Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf...

30
Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion? Wie Eltern die Corona-Zeit erleben und was das für die Schule der Zukunft bedeutet Nicole Hollenbach-Biele

Transcript of Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf...

Page 1: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

Gemeinsam Lernen oderExklusion in der Inklusion?

Wie Eltern die Corona-Zeit erleben und was das für die Schule der Zukunft bedeutet

Nicole Hollenbach-Biele

Page 2: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder
Page 3: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

Gemeinsam Lernen oderExklusion in der Inklusion?

Wie Eltern die Corona-Zeit erleben und was das für die Schule der Zukunft bedeutet

Nicole Hollenbach-Biele

Page 4: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder
Page 5: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

Einleitung 6

1| Haben die Erfahrungen in der Pandemie die allgemeine Einstellung von Eltern 8 zu Inklusion beeinflusst?

1.1 IndividuelleErfahrungenhabenReflexionenüberdasgemeinsameLernenangeregt 8

1.2 An der grundlegenden Haltung zum inklusiven Schulsystem hat Corona nichts geändert 10

2 | Wie haben Eltern von Kindern mit Förderbedarf die Krise erlebt? 12

2.1 Zufriedenheit mit den Schulen ist gemischt: Eltern geben eine Drei Minus 12

2.2 Wünsche für das Schuljahr 2020/2021: Eltern und Kinder brauchen mehr Unterstützung 14

2.3WünscheandiePolitik:ElternerwartengutesKrisenmanagementundInvestitionen 18

3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22

3.1 Schulbesuch für alle Kinder sicherstellen 22

3.2ZielgerichtetinBildunginvestieren 23

3.3 Digitale Geräte nicht nur nach dem Gießkannenprinzip verteilen 23

3.4 Hybrides Lernen im Zusammenhang mit sozialem Lernen denken 23

3.5 Digitales Lernen mit guter Elternarbeit verknüpfen 24

4 | Fazit: Aus den Erfahrungen lernen! 25

Zusammenfassung 26

Executive Summary 27

Inhalt

Page 6: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

6

Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?

6

MitdemBeitrittzurUN-KonventionüberdieRechtevonMenschenmitBehinderung(UN-BRK)hatsichDeutschlandverpflichtet,„KindermitBehinderungennichtaufgrundvonBehinderungvomunentgeltlichenund obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen“ auszuschließen. In un-sererjüngsterschienenenStudie„InklusiveBildungzwischenLichtundSchatten:EineBilanznachzehnJahreninklusivenUnterrichts“(HollenbachundKlemm20201)konntenwirzeigen,dassDeutschlandzehnJahrenachderUnterzeichnungderUN-BRK,alsoimSchuljahr2018/19,beimAbbaudes„exklusiven“UnterrichtensinFörderschuleninsgesamtnurlangsamvorangekommenist:2008/09wurden4,8ProzentallerKinderderJahr-gangsstufen1bis9oder10inFörderschulenunterrichtet,zehnJahrespätergaltdiesimmernochfür4,2Pro-zent. Im Schuljahr 2018/19 wurden deutschlandweit nahezu 26.000 Schüler:innen aus den Grundschulen und denweiterführendenSchuleninFörderschulenüberwiesen.DabeioffenbarteinBlickindieeinzelnenBundes-länder deutliche Unterschiede: Die Entwicklungen etwa in den drei Stadtstaaten oder Schleswig-Holstein zei-gen,dassderAnteilvonexklusivunterrichtetenKindernundJugendlichendeutlichgesenktwerdenkonnte;inLändernwieBaden-Württemberg,BayernoderRheinland-PfalzistderAnteilvonKindernundJugendlichen,dieFörderschulenbesuchen,imVergleichzu2008/09hingegengestiegen–InklusionhängtalsoinDeutschlandstark vom Wohnort ab.

DieGründefürdieseEntwicklungsindvielfältigundoftpolitischmotiviert.AusderEmpirieabgeleiteteArgu-mente gegen das gemeinsame Lernen gibt es jedenfalls nicht: Aus der Lehr-Lern-Forschung liegen keine abge-sichertenHinweisedarübervor,dassKinderundJugendlichemitsonderpädagogischemFörderbedarfinin-klusivenLerngruppengeringereLernfortschrittemachenwürdenalsinFörderschulen.DasGegenteilistderFall:BishervorliegendeArbeitensehenimBereichderkognitivenLeistungeneherVorteiledesinklusivenLer-nensfürdieKinder.UnddieachtBundesländer,dieinihreroffiziellenStatistikDatenzudenerreichtenSchul-abschlüssenveröffentlichen,belegen:Schüler:innenmitsonderpädagogischemFörderbedarfverfehlenimge-meinsamen Unterricht seltener als diejenigen in Förderschulen den Hauptschulabschluss. Besonders in den BlickgenommenwerdenmüssenallerdingsdiekonkretenMaßnahmenzurLernmotivationundzumWohlbefin-denvonKindernundJugendlichenmitsonderpädagogischemFörderbedarfininklusivenSchulen:HierzeigenStudienpotenzielleNachteilefürdieKinderundweisendamitdaraufhin,dassdiesozialeEinbindunggutge-staltetundbegleitetseinsollte.GleichzeitigkannkeineRededavonsein,dassMitschüler:innenohnesonderpä-dagogischenFörderbedarfimKompetenzerwerbbenachteiligtwerden.Studienzeigen,dassesfürsiekeinerleiUnterschiedmacht,obsieininklusivenKlassenlernenodernicht.Indenüberfachlichen,non-kognitivenBerei-chenhingegenprofitierensiedeutlichdavon,gemeinsammitKindernundJugendlichenmitsonderpädagogi-schem Förderbedarf die Schule zu besuchen.

AufeinefehlendeZustimmungderBevölkerungzumAusbaudesinklusivenLernensinSchulenkönnendieUn-terschiede zwischen den Bundesländern ebenso wenig zurückgeführt werden: Der Inklusionsgedanke ist in der Gesellschaftinsgesamtmittlerweilebreitverankert.WieverschiedeneUmfragendervergangenenJahrezei-gen,fälltdasStimmungsbildzurschulischenInklusionhierzulandeüberwiegendpositivaus:InderGesamtbe-völkerungbefürworteteinegroßeMehrheitsowohldiegesellschaftlicheInklusionalsauchdasgemeinsameLernenvonKindernmitundohneBehinderungen.GutdreiViertelderDeutschenfindet,dasseininklusives

Einleitung

Page 7: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

77

SchulsystemzumehrToleranzsowiezueinembesserenMiteinanderführe,undvertrittdieMeinung,dassdieBereitschaftzusozialemEngagementdadurchgesteigertwerde.

AuchdieElternakzeptierendeninklusivenUnterrichtgrundsätzlich.DabeivariiertinUmfragenallerdingsdieZustimmungjenachFörderschwerpunktdeutlich:WeitestgehendunumstrittenistderBesucheinerinklusivenSchuleinBezugaufKinderundJugendlichemitkörperlich-motorischenBeeinträchtigungen;beidenFörder-schwerpunktenSpracheundLernenbefürwortenzweiDrittelundmehrallerElterndengemeinsamenUnter-richt;beimFörderschwerpunktemotionaleundsozialeEntwicklungunterstütztdagegennuretwaeinDritteldieschulischeInklusion.DassesdabeiaufdiekonkreteeigeneErfahrungderMütterundVäterankommt,zeigtdieUmfragederBertelsmannStiftungausdemHerbst2019:Inklusionserfahrene Eltern sind insgesamt zufrie-denermitdenSchulen,KlassenundLehrkräftenihrerKinderalsEltern,derenKindernichtinklusivlernen.Letz-tereäußernsichhäufigerverhaltenzudenPotenzialenvonInklusion,bewertendieQualitätdesUnterrichtssogarkritischeralsMütterundVäterinklusivlernenderKinder.KritischeRückmeldungenbeziehensichvorallemaufdieRaum-undPersonalausstattunginklusiverSchulenundkommensowohlvonElternalsauchvonLehrkräften(vgl.ebd.1).

