Früher bestimmte der Jäger, welcher Hund ins … es, den Hund nicht für den Jagdein-satz zu...

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DER JAGDHUND IM WANDEL DER ZEIT Familien- Bande I ch stamme aus einer Jägerfamilie. Mein Großvater und Vater waren bei- de sehr passioniert. Als Kinder ver- brachten wir jede freie Minute im Re- vier und in der Jagdhütte, und schon als kleines Mädchen nahm er mich oft mit auf den Ansitz. Seit ich zurückdenken kann, haben Hunde uns begleitet. Aufgewachsen sind wir mit Drahthaar und Rauhaarteckeln. Mein Vater führ- te die meisten seiner Hunde sehr er- folgreich auf Prüfungen, war begeis- terter Teckelzüchter und hat als Leis- tungsrichter bis ins hohe Alter viele Prüfungen gerichtet. Wenn ich heu- te so darüber nachdenke, dann konn- Autor und Fotograf: Gila Fichtlmeier Früher bestimmte der Jäger, welcher Hund ins Haus kam. Heute entscheidet der Familienrat, denn unsere Jagdbegleiter werden zu 90 Prozent als Familienhunde gehalten. Der Spagat zwischen Familie, sozialem Umfeld und Jagd ist um ein Vielfaches schwieriger geworden. Was gilt es zu berücksichtigen, damit das Zusammenleben keine Probleme bereitet? Unser erster Drahthaarrüde „Barry“ war immer mit dabei auf der Jagd. Foto: Gila Fichtlmeier Der Kontakt zu unserem Hund war uns zwar erlaubt, jedoch immer nur unter Aufsicht, damit er nicht für den Jagdein- satz verweichlicht wurde. Foto: Gila Fichtlmeier SPEKTRUM 44 JAGDHUNDE lo 5/2012 HUNDE FAMILIE Und hier wird ein Button platziert

Transcript of Früher bestimmte der Jäger, welcher Hund ins … es, den Hund nicht für den Jagdein-satz zu...

Der JagDhunD im WanDel Der Zeit

Familien-Bande

Ich stamme aus einer Jägerfamilie. Mein Großvater und Vater waren bei-de sehr passioniert. Als Kinder ver-

brachten wir jede freie Minute im Re-vier und in der Jagdhütte, und schon als kleines Mädchen nahm er mich oft mit auf den Ansitz. Seit ich zurückdenken kann, haben Hunde uns begleitet.

Aufgewachsen sind wir mit Drahthaar und Rauhaarteckeln. Mein Vater führ-te die meisten seiner Hunde sehr er-folgreich auf Prüfungen, war begeis-terter Teckelzüchter und hat als Leis-tungsrichter bis ins hohe Alter viele Prüfungen gerichtet. Wenn ich heu-te so darüber nachdenke, dann konn-

Autor und Fotograf: Gila Fichtlmeier

Früher bestimmte der Jäger, welcher Hund ins Haus kam. Heute entscheidet der Familienrat, denn unsere Jagdbegleiter werden zu 90 Prozent als Familienhunde gehalten. Der Spagat zwischen Familie, sozialem Umfeld und Jagd ist um ein Vielfaches schwieriger geworden. Was gilt es zu berücksichtigen, damit das Zusammenleben keine Probleme bereitet?

Unser erster Drahthaarrüde „Barry“ war immer mit dabei auf der Jagd.

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Der Kontakt zu unserem Hund war uns zwar erlaubt, jedoch

immer nur unter Aufsicht, damit er nicht für den Jagdein-

satz verweichlicht wurde.

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Familie

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te ich gerade bei ihm sehr gut beobach-ten, wie sich im Laufe der Jahrzehnte die Haltungsbedingungen für Jagd-hunde änderten.

Der JAgDgeFährte – eInSt

Seinen ersten DD hatte mein Vater fertig ausgebildet gekauft. „Barry“ verbrachte die meiste Zeit seines Lebens im Zwin-ger, außer es ging zur Jagd. Das war da-mals normal, und wir Kinder durften so

gut wie keinen Kontakt zu ihm haben. „Ihr verderbt den Hund“, hieß es. Leider erwischte der Rüde Rattengift und ver-starb vor unseren Augen. Seinen zwei-ten DD erstand mein Vater als Welpe. Dieses Mal übernahm er die Ausbil-dung selbst. Auch durften wir Kinder mit diesem Rüden schon zeitweise Kon-takt haben, wenn auch immer nur unter Aufsicht. Unser Umgang mit ihm war streng geregelt, denn schließlich

Meine Eltern

züchteten viele Würfe

mit leistungsstarken

Rauhaarteckeln.

