3) maturation of the phagosome by fusionwith early (FE) and late (SE) endosomes, 4)1 ormation of the phago-lysosome by fusion with lysosomes (LS) and 5) degradation of thebacterium in the phagolysosome and presentation of bacterial anti-gens to the immune system.

häufig über Fimbrien (Pili), so genannte Adhäsine, an Zu-ckerreste auf der Wirtszelloberfläche gebunden. Weitere Re-zeptoren auf Makrophagen sind der Mainlose-Rezeptor undandere Lectine, Scavenger-Rezeptoren und Toll-ähnlicheRezeptoren. Letztere wurden erst vor kurzem beschriebenund werden zurzeit intensiv erfoIscht. Toll-ähnliche Rezep-toren binden konservierte Bakterien-spezifische Molekülewie Lipopolysaccharid (LPS), Peptidoglycan, Lipoproteine,Lipoteichon-Säure (LTA), Flagellin oder hypomethylierteCpG DNA.

Die Signale, die durch Rezeptorbindung entstehen, wer-den im Zellplasma des Phagozyten durch Kinasen (phospho-rylierende Enzyme), Phosphatasen (dephosphorylierendeEnzyme) und GTPasen (Guanosine Triphosphat hydrolysie-rende Enzyme) übermittelt (UNDERHILL und OzINSKY,

3. Isolierter Erreger erzeugtdie Krankheit imTiermodell oder imMenschen.

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Hubert Hilbi

2002). Letztere sind molekulare «Schalter», die im GTP-ge-bundenen Zustand aktiv und in GDP-gebundenen Zustand(nach Hydrolyse von GTP zu GDP) inaktiv sind. Die Akti-vierung eines Phagozytose-Rezeptors führt auf diese Weisezu einer Umorganisation des Aktin-Zellskeletts und der Zell-membran, der Bildung von Pseudopodien, die das Bakteriumumschliessen, und schliesslich der Aufnahme des Bakteri-ums in ein Phagosom. Das frisch gebildete Phagosom inter-agiert dann sukzessive mit vorgeformten Vesikeln der Zelle(frühe und späte Endosomen, Lysosomen) und reichert aufdiese Weise spezifische Proteine an, z. B. Rab GTPasen oderdie vakuoläre ATPase. Letztlich führt die Fusion mit Lysoso-men zu einem sauren Phagolysosom, worin die Bakterien in-nerhalb von Minuten bis Stunden abgetötet und abgebautwerden.

Die bakteriozide Wirkung des Makrophagen-Phagolyso-soms ist mehrheitlich Sauerstoff-abhängig und beruht auf ei-nem sauren pH und einer Reihe von toxischen Sauerstoff-und Stickstoff-Radikalen (Superoxid, Wasserstoff-Peroxid,Hydroxyl-Radikal). Die sauren Phagolysosomen von neut-rophilen Granulozyten enthalten zusätzlich das Enzym My-eloperoxidase, welches H2O2 als Substrat benutzt, um dieChlorierung von phagozytierten Bakterien zu katalysieren.Ausserdem sind neutrophile Granulozyten auf Sauerstoff-unabhängige Weise bakteriozid, und ihre Phagolysosomenenthalten ein Arsenal von antimikrobiellen Proteinen. Dazugehören verschiedene hydrolytische Enzyme (Proteasen, Li-pasen, Nukleasen und Glykosidasen), Lysozym, kationischeProteine und Peptide, sowie Eisen-bindende Moleküle, sogenannte Chelatoren. Eisen-Chelatoren, wie z. B. das Lacto-ferrin, wlrken bakteriostatisch, da sie die Verfügbarkeit vonEisen drastisch reduzieren.

Phagozytose und Endozytose sind nicht die einzigen Aus-wirkungen, die Ligand-Rezeptor-Interaktionen auf der Mak-rophagen-Zelloberfläche haben. Je nach Klasse der Rezepto-ren, die gebunden und somit aktiviert wird, sind weitere oderandere Antworten des Makrophagen möglich. So führt z. B.Fe- oder Mannose-, nicht aber Komplement-vermi ttelte Pha-gozytose zu einer Aktivierung der NADPH-abhängigen Oxi-dase und zum oben erwähnten Ausschü tten oxidativer Radi-kale, dem «oxidative burst». Eine weitere Konsequenz derAktivierung von Membranrezeptoren ist die Induktion vonGenexpression. Binden bakterielle Liganden an Toll-ähnli-che Rezeptoren, wird der Makrophage aktiviert und die Ex-pression spezifischer Gene, z. B. gewisser Interleukine, in-duziert.