DieCorona-PandemiebeeinflusstdasgesellschaftlicheLebenweltweitseitMonatenaußergewöhnlichstarkundhatEltern–unabhängigvomFörderbedarfihrerKinder–völligunerwartetvorbesondereHerausforderun-gengestellt:EsgaltquasivoneinemTagaufdenanderen,dieProblemeanzugehen,diesichdurchSchulschlie-ßung,HomeschoolingundsozialeDistanzbeigleichzeitigwegfallenderUnterstützungdurchInstitutionen,Ver-eineundFamilieergaben.DieErfahrungenausdieserZeitrückten–nebenanderenThemen–insbesonderedieSichtaufdasSchulsystemmehrdennjeindenFokusdesöffentlichenInteresses:aufdieChancenundGrenzenvonDigitalisierungundaufdieRollevonSchulenichtnuralsLernort,sondernauchalsOrtdersozialenBegeg-nungenundalsBetreuungsinstitution.InderlaufendenöffentlichenDebattefindetdieFragenachinklusivemLernenbislangkaumRaum.DiebesonderenBelangevonKindernundJugendlichenmitsonderpädagogischemFörderbedarf erhalten wenig Aufmerksamkeit und auch die elterlichen Bedürfnisse nach Unterstützung wer-densogutwienichtgehört.Bislangbleibtauchunklar,inwiefernsichdieErfahrungenaufdiegenerelleHaltungderMütterundVäterzurInklusionausgewirkthaben.

AusdiesenGründenhabenwirdieEltern,diebereits2019befragtwurden,imJuli2020–alsojenachBundes-landvorbzw.indenSommerferien–erneutzuihreraktuellenEinschätzungdesinklusivenLernensbefragt.ImZentrumstandendiesmaloffeneFragen,umdieMütterundVäterauchtatsächlichzuWortkommenzulas-senundumzuverstehen,wiedieSituationenwährendundnachderSchulschließungindenFamilienaussahen.WichtigwarenunszudemFragendanach,wasElternausdiesenErfahrungenfürdasschulischeLernenihrerKinderfürdieZukunftableitenundwelcheUnterstützungsiesichkünftigvonschulischerund(bildungs-)po-litischerSeitewünschen.DamitdenElternvonKindernmitsonderpädagogischemFörderbedarfausreichendPlatzeingeräumtwird,bestandunsereKurzbefragungauszweiTeilen.DerersteTeilrichtetesichanfast2.800MütterundVäter,unabhängigdavon,obihreKindersonderpädagogischenFörderbedarfaufweisenodernicht.DieErgebnissederUmfragefindensichinKapitel2.DerzweiteTeilgingausschließlichanrund600ElternvonKindernmitsonderpädagogischemFörderbedarfundhatsiedazubefragt,wiesiedieSchulschließungenerlebthaben,welcheUnterstützungsbedarfesieimHinblickaufdasSchuljahr2020/2021habenundwassiesichfürdieschulischeBildungihrerKindervonderPolitikwünschen.DieErgebnissediesesBefragungsteilsfindensichinKapitel3.SchließlichfasstKapitel4dieErgebnisseininsgesamtfünfLeitlinienzusammen,diesichandieBil-dungspolitiksowieanSchulenundLehrkräfterichten.

Einleitung

Page 8: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

8

Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?

8

1| HabendieErfahrungeninderPandemiedie allgemeine Einstellung von Eltern zu Inklusionbeeinflusst?

Hat sich durch die Erfahrungen während der coronabedingten Schulschließungen die Sicht der Eltern auf das gemeinsame Ler-nen von Kindern mit und ohne Förderbedarf verändert? Diese FragebeantwortetdieHälfteallerMütterundVäterzustim-mend:50Prozentgebenan,dassdieaktuellenErfahrungenihrePerspektiveaufschulischeInklusiongeänderthaben.36ProzentallerMütterundVätererklären,ihreSichtaufInklusionhabesichdurchCoronanichtverändert,14ProzentbeantwortendieseFragemit„teils,teils“.

VergleichtmanhierdieRückmeldungenderElternvonKindernmitundohnesonderpädagogischenFörderbedarf,zeigensichaufquantitativerEbenenurmarginaleUnterschiede(ohneAbb.):52ProzentallerEltern,die(mindestens)einKindmitsonderpädago-gischemFörderbedarfinderFamiliehaben,berichtenvoneinerveränderten Sicht auf das inklusive Lernen durch die Schulschlie-ßungenwährenddesLockdowns.InderGruppederMütterundVätervonKindernohnesonderpädagogischenFörderbedarfbe-

1 FürInformationenzurHerkunftundLesartderimTextverwendetenZitatevgl.S.28.

trägtderentsprechendeAnteil50Prozent.AucheineDifferen-zierung nach besuchter Schulform oder Schulstufe weist keine signifikantenUnterschiedebeidenAntwortenauf,sodasshierinsgesamt vermutlich eher von einer allgemeinen Bewusstseins-schärfung quer durch die Elterngruppen auszugehen ist. Wahr-scheinlich haben die coronabedingten Schulschließungen und anschließenden Einschränkungen in stärkerem Maße deutlich ge-macht,welcheArtvonUnterstützungKinderundJugendlichejenachindividuellemBedürfnisbenötigen,umlernenzukönnen.Wie diese Bewusstseinsschärfung ausgesehen hat und inwiefern sie zu einem Umdenken in Bezug auf das inklusive Lernen von Schüler:innen mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf geführthabenkönnte,wirdindenAntwortenderElternimoffe-nen Teil des Fragebogens deutlich.

1.1 Individuelle Erfahrungen haben ReflexionenüberdasgemeinsameLernen angeregt

DieHälfteallerbefragtenEltern(unabhängigdavon,obihrKindsonderpädagogischenFörderbedarfhatodernicht)gebeninderBefragungan,dasssichihreSichtaufdasgemeinsameLernenvonKindernundJugendlichenininklusivenLerngruppenver-änderthabe.IndenoffenenKommentarenerklärensieauch,warum: So sei ihnen durch Corona erst oder erneut deutlich ge-worden,welcheRolledieLehrkräfteunddieSchulefürdasLer-nen ihrer Kinder konkret spiele und wie die Unterstützung der Kinder konkret aussehen müsse. So sei „einem bewusst gewor-den, was die Schule durch Förderunterricht leistet“(#67)1. Allerdings habe in der Phase der Schulschließungen überhaupt kein ge-meinsamesLernenstattgefunden,sodass „das Konzept nicht mehr so umgesetzt werden konnte“(#2938).Einigenistdabeiklargewor-den,dass„Integrationskinder auf diese Weise nicht integriert werden

Grundgesamtheit: Deutschsprachige Eltern von Kindern im Alter bis 17 Jahre. Werte in Prozent.

Quelle: infratest dimap

ABBILDUNG 1 Corona verändert die Sicht auf das gemeinsame Lernen

Frage: Verändern Corona und die damit einhergehenden Schulschließungen Ihre Sicht auf das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Förderbedarf (Inklusion) an einer Regelschule?

36

14

50nein

teils/teils

ja

Page 9: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

99

1| HabendieErfahrungeninderPandemiedieallgemeineEinstellungvonElternzuInklusionbeeinflusst?

können“ (#2910),weilsichdieKinderinderhäuslichenSituationbeim „Lernen nicht gegenseitig unterstützen können. Und nicht von-einander lernen können“(#2811).DabeiseiderKerndesinklusi-ven Lernens „Nachahmung und Abschauen, dies fehlt nun“(#2861).

VieleElternberichtenzudem,dassdieMotivationihresKindesdeutlichnachgelassenhabe,weil„der Ansporn und Austausch durch die Klassenkameraden nicht gegeben ist“(#2663).AndeninklusivenSchulen „helfen die Besseren den Schlechteren, dies fehlt letzteren“ (#2668)beimhäuslichenLernen.EinhelligvertretenvieleElternaußerdemdieMeinung,dass„Digitales Lernen und Inklusion nicht einfach zu vereinbaren“ (#2627)sindunddass„der soziale Kontakt genauso wichtig ist wie der Stoff“ (#2355).Sohätten„Inklusionskin-der und deren Mitschüler nicht so intensiv zusammen lernen und la-chen können und die Inklusionskinder der Klasse meiner Tochter konn-ten während der Corona-Zeit viel weniger lernen“ (#639).AucheinelangsameRückkehrindieSchulen,wiesievielerortskurzvordenSommerferienstattgefundenhat,widersprechedemGedankenderInklusion,weil„das gemeinsame Lernen dann nur eingeschränkt stattfindet und Halbklassen oft nach Leistung zusammengesetzt sind“ (#578).