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galt es, den Hund nicht für den Jagdein-satz zu „verweichlichen“.Mit dem ersten Rauhaarteckel begann sich seine Einstellung zur Hundehal-tung weiter zu verändern. Uns Kindern wurde bereits gestattet, nun ohne Auf-sicht tagsüber mehr Zeit mit dem Hund zu verbringen. Der Kleine war unser Spielgefährte, wir lehrten ihn Kunst-stückchen, und er durfte im Puppen-wagen schlafen. Stark ins Familienle-ben integriert, kam er nur noch Nachts in den Zwinger, um seine Unempfind-lichkeit gegen das Wetter zu erhalten. Die Ansprüche an einen Hund hatten sich in unserer Familie geändert.Der Trend ging dann zur Teckelmeu-te, und die Begeisterung für das Züch-ten dieser Rasse ergriff die ganze Fa-milie. Die Rabauken waren nicht mehr auf Haltung im Zwinger, Fuchsspren-

gen und Nachsuche beschränkt, son-dern neben der Jagd auch sonst über-all mit dabei, ob im Urlaub oder in der Firma meiner Eltern. Irgendwann mal lagen sie dann mit auf der Couch oder wärmten meinem Vater in der Jagdhüt-te nachts im Bett die Füße.

heute FAmIlIenmItglIeD

Heute verbringen die meisten unserer jagdlich geführten Hunde den größten Teil ihres Lebens mit der Familie im All-tag – und nicht im Revier! Die Häufig-keit ihres jagdlichen Einsatzes und die Jagdarten haben sich im Laufe der Zeit stark verändert. Die klassische Ansitz-jagd und die Pirsch wird zunehmend durch Bewegungsjagden abgelöst, zu-dem nehmen die Niederwildstrecken kontinuierlich ab. Die Anzahl der Jagd-hunde jedoch hat zugenommen. Ge-

prägt von der Aussage „Jagd ohne Hund ist Schund“, halten viele revierlose Jä-ger einen Jagdhund, wobei sich die Hal-tungsbedingungen und die Auslastung in Richtung Familienhund verschoben haben. So stehen heute nicht mehr Wild-schärfe und Passion im Vordergrund, sondern vielmehr soziale Verträglich- sowie Alttagstauglichkeit. Das ist gar nicht so einfach. Eine sensible Auswahl der Rasse und ein klares Prägungs- und Erziehungskonzept tragen hier ent-scheidend zum Gelingen bei.

SpAgAt zwISchen JAgD & FAmIlIe

Führt der Jäger seinen Hund im Jagdein-satz, steht dies oft im Gegensatz zur täg-lichen Gassi-Runde mit den nicht ja-genden Familienmitgliedern. Damit er-geben sich auch einige Probleme. Vom Hund wird erwartet, dass er im Jagdein-

AuSlAStung

alle sind gefragtAm sinnvollsten und für beide Seiten am hilfreichsten sind Beschäftigungen in der Familie, die den Arbeiten aus dem Jagdbe-reich ähneln, wie zum Beispiel Dummyar-beit, Spurensuche von Menschen etc., so

Viele Rassevertreter bei den Jagdhunden haben einen großen Bewegungsdrang.

Foto: Gila Fichtlmeier

Auch ein Deutscher Jagdterrier lässt sich mit Dummys auslasten.

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satz passioniert Interesse an Wild und dessen Fährten oder Spuren zeigt. Ge-gebenenfalls soll er das Wild lang an-haltend verfolgen und auch greifen und abwürgen. Über diese Wild- und Raub-wildschärfe verfügen die meisten Jagd-hunderassen. Damit muss auch der Rest der Familie umgehen können, denn genau dieses auf der Jagd erwünschte Verhalten soll er daheim gefälligst unterlassen! Das gilt es dem Hund zu vermitteln. Das heißt auch, man sollte sich genau überle-gen, wo die Eigenheiten der Wunschras-se liegen und wie viel Energie jeder tat-

sächlich aufbringen kann und will, um seinen Hund entsprechend beherrsch-bar zu machen.

