Ganz einfach kommunizieren || Die 360°-Moderation kompakt

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105 Die 360°-Moderation kompakt | 3. Die 360°-Moderation kompakt These: Jeder Mensch ist zu kreativen Leistungen fähig. Doch man kann sie nicht verordnen oder gar erzwingen. Man kann aber die richtigen Voraussetzungen für Kreativität schaffen. Der Begriff Kreativität stammt aus dem Lateinischen. Da ist zunächst creare, was so viel bedeutet wie „neu schöpfen, erfinden, erzeugen, herstel- len“, aber auch „auswählen“ heißen kann. Als weitere Wurzel gilt crescere: „geschehen, wachsen“. Mit etwas Fantasie führt das zu einer dualen Sicht auf Kreativität: Sie braucht sowohl aktives Tun als auch passives Gesche- henlassen! Wir haben unterschiedliche Definitionen des Begriffs Kreativität aus dieser dualen Sicht betrachtet und diesen dann durch die folgenden sechs Elemente beschrieben: Y Flüssigkeit (viele Ideen in kurzer Zeit) Y Flexibilität (gewohnte Wege verlassen; neue Sicht) Y Problemsensitivität (Probleme erkennen und beschreiben) Y Redefinition (Bekanntes neu verwenden, improvisieren) Y Elaboration (Ideen an Realität anpassen) Y Ergebnisorientierung (Konsens, Aktionsplan, Ausblick) Die im vorangegangenen Kapitel durch Alexandra kurz beschriebene so genannte 360°-Moderation basiert auf vier Phasen, die unterschiedliche Emotionen bei den Beteiligten ansprechen oder sogar wecken. Phase 1: Methode „Gelb“ für Spaß und Querdenken. Es sind alle Gedanken und Assoziationen zugelassen, nichts wird sofort auf Relevanz und Nutzen geprüft. Dieses Vorgehen unterstützt Flüssigkeit, das heißt das Generieren von vielen Ideen in kurzer Zeit, und Flexibilität, da die Teilnehmer ausdrücklich W. Schneiderheinze, C. Zotta, Ganz einfach kommunizieren, DOI 10.1007/978-3-8349-3930-2_3, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

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3. Die 360°-Moderation kompakt

These:

Jeder Mensch ist zu kreativen Leistungen fähig. Doch man kann sie nicht verordnen oder gar erzwingen. Man kann aber die richtigen Voraussetzungen für Kreativität schaffen.

Der Begriff Kreativität stammt aus dem Lateinischen. Da ist zunächst creare, was so viel bedeutet wie „neu schöpfen, erfinden, erzeugen, herstel-len“, aber auch „auswählen“ heißen kann. Als weitere Wurzel gilt crescere: „geschehen, wachsen“. Mit etwas Fantasie führt das zu einer dualen Sicht auf Kreativität: Sie braucht sowohl aktives Tun als auch passives Gesche-henlassen!

Wir haben unterschiedliche Definitionen des Begriffs Kreativität aus dieser dualen Sicht betrachtet und diesen dann durch die folgenden sechs Elemente beschrieben:

Y Flüssigkeit (viele Ideen in kurzer Zeit) Y Flexibilität (gewohnte Wege verlassen; neue Sicht) Y Problemsensitivität (Probleme erkennen und beschreiben) Y Redefinition (Bekanntes neu verwenden, improvisieren) Y Elaboration (Ideen an Realität anpassen) Y Ergebnisorientierung (Konsens, Aktionsplan, Ausblick)

Die im vorangegangenen Kapitel durch Alexandra kurz beschriebene so genannte 360°-Moderation basiert auf vier Phasen, die unterschiedliche Emotionen bei den Beteiligten ansprechen oder sogar wecken.

Phase 1: Methode „Gelb“ für Spaß und Querdenken. Es sind alle Gedanken und Assoziationen zugelassen, nichts wird sofort auf Relevanz und Nutzen geprüft.

Dieses Vorgehen unterstützt Flüssigkeit, das heißt das Generieren von vielen Ideen in kurzer Zeit, und Flexibilität, da die Teilnehmer ausdrücklich

W. Schneiderheinze, C. Zotta, Ganz einfach kommunizieren,DOI 10.1007/978-3-8349-3930-2_3, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

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ermuntert werden, gewohnte Wege zu verlassen und neue Sichten auszupro-bieren. Vor allem Letzteres wird durch die Osborne-Shortlist „positiv“ unter-stützt, vor allem aber werden die Teilnehmer zur Redefinition angeregt und ermuntert, indem sie vorhandene Ideen neu verwenden oder verändern.