AndieserVielzahlderÄußerungenfälltauf,dassvieleElterndasinklusive Lernen ganz selbstverständlich als soziales Lernen mit HelferprinzipübersetzenundderVerlustdessozialenMiteinan-dersaneinemOrtalsgrößterHinderungsfaktorfürInklusionver-standenwird.AufdigitalemWegscheintdieser–ausSichtvielerEltern–zentraleFaktorzumindestbiszumZeitpunktderBefra-gung nicht kompensiert worden zu sein. Eine Reihe von Eltern er-klärenhierzuauch,dassderindividuelleFörderbedarfnichtge-deckt sei und ihre Kinder im Lernen schlicht abgehängt würden. GrundfigurindenmeistenderdiesbezüglichenÄußerungenistdieÜberzeugung,dass„die intensive Förderung, so glaube ich, nicht am PC erfolgen kann. Das Menschliche fehlt, das benötigen die Kinder aber unbedingt“(#2602).Sosei„eine individuelle Förderung auf Dis-tanz ohnehin weniger umsetzbar“(#2518).DiesgeltefüralleKin-der,dazukommeabernoch,dassvorallem„Kinder mit Förderbedarf digitale Lernangebote nicht oder nur sehr eingeschränkt nutzen kön-nen“(#120),weil „sie häufiger Probleme mit der Bedienung haben oder nicht die entsprechende Ausstattung, z. B. großer Monitor“(#1893).DieseBeobachtunggehteinhermitderAnnahme,dass„die Kin-der mit Inklusion gesondert digital geschult werden müssten, da sie im Tempo und beim Handling wahrscheinlich nicht mitkommen“(#507).

Doch auch unabhängig von der Frage des digitalen Lernens schei-nenvieleElterndieErfahrunggemachtzuhaben,dassdieindividu-ellen(Lern-)BedürfnisseimDistanzlernenvoninstitutionellerSeitezuwenigberücksichtigtwurden.DiesberichtensowohlMütterundVätervonKindernohnesonderpädagogischenFörderbedarfals auch Eltern von Förderkindern. Letztere führen die fehlende individuelleFörderungauchdaraufzurück,dass„die Kinder kei-

nen Ansprechpartner haben, der für solche Situationen ausgebildet ist“ (#3011),oderweil„Fördermaßnahmen untereinander, die im Schulall-tag selbstverständlich sind, nicht möglich sind“ (#810).Diesliegesi-chernichtnur,aberauchdaran,dass„die Lehrer nicht dabei sind und nicht sehen, wo Förderbedarf besteht“ (#3037),eineangemesseneUnterstützung aber „fast ausschließlich von geschultem Personal zu leisten ist. Für Eltern ist dies schwer leistbar“ (#2677).Zudembekä-men „Kinder mit erhöhtem Förderbedarf keine Möglichkeit der adäqua-ten Hilfe und bleiben auf der Strecke, da gesonderte Aufgaben für diese Kinder nur unzureichend ausgearbeitet werden“(#1859).

AusdenÄußerungensprichtgroßeHilflosigkeit.InsbesondereElternvonKindernmitFörderbedarfberichten,dasssieihremKindgernhelfenwürden,sichabernichtinderLagedazusehen,weil „man zu Hause neben der Berufstätigkeit und dem Haushalt nicht auch noch das Gleiche lehren/lernen kann wie in der Schule! Be-sonders bei Kindern mit Förderbedarf ist das unmöglich zu schaffen“ (#446).NochdazufallediezusätzlicheUnterstützung,aufdieei-nigeFamilieneigentlich(alsovorCorona)imAlltagzurückgreifenkönnten,weg–diesmachedieSituationnatürlichnochschwie-riger: „Weil die Kinder sonst einen Einzelfallhelfer haben und wir nun auch noch diese Rolle übernehmen müssen. Das geht einfach nicht“ (#1489).BesondersherausforderndfürKindermitsonderpäda-gogischemFörderbedarfundihreFamilienistzudem,dass„der ge-regelte Ablauf total durcheinanderkommt“(#10181).DabeiseiesvorallemdieklareStruktur,dievieleFamilienbrauchen,damitsich das Kind sicher fühle. Durch die Schulschließungen fehle „die Sicherheit und Konstanz“(#1163),dieKinder„haben keine ver-traute Umgebung und die Einteilung des Tages kommt durcheinander“ (#1605).GemeintisthiervorallemauchdieStrukturindenAuf-gaben und im Lernen insgesamt.

AusdiesenGründen–dasindsichvieleMütterundVätereinig–seien „Kinder mit Förderbedarf durch Corona noch stärker benach-teiligt als andere Kinder“(#1453).Undgenaudeshalbhabenetli-cheEltern–vorallemMütterundVäter,derenKindbesondereFörderungbenötigt–dieSorge,dassihrSohnoderihreTochterdenRückstandnichtmehraufholenwird.Siegehendavonaus,dass vor allem „Kinder mit Defiziten beim Wissensstand spätestens nach den Ferien Nachteile haben können“(#1215).DieseSorgeführtbeieinerTeilgruppevonEltern,derenKinderaneinerin-klusivenSchulelernen,zuderÜberlegung,dassnachdenFeriennicht nur „extremer Nachholbedarf vorliegt“(#266),sonderndass„Kinder, die einen Förderbedarf haben, im Schulstress nicht mehr an-schließen können“(#552).DieTatsache,dassalleKinder–mitundohnesonderpädagogischenFörderbedarf–vielaufzuholenhät-ten,soerklärenvieleEltern,führezueinernochgrößerenHe-terogenitätinderKlasse,dienichtimgemeinsamenUnterrichtkompensiert werden könne: „Kinder mit Förderbedarf und auch ohne müssen jetzt vieles aufholen. Das funktioniert nur getrennt“ (#316).Insgesamtsei–sobringtesdasfolgendeZitatstellver-

Page 10: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

10

Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?

10

tretendfürweitere,ähnlicheÄußerungenaufdenPunkt–deut-lichgeworden,„dass die individuellen Lernmöglichkeiten zu Hause fast schon ähnlich sind, wie die Kinder sie in Förderschulen haben. Jetzt lernt jeder zu Hause im eigenen Tempo mit eigenen Möglichkei-ten. Das widerspricht dem Ansatz der Inklusion“(#2473).

Anders formuliert: Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem FörderbedarfgebenimVergleichzuMütternundVäternvonKin-dernohnesonderpädagogischenFörderbedarfinsgesamthäufi-gerkonkreteBeispieledafür,dassderindividuelleFörderbedarfihres Kindes nicht gedeckt wurde und sie selbst von der Aufgabe überfordertwaren,zuHausedieArbeitderLehrkräftezuüber-nehmen.Auchberichtensiehäufiger,dassihnendieZeitunddienotwendigen Rahmenbedingungen für das häusliche Lernen ihrer Kinderfehlen.SchließlicherklärenMütterundVätervonFörder-kindernhäufiger,dassdaseigeneKindzurRisikogruppegehöreund/oder die Corona-Regeln weniger gut umsetzen könne.

Eltern von Kindern ohne sonderpädagogischen Förderbedarf be-mängelninihrenErläuterungen–warumsichdurchdieSchul-schließungenihreSichtaufInklusionveränderthat–deutlichhäufigerdiefehlendensozialenKontakteundbeschreiben,dassdas gemeinsame Lernen während der Schulschließungen in ihren Augenkaumoderzuwenigstattgefundenhabe.EinigsindsichdieEltern(unabhängigvomFörderbedarfihrerKinder)darin,was die zusätzlichen Nachteile der Schulschließungen für Kinder mitbesonderemFörderbedarfbetrifft.ZudemsindvieleElternbeiderGruppenüberzeugt,dassdieLern-undLeistungsunter-schiededeutlichgewachsensindundesFörderkinderzukünftigbesondersschwerhabenwerden,denAnschluss(wieder)zu finden.