3 ÜBERLEBENS -STRATEGIEN PATHOGENER

BAKTERIEN

Pathogene Bakterien sind in der Lage, prinzipiell jeden dereinzelnen Schritte, die den Ablauf von Phagozytose und En-dozytose bestimmen, zu blockieren oder zu modifizieren(ROSENBERGER und FINLAY, 2003). Häufig überleben dieBakterien auf diese Weise aber nicht nur, sondern töten ihrer-seits phagozytische Zellen ab. Eine «passive» Strategie zuüberleben ist, den Kontakt mit Phagozyten zu vermeiden, in-dem z. B. Organe besiedelt werden, die kaum von Immunzel-len patrouilliert werden (Blase, Haut), oder indem eine Ent-zündung und die damit einhergehende RekrutierIng vonneutrophilen Granulozyten und aktivierten Makrophagenunterdrückt wird. Des Weiteren ist die Beschaffenheit derZelloberfläche vieler pathogener Bakterien antiphagozy-tisch. So verhindern oder zumindest erschweren gewisseFimbrien (Pili), Kapseln, Schleime, Biofilme oder das Im-munoglobulin-bindende Protein A von Staphylococcus au-

reus die Phagozytose. Pseudomonas aeruginosa bildet z. B.sowohl Polysaccharid-Schleim als auch Biofilme, deren ex-trazelluläre Matrix ebenfalls aus Kohlehydraten besteht. hnFolgenden soll auf «aktive» pathogene Strategien wie Zyto-toxizität, Antiphagozytose, Pathogen-induzierte Phagozyto-se und intrazelluläre Replikation ausführlicher eingegangenwerden.

3.1 ZytotoxizitätBakterien können sowohl extrazellulär als auch intraze llulärzytotoxisch wirken, und Vorgänge wie Antiphagozytoseoder intrazellIläre Replikation führen ebenfalls zum Tod derbetroffenen Zelle. Toxine, die von Bakterien sekretiert wer-den, nennt man Exotoxine. Auf Endotoxine (toxische Kom-ponenten der Zellwand von Gram-negativen Bakterien) sollhier nicht näher eingegangen werden. Viele Toxine töten en-kaiyontische Zellen wahllos, einige sind jedoch spezifischfür Leukozyten oder andere Zielzellen. Zu den letzteren zäh-len Leukozidin und Streptolysin, die von Gram-positivenStaphylokokken, beziehungsweise Streptokokken gebildetwerden. Diese Leukotoxine lysieren sowohl die Lysosomenvon Neutrophilen als auch die Leukozyten selber.

Toxine lassen sich entsprechend ihrem Wirkmechanis-mus einteilen und bilden entweder Poren in der Wirtszell-membran, modifizieren Wirtszellproteine (häufig durchADP-Ribosylierung, Monoglucosylierung oder Proteolyse)oder synthetisieren zyklisches AMP (cAMP) und deregulie-ren auf diese Weise den Zelthaushalt (SCHIAVO und VAN DER

GOOT, 2001). Poren-bildende Toxine werden auch Hämoly-

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Procaspase- 1

IpaB > F— TPPI/

Shigella Mxi-Spa

Caspase -7

flexneriMxi-Spa — —

Lyse Apoptose

Phagozytose Replikation

pneumophila lcr/t

Legionella n0

Effektoren

1cm/Dot

Fressen und gefressen werden - Vom Umgang pathogener Bakterien mit Phagozyten

sine genannt, da sie die Zellmembranen von Erythrozyten ly-sieren. Diese Toxine permeabilisieren die Zellmembran ent-weder, indem sie einen Kanal ausbilden, oder durch Hydro-lyse von Membrankomponenten. Escherichia coli a-Hämo-lysin und Actinobacter actinomycetemcomitans Leukotoxinsind Poren-bildende Proteine. Clostridium perfringens