Phase 2: Umkehrung des klassischen Brainstormings – nicht Lö-sungen, sondern Probleme stehen bei Methode „Grün“ im Mittel-punkt. Alle Ängste, Bedenken und negative Erfahrungen sind zu-gelassen, ja erwünscht. Alles Bisherige kann in Frage gestellt werden.

Durch die Osborne-Shortlist „negativ“ wird unterstrichen, dass jetzt Pro-blemsensitivität erwünscht ist und gefördert wird. Im Gegensatz zur Osbor-ne-Shortlist „positiv“, die durch ihre Fragen die Fantasie anregt, ist die hier verwendete Fragenliste dazu angetan, sich zu Ängsten, Sorgen und Proble-men zu bekennen.

In diesen beiden ersten Phasen der Moderation geht es vor allem dar-um, die klassischen, früher oft fälschlicherweise als „weiblich“ etikettier-ten Emotionen zu wecken und ihnen freien Lauf zu lassen. Schließlich gehö-ren überschwängliche Ideen und rational nicht immer sofort begründbare Ängste zur menschlichen Natur. Nach diesem „emotionalen Austoben“ fällt es den Beteiligten deutlich leichter, sich auf eine sachlich-analytische Dis-kussion einzulassen. Und, ganz wichtig: es ist genügend Stoff dafür vorhan-den.

Phase 3: Analytische Distanz und objektivere Grundhaltung durch Methode „Blau“. Hier zeigt sich, welche Kritik begründet ist und welche Ansätze weiter verfolgt werden.

Der Fragen-Katalog zur Evaluierung und Verbesserung bestehender Ide-en dient der Elaboration. Die Fragen unterstützen die Teilnehmer dabei, das reichlich vorhandene Material kritisch zu sichten und die entwickelten Ide-en und Vorschläge an die Realität anzupassen. So werden aus spontanen Ideen ausformulierte und durchdachte Handlungsalternativen.

Das macht den Weg frei für Ergebnisorientierung im Konsens, für kon-krete Aktionspläne gleichermaßen wie für visionäre Ausblicke, um die es in der letzten Phase geht.

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Phase 4: Zurück zu Zielen und Prioritäten mit Methode „Rot“. Es ist alles gesagt und diskutiert, alle Für und Wider sind abgewo-gen, die Entscheidung reift in der Gruppe und wird getroffen.

Die 360°-Moderation ist ein bewusster Gegenentwurf zu den verbreite-ten „Ideenkonferenzen“, bei denen üblicherweise nach dem Brainstorming (was regelmäßig durch Diskussion gehemmt wird) eine grobe Clusterung er-folgt, verbunden mit einer oberflächlichen Suche nach übergeordneten Be-griffen. Nicht selten wird diese Phase der Konferenz durch einen so genann-ten Moderator dominiert, der seine Interessen oder die eines Auftraggebers verfolgt.

Nachdem die Cluster einen Namen haben, werden ohne große und vor allem tiefgründige Diskussion „Prioritäten“ vergeben. Nicht selten da-durch, dass jeder Teilnehmer eine bestimmte Anzahl bunter Klebepunkte erhält, die er nach Gutdünken verteilt, vielleicht sogar alle auf ein Thema. Im Anschluss an diese nicht selten sehr subjektive Prioritätensetzung er-folgt dann, nach in der Regel viel zu kurzer Diskussion, die Formulierung eines Aktionsplans. Dies geschieht häufig auf Flipcharts, wobei gilt: Wer schreibt, der bleibt, sprich wer am Flipchart steht, hat deutlich mehr Macht als alle anderen.

Die wichtigsten Vorteile der 360°-Moderation:

Y Keine ermüdenden Diskussionen zur Profilierung Y Nacheinander statt Durcheinander Y Alle Beteiligten werden mit ihren Stärken an- und ernst genommen Y Konsens statt Polarisierung im Gruppenprozess Y Chance, aus eingefahrenen Rollen und Verhaltensmustern auszubrechen Y Respekt vor Andersartigkeit und Toleranz werden möglich Y Die Methode ist bzgl. Zeiteinsatz, Ergebnisgüte und Bearbeitungstiefe

sehr effektiv Y Das Ergebnis wird zum „gemeinsamen Baby“