VordemHintergrunddieserErgebnisseistzufragen,wiesichdiecoronabedingten Erfahrungen von Eltern auf ihre grundsätzliche MeinungzuminklusivenLernenauswirken:WürdenMütterundVäterimLichtedervergangenenMonateheutedieFrage,obKin-derundJugendlichemitundohnesonderpädagogischenFörder-bedarfgemeinsamlernensollten,andersbeantwortenalsnochvor der Pandemie? Und was bedeutet das gegebenenfalls für die weitereUmsetzungderUN-Behindertenrechtskonvention?

2 Hollenbach-Biele,NicoleundKlemmKlaus(2019):„InklusiveBildungzwischenLichtundSchatten:EineBilanznachzehnJahreninklusivenUnterrichts“.

3 BertelsmannStiftung(Hrsg.)(2015):WieElternInklusionsehen.Gütersloh:BertelsmannStiftung.

1.2 An der grundlegenden Haltung zum inklusiven Schulsystem hat Corona nichts geändert

NachderAnalysederqualitativenDatenwäredurchauszuver-muten,dasssichdiegenerelleSichtaufdieUmsetzungderUN-BehindertenrechtskonventionbeiElternveränderthabenkönnte.LässtsichdiestatsächlichaufquantitativerEbenefest-stellen?DafürlohntsicheinVergleichmitdenErgebnisseneinerElternbefragungausdemJahr20192 und einer Elternumfrage 20153. In allen drei Befragungen wurden die Eltern in gleicher Formulierunggefragt,obKinderundJugendlichegenerellundunabhängig von ihrem individuellen Förderbedarf gemeinsam lernensollten.WiediefolgendeGrafikzeigt,istderAnteilvon Eltern,dieInklusionbefürworten,überdiedreiZeitpunkteleichtgestiegen–von21ProzentimJahr2015über24Prozent(2019)aufaktuell25Prozent.MiteinemklarenNeinpositionierensichindes 2015 mit acht Prozent anteilig weniger Eltern gegen das gemeinsameLernenvonKindernmitundohneFörderbedarf,alsdies2019(12%)derFallwar;derAnteilistinzwischenwie-der leicht gesunken auf zehn Prozent. Ebenfalls insgesamt kleiner gewordenistdieGruppederMütterundVäter,diedenBesucheiner inklusiven Schule von der Art des Förderbedarfs abhängig machenwürden–2015lagihrAnteilbei70Prozent,2019bei 63 Prozent und aktuell liegt er bei 64 Prozent. Anders formuliert: EsgibtkeinestatistischaussagefähigenVerschiebungenindenAntwortmusternzwischen2019(vorCorona)und2020(wäh-rendderPandemie).

BeigenaueremBlickdarauf,fürwelcheArtenvonsonderpäda-gogischem Förderbedarf sich Eltern das gemeinsame Lernen vor-stellenkönnen,bestätigensichebenfallsimWesentlichendieAntwortmuster von vor der Corona-Zeit: Die mit Abstand größte GruppevonInklusions-Befürworter:innenfindetsichimFallkör-perlicherBeeinträchtigungen:2019hattendies94Prozentbe-fürwortet,imJuli2020fandendies91Prozentunproblematisch.2015 lag der entsprechende Anteil bei 90 Prozent. Unabhän-gig von Corona spricht sich die deutliche Mehrheit aller Eltern ebenfalls für den Besuch einer inklusiven Schule von Kindern mit Sprachschwierigkeiten(2015:67%//2019:71%//2020:72%),vonKindernmitLernschwierigkeiten(63%//65%//69%)undmittraumatischenErfahrungen(56%//54%//60%)aus.

Page 11: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

11

1| HabendieErfahrungeninderPandemiedieallgemeineEinstellungvonElternzuInklusionbeeinflusst?

11

EtwadieHälfteallerElternkannsichdasgemeinsameLernenmitsinnesbeeinträchtigtenKindernvorstellen(43%//56%//49%)–hierfindenwirindenDateneinederbeidenVerände-rungen in der Sichtweise von Eltern zwischen 2019 und 2020: DerAnteilderSkeptiker:innenbzgl.Inklusionistleichtgestiegen,liegt aber noch immer unter dem Wert von 2015. Keine Mehr-heitfindenbeiMütternundVäternbislangdieStimmen,diesichfürdenBesuchinklusiverSchulenvonKindernmitgeistigerBe-hinderung(36%//48%//46%)odermitVerhaltensauffälligkei-ten(42%//37%//44%)aussprechen.

Wirhaltenfest:ImPrinziphatsich–mitAusnahmekleinerVer-schiebungen–auchdurchdieteilsnegativenErfahrungeninderCorona-Zeit nichts an der grundlegenden Haltung gegenüber einem inklusiven Schulsystem verändert. Damit sind die Wei-chengestellt,dieUN-Behindertenrechtskonventionkonsequentumzusetzen.DiePolitikistgefordert,dienotwendigenRahmen-bedingungen für eine qualitätsvolle Umsetzung des gemeinsa-menLernensfüralleKinderzuschaffenundaufdieseWeiseauchdiejenigen,dienochnichtvondenVorteilenüberzeugtsind,mitgutenArgumentenundtransparentenQualitätskriteriendie Möglichkeiten vor Augen zu führen.

ABBILDUNG 2 Mehrheit macht Inklusion vom Förderschwerpunkt abhängig

Frage: Was meinen Sie: Sollten Kinder mit Behinderung/sonderpädagogischem Förderbedarf gemeinsam an einer Schule mit Kindern ohne sonderpädagogischen Förderbedarf lernen?

Grundgesamtheit: Deutschsprachige Eltern von Kindern im Alter bis 17 Jahre. Werte in Prozent / Veränderungen in Prozentpunkten zu September 2019. Fehlende Werte zu 100 Prozent: Weiß nicht

Quelle: infratest dimap

2124 25

ja

70

63 64

Feb. Sep. Jul.

812 10

nein

0 %

kommt auf die Art der

Behinderung an

2015 2016 2017 2018 2019 2020

ABBILDUNG 3 Eltern befürworten Inklusion im Falle von Kindern mit …

Frage: Sonderpädagogischer Förderbedarf kann sehr unterschiedlich sein. Befürworten Sie das gemeinsame Lernen von Kindern ohne Behinderung/sonderpädagogischen Förderbedarf und Kindern mit …?

körperlichen Beeinträchtigungen

Sprachschwierigkeiten

Lernschwierigkeiten

traumatischen Erfahrungen

Sinnesbeeinträchtigungen

geistiger Behinderung

Verhaltensauffälligkeiten

91

72

69

60

49

46

44

94

71

65

54

56

48

37

90

67

63

56

43

36

42

Grundgesamtheit: Deutschsprachige Eltern von Kindern im Alter bis 17 Jahre. Werte in Prozent. Fehlende Werte zu 100 Prozent: Weiß nicht.

Quelle: infratest dimap

2020

2019

2015

Page 12: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

12

Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?

12

2 | WiehabenElternvonKindernmit Förderbedarf die Krise erlebt?

IndengesamtenBerichterstattungendervergangenenMonategingesnursehrseltenumdieFrage,wieesdenKindernundJu-gendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Zeiten deshäuslichenLernensundderlangsamenSchulöffnungener-gangen ist. Im zweiten Teil unserer Umfrage haben wir uns daher ausschließlich auf diese Frage konzentriert und nur die Eltern aus unseremElternpanelbefragt,dieeinKindmitsonderpädagogi-schem Förderbedarf in ihrer Familie haben. Dabei können wir dif-ferenzieren,inwiefernsichMütterundVäter,derenKindeineFörderschulebesucht,inihrenErfahrungenvondenElternunter-scheiden,derenKindaneinerinklusivenSchulelernt.

