Gehörgefährdender Lärm am Arbeitsplatz · 2018. 11. 26. · Auflage – Juli 1988 Vollständig...

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Gehörgefährdender Lärm am Arbeitsplatz

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    Gehörgefährdender Lärm am Arbeitsplatz

    Verfasser:Dr. Beat HohmannWalter LipsHeinz WaldmannBereich Physik

    Nachdruck mit Quellenangabe gestattet.1. Auflage – Juli 1988Vollständig überarbeitete Auflage – Oktober 20065. Auflage – September 2007 – 37’000 bis 42’000

    Bestellnummer: 44057.d

  • 1

    Inhalt

    1 Einleitung 3

    2 Akustische Grundbegriffe 52.1 Schallentstehung 52.2 Schalldruck 52.3 Frequenz 52.4 Schallwellen und Schallausbreitung 72.5 Schallleistung 82.6 Schalldruckpegel 92.7 Frequenzbewertete Schalldruckpegel 102.8 Zeitlich integrierte Schalldruckpegel 112.8.1 Äquivalenter Dauerschallpegel 112.8.2 Schallexpositionspegel LE 112.9 Schallleistungspegel 122.10 Frequenzanalysen 132.11 Schallsignale 142.11.1 Ton, Klang, Geräusch 142.11.2 Dauerlärm, intermittierender Lärm,

    Impulslärm 152.12 Schallfelder 162.12.1 Freies Schallfeld 162.12.2 Diffuses Schallfeld 172.12.3 Schallfeld in Industrieräumen 17

    3 Das Gehör 193.1 Das Ohr und der Hörvorgang 193.2 Schallempfindung 203.3 Die audiometrische Prüfung des Gehörs 213.4 Einfluss des Alters auf das Hörvermögen 223.5 Schädigung des Gehörs durch Lärm 233.6 Die Beurteilung des Hörvermögens 263.7 Andere Auswirkungen des Lärms 263.7.1 Sprachliche Verständigung und

    Signalwahrnehmung 263.7.2 Lärmbelästigung 273.7.3 Extraaurale Auswirkungen 28

    4 Vorschriften und Grenzwerte 294.1 Übersicht 294.2 Die Verhütung von Berufsunfällen

    und Berufskrankheiten 304.3 EKAS-Richtlinie 6508 über den Beizug

    von Arbeitsärzten und anderen Spezialisten der Arbeitssicherheit 32

    4.3.1 Besondere Gefahren 324.3.2 Gefahrenermittlung 334.3.3 Risikoanalyse 334.3.4 Mitwirkung der Arbeitnehmenden 334.4 Gesundheitsvorsorge und

    Plangenehmigung 334.5 Die Sicherheit von technischen

    Einrichtungen und Geräten 344.6 Vorschriften über Aussenlärmimmissionen 344.7 Grenzwerte zum Schutz vor gehör-

    gefährdendem Lärm 354.7.1 Dauerschall 354.7.2 Impulsartiger Schall 354.7.3 Massnahmen zum Schutz des Gehörs 354.8 Richtwerte für belästigenden Lärm am

    Arbeitsplatz 364.8.1 Tätigkeitsbezogene Richtwerte 364.8.2 Richtwerte für Hintergrundgeräusche in

    Arbeitsräumen 364.9 Weitere Lärmbeurteilungskriterien 364.9.1 Ultraschall 364.9.2 Infraschall 374.10 Schall- und Laserverordnung 374.11 SIA-Norm 181, Schallschutz im Hochbau 384.12 Lärmdeklaration nach Maschinenrichtlinie 384.13 Massnahmen zum Schutz des Gehörs

    nach der EU-Lärm-Richtlinie 38

    5 Schallmesstechnik 405.1 Ziel der Lärmmessung 405.2 Elemente von Schallmessgeräten 405.3 Geräte für die Messung und Analyse

    von Lärm am Arbeitsplatz 435.4 Praktische Hinweise für Schallmessungen 465.5 Lärmmessungen der Suva 48

  • 2

    6 Beurteilung der Lärmbelastung 496.1 Bestimmung des Lärmexpositions-

    pegels LEX 496.1.1 Grundlagen 496.1.2 Berechnung des Lärmexpositions-

    pegels LEX 496.1.3 Tagesexpositionspegel und Jahres-

    expositionspegel 516.1.4 Praktische Hilfsmittel zur Bestimmung

    des Lärmexpositionspegels LEX 516.1.5 Rechenbeispiele 526.2 Beurteilung der Gehörbelastung durch

    Impulslärm 546.2.1 Grundlagen 546.2.2 Ermittlung der Beurteilungsgrössen 546.2.3 Anwendung der Beurteilungskriterien 556.3 Beurteilung von Arbeitsplätzen 556.3.1 Risikobeurteilung mit allgemeinen

    Lärmtabellen 556.3.2 Messungen durch den Betrieb 556.3.3 Messungen durch die Suva in einzelnen

    Betrieben 566.4 Schallmessprotokoll zu Messungen

    in einem Betrieb 566.5 Allgemeinen Lärmtabellen (ALT) 586.5.1 Tätigkeitsbezogene Lärmexpositions-

    pegel 586.5.2 Äquivalente Dauerschallpegel Leq 59

    7 Technische Lärmschutzmassnahmen 607.1 Rechtliche Grundlagen 607.2 Grundsätze der Lärmbekämpfung 607.3 Die Strukturierung der Lärmbekämpfungs-

    massnahmen 617.4 Lärmquelle: 1. Priorität 617.4.1 Reduktion der Schallentstehung 617.4.2 Reduktion der Schallübertragung 627.4.3 Reduktion der Schallabstrahlung 627.4.4 Kapselungen 637.4.5 Transport und Materialumschlag 637.5 Arbeitsraum: 2. Priorität 657.5.1 Räumliche Unterteilung 657.5.2 Bau- und raumakustische Massnahmen 657.6 Reduktion der Schallbelastung:

    3. Priorität 677.6.1 Arbeitsorganisation 677.6.2 Persönliche Schutzausrüstung 67

    8 Persönliche Gehörschutzmittel 688.1 Wenn technische Massnahmen nicht

    genügen 688.2 Information und Instruktion 688.3 Den optimalen Gehörschutz finden 688.4 Anwendung im Alltag 708.5 Signalwahrnehmung mit Gehörschutz 71

    9 Verhütung lärmbedingterGehörschäden 73

    9.1 Der Lärmschutz im betrieblichen Sicherheitssystem 73

    9.1.1 Lärmschutzkonzept im Betrieb 739.1.2 Verhalten im akustischen Notfall 739.1.3 Vorgehen bei Verdacht auf einen lärm-

    bedingten Gehörschaden 759.2 Die Gehörschadenprophylaxe der Suva 759.2.1 Gehöruntersuchungen im Audiomobil 759.2.2 Welche Personen werden im Audiomobil

    untersucht? 769.2.3 Organisation und Ablauf der Gehör-

    untersuchungen 779.2.4 Die Untersuchung im Audiomobil 799.3 Anteil der Lärmexponierten in

    verschiedenen Branchen 799.4 Entwicklung der beruflichen Lärm-

    belastung 809.5 Erfolgskontrolle der Gehörschaden-

    prophylaxe 809.6 Auch Lärm in der Freizeit ist schädlich 81

    10 Zusammenfassung 82

    Anhang 1Weiterführende Informationen 83

    Literatur 83Gesetzestexte 83Normen 83Aufsichts- und Vollzugsorgane 83Private Institutionen 83

    Anhang 2Bezeichnung von Schallmessgrössen 84

    Internationale Bezeichnungen, Verweise auf grundlegende Normen 84

    Anhang 3Physikalische und akustische Grössen

    und Masseinheiten 86

    Sachwortregister 87

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    1 Einleitung

    Wer nicht gut hört, hat Mühe mit der sprachli-chen Verständigung und gerät leicht in sozialeIsolation. Kommunikation aber ist lebens-notwendig. Nicht ohne Grund wird das Gehörauch allgemein als wichtigstes Kommunika-tionsorgan bezeichnet.

    In der Schweiz sind rund 200’000 Personenin zirka 22’000 Unternehmen gehörgefähr-dendem Lärm ausgesetzt. Die Suva engagiertsich seit Jahrzehnten für die Prävention vonGehörschäden. Sie hat den gesetzlichen Auftrag, die Anwendung der Vorschriften überdie Verhütung von Berufskrankheiten in allenBetrieben der Schweiz zu überwachen.

    In den letzten Jahrzehnten wurden bei derPrävention von Gehörschäden beachtlicheErfolge erzielt. Während 1973 noch 37 Pro-zent der von der Suva untersuchten Personeneine leichte oder deutliche Schädigung desGehörs aufwiesen, waren es 2004 nur noch 9 Prozent. Dies entspricht einem Rückgangum 75 Prozent. Trotzdem ist die Lärmschwer-hörigkeit mit fast 700 Fällen unheilbarerSchädigung pro Jahr (2004) immer noch diedritthäufigste Berufskrankheit.

    Vor vierzig Jahren wurden in der Schweiz dieersten Lärmgrenzwerte für industrielle Arbeits-plätze eingeführt. In der Folge fand die tech-nische Lärmbekämpfung im Wesentlichen aufdrei Ebenen statt:� Einführung neuer, leiserer Arbeitsverfahren� Kapselung von Maschinen� Schallschutzmassnahmen in den Arbeits-

    räumen

    Allerdings ist die Umsetzung der technischenLärmbekämpfungsmassnahmen noch langenicht abgeschlossen. Sie bleibt eine Dauer-aufgabe.

    Bereits 1976 führte die Suva den 100'000.Gehörtest in einem ihrer Audiomobile durch.Diese Kontrollen haben die Motivation derArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, einenGehörschutz zu tragen, beträchtlich erhöht.Im Jahr 2005 besuchten die Spezialisten für Audiometrie der Suva 4’000 Unternehmenund überprüften in fünf Audiomobilen dasHörvermögen von über 45'000 Personen.Über 90 Prozent der Untersuchten tragenheute einen Gehörschutz.

    Seit dem ersten Erscheinen dieser Broschüreim Jahre 1988 ist in der Lärmbekämpfungeine erfreuliche Entwicklung zu verzeichnen,die nun in der Neuauflage berücksichtigtwurde:� Das Interesse an der Lösung von Lärm-

    problemen ist in weiten Kreisen gewachsen.� Die rechtlichen Grundlagen zur Gestaltung

    von Arbeitsräumen wurden erweitert(Arbeitsgesetz, Verordnung 3 und 4).

    � Die raumakustischen Eigenschaften vonWerkstätten und Fabrikationshallen sindbesser geworden, obschon gerade hiernoch ein Nachholbedarf besteht.

    Bild 1: Arbeitsplätze mit hoher Lärmbelastung auf einer Tunnelbaustelle.

  • 4

    � An vielen Arbeitsplätzen ist der Lärmpegeldank lärmarmer Maschinen und neuer Ver-fahren deutlich gesunken.

    � Immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmer tragen an lärmintensiven Arbeits-plätzen einen Gehörschutz.

    � Es sind neue und komfortablere Gehör-schutzmittel erhältlich, besonders– Pfropfen mit erheblich besseren Dämm-

    eigenschaften– Pfropfen mit linearen Dämmeigenschaf-

    ten, die sich speziell für Musiker eignen– aktive Gehörschutzmittel (Pfropfen und

    Kapseln), die nur bei Lärmeinwirkungenüber 80 dB wirksam werden

    � Es werden handliche, preiswerte undbedienungsfreundliche Schallmessgeräteangeboten, die es auch Nichtfachleutenermöglichen, einfache Lärmmessungendurchzuführen.

    Mit dem Inkrafttreten der EKAS-Richtlinie überden Beizug von Arbeitsärzten und anderenSpezialisten der Arbeitssicherheit auf den 1. Januar 2000 hat sich die rechtliche Lageder Lärmbekämpfung geändert und dieDurchsetzung von wirksamen Massnahmenerheblich verbessert. Im Rahmen der betrieb-lichen Sicherheitssysteme wird der Lärm alsbesondere Gefahr ausdrücklich erwähnt. Der Arbeitgeber wird dazu verpflichtet, Mass-nahmen zum Schutz der Gesundheit derMitarbeitenden zu treffen.

    Die Kriterien zur Beurteilung der Lärmbelas-tung wurden in den letzten Jahren laufendden aktuellen Normen, Richtlinien undErkenntnissen angepasst.

    Die Fachleute der Suva befassen sich auchmit den gehörgefährdenden Lärmbelastungenin der Freizeit, dem belästigenden Lärm amArbeitsplatz sowie mit der Beurteilung derakustischen Eigenschaften von Arbeits-räumen und den zulässigen Schallemissionenvon Maschinen. Diese Themen sind nicht Gegenstand der vorliegenden Publikation.Informationen dazu finden Sie unterwww.suva.ch/laerm.

    Diese Broschüre enthält Grundlagen undDetailinformationen über den Lärm, seineAuswirkungen und die Lärmbekämpfung. DieInhaltsübersicht und das Sachwortregister am Schluss ermöglichen es den Leserinnenund Lesern, die sie interessierenden Themenrasch zu finden.

    Bild 2: Bei vielen industriellen Produktionsprozessensind Personen erheblichen Lärmpegeln ausgesetzt(Bild: Mitarbeiter einer Flaschenabfüllanlage).