FAmIlIe DArF mItentScheIDen

Bei den Überlegungen, welcher Rasse der zukünftige Jagdbegleiter angehö-ren soll, sind die Wünsche des Leben-spartners, der den Hund täglich führt, ebenso wichtig, wie die Revierbeschaf-fenheit und damit das Einsatzgebiet des Hundes. Als weiteres sollte bei der An-schaffung eines Jagdhundes die Famili-enstruktur mit berücksichtigt werden. Sind Kinder vorhanden – sind diese alt und reif genug, um mit dem Vierläufer klarzukommen? Jugendliche tun sich leichter als Kleinkinder und können auch besser in die Aktivitäten mit ein-bezogen werden. Sind momentan noch keine Kinder in der Familie, aber zu-

künftig geplant, ist also der Hund vor dem Baby im Haus, kann sich die Ge-wöhnung Hund und Baby manchmal schwierig gestalten. Auch die Hygiene-anforderungen sind etwas größer, wenn Kinder im Haushalt leben.

AuSbIlDung unD AuSlAStung

Ein Hund kann lernen, Jagdsituationen von Aktivitäten mit der Familie zu un-terscheiden. Wenn die Menschen auch außerhalb des jagdlichen Einsatzes in-teressant und spannend für ihn sind und ihn entsprechend seinen Talenten ausreichend beschäftigen, wird ihn das auslasten und besser beherrschbar ma-chen. Was können insbesondere die nicht ja-genden Familienmitglieder dem Vier-läufer im Alltag tatsächlich bieten, denn täglich ein oder zwei Spaziergänge, ein

Vorüberlegungen

anschaffung eines hundesFolgende Kernfragen müssen abgewägt und ehrlich beantwor-tet werden:

Zeit für Ausbildung und für Auslastung Entscheidung für einen Welpen (großer Zeitaufwand Ausbildung, Prüfungen) oder für den fertig ausgebildeten Hund (kleinerer Zeitaufwand, da bestandene Prüfungen)Einsatzgebiet: Welches Revier wird bejagt? Welche Rasse ist passend?EinsatzhäufigkeitWer jagt in der Familie?Wie ist die Familienstruktur – Kleinkinder oder Jugendliche?Besteht Einigkeit über den Erziehungsweg gF

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dass der Jagdhund auch in seiner „Freizeit“ seine angeborenen Talente und Fähigkeiten ausleben kann. Ausgelastet ist er nämlich nur dann, wenn man seine Talente zufrie-denstellt. gF

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bisschen Bällchenwerfen oder kleine Futtersuchspiele lasten den Vierläu-fer mit Sicherheit nicht aus. Viele Ras-severtreter haben neben Wildschärfe auch einen starken Bewegungsdrang. Mit einer deutsche Bracke oder einem DJT unangeleint spazieren zu gehen, ist mit Sicherheit komplizierter als mit einem Labrador. Mit den vorhande-nen genetischen Veranlagungen des Hundes müssen alle in der Familie um-gehen können.

präVentIVe erzIehung

Kein Hund bekommt gutes Beneh-men in die Wurfkiste gelegt. Um ihm das zu lehren, muss die ganze Fami-lie vom ersten Tag an Regeln aufstellen und klare Grenzen setzen. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass ein im jagdlichen Einsatz stehender Hund nicht über eine Ausbildung durch aus-schließliches Loben beherrschbar wird, sondern dies eher im Chaos endet. Man muss also auch dazu bereit sein, sich beim Hund notfalls mit entsprechender Konsequenz durchzusetzen, wenn zum

Beispiel ein „Halt“ oder „Stopp“ bei un-erwünschtem Wildkontakt unerläss-lich ist. Deshalb müssen unsere Jagdhunde nicht nur bespaßt, sondern schon als Welpen erzogen werden und dürfen, auch außerhalb des Jagdbetriebs, keine allzu großen Freiräume oder Privilegien genießen. Prävention ist hier die ein-zig sinnvolle und Erfolg versprechende Möglichkeit. Das Aufnehmen von Spu-ren und Verfolgen von Wild muss von Welpenbeinen an unter Signalkontrol-le gebracht werden. Dazu gehört auch, dass sich bereits der Welpe jederzeit durch einen Laut stoppen lässt. Nicht nur auf der Jagd, sondern auch im Alltag erfordert so manche Situation ei-nen sicheren Verhaltensabbruch beim Hund. Sei es, um das Aufnehmen von Unrat, das Sich-Wälzen in Pferdemist, das Belästigen oder Anspringen frem-der Menschen oder das Bedrängen von Artgenossen zu verhindern.

Es ist von entscheidender Bedeutung, dass alle Familienmitglieder, jagende wie nichtjagende, an einem Strang ziehen. Unerwünschtes Verhalten des Vierläufers wird nicht gestattet, und das jagdlich erwünschte Verhalten wird ge-fördert und unterstützt. Hunde lieben klare Regeln und fühlen sich bei sou-veränem und verlässlichen Verhalten ihrer Menschen sicher und gut behü-tet. Sie brauchen Sozialpartner, die ih-nen Führung, soziale Kompetenz und Sicherheit vermitteln. Fassen wir noch einmal zusammen. Die Erziehung eines Jagdhundes bein-haltet neben der Basis drei hauptsäch-liche Aufgabenkomponenten:

Den Jagdhund in der Familie in Bezug auf seine Talente zufriedenstellen.Die jagdliche Brauchbarkeit des Hundes zu bewirken und zu erhalten.Gehorsam am Wild zu erreichen.

In den nächsten Artikeln werden wir uns mit diesen Themen befassen. eu

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Weimaraner und Magyar Vizsla, beides Vorstehhunde, jedoch mit unterschiedlichen Konfliktpotentialen für die Familie.

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Hochkonzentriert sucht der Labrador die Menschenspur im Wald.

Foto: Gila Fichtlmeier

bASIS-erzIehung In Der FAmIlIe

die wichtigsten Punkte 

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zur AutorIn

hygIene

Kind & hundGrundsätzlich sind Hunde gut für Kinder, auch aus hygienischer Sicht. Denn ein Vierbeiner regt neben der sozialen Komponente auch eine gesunde Entwicklung der kind-lichen Abwehr an. Sind Kinder im Haus, gilt es neben der normalen Hygiene bei Hunden im Jagdbetrieb ei-nige besondere Regeln zu beachten:

Händewaschen nach dem Hundekontakt, vor allem vor dem Essen Nicht das Gesicht ablecken lassenKein Dauergast im KinderbettEine gute Gesundheitsvorsorge (jährliche Impfung)Regelmäßige Entwurmung (mindestens 4x pro Jahr) Bei Kleinkindern empfehlen sich ein- bis zweimonatliche Wurmkuren Bei häufigem Jagdeinsatz erhöhte Infektionsgefahr beachten (Hunde fressen die Losung vom Fuchs oder wälzen sich darin und haben Kontakt mit Kindern; Bauhunde nach Beendigung der Jagd unbedingt abduschen)Schutz vor Ektoparasiten, z.B. Flöhe, Läuse, Zecken (an die Jahreszeiten angepasst)Sorgfältige Fellpflege durch Bürsten und Kämmen Regelmäßiges Waschen der Hundebetten gF

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Ruhe und Steadiness

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Gehorsam am Wild und dessen Fährten/Spuren

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Konzentrierter Einsatz der Nase

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Rassebedingt Bringfreude und Apportieren

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Stopp- oder Abbruchsignale, um die Aktionen des Hundes in jeder Situation sofort und verlässlich zu stoppen und seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen Besitzer zu lenken gF

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Konzentriertes Arbeiten von gestellten Aufgaben

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Freudiges Herankommen aus jeder Situation

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Leinenführigkeit »

Gila Fichtlmeier, wohnhaft in Berg am Starnberger See, veranstaltet zusammen mit Ihrem Mann Aus- und Fortbildungskurse im Bereich der Rettungshundearbeit und Jagdhunde-ausbildung, ist aktive Jägerin und seit vielen Jahren als Fachautorin, Video-produzentin und Fotografin tätig.

Jugendliche können sehr gut in Aktivitäten mit dem Hund einbe-zogen werden.

Foto: Gila Fichtlmeier

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