2.1 Zufriedenheit mit den Schulen ist gemischt: Eltern geben eine Drei Minus

Immerhingut59Prozentderrund600befragtenMütterundVäterberichtenzumZeitpunktderBefragung,esgeheihnengrundsätzlichgut(ohneAbbildung).DashäuslicheLernenunddie elterliche Betreuung im heimischen Umfeld tue den Kindern in Teilen auch gut und komme den Bedürfnissen sogar entgegen. So sei „Die Umstellung von wöchentlich Homeoffice und Schule zwar nicht ganz einfach“gewesen,dochnachdemsichalledarangewöhnthätten,gingeesihnen„sonst im Homeoffice plus Home-schooling gut. Viele Kinder profitieren davon, dass der riesige Leis-tungsdruck wegfällt und die Gesamtsituation entspannter ist. Die Kinder haben mehr Raum und Freiheit sich zu entwickeln und zu entfalten“(#260).Mit35ProzentkönnendiesmehralseinDrit-

ABBILDUNG 4 Eltern von Förderkindern beurteilen rückblickend die Möglichkeiten zum Lernen mehrheitlich kritisch

Frage: Wie beurteilen Sie derzeit die Möglichkeiten zum Lernen für Ihr Kind? (Mehrfachnennungen möglich)

52

Nicht gut

• schlecht / schwierig (allgemein)• nicht gut, da dem Kind die notwendige Förderung / Unterstützung / Kontakt zu Lehrern fehlt• nicht gut, da zu wenig Präsenzunterricht stattfindet / Kind zuhause schlecht lernt• Möglichkeiten sind nicht / kaum / nur unzureichend vorhanden (allgemein)

42

Gut

• gut / sehr gut (allgemein)• ausreichend / annehmbar / normal / okay (allgemein)• gut, da die Schule alternative Lernkonzepte und Unterstützung / Förderung anbietet

Mal so, mal so

• aufgrund der Ferien derzeit kein Urteil möglich• herausfordernd, da viel selbständiges Lernen verlangt wird

4

Grundgesamtheit: Deutschsprachige Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Werte in Prozent

Quelle: infratest dimap

Page 13: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

1313

telderBefragtenallerdingsnichtnachvollziehen–sieberichtenvonÜberlastungundStress.„Wir sind einfach urlaubsreif. Wir hat-ten die letzten Wochen mehr Stress, arbeiten gehen und dann vor oder nach der Arbeit noch Schulaufgaben machen“(#500).Zudemfehledienotwendige(spezielle)FörderungfürdasKind,esgebe„kaum Anforderungen von der Schule, keine Motivationen (…). Wir sind sehr unzufrieden mit der Situation, da Lehrer kaum Aufgaben geben bzw. kontrollieren“(#2048).VieleMütterundVäterkönnenden eigenen Angaben zufolge ihre Kinder nur sehr bedingt un-terstützen und bemängeln zudem die fehlende Förderung in den spezifischenBedarfenihrerKinder.SchließlichberichtenetwasechsProzentderBefragten,esgeheihnenundihremKindzwarnichtgut,abersiehättensichimPrinzipmitderSituationarran-giert bzw. die Herausforderung angenommen: „Es war anfangs sehr schwierig, mittlerweile haben wir uns schon irgendwie arran-giert“ (#1522).

DieMöglichkeitenihresKindes,inderZeitderSchulschließun-genlernenzukönnen,bewertenmit52ProzentgutdieHälftederMütterundVäteralsschlecht.EsfehleannotwendigenUnter-stützungsmaßnahmen,zudemlernedasKindzuHauseschlecht–auch weil es die entsprechenden Rahmenbedingungen nicht gebe. Insgesamtpositiväußernsich42ProzentderEltern,wennesumeine Einschätzung der Lernmöglichkeiten für ihr Kind mit sonder-pädagogischemFörderbedarfgeht.VierProzentderBefragtenäußernsichnichtklarpositivodernegativ(vgl.Abbildung4).

Gefragt nach der konkreten Unterstützung seitens der Schule hinsichtlichderbesonderenBedürfnissederKinder,teiltsichdieElternschaftindreietwagleichgroßeLager:Mit37ProzentwürdeeingutesDrittelallerMütterundVäterdenSchulenihrerKinderdieNote„sehrgut“oder„gut“geben,einweiteresDrit-tel erteilt der schulischen Unterstützung in der Corona-Krise ein „befriedigend“oder„ausreichend“,und31ProzentderElternsindmitderUnterstützungderSchuleunzufrieden–sievergebenein„mangelhaft“oder„ungenügend“.ImDurchschnittschreibendieEltern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf den SchulenalsoeineDreiMinus(3,4)insZeugnis,wasdieUnterstüt-zungwährendderPandemiebetrifft(vgl.Abbildung5).

DabeiäußernsichMütterundVäter,derenKindereineFörder-schulebesuchen,etwaspositiveralsElternvonKindernmit Förderbedarf in inklusiven Schulen: So erhalten die Förder- schulenimSchnitteine3,3,inklusiveSchulenimSchnitt„nur“eine3,6.

BeiderAbfrage,wieoftdieSchulesichmitMaterialoderauchmitkonkretenHinweisenundTippszurBearbeitungundOrga-nisationdesLernensgemeldethabe,wirddeutlich,dassüberalleFragenhinwegetwaeinDrittelallerElternvonKindernmitson-derpädagogischemFörderbedarfhäufig(d.h.täglichbismehr-

malsproWoche)KontaktzurSchulehatte,wasdenErhaltvonMaterial(überverschiedeneKanäle)oderdidaktischeUnterstüt-zungbetrifft:31Prozentgebenan,häufigLehrmaterialienperMailerhaltenzuhaben,28ProzenthattenMaterialzugangmit-telseinerdigitalenPlattform.26Prozentnutztendiehäufigange-botenenonlinebasiertenLernangebote,22Prozentwurdenhäu-figperMessenger-KanalmitLernmaterialversorgt.SchließlichnutzejedezehnteFamiliedashäufigeAngebotderSchule,Mate-rialabzuholen(ohneAbbildung).

DerAnteilderEltern,dievonderSchulehäufigHinweisedazuerhielten,wiedasKindAufgabenbearbeitenoderdashäuslicheLernenorganisierenkann,lagbeiknapp20Prozent(vgl.Abbil-dung6).Inetwa16ProzentallerFamiliengabendieLehrkräftehäufigesFeedbackzudenbearbeitetenAufgaben;zusätzlicheAngebote zur häuslichen Förderung erhielt jede zehnte Familie (11%)miteinemKindmitsonderpädagogischemFörderbedarf.RegelmäßigeundhäufigeKontaktemitMitschüler:innenstandennur für 17 Prozent dieser Familien auf dem Wochenplan. Aller-dingshatetwadieHälfteallerMütterundVäternursehrselten(d.h.monatlichoderseltener)UnterstützungsangebotezurLern-organisation(46%)oderHinweisezurBearbeitungderAufgaben(59%)erhalten.FeedbackderLehrkräftegabesfürknappdieHälfte(48%)derElterneherselten,undbeietwaeinemViertel(26%)derFamiliengabesüberdiegesamteZeitderSchulschlie-ßungen keinerlei Feedback zu den bearbeiteten Materialien.

Auch auf Hinweise zur organisatorischen Gestaltung des häusli-chenLernenshaben32ProzentderMütterundVätervergeblichgewartet.EinAustauschmitderKlassengemeinschaftfehlteinzweiDrittelderFälle(66%).AufHinweisezurzusätzlichenhäus-lichenFörderungkonntenmit72ProzentnahezudreiViertelaller Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf nur sehr selten oder gar nicht zurückgreifen.

2| WiehabenElternvonKindernmitFörderbedarfdieKriseerlebt?

Grundgesamtheit: Deutschsprachige Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Werte in Prozent

Quelle: infratest dimap

ABBILDUNG 5 Eltern von Förderkindern geben den Schulen ihrer Kinder eine Drei Minus

Frage: Wie gut haben Sie sich während der Corona-Pandemie in Bezug auf die besonderen Bedürfnisse Ihres Kindes von der Schule unterstützt gefühlt?

10

sehr gut

27

gut

19

befriedigend

13

ausreichend

17

mangelhaft

14

ungenügend

Durchschnittsnote3,4

Page 14: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

14

Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?

14

DidaktischeHinweise,wiedieKinderihreAufgabenbearbeitensollten,fehlten44ProzentallerElternüberdiegesamteZeit.BeigutderHälfteallerBefragtenfielzudemderKontaktihrerKin-der zu den Mitschüler:innen weg. Hinweise auf eine zusätzliche Förderung des Kindes im häuslichen Kontext haben 60 Prozent aller Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbe-darfwährendderSchulschließungennichterhalten(vgl.Abbil-dung6).

2.2 Wünsche für das Schuljahr 2020/2021: Eltern und Kinder brauchen mehr Unterstützung

Für das neue Schuljahr wünschen sich die Eltern von Kindern mit sonderpädagogischemFörderbedarffolgerichtigdeutlicheUn-terstützunginvielenverschiedenenBereichen–vorallem,abernichtnurfürdenFall,dassdasPräsenzlernenphasenweisewie-der durch ein hybrides Lernmodell abgelöst werden könnte.

Unterstützungsbedarf5: Schule

brauchen mehr Kontakt mit Schule und Lehrkräften

Ganz oben auf der Wunschliste der Eltern von Kindern mit son-derpädagogischem Förderbedarf steht ein engerer Kontakt mit SchuleundLehrkräften.Insgesamt75Prozentmöchtenfürden

Fall einer erneuten Homeschooling-Phase einen intensiveren Kontaktsichergestelltwissen.DieserWunschbeziehtsich–daszeigendiekonkretenKommentarederEltern–sowohlaufeinenregelmäßigen Kontakt mit den Klassenlehrer:innen und Fach-lehrkräften.„Insgesamt wäre mehr Kontakt zu Lehrkräften wün-schenswert. Während der Klassenlehrer meist sehr gut erreichbar war, ebenso wie die sonderpädagogische Fachkraft, habe ich an-dere Fachlehrer gar nicht erreichen können. Das muss anders wer-den“(#281).

GleichwohlzeigtdieErhebung,wieunterschiedlichdieWahr-nehmungenderElterninBezugaufdieLehrkräfteundSonder-pädagog:innenwaren:VieleMütterundVäterformulierendieseherverhalten–„Lehrer haben sich sehr zurückgehalten in den letz-ten Wochen“(#669),anderenzeigensichoffensichtlichunzu-frieden–„Überhaupt mal ein Kontakt wäre nett, oder mal ein paar motivierende Worte“(#434).Vorallemwirdeineindirekterper-sönlicher Kontakt oder einer per Telefon oder Mail mit den Schü-ler:innenund/oderElterngewünscht.AucheinenVideochatkön-nensichvieleBefragtevorstellen.DieVorstellungengehenvon„täglich“(#520)über„mehrmals wöchentlich“(#889)bishinzu„alle 14 Tage ein kurzes Telefonat mit der Lehrkraft“ (#1420).Wichtigistvorallemeinregelmäßiger,verlässlicherRhythmusmitgenügendZeitfürFragen;einigeElternwürdensichaußerdemKontakt-möglichkeiten nach Bedarf oder eine Sprechstunde wünschen. DerVergleichvonElternvonKindernundJugendlichen,dieinFörderschulenlernen,undElternvoninklusivlernendenSchü-ler:innen mit Förderbedarf zeigt: Die Mehrheit beider Gruppen wünschtsichmehrKontaktzurSchuleundzudenLehrkräften,diestrifftaberinhöheremMaßeaufdieElternvoninklusivler-nendenSchüler:innen(80Prozent)alsaufMütterundVätervonKindernanFörderschulen(64Prozent)zu.

ABBILDUNG 6 Förderkinder hatten wenig Kontakt zu Mitschüler:innen

Frage: Wie oft haben Sie seit der Schulschließung Unterstützung für das Lernen Ihres Kindes durch die Schule erhalten?

Grundgesamtheit: Deutschsprachige Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Werte in Prozent.

Quelle: infratest dimap

19

18

16

11

17

17

46

59

48

72

66

66

6 13 35 14 32

7 11 23 15 44

4 12 36 22 26

3 8 17 12 60

5 12 17 12 54

4 13 17 11 55

täglich nie

Tipps zur häuslichen Lernorganisation

Hinweise, wie mein Kind die Aufgaben bearbeiten soll

Feedback zu den bearbeiteten Materialien durch die Lehrkräfte

Hinweise zur zusätzlichen häuslichen Förderung meines Kindes

Kontakt zur Klassengemeinschaft

Austausch zu den bearbeiteten Materialien mit Mitschüler:innen

mehrmals wöchentlich einmal pro Woche ein-bis zweimal pro Monat

75 %

Page 15: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

15

2| WiehabenElternvonKindernmitFörderbedarfdieKriseerlebt?

15

Unterstützungsbedarf5: Lernen

brauchen mehr didaktische Hilfestellung

Den zweiten Platz auf der Wunschliste hat das Bedürfnis nach didaktischerHilfestellung:73ProzentderElternwollenmehrHinweise,wieihrKinddiegestelltenAufgabenbearbeitenkann.Als mögliche Wege für die Erläuterungen können sich Eltern viele verschiedenevorstellen:VomkurzenTelefonatüberdenAus-tausch per E-Mail oder WhatsApp-Sprachnachricht bis hin zur Videotelefonie,ZoomsitzungoderSlackwerdenvieleKanälevor-geschlagen–wichtigistdenmeistenallerdingseineguteundzeitnahe oder zumindest regelmäßige Erreichbarkeit. So sei man „als Elternteil auch viel zu lange aus der Schule raus und zudem keine Lehrkraft. Einfach einen Ansprechpartner zu haben, der nicht erst drei Tage später auf ein Mail antwortet – das wäre wichtig“(#1426).Hin-sichtlichderFrequenzgibtesebenfallsunterschiedlicheVor-stellungen:Von„jederzeit“ über „täglich“ bis hin zu „(mehrfach) wöchentlich“wünschensichMütterundVätereinemöglichsteng-maschigeBegleitungfürihrKindundsichselbst.VergleichsweisevieleVorschlägegeheninRichtungeinerflexiblenMöglichkeitzurKontaktaufnahmeinVerbindungmiteinemfestenZeitfens-ter,beispielsweise„(…) per Mail und zu einer regelmäßigen, festen di-gitalen Sprechstunde“(#1645).AuchüberdasFormatderdidak-tischenUnterstützunghabensichdieElternGedankengemachtundschlagenInstruktionen,BearbeitungsbeispieleoderauchMusterlösungen mit Lösungswegen vor. Außerdem wären „Videos oder Meetings mit Lehrern, was es für Aufgaben gibt und wie sie zu be-arbeiten sind, ggf. Beispiele“(#1921)ausSichtderBefragtenhilf-reich,fallseswiedereineHomelearning-Phasegebensollte.

WichtigistvielenBefragtenindiesemZusammenhangauch,dassesklare,fürKinderwieElterngleichermaßentransparenteund belastbare Bearbeitungshinweise gibt: In welcher Reihen-folge,inwelcherBearbeitungszeitundbiswannAufgabenerle-digtwerdensollten,scheintdenÄußerungenzufolgesehrhäufigunklargewesenzusein.HierwirdfürdieZukunftmehrKlarheitgewünscht:FormatewieWochenpläne,AufgabeninStunden-plan-Form oder auch die klare Beschreibung von Lernzielen.

FürdieSchüler:innenselbstwünschensichElternklare,eindeu-tigundkorrektformulierte,möglichst„ausführliche Aufgaben und Berücksichtigen von differenzierten Kernangeboten/Aufgabenstellun-gen“ (#662).InderVergangenheithatdieseDifferenzierung–sowirdberichtet–häufiggefehlt.„Da brauchen wir Anleitungen. Ich bekam die Aufgaben, die alle Schüler bekamen. Diese waren teilweise zu schwer und ich wusste nicht, ob sie (das Kind, Anm. NHB) das wirk-lich alles machen soll“(#2231).HilfreichwärenausSichtderFa-milienzudemFotosoderVideosvonTafelbildernoderBeispiel-

lösungen,ggf.Erklärvideos.DabeikannmanlautElterndurchausaufYouTube-Filmezurückgreifen,wenndieQualitätstimmt.Vie-lenwäreallerdingseinErklärfilmderLehrkraftselbstlieber-ins-besondere(abernichtnur)indenPhasen,indenenneueInhaltezu erarbeiten sind: „Erklärvideos für neue Themen wären toll und an regelmäßigen Terminen Videochats mit den Fachlehrern, um Fragen zu stellen oder Feedback zu gelösten Aufgaben zu erhalten“(#2464).Grundsätzlich sind sich die Eltern einig: Ihre Kinder brauchen „genauere Erklärungen. In der Schule werden Aufgaben auch durch-gesprochen und nicht nur Buch Seite x, Nummer y und das war’s“ (#1776).DasmüssefürdieZukunft„(…) auf alle Fälle verbessert werden. Sodass alle, auch lernschwache Kinder selbständig Aufgaben bearbeiten können“(#1931).

SowohlunterElternvonKindernundJugendlichen,dieininklusi-venSchulenlernen,alsauchinderGruppederMütterundVäter,derenKindeineFörderschulebesucht,meldeteineMehrheitdenBedarfnachzusätzlicherdidaktischerHilfestellungan.DieserWunsch wird allerdings in der Gruppe der inklusiv lernenden Kin-dermit77ProzenthäufigergeäußertalsvonFamilienmitFör-derschulkindern(66%).

Unterstützungsbedarf5: Digitalisierung

brauchen mehr Unterstützung bei der Technik

AndritterStelleaufdemWunschzettelstehtdieHilfestellungintechnischenFragen,alsodigitalerAssistenz.62ProzentderEl-tern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf wün-schensichzukünftig–nichtnurineinererneutenPhasedesDistanzlernens–HinweiseundUnterstützungzurHard-undSoftwarefüreinequalitätsvolleUmsetzungdesdigitalenLer-nens. Die konkreten Wünsche beziehen sich dabei auf die tech-nischeAusstattung,aufadäquateundqualitativguteLernpro-grammeund/oderAppssowieaufdieErläuterungen,dieElternundSchüler:innenhelfen,ummitdendigitalenAufgabenundHilfsmittelnangemessenumzugehen.

VielewünschensichvorallemfunktionierendeGerätefürdieSchüler:innen–dazuzählennebenTablet,LaptopoderPCallge-meinaucheineguteInternetverbindungundHilfsmittelwiebei-spielsweiseDruckerodereinebestimmteTastatur,WebcamoderauchKopfhörerundMikrofon.DennauchwenneinmobilesEndgerätoderweiteresEquipmentinderFamiliezurVerfügungsteht,reichtdasinZeitenvonHomeofficeoderbeimehralseinem Kind nicht aus: „Wir haben nur einen Laptop für die ganze Familie und ich arbeite seit Corona daran 40 Stunden im Homeof-fice. Das ist zu wenig mit zwei schulpflichtigen Kindern und geht ein-fach nicht auf“(#802).DabeisehenElternverschiedeneWege,

73 %

62 %

Page 16: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

16

Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?

16

wiedietechnischeAusstattungerfolgenkönnte:Dieeinenwün-schensich,dassdastechnischeEquipmentdenKindernundJu-gendlichendauerhaftzurVerfügunggestelltwird,anderekönnensicheinenfinanziellenZuschussjenachsozialerLagederFamilieoderauchdentemporärenVerleihderGerätevorstellen.Wich-tigistvielen,dasdieSchüler:innenein„gleiches Laptop oder Tab-let mit vorinstallierten Programmen“(#1129)erhalten,undzwarals„technische Grundausstattung für alle – auch Nicht-Hartz-IV-Kin-der“(#113).

BenötigtwerdendarüberhinauskonkreteHilfenimUmgangmitAppsundLernprogrammen,mitdenendieKinderundJugendli-chenarbeitensollenbzw.können.Hiergehtesdarum,grundsätz-lich „entsprechende Programme und Lerninhalte zur Verfügung (zu) stellen“ (#1912),darum,eineÜbersichtzubekommen,„welche In-ternetseiten zur Lösung genutzt werden können und welche Übungs-aufgaben es gibt“(#1659),oderauchum„mehr Möglichkeiten, selber Lernblätter oder Ähnliches frei aus dem Internet herunterzula-den. Bzw. das Freigeben von Bezugsquellen“(#2129).Zudemwün-schen sich die Eltern „mehr auf Kinder mit Förderbedarf zugeschnit-tene Hilfsmittel, da der Stoff ja gleich der Hauptschule ist“(#1557),so etwa für einzelne Förderschwerpunkte „konkrete Programme für Kinder mit motorischer Einschränkung und Geeignetheit“(#2490)oderauchganzallgemeinfürKonzentrationsübungen,Thera-pieansätzeundspielerischeAnsätze,„die das Kind motivieren“ (#2267).WichtigsindindiesemZusammenhangallerdings–sobetonenvieleMütterundVäter–genaueInformationendarüber,wie das jeweilige Programm zu nutzen ist. „Teilweise ist die Nut-zung bestimmter Programme zu schwierig, da man sie nicht kennt und nicht weiß, wie man sie nutzen soll. Hilfsmittel könnten besser in ihrer Benutzung beschrieben werden – man weiß auch als Elternteil nicht immer, wie man manche Sachen machen sollte“ (#914).

Schließlich beanstanden die Eltern von Kindern mit sonderpäda-gogischemFörderbedarf,dassdieSchüler:innenzuwenigaufdieArbeitmitdenzurVerfügunggestelltenMaterialienundAufga-ben vorbereitet sind. Diese können den technischen Anforderun-gendesdigitalenLernenskaumgerechtwerden–Elternfragenhier,„wie das Kind vernünftig mit Software umgehen soll, wenn es in der Schule nie beigebracht wurde“(#1295)undwiezudemdieVer-mittlungvon„Grundkenntnissen am PC für Kinder“(#2559)sicher-gestelltwerdenkann.DassdiestrotzDistanzlernenmöglichist,davon sind einige Eltern überzeugt: So könne man mit Schüler:in-nendurchausüberVideochat,perSkype-KonferenzoderZoom,überMicrosoftTeams,inOnlineräumenundaufPlattformenoderauchperLernvideozeigen,wieTechnikundProgrammezunut-zensind.WichtigistindiesemZusammenhang„einfach die gegebe-nen digitalen Hilfsmittel zu nutzen und Eltern (…) mit einzubeziehen“ (#200)undnachMöglichkeitauf„funktionierende, zugelassene Vi-deokonferenzprogramme“ (#55)zurückzugreifen.

Der Wunsch nach mehr Unterstützung in Fragen des digitalen Lernens zeigt sich sowohl bei den meisten Eltern von inklusiv ler-nendenKindernundJugendlichenalsauchmehrheitlichbeiEl-ternvonFörderschüler:innen(68%//60%).

Unterstützungsbedarf5: Soziale Kontakte

brauchen mehr Kontakt zu Klasse und Mitschüler:innen

GutdieHälfte(55Prozent)allerElternvonKindernmitsonder-pädagogischemFörderbedarfwünschtsichfürkünftigePhasendesDistanzlernensdenKontaktzurKlassengemeinschaftoderzueinzelnen Mitschüler:innen. Dieser Wunsch belegt Platz vier und verdeutlicht die Bedürfnisse der Schüler:innen nach Austausch mit ihren Freund:innen und im Klassenzusammenhalt ebenso wie dem Wunsch nach gemeinsamen Arbeitsphasen bzw. dem Aus-tauschüberdieAufgaben.VieleElternbeschreiben,wieschwerihren Kindern die soziale Distanz gefallen sei. Es ist „(…) so wich-tig für die Kids, Kontakt zu ihren Freunden zu haben“(#1211).„Die Kinder haben sich sehr vermisst“(#1815)und „Freundschaften kön-nen seit Monaten nicht mehr gepflegt werden“(55).IndiesemZu-sammenhangwünschensichdieEltern,dassschulseitigdigitaleFormatebereitgestelltwerden,diedieKlassengemeinschaftalsGanze oder auch Teilgruppen von Schüler:innen in den Blick neh-men.VorgeschlagenwerdenmoderierteKlassenchats,Whats-App-Gruppen,gemeinsameOnlineveranstaltungen,oder„viel-leicht in Form von einem Videochat, so dass sich die Kinder auch mal sehen können. Vor allem für die, die seit der Klassenteilung gar keinen Kontakt haben“(#1871).FormatewieVideokonferenzensolltenstattfinden„(…) mit Lehrer und anderen Schülern (…)“ (#2267),aberauch „(…) für Kleingruppen, wo auch nicht nur schulische, sondern auch Alltägliches wie in der Schule unter den Kids besprochen wer-den kann“(#644)–unddieseFormatesolltennichterstabeinembestimmtenAltereingeführtwerden: „Auch die jüngeren Kinder in der Grundschule sollten innerhalb der Klassengemeinschaft die Mög-lichkeit haben, sich per Videokonferenz zu sehen und auszutauschen“ (#1640).AberauchdieklassischeTelefonketteoderBrieffreund-Aktionen–vonderSchuleorganisiert–könntenausSichtvonEltern den sozialen Zusammenhang stärken.

FürdasgemeinsameLernenwichtigistjedenfalls–hiersindsichviele Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf sicher–derAustauschunddiegemeinsameBearbeitungvonAufgaben in Gruppen. „Wichtig wäre der Austausch mit anderen Schülern beim Lernen, da lernt man viel mehr als alles allein zu ma-chen“ (#910).VorstellbarsinddabeiverschiedeneFormate:Ge-nannt werden „Feste Verabredung zum Lernen mit wenigstens einem anderen Schüler, ggf. Videotelefonie in Kleingruppen“(#929),„(…) wenn zusätzliche Lerngruppen gebildet werden könnten, als Pflicht-

55 %

Page 17: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

1717

2| WiehabenElternvonKindernmitFörderbedarfdieKriseerlebt?

veranstaltung“(#1100),„feste Lernpartner“(#2665),„(…)ein (mode-riertes) Portal, auf dem die Schüler zusammen lernen bzw. sich über bestimmte (schwierige) Themen austauschen können“(#496),„eine digitale Pinnwand“ (#1039)oderauch–ganzherkömmlich,fallsdastechnischeEquipmentnichtzurVerfügungsteht–einvonderLehrkraftorganisierter„Austausch zu den Aufgaben per Tele-fon“ (#426).

SchließlichsprachensichvieleElterndafüraus,dieSchulenmin-destensphasenweisefürdasPräsenzlernenzuöffnen:DasGrosplädiert dabei für ein oder zwei Tage Präsenzunterricht pro Woche;auchdiekonsequenteAufteilungvonKlassenoder„Ein-richtung von z. B. Klassengruppen, in denen die Kinder verpflichtend sein müssen“,(#1420)müssteninlängerenPhasendesDistanz-lernensebenfallsgewährleistetsein–eineForderung,diejenachpandemischer Entwicklung in den nächsten Monaten nicht aus dem Blick verloren werden sollte.

EinedifferenzierteBetrachtungvonFamilienmitKindernanFör-derschulenimVergleichzuFamilien,derenKinderininklusi-venSchulenlernen,zeigt,dasssichwiederuminbeidenGruppeneine Mehrheit Unterstützung in der Frage sozialer Kontakte zur Klasse oder zu einzelnen Mitschüler:innen wünscht. Bei den För-derschüler:innensindes61ProzentderEltern,beideninklusivlernendenKindernundJugendlichenäußern56ProzentderEl-tern hier Unterstützungsbedarf.

Unterstützungsbedarf5: Lernbegleitung

brauchen mehr Kontakt zur Schulassistenz

Platz fünf auf der Liste für einen wie auch immer gestalteten Hybrid- oder Distanzunterricht belegt der Kontakt zur Schul- assistenz4: 44 Prozent der Eltern von Kindern mit sonderpäda-gogischemFörderbedarf(46%derElternvoninklusivlernendenSchüler:innenversus43%derElternvonKindernundJugend- lichenanFörderschulen)formulierenvordemHintergrundihrerErfahrungen während der Schulschließung konkrete Bedürfnisse: DasesoftmalsnurwenigbisgarkeinenKontaktzumSchulassis-tentenoderzurSchulassistentingab,konkretisierenMütterundVäterdieKontaktfrequenzundbenennenhilfreicheKontaktka-nälesowiekonkreteBereiche,indenensieUnterstützungvonderSchulassistenzbenötigen.

AndersalssieesinderCorona-Zeiterlebthaben,wünschensichdieElternzudemfürdieZukunft(imFalleineserneuten,phasen-

4 InsbesonderehierwirdausvielenÄußerungendeutlich,dassdieElternnichtausschließlichüberdieSchulbegleiter:innen,sondernauchüberSonder-undSozialpädagog:innensprechen.

weisenHomeschoolings)einenregelmäßigendirektenundper-sönlichenKontaktzurSchulbegleitungihresKindes.Diesmuss,soerklärtdieMehrheit,nichtunbedingttäglichsein–einwö-chentlicher Turnus hingegen wäre für die meisten hilfreich. ZudemerachtendieElternesalswünschenswert–überdieSchulbegleitunghinaus–„bei Fragen auch einmal einen Ansprech-partner zu haben“(#1100),undauchdie „Kontaktmöglichkeiten zu den Sonderpädagogen sollten für alle offenstehen“(#1200).AlsKon-taktweg können sich die meisten eine telefonische Sprechstunde oderfestvereinbarteTerminevorstellen,auchdigitaleKontakteinFormvonOnlinesprechstunde,Videoanruf/Videomeetingoder ein Austausch per Mail und WhatsApp kommen in Frage. In einigen wenigen Fällen haben die Eltern den konkreten Wunsch nachpersönlichenTreffenvorOrtund/odereinerwöchentlichenPräsenzzeit,inderdieSchulbegleitungdashäuslicheLernenihresKindes betreuen kann.

KonkreteHilfevondenSchulbegleiter:innen–sobeschreibenesdieEltern–würdeimFallweitererHomeschooling-Phasenso-wohl beim Lernen der Kinder also auch in Bezug auf allgemeine TippszurFörderungbenötigt.DieBandbreitederWünschederEltern hinsichtlich einer zusätzlichen Unterstützung ist dabei groß:BenötigtwerdenzumeineneherfreizeitbezogeneBetreu-ungsaktivitätenwieetwa„Angebote zum Auspowern“(#530),„sich mal länger Zeit für die Kids nehmen“ (#1295),zumanderenaberauchStrukturierungshilfenfürdenAlltag,„regelmäßige Abspra-chen, was zu erledigen ist und wie es zu erledigen ist und in wel-cher Zeit“(#2234),sowieeineBrückenfunktionzurSchule.„Wir bräuchten sie auf jeden Fall als Brückenglied zur Schulleitung, da nichts kommt“ (#1390)undalseinenKontaktfür„Gespräche mit dem Förderpersonal, um zu erörtern, welche Maßnahmen zu Hause ergriffen werden können“(#929).EinezentraleFunktionschrei-bendieElterndenSchulbegleiter:innenauchals„Hilfe beim Bear-beiten der Unterrichtsmaterialien“(#598)zuund„vor allem für die technische Unterstützung, wenn wieder irgendetwas nicht funktio-niert“ (#1776).

Insgesamt sehen die Eltern die Schulassistenz weniger als Unter-stützungfürihreKinder,sonderneheralsChance,„dass man die Eltern unterstützt“ (#2971),zumBeispielinFormvon„Austausch über Lernverhalten“(#1888)und„Lernunterstützung“(#635),durch„regelmäßige Nachbesprechung besonderer Situationen“(#725),„Rücksprachen über Hilfsangebote/Nachteilsausgleich“(#662)oderaucheineHilfebeiderKlärung,wieesweitergeht:„(…) gibt es Möglichkeiten einer Zusatzförderung, Videochat oder einfach ein Telefonat? Aktuell werden nur über die Schulhomepage die Änderun-gen angegeben“(#1426).

44 %

Page 18: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

18

Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?

18

Unterstützungsbedarf5: Pflege und Betreuung

brauchen mehr Unterstützung bei der Pflege des Kindes

DievielfältigeProjektionsflächefürUnterstützung,dieeineSchulbegleitungbietet,spiegeltsichebenfallsindenAntwor-ten der Eltern auf die Frage nach Hilfestellungen für die persönli-che Betreuung des Kindes im Fall einer weiteren Phase des häus-lichenLernens.MehralseinDrittelderElternvonKindernmitsonderpädagogischem Förderbedarf melden hier sehr konkrete Bedarfean.DabeibenötigenmehrElternvonKindernundJu-gendlichenanFörderschulen(57%)zusätzlicheUnterstützung,alsdiesbeiFamilienvoninklusivlernendenSchüler:innen(37%)derFallist.DieWünschederMütterundVäterdrehensichdabeizumeinenumdieUnterstützungbeimLernen–„Mein Kind lernt nicht mit mