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Abstracts Chronische Krankheitsverläufe in der Gastroenterologie Greifswald Samstag, 18. Juni 2011 8.30 – 16.00 Uhr Veranstaltungsort: Stadthalle Greifswald Kaisersaal Robert-Blum-Straße 17489 Greifswald Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. M. M. Lerch, Greifswald Prof. Dr. J. Mayerle, Greifswald Dr. M. Kraft, Greifswald Prof. Dr. C.-D. Heidecke, Greifswald Greifswald Greifswald 18. 18. Juni 2011 Juni 2011 Hildesheim 9. April 2011 Dresden 25. Juni 2011 Stuttgart 16. April 2011 Erlangen 8. Oktober 2011 Trier 5. November 2011 Bonn 26. November 2011 Bielefeld 19. März 2011

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Abstracts

Chronische Krankheitsverläufein der Gastroenterologie

Greifswald

Samstag, 18. Juni 20118.30 – 16.00 Uhr

Veranstaltungsort:Stadthalle GreifswaldKaisersaalRobert-Blum-Straße17489 Greifswald

Wissenschaftliche Leitung:Prof. Dr. M. M. Lerch, GreifswaldProf. Dr. J. Mayerle, GreifswaldDr. M. Kraft, GreifswaldProf. Dr. C.-D. Heidecke, Greifswald

GreifswaldGreifswald18.18. Juni 2011Juni 2011

Hildesheim 9. April 2011

Dresden 25. Juni 2011

Stuttgart 16. April 2011

Erlangen 8. Oktober 2011

Trier 5. November 2011

Bonn 26. November 2011

Bielefeld19. März 2011

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Programm 8.30 Uhr Begrüßung

Prof. Dr. M.M. Lerch, Greifswald Prof. Dr. C.-D. Heidecke, Greifswald

Oberer Gastrointestinaltrakt Vorsitz: Prof. Dr. Dr. h. c. mult. W. Domschke, Münster Dr. M. Kraft, Greifswald

8.30 Uhr Refluxösophagitis und Barrett-Ösophagus – leitliniengerechtes Vorgehen Prof. Dr. J. Labenz, Siegen

9.00 Uhr Helicobacter pylori – Treatment and cancer prevention (ohne Abstract) Prof. Dr. T. Starzyńska, Szczecin/Stettin, Polen

9.30 Uhr Zöliakie – eine immer noch unterschätzte chronische Krankheit? Prof. Dr. M. Zeitz, Berlin

10.00 Uhr Chronisch entzündliche Darmerkrankungen – „Step-up“, „Top-down“ oder mukosale Heilung als neue therapeutische Standards? Prof. Dr. J. Schölmerich, Frankfurt

10.30–11.00 Uhr

Kaffeepause

Pankreas und Reizdarm Vorsitz: Prof. Dr. C.-D. Heidecke, Greifswald Dr. P. Simon, Greifswald

11.00 Uhr Intraduktale papillär-muzinöse Neoplasien (IPMN) und andere zystische Läsionen am Pankreas – chronische Erkrankungen? Prof. Dr. Dr. h. c. mult. M.W. Büchler, Heidelberg

11.30 Uhr Chronische Pankreatitis und S3-Leitlinie – Was gibt es Neues? Prof. Dr. J. Mayerle, Prof. Dr. M.M. Lerch, Greifswald

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12.00 Uhr Reizdarm und die S3-Leitlinie – Welche Therapien sind

belegt? Prof. Dr. W. Kruis, Köln

12.30–13.30 Uhr Mittagsimbiss

Leber Vorsitz: Prof. Dr. J. Schölmerich, Frankfurt Prof. Dr. J. Mayerle, Greifswald

13.30 Uhr Leberzirrhose und Aszites – Wieviel geht konservativ und wieviel nur interventionell? Prof. Dr. A.L. Gerbes, München

14.00 Uhr Therapie der Hepatitis B und der Hepatitis C Prof. Dr. A.W. Lohse, Hamburg

14.30 Uhr Nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) – Nebenbefund oder Krankheit? Prof. Dr. J. Hampe, Kiel

15.00 Uhr

Diskussion

16.00 Uhr Ende der Veranstaltung

Anschriften der Referenten und Vorsitzenden siehe Seiten 43–44

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Refluxösophagitis und Barrett-Ösophagus – leitliniengerechtes Vorgehen

J. Labenz

Abteilung für Innere Medizin, Ev. Jung-Stilling-Krankenhaus, Siegen

Die Leitlinie der DGVS zur gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) wurde nach

mehrjährigem Konsensusprozess 2005 publiziert und ist damit sicher in einigen

Punkten überholt. Diesem Aspekt Rechnung tragend wird aktuell eine neue Leitlinie

entwickelt, die im Frühjahr 2012 abschließend konsentiert werden soll.

Refluxösophagitis

Unter Refluxösophagitis versteht man endoskopisch sichtbare Läsionen („mucosal

breaks“), die nach ihrem Schweregrad klassifiziert werden. Dies sollte heute nach

der Los-Angeles-Klassifikation erfolgen, da es die einzige Klassifikation ist, die nach

formalen Kriterien entwickelt und anschließend auch validiert wurde. Die Schwere-

grade A und B können als „leichte Refluxösophagitis“ und C/D als „schwere Reflux-

ösophagitis“ klassifiziert werden.

Ziele der Therapie einer Refluxösophagitis sind:

1. zufriedenstellende Symptomkontrolle,

2. Heilung der Ösophagitis,

3. langfristige symptomatische und endoskopische Remissionserhaltung,

4. Verhinderung von Komplikationen.

Die Symptomkontrolle hat für Patienten die höchste Priorität. Die Relevanz einer

(vollständigen) Heilung von Läsionen ist unklar. Die Entwicklung von bedrohlichen

Komplikationen auf dem Boden einer Refluxösophagitis ist sicher selten. Es ist

wahrscheinlich, formal aber nicht bewiesen, dass das Risiko für Komplikationen

durch konsequente Therapie reduziert werden kann.

Gemäß den Leitlinien sollte eine Refluxösophagitis akut für 4–8 Wochen mit einem

Protonenpumpeninhibitor (PPI) in Standarddosis behandelt werden, wobei für leichte

Fälle (Los Angeles A und B) regelhaft 4 Wochen genügen und für schwere Fälle

a priori eine Therapiedauer von 8 Wochen gewählt werden sollte. Es ist von

klinischer Relevanz, dass ca. 20–30% der Fälle mit schwerer Ösophagitis nicht

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innerhalb von 8 Wochen abheilen und dass sich in der Abheilungsphase nicht selten

ein Barrett-Ösophagus demaskiert. Dementsprechend sollte entgegen der aktuellen

Leitlinien bei schwerer Refluxösophagitis durchaus eine endoskopische Heilungs-

kontrolle erwogen werden. Heilt eine Refluxösophagitis nicht ab oder bleibt der

Patient symptomatisch, empfiehlt sich nach sorgfältiger Fahndung nach möglichen

Ursachen für die Therapieresistenz und Ausschöpfung von Allgemeinmaßnahmen

(Gewichtsreduktion!) ein Wechsel des PPI und/oder eine Steigerung der PPI-Dosis

durch Erhöhung der Einnahmefrequenz (z. B. 2x täglich) (Abb. 1).

Die Leitlinien empfehlen nach der Akuttherapie einen Therapiestopp. Dies kann für

Patienten mit leichter Refluxösophagitis auch durchaus nachvollzogen werden, da

ca. 30% auch ohne Therapie längerfristig in Remission bleiben. Patienten mit

schwerer Ösophagitis (Los Angeles C und D) erleiden aber zumeist innerhalb von

Tagen bis wenigen Wochen ein Rezidiv. Für diese Patienten erscheint daher a priori

eine Langzeittherapie angezeigt, die mit der zur Heilung führenden Dosis begonnen

werden sollte und im Verlauf durch Titration nach unten an den Bedarf des Patienten

angepasst werden kann. Bei leichter Ösophagitis sind patientengesteuerte Bedarfs-

therapie, intermittierende Therapie (Wiederholung einer „Heilungstherapie“ beim

Rezidiv) und auch eine konsequente Langzeittherapie Optionen, die individuell

ausgewählt werden sollten. Eine weitere Option für das langfristige Management ist

eine Antirefluxoperation, die in den Händen des erfahrenen Chirurgen ähnlich

wirksam ist wie eine gut durchgeführte PPI-Therapie. Das Risiko kurz- und lang-

fristiger Nebenwirkungen der OP muss aber gegen das Risiko einer PPI-Therapie

sorgfältig und individuell bilanziert werden.

Völlig unklar ist die klinische Relevanz der „asymptomatischen Refluxösophagitis“.

Nach einer populationsbasierten Studie sind hiervon immerhin 6% der erwachsenen

Bevölkerung betroffen. Ein Teil dieser Patienten wird im Laufe der Zeit symptoma-

tisch werden. Ohne wissenschaftliche Evidenz scheint es aktuell vernünftig, diese

Präsentation der Refluxösophagitis genauso zu managen wie die klassische

„symptomatische Refluxösophagitis“.

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Abb. 1: Therapieresistente RefluxAbb. 1: Therapieresistente Refluxöösophagitis:sophagitis:praktisches Vorgehenpraktisches Vorgehen

Persistierende Refluxösophagitisnach 8 Wochen PPI 1x täglich

Anderer PPI8 Wochen

Doppeldosis PPI (1-0-1)8 Wochen

Versagen

Verbesserung ComplianceOptimierte Einnahme

Gewichtsabnahme+

TherapieresistenteTherapieresistenteÖÖsophagitissophagitis

Versagen+ H2-Blocker zur Nacht?+ Refluxblocker?+ Prokinetikum?

Labenz & Kiesslich, Viszeralmedizin. 2011

TherapieresistenteTherapieresistenteÖÖsophagitissophagitis

Abb. 1 (Fortsetzung)Abb. 1 (Fortsetzung)

Gute SymptomkontrolleLeichte Restösophagitis

Therapieweiterführen

Unzureichende Symptomkontrolleoder

schwere Restösophagitis

Weitere Diagnostik→ andere Ursache?→ Säurehemmung?→ Motilität?

PrüfungOP-Indikation

Labenz & Kiesslich, Viszeralmedizin. 2011

Barrett-Ösophagus

Was ist überhaupt ein Barrett-Ösophagus? Gemäß der Montreal-Definition sollte jede

endoskopisch erkennbare Zylinderepithelmetaplasie als Barrett-Ösophagus bezeich-

net und biopsiert werden. Nach dem Ergebnis der Histologie wird der Barrett-Öso-

phagus dann gekennzeichnet mit „GM“ (gastrale Metaplasie) oder „IM“ (intestinale

Metaplasie). Grund hierfür ist die Beobachtung, dass sich auch bei reiner GM im

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Verlauf eine IM herauskristallisieren (initialer sampling error) oder entwickeln kann.

Das Karzinomrisiko des Barrett-Ösophagus ist im Wesentlichen an das Vorhanden-

sein einer intestinalen Metaplasie gebunden.

Das Management des Barrett-Ösophagus hängt von seiner (Flächen-)Ausdehnung

ab. In den Leitlinien wird zwischen einem Kurzsegment- (≤ 3 cm Metaplasie in

kraniokaudaler Richtung) und einem Langsegment-Barrett-Ösophagus (> 3 cm

Zylinderepithelmetaplasie) unterschieden. In der Zwischenzeit wurde ein endosko-

pisches Klassifikationssystem systematisch entwickelt und validiert (Prag-

Klassifikation; Abb. 2), das den Barrett-Ösophagus unabhängig von der Histologie

nach seiner zirkumferenziellen und longitudinalen Ausdehnung beschreibt.

8

6

4

2

0

Distanz in cm zum

GÖ-Übergang

Länge der zirkumferenziellenMetaplasie – C = 2,5 cm

Längste Ausdehnung der Metaplasie – M = 5 cm

Bestimmung des gastro-ösophagealen Übergangs

BarrettBarrett––C2,5/M5C2,5/M5

Abb. 2: Prag-CM-Klassifikation des BarrettAbb. 2: PragAbb. 2: Prag--CMCM--Klassifikation des BarrettKlassifikation des Barrett

VorhandenseinVorhandensein bzwbzw. . FehlenFehlen der der intestinalenintestinalenMetaplasieMetaplasie beibei dieserdieser BeschreibungBeschreibung nichtnicht relevant.relevant.