Phospholipase (a-Toxin) und Lecithinase (Phosphatidylcho-lin-Esterase) sind Beispiele für Hydrolasen, die im Übrigenauch von Gram-positiven Kokken gebildet werden. Aden-ylat-Zyklase-Toxine, deren Produkt cAMP ist, werden vonBacillus anthracis (Ödem-Faktor) und Bordetella pertussis

(Bordetella-Toxin) produziert.Erst seit ein paar Jahren ist bekannt, dass eine Zielzelle,

die einem Toxin ausgesetzt ist, entweder durch Nekrose oderdurch Apoptose stirbt. Von Nekrose spricht man, wenn dieZelle unkontrolliert abstirbt und desintegriert und dabei Zell-

inhalt und Zelltriümner frei setzt, die eine Immunantwortauslösen können. Im Gegensatz dazu ist Apoptose (program-mierter Zelltod) ein spezifischer, strikte regulierter Prozess,der in der Regel keine Immunantwort bewirkt. Zwei Fami-lien von Proteinen dominieren apoptotische Stoffwechsel-wege: die Caspasen (Cystein-Proteasen) und die Bcl-2-Fa-milie von pro- und anti-apoptotischen mitochondrialen Pro-teinen.

Pathogen-induzierte Makrophagen-Apoptose wurde inStudien mit Shigella flexneri entdeckt (ZYCHLINSKY et al.,1992) uHd ist seither fir viele Bakterien beschrieben worden(HILBI et al., 1997). Es hat sich herausgestellt, dass der Mecha-nismus von Shigella-induzierter Zytotoxizität neuartig ist. Dassekretierte Protein IpaB (Invasion Plasmid Antigen B) bindetdirekt an die Wirtszell-Protease Caspase-1 und aktivie rt dasZymogen-Procaspase-1 auf diese Weise (Abb. 2; HILBI et al.,1998). Die AktivieIung von Caspase-1 löst im Makrophageneinen apoptotischen Zelltod aus. Gleichzeitig werden die Ent-zündungs-vermittelnden Caspase-1 Substrate IL-1 13 und IL-18 proteolytisch aktiviert und sekretiert. Somit bewirkt dersel-be Vorgang sowohl Apoptose als auch die fir Shigellose typi-sche akute Entzündung. Neben Caspase-1 ist an diesem Pro-zess eine weitere zytoplasmatische Protease, TPPII (Tripepti-dyl-Peptidase II), beteiligt (NILBI et al., 2000).

3.2 AntiphagozytoseGram-negative Bakterien, wie z. B. Yersinia spp., Pseudo-

monas spp. oder enteropathogene E. coli (EPEC), haben effi-ziente Systeme entwickelt, um ihre Aufnahme durch Phago-zyten aktiv zu verhindern (KNODLER et al., 2001). DieseBakterien sekretieren mittels so genannter Typ III Sekre-tionssysteme Effektorproteine direkt in das Zytoplasma der

Abb. 2. Intrazelluläre Überlebens-Strategien pathogener Bakte-rien. Pathogene Bakterien vermeiden ihre Degradation im Phagoly-sosom von Makrophagen, indem sie entweder das Phagosom lysie-ren (Shigella, Listeria, Rickettsia) oder eine spezifische Replika-tions-permissive Vakuole bilden (Legionella, Mycobacterium, Sal-monella, Brucella, Ehrlichia, Chlamydia). Shigella flexneri sekre-tiert das Protein IpaB mittels des Mxi-Spa Typ HI Sekretionssys-terns und zerstört damit den Makrophagen durch Auslösung vonApoptose (programmierter Zelltod). Dieser Prozess involviert dieWirtszell-Proteasen Caspase-l und TPPII. Legionella pneumophilasekretiert Effektorproteine mittels des Icm/Dot Typ IV Transport-Systems und bildet auf diese Weise eine spezifische Vakuole, die Ei-genschaften des Endoplasmatischen Retikulums aufweist. In dieserVakuole replizieren die Bakterien, bis die Wirtszelle schliesslich ly-siert.