  • Bei einer einfachen Anregung – zum Beispieldurch eine Stimmgabel – pendelt der Schall-druck um den Ruhewert, es entsteht eineperiodische sinusförmige Schallschwingung(Bild 4). Je grösser die Amplitude ist, destolauter erscheint der Ton.

    2.3 FrequenzDie Zeit, bis sich bei einer periodischenSchallschwingung ein gewisser Zustand wie-derholt, wird Periode T genannt (Bild 5). DieZahl solcher Perioden (oder «Schwingungen»)je Zeiteinheit wird als Tonhöhe wahrgenom-men und heisst Frequenz f. Sie wird in Hertz[Hz] (= Schwingungen pro Sekunde) an-gegeben (Formel 1).

    5

    2 Akustische Grundbegriffe

    2.1 SchallentstehungAls Schall bezeichnet man Schwingungeneines elastischen Mediums (Gase, Flüssig-keiten, feste Körper). Ohne Materie – imVakuum – kommt kein Schall vor.

    Luftschall entsteht direkt,� wenn ein Gas plötzlich sein Volumen ändert

    (Explosion, Detonation, Zerplatzen einesBallons)

    � wenn sich in fliessenden Gasen oder anschnell bewegten Körpern Wirbel bilden(ausströmende Druckluft, Windgeräusche)

    � wenn Luftsäulen in Schwingung geraten (z. B. in Orgelpfeifen oder Flöten).

    Von indirekter Schallentstehung spricht man,wenn sich Schwingungen fester Körper (wieMaschinenelemente, Glocken, Stimmgabeln,Lautsprechermembranen) auf die angren-zende Luft übertragen (Bild 3) und dort Schallverursachen.

    2.2 SchalldruckDruck wird in der Einheit Pascal [Pa] angege-ben (1 Pa = 1 N/m2 = 10 µbar). Die Bewegun-gen der Luftteilchen (Bild 3) verursachenkleine Druckschwankungen, die sich dem –viel grösseren – statischen (atmosphärischen)Luftdruck überlagern:

    Atmosphärischer Druck ~ 100'000 PaSchalldruckmaximum von Sprache(in 1 m Distanz zum Sprechenden) ~ 1 PaDruckluftänderung bei einerHöhenänderung von 8 cm ~ 1 Pa

    Bild 3: Schallentstehung und -ausbreitung.

    Bild 4: Amplitude: Ton 1 (durchgezogen) ist lauter als Ton 2 (gestrichelt).

    Bild 5: Periode und Frequenz: Schwingung mit Periode 1 ms, das heisst 1000 Schwingungen proSekunde = 1000 Hz.

    p

    p f = 1000 Hz

    t[ms]

    0 1 2

    t

  • 6

    1 kHz = 1’000 Hz = 1’000 Schwingungen proSekunde: physikalischer Normalton.

    Im Sinne einer Konvention bezeichnet manden Frequenzbereich von 20 Hz bis 20 kHzals hörbaren Schall. Tiefere Frequenzen fallenin den Infraschallbereich, Frequenzen über 20 kHz gelten als Ultraschall (Bild 6).

    Der Frequenzumfang von Musik mit Schlag-instrumenten erstreckt sich ungefähr von 30 Hz bis 16 kHz. Der internationale Stimmton(Kammerton a’) liegt bei 440 Hz. Sprache spielt sich etwa zwischen 100 Hzund 8 kHz ab, wobei die Zischlaute, ins-besondere «s» und «f», die höchsten Frequen-zen beinhalten. Die Übertragung über das Telefonnetz ist aber im Frequenzumfang auf300 bis 3500 Hz beschränkt.

    Das Bildschirm-Pfeifen eines alten Fernseh-gerätes (50 Hz, nicht «100 Hz») liegt bei15,6 kHz (Zeilenfrequenz).Infraschall wird sowohl von natürlichen (Don-ner, Meereswellen usw.) wie auch technischenQuellen (u.a. Schiffsdieselmotoren, Jetflug-zeuge) erzeugt.Ultraschall kommt in Natur und Technik vor.Fledermäuse beispielsweise orientieren sichmit Hilfe von Ultraschall. In der Industrie wirdUltraschall zum Reinigen von Werkstücken in Bädern, zum Verschweissen von Kunststof-fen und zur zerstörungsfreien Werkstoffprü-fung verwendet, im medizinischen Bereich fürDiagnostik und Therapie1).

    f = ––1T

    Bild 6: Frequenzbereiche.

    Formel 1

    Infraschall Hörbarer Schall Ultraschall

    10

    f [Hz]

    100 1’000 10’000 100’000

    Fledermaus

    Triangel

    Orgel

    Piccolo

    Violine

    Kontrabass

    Flügel

    Männerstimme

    Frauenstimme

    Telefon

    Grundtöne Obertöne Vokale Zischlaute Übertragungsbereich Telefon

    1) Vgl. Suva-Publikation 66077.d «Ultraschallanlagenals Lärmquellen»

    f: Frequenz [Hz]T: Periode [s]

  • Schall, der auf ein Hindernis trifft, kann – wieBild 8 veranschaulicht – zurückgeworfenwerden (Reflexion), vom Material geschlucktwerden (Absorption), das Hindernis durch-dringen (Transmission) oder es umgehen(Beugung).

    Reflexion, Absorption, Transmission und Beu-gung hängen wesentlich von der Wellenlänge(und somit von der Frequenz) ab. Kurze Wel-len (hohe Frequenzen) lassen sich schon mitgeringer Schichtdicke absorbieren. LangeWellen (tiefe Frequenzen) hingegen durchdrin-gen oder umgehen ein Hindernis leichter.Ein Schallschatten entsteht nur hinter einemObjekt, dessen Abmessungen wesentlichgrösser sind als die Wellenlänge des Schall-signals.

    Da sich die Schallwelle mit Schallgeschwin-digkeit fortpflanzt, gilt:

    Die Wellenlänge wird also mit zunehmenderFrequenz kleiner. Schallwellen im hörbarenBereich (20 Hz bis 20 kHz) weisen in der LuftWellenlängen zwischen 17 Meter und 1,7 Zentimeter auf (Verhältnis 1’000 :1, Tabelle 1).

    20 kHz 1,7 cm

    10 kHz 3,4 cm

    1 kHz 34 cm

    100 Hz 3,4 m

    20 Hz 17 m

    Frequenz Wellenlänge

    λ = ––cf

    f = ––cλ

    c = λ · f

    7

    Bild 7: Wellenlänge.

    Formel 2 bis 4

    Tabelle 1: Frequenzen und Wellenlängen.

    2.4 Schallwellen und Schall-ausbreitung

    Ähnlich wie sich nach dem Eintauchen einesSteins konzentrische Wellen auf der Wasser-oberfläche ausbreiten, pflanzen sich dieDruckschwankungen – zum Beispiel nachdemein Ballon zerplatzt ist – in der Luft nach allenRichtungen fort. Die Ausbreitungsgeschwin-digkeit dieser Schallwellen in der Luft, dasheisst die Schallgeschwindigkeit c, hängtpraktisch nur von der Temperatur ab. Sie beträgt bei 0°C 331 m/s und bei 20°C343 m/s oder 1’225 km/h.

    c � 340 m/sSchallgeschwindigkeit in der Luft

    Bei der Ausbreitung der Schallwelle ändertsich die Frequenz nicht. Die Distanz zwischenzwei gleichen Zuständen einer Schallwelle istdie Wellenlänge λ (Bild 7).

    p

    λ

    λd

    λ: Wellenlänge [m]c: Schallgeschwindigkeit [m/s]f: Frequenz [Hz = 1/s]

    Quelle

    Reflexion

    Absorption

    Transmission

    Beugung

    Bild 8: Schall an einem Hindernis. (Grafik erstellt mit dem Programm «Virtual Wave Tank»; FraunhoferInstitut für Integrierte Schaltungen, Dresden;www.eas.iis.fraunhofer.de)

  • 8

    Ein Messmikrofon wie auch das Ohr reagierenauf den Schalldruck, der damit sowohl direktmessbar als auch für die Schallempfindungentscheidend ist. Der Schalldruck, den manan einem bestimmten Punkt misst, hängtdavon ab,� welche Schallleistung die Quelle abstrahlt

    (Bild 9a; Schallleistung und Schallenergieverhalten sich proportional zum Quadratdes Schalldrucks. Bei einer Vervierfachungder Schallleistung erhöht sich der Schall-druck auf das Doppelte)

    � ob der Schall gleichmässig nach allenSeiten abgestrahlt wird (eine Schallbünde-lung erhöht bei gleicher Schallleistung denSchalldruck in der Hauptrichtung)

    2.5 SchallleistungDie Lärmentwicklung einer Schallquelle wirdam besten durch die abgestrahlte Schall-leistung (Bild 9) beschrieben. Diese wird inder Einheit Watt (W) angegeben, wie sie auch für mechanische, elektrische und thermischeLeistungen verwendet wird. Beispiele: EinMotor leistet 74 kW = zirka 100 PS; ein elek-trischer Heizofen setzt 500 W in Wärme um.

    Die akustischen Leistungen üblicher Schall-quellen sind verhältnismässig gering, wieTabelle 2 zeigt. Anderseits belegen dieseWerte, wie empfindlich das Gehör ist.Die von einer Quelle abgegebene Schall-energie ergibt sich aus der Multiplikation dermittleren Leistung mit der Dauer der Ab-strahlung.

    Bild 9: Faktoren, die den Schalldruck an einembestimmten Ort beeinflussen.a: Direktschallb: Abschattung durch Hindernisc: Reflexion

    Kühlschrank 1 · 10-8 W 10 nW

    Elektrorasierer 1 · 10-6 W 1 �W

    moderner Elektrorasenmäher 1 · 10-5 W 10 �W

    Geige (fortissimo, sehr laut) 1 · 10-3 W 1 mW

    pneumatischer Abbauhammer 1 · 10-1 W 0,1 W

    Orgel (fortissimo) 1 · 101 W 10 W

    Strahltriebwerk (Zivilflugzeug) 1 · 104 W 10 kWTabelle 2: Schallleistungen.

    Quelle: Schallleistunga

    b

    c

    Mikrofon/Ohr:Schalldruck

  • 9

    � wie weit die Quelle entfernt ist (im freienSchallfeld halbiert sich der Schalldruck beidoppelter Distanz)

    � ob sich Hindernisse zwischen Quelle undMesspunkt befinden (Bild 9b; diese ver-ringern den Schalldruck frequenzabhängig)

    � ob starke Reflexionen am Boden, an denWänden oder der Decke auftreten (Bild 9c;diese erhöhen im Allgemeinen den Schall-druck)

    � ob andere Schallquellen vorhanden sind(diese erhöhen ebenfalls den Schalldruck)

    2.6 SchalldruckpegelDas gesunde Ohr eines Menschen kann einenriesigen Schalldruckbereich verarbeiten:

    Schalldruck bei der Hörschwelle:20 �Pa = 2 · 10-5 Pa = 0,00002 PaSchalldruck bei der Schmerzschwelle:20 Pa = 2 · 101 Pa

    Diese Schalldruckwerte verhalten sich wie 1 zu 1 Million, sind für das praktische Arbeitenziemlich unübersichtlich und entsprechenauch in keiner Weise dem Lautstärkeeindruck.

    Durch die Einführung des Schalldruckpegelsin Dezibel (dB) lässt sich dieser Wertebereichverkürzen. Die Einheit Dezibel (= 1/10 Bel),benannt nach A.G. Bell (1847–1922), dem die Erfindung des Telefons zugeschriebenwird, stammt aus der Nachrichtentechnik, inwelcher der Pegel als Logarithmus aus demVerhältnis einer Grösse zu einer gleichartigenBezugsgrösse definiert wird. Wendet mandieses Prinzip auf den Schalldruck an undsetzt ihn ins Verhältnis zum Schalldruck beider Hörschwelle (Bezugswert), so gelangtman zur Definition des Schalldruckpegelsoder Schallpegels. (Im Sinne einer Konven-tion steht die Kurzform «Schallpegel» jeweilsfür «Schalldruckpegel», aber nie für «Schall-leistungspegel».)

    Bild 10: Typische Schalldruckwerte p und Schall-druckpegel L.1) gemessen mit der Frequenzbewertung A (siehe Ziffer 5.2); 2) Kurzzeitspitzenwerte beim Ohr(Zeitkonstante «Peak», siehe Ziffer 5.2)

    Lp = 10 lg –––– [dB]p2

    p02Lp = 20 lg –– [dB]

    pp0

    Anmerkung: Der Faktor 10 tritt bei leistungs-proportionalen Grössen auf, also bei Schall-leistung, -energie, -intensität oder beimquadrierten Schalldruck, der Faktor 20 beimSchalldruck und dazu proportionalen Grössen(elektrische Spannung usw.).Typische Schalldruckpegel und die ent-sprechenden Schalldruckwerte sind in Bild 10 zusammengestellt.

    Formel 5 und 6

    Formel 7

    Bei mehreren gleichzeitig betriebenen Schall-quellen summieren sich die Schallleistungen.Der Gesamtschallpegel von n Maschinen mit demselben Einzelpegel L1 ergibt sich ausFormel 7:

    Ltotal = L1 + 10 lg n [dB]

    L1)

    154 dB2)

    134 dB

    114 dB

    94 dB

    74 dB

    54 dB

    34 dB

    14 dB

    0 dB

    P

    1000 Pa

    100 Pa

    10 Pa

    1 Pa

    100 mPa

    10 mPa

    1 mPa

    100 �Pa

    20 �Pa

    Lp: Schalldruckpegel in Dezibel [dB]p: gemessener Schalldruckp0: Bezugsschalldruck (Hörschwelle),

    p0 = 2 · 10-5 Pa

  • x 100 x 10 + 20 dB

    x 10 x 3 + 10 dB

    x 4 x 2 + 6 dB

    x 2 x 1,4 + 3 dB

    x 1 x 1 + 0 dB

    Anzahl gleicher Schallquellen Schall- Schall- Schall-leistung druck pegel

    10

    Tabelle 3 zeigt, wie sich der Schalldruckpegelbei einer Vervielfachung der Anzahl gleicherQuellen erhöht. Beispiel: Werden statt einerSchallquelle zehn solche Schallquellen be-trieben (zehnfache Schallleistung), so ergibtsich der dreifache Schalldruck, und der Schall-druckpegel steigt um 10 dB an.

    Unterscheiden sich die Pegel der einzelnenSchallquellen voneinander, so addieren sichderen Schallleistungen. Aus der summiertenSchallleistung wird dann wieder ein Pegelgebildet (Formel 8).

    L total = 10 lg 100,1·L1 + 100,1·L2 + ... + 100,1·Ln [dB]

    Tabelle 3: Erhöhung des Schalldruckpegels bei einer Vervielfachung derAnzahl gleicher Quellen.

    Anstelle einer Berechnung mit Formel 8 können die Einzelpegel auch in ein Excel-Berechnungsformular (www.suva.ch/laerm)eingegeben werden. Für Abschätzungen kannTabelle 4 verwendet werden: Aufgrund derDifferenz der Einzelschallpegel L1 – L2 ergibtsich der Wert K (gerundet auf ganze dB), derzum höheren Pegel zu addieren ist, um denGesamtpegel zu erhalten.

    Beispiel: Zwei Schallquellen, deren Einzel-pegel 90 und 84 dB betragen (das heisst L1 – L2 = 6 dB), ergeben zusammen einenPegel, der um K = 1 dB über dem höherenEinzelpegel liegt, also bei 91 dB.

    2.7 Frequenzbewertete Schalldruckpegel

    Um die unterschiedliche Empfindlichkeit desGehörs in den verschiedenen Frequenzbe-reichen (siehe Ziffer 3.1) zu berücksichtigen –mindestens annähernd und vereinfacht –, verwendet man normierte Bewertungsfilternach der Norm IEC1) 61672-1. Zur Beurteilungder Gehörgefährdung ist die A-Bewertungam besten geeignet (Bild 11).

    Bild 11: Bewertungsfilter A und C.

    Formel 8

    C

    A

    31,5 63

    0

    –10

    – 20

    – 30

    – 40

    – 50125 250 500 1k 2k 4k 8k 16k

    Frequenz [Hz]

    Vers

    tärk

    ung

    [dB

    ]

    0 bis 1 dB 3 dB

    2 bis 3 dB 2 dB

    4 bis 8 dB 1 dB

    mehr als 9 dB 0 dB

    L1 – L2 K

    Tabelle 4: Pegeladdition.

    1) IEC = International Electrotechnical Commission

  • 11

    2.8 Zeitlich integrierte Schalldruck-pegel

    Es ist sinnvoll, als Kennwert für ein schwan-kendes Schallsignal einen Mittelungspegelzu verwenden, denn für die Gefährdung desGehörs ist vor allem die insgesamt ein-wirkende Schallenergie ausschlaggebend.

    2.8.1 Äquivalenter DauerschallpegelDer äquivalente Dauerschallpegel Leq (Bild 12)ist energiemässig gleichwertig wie der variableSchalldruckpegel. Bezugszeit ist dabei diejeweilige Messzeit.

    2.8.2 Schallexpositionspegel LEDer Schallexpositionspegel LE (Sound expo-sure level, auch als SEL abgekürzt) stelltebenfalls einen energiemässigen Mittelungs-pegel dar, doch verwendet man als Bezugs-zeit unabhängig von der tatsächlichen Mess-zeit immer eine Sekunde (Bild 13).

    Leq = 10 lg Tm p02 dt

    [dB]1Tm

    0

    p2 (t)

    Formel 9

    Bild 12: Zeitlicher Verlauf des Schalldruckpegels L(t)und äquivalenter Dauerschallpegel Leq.

    Bild 13: Schallexpositionspegel LE.

    LE = 10 lg T1 p02 dt

    [dB]1Tm

    0

    p2 (t)

    Formel 10

    Deshalb steigt der LE bei kontinuierlichemSignal an, bleibt aber nach einem Schall-impuls, der genügend aus dem Grundpegelherausragt, konstant. Somit eignet sich dieseMessgrösse vor allem zur Erfassung vonKnall- oder anderen Einzelereignissen.

    Die Anzahl Impulse (n) geht mit 10 lg n in denLE ein:

    Formel 11

    LE = LE,1 + 10 lg n

    Beispiel: Ein Sturmgewehrknall erreicht amOhr des Schützen LE = 129 dB, eine Schiess-übung von 40 Schuss ergibt also LE = 145 dB.

    Dauerschallpegel Leq und Schallexpositions-pegel LE sind über die Messzeit Tm miteinan-der verknüpft:

    Formel 12

    LE = Leq + 10 lg Tm [dB]

    Leq

    LE

    t

    L [dB]

    100

    90

    80

    70

    60

    50

    t [s]0 1

    160

    140

    120

    100

    80

    L [dB]

    Tm: MesszeitT1: Bezugszeit, T1 = 1 Sekunde

    Tm: MesszeitLeq: äquivalenter Dauerschallpegel

  • Der Pegelabzug von 44,6 dB entspricht10 lg 28’800 (8 Stunden = 28’800 Sekunden).

    2.9 SchallleistungspegelAnalog zum Schalldruckpegel kann aus derSchallleistung einer Quelle (siehe Ziffer 2.5)nach ISO 131-1979 ein SchallleistungspegelLW gebildet werden:

    12

    Zum Beispiel ergibt sich der auf 8 Stundenbezogene Leq aus dem LE eines Impulses(LE,1) und der Impulszahl n:

    Formel 13

    Leq, 8h = LE,1 + 10 lg n – 44,6 [dB]

    LW = 10 lg –––– [dB]WW0

    Lp = Lw – 20 lg –– – 11 [dB]rr0

    Tabelle 5 zeigt die Schallleistungen undSchallleistungspegel verschiedener Objekte.

    Der Schalldruckpegel Lp lässt sich in einemfreien Schallfeld und bei allseitiger Abstrah-lung einer Punktquelle (Bild 14, kugelförmigeSchallausbreitung) wie folgt aus dem Schall-leistungspegel LW berechnen:

    Stechmücke (im Flug) 10-11 10

    Kühlschrank 10-8 40

    PC (ohne Tastatur, Drucker usw.) 10-7 50

    Elektrorasierer 10-6 60

    moderner Elektrorasenmäher 10-5 70

    Motorroller 50 ccm 10-4 80

    Geige (fortissimo, sehr laut) 10-3 90

    Kreissäge 10-2 100

    pneumatischer Abbauhammer 10-1 110

    Autohupe 1 120

    Orgel (fortissimo) 10 130

    Strahltriebwerk (Zivilflugzeug) 104 160

    Schallquelle Schallleistung [W] LW[dB]

    Formel 14

    Formel 15

    Der Wert von 11 dB ergibt sich daraus, dasseine Kugel mit einem Radius r = 1 m eineOberfläche von 4�r2 = 12,6 m2 aufweist, aufdie sich die Schallleistung der Quelle verteilt.Der Schalldruckpegel auf dieser Oberflächeliegt deshalb um 10 lg (12,6) dB = 11 dB unterdem Schallleistungspegel.Wenn die Kugeloberfläche 1 m2 beträgt, wasbei einem Radius von 28 cm der Fall ist,haben Schalldruckpegel und Schallleistungs-pegel den gleichen Zahlenwert.

    Bild 14: Schallleistungspegel und Schalldruckpegelim freien Schallfeld.

    Eine gerichtete Abstrahlung führt bei gleicherDistanz zu einem höheren Schalldruckpegelals eine kugelförmige Abstrahlung: Steht zum Beispiel für die Schallausbreitung nur einHalbraum zur Verfügung, weil sich die Quelleauf einer grossen reflektierenden Fläche be-findet, so steigt der Schalldruckpegel um 3 dB (Bild 15).

    Tabelle 5: Typische Schallleistungen und Schallleistungspegel.

    W: Schallleistung [W]W0: Bezugsschallleistung,

    W0 = 1 pW = 10-12 W

    r: Abstand [m]r0: Bezugsdistanz, r0 = 1 m

    LW

    Lp

  • 13

    Bild 15: Schallquelle auf einer Fläche, halbkugel-förmige Abstrahlung.

    Der Schalldruckpegel erhöht sich, wie in Ziffer2.6 bereits erwähnt, auch durch indirekte(reflektierte) Schallanteile, wenn der Messpunktnicht deutlich im direkten Schallfeld liegt(siehe Ziffer 2.12), sowie durch Fremdgeräu-sche, deren Schalldruckpegel am Messpunktnicht um wenigstens 10 dB unter dem desMessobjekts liegt (Pegeladdition, siehe Ziffer2.6).

    Der Schallleistungspegel lässt sich nicht direktmessen. Er kann aber im Hallraum, durch Vergleich mit einer Ersatzquelle, durch eineSchallintensitätsmessung oder durch Schall-druckmessungen auf einer die Quelle um-schliessenden Hüllfläche ermittelt werden. Imletzteren Fall sind aber die Grösse dieserFläche sowie die Einflüsse des Raumes undallfälliger Fremdgeräusche zu berücksichtigen(ISO 3746, DIN 45635). Nähere Angaben sindder Suva-Publikation «Schallleistung undAbnahmemessung» (Bestell-Nr. 66027.d) zuentnehmen.

    2.10 FrequenzanalysenOft wird der hörbare Frequenzbereich inmehrere Frequenzbänder unterteilt und derSchalldruckpegel in jedem Frequenzbandbestimmt. Dies ist beispielsweise notwendig,um frequenzabhängige Einflüsse (zum Bei-spiel Schallabsorption) zu berücksichtigenoder um abzuschätzen, wie das Gehör, dasebenfalls eine Frequenzanalyse durchführt, einGeräusch wahrnimmt.

    Die in der Akustik übliche Analyse beruht aufFrequenzbändern, deren Breite proportionalzur Mittenfrequenz entsprechend den musi-kalischen Intervallen zunimmt. Im Gegensatzdazu arbeiten Schmalband- oder Fourier-Analysen mit konstanter Bandbreite.

    Für summarische Analysen werden Oktav-bänder verwendet, deren Mittenfrequenzensich gemäss der Norm IEC 225 von 1’000 Hzaus jeweils durch Verdoppelung bzw. Halbie-rung ergeben: . . . 31,5, 63, 125, 250, 500,1’000, 2’000, 4’000, 8’000, 16’000 . . .

    Für genauere Analysen wird jedes Oktavbandin drei Terzbänder unterteilt, deren Mitten-frequenzen ebenfalls in dieser Norm festge-legt sind (Tabelle 6).

    25 50 100 200 400 800 1’600 3’150 6’300 12’500

    31,5 63 125 250 500 1’000 2’000 4’000 8’000 16’000

    40 80 160 315 630 1’250 2’500 5’000 10’000 20’000Tabelle 6: Normierte Oktavband- (mittlere Zeile) und Terzband-Mittenfrequenzen; alle Werte in Hertz [Hz].

  • 14

    Frequenzanalysen werden meist als Balken-diagramme dargestellt (Bild 16). Auf derhorizontalen Achse folgen sich die Frequenz-bänder. In vertikaler Richtung entspricht dieBalkenlänge dem Pegel im betreffenden Band.

    2.11 Schallsignale

    2.11.1 Ton, Klang, GeräuschDer Unterschied zwischen Ton, Klang undGeräusch basiert auf dem Frequenzspektrum(Bild 17).

    Ein reiner Ton ist eine sinusförmige Schall-schwingung und enthält nur eine Frequenz.Beispiele: Stimmgabelton, Telefonsummton,Flötenton (annähernd).Ein Klang besteht aus einem Grundton undharmonischen Obertönen, die bei ganz-zahligen Vielfachen der Grundfrequenz liegen.Diese Obertöne bestimmen die Klangfarbe.Beispiele: Klänge einer Geige oder von Blas-instrumenten.Geräusche sind zeitlich nicht periodisch undbestehen aus zahlreichen nichtharmonischenFrequenzen, das heisst, diese Frequenzenstehen nicht in ganzzahligen Verhältnissenzueinander. Eine Tonhöhe kann nicht angege-ben werden. Beispiele: Rauschen einesWasserfalles, Lärm eines Abbauhammers.

    Als Testsignal für akustische Messungen dientoft «Rosa Rauschen», das über alle Terz-bänder einen konstanten Pegel liefert, also einflaches Terzbandspektrum aufweist. DasSpektrum von «Weissem Rauschen» hingegensteigt mit 3 dB/Oktave zu hohen Frequenzenhin an (Bild 18).

    Aufgrund des Spektrums können breitbandige,tief- und hochfrequente Geräusche unter-schieden werden.

    Bild 16: Terzbandspektrum von 20 Hz bis 20 kHz.

    Bild 17: Ton, Klang, Geräusch und Knall.

    Frequenz [Hz]32 63 125 250 500 1k 2k 4k 8k 16k AC

    90

    80

    70

    60

    50

    40

    30

    L [dB]

    Bild 18: Weisses und Rosa Rauschen.

    Frequenz [Hz]8 16 32 63 125 250 500 1k 2k

    Weisses Rauschen

    Rosa Rauschen

    4k 8k 16k

    110

    100

    90

    80

    70

    60

    L [dB]

    Ton

    Klang

    Geräusch

    Knall

    Zeitverlauf Spektrum

    60

    70

    80

    90

    100

    110

    0 1000 2000 3000 4000 5000 f [H

    L [dB]

    60

    70

    80

    90

    100

    110

    0 1000 2000 3000 4000 5000 f [H

    L [dB]

    60

    70

    80

    90

    100

    110

    0 1000 2000 3000 4000 5000 f [H

    L [dB]

    60

    70

    80

    90

    100

    110

    0 1000 2000 3000 4000 5000 f [H

    L [dB]

    t

    p

    t

    p

    t

    p

    t

    p

  • 15

    2.11.2 Dauerlärm, intermittierender Lärm,Impulslärm

    Der Unterschied zwischen Dauerlärm, inter-mittierendem Lärm und Impulslärm liegt imzeitlichen Verlauf des Schallsignals.Dauerlärm ist sowohl in Bezug auf den Schall-druckpegel als auch auf das Spektrum eini-germassen konstant. Beispiel: Notstrom-gruppe mit Dieselmotor, der mit konstanterDrehzahl arbeitet.

    Beim intermittierenden Lärm lösen sichmehrere Phasen mit unterschiedlichem Pegelund Frequenzspektrum ab (Bild 23). Einsolcher Verlauf kann durch abwechselndenBetrieb mehrerer Maschinen oder durch ver-schiedene Betriebszustände einer Maschinebedingt sein. Beispiel: Motorkettensäge imLeerlauf, mit Vollgas und unter Last.

    Frequenz [Hz]32 63 125 250 500 1k 2k 4k 8k 16k AC

    100

    90

    80

    70

    60

    50

    40

    L [dB]

    Bild 19: Breitbandiges Geräusch.

    Frequenz [Hz]32 63 125 250 500 1k 2k 4k 8k 16k AC

    110

    100

    90

    80

    70

    60

    50

    40

    L [dB]

    Bild 20: Tieffrequentes Geräusch.

    Frequenz [Hz]32 63 125 250 500 1k 2k 4k 8k 16k AC

    100

    90

    80

    70

    60

    50

    40

    L [dB]

    Bild 21: Hochfrequentes Geräusch.

    t [s]

    120

    110

    100

    90

    80

    70

    60

    L [dB]

    Bild 22: Dauerlärm (Websaal).

    t [s]

    110

    100

    90

    80

    70

    60

    50

    L [dB]

    Bild 23: Intermittierender Lärm (Warnsignal).

  • Extrembeispiele sind Waffenknalle, die innerteiner Millionstelsekunde einen Schalldruck-pegel von über 150 dB erreichen (Bild 25).

    16

    Bild 25: Knall bei der Airbag-Auslösung, Spitzenpegel Lpeak = 160 dB(C).

    2.12 Schallfelder

    2.12.1 Freies SchallfeldWenn Begrenzungsflächen entweder fehlenoder den Schall wirksam absorbieren, so trifft beim Empfänger ausschliesslich Direkt-schall ein. Dies gilt auf freiem Feld – vor allembei schneebedecktem Boden oder Grasbe-wuchs – und im «schalltoten» oder reflexions-armen Raum.Mit zunehmender Distanz nimmt der Schall-druck ab, weil sich die Schallenergie auf eineimmer grössere Fläche verteilt («Verdünnungs-effekt», Bild 26). Bei einer punktförmigenQuelle vermindert sich der Schalldruck mitjeder Verdoppelung der Distanz auf die Hälfte,der Schalldruckpegel also um jeweils 6 dB.

    Dies trifft allerdings nur zu, wenn die Schall-quelle in allen Dimensionen kleiner ist als dasDreifache der Messdistanz und so für denEmpfänger als Punktquelle erscheint.Solange beide Dimensionen der abstrahlen-den Fläche das Dreifache der Messdistanzübertreffen, bleibt der Schalldruckpegelkonstant (Flächenquelle, z. B. Fabrikfassade).Ist die Schallquelle nur in einer Dimensiongrösser als die dreifache Messdistanz, so fälltder Schalldruckpegel mit jeder Distanzver-doppelung um 3 dB (Linienquelle, z. B. dichtbefahrene Autobahn).

    Bild 26: Schalldruckabnahme bei zunehmenderDistanz von einer Punktquelle.

    Beim Impulslärm handelt es sich um kurz-zeitige Schallereignisse mit hohen Schall-druckspitzen. Beispiel: Schläge, Knalle,Explosionen.

    d

    2d

    t [s]

    80

    70

    60

    50

    40

    30

    20

    L [dB]

    Bild 24: Impulslärm.

  • 17

    Unabhängig von diesen geometrisch beding-ten Pegelabnahmen («Schallverdünnung»)treten noch distanzproportionale Dämpfungenauf, denen die höchsten Frequenzen ammeisten unterworfen sind (Grössenordnungbei 4 kHz: etwa 20 bis 30 dB pro km). Des-halb ist aus der Ferne nur dumpfes Donner-grollen zu vernehmen, während ein naherBlitzeinschlag von hellem Krachen begleitetist.

    2.12.2 Diffuses SchallfeldVoraussetzung für ein diffuses Schallfeld sindBegrenzungsflächen, die den Schall grössten-teils zurückwerfen. Die Reflexionen treffen aus allen Richtungen ein und folgen sich sorasch, dass kein einzelnes Echo herauszu-hören ist. Zusammen bilden sie den Nachhall,der nach dem Abschalten der Lärmquelle allmählich abklingt. Die Zeit, bis der Pegel um60 dB abgefallen ist, heisst Nachhallzeit T60und ist eine wichtige Kenngrösse der Raum-akustik. Wie in Ziffer 2.3 erwähnt, ist dieSchallabsorption frequenzabhängig. Die Nach-hallzeit hängt deshalb ebenfalls von der Fre-quenz ab und wird in Oktav- oder Terzbändernangegeben (Grössenordnung bei mittlerenFrequenzen: Wohnzimmer etwa 0,5 s, Konzert-saal 1 bis 2 s, Kathedrale 4 bis 8 s).

    Ein ideales diffuses Schallfeld strebt man imHallraum an. Schiefe und konvexe Wändeohne jede Absorption reflektieren und vertei-len den Schall so gleichmässig, dass derSchalldruck im ganzen Raum weitgehendkonstant ist. In einem solchen Raum kann dievon einem Gerät abgestrahlte Schallleistungoder das Absorptionsvermögen von Material-proben ermittelt werden.

    2.12.3 Schallfeld in IndustrieräumenIn Räumen überlagern sich das freie und dasdiffuse Schallfeld. Nahe der Schallquelleherrscht der Direktschall vor. Hier hängt derSchallpegelverlauf vom Abstand und denAbmessungen der Quelle ab, bleibt aber weit-gehend unbeeinflusst von den akustischenEigenschaften des Raumes. Deshalb werdenraumakustische Massnahmen, zum Beispieleine Akustikdecke, den Schalldruckpegel inder Nähe der Quelle kaum verringern.

    In grösserer Entfernung von der Quelle hinge-gen überwiegt der indirekte (reflektierte)Schall. Der Schalldruckpegel ist dort (theore-tisch) ortsunabhängig (Bild 27) und hängt vonden Absorptionseigenschaften des Raumesab. Die Distanz, bei welcher der direkte undder diffuse Schallanteil gleich gross sind,heisst Hallradius. Allerdings ist auch der Hall-radius frequenzabhängig, so dass sich in der Praxis für den breitbandigen Schalldruck-pegel immer ein verschliffener Verlauf ergibt.

    Bild 27: Überlagerung des direkten und des diffusenSchallfelds (Hallradius bei 8 m).

    1 2

    Diffuses Schallfeld

    Reales Schallfeld

    Direktes Schallfeld

    Hal

    lradi

    us

    4

    Abstand zur Quelle [m]

    Sch

    allp

    egel

    abna

    hme

    [dB

    ]

    8 16 32

    0

    6

    12

    18

    24

    30

  • 18

    Tatsächlich bildet sich aber in Industrieräumenkaum je ein wirklich diffuses Schallfeld aus,sondern der Schalldruckpegel fällt auch ingrösserer Distanz von der Quelle weiter ab.Die Pegelabnahme pro Distanzverdoppelung im mittleren Entfernungsbereich (DL2) kannals Beurteilungsgrösse für die akustischeQualität eines Raumes herangezogen werden(Bild 28, Beispiele aus der Praxis unter Ziffer7.5.2).

    Bild 28: Verschiedene Werte von DL2.

    1 2

    2 dB

    4 dB

    6 dB

    4

    Abstand zur Quelle [m]

    Sch

    allp

    egel

    abna

    hme

    [dB

    ]

    8 16 32

    0

    6

    12

    18

    24

    30

  • 19

    3 Das Gehör

    3.1 Das Ohr und der HörvorgangIn über 100’000 Jahren hat die Natur das Ge-hör zu einem Hochleistungs-Organ im Miniatur-format entwickelt, in dem sich auf kleinstemRaum vier verschiedene Übertragungsartenergänzen. Schon die Ohrmuschel sammeltund beeinflusst die Schallwellen je nach Ein-fallsrichtung unterschiedlich, bevor sie durchden Gehörgang zum Trommelfell gelangen,wobei die Anteile im Bereich um 3’000 Hzdurch die Gehörgangresonanz verstärkt wer-den. Die Übertragung geschieht hier alsonoch durch die Luft. Das Trommelfell reagiertwie eine Mikrofonmembran auf die Druck-differenz zwischen dem Gehörgang und demMittelohr-Hohlraum. (Ein Druckausgleich überdie Eustachische Röhre zum Nasen-Rachen-Raum verhindert dabei Störungen durchstatische Druckdifferenzen.) Die Bewegungendes Trommelfells werden mechanisch überdie drei kleinen Gehörknöchelchen (Hammer,Amboss und Steigbügel) zum Ovalen Fensterübertragen (sogenannte Schallleitung). Daranschliesst sich die mit Flüssigkeit gefüllte Hör-schnecke an, die in Längsrichtung durch die Basilarmembran unterteilt ist und etwa dieGrösse einer Erbse aufweist (Bild 29).

    Die Bewegungen am Ovalen Fenster pflan-zen sich in der Innenohrflüssigkeit als Wan-derwelle fort. Diese versetzen die Basilar-membran je nach Frequenz an einer andernStelle in Schwingung: bei hohen Frequenzennahe dem Ovalen Fenster, bei tiefen Frequen-zen gegen das Zentrum der Hörschnecke hin(Bild 30). So findet eine erste Frequenzanalysestatt.

    Auf der Basilarmembran nehmen etwa 3’500mit feinen Härchen ausgestattete Sinneszellendie Bewegungen auf und wandeln sie in Nervenimpulse um (Bild 31). Die nachfolgendeÜbertragung findet dann elektrisch statt.Neben diesen inneren Haarzellen sitzen aufder Basilarmembran aber auch noch etwa15’000 äussere Haarzellen. Sie wirken nichtnur als Aufnehmer, sondern auch als Ver-stärker oder Regler: Fortwährend optimierensie das Verhalten der Basilarmembran auf das zu verarbeitende Schallsignal. Erst diese aktiven Vorgänge ermöglichen das hervor-ragende Auflösungsvermögen im Frequenz-und Zeitbereich und die enorme Dynamik desGehörs.

    Bild 29: Querschnitt durch das Hörsystem (nicht massstäblich).

    Bild 30: Hörschnecke.

    Aussenohr Mittelohr Innenohr

    Gehörgang

    Trommelfell

    Ovales Fenster

    Eustachische Röhre

    Gehör-knöchelchen

    Hörschnecke

    Hörnerv

    Gehör-muschel

  • 20

    Die Nervenimpulse werden schliesslich vomHörnerv an die Hörzentren im Gehirn weiter-geleitet und dort verarbeitet.

    Das menschliche Gehör ist ausserordentlichempfindlich – schliesslich hing in früherenZeiten das Überleben oft von der Wahrneh-mung leisester Geräusche ab – und kann vonder Hörschwelle bis zur SchmerzschwelleSchallsignale in einem Umfang von 120 dBverarbeiten. Nur hochwertige Mikrofone oderhochauflösende Tonträger wie die DVD weiseneinen ähnlichen Dynamikumfang auf; dieCompact Disc (Musik-CD) erreicht nur 95 dB.

    Die Schallübertragung über Aussen- und Mittelohr ist nicht bei allen Frequenzen gleichwirksam. Während tiefe und sehr hohe Frequenzen nur abgeschwächt ins Innenohrgelangen, ist die Übertragung zwischen 1 und6 kHz optimal (Bild 32). Dieser Frequenz-bereich ist deshalb am empfindlichsten:

    � Bei 4 kHz kommt es schon bei geringstemSchalldruck zu einer Hörempfindung(tiefster Punkt der Hörschwelle, Bild 33).

    � Lärmbedingte Schädigungen treten meistzuerst bei 4 kHz auf, da eine Lärmquellemit flachem Spektrum (ähnlich Rosa Rauschen) das Innenohr in diesem Bereicham stärksten belastet.

    Die Knochenleitung, das heisst die Schall-übertragung über die Schädelknochen, istnormalerweise um 30 bis 50 dB weniger wirk-sam als die Luftleitung, wie man durch Ver-schliessen beider Ohren feststellen kann. Dies gilt aber nur für die Anregung durch Luft-schall; die Einleitung von Körperschall in die Schädelknochen führt zu anderen Verhält-nissen.

    3.2 SchallempfindungZuerst stellt sich die Frage, in welchem Schall-pegel- und Frequenzbereich es überhaupt zu einer Hörempfindung kommt.

    Der Bereich des hörbaren Schalls ist nichtscharf begrenzt, denn die Wahrnehmbarkeittiefster und höchster Frequenzen hängtwesentlich vom Pegel des Prüftons ab. Jungen Menschen mit intaktem Gehör gelingtes im Allgemeinen, einen Ton von 20’000 Hz(= 20 kHz) zu hören. Diese Grenze sinkt mitzunehmendem Alter ab. Unterhalb von 20 Hzwird der Schall bei entsprechend hohemPegel (z. B. bei 10 Hz ab zirka 100 dB) zwarwahrgenommen – zum Teil sogar am ganzenKörper –, ruft aber keine Tonhöhenempfindunghervor, sondern wird eher als Flattern, Dröh-nen oder Vibrieren beschrieben.

    Bild 31: Querschnitt durch die Hörschnecke.

    BasilarmembranInnereHaarzellen

    Nervenfasern

    ÄussereHaarzellen

    Tektorialmembran

    Bild 32: Frequenzgang der Übertragung vom freienSchallfeld über Aussen- und Mittelohr bis ins Innen-ohr.

    31,5 63

    10

    0

    – 10

    – 20

    – 30

    – 40

    – 50

    – 60

    – 70

    – 80125 250 500 1k 2k 4k 8k 16k

    Frequenz [Hz]

    Em

    pfin

    dlic

    hkei

    t [d

    B]

  • 21

    In Bild 33 ist die Hörschwelle (rot) dargestellt,die für jede Frequenz den niedrigsten nochhörbaren Schallpegel angibt. Diese Kurvestellt einen Mittelwert für 20-Jährige mit nor-malem Hörvermögen dar. Ein Vergleich mitBild 32 zeigt, dass der Verlauf der Hör-schwelle vor allem durch die Charakteristikder Schallübertragung bestimmt wird. Zusätz-lich sind die Kurven gleicher Lautstärkeemp-findung (Phonkurven, schwarz) eingetragen.

    Bei welcher Pegeldifferenz verdoppelt sichsubjektiv die Lautstärke? Umfangreiche Ver-suche mit vielen Personen und verschiedenenSchallsignalen haben ergeben, dass dafür im Mittel eine Pegelerhöhung um 8 bis 10 dBnötig ist.

    Die Tonhöhenempfindung beruht auf derFrequenz des Signals. Bei Klängen ist die tief-ste Frequenzkomponente – der Grundton –entscheidend. Jede Verdoppelung oder Hal-bierung der Frequenz wird unabhängig vomAusgangston als eine Tonhöhenänderung umeine Oktave wahrgenommen. Diese logarith-mische Frequenzskala erscheint bei derKlaviertastatur ganz selbstverständlich: DerAbstand zweier Tasten entspricht dort jeweilsauch einem gewissen Tonintervall und somiteinem gewissen Frequenzverhältnis.

    Bild 33: Hörschwelle und Kurven gleicher Lautstärke(Isophonen).

    31,5 63

    100

    90

    80

    70

    60

    50

    40

    30

    20

    10

    0

    – 10125 250 500 1k 2k 4k 8k 16k

    Frequenz [Hz]

    Sch

    allp

    egel

    [dB

    ]

    Hervorragend ist das Auflösungsvermögendes Gehörs, das auf der Frequenzzerlegungim Innenohr mit Hilfe der aktiven Vorgängeberuht und vor allem auf der Auswertung im Gehirn durch Vergleich mit bekanntenMustern. So gelingt es, aus einem komplexenSchallsignal (z. B. Orchestermusik) einzelneSchallquellen (z. B. Musikinstrumente) heraus-zuhören und zu identifizieren – eine Aufgabe,die der Computer in dieser Form noch nichtlösen kann.Weitere Informationen über die Schall-wahrnehmung enthält die Suva-Publikation «Belästigender Lärm am Arbeitsplatz»(Bestell-Nr. 66058.d).

    3.3 Die audiometrische Prüfung des Gehörs

    Das individuelle Hörvermögen wird meist mit einem Reintonaudiometer (Bild 34) und Kopfhörern geprüft. Dieses Gerät enthälteinen Signalgenerator und erzeugt bei denvon der IEC empfohlenen Frequenzen jeweilseinen Ton, dessen Pegel stufenweise variiertwird. Die Stellung «0 dB» entspricht für jedeFrequenz der durchschnittlichen Hörschwellejunger Menschen mit intaktem Gehör. Bei der Untersuchung wird der Prüftonpegeljeweils um 5 dB erhöht oder abgesenkt. DieTestperson in der schallgedämmten Kammermeldet mit Handzeichen oder Lichtsignal, ob sie den Ton hört. So wird für jede Fre-quenz und jede Seite der leiseste hörbare Tongesucht, also die individuelle Hörschwellebestimmt.

  • Als Referenz (Nulllinie) gilt die Durchschnitts-hörschwelle junger Menschen ohne Ohren-erkrankungen oder Hörschädigungen. Wennbei einer Person ein höherer Schallpegel nötigist, bis sie den Ton hört, so wird dies als Hör-verlust bezeichnet und von der Nulllinie ausnach unten abgetragen. Die Verbindungsliniender Punkte beider Ohren ergeben das Audio-gramm (Bild 35). Je höher also die Kurve liegt,desto besser das Hörvermögen.

    Aus dem Verlauf des Audiogramms kann derArzt Schlüsse über Art und Grösse sowiemögliche Ursachen des Hörverlusts ziehen.Die genaue fachärztliche Untersuchung er-fordert aber noch weitere Prüfungen, zumBeispiel Stimmgabelversuche, Messungendes Sprachverständnisses bei verschiedenenLautstärken oder die Messung der Knochen-leitung. Heute werden auch die von denaktiven Vorgängen des Gehörs abgestrahltenSchallsignale (otoakustische Emissionen) oderHirnströme gemessen mit dem Vorteil, dassdie Ergebnisse nicht von der Antwort des Pro-banden abhängen.

    3.4 Einfluss des Alters auf dasHörvermögen

    Erfahrungsgemäss verschlechtert sich dasGehör mit zunehmendem Alter. Die Nullliniedes Audiogramms kann also nur für jungePersonen als Referenz dienen; für andereAltersgruppen ist ein altersbedingter Hörver-lust zu erwarten.

    Die altersbedingte Abnahme der Hörempfind-lichkeit betrifft die höchsten Frequenzenzuerst und am stärksten. Sie tritt bei Männernim Allgemeinen früher auf als bei Frauen.Dieser Alterungsvorgang spielt sich vorwie-gend im Innenohr ab. Eine zusätzliche Ver-steifung der Mittelohrmechanik kann auch beitiefen Frequenzen eine Höreinbusse bewirken.

    Bild 36 zeigt durchschnittliche altersbedingteHörverluste von 40- und 60-jährigen Frauenund Männern. Die individuellen Werte – auchohne Lärmeinfluss – können allerdings be-trächtlich davon abweichen, wie die zusätzlichdargestellte 10%-Perzentil-Kurve für Männervon 60 Jahren zeigt.

    Bis zum Alter von 60 oder 70 Jahren beein-trächtigt der normale Altershörverlust dasSprachverständnis noch nicht wesentlich.Kommt aber ein lärmbedingter Hörverlustdazu, so haben die Betroffenen oft Schwierig-keiten, einem Gespräch zu folgen.

    22

    Bild 35: Reintonaudiogramm.

    500

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    80

    90

    1001000 2000 3000 4000 6000 8000

    Frequenz [Hz]

    HauptsächlicherSprachbereich

    Hör

    verlu

    st [d

    B]

    Bild 34: Hörtest (Reintonaudiometrie).

    Links Rechts Altershörkurve

  • 23

    3.5 Schädigung des Gehörs durchLärm

    Dauernde starke Lärmbelastungen könnenunheilbare Hörverluste verursachen. DieLärmschwerhörigkeit ist immer noch eine derhäufigsten Berufskrankheiten.

    Lärmschäden sind Innenohrschäden: Ver-mag der Innenohrstoffwechsel bei andauern-der grösserer Lärmbelastung die in den Haar-zellen verbrauchte Energie nur ungenügendzu ersetzen, so sterben die Haarzellen ab,und zwar endgültig. Weder Operationen nochMedikamente können sie retten.

    Eine Lärmschwerhörigkeit entwickelt sich inder Regel wie folgt: Nach einer Lärmbelas-tung ist das Gehör vorübergehend vertäubt(temporäre Hörschwellenverschiebung1)). DerBetroffene hat das Gefühl, seine Ohren seienverstopft. Diese Vertäubung ist auch audio-metrisch nachweisbar. Das Gehör erholt sich davon nur allmählich, unter Umständensind dazu Stunden oder Tage erforderlich.

    Häufen sich die Überlastungen, so vergrös-sert sich das Stoffwechseldefizit und dieHaarzellen sterben ab (Bild 37). Bei andauern-der Lärmbelastung fallen immer mehr Haar-zellen aus – ein bleibender Hörverlust2) ist dieFolge.

    Bild 36: Mittlere Altershörverlustkurven für Frauen (F)und Männer (M) bei 40 und 60 Lebensjahren und 10%-Perzentil-Kurve für Männer von 60 Jahren nachISO 7029.

    500

    0

    10

    20

    30

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    1001000 2000 3000 4000 6000 8000

    Frequenz [Hz]

    F40 M40 F60 M60 M60 (10%)

    HauptsächlicherSprachbereich

    Hör

    verlu

    st [d

    B]

    1) T.T.S. = temporary threshold shift.2) P.T.S. = permanent threshold shift.

    Bei einer solchen Schädigung des Gehörswerden zuerst die äusseren Haarzellen zer-stört. Somit verschlechtert sich das Auf-lösungsvermögen in zeitlicher und spektralerHinsicht. Dieser Funktionsverlust kann auchdurch eine optimierte Verstärkung des Schall-signals – zum Beispiel mit einem Hörgerät –nur teilweise kompensiert werden.

    Lärmbedingte Höreinbussen sind auch des-halb so heimtückisch, weil sie sich ohneSchmerzen entwickeln und zuerst bei höherenFrequenzen um 4 kHz auftreten. Der Betrof-fene bemerkt die Einbusse noch nicht oderunterschätzt ihre Tragweite, obwohl er dieZischlaute der Sprache und das Klingeln einerFahrradglocke oder das Ticken einer Uhrbereits schlechter hört. Höreinbussen durchImpulslärmbelastungen treten oft eher bei 6 kHz als bei 4 kHz auf.

    Bild 37: a: Innere (oben, eine Reihe) und äussere Haarzellen (unten, drei Reihen). b: Nach extremen Überlastungen (im Tierversuch) zeigen sichschwere Schäden und sogar Lücken.

    a b

  • Die lärmbedingte Abnahme der Hörfähigkeitschreitet in den ersten Jahren der Lärmbe-lastung am schnellsten voran, während sichdie altersbedingte Abnahme erst später aus-wirkt (Bild 39).

    24

    Bild 38: Typische Schädigung durch Dauer- (—) bzw.Impulslärm (- -) mit betroffenen Konsonanten.

    500

    0

    10

    20

    30

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    50

    60

    70

    80

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    1001000 20002000

    k t f s

    4000 6000 8000

    Frequenz [Hz]

    HauptsächlicherSprachbereich

    Hör

    verlu

    st [d

    B]

    Bei andauernder Lärmbelastung dehnt sich dieHöreinbusse unaufhaltsam in den Sprachbe-reich aus, so dass die Betroffenen vor allem inakustisch ungünstiger Umgebung und bei star-ken Nebengeräuschen Mühe haben, einem Ge-spräch zu folgen. Die altersbedingte Abnahmeder Hörfähigkeit verschlimmert dieses Problemnoch. Schliesslich verstehen die Hörgeschä-digten auch Worte kaum mehr, die in ruhigerUmgebung direkt an sie gerichtet werden.

    Zitat eines Lärmschwerhörigen: «Zu Hausemuss ich Radio und Fernseher immer stärkeraufdrehen, damit ich alles hören kann. MeineFrau findet es dann viel zu laut. Im Restauranthabe ich Mühe, beim Gespräch mitzukom-men – vor allem, wenn rundherum Lärm ist.Es ist mir schon passiert, dass ich völlig falsche Antworten gegeben habe. Ich weissnicht, ob mich die andern darum nicht mehrfür voll nehmen.»

    Bild 40 zeigt ein typisches Audiogramm, indem sich eine mässige Lärmschwerhörigkeitund eine leicht überdurchschnittliche alters-bedingte Hörabnahme (Männer, 60 Jahre,25%-Perzentile) überlagern. Wie sich einesolche Schwerhörigkeit (an der Grenze derversicherungstechnischen Erheblichkeit, CPT-Wert gemäss Ziffer 3.6 von 35%) aus-wirkt, zeigen die Demonstrationen auf der CD «AUDIO DEMO 3» der Suva (Bestell-Nr.99051.d).

    Bild 40: Hörkurve einer Person mit lärm- und alters-bedingter Schwerhörigkeit.

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    Frequenz [Hz]

    HauptsächlicherSprachbereich

    Hör

    verlu

    st [d

    B]

    Welcher Anteil der Lärmexponierten – je nachLärmexpositionspegel und Dauer der Lärm-arbeit – einen Hörschaden im hauptsächli-chen Sprachbereich (Hörverlust bei 3 kHzüber 40 dB) erleidet, zeigt Bild 41 (Grundlage ISO-Norm 1999-1990, nach Liedtke BGIA).

    Bild 39: Entwicklung des lärm- und altersbedingtenHörverlusts bei 4 kHz bei Männern mit einer Lärm-belastung von 95 dB(A) (nach ISO 1999-1990).

    20 30

    Lärm

    AlterSumme

    40

    Alter [Jahre]

    Hör

    verlu

    st [d

    B]

    50 60 70

    0 10 20

    Lärmexposition [Jahre]30 40 50

    0

    10

    20

    30

    40

    50

    60

    70

  • 25

    Ebenso können Ohrgeräusche (Tinnitus) nacheiner Überlastung des Gehörs (oder ausanderen Gründen) als Rauschen, Pfeifen oderSausen auftreten. Sie sind in manchen Fällenauch mit ärztlicher Hilfe nicht mehr zu be-seitigen. Für die Betroffenen sind ständigeOhrgeräusche, die gerade in ruhiger Umge-bung, zum Beispiel bei der Erholung oderbeim Einschlafen, am meisten in Erscheinungtreten, oft ebenso belastend wie eine Hörein-busse.

    Für das Risiko eines lärmbedingten Hörver-lusts spielt nicht nur die berufliche Lärm-belastung eine Rolle, sondern auch die Lärm-exposition in der Freizeit und im Militärdienst.Entscheidend ist die gesamte Schallenergie.Eine kumulierte Lärmbelastung in Beruf undFreizeit kann sich auch deshalb verhängnis-voll auswirken, weil dem Gehör die Erho-lungszeit fehlt. Das Risiko einer Gehörschädi-gung ist nicht abhängig von der gefühlsmäs-sigen Einstellung zur Lärmquelle. Musik kannbei entsprechender Lautstärke und Einwir-kungsdauer ebenso schädlich sein wie Indus-trielärm 1).

    Bei der Einwirkung intensiver Knallereignissekommt zur Überforderung des Innenohrstoff-wechsels noch die mechanische Überlastungder Basilarmembran und der Haarzellenhinzu. Ein einziger Knall eines Sturmgewehrsbeispielsweise kann – ohne Gehörschutz – im Ohr des Schützen einen bleibenden Hör-verlust verursachen. Das Trommelfell hin-gegen ist nur durch Schalldruckspitzenpegelüber 180 dB 2) gefährdet, wie sie unter anderem bei Explosionen – oder auch beiOhrfeigen – auftreten können.Nach heutigem Wissen ist für die akuteGefährdung des Innenohrs weniger der Spit-zenpegel als die kurzzeitig (bis zu wenigenStunden) zu verarbeitende Schallenergie ent-scheidend, für die der Schallexpositionspegel LE in dB(A) das am besten geeignete Massdarstellt.Es ist davon auszugehen, dass eine gleich-zeitige Belastung durch Dauerlärm über 85 dB(A) die Anfälligkeit des Gehörs gegen-über Knallereignissen vergrössert. Was nacheiner akuten Überlastung des Gehörs zuunternehmen ist, wird in Ziffer 9.1.2 erläutert.

    Nicht jede Schwerhörigkeit ist indessen lärm-bedingt. Es gibt auch andere Ursachen: Ver-steifung der Mittelohrmechanik (Otosklerose),degenerative Vorgänge im Innenohr, aus-geprägte oder vorzeitige Alterung, erblicheBelastung, Infektionen, gewisse Medikamenteund Schädelverletzungen.

    20 30 40

    Alter

    Ant

    eil P

    erso

    nen

    mit

    Hör

    verlu

    st [%

    ]

    50 60

    105 100 95 90 85 80

    100

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    80

    70

    60

    50

    40

    30

    20

    10

    0

    Bild 41: Anteil der Männer, die bei 3 kHz einen Hörverlust von mehr als 40 dB erleiden, in Funktiondes Lärmexpositionspegels und der Zeit (Beginn derLärmarbeit mit 20 Jahren).

    1) Wie sich Hörschäden durch Musik vermeidenlassen, steht in der ebenfalls von der Suva heraus-gegebenen Publikation «Musik und Gehörschäden»(Bestell-Nr. 84001.d).

    2) Ohne Frequenzbewertung (linear).

  • 26

    3.6 Die Beurteilung desHörvermögens

    Um das Hörvermögen einer Person zu be-urteilen, stützt sich der Arzt unter anderemauf das Reintonaudiogramm.

    Weicht die Hörschwelle nur mässig von derNulllinie ab, so darf nicht ohne weiteres voneiner Höreinbusse oder sogar von einemGehörschaden gesprochen werden. Die Hör-kurven sind immer auch mit dem mittlerenaltersbedingten Hörverlust für das entspre-chende Alter und Geschlecht (Bild 36) zu ver-gleichen.

    Da unter den Auswirkungen einer Hörein-busse im Alltag Schwierigkeiten bei dersprachlichen Kommunikation am schwerstenwiegen, ist im Audiogramm (Bild 35) bereitseine erste diesbezügliche Beurteilung ange-deutet: Verlaufen die Hörkurven deutlich aus-serhalb der schraffierten Zone (Sprachbe-reich), so ist keine wesentliche Beeinträch-tigung zu erwarten. Je grösser aber der Teildes Sprachbereichs ist, der von den Hör-kurven abgeschnitten wird, desto mehr Mühehaben die Betroffenen, einem Gespräch zufolgen.

    In einer genaueren Bewertung berücksichtigtman die Bedeutung der einzelnen Frequen-zen für das Sprachverständnis. Die Berech-nung nach CPT-AMA 1) (Details dazu in «Be-wertung des Hörverlusts», Bestell-Nr. 86072.d)gewichtet deshalb die Hörverlustwerte beiden vier Frequenzen 500 Hz, 1, 2 und 4 kHzim Verhältnis 0,15 : 0,30 : 0,40 : 0,15. DieRechnung wird zunächst für jedes Ohr durch-geführt. Da das bessere Ohr mehr zumSprachverständnis beiträgt als das schlech-tere, errechnet die Suva den binauralen (beid-ohrigen) CPT-Hörverlust nicht als Mittel derbeiden monauralen (einohrigen) Werte, son-dern im Verhältnis 3 :1 zu Gunsten des besse-ren Ohrs. Die CPT-Skala reicht von 0% (keineHöreinbusse) bis 100% (vollständige Taub-heit). Bei der Beurteilung helfen die folgendenAnhaltswerte 2):

    � CPT-Hörverlust bis etwa 15%:praktisch normales Hörvermögen

    � CPT-Hörverlust etwa 15 bis 35%:Anzeichen einer Schädigung

    � CPT-Hörverlust über 35%:erhebliche Schädigung des Gehörs

    Die CPT-Berechnung wird vor allem für dieEinschätzung des Hörverlusts im Hinblick aufallfällige Versicherungsleistungen verwendet(Erheblichkeit). Für die Früherkennung vonGehörschäden (Triage) und für die Kontrolleder Wirksamkeit der Prophylaxe sind zusätz-liche Hörverlust-Indikatoren zu verwenden,welche die höheren Frequenzen im Audio-gramm mehr gewichten und die Veränderungvon Untersuchung zu Untersuchung berück-sichtigen.

    3.7 Andere Auswirkungen des LärmsNeben der Gehörschädigung lassen sichauch andere Auswirkungen des Lärms aufden Menschen feststellen, die zum Teil beiwesentlich tieferen Lärmpegeln einsetzen.

    3.7.1 Sprachliche Verständigung undSignalwahrnehmung

    Ein erhöhter Lärmpegel kann bewirken, dassdie sprachliche Verständigung (Gespräche,Anweisungen, Warnungen) mühsam, schwie-rig oder gar unmöglich wird (Bild 42).

    Darüber hinaus kann ein hoher Lärmpegelweitere Nachteile mit sich bringen:

    � Werden Störgeräusche von Maschinendurch andere Lärmquellen überdeckt, so ist eine gehörmässige Überwachungunmöglich.

    1) Council on Physical Therapy – American MedicalAssociation.

    2) Bei einseitiger Höreinbusse gelten andere Kriterien.

  • 27

    � Geräusche, die eine Gefahr ankündigen(Lärm von Fahrzeugen usw.), werden nichtrechtzeitig wahrgenommen.

    � Damit akustische Alarmsignale auch imLärm sicher wahrgenommen werden, sindaufwändige Warnsysteme notwendig.

    3.7.2 LärmbelästigungDie Reaktion auf Lärm ist individuell sehrunterschiedlich und weniger vom Schallpegelals von der Art des Lärms abhängig. Die physikalischen Eigenschaften der Geräusche(Dauer, Häufigkeit, zeitlicher Verlauf, Frequenz-zusammensetzung, Impulshaltigkeit usw.)genügen nicht, um die Lästigkeit einzuschät-zen. Ob ein Geräusch als lästig empfundenwird, hängt immer auch von der Art der Tätigkeit (z. B. geistige Tätigkeit oder Routine-arbeit), von der Einstellung zum Lärm undzum Lärmerzeuger sowie von den bio-logischen und psychologischen Vorausset-zungen der Betroffenen ab.

    Die Lästigkeit setzt sich aus den beidenKomponenten Lärmigkeit und Lärmempfind-lichkeit zusammen (Bild 43). Die Lärmigkeit ist eine objektive Grösse, die sich aus denSignaleigenschaften ergibt. Demgegenüber ist die Lärmempfindlichkeit eine subjektiveGrösse, die von der Situation und den Eigen-schaften des Individuums (Empfängers)abhängt.

    Schon Geräusche ab 20 dB(A) können be-lästigend wirken. Bei Geräuschen geringerLautstärke steuert offenbar der Informations-gehalt die Lästigkeit, während es bei lautenGeräuschen eher der Schallpegel ist.

    0.1 0.2

    Normale Verständigung

    Verständigung unmöglich

    Max. Stimmaufwand

    Umgangssprache

    Rufen

    0.3 0.50.4 0.7 1 2 43 5 7 10

    Abstand zwischen Sprecher und Zuhörer [m]G

    rund

    lärm

    pege

    l [dB

    (A)]

    130

    120

    110

    100

    90

    80

    70

    60

    50

    40

    Bild 42: Sprachliche Verständigung in Umgebungslärm. Beispiel: Bei einemUmgebungsgeräusch von 100 dB(A) können sich zwei Personen, die mehrals 1,5 m voneinander entfernt sind, sprachlich nicht mehr verständigen, weilder Sprechende auch bei grossem Stimmaufwand das Umgebungsgeräuschnicht zu übertönen vermag.

    Bild 43: Faktoren, die die Lästigkeit von Lärm beieinflussen.

    Lärmigkeit

    Lärm-empfindlichkeit

    Lautstärke

    Frequenzzusammensetzung

    Zeitliche Struktur

    Anforderungen der geräusch-exponierten Tätigkeit

    Einstellung des Individuums

    Informationsgehalt des Geräuschs

    Lästigkeit

  • 28

    3.7.3 Extraaurale AuswirkungenWeitere Auswirkungen des Lärms auf den Ge-samtorganismus betreffen das Wohlbefinden, im Speziellen das Zentralnervensystem(Schlafstörungen usw.), die Psyche (Leistung,Konzentration, Reizbarkeit, Aggressivität usw.)und das vegetative Nervensystem (Blutdruck,Blutverteilung, Herzfrequenz, Magen-Darm-Störungen, Stoffwechsel, «Stressreaktionen»usw.). All diese Reaktionen sind Symptomeder Ausbreitung von Alarmreaktionen auf denOrganismus, die durch einen erhöhten Reiz-zustand des vegetativen Nervensystems aus-gelöst und gesteuert werden. Sie tretenbereits bei Dauerschallpegeln unter 85 dB(A)auf. Die eigentliche Diagnose von lärmbe-dingten vegetativen Gesundheitsschäden istmit grossen Schwierigkeiten verbunden. DieseTatsache darf aber nicht davon abhalten, die nötigen prophylaktischen Massnahmenzur Verhinderung vegetativer Gesundheits-schäden zu treffen.

    Die Einbusse an Leistungsfähigkeit unterLärmeinfluss betrifft vor allem komplexe men-tale Tätigkeiten sowie solche mit hohenAnforderungen an die Geschicklichkeit und andie Informationsverarbeitung. Lärm kann auch das Erlernen gewisser Fähigkeitenerschweren. Untersuchungen haben ergeben,dass hohe Lärmpegel, diskontinuierliche oder unerwartete Geräusche und besondersSprachfetzen die mentalen Leistungen her-absetzen.Eingehender werden diese Zusammenhängein der Suva-Publikation 66058.d «Belästigen-der Lärm am Arbeitsplatz» behandelt.

  • 29

    4 Vorschriften und Grenzwerte

    4.1 ÜbersichtDie Menschen in der Schweiz sollen bei derArbeit und in der Freizeit vor Lärm geschütztwerden. Die rechtliche Grundlage dafür bil-den verschiedene Gesetze, Verordnungen,Richtlinien und Normen. In den einzelnenBestimmungen sind die Verantwortlichkeitenund die Zuständigkeiten der Vollzugsorganegeregelt sowie die einzuhaltenden Grenzwertefestgelegt. In Tabelle 7 sind die wichtigstenrechtlichen Grundlagen zusammengestellt, die für die Lärmbekämpfung in der Schweizgelten. Das Schema in Bild 44 zeigt, welcherechtliche Grundlage für welche Lärmartanzuwenden ist.

    X Grenzwerte vorhanden(X) Grenzwerte teilweise vorhandenArG Bundesgesetz über die Arbeit in

    Industrie, Gewerbe und Handel(Arbeitsgesetz)

    ArGV 3 Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz(Gesundheitsvorsorge)

    ArGV 4 Verordnung 4 zum Arbeitsgesetz(Industrielle Betriebe, Plangenehmi-gung und Betriebsbewilligung)

    ATSG Bundesgesetz über den AllgemeinenTeil des Sozialversicherungsrechts

    BAFU Bundesamt für UmweltEKAS Eidgenössische Koordinationskom-

    mission für ArbeitssicherheitRichtlinie Nr. 6508 über den Beizugvon Arbeitsärzten und anderen Spezialisten der Arbeitssicherheit

    EN Europäische NormISO International Organization for

    StandardizationKAI Kantonale ArbeitsinspektorateLSV Lärmschutz-VerordnungMRL Maschinenrichtlinie der Europäischen

    UnionSECO Staatssekretariat für WirtschaftSIA Schweizerischer Ingenieur- und

    Architekten-VereinSLV Verordnung über den Schutz des

    Publikums von Veranstaltungen vorgesundheitsgefährdenden Schallein-wirkungen und Laserstrahlen(«Schall- und Laserverordnung»)

    SN Schweizer NormSTEG Bundesgesetz über die Sicherheit

    von technischen Einrichtungen undGeräten

    USG Bundesgesetz über den Umwelt-schutz

    UVG Bundesgesetz über die Unfall-versicherung

    UVV Verordnung über die Unfall-versicherung

    VUV Verordnung über die Verhütung vonUnfällen und Berufskrankheiten

    WL Wegleitungen zu ArGV 3 und 4

    Die aktuellen Fassungen dieser Regelwerkefinden Sie im Internet (Adresse siehe Anhang 1).

    Anwendungsbereich Arbeitsplatz Arbeitsplatz Handel mit Geräten Umwelt

    Gehörgefährdung Lärmbelästigung

    Verordnungen UVV, VUV ArGV 3, ArGV 4 STEV LSV, SLV

    Richtlinien EKAS WL MRL

    Grenzwerte, Richtwerte X X (X) X

    Normen SN, EN, ISO SN, EN, ISO SN, EN, ISO SIA 181

    Vollzugsorgan Suva SECO, KAI (Suva) Kantone

    Gesetze UVG ArG STEG USG

    Tabelle 7: Rechtliche Grundlagen für die Lärmbekämpfung in der Schweiz (Abkürzungen siehe oben stehendeZusammenstellung).

  • Demzufolge werden durch Lärm am Arbeits-platz verursachte erhebliche Schädigungendes Gehörs als Berufskrankheit anerkannt.

    Wie eine Schädigung des Gehörs und dergehörgefährdende Lärm zu beurteilen sind, istunter Ziffer 3.6 der vorliegenden Publikationdargelegt.

    Artikel 82 UVG enthält die allgemeinen Vor-schriften über die Verhütung von Berufsun-fällen und Berufskrankheiten. Diese geltenauch für die Gehörschadenprophylaxe, dasheisst für die Verhütung von Gehörschädendurch Lärm am Arbeitsplatz:

    Artikel 82: Allgemeines1 Der Arbeitgeber ist verpflichtet, zur Verhütung von

    Berufsunfällen und Berufskrankheiten alle Mass-nahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwen-dig, nach dem Stand der Technik anwendbar undden gegebenen Verhältnissen angemessen sind.

    2 Der Arbeitgeber hat die Arbeitnehmer bei der Ver-hütung von Berufsunfällen und Berufskrankheitenzur Mitwirkung heranzuziehen.

    3 Die Arbeitnehmer sind verpflichtet, den Arbeitgeberin der Durchführung der Vorschriften über die Ver-hütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten zuunterstützen. Sie müssen insbesondere persönlicheSchutzausrüstungen benützen, die Sicherheits-einrichtungen richtig gebrauchen und dürfen dieseohne Erlaubnis des Arbeitgebers weder entfernennoch ändern.

    30

    4.2 Die Verhütung von Berufs-unfällen und Berufskrankheiten

    Grundlegende Vorschriften über die Arbeits-sicherheit und den Gesundheitsschutz sindenthalten� im Bundesgesetz über die Unfall-

    versicherung (UVG)� in der Verordnung über die Unfall-

    versicherung (UVV)� in der Verordnung über die Verhütung von

    Unfällen und Berufskrankheiten (VUV)

    Im UVG sind die Berufsunfälle in Artikel 7, dieNichtberufsunfälle in Artikel 8 und die Berufs-krankheiten in Artikel 9 definiert.

    Artikel 9: Berufskrankheiten1 Als Berufskrankheiten gelten Krankheiten (Artikel 3

    ATSG), die bei der beruflichen Tätigkeit ausschliess-lich oder vorwiegend durch schädigende Stoffe oder bestimmte Arbeiten verursacht worden sind.Der Bundesrat erstellt die Liste dieser Stoffe undArbeiten sowie der arbeitsbedingten Erkrankungen.

    2 Als Berufskrankheiten gelten auch andere Krank-heiten, von denen nachgewiesen wird, dass sie aus-schliesslich oder stark überwiegend durch beruflicheTätigkeit verursacht worden sind.

    3 Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind Berufs-krankheiten von ihrem Ausbruch an einem Berufsun-fall gleichgestellt. Sie gelten als ausgebrochen,sobald der Betroffene erstmals ärztlicher Behand-lung bedarf oder arbeitsunfähig (Artikel 6 ATSG) ist.

    In Anhang 1 der UVV sind die arbeitsbeding-ten Erkrankungen im Sinne von Artikel 9 des UVG aufgeführt. Neben der Liste derschädigenden Stoffe werden auch verschie-dene physikalische Einwirkungen genannt.Dazu gehören auch:

    LSV

    LSV

    LSVLSV ArG

    UVG

    SIA SIA

    SIASIA Erhebliche Schädigungen Arbeiten im Lärm

    des Gehörs

    Erkrankungen durch Ultra- alle Arbeitenschall und Infraschall

    Erkrankungen Arbeiten

    Tabelle 8: Auszug aus der Liste der arbeitsbedingtenErkrankungen

    Bild 44: Rechtliche Grundlagen für die Bekämpfung der verschiedenenLärmarten.

  • 31

    Die VUV enthält konkrete Vorschriften, dieauch auf die Gehörschadenprophylaxe anzu-wenden sind:

    Artikel 5: Persönliche SchutzausrüstungenKönnen Unfall- und Gesundheitsgefahren durch technische oder organisatorische Massnahmen nichtoder nicht vollständig ausgeschlossen werden, somuss der Arbeitgeber den Arbeitnehmern zumutbarepersönliche Schutzausrüstungen (PSA), wie Schutz-helme, Haarnetze, Schutzbrillen, Schutzschilde,Gehörschutzmittel, Atemschutzgeräte, Schutzschuhe,Schutzhandschuhe, Schutzkleidung, Schutzgerätegegen Absturz und Ertrinken, Hautschutzmittel sowienötigenfalls auch besondere Wäschestücke zur Verfügung stellen. Er muss dafür sorgen, dass diesejederzeit bestimmungsgemäss verwendet werdenkönnen.

    Artikel 6: Information und Anleitung der Arbeitnehmer1 Der Arbeitgeber sorgt dafür, dass alle in seinem

    Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, einschliesslichder dort tätigen Arbeitnehmer eines anderen Be-triebes, über die bei ihren Tätigkeiten auftretendenGefahren informiert und über die Massnahmen zu deren Verhütung angeleitet werden. Diese Infor-mation und Anleitung haben im Zeitpunkt desStellenantritts und bei jeder wesentlichen Änderungder Arbeitsbedingungen zu erfolgen und sind nöti-genfalls zu wiederholen.

    2 Die Arbeitnehmer sind über die Aufgaben und dieFunktion der in ihrem Betrieb tätigen Spezialisten derArbeitssicherheit zu informieren.

    3 Der Arbeitgeber sorgt dafür, dass die Arbeitnehmerdie Massnahmen der Arbeitssicherheit einhalten.

    4 Die Information und die Anleitung müssen währendder Arbeitszeit erfolgen und dürfen nicht zu Lastender Arbeitnehmer gehen.

    Artikel 6a: Mitspracherechte1 Den Arbeitnehmern oder deren Vertretung im Betrieb

    steht in allen Fragen der Arbeitssicherheit ein Mit-spracherecht zu.

    2 Das Mitspracherecht umfasst den Anspruch auffrühzeitige und umfassende Anhörung sowie dasRecht, Vorschläge zu unterbreiten, bevor der Arbeit-geber einen Entscheid trifft. Der Arbeitgeber begrün-det seinen Entscheid, wenn er den Einwänden undVorschlägen der Arbeitnehmer oder deren Vertretungim Betrieb nicht oder nur teilweise Rechnung trägt.

    Artikel 7: Übertragung von Aufgaben an Arbeitnehmer1 Hat der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer mit be-

    stimmten Aufgaben der Arbeitssicherheit betraut, somuss er ihn in zweckmässiger Weise aus- undweiterbilden und ihm klare Weisungen und Kompe-tenzen erteilen. Die für die Aus- oder Weiterbildungbenötigte Zeit gilt in der Regel als Arbeitszeit.

    2 Die Übertragung solcher Aufgaben an einen Arbeit-nehmer entbindet den Arbeitgeber nicht von seinenVerpflichtungen für die Arbeitssicherheit.

    Artikel 8: Vorkehren bei Arbeiten mit besonderenGefahren1 Der Arbeitgeber darf Arbeiten mit besonderen

    Gefahren nur Arbeitnehmern übertragen, die dafürentsprechend ausgebildet sind. Wird eine gefährli-che Arbeit von einem Arbeitnehmer allein ausgeführt,so muss ihn der Arbeitgeber überwachen lassen.

    2 Bei Arbeiten mit besonderen Gefahren müssen dieZahl der Arbeitnehmer sowie die Anzahl oder dieMenge der gefahrbringenden Einrichtungen, Arbeits-mittel und Stoffe auf das Nötige beschränkt sein.

    Artikel 9: Zusammenwirken mehrerer Betriebe1 Sind an einem Arbeitsplatz Arbeitnehmer mehrerer

    Betriebe tätig, so haben deren Arbeitgeber die zurWahrung der Arbeitssicherheit erforderlichenAbsprachen zu treffen und die notwendigen Mass-nahmen anzuordnen. Sie haben sich gegenseitigund ihre jeweiligen Arbeitnehmer über die Gefahrenund die Massnahmen zu deren Behebung zu infor-mieren.

    2 Der Arbeitgeber muss einen Dritten auf die Anforde-rungen der Arbeitssicherheit in seinem Betrieb aus-drücklich aufmerksam machen, wenn er ihm denAuftrag erteilt, für seinen Betrieb:a. Arbeitsmittel sowie Gebäude und andere

    Konstruktionen zu planen, herzustellen, zu ändernoder in Stand zu halten;

    b. Arbeitsmittel oder gesundheitsgefährdende Stoffezu liefern;

    c. Arbeitsverfahren zu planen oder zu gestalten.

    Artikel 10: TemporärarbeitDer Arbeitgeber, der in seinem Betrieb Arbeitskräftebeschäftigt, die er von einem anderen Arbeitgeberausleiht, hat hinsichtlich der Arbeitssicherheit gegen-über diesen die gleichen Pflichten wie gegenüber deneigenen Arbeitnehmern.

    Artikel 11 1 Der Arbeitnehmer muss die Weisungen des Arbeit-

    gebers in Bezug auf die Arbeitssicherheit befolgenund die allgemein anerkannten Sicherheitsregelnberücksichtigen. Er muss insbesondere die PSAbenützen und darf die Wirksamkeit der Schutzein-richtungen nicht beeinträchtigen.

  • Artikel 34: Lärm und Vibrationen1 Gebäude und Gebäudeteile müssen so gestaltet

    sein, dass die Gesundheit oder die Sicherheit nichtdurch Lärm oder Vibrationen beeinträchtigt wird.

    2 Arbeitsmittel müssen so gestaltet sein, dass dieGesundheit oder die Sicherheit nicht durch Lärmoder Vibrationen beeinträchtigt wird.

    3 Arbeitsabläufe und Produktionsverfahren müssen sogestaltet und durchgeführt werden, dass dieGesundheit oder die Sicherheit nicht durch Lärmoder Vibrationen beeinträchtigt wird.

    Aufgrund von Artikel 84 und 85 UVG ist dieSuva befugt, den Arbeitgebern Einzelmass-nahmen zur Verhütung von Berufsunfällen undBerufskrankheiten vorzuschreiben.

    Die Artikel 70 bis 82 VUV betreffen diearbeitsmedizinische Vorsorge (unter anderemGehörkontrollen).

    Nach Artikel 50 VUV ist die Suva zuständig fürden Vollzug der Vorschriften über die Ver-hütung von Berufskrankheiten und demzu-folge auch für die Gehörschadenprophylaxe.Dies gilt auch für Betriebe, die nicht bei derSuva versichert sind.

    4.3 EKAS-Richtlinie 6508 über denBeizug von Arbeitsärzten undanderen Spezialisten derArbeitssicherheit

    Diese Richtlinie regelt den Beizug von Arbeits-ärztinnen und Arbeitsärzten sowie anderenSpezialistinnen und Spezialisten der Arbeits-sicherheit in den Betrieben gemäss Artikel 11abis 11g VUV.

    4.3.1 Besondere GefahrenAls «Besondere Gefahren» werden in derRichtlinie solche Gefahren definiert, derensichere Erkennung und Beurteilung spezielleKenntnisse voraussetzen und spezielle Unter-suchungsmittel erfordern. Zu den besonderenGefahren zählen auch «Besondere physika-lische Einwirkungen» wie starke Vibrationenoder gefährdender Lärm.

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    2 Stellt ein Arbeitnehmer Mängel fest, welche dieArbeitssicherheit beeinträchtigen, so muss er siesogleich beseitigen. Ist er dazu nicht befugt odernicht in der Lage, so muss er den Mangel unver-züglich dem Arbeitgeber melden

    3 Der Arbeitnehmer darf sich nicht in einen Zustandversetzen, in dem er sich selbst oder andere Arbeit-nehmer gefährdet. Dies gilt insbesondere für denGenuss von Alkohol oder anderen berauschendenMitteln.

    Artikel 11a: Beizugspflicht des Arbeitgebers1 Der Arbeitgeber muss nach Absatz 2 Arbeitsärzte

    und andere Spezialisten der Arbeitssicherheit (Spezialisten der Arbeitssicherheit) beiziehen, wennes zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmerund für ihre Sicherheit erforderlich ist.

    2 Die Beizugspflicht richtet sich namentlich nach:a. dem Berufsunfall- und Berufskrankheitsrisiko, das

    sich aus vorhandenen statistischen Grundlagensowie aus den Risikoanalysen ergibt;

    b. der Anzahl der beschäftigten Personen; undc. dem für die Gewährleistung der Arbeitssicherheit

    im Betrieb erforderlichen Fachwissen.

    3 Der Beizug von Spezialisten der Arbeitssicherheitentbindet den Arbeitgeber nicht von seiner Verant-wortung für die Arbeitssicherheit.

    Artikel 11b: Richtlinien über die Beizugspflicht1 Die Koordinationskommission nach Artikel 85

    Absatz 2 des Gesetzes erlässt Richtlinien zu Artikel 11a Absätze 1 und 2.

    2 Werden vom Arbeitgeber die Richtlinien befolgt, so wird vermutet, dass er seiner Verpflichtung zumBeizug von Spezialisten der Arbeitssicherheit nach-gekommen ist.

    3 Der Arbeitgeber kann auf andere Weise der Ver-pflichtung zum Beizug von Spezialisten der Arbeits-sicherheit nachkommen, als dies die Richtlinien vorsehen, wenn er nachweist, dass der Schutz derGesundheit der Arbeitnehmer und ihre Sicherheitgewährleistet ist.

    Hinweis: Mit der Richtlinie über den Beizugvon Arbeitsärzten und anderen Spezialistender Arbeitssicherheit (EKAS-Richtlinie Nr. 6508) vom 4. Juli 1995 wurde Artikel 11bAbsatz 1 umgesetzt (Inkrafttreten: 1. Januar1996), siehe Ziffer 4.3.

  • 33

    4.3.2 GefahrenermittlungDie Gefahrenermittlung wird vom Betrieb auf-grund von Branchenkenntnissen und Grund-wissen in Arbeitssicherheit und Gesundheits-schutz vorgenommen. Dabei stellen die branchenbezogenen Lärmtabellen der Suva(siehe Ziffer 6.5) eine wichtige Beurteilungs-hilfe dar. Allerdings lassen sich nicht allebetrieblichen Lärmverhältnisse mit diesenLärmtabellen beurteilen, weil es Sonderfällegeben kann (z. B. Spezialmaschinen und -anlagen). Wünscht ein Betrieb eine genaueAbklärung der Lärmverhältnisse, können beider Suva Schallpegelmesser ausgeliehen werden oder es wird ein Spezialist derArbeitssicherheit mit der Durchführung solcherSchallmessungen beauftragt. Dieser mussaber fachlich in der Lage sein, eine kompe-tente Beratung durchzuführen.

    4.3.3 RisikoanalyseGemäss Richtlinie stellt die Risikoanalyse das Kernelement des in der VUV gefordertenNachweises dar, dass der Schutz der Ge-sundheit der Arbeitnehmenden und ihreSicherheit im Betrieb gewährleistet sind. DieRisikoanalyse soll Aufschluss geben über die Wahrscheinlichkeit des Auftretens vonBerufsunfällen und Berufskrankheiten bei einzelnen (individuelles Risiko) und Gruppen von Arbeitnehmenden (kollektives Risiko).

    Im Fall der berufsbedingten Schädigungendes Gehörs kann auf eine eigentliche Risiko-analyse verzichtet werden, da Regeln zurErmittlung der Lärmexposition (siehe Ziffer 6)und Beurteilung anhand der Grenzwertesowie über die zu treffenden Massnahmenvorliegen (siehe Ziffer 4.7).

    Die betroffenen Personen müssen über dieGefahren informiert und über die Verhütunginstruiert werden. Die Instruktion muss doku-mentiert werden (wer ist von wem, wann undworüber instruiert worden). VerschiedeneGehörschutzmittel müssen abgegeben wer-den und das richtige und konsequente Tragenderselben muss regelmässig kontrolliert

    werden. Die lärmexponierten Personen sindfür die Gehörschadenprophylaxe der Suvaanzumelden. Zudem ist ein Massnahmenplan zu erarbeiten, um die Lärmbelastung der betroffenen Mitarbeitenden zu reduzieren.

    4.3.4 Mitwirkung der Arbeitnehmenden Die Arbeitnehmenden oder ihre Vertretung imBetrieb müssen über alle Fragen der Arbeits-sicherheit frühzeitig und umfassend angehörtwerden (Artikel 6a VUV, siehe Ziffer 4.2).

    4.4 Gesundheitsvorsorge und Plangenehmigung

    Das Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie,Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz) ver-pflichtet die Arbeitgeber, die Arbeitnehmer vorgesundheitsgefährdenden Einwirkungen zuschützen (Artikel 6). In Ergänzung zum UVGbefasst sich das Arbeitsgesetz mit dem nicht gehörgefährdenden Lärm am Arbeits-platz (Artikel 22, Verordnung 3 zum Arbeits-gesetz, ArGV 3). Dieses Thema und die ent-sprechenden raum- und tätigkeitsbezoge-nen Richtwerte sind in der neuen Wegleitungzur ArGV 3 ausführlich erläutert.

    Die Verordnung 4 (ArGV 4) regelt das Plan-genehmigungs- und Betriebsbewilligungs-verfahren. Sie legt ganz allgemein den indus-triellen Baustandard fest, von der erforderli-chen Raumhöhe über die Beleuchtung bis hinzu den Fluchtwegen oder zur Raumtempera-tur. Und mit diesem Verfahren will man bereitsin der Planungsphase auch die Lärmbekämp-fung einleiten. Im Zentrum der akustischenPlanung eines Gebäudes stehen baulicheMassnahmen, beispielsweise die Trennungvon lärmigen und ruhigen Arbeitsbereichenoder der Einbau von schallschluckenden Bau-teilen (z. B. Akustikdecken).

  • Für den Vollzug des STEG sind verschiedeneStellen zuständig. Die Suva führt das Sekre-tariat der Koordinationsstelle.

    Kauf und Verkauf einer Ware oder Dienst-leistung sind im Obligationenrecht geregelt.Konkrete Bedingungen – auch solche, welchedie Arbeitssicherheit betreffen, zum Beispieldie maximal zulässigen Lärmemissionswerte –können somit in Kaufverträgen vereinbart werden. Vorschläge zur Formulierung vonGrenzwerten (z. B. LWA, LpA) sind in der Suva-Publikation 66027.d «Schallleistung undAbnahmemessungen» zusammengestellt.

    4.6 Vorschriften über Aussen-lärmimmissionen

    Auf eidgenössischer Ebene regelt die Lärm-schutzverordnung (LSV) zum Bundesgesetzüber den Umweltschutz die Probleme bezüglich Aussenlärmimmissionen. Für die folgenden Lärmarten werden sowohl Be-lastungsgrenzwerte wie auch Beurteilungs-kriterien festgelegt:

    � Strassenverkehrslärm� Eisenbahnlärm� Lärm von zivilen Flugplätzen� Industrie- und Gewerbelärm� Lärm von Schiessanlagen� Lärm von Militärflugplätzen

    Einen Sonderfall stellt die Baulärm-Richtlinie2000 des BAFU (Bundesamt für Umwelt) dar. Sie definiert bauliche und betrieblicheMassnahmen zur Begrenzung des Baulärmsgemäss Artikel 6 der LSV und soll zum ein-heitlichen und korrekten Vollzug der Lärm-schutzvorschriften bei Baustellen beitragen.

    Der Vollzug der Lärmschutzverordnung liegtim Zuständigkeitsbereich der Kantone. EinigeKantone haben die eidgenössischen Grenz-werte noch verschärft.

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    Im Zusammenhang mit dem Arbeitsgesetzmuss auch auf den Mutterschutz hingewiesenwerden. Ein Betrieb mit gefährlichen oder be-schwerlichen Arbeiten muss vor der Beschäf-tigung von schwangeren Frauen im betroffenenBetriebsteil eine vertiefte Beurteilung der Ge-hörgefährdung durchführen. Gemäss Artikel62 ArGV 1 und der Mutterschutzverordnunggelten Arbeiten unter Lärm als beschwerlichoder gefährlich. Als zulässige Grenze gilt einLärmexpositionspegel LEX,8h von 85 dB(A) proTag, wobei Belastungen durch Infra- und Ultra-schall gesondert zu beurteilen sind.

    Bei Nacht- bzw. Schichtarbeit schreibt dasArbeitsgesetz im Zusammenhang mit Lärmam Arbeitsplatz die Intervalle für die medizi-nischen Untersuchungen vor. Gehörgefähr-dender Lärm am Arbeitsplatz wird der Kate-gorie «Besondere Belastungen und Gefahren»zugeordnet. Die Betroffenen dürfen nurNachtarbeit verrichten, wenn aufgrund einermedizinischen Untersuchung und Beratungfeststeht, dass sie für den geplanten Einsatzgeeignet sind. Zudem besteht Anspruch aufperiodische Untersuchungen und Beratungen.Für den Vollzug des Arbeitsgesetzes sind die eidgenössischen und kantonalen Arbeits-inspektorate zuständig.

    4.5 Die Sicherheit von technischenEinrichtungen und Geräten

    Das Bundesgesetz über die Sicherheit vontechnischen Einrichtungen und Geräten(STEG) ist anwendbar auf das Anpreisen undInverkehrbringen technischer Einrichtungenund Geräte. Artikel 3 enthält die Sicherheits-anforderungen:

    GrundsatzTechnische Einrichtungen und Geräte müs-sen hinsichtlich Sicherheit den anerkanntenRegeln der Technik entsprechen und sobeschaffen sein, dass bei ihrer bestimmungs-gemässen Verwendung und bei Beachtungder gebotenen Sorgfalt Leben und Gesund-heit nicht gefährdet werden.

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    4.7 Grenzwerte zum Schutz vorgehörgefährdendem Lärm

    4.7.1 DauerschallDie Suva beurteilt die gehörgefährdende Wirkung des Lärms am Arbeitsplatz nach ISO 1999 und leitet daraus die erforderlichenMassnahmen ab.

    Wenn an einzelnen Tagen Lärmexpositions-pegel LEX von 85 dB(A) erreicht oder über-schritten werden, sind Massnahmen M1(siehe Ziffer 4.7.3) zum Schutz des Personalszu treffen.

    Werden Lärmexpositionspegel LEX von 85 dB(A) bezogen auf ein Jahr erreicht oderüberschritten, sind verschärfte MassnahmenM2 zu treffen. Die betroffenen Arbeitnehmen-den sind zur Gehöruntersuchung im Audio-mobil berechtigt.

    Bei Lärmexpositionspegeln LEX von 88 dB(A)und mehr bezogen auf ein Jahr sind diebetroffenen Arbeitnehmenden zur Teilnahmean den Gehöruntersuchungen im Audiomobilverpflichtet.

    4.7.2 Impulsartiger SchallÜberschreitet der Schalldruckspitzenpegel(Peak) 135 dB(C), so ist eine Risikobeurteilungbasierend auf dem über eine Stunde aufsum-mierten Schallexpositionspegel LE in dB(A)vorzunehmen.

    Wenn der Schallexpositionspegel LE 120 dB(A)nicht erreicht wird, sind Massnahmen M1(siehe Ziffer 4.7.3) zum Schutz des Personals zu treffen.

    Wird ein Schallexpositionspegel LE von 120bis 125 dB(A) erreicht, sind verschärfte Massnahme