Armstrong, Aliment Pharmacol Ther. 2004

Die Leitlinien empfehlen bei endoskopisch-bioptischem Nachweis eines Barrett-Öso-

phagus ohne intraepitheliale Neoplasie eine endoskopisch-bioptische Kontrolle nach

1 Jahr und anschließende Überwachungsendoskopien für den Langsegment-Barrett

alle 3 Jahre und für den Kurzsegment-Barrett alle 4 Jahre. Es sei aber kritisch ange-

merkt, dass es weder für die Zeitintervalle noch für die Überwachung eine überzeu-

gende Evidenz gibt. Das Risiko für eine Karzinomentwicklung im Barrett ist

vermutlich erheblich überschätzt worden, wie jüngste Studien signalisieren. Dement-

sprechend muss auch die Kosteneffizienz eines Überwachungsprogramms kritisch

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hinterfragt werden, zumal sich bei konsequentem Umsetzen eine enorme Belastung

für Endoskopieeinheiten ergeben wird. Theoretische Alternativen zur „Surveillance

für alle Barrett-Patienten“ sind die selektive Überwachung von Risikopatienten, die

interventionelle Reduktion des Entartungsrisikos oder die Ablation des nicht-dys-

plastischen Barrett in Analogie zum Polypenmanagement im Darm.

Hat sich eine niedrig- oder hochgradige intraepitheliale Neoplasie entwickelt und

wurde auch von einem Referenzpathologen bestätigt, ist ein aktives Vorgehen

angezeigt. Im Idealfall lässt sich diese Läsion endoskopisch identifizieren und

resezieren. Das Gleiche gilt für Frühkarzinome, die auf die Mukosa und erste Schicht

der Submukosa (sm1) begrenzt sind, da das Risiko einer Lymphknoten-

metastasierung sehr gering ist. Bei tieferer Infiltration muss dann eine chirurgische

Resektion oder eine palliativ orientierte Therapie erfolgen. Nach alleiniger endo-

skopischer Resektion der Neoplasie ist das Risiko für metachrone Rezidive hoch.

Dementsprechend sollte der „Rest-Barrett“ durch ein ablatives Verfahren beseitig

werden. Eine intensive Säurehemmung (durch hoch dosierte PPI-Gabe) ist

Voraussetzung dafür, dass sich nach der Ablation statt des Zylinderepithels wieder

Plattenepithel bildet.

Der Barrett-Ösophagus per se rechtfertigt (aktuell) weder eine medikamentöse noch

eine operative Therapie mit dem Ziel einer Karzinomprävention. Diese ist mit einer

Operation gemäß einer Metaanalyse nicht möglich, die Datenlage hinsichtlich des

präventiven Effekts einer PPI-Gabe ist kontrovers. Der Stellenwert einer hoch

dosierten PPI-Therapie in Kombination mit ASS wird gegenwärtig geprüft (ASPECT-

Studie). Nicht-steroidale Antirheumatika und Statine haben vermutlich auch einen

präventiven Effekt, Nutzen-Risiko- und insbesondere auch Kosten-Analysen stehen

aber aus.

Leiden Patienten mit Barrett-Ösophagus an Refluxsymptomen oder weisen

endoskopisch eine zusätzliche Refluxösophagitis auf, werden sie behandelt wie

Patienten mit NERD bzw. erosiver Ösophagitis (s. o.). Dabei ist zu beachten, dass

Patienten mit Barrett oft eine höhere PPI-Dosis benötigen als Patienten ohne Barrett-

Metaplasie und dass eine Symptombeseitigung häufig nicht mit einer Elimination des

Säurerefluxes einhergeht.

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Zöliakie – eine immer noch unterschätzte chronische Krankheit?

M. Zeitz

Medizinische Klinik für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie, Charité –

Universitätsmedizin, Campus Mitte / Campus Benjamin Franklin (CBF), Berlin

Der Zöliakie liegt eine immunologische Reaktion des intestinalen Immunsystems auf

Gluten bzw. Gliadin zugrunde. Diese pathologische Immunreaktion ist T-Zell-

vermittelt und führt zu einer funktionellen und strukturellen Schädigung der Dünn-

darmschleimhaut. Unter einer strikt glutenfreien Diät ist die Schleimhautschädigung

vollständig reversibel, eine genetische Assoziation mit HLA-DQ2 und HLA-DQ8 ist

klar belegt.

Das klinische Bild der Zöliakie ist sehr variabel und reicht von schwersten

Malabsorptionssyndromen bis zu ausschließlichen Reizdarmbeschwerden. Isolierte

Mangelzustände wie ein Eisenmangel mit mikrozytärer Anämie oder ein Vitamin-D-

Mangel mit einer Osteoporose können ursächlich durch eine Zöliakie bedingt sein.

Gleiches gilt für unklare Erhöhungen der Transaminasen. Hierdurch erklären sich

vermutlich auch die sehr unterschiedlichen epidemiologischen Zahlen in der

Weltliteratur. Wir können davon ausgehen, dass die Zöliakie eine Prävalenz von

etwa 1:300 hat, wenn man alle klinischen Bilder einbezieht; die klassische Zöliakie

mit schwerer Malabsorption hat eine Häufigkeit von etwa 1:1000. Somit gehört die

Zöliakie eindeutig zu einer unterdiagnostizierten Erkrankung.

In der Diagnosestellung steht die Bestimmung von Antikörpern gegen Endomysium

bzw. dem relevanten Autoantigen, tissueTransGlutaminase (tTG) sowie gegen

Gluten im Vordergrund. Von höchster Sensitivität und Spezifität und am besten

validiert ist der Nachweis von tTG-IgA-Antikörpern. Die Spezifität liegt für diese

Antikörper bei 95–98%, die Sensitivität bei 95–99%. Bedacht werden muss, dass

Patienten mit Zöliakie gehäuft einen selektiven IgA-Mangel haben, was bei der

Diagnostik Berücksichtigung finden muss. Bei klinischem Verdacht bzw. positivem

Antikörperbefund sollte die Diagnose in Biopsien, die bei der Ösophagogastro-

duodenoskopie aus dem tiefen Duodenum entnommen werden, histologisch bestätigt

werden. Neben der Beurteilung des Zotten-Krypten-Verhältnisses sollte hier auch

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eine quantitative Aussage zur relativen Zahl der intraepithelialen Lymphozyten,

bezogen auf die Zahl der Epithelzellen, erfolgen; diese ist bei der Zöliakie erhöht.

Die Therapie der Zöliakie besteht in einer strikt glutenfreien Kost. Hierdurch können

Langzeitkomplikationen – einerseits durch die Malabsorption, andererseits im Sinne

der Entwicklung von Malignomen, insbesondere dem enteropathieassoziierten

T-Zell-Lymphom – reduziert werden. Neuere, auf der Pathogenese basierende

Strategietherapien wie die Blockade des HLA-DQ2-Moleküls oder der Einsatz von

glutenspaltenden Enzymen wie Prolyl-Endopeptidasen sind im experimentellen

Stadium.

In sehr seltenen Fällen kann eine sogenannte refraktäre Zöliakie vorliegen, entweder

primär bei Diagnosestellung des typischen Schleimhautumbaus oder im Verlauf der

Erkrankung unter bestehender glutenfreier Diät. In dieser Situation müssen zunächst

Diätfehler oder auch Fehldiagnosen bzw. Komorbiditäten, die ebenfalls einen

Schleimhautumbau bewirken können, ausgeschlossen werden. Man kann ungefähr

davon ausgehen, dass maximal 5% der Patienten mit einer Zöliakie eine refraktäre

Form aufweisen. Prognostisch von entscheidender Bedeutung ist die Unterteilung in

eine refraktäre Zöliakie Typ 1: Hierbei haben die intraepithelialen Lymphozyten einen

regelrechten immunologischen Phänotyp und sind polyklonal. Bei der refraktären

Zöliakie Typ 2 verändert sich der Phänotyp der intraepithelialen Lymphozyten mit

einem Verlust des CD-8-Antigens; die Zellen sind bei der molekularbiologischen

Analyse monoklonal. Die refraktäre Zöliakie Typ 2 besitzt eine deutlich schlechtere

Prognose und kann als Vorstufe eines enteropathieassoziierten T-Zell-Lymphoms

angesehen werden.

Die Zöliakie ist somit eine sehr häufige Erkrankung, die sicher zu selten

diagnostiziert wird. Bei richtiger Diagnosestellung und Therapie können schwer-

wiegende Komplikationen verhindert und die Lebensqualität des Patienten erheblich

verbessert werden. Im diagnostischen Algorithmus steht die Antikörperbestimmung

gegen die sogenannte Gewebstransglutaminase (anti-tTG IgA) ganz im Vordergrund.

Die Biopsie aus dem Duodenum hat nach wie vor einen zentralen Stellenwert in der

Diagnosesicherung und bei atypischen Verläufen in der Verlaufsbeurteilung.

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Chronisch entzündliche Darmerkrankungen – „Step-up“, „Top-down“ oder mukosale Heilung als neue therapeutische Standards?

J. Schölmerich

Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main

Die Therapiemöglichkeiten bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED)

haben sich in den letzten Jahren deutlich erweitert. Auch die Ziele wurden dahin-

gehend modifiziert, dass die Erhaltung der Hauptfunktion des Intestinaltrakts, das

heißt die Vermeidung von strukturellen Schäden wie Narben oder Resektionen, in

den Vordergrund tritt. Die früher obenan stehende klinische Remission wird mit den

vorhandenen Therapiemöglichkeiten bei etwa der Hälfte der Patienten weitgehend

erreicht, bei weiteren 20% (Morbus Crohn) bzw. 40% (Colitis ulcerosa) der Patienten

ist die Krankheit beherrschbar, bei den verbleibenden bestehen ungelöste therapeu-

tische Probleme (Abb. 1). Das Überleben hat sich ebenfalls weitgehend normalisiert.

Verlauf beim Morbus Crohn über 10 Jahre - IBSEN-Studie

0 10 Jahre 0 10 Jahre

0 10 Jahre 0 10 Jahre

45%

3%

19%

32%

CV/11/13 Klinikum der Goethe-Universität, Frankfurt am Main I.C. Solberg, 2007

Abb. 1

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Trotz gegenteiliger Mitteilungen in den Leitlinien werden 5-Aminosalizylsäure

(5-ASA)-Präparate auch beim Morbus Crohn häufig und durchaus erfolgreich benutzt

(Abb. 2), wie neuere Untersuchungen zeigen.

CDT/11/06 Klinikum der Goethe-Universität, Frankfurt am Main D. Duricova, 2010

5-ASA beim Morbus Crohn -die dänische Kohorte

165 von 345 Patienten ausschließlich 5-ASA-Therapie

INITIAL (30 Tage)

Remission67% (111)

Partielles Ansprechen8% (13)

Kein Ansprechen25% (41)

Kein Erfolg38% (63)

LANGZEIT

5-ASA- Abhängigkeit23% (38)

Langzeiterfolg36% (59)

Abb. 2

Von den Rheumatologen übernommen wurde das Konzept der Top-down-Behand-

lung, die durch initiale aggressive Therapie mit hochpotenten Substanzen versucht

Strukturschäden zu verhindern. Derzeit wird propagiert, dies durch Anwendung von

Biologika auch beim Morbus Crohn und eventuell bei der Colitis ulcerosa zu

realisieren. Die Daten der klinischen Remission in den großen Zulassungsstudien

sind sowohl für den Morbus Crohn als auch für die Colitis ulcerosa begrenzt, die

6-Monats-Remissionsraten liegen um 20–30%. Durch geeignete Auswahl der

Patienten lässt sich die Ansprechrate aber deutlich steigern.