Fig. 2. Intracellular survival strategies of pathogenic bacteria.Pathogenic bacteria avoid their degradation in the phagolysosomeby either lysing the phagosome (Shigella, Listeria, Rickettsia) or byforming a specific, replication permissive vacuole (Legionella,Mycobacterium, Salmonella, Brucella, Ehrlichia, Chlamydia). Shi-gella flexneri secretes the protein IpaB via the Mxi-Spa type III se-cretion system and thus kills the macrophage by triggering apopto-sis (programed cell death). This process involves the host cell pro-teases caspase-1 and TPPII. Legionella pneumophila secretes ef-fector proteins via the km/Dot type IV transport system and thusforms a specific vacuole which shows features of the endoplasmicreticulum. Within this vacuole, the bacteria replicate until the hostcell eventually lyses.

Zielzelle. Die komplexen Selcretionssysteme bestehen ausüber 20 verschiedenen Proteinen und bilden aufgrund ihrerstrukturellen Verwandtschaft (Homologie) zu den Flagellen-Transportern eine Familie. Typ III Sekretionssysteme inji-zieren nach Zellkontakt Effektoren direkt in die Wirtszelleund werden aufgIund dieser Eigenschaft auch als molekulareSpritzen bezeichnet. Im Wirtszell-Zytoplasma inaktivierendie sekretierten Effektorproteine Komponenten der Phago-zytose-Maschinerie und verhindern auf diese Weise letztlichdie Aktin-Polymerisation und Phagozytose.

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Hubert Hilbi

Zentrale Komponenten der Phagozytose-Maschineriesind kleine GTPasen der Rho-Familie (Rho, Rac, Cdc42).Diese GTPasen sind notwendig, um die Reorganisation desZellskeletts während der Phagozytose zu organisieren. Eserstaunt daher nicht, dass einige Effektorproteine von patho-genen Bakterien diese GTPasen direkt modifizieren und in-hibieren. Yersinia spp. und Pseudomonas spp., z. B., injizie-ren die Effektoren YopE oder ExoS und ExoT. Diese Proteinesind so genaInte GAP (GTPase activating protein) und kata-lysieren die Hydrolyse von GTPase-gebundenem GTP zuGDP. Auf diese Weise werden die GTPasen inaktiviert, Ak-tin-Filamente depolymerisiert und letztlich Phagozytose in-hibiert. Einen interessanten Mechanismus, Rho-GTPasen zuinaktivieren, zeigt der Yersinia Effektor YopT. Dieses Pro-tein ist eine Cystein-Protease, die lipid-modifizierte (preny-lierte) Rho-GTPasen am C-Terminus proteolytisch schnei-det, sie damit von der Zellmembran ablöst und auf diese Wei-se inaktiviert. Ein weiteres antiphagozytisch wirkendes Yer-

sinia Effektorprotein ist YopH. Dieser Effektor ist eine effi-ziente Phosphatase, die Tyrosin-phosphorylierte Wirtszell-Proteine dephosphoryliert und damit Phagozytose inhibiert.Schliesslich unterbinden enteropathogene E. coli ebenfallsPhagozytose. In diesem Fall wird das Wirtszell-Enzym PI3K(Phosphatidylinositol-3-OH-Kinase) inhibiert. Die sekre-tierten Effektoren sind bislang unbekannt.

3.3 Pathogen-induzierte PhagozytoseEinige pathogene Bakterien modulieren ihre Aufnahmedurch Phagozyten quantitativ und qualitativ oder lösen Pha-gozytose durch nicht-phagozytische Zellen erst aus. Patho-gen-induzierte Phagozytose ist gut untersucht für die Auf-nahme von Salmonella typhimurium und Shigella flexneri

durch Epithelzellen, die normalerweise nicht-phagozytischsind (KNODLER et al., 2001). Beide Bakterienspezies bewir-ken nach Kontakt mit einer Zielzelle ein Kräuseln («ruff-ling») der Zelloberfläche und Aktin-Polymerisation dlrektunter der Kontaktstelle, was zur Aufnahme der Bakterienführt.

Im Gegensatz zu den antiphagozytischen Prozessen ver-läuft Pathogen-induzierte Phagozytose auf molekularer Ebe-ne über eine Aktivierung der Rho-Familie GTPasen. Um dieAufnahme durch eine Wirtszelle zu induzieren, injizierenSalmonellen die Effektorproteine SopE und SopE2 mittelsdes Typ III Sekretionssystems ins Zytoplasma der Zielzelle.Diese Effektoren sind GEF- (guanine nucleotide exchangefactor) Proteine und katalysieren den Austausch von GDP zuGTP an einem GTPase-Enzym. Auf diese Weise werden dieGTPase und die Aktin-Polymerisation aktiviert und Phago-

zytose ausgelöst. Weitere Phagozytose-induzierende Effek-torproteine sind das SopB, eine Inositolphosphat-Phosphata-se, und SipA, beziehungsweise SipC. Die letzteren beidenProteine binden direkt an Komponenten des Wirtszell-Zytos-keletts und beeinflussen Phagozytose auf diese Weise posi-tiv. Schliesslich injiziert Salmonella auch SptP, ein GAP, vondem angenommen wird, dass es als Antagonist zu SopE/E2wirkt und nach Aufnahme des Bakteriums durch die Zelleden Grundzustand der Zelloberfläche wieder herstellt. DieAufnahme von S. flexneri durch Wirtszellen wird durch dasTyp III-sekretierte Effektorprotein IpaC bewirkt, dessenWirkungsmechanismus unbekannt ist. Ausserdem spieltIpaA als Antagonist von IpaC eine Rolle und die Wirtszell-Kinase Src.

Pathogen-gesteuerte Prozesse spielen auch während derPhagozytose durch Makrophagen eine Rolle und wurden un-ter anderem für S. flexneri und Legionella pneumophila be-schrieben (KUWAE et al., 2001; HILBI et al., 2001). BeidePathogene werden mit grösserer Effizienz von Makrophagenphagozytiert als entsprechende nicht-pathogene Stämme. S.flexneri-phagozytierende Makrophagen zeigen zudem un-terschiedliche Phosphorylierungs-Muster, je nach dem, obsie mit Wildtyp-Bakterien oder einem avirulenten Stamm in-fiziert wurden. Diese Beobachtungen lassen den Schluss zu,dass pathogene Bakterien bereits den initialen Kontakt mitPhagozyten und anderen Wirtszellen kontrollieren.

3.4 Intrazelluläre ReplikationNach Aufnahme durch einen Phagozyten replizieren einigepathogene Bakterien in der Zelle und töten diese schliesslichab (ROSENBERGER und FINLAY, 2003). Um der bakteriozi-den Umgebung des sauren Phagolysosoms zu entgehen, ver-wenden diese Bakterien grundsätzlich zwei Strategien. Ent-weder wird das Phagosom kurz nach seiner Entstehung ly-siert oder es wird auf eine Weise modifiziert, welche bakte-rielle Replikation in der modifizierten Vakuole ermöglicht(Abb. 2). Bakterien, die das Phagosom lysieren, töten dieWirtszelle entweder sofort ab (Shigellen) oder erst nachdemsie sich im Zytoplasma vermehrt haben (Listerien). Nicht nurdie Mechanismen der Phagosom-Lyse sind spezifisch füreine Bakterienspezies, sondern auch die von den Pathogenengebildeten Vakuolen sind einzigartig. Eine spezifische, Rep-likations-permissive Vakuole bilden Legionellen, Salmonel-len, Mycobakterien, Brucellen, Chlamydien und Ehrlichia.Auf das intrazelluläre Schicksal von Legionellen wird imFolgenden näher eingegangen.

Unabhängig davon, über welche Oberflächen-Rezepto-ren Legionellen an Makrophagen binden, bilden diese Bakte-

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Fressen und gefressen werden –!Vom Umgang pathogener Bakterien mit Phagozyten

rien ein spezifisches Phagosom aus, worin sie replizierenkönnen (RoY, 2002). Dieses Kompartiment fusioniert nichtmit Lysosomen und ist pH-neulral. Kurz nach der Phagozy-tose assoziiert das Legionella-enthaltende Phagosom mitglatten Vesikeln, Mitochondrien und EndoplasmatischemRetikulum. Um diese spezifische Vakuole zu bilden, benut-zen die Bakterien den retrograden Transport vom Golgi-Ap-parat zum Endoplasmatischen Retikllum, ein Prozess, derauf der Rekrutierung und Aktivierung von verschiedenenGTPasen (Sari, Arfl, Rabl) beruht. Die Bildung der Legio-nella-spezifischen Vakuole ist abhängig von einem bakteriel-len Transport-System, dem Icm/Dot Transporter (SEGAL etal., 1998; VOGEL et al., 1998). Dieses komplexe Sekretions-system besteht aus etwa 25 unterschiedlichen Proteinen undist verwandt mit Transport-Maschinerien, die während derbakteriellen Konjugation DNA-Protein-Komplexe von Do-norzelle zu Rezipientenzelle transportieren. Eine Mutationin den meisten der icmldot Gene führt zu Bakterienstämmen,die nicht mehr in der Lage sind, in Makrophagen zu replizie-ren und daher avirulent sind.

4 LEGIONELLA PNEUMOPHILA REPLIZIERT INMAKROPHAGEN UND AMÖBEN

L. pneumophila ist ein Gram-negatives, bewegliches Bakte-rium, das weder Sporen noch Kapseln bildet und sowohl aufsynthetischen Nährmedien als auch intrazellulär wachsen

kann (Abb. 3). Die Gattung Legionella umfasst mehr als 40verschiedene Spezies und 60 Serogruppen, von denen L.

pneumophila Serogruppe 1 für über 90% der klinischen In-fektionen verantwortlich ist. Eine Infektion mit L. pneumo-

phila kann sich in der Legionärskrankheit, einer mituntertödlich verlaufenden Lungenentzündung, manifestieren,oder in der milderen Form des Pontiac-Fiebers. Die Bakte-rien sind jedoch opportunistische Pathogene, die bevorzugtimmun-supprimierte Menschen befallen (ältere Personen,OIganempfänger, AIDS-Patienten). Überdies können Legio-nellen nicht von Mensch zu Mensch übertragen werden undsind daher zwar infektiös, aber nicht kontagiös. Wird eineLegionellose rechtzeitig diagnostiziert, kann sie meist mitMakroliden und anderen Antibiotika erfolgreich behandeltwerden.

Legionellen kommen ubiquitär im Wasser und im Bodenvor. In der Umwelt vermehren sich diese Bakterien als Para-siten von Amöben oder sie besiedeln Biofilme (Abb. 4;HARB et al., 2000). Legionellen werden durch das Einatmenvon kontaminierten Aerosolen übertragen, die Infektionsdo-sis und eigentliche Übertragungsform (planktonische Bakte-rien, infizierte Amöben oder Biofilm) sind jedoch unbe-kannt. Aerosol-bildende Geräte wie Klimaanlagen, SpriHg-brunnen, Sprudelbäder, Duschen oder Warmwassersystemestellen potentielle Infektionsquellen dar, die zudem bei einerVerseuchung mit Legionellen häufig nur ineffektiv und nichtnachhaltig dekontaminiert werden können. Über Aerosole

Abb. 3. Wachstum von Legionella pneumophila auf Aktivkohle-Hefeextrakt-Agar-Platten. Das Gram-negative, bewegliche Bakterium Le-gionella pneumophila (Abb. links; Bildquelle: http://news.bbc.co.uk/l/hi/health/medical_notes/227806.stm) bildet auf Aktivkohle -Agar-Platten innerhalb von 2-3 Tagen charakteristische hellgraue Kolonien (Abb. rechts).Fig. 3. Growth of Legionella pneumophila on charcoal-yeast extract-agar plates. The Gram-negative, motile bacterium Legionella pneu-mophila (left panel; source of image: http://news.bbc.co.uk/1/hi/health/medical_notes/227806.stm) forms on charcoal yeast extract agarplates within 2-3 days characteristic, light grey colonies (right panel).

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Hubert Hilbi

Abb. 4. Lebenszyklus von Legionella pneumophila in der Umwelt.l) Planktonische (frei schwimmende) Legionellen infizieren Amö-ben oder besiedeln Oberflächen und 2) vermehren sich in den Amö-ben oder in Biofllmen. 3) Die Bakterien werden nach Lyse derWirtszelle oder durch Abscheren vom Biofilm wiedeIum in dieUmwelt freigesetzt, wo sie 4) erneut Amöben inflzieren oder Ober-flächen besiedeln. 5) Werden Legionellen-kontaminierte Aerosoleinhaliert, können die Bakterien in den alveolären Makrophagen dermenschlichen Lunge replizieren und die Legionärskrankheit auslö-sen (Bildquelle: http://www.cevis.uni-bremen.de/jend/Lunge/SammlungAna.html).

Fig. 4. Life cycle of Legionella pneumophila in the environment.I) Planktonic (free-swimming) Legionellae infect amoebae or colo-nize surfaces and 2) replicate within the amoebae or in biofilms. 3)The bacteria lyse the amoebe or detach . from the biofilms and are re-leased in the environment, where 4) they re-infect amoebae or re-co-lonize surfaces. 5) Upon inhalation ofLegionella-contaminated ae-rosols, the bacteria may replicate in the alveolar macrophages ofthe human lung and thus cause Legionnaires 'disease (Source of theimage: http://www.cevis.uni-bremen.de/jend/Lunge/SammlungAna.html).

Tab. 2. Wachstum von Legionella pneumophila in Makrophagenund Amöben. Legionella pneumophila vermehrt sich in Makropha-gen und in den Amöben Acanthamoeba castellanii oder Dictyosteli-um discoideum auf mechanistisch ähnliche Weise. Das intrazellulä-re Wachstum in allen drei Wirtszellen basiert auf dem bakteriellenIcm/Dot Typ IV Sekretionssystem, und die Replikations-permissi-ve Vakuole ähnelt dem Endoplasmatischen Retikulum (ER). Ab-hängig von der Wirtszelle sind jedoch die maximalen Wachstums-temperaturen und Wachstumsraten unterschiedlich. Nur für D. dis-coideum sind genetische Methoden zur Analyse von Wirtszell-Fak-toren etabliert.

Tab. 2. Growth of Legionella pneumophila in macrophages andamoebae. Legionella pneumophila replicates mechanistically simi-larly in macrophages and within the amoebae Acanthamoeba ca-stellanii or Dictyostelium discoideum. Intracellular growth in allthree host cells requires the bacteriallcm/Dot type IV secretion sys-tem, and the replication permissive vacuole resembles the endo-plasmic reticulum (ER). However dependent on the host cell, themaximum growth temperature and growth rate are different. Onlyfor D. discoideum genetic methods to analyze host cell factors areavailable.

Makrophage Acanthamoebacastellanii

Dictyosleliumdiscoideum

Icm/Dot-abhängig

+ + +

ER-abhängig + + +

Temperatur 37 °C 37 °C 22-25 °C

Wachstum(innerhalb3-4 Tage)

103-104-fach 103-104-fach 102-fach

Genetik +/

gelangen die Bakterien in die menschliche Lunge, wo siesich in den alveolären Makrophagen vermehren und auf die-se Weise die Krankheit auslösen.Die Fähigkeit von Legionellen in Makrophagen zu replizie-ren, ist eine Voraussetzung ihrer Pathogenität. Daher sindz. B. Icm/Dot-defekte L. pneumophila Stämme nicht mehrvirulent. Interessanterweise ist der Replikationsmechanis-mus von Legionellen in Makrophagen und Amöben mecha-nistisch sehr ähnlich (Tab. 2; SOLOMON und ISBERG, 2000),und somit stellen Amöben ein nützliches Modell dar, um zel-luläre Aspekte der Legionärskrankheit zu analysieren.

5 DANK

Forschungsprojekte in der Arbeitsgruppe des Autors werdenvom Schweizerischen Nationalfonds im Rahmen einer För-deIungsprofessur unterstützt.

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Prof. Dr. Hubert Hilbi, ETH Zürich, Instihrt für Mikrobiologie, LFV B36, Schmelzbergstrasse 7, 8092 Zürich.E-mail: [email protected]

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