Eine Studie, die eine frühe kombinierte Immunsuppression mit Infliximab und

Azathioprin mit einer konventionellen Step-up-Therapie verglich, kam zu dem

Ergebnis, dass eine steroidfreie Remission in den ersten 52 Wochen häufiger durch

die frühe kombinierte Immunsuppression bewirkt wurde, anschließend glich sich der

Effekt aber aus (Abb. 3). In beiden Gruppen war die Zahl der Patienten mit einer

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Immunsuppression zum Ende auch annähernd gleich. Eine Studie, die die

Kombination der beiden Substanzen mit der Anwendung beider Substanzen als

Einzelgabe verglich, zeigte eine Überlegenheit der Kombination gegenüber

Azathioprin, nicht jedoch gegenüber Infliximab. Auch hier war die steroidfreie

Remission das Therapieziel.

Frühe kombinierte ImmunsuppressionKonventionelle Therapie

Wochen

Patie

nten

in R

emis

sion

(%)

Frühe kombinierte Immunsuppression oder konventionelle Therapie beim

Morbus Crohn

CDT/11/27 Klinikum der Goethe-Universität, Frankfurt am Main G. D´Haens, 2008

Abb. 3

Bei schwerer Colitis ulcerosa hat sich Infliximab dem Ciclosporin A als gleichwertig

erwiesen, infolge der längeren Halbwertszeit von Infliximab erscheint die Gabe von

Ciclosporin A angesichts der bestehenden Operationsoption als günstiger.

Von besonderer Bedeutung sind natürlich bei einer aggressiven Immunsuppression

auch die Nebenwirkungen, wobei insbesondere die Infektionen ein Risiko darstellen.

Hier wird das Risiko besonders durch eine kombinierte Immunsuppression deutlich

erhöht. Auch ältere Patienten sind offensichtlich durch die Biologika höheren Risiken

ausgesetzt, wie eine kürzliche Analyse zeigte (Abb. 4). Solange es nicht gelingt, die

richtigen Patienten für die Top-down-Therapie zu definieren, erscheint dieser Ansatz

daher mit einer Übertherapie und entsprechenden Risiken verbunden.

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CA/11/12 Klinikum der Goethe-Universität, Frankfurt am Main M. Cottone, 2011

BIOLOGIKA

PAT > 65 PAT ≤ 65 PAT > 65CU MC CU MC CU MC

n 37 58 74 116 74 116

Tod (n) 0 2 1 3

Schwere Infektion 2 3 1 0

Steroide 36 54 72 108 74 104

KEINE BIOLOGIKA

4 6

5 6

Anti-TNF-Therapie bei älterenPatienten mit Morbus Crohn erhöht Risiko

Abb. 4

Eine mukosale Heilung wird bei der Colitis ulcerosa durch eine effektive Therapie mit

5-ASA in bis zu 80% der Patienten erreicht, dies ist durch verschiedene Studien gut

belegt. Die mukosale Heilung bei der Colitis ulcerosa ist offensichtlich auch mit einer

Vermeidung des sicher überschätzten Karzinomrisikos assoziiert. Beim Morbus

Crohn ist das Konzept einer mukosalen Heilung deutlich zurückhaltender zu

betrachten, da es sich um eine transmurale Entzündung mit Beteiligung der Serosa

und des mesenterialen Fetts handelt und die endoskopische Inspektion also nur

geringen Aufschluss über den Heilungszustand geben kann. Es gibt Daten, die

darauf hinweisen, dass eine mukosale Heilung auch eine gewisse Vorhersage des

weiteren Verlaufs erlaubt (Abb. 5). Sie kann durch Infliximab, aber ebenso durch

Azathioprin, bei relativ vielen Patienten erreicht werden. Inwieweit es sich nur um

einen Surrogatmarker handelt oder ob hier eine kausale Beziehung zum späteren

Verlauf besteht, ist offen. Die Tatsache, dass eine radikale Chirurgie bezüglich

späterer Rezidive eher schlechter war als eine limitierte Chirurgie, spricht gegen das

Konzept der mukosalen Heilung.

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Einfluss einer „mukosalen Heilung“ auf die Operationshäufigkeit bei refraktärem

Morbus Crohn

214 Patienten (1994–2008) mit Endoskopievor und nach Therapie

183 Ansprechen

83 „mukosale Heilung“(45,4%)

41 „partielle Heilung“(22,4%)

86 keine Heilung(32,2%)

18 (14,1%)Operation: 33 (38,4%)

CDT/11/37 Klinikum der Goethe-Universität, Frankfurt am Main F. Schnitzler, UEGW 2008

Abb. 5

Insgesamt ist die Anwendung von Biologika in Deutschland sicher zu limitiert. Die

Patienten, bei denen mit den Standardmedikamenten kein ausreichender Therapie-

erfolg erzielt werden kann, sollten entsprechend aggressiver therapiert werden. Es

sollte aber unbedingt vermieden werden, all die anderen Patienten, die auch mit

einer relativ nebenwirkungsarmen Behandlung erfolgreich versorgt werden können,

überzutherapieren. In jedem Fall muss sichergestellt sein, dass die Patienten auch

tatsächlich eine Entzündung aufweisen, da Symptome eines Reizdarmsyndroms

auch mit Biologika vermutlich nicht effektiv behandelt werden können.

Langfristig ist eine sequenzielle Therapie mit primärer Entzündungshemmung, dann

Wiederherstellung der epithelialen Integrität und schließlich Erhaltung und Stärkung

der mukosalen Barriere das Ziel, das aber noch weit entfernt ist (Abb. 6).

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Die sequenzielle CED-Therapie als Strategie der Zukunft?

CA/11/30 Klinikum der Goethe-Universität, Frankfurt am Main

Entzündung Therapieziel:Entzündungshemmung

- Antagonisierung von Zytokinen, - Regulierung der überschießenden

Antwort auf bakterielle Flora

Therapieziel:Wiederherstellung der epithelialen

Integrität- Wachstumshormone (EGF,…?)

- Rekonstitution von Zell-Zell-Kontakten (TLR-Agonisten?)

Heilungsphase

Stärkung der BarriereTherapieziel:

Erhaltung, Stärkung der mukosalen Barriere

- Induktion von antimikrobiellen Peptiden?, Muzinen?

Abb. 6

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Intraduktale papillär-muzinöse Neoplasien (IPMN) und andere zystische Läsionen am Pankreas – chronische Erkrankungen?

M.W. Büchler

Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Chirurgische

Universitätsklinik Heidelberg

Intraduktale papillär-muzinöse Neoplasien (IPMN) stellen – neben serös-zystischen

(SCN) und muzinös-zystischen Neoplasien (MCN) – die häufigsten zystischen

Läsionen am Pankreas dar. Da IPMN und MCN sowohl ein primäres Malignitäts-

potenzial als auch eine Rezidivtendenz aufweisen, müssen sie als chronische

Pankreaserkrankungen angesehen werden. Dies impliziert eine lebenslange

Überwachung der betroffenen Patienten. Insbesondere beim IPMN muss sich diese

nicht nur auf das Pankreas, sondern auch auf weitere gastrointestinale Tumoren, wie

z. B. das Kolonkarzinom und das Magenkarzinom, erstrecken, da bei IPMN-

Patienten auch für diese Tumoren ein erhöhtes Risiko vorliegt.

Bei SCN besteht aufgrund des extrem niedrigen Entartungspotenzials lediglich bei

großen (> 4 cm), symptomatischen oder progredienten Befunden ein chirurgischer

Handlungsbedarf. Im Gegensatz dazu stellt die Diagnose einer MCN eine

Präkanzerose mit einem Malignitätsrisiko von bis zu 50% dar. Hier besteht daher die

Indikation zur Resektion, welche sich i. d. R. am Vorgehen bei Karzinomen orientiert

(formale Pankreasresektion, Lymphadenektomie). Die Nachsorge hinsichtlich des

Restpankreas kann analog zur Nachsorge bei IPMN (s. u.) erfolgen. Die MCN haben

– bei Vorliegen eines Adenoms oder Borderlinebefunds – ein 10-Jahres-Überleben

von nahezu 100%. Auch invasive MCN können oft im Frühstadium reseziert werden,

sodass die Prognose deutlich besser ist als beim duktalen Pankreaskarzinom

(10-Jahres-Überleben ca. 50%).

Das Management bei IPMN muss differenziert nach der Unterteilung in Hauptgang-

und Seitengangtyp erfolgen. Während beim Hauptgang-IPMN aufgrund des Entar-

tungsrisikos von bis zu 70% grundsätzlich bei Diagnose die Indikation zur Resektion

(Abb. 1) besteht, ist diese beim Seitengang-IPMN von der Größe, Morphologie und

weiteren Kriterien wie Vorliegen eines erhöhten CA 19-9, Wachstumstendenz und

klinischer Symptomatik abhängig. Hier wird in der Praxis meist bis zu einer Größe

von 2 cm ohne weitere Risikokriterien zunächst eine Überwachung mit Endosono-

grafie oder MRT einmal jährlich empfohlen. Bei größeren Befunden oder Vorliegen

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zusätzlicher Malignitätskriterien sollte eine Resektion durchgeführt werden, die ggf.

auch als lokale Exzision i. S. einer Enukleation erfolgen kann. Zu berücksichtigen ist

hierbei, dass selbst in Seitengang-IPMN von unter 2 cm Größe (Abb. 2) in bis zu

25% bereits in-situ- oder frühinvasive Karzinome gefunden werden, was sich in den

aktuell kontrovers diskutierten Vorgehensempfehlungen zum Management der

Seitengang-IPMN widerspiegelt.

Entscheidend ist, dass sowohl bei IPMN als auch bei MCN nach erfolgter Resektion

dauerhafte Vorsorgeuntersuchungen (MRT/CT einmal jährlich) notwendig sind, um

Rezidive im Restpankreas zeitnah zu erfassen und ggf. auch erneut zu operieren. So

können bei diesen Patienten prämaligne oder frühinvasive Befunde rechtzeitig und

radikal therapiert werden, was insgesamt zu einer exzellenten Langzeitprognose im

Vergleich zu Patienten mit nicht-IPMN-assoziierten Pankreaskarzinomen mit

10-Jahres-Überlebensraten von 80–90% führt.

Abb. 1: Makroskopischer Befund bei kombinierter Haupt- und Seitengang-IPMN. Zystische Veränderung der Seitengänge im Pankreaskopf (weißer Pfeil), eröffneter dilatierter und schleimgefüllter Hauptgang (schwarzer Pfeil)

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Abb. 2: MRT mit Seitengang-IPMN (20 x 11 mm) im Pankreaskopf (weißer Pfeil). Resektion aufgrund einer Größenzunahme über 12 Monate; Histologie: in-situ-Karzinom

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Chronische Pankreatitis und S3-Leitlinie – Was gibt es Neues?

J. Mayerle, M.M. Lerch

Klinik für Innere Medizin A, Universitätsmedizin, Ernst-Moritz-Arndt-Universität

Greifswald

Ziel der S3-Leitlinie war es, den aktuellen Kenntnisstand zu Definition, Ätiologie,

Diagnostik und Therapie aller Formen der chronischen Pankreatitis bei Erwachsenen

und Kindern zusammenzufassen, zu bewerten und in praxisrelevante Empfehlungen

zu übertragen.

Zu Beginn der Konsensuskonferenz der S3-Leitliniengruppe „Chronische

Pankreatitis“ wurde am 10. Dezember 2010 mit 100%-Zustimmung folgende

Definition der chronischen Pankreatitis verabschiedet: „Die chronische Pankreatitis

ist eine Erkrankung der Bauchspeicheldrüse, bei der durch rezidivierende

Entzündungsschübe das Pankreasparenchym durch fibrotisches Bindegewebe

ersetzt wird. Folge des bindegewebigen Umbaus der Bauchspeicheldrüse ist ein

fortschreitender Verlust der exokrinen und endokrinen Pankreasfunktion. Daneben

kommt es zu charakteristischen Komplikationen, wie z. B. Pseudozysten,

Pankreasgangstenosen, Duodenalstenosen, Gefäßkomplikationen, die Kompression

der Gallenwege, eine Mangelernährung sowie ein Schmerzsyndrom. Schmerzen

stellen das Hauptsymptom von Patienten mit chronischer Pankreatitis dar. Die

chronische Pankreatitis stellt einen Risikofaktor für ein Pankreaskarzinom dar. Eine

chronische Pankreatitis reduziert die Lebensqualität und die Lebenserwartung

betroffener Patienten deutlich.“

Die Inzidenz der chronischen Pankreatitis steigt in Abhängigkeit vom Alkoholkonsum

der Bevölkerung. Weltweit wird die Inzidenz zwischen 1,6–23/100.000 mit einer

steigenden Prävalenz angegeben. Die Mortalität infolge einer chronischen

Pankreatitis wird bei einer mittleren Beobachtungszeit von 6,3–9,8 Jahren mit

12,8–19,8% angegeben. Die Gesamtmortalität wurde in den gleichen Studien mit

28,8–35% angegeben. Ein fortgesetzter Alkoholkonsum führt zu einem signifikant

verkürzten Überleben. 33% der Patienten, die an einer chronischen Pankreatitis

leiden, können ihren erlernten Beruf nicht mehr ausüben. Die Anzahl der Patienten,

die im Verlauf der Erkrankung entweder arbeitsunfähig und berentet oder aber

aufgrund längerer Krankheitsphasen oder fortgesetzten Alkoholkonsums arbeitslos

werden, steigt auf 40%. Die Mortalitätsrate der Erkrankung ist im Vergleich zur

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Normalbevölkerung 3,6-fach erhöht. Die 10-Jahres-Überlebensrate beträgt 70%, die

20-Jahres-Überlebensrate 45% im Vergleich zu 93% und 65% in einer alters-

adjustierten Kohorte. Fortgesetzter Alkoholabusus hat mit einer HR von 1,6,

Rauchen mit einer HR von 1,4, eine Leberzirrhose mit einer HR von 2,5 einen

negativen Einfluss auf die Prognose der Erkrankung. In Deutschland wurden im Jahr

2008 10.267 Patienten aufgrund einer chronischen Pankreatitis im Krankenhaus

behandelt (Quelle Statistisches Bundesamt). Darin nicht enthalten sind die Patienten,

die mit einem akuten Schub einer chronischen Pankreatitis als akute Pankreatitis

kodiert wurden (50.673 Fälle). Dies belegt die hohe sozio-ökonomische Bedeutung

der Erkrankung.

Es liegen keine populationsbasierten Daten zur Ätiologie der chronischen

Pankreatitis aus Europa vor. Alkohol kann als gesicherte Ursache für eine chronische

Pankreatitis angesehen werden [Evidenz 3b, starker Konsens]. Die Daten aus

Marseille schließen einen linearen Zusammenhang zwischen Menge und Dauer des

Alkoholabusus und dem Auftreten einer chronischen Pankreatitis aus [Evidenz 4,

starker Konsens]. Alkoholabusus ist die überwiegende Ursache mit je nach

Studienlage 50–84% im Erwachsenenalter. Mutationen im Trypsinogen-Gen führen

mit einer Penetranz von bis zu 80% in einem autosomal dominanten Erbgang zu

einer chronischen Pankreatitis [Evidenz 1c, starker Konsens]. Die 3 1996 publizierten

Linkage-Analysen zeigen für die hereditäre Pankreatitis eine Koppelung mit einem

Locus auf Chromosom 7q35. Weitere Analysen zeigten eine Assoziation für

Mutationen im Trypsinogen-Gen (initial N29I und R112H). Klinische Daten des

EUROPAC-1-Registers belegen die Penetranz und den klinischen Verlauf der

Patienten mit Trypsinogen-Mutationen. Trypsinogen ist ein Schlüsselmolekül der

Pathogenese der Pankreatitis. Bis zu 66% der Patienten mit hereditärer Pankreatitis

haben eine Mutation im PRSS1-Gen. Die Prävalenz beträgt 0,3/100.000. Eine

hereditäre Pankreatitis nach Definition von Comfort und Steinberg liegt bei bis zu

1–4% der Patienten vor. Die zweithäufigste Gruppe ist die idiopathische Pankreatitis

mit bis zu 28%. Hier finden sich in bis zu 45% genetische Suszeptibilitätsfaktoren

(SPINK-1-Mutationen, CFTR-Mutationen, Chymotrypsin-Mutationen). Anatomische

Varianten führen nicht sicher zur chronischen Pankreatitis. Der primäre Hyperpara-

thyreoidismus kann zu einer chronischen Pankreatitis führen. Die vorliegenden

Zahlen zur Inzidenz und Prävalenz sind nicht belastbar [Evidenz 4, starker Konsens].

Als wesentlicher Therapieansatz der chronischen Pankreatitis gilt die Vermeidung

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der auslösenden Noxe. Patienten mit chronischer Pankreatitis, die rauchen, sollte

dringend empfohlen werden, sich einem Nikotinentwöhnungsprogramm zu

unterziehen, da Nikotinabusus die Progression der Erkrankung beschleunigt

[Empfehlungsgrad A, Evidenz 3b, starker Konsens]. Rauchen beschleunigt die

Krankheitsprogression bei chronischer Pankreatitis, kann aber zum momentanen

Zeitpunkt nicht als gesicherter alleiniger Auslöser für die Krankheitsentstehung

angesehen werden. Größere, zum Teil prospektive Kohortenstudien mit bis zu

695 Patienten zeigen, dass Rauchen zu einer Exazerbation des pankreatischen

Schmerzes und zu Kalzifikationen führt. Fortgesetzter Nikotinabusus führt auch unter

Alkoholabstinenz zu einer rascheren Progression der chronischen Pankreatitis. Die

Studie von Yadav et al. zeigt, dass Patienten ohne Alkoholanamnese, aber mit

21–35 pack years, ein erhöhtes Risiko für eine chronische Pankreatitis haben

(p < 0,05; OR 3,26). Patienten mit mehr als 35 pack years hingegen haben kein

statistisch signifikant erhöhtes Risiko. Eine abschließende Bewertung dieses

Ergebnisses ist schwierig. Als Erklärungsansatz denkbar ist die kleine Anzahl der

Patienten, die mehr als 35 pack years rauchen, aber keinen Alkohol trinken. Es ist

durchaus vorstellbar, dass Rauchen in zukünftigen Studien als unabhängiger

Risikofaktor etabliert wird. Vergleicht man das Auftreten von Kalzifikationen als

Zeichen immer wiederkehrender Schübe in einer Gruppe mit alkoholinduzierter

chronischer Pankreatitis mit einer Gruppe chronischer Pankreatitiden anderer

Ätiologie, so findet man nach 15-jährigem Krankheitsverlauf bei 80% der

alkoholbedingten chronischen Pankreatitiden Kalzifikationen im CT, hingegen bei

den nicht-alkoholischen Pankreatitiden nur in 20% der Fälle. Hochsignifikante

Unterschiede finden sich auch, wenn die kumulative Inzidenz von Kalzifikationen bei

chronischer Pankreatitis in Abhängigkeit von der Erkrankungsdauer bei Rauchern

und Nichtrauchern verglichen wird (OR 2,0; CI 1,1–3,8). Nicht allein das Auftreten

von Kalzifikationen wird durch den Nikotinabusus begünstigt, sondern auch das

Risiko an einem Pankreaskarzinom (kumulatives Risiko nach 10 Jahren 1,8%, nach

20 Jahren 4,0% bei Rauchern) zu erkranken, ist gegenüber der Normalbevölkerung

um das 25-Fache erhöht.

Für 80–95% der Patienten ist der Schmerz das führende klinische Symptom.

Studien zum natürlichen Verlauf der Erkrankung zeigen, dass mit der Erkrankungs-

dauer die Schmerzintensität oft abnimmt („burn-out of pain“). In den meisten Fällen

korreliert die Abnahme der Schmerzintensität mit dem Auftreten von Kalzifikationen

und dem Verlust der exokrinen und endokrinen Funktion. Die jährlichen Kosten, die

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in Amerika durch Schmerzen bei chronischer Pankreatitis verursacht werden,

belaufen sich auf 638 Millionen $. Die Ursache der Schmerzen ist multifaktoriell. Zu

den pankreatogenen Ursachen des Schmerzes zählen die entzündlichen Infiltra-

tionen des azinären Gewebes und der Nervenscheiden, insbesondere sensibler

Nerven. Eine Abflussbehinderung des Pankreassekrets durch Gangstenosen und

Steine kann zur Druckerhöhung führen. Jedoch wird durch die Drainage oder die

medikamentöse Reduktion der Sekretion (Somatostatinanaloga) oft keine

ausreichende Schmerzreduktion erzielt. Eine intrapankreatische Druckerhöhung

bedingt ähnlich wie die Pankreaspseudozystenbildung Schmerzen über eine

Pankreaskapselspannung. Zu den extrapankreatischen Ursachen der Schmerzen

zählen Begleit- und Zweiterkrankungen, wie Magen- oder Duodenalulzera und

Meteorismus, ausgelöst durch die bakterielle Fehlbesiedelung des Darms bei

Maldigestion. Die Richtlinien zur Schmerztherapie der chronischen Pankreatitis

beruhen auf den Richtlinien der WHO für anhaltende Schmerzen bei chronischen

Erkrankungen. Eine bessere Wirksamkeit einzelner Substanzen mit geringer

spasmogener Aktivität für den Sphinkter-Oddi konnte bisher nicht gezeigt werden.

Ein festes Verordnungsschema ist einer Bedarfsmedikation im klinischen Alltag

deutlich überlegen. Octreotid soll nicht zur Therapie von Schmerzen im Rahmen

einer chronischen Pankreatitis eingesetzt werden [Empfehlungsgrad A, Evidenz 1b,

starker Konsens]. Pankreasenzyme sollen nicht zur Therapie von Schmerzen bei

chronischer Pankreatitis eingesetzt werden [Empfehlungsgrad A, Evidenz 1a,

Konsens]. Antioxidanzien sollten derzeit nicht zur Therapie von Schmerzen bei

chronischer Pankreatitis eingesetzt werden [Empfehlungsgrad B, Evidenz 2b, starker

Konsens]. Eine operative Therapie soll als effektivste langfristige Schmerztherapie

bei chronischer Pankreatitis erfolgen [Empfehlungsgrad A, Evidenz 1a, Konsens].

Die Indikation zur Substitution mit Pankreasenzymen ist klinisch beim Auftreten

eines Gewichtsverlusts von mehr als 10% des Körpergewichts, einer Steatorrhö mit

Stuhlfettausscheidung von mehr als 15 g/Tag, dyspeptischen Beschwerden mit

starkem Meteorismus oder Diarrhö gegeben. Die meisten Enzympräparate enthalten

Pankreatin, ein pulverisiertes Extrakt aus dem Schweinepankreas mit den

Hauptkomponenten Lipase, Amylase, Trypsin und Chymotrypsin. Pankreatin wird

gastrointestinal nicht resorbiert, sondern durch enterale Bakterien und Verdauungs-

säfte inaktiviert und fäkal eliminiert. Die Möglichkeit der säuregeschützten

Darreichungsformen in Form von mikrosphärisch verkapselten Formulierungen hat

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die Effizienz der Pankreasfermentsubstitution deutlich gesteigert. Patienten mit einer

manifesten exokrinen Pankreasinsuffizienz sollten 3 Hauptmahlzeiten und 3 kleine

Zwischenmahlzeiten pro Tag einnehmen, wobei als initiale Richtdosis die simultane

Einnahme von 25.000–50.000 IU Lipase zu den großen Mahlzeiten und etwa

25.000 IU zu den kleinen Mahlzeiten erfolgen sollte. Bei bekannter Hyperazidität des

Magens sollten zusätzlich säureblockierende Präparate verordnet werden. Aufgrund

der fortschreitenden Fettmaldigestion kann es notwendig werden, fettlösliche

Vitamine intramuskulär zu substituieren. Ein Drittel der täglichen Kalorienzufuhr kann

bei schwerer exokriner Pankreasinsuffizienz durch mittelkettige Fettsäuren gedeckt

werden. Zur Resorption dieser Fettsäuren ist eine Spaltung durch Lipasen nicht

notwendig. Als Erfolgskontrolle der Therapie gilt die Besserung der zur Therapie

führenden Symptome. Wenn klinisch Zweifel bestehen, ob die Persistenz von

Symptomen durch eine mangelnde Wirksamkeit der Enzymsubstitution zu erklären

ist, sollten die Stuhlfettausscheidung oder Pankreasfunktionstests, welche die

Nährstoffdigestion unter Therapie messen (z. B. Atemtests mit 13C-markierten

Lipiden), herangezogen werden [Empfehlungsgrad B, Evidenz 1b/2b, Konsens].

Studien, die den natürlichen Verlauf der chronischen Pankreatitis untersucht haben,

zeigen, dass zwischen 30–60% aller Patienten letztlich einer Intervention bedürfen.

In mindestens 30% der Fälle scheint eine konservative Therapie, erweitert durch

endoskopische Interventionen, zur Therapie ausreichend. In 10–40% der Fälle

entwickelt sich eine interventionspflichtige Stenose des Ductus hepatocholedochus

(DHC). Eine weitere Komplikation stellt die Entwicklung von Stenosen des

Pankreasgangs dar. Hier ist die Indikation zur Einlage von Endoprothesen bisher

nicht hinreichend geklärt. Es gibt keine prospektiv kontrollierten Studien, die einen

positiven Effekt der Stentdrainage einer dominanten Stenose im Ductus

Wirsungianus gezeigt haben. Einige Studien belegen, dass die Einlage einer

Prothese in den Ductus pancreaticus sekundäre Veränderungen durch den Stent mit

nachfolgender Fibrosierung und Striktur induzieren kann. Die Behebung der

Obstruktion des Pankreasgangs zur Schmerztherapie ist kurzfristig oft effektiv; es

werden Erfolgsraten zwischen 37–94% berichtet. Metabolische Effekte der

Stenttherapie im Pankreasgang wurden bisher nicht im Langzeitverlauf untersucht.

Pankreaspseudozysten entstehen als häufige Komplikation der akuten oder

chronischen Pankreatitis. Ein weiteres endoskopisches/interventionelles Verfahren

zur Therapie der chronischen Pankreatitis ist die ESWL bei Pankreasgangsteinen:

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Vor Einführung der ESWL 1989 war die chirurgische Operation die einzige

Möglichkeit zur Behandlung von Pankreasgangkonkrementen, die endoskopisch

nicht entfernt werden konnten. Einzelne Pankreasgangsteine, die durch eine

Abflussbehinderung des Pankreassekrets Schmerzen verursachen, rezidivierende

Krankheitsschübe induzieren, eine Pseudozyste oder Fistel unterhalten oder andere

Komplikationen verursachen, können mittels ESWL behandelt werden. Es finden sich

zunehmend Hinweise darauf, dass für die Effektivität des Verfahrens nicht die

anschließende endoskopische Entfernung der Pankreasgangsteine oder deren

Fragmente entscheidend sind. Die Behandlung von Schmerzen bei diffusen

Verkalkungen mittels ESWL ist nicht durch Studien belegt [Empfehlungsgrad C,

Evidenz 2b, starker Konsens]. Die endoskopische und interventionelle Therapie von

Pseudozysten ist ein häufig in der Praxis angewandtes Verfahren. Die Entscheidung,

bei wem, wann und durch welches Verfahren Pankreaspseudozysten behandelt

werden sollten, ist schwierig. Pankreaspseudozysten entstehen als häufige

Komplikation der akuten oder chronischen Pankreatitis. Die Prävalenz von

Pankreaspseudozysten bei chronischer Pankreatitis liegt bei 20–40%. Pankreas-

pseudozysten treten am häufigsten bei Patienten mit alkoholischer chronischer

Pankreatitis auf (70–78%). Die zweithäufigste Ursache ist die idiopathische

chronische Pankreatitis (6–16%), gefolgt von der biliären Pankreatitis (6–8%).

Innerhalb der ersten 6 Wochen bilden sich 40% der Pseudozysten spontan zurück,

während sie in 20% der Fälle Komplikationen verursachen. Verursacht eine

Pankreaspseudozyste Komplikationen, sollte eine interventionelle oder operative

Behandlung erfolgen [Empfehlungsgrad B, Evidenz 2a, starker Konsens]. Bei

symptomatischen Pankreaspseudozysten kann die initiale Therapie eine endo-

skopische Drainage der Pseudozysten darstellen und eine operative Therapie kann

bei Rezidiv der Pseudozyste erfolgen [Empfehlungsgrad C, Evidenz 3a, starker

Konsens]. Die Wahl zwischen endoskopischer und operativer Pseudozystendrainage

soll aufgrund der Zystenlokalisation und der Art zusätzlicher pathomorphologischer

Veränderungen getroffen werden [Empfehlungsgrad A, Evidenz 3b, starker

Konsens]. Asymptomatische Pankreaspseudozysten, die eine Größe von mehr als

5 cm Durchmesser haben und sich innerhalb von 6 Wochen nicht zurückbilden,

können behandelt werden [Empfehlungsgrad C, Evidenz 2a, mehrheitliche

Zustimmung]. Pankreaspseudozysten, die in bildgebenden Verfahren von einer

bindegewebigen Wand von mehr als 5 mm umgeben sind, eignen sich besonders für

eine endoskopische oder operative Drainage [Evidenz 3b]. Gouyon konnte in einer

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multivariaten Analyse zeigen, dass eine Pseudozystengröße < 5 cm der einzige

prognostisch günstige Faktor für eine spontane Resolution ist. Bradley et al. konnten

zeigen, dass unbehandelte Zysten > 5 cm in 41% der Fälle zu Komplikationen

(Ruptur, Infektion, Ikterus oder Einblutung) führen.

Die Indikation zur chirurgischen Intervention bei chronischer Pankreatitis sollte

gestellt werden, wenn sich beim Patienten Dauerschmerzen nicht mehr ausreichend

medikamentös kontrollieren lassen oder Komplikationen auftreten. Neben dem

Schmerz leiten sich weitere Operationsindikationen aus den Komplikationen eines

entzündlich vergrößerten Bauchspeicheldrüsenkopfes ab; sie resultieren im

Wesentlichen aus einer Kompression des Gallen- und/oder Pankreasgangs oder des

Duodenums, seltener der Pfortader oder des Pankreasganges. Hinzuweisen ist noch

auf den Malignomverdacht als Indikation zur Resektion: In retrospektiven Analysen

von mehr als 200 untersuchten Patienten mit präexistenter chronischer Pankreatitis

wird die Karzinominzidenz mit 6–14% angegeben. Der richtige Zeitpunkt zur

Operation ist schwer zu stellen und bleibt kontrovers diskutiert. Es mehren sich aber

Hinweise, dass eine frühzeitige chirurgische Intervention die fortschreitende globale

Pankreasinsuffizienz zumindest hinauszögern kann. Unabhängig von der Art des

operativen Eingriffs muss als oberstes Therapieziel eine weitestgehende Organ- und

Parenchymschonung angesehen werden.

Das wiederum würde die Schlussfolgerung nahe legen, dass eine Drainageoperation

im Sinne einer Püstowschen oder Partingtonschen Längsspaltung des Pankreas-

gangs und Pankreatikojejunostomie die Therapie der Wahl wäre. In der

Einschätzung zur Wahl des chirurgischen Interventionsverfahrens wird zwischen

2 Formen der chronischen Pankreatitis unterschieden: der chronischen Pankreatitis

mit einem auf über 7 mm erweiterten Ductus Wirsungianus und der „small duct

disease“ ohne erweiterten Pankreasgang. Bei Vorliegen einer „large duct disease“

sind eine Drainageoperation wie die longitudinale Pankreatikojejunostomie nach

Partington-Rochelle oder eine Püstow-Operation möglich. Durch die Anlage einer

Roux-Y-Anastomose kann sowohl der Ductus Wirsungianus als auch der Ductus

Santorini in seiner gesamten Länge drainiert werden. Da dem Pankreaskopf eine

Schrittmacherfunktion für die Schmerzentstehung nachgesagt wird und der Hauptteil

der Pankreasinselzellen im Pankreasschwanz zu finden ist, gibt es nach heutigem

Stand der Forschung nur im Falle einer Pankreaspseudozyste in der Cauda

pancreatis eine Indikation zur Pankreaslinksresektion.

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Pankreaskopfresezierende Verfahren umfassen die klassische Operation nach

Kausch/Whipple, die pyloruserhaltende Pankreatoduodenektomie (pp-Whipple)

sowie die duodenumerhaltenden Pankreaskopfresektionen, die Anfang der 70er-

Jahre von Beger inauguriert und deren Modifikationen von Frey 1994, Izbicki 1998

und Büchler 2003 beschrieben worden sind. Alle Verfahren müssen sich hinsichtlich

des postoperativen Outcomes – vor allem der Mortalitäts- und Morbiditätsrate, aber

auch der postoperativen Schmerzreduktion – mit dieser ehemaligen Standard-

therapie messen lassen. Danach liegt die Mortalitätsrate in erfahrenen Zentren für

duodenumerhaltende Resektionsverfahren zwischen 0 und maximal 3,2% (mit den

Ergebnissen der Standardpankreatoduodenektomie vergleichbar). Gemessen an der

Morbiditätsrate, die bei der Kausch/Whipple-Operation in der Literatur mit 24–55%

angegeben wird, schneiden die duodenumerhaltenden Operationen mit 9–22%

signifikant besser ab. Ein Vorteil der duodenum- gegenüber der pyloruserhaltenden

Resektion ist wohl die geringere Rate einer im postoperativen Verlauf auftretenden

Magenentleerungsverzögerung. Demgegenüber wird bei der Begerschen und

Freyschen Operation eine zwischen 5–10% gering erhöhte Blutungsrate beobachtet.

Organerhaltende Verfahren wie die pyloruserhaltende Whipple-Operation

(pp-Whipple) haben versucht, die Nachteile der Whipple-Operation zu minimieren.

Der pp-Whipple verhindert das Dumping, es treten nur noch selten Ulzera auf, der

Reflux von Galle wird unterbunden und die Kontinuität des Magen-Darm-Trakts wird

erhalten. 90% der Patienten nehmen nach einem pp-Whipple im Verlauf an Gewicht

zu. Allerdings haben 30–50% der Patienten Magenentleerungsstörungen verbunden

mit einer verzögerten Gewichtszunahme und dem Risiko, eine Cholangitis zu

entwickeln.

Je geringer die statistische und individuelle Lebenserwartung eines Patienten, je

höher die Komorbidität und je schwieriger die absehbare technische Durchführbarkeit

einer Operation (z. B. ausgeprägte Umgehungskreisläufe bei portaler Hypertension),

desto eher sollte eine endoskopische Behandlung der durch eine chronische

Pankreatitis verursachten Gallengangstenose einem pankreasresezierenden Eingriff

vorgezogen werden. Je wichtiger ein nachhaltiges Therapieergebnis nach einem

einmaligen Eingriff, je länger die statistische und individuelle Lebenserwartung eines

Patienten, je besser sein Allgemeinzustand und je niedriger die zu erwartende

Morbidität und Mortalität eines pankreasresezierenden Eingriffs, desto eher sollte ein

operatives Vorgehen gewählt werden [Empfehlungsgrad D, Evidenz 5, Konsens].

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Weiterführende Literatur: 1. Mayerle J, Stier A, Lerch MM, Heidecke CD. Chronische Pankreatitis –

Diagnostik und Therapie. Chirurg. 2004; 75: 731–748.

2. Lerch MM, Stier A, Wahnschaffe U, Mayerle J. Pancreatic pseudocysts: observation, endoscopic drainage, or resection? Dtsch Arztebl Int. 2009; 106: 614–621.

3. Keller J, Aghdassi AA, Lerch MM, Mayerle JV, Layer P. Tests of pancreatic exocrine function – clinical significance in pancreatic and non-pancreatic disorders. Best Pract Res Clin Gastroenterol. 2009; 23: 425–439.

4. Lerch MM, Mayerle J, Aghdassi AA, Budde C, Nitsche C, Sauter G, Persike M, Günther A, Simon P, Weiss FU. Advances in the etiology of chronic pancreatitis. Dig Dis. 2010; 28: 324–329.

5. Pickartz T, Mayerle J, Kraft M, Evert M, Evert K, Kühn JP, Heidecke CD, Lerch MM. Chronic pancreatitis as a risk factor for the development of pancreatic cancer – diagnostic challenges. Med Klin (Munich). 2010; 105: 281–285.

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Reizdarm und die S3-Leitlinie – Welche Therapien sind belegt?

W. Kruis

Abteilung für Innere Medizin, Ev. Krankenhaus Kalk, Universität zu Köln

Bei der Behandlung von Patienten mit Reizdarmsyndrom (RDS) sollte sich der Arzt,

um nicht Enttäuschungen vonseiten des Patienten, aber auch auf seiner Seite

hervorzurufen, und um Schäden und unkalkulierbare Kosten zu vermeiden, über

einige Grundgedanken klar sein:

– Eine Heilung des Reizdarmsyndroms ist nur in wenigen Fällen möglich.

– Ziel der Therapie ist Linderung und dem Patienten den Umgang mit den

Beschwerden zu ermöglichen.

– Die Therapie ist zeitaufwendig und stellt hohe Ansprüche an die ärztliche

Empathie.

Faktoren, die die Prognose und den Behandlungserfolg ungünstig beeinflussen sind

Länge der Krankengeschichte und permanenter Lebensstress. Dies deutet an, dass

das aufklärende und begleitende Gespräch (Zuwendung) eine wesentliche, d. h.

durch Evidenz belegte Therapiemaßnahme ist. Die Leitlinie stellt fest: „In der

Therapie des RDS sollen dem Patienten grundsätzlich ein plausibles individuelles

Krankheitsmodell und ein kongruentes Behandlungskonzept vermittelt werden.

Hierbei sollen auch individuelle Triggerfaktoren gezielt eruiert und im Krankheits-

modell und Behandlungskonzept berücksichtigt werden“.

Ein mit dem Patienten zu besprechendes Thema ist die Ernährung: „Es gibt keine

einheitliche Ernährungsempfehlung für alle Patienten mit einem RDS, aber es gibt

zahlreiche individuelle Ernährungsempfehlungen, die sich an den jeweiligen

Symptomen orientieren“. Jedenfalls ist es nicht angebracht, reflexhaft nur ballast-

stoffreiche Ernährung oder Quellmitel zu verordnen, die u. a. Schmerzen sogar

verstärken können. „Zur Behandlung sollten eine Aufklärung und Schulung zur

Erkrankung erfolgen und eine individuelle Ernährungsberatung durchgeführt

werden“. Inwieweit Laboruntersuchungen zum Nachweis von Nahrungsmittelunver-

träglichkeiten notwendig sind, bleibt umstritten. Eine Eliminationsdiät ist jedenfalls

eine geeignete Maßnahme.

„Die medikamentöse Therapie soll symptomorientiert erfolgen. Ihr Erfolg misst sich

an der Symptombesserung und der Verträglichkeit. Bei unzureichendem Therapie-

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erfolg kann es erforderlich sein, sukzessive unterschiedliche Medikamente

einzusetzen“. Häufig verwendete Medikamente sind Spasmolytika, Antidiarrhoika

(Loperamid) und Entschäumer. Naturheil- und sogenannte Hausmittel (z. B. Back-

pflaumen bei Obstipation) können sinnvoll sein. Ein besonderes Kapitel stellen

Psychopharmaka dar. Entsprechend Metaanalysen gibt es die besten Wirkungs-

nachweise für Trizyklika (u. a. Amitryptilin), die jedoch unterdosiert angewandt

werden (z. B. 10 mg/Tag). Zu erwähnen bleibt in diesem Zusammenhang der in

mehreren Studien nachgewiesene therapeutische Effekt einer Hypnotherapie.

Besondere Aufmerksamkeit erfahren zurzeit Probiotika. Grundlagenerkenntnisse

zum RDS sprechen für deren Einsatz. In Metaanalysen gibt es derzeit klare Signale

für die Wirksamkeit einer probiotischen Therapie. Allerdings gibt es die besten

Studienergebnisse für einen probiotischen Keim (Bifidobacterium infantis), der in

Deutschland momentan nicht verfügbar ist. Insgesamt scheint das probiotische

Therapieprinzip vielversprechend, es bleiben aber noch viele offene Fragen:

Welches Probiotikum bei welcher Form des RDS? Sollten verschiedene Probiotika in

Kombination verwandt werden? Gibt es einen Dosiseffekt? Spielt die Schwere des

RDS eine Rolle? U. a.

Rasch voranschreitende Erkenntnisse zur Pathogenese funktioneller gastro-

intestinaler Erkrankungen haben die daran orientierte Entwicklung neuer

Medikamente vorangetrieben. Ein zentraler Faktor im Geschehen ist das serotone

Prinzip, hier vor allem über die intestinalen Rezeptoren HT3 und HT4. Nachdem

große Studien längst die Wirksamkeit von HT3-Antagonisten und HT4-Agonisten

belegt haben, wurde deren klinischer Gebrauch nach dem Auftreten verschiedener

Nebenwirkungen entweder stark eingeschränkt (Alosetron) oder zurückgenommen.

Neuere Entwicklungen haben jetzt zu aktuellen Zulassungen geführt (Prucaloprid).

Zusammengefasst stehen für die Behandlung des RDS differenzierte Behandlungs-

ergebnisse zur Verfügung, die neben Kenntnissen ein engagiertes Vorgehen

verlangen. In Anbetracht der guten Prognose quo ad vitam sollten Risiken in der

Therapie des RDS unbedingt bedacht werden.

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Literatur: Layer P, Andresen V, Pehl C, Allescher H, Bischoff SC, Claßen M, Enck P, Frieling T, Haag S, Holtmann G, Karaus M, Kathemann S, Keller J, Kuhlbusch-Zicklam R, Kruis W, Langhorst J, Matthes H, Mönnikes H, Müller-Lissner S, Musial F, Otto B, Rosenberger C, Schemann M, van der Voort I, Dathe K, Preiß JC. S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Gemeinsame Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoff-wechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroente-rologie und Motilität (DGNM). AWMF-Registriernummer: 021/016. Z Gastroenterol. 2011; 49: 237–293. http://www.dgvs.de

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Leberzirrhose und Aszites – Wieviel geht konservativ und wieviel nur interventionell?

A.L. Gerbes

Medizinische Klinik und Poliklinik II, Klinikum der Universität München-Großhadern;

Leber Centrum München

Renale Funktionsstörungen bei Leberzirrhose sind überwiegend funktional (prärenal

bzw. hepatorenales Syndrom). Auslöser hierfür sind der Pfortaderhochdruck und die

periphere Vasodilatation, die zu einer Umverteilung des Blutvolumens und einer

Verminderung des zentral effektiven Blutvolumens führen (Abb. 1). Bei der Aszites-

therapie sollte daher eine massive, schnelle Abnahme des Plasmavolumens

vermieden werden. Aus diesem Grunde ist eine First-line-Therapie mit Schleifen-

diuretika kontraindiziert. Für Patienten mit massivem Aszites kann die Anlage eines

TIPS (transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt) indiziert sein,

dadurch kommt es meist zur Verbesserung der Nierenfunktion (Abb. 2). Bereits die

erste große randomisierte Studie zeigte, dass nach TIPS im Vergleich zur

wiederholten Parazentese bei den meisten Patienten eine vollständige Aszitesfreiheit

zu erzielen war. Die bislang umstrittene Frage, ob durch TIPS auch das Überleben

verbessert werden kann, wurde durch eine Metaanalyse bejaht. Entscheidend für

den TIPS-Erfolg ist die Beachtung von Kontraindikationen (Serum-Bilirubin

< 3–5 mg/dl).

Vaptane sind Vasopressin-V2-Rezeptor-Antagonisten, die zur Behandlung der

Hyponatriämie wirksam sind. Ihre mögliche Rolle bei der Aszitestherapie ist unklar.

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Funktionelles Nierenversagen, Aszitesund HRS bei Leberzirrhose

Hämodynamische VeränderungenPortale Hypertension, periphere Vasodilatation

Vermindertes effektives Blutvolumen

Neurohumorale GegenregulationRenin-Aldosteron, Sympathikus, ADH

Beeinträchtigung der NierenfunktionRetention von Na+ und H2O, Vasokonstriktion

Aszites, Niereninsuffizienz, hepatorenales Syndrom (HRS)

Abb. 1

1000 -

500 -

100 -0 -

%

-16-30

S-Creatinine

1-3 weeks

1-3 months

4-6 months

-50

0 --10 --20 --30 --40 --50 -

%

U-Na-Excretion

192273

312

> 1000

1-3 weeks

1-3 months

4-6 months

12-14 months

7 8 3 2 studies

6 7 2 studies

132 pts 104 pts 37 pts 27 pts

115 pts 95 pts 60 pts

TIPS: renale Effekte

Rössle M and Gerbes AL. Gut. 2010; 59: 988-1000

Abb. 2

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Hepatorenales Syndrom

Die Definition des hepatorenalen Syndroms (HRS) ist modifiziert worden. Ein

praktisch wesentlicher Punkt an der neuen Definition ist, dass auch bei florider

bakterieller Infektion von einem HRS gesprochen wird. Die Lebertransplantation ist

bei Patienten mit HRS mit einer 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit von

mindestens 60% verbunden und somit die beste therapeutische Option. Angesichts

des Organmangels und der damit verbundenen zunehmenden Wartezeit ist jedoch

die Überbrückung bis zur Transplantation von großer Bedeutung. Basierend auf

pathophysiologischen Konzepten ist daher die Beeinflussung der hämodynamischen

Veränderungen eine wichtige Basis für neue therapeutische Konzepte. Die gezielte

Reduktion des Pfortaderhochdrucks durch TIPS kann die Nierenfunktion beim HRS

verbessern. Hierunter konnten selbst beim HRS Typ I mediane Überlebenswahr-

scheinlichkeiten von ca. 6 Monaten erzielt werden. Voraussetzung für die Anlage des

TIPS ist allerdings eine minimale Restfunktion der Leber. Daher wird dieses

Verfahren für zahlreiche Patienten mit HRS Typ I nicht in Betracht kommen. Für

diese Patienten ist die Behandlung mit einem Vasokonstriktor plus Plasmaexpander

Erfolg versprechend. Die meisten Daten, nun auch durch 2 randomisierte prospektive

Studien belegt, liegen für das Vasopressin-Analogon Terlipressin vor. Hierdurch

kommt es bei über einem Drittel der Patienten zu einer Normalisierung der Nieren-

funktion. Verschiedene Prädiktoren für das renale Ansprechen auf diese Therapie

sind vorgeschlagen worden (Abb. 3). Eine möglicherweise noch günstigere Strategie

besteht in der kontinuierlichen Infusion von Terlipressin (weniger Nebenwirkungen)

im Vergleich zur Bolusgabe. Eine Albumin-Dialyse scheint keine wirksame

Behandlung des HRS zu sein.

Eine aktuelle S3-Leitlinie der DGVS behandelt die wesentlichen Fragen der Therapie

von Aszites und HRS.

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0

25

50

75

100

53%

100%

25%

9%

▲ in MAP ≥5mmHg at day 3

▲in MAP <5mmHg at day 3R

espo

nse

rate

%

Serum bilirubin < 10mg/dl Serum bilirubin ≥ 10mg/dl

Terlipressin für das hepatorenale Syndrom –Prädiktoren des Ansprechens

Cárdenas A, Gines P. In: Gerbes AL (ed), Frontiers in Gastrointestinal Research, Karger, Basel 2010

Abb. 3 Literatur: 1. Arroyo V, Ginès P, Gerbes AL, Dudley FJ, Gentilini P, Laffi G, Reynolds TB,

Ring-Larsen H, Schölmerich J. Definition and diagnostic criteria of refractory ascites and hepatorenal syndrome in cirrhosis. International Ascites Club. Hepatology. 1996; 23: 164–176.

2. Gerbes AL, Gülberg V, Sauerbruch T, Wiest R, Appenrodt B, Bahr MJ, Dollinger MM, Rössle M, Scheppke M. S3-Leitlinie Aszites, spontan bakterielle Peritonitis, hepatorenales Syndrom. Z Gastroenterol. 2011; 49: 749–779.

3. Gerbes AL. The patient with refractory ascites. Best Pract Res Clin Gastro-enterol. 2007; 21: 551–560.

4. Moreau R, Durand F, Poynard T, Duhamel C, Cervoni JP, Ichaï P, Abergel A, Halimi C, Pauwels M, Bronowicki JP, Giostra E, Fleurot C, Gurnot D, Nouel O, Renard P, Rivoal M, Blanc P, Coumaros D, Ducloux S, Levy S, Pariente A, Perarnau JM, Roche J, Scribe-Outtas M, Valla D, Bernard B, Samuel D, Butel J, Hadengue A, Platek A, Lebrec D, Cadranel JF. Terlipressin in patients with cirrhosis and type 1 hepatorenal syndrome: a retrospective multicenter study. Gastroenterology. 2002; 122: 923–930.

5. Salerno F, Gerbes A, Ginès P, Wong F, Arroyo V. Diagnosis, prevention and treatment of hepatorenal syndrome in cirrhosis. Gut. 2007; 56: 1310–1318.

6. Rössle M, Gerbes AL. TIPS for the treatment of refractory ascites, hepatorenal syndrome and hepatic hydrothorax: a critical update. Gut. 2010; 59: 988–1000.

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7. Gerbes AL, Huber E, Gülberg V. Terlipressin for hepatorenal syndrome: continuous infusion as an alternative to i.v. bolus administration. Gastroenterol-ogy. 2009; 137: 1179; author reply 1179–1181.

8. Wong F, Nadim MK, Kellum JA, Salerno F, Bellomo R, Gerbes A, Angeli P, Moreau R, Davenport A, Jalan R, Ronco C, Genyk Y, Arroyo V. Working Party proposal for a revised classification system of renal dysfunction in patients with cirrhosis. Gut. 2011; 60: 702–709.

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Therapie der Hepatitis B und der Hepatitis C

A.W. Lohse

I. Medizinische Klinik und Poliklinik, Zentrum für Innere Medizin, Universitätsklinikum

Hamburg-Eppendorf

Die Therapie der Hepatitis B und der Hepatitis C hat sich in den letzten Jahren sehr

gewandelt. Während sich für die Hepatitis B inzwischen ein relativ klarer Standard

entwickelt hat, wird sich für die Hepatitis C in den nächsten Jahren noch sehr viel

verändern. Kürzlich überarbeitete Leitlinien weisen zwar den Weg, sind aber zum

Zeitpunkt ihrer Publikation zum Teil schon wieder überholt. Im Folgenden soll

versucht werden, einen kurzen aktuellen Überblick zu geben.

Hepatitis B

Der Stellenwert der HBV-DNA in der Diagnostik der Hepatitis B ist in den letzten

Jahren enorm gestiegen. Ähnlich wie bei der HIV-Infektion ist die Virusreplikation in

verstärktem Maße diagnostisches Kriterium und therapeutisches Ziel, sodass die

Höhe der HBV-DNA von entscheidender diagnostischer Bedeutung ist und

außerdem zur Therapiekontrolle dient. Zusätzlich wichtig ist der Nachweis von

HBsAg, der für die grundsätzliche Diagnostik der Hepatitis B qualitativ entscheidend

ist, aber auch für die Frage der Virusreplikation und des Therapieansprechens

quantitativ zunehmend an Bedeutung gewinnt. Grundsätzlich besteht eine

Therapieindikation, wenn die HBV-DNA über 2000 IU/ml (früher 104 Kopien/ml)

beträgt. Zusätzlich zu diesem virologischen Kriterium sollten entweder die

Transaminasen erhöht sein, histologisch eine entzündliche Aktivität nachgewiesen

werden oder aber histologisch eine fortgeschrittene Fibrose oder Zirrhose bestehen.

Sollte eines dieser 3 Kriterien zusätzlich zur erhöhten HBV-DNA erfüllt sein, so ist

eine antivirale Therapie angeraten. Die Basis dieser Empfehlung sind große

Fallkontrollstudien, insbesondere aus Taiwan, die zeigen, dass das Risiko der

Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms (HCC) wesentlich mit der

Virusreplikation korreliert, und dass der Anstieg der Inzidenz ab diesem HBV-DNA-

Cut-off von 2000 IU/ml besteht. Ohne Zweifel besteht die Indikation bei all

denjenigen Patienten, die bereits eine Zirrhose aufweisen, die auch das höchste

Risiko besitzen als Komplikation ein HCC zu entwickeln. Dass eine antivirale

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Therapie die Inzidenz des Karzinoms, aber auch die Wahrscheinlichkeit einer

hepatischen Dekompensation, reduziert, ist in den letzten Jahren in mehreren

Studien gezeigt worden.

Die antivirale Therapie der Hepatitis B ist mit mehreren gut wirksamen Substanzen

möglich. Durch die Verfügbarkeit der sehr effektiven Substanzen Entecavir und

Tenofovir sind die anderen Nukleosid- und Nukleotidanaloga zunehmend in den

Hintergrund getreten. Auch andere Substanzen sind ähnlich antiviral wirksam, haben

aber das Problem, dass sich unter einer längeren Therapie resistente Virusmutanten

herausselektionieren. Die Resistenzrate für Entecavir scheint unter 2% nach

5 Jahren zu liegen, für Tenofovir sind nach bisher 4 Jahren keine Resistenzen

nachgewiesen worden. Die frühere Standardtherapie mit Lamivudin ist initial auch

fast immer effektiv, es bilden sich aber in etwa 20% der Patienten eine Resistenz pro

Jahr für die ersten 4 Jahre, etwa 20% der Patienten bilden niemals eine Resistenz.

Lamivudin ist sehr gut verträglich und kann weiterhin insbesondere bei denjenigen

Patienten, die nur prophylaktisch behandelt werden, seinen Stellenwert behalten.

Das Problem der antiviralen Therapie mit den gängigen Substanzen ist, dass wir

zwar genau wissen, wann wir eine Therapie beginnen sollen, aber die Kriterien, wie

lange man behandelt und unter welchen Umständen man absetzt, umstritten und in

Studien nicht hinreichend belegt sind. Ohne Zweifel kann die Therapie beendet

werden, wenn es zu einem Verlust von HBsAg und zu einer Serokonversion zu Anti-

HBsAg kommt. Dies ist allerdings nur sehr selten der Fall. Eine Serokonversion von

HBeAg zu Anti-HBeAg ist ebenfalls als therapeutisches Zwischenziel anzusehen und

kann dazu führen, dass man überlegen kann, ob ein Auslassversuch der Therapie

hier angemessen ist. Es muss immer bedacht werden, dass einige Monate nach

Absetzen der antiviralen Therapie eine Reaktivierung mit einem fulminanten Schub

möglich ist. Eine engmaschige Überwachung ist deswegen notwendig.

Wegen der Gefahr der Reaktivierung nach Absetzen der antiviralen Therapie, gibt es

wieder zunehmend Interesse an der Therapie mit Interferon, weil durch dessen

immunmodulatorische Wirkung ein längerfristiger Therapieerfolg möglich ist. Vor

jedem Therapiebeginn mit Nukleosid- oder Nukleotidanaloga sollte Interferon als

Alternative diskutiert werden. Eine Interferon-Therapie ist insbesondere bei den-

jenigen Patienten zu erwägen, die jung sind, eine hohe entzündliche Aktivität

aufweisen und die HBeAg-positiv sind. Der Vorteil der Interferon-Therapie ist, dass

eine Therapie für 6–12 Monate ausreicht und keine Dauertherapie notwendig ist. Es

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lässt sich bei vielen Patienten auch rechtfertigen, zunächst mit einer Interferon-

Therapie zu beginnen und bei nicht ausreichender Aktivität dann eine orale antivirale

Therapie fortzusetzen. Inwiefern eine Impfung unter Immunsuppression dann den

längerfristigen Erfolg stabilisieren kann, ist bisher sehr umstritten und noch nicht

hinreichend belegt.

Hepatitis C

Die Standardtherapie der Hepatitis C besteht zurzeit aus Peg-Interferon in der

Kombination mit Ribavirin, wobei beide Interferon-Präparate (α2a und α2b) in etwa

gleich wirksam sind. Interferon muss, wie mehrere Studien zuverlässig gezeigt

haben, mit Ribavirin kombiniert werden und die Ribavirin-Dosis scheint wichtig zu

sein. Sie sollte möglichst über 10 mg/kg Körpergewicht liegen und so konsequent wie

möglich während der gesamten Therapie gegeben werden. Zunehmend differenziert

stellt sich die Frage nach der Therapiedauer. Je schneller das Ansprechen der

antiviralen Therapie ist, desto kürzer muss therapiert werden. Sollten bereits nach

4 Wochen keine Viren mehr nachweisbar sein (rapid viral response, RVR), so reicht

eine Therapie über 24 Wochen. Bei Ansprechen mit negativer HCV-PCR erst nach

12 Wochen ohne nachweisbaren Virus ist beim Genotyp 1 (aber wahrscheinlich bei

verzögertem Ansprechen auch bei den Genotypen 2, 3 und 4) eine Therapie für

48 Wochen sinnvoll. Kommt es zu einem überzeugenden Ansprechen ohne

Negativierung der HCV-RNA nach 12 Wochen, aber zu einer vollständigen

Negativierung nach 24 Wochen, so kann eine Therapie ausnahmsweise auch dann

für 72 Wochen durchgeführt werden. Sollte es aber nach 12 Wochen zu keiner

Minderung der HCV-RNA über mehr als den Faktor 100 gekommen sein, sollte die

Therapie abgebrochen werden, da es praktisch niemals zu einem langfristigen

Therapieansprechen kommen wird.

Noch dieses Jahr werden wahrscheinlich neue Substanzen (Telaprevir und

Boceprevir) für die Kombinationstherapie mit Peg-Interferon und Ribavirin zuge-

lassen werden. Beide oralen Substanzen bieten eine deutlich verbesserte Ansprech-

quote mit Heilungsraten von über 70–80% bei Genotyp-1-Patienten. Es wird

zunehmend komplexer werden, die Fragen der Therapieindikation und der Wahl der

Medikamente individuell zu beantworten. Diejenigen Patienten, die auch mit der alten

Zweierkombination sehr gut ansprechen, profitieren nicht wesentlich von der

Hinzunahme der neuen, relativ teuren und relativ nebenwirkungsreichen Substanzen.

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Wenn allerdings von vornherein klar ist, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit der

Therapie niedriger ist, dann sollte wahrscheinlich gleich mit einer Dreierkombination

begonnen werden. Auch hier gelten die Kriterien, dass nur bei einem guten

Ansprechen während der ersten Wochen eine Therapie über 24 Wochen und bei

besonders problematischen Fällen über 48 Wochen gegeben werden sollte. Neben

diesen neuen Therapiemöglichkeiten ist zu erwägen, ob bei Patienten mit hohem

Risiko (fehlendes Ansprechen auf den ersten Therapieversuch, Zirrhose, hohe Virus-

replikation und Genotyp 1) auch noch gewartet werden kann, bis in den nächsten

Jahren potentere Substanzen auf den Markt kommen. Neben den jetzt vorhandenen

Proteinaseinhibitoren ist zurzeit auch eine Reihe von Polymeraseinhibitoren in der

Austestung mit zum Teil sehr guten Ergebnissen.

Erste Studien weisen darauf hin, dass die Kombination eines Proteinaseinhibitors mit

einem Polymeraseinhibitor und Ribavirin auch ohne Interferon ebenfalls eine sehr

effiziente Suppression der Virusreplikation und wahrscheinlicher eine Ausheilung der

Virusinfektion erreichen könnte. Dies ist besonders interessant für diejenigen

Patienten, die Interferon schlecht vertragen oder vertragen haben. Inwiefern sich in

Zukunft wirklich eine Interferon-freie Therapie durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.

Ebenso bleibt abzuwarten, ob sich neue Interferone wie das Interferon-Lambda

(IL-29), das in ersten Studien außerordentlich Erfolg versprechend erscheint,

durchsetzen können. Insgesamt bewegt sich im Feld der Hepatitis C sehr viel. Es

gibt im Moment mehr Substanzen für die Hepatitis C in Phase-I-, -II- und -III-Studien

als es überhaupt irgendwelche Antibiotika in diesen Studienphasen gibt. Das zeigt

das enorme Interesse der pharmazeutischen Industrie an einer Verbesserung der

antiviralen Therapie. Dies liegt nicht nur an der Schwere der Erkrankung, sondern

auch an der hohen Durchseuchung, die weltweit von etwa 200–300 Millionen

Hepatitis-C-Patienten ausgeht. Zusammengefasst bleiben angesichts des sich sehr

schnell bewegenden Feldes die Therapieindikation individuell zu stellen und eine

relative Entscheidung, die je nach Therapiewunsch, Fibrose- und Entzündungsgrad

sowie initialer Ansprechrate abgewogen werden muss. Eine Einschleusung von

Patienten in Therapiestudien ist angesichts des großen Forschungsbedarfs sehr zu

befürworten und sollte möglichst vor jeder Therapieentscheidung erwogen und

diskutiert werden.

Nachdruck Abstract „1. Kursus der klinischen Infektiologie“ vom 26. bis 28. Mai 2011

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Nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) – Neben-befund oder Krankheit?

J. Hampe

Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel

Die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (englisch: „non-alcoholic fatty liver

disease“ – NAFLD) hat sich seit ihrer Erstbeschreibung 1981 von einer Rarität zur

häufigsten Lebererkrankung in den westlichen Industrienationen gewandelt.

Epidemiologische Studien gehen von einer Prävalenz von 20–40% in der

Allgemeinbevölkerung aus. Bei massiver Adipositas steigt die Prävalenz auf bis zu

90%. Gleichzeitig ist dies auch die Lebererkrankung mit der stärksten Zunahme der

Inzidenz über die letzten 30 Jahre. Dieser Trend trifft insbesondere auch für die

Schwellenländer mit zunehmend westlichem Lebensstil zu, wo aktuelle Prävalenz-

schätzungen ca. 10% angeben. Morphologisches Kennzeichen ist eine exzessive

Fettakkumulation in den Hepatozyten. Die nicht-alkoholische Steatohepatitis

(englisch: „non-alcoholic steatohepatitis“ – NASH) beschreibt die nekroinflamma-

torische Verlaufsform der Erkrankung, die in der westlichen Allgemeinbevölkerung

auf eine Prävalenz von 2–3% geschätzt wird. Zwischen 5 und 8% der Patienten mit

NASH entwickeln innerhalb von 5 Jahren eine Zirrhose. Die Lebenszeitprävalenz der

Zirrhose bei NASH-Patienten wird auf bis zu 20% geschätzt. Damit stellen diese

Patienten, insbesondere in Regionen mit niedrigen Inzidenzen einer viralen Hepatitis,

auch einen zunehmenden Anteil der Transplantationskandidaten. NASH kann mit

anderen chronischen Lebererkrankungen koexistieren und deren Verlauf negativ

beeinflussen und sollte daher als eigenständige Erkrankung und nicht als reine

Ausschlussdiagnose angesehen werden.

In der Ätiologie von NASH/NAFLD sind noch viele Fragen ungeklärt. Das beginnt bei

den Kofaktoren: Hyperkalorische Ernährung und Alkoholkonsum sind epidemio-

logisch stark korreliert: Insofern sind, insbesondere im Kontext einer NAFLD, die

Grenzwerte von 20 Gramm Alkohol pro Tag bei Frauen bzw. 30 Gramm Alkohol pro

Tag bei Männern für einen ungefährlichen Alkoholkonsum zu hinterfragen. Zum

zweiten ist die Trennung von ASH und NASH, gerade im Licht der sehr ähnlichen

histologischen Veränderungen und der anamnestisch schwierigen Differenzierung

beim einzelnen Patienten zu überdenken. Beide Erkrankungen haben einen in den

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letzten Jahren sehr robust nachgewiesenen gemeinsamen genetischen Risikofaktor

– nämlich einen Polymorphismus im Adiponutrin-Gen (PNPLA3), der sowohl eine

Verfettung als auch eine Progression zur Zirrhose (mit relativen Risiken von 2–4)

vorhersagen kann.

Die kritische Herausforderung sowohl für die Diagnostik als auch das ätiologische

Verständnis ist der Übergang von blander Verfettung zur Nekroinflammation. Das

pathophysiologische Grundprinzip der NAFLD/NASH ist dabei die Insulinresistenz.

Ebenso wie auf der Ebene des Gesamtorganismus (BMI ≠ Insulinresistenz), führt

Verfettung aber nicht zwangsläufig zu einer Fettleberhepatitis. Diese „gesunden

Dicken“ bzw. die „benigne Steatose“ könnten den Schlüssel zum Verständnis der

Mechanismen der Leberschädigung bieten. So ist beispielsweise im Mausmodell

gezeigt worden, dass die Hemmung der Triglyzeridsynthese die Entzündung bei

NASH noch verstärken kann. Somit könnten freie Fettsäuren – auch in Interaktion mit

der intestinalen Flora – eine entscheidende Rolle als Entzündungsmediatoren in der

Leber spielen. Diese Interaktion von Triglyzeridsynthese und freien Fettsäuren

könnte auch der Schlüssel zum Verständnis des ersten klaren genetischen Risiko-

faktors (PNPLA3) sein, der mit seiner Lipaseaktivität diese Balance beeinflussen

könnte.

Klare Behandlungsstrategien für die NASH sind bisher noch zu wenig etabliert, sind

aber angesichts der Häufigkeit und des potenziell schweren Verlaufs der Erkrankung

dringend erforderlich. Die Ergebnisse der bariatrischen Chirurgie zeigen zumindest

im Prinzip, dass – wenn eine Beeinflussung der Insulinresistenz gelingt – auch die

histologischen Veränderungen in der Leber reversibel sind. Eine Beeinflussung der

Insulinresistenz gelingt mit erfolgreichen Lebensstilmodifikationen schon bei weit

kleinerem Gewichtsverlust als bei bariatrischer Chirurgie. Ein Minimum des

Gewichtsverlusts für eine Beeinflussung der Lebererkrankung ist bisher nicht

definiert. Ebensowenig ist bisher geklärt, ob bestimmte Diättypen (Kohlenhydrat-,

Fettgehalt) über den gewichtsreduzierenden Effekt hinaus eine Rolle spielen.

Kalorienreduktion und Lebensstiländerungen haben im praktischen Umgang mit den

Patienten – ähnlich wie beim Typ-II-Diabetiker – oft nur unbefriedigende Effekte.

Pharmakologische Optionen werden also dringend gebraucht: Dabei bieten sich als

Ansatzpunkte erstens die Insulinresistenz und zweitens spezifisch hepatoprotektive

Medikamente an. Bei der Therapie der Insulinresistenz haben Glitazone

wahrscheinlich eine Wirksamkeit auf die Nekroinflammation, jedoch wurde bisher

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keine Wirkung hinsichtlich der Verbesserung der Fibrose nachgewiesen. Weitere

Studien müssen hier klären, wie sich das Sicherheitsprofil und ggf. eine Wirksamkeit

bei längerem Einsatz darstellen. Metformin und Orlistat haben keine nachgewiesene

Wirksamkeit. Kandidatensubstanzen aus der Gruppe der „hepatoprotektiven“

Substanzen wie Ursodeoxycholsäure und Vitamin E haben bisher widersprüchliche

Ergebnisse gezeigt, die einen routinemäßigen Einsatz nicht rechtfertigen. Im Grunde

ist ein besseres Verständnis der hepatischen Antwort im Kontext des metabolischen

Syndroms geforderlich, um neue und effiziente Behandlungsverfahren für die NASH

zu etablieren.

Die adäquate Versorgung von NAFLD- und NASH-Patienten ist gleichzeitig auch

eine Versorgungsherausforderung: Im Vergleich mit alters- und geschlechts-

gematchten Kontrollen aus der Normalbevölkerung haben beispielsweise Diabetiker

eine erhöhte Zirrhosesterblichkeit. In dem Maße wie kardiovaskuläre und renale

Komplikationen des Diabetes besser kontrolliert werden, kann der Leberschaden in

Zukunft bei einem relevanten Bestandteil der Morbidität und Mortalität von

Diabetikern beitragen. Die Etablierung von Strukturen für ein systematisches

Screening, Beobachtung, HCC-Früherkennung und die Behandlung von

Leberschäden bei Diabetikern und Patienten mit metabolischem Syndrom – so wie

aktuell für die diabetische Mikro- und Makroangiopathie – wird daher eine der

wichtigen Herausforderungen für die zukünftige Versorgung dieser Patienten werden.

Zusammenfassend stellt das Spektrum von NAFLD/NASH eine der großen

Herausforderungen für die Hepatologie der nächsten Jahre dar. Eine Reihe von

Fragen, von der Pathophysiologie über die Früherkennung nekroinflammatorischer

Verläufe bis zur Etablierung von Versorgungsstrukturen für diese Patienten, sind

noch offen und eine Herausforderung für die Zukunft.

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Anschriften der Referenten und Vorsitzenden Prof. Dr. Dr. h. c. mult. M.W. Büchler Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie Chirurgische Universitätsklinik Heidelberg Im Neuenheimer Feld 110 69120 Heidelberg Prof. Dr. Dr. h. c. mult. W. Domschke Medizinische Klinik B Universitätsklinikum Münster Albert-Schweitzer-Str. 33 48149 Münster Prof. Dr. A.L. Gerbes Medizinische Klinik und Poliklinik II Klinikum der Universität München-Großhadern Marchioninistr. 15 81377 München Prof. Dr. J. Hampe Klinik für Innere Medizin I Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel Schittenhelmstr. 11 24105 Kiel Prof. Dr. C.-D. Heidecke Klinik für Chirurgie Abteilung für Allgemeine Chirurgie, Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie Universitätsmedizin Greifswald Friedrich-Loeffler-Str. 23 b 17475 Greifswald Dr. M. Kraft Klinik für Innere Medizin A Universitätsmedizin Greifswald Friedrich-Loeffler-Str. 23 a 17475 Greifswald Prof. Dr. W. Kruis Abteilung für Innere Medizin Ev. Krankenhaus Kalk Universität zu Köln Buchforststr. 2 51103 Köln

Prof. Dr. J. Labenz Abteilung für Innere Medizin Ev. Jung-Stilling-Krankenhaus Wichernstr. 40 57074 Siegen Prof. Dr. M.M. Lerch Klinik für Innere Medizin A Universitätsmedizin Greifswald Friedrich-Loeffler-Str. 23 a 17475 Greifswald Prof. Dr. A.W. Lohse I. Medizinische Klinik und Poliklinik Zentrum für Innere Medizin Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Martinistr. 52 20246 Hamburg Prof. Dr. J. Mayerle Klinik für Innere Medizin A Universitätsmedizin Greifswald Friedrich-Loeffler-Str. 23 a 17475 Greifswald Prof. Dr. J. Schölmerich Klinikum der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Theodor-Stern-Kai 7 60590 Frankfurt Dr. P. Simon Klinik für Innere Medizin A Universitätsmedizin Greifswald Friedrich-Loeffler-Str. 23 a 17475 Greifswald Prof. Dr. T. Starzyńska Klinika Gastroenterologii Pomorski Uniwersytet Medyczny ul. Unii Lubelskiej 1 71-252 Szczecin Polen

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Prof. Dr. M. Zeitz Medizinische Klinik für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin Campus Benjamin Franklin (CBF) Hindenburgdamm 30 12200 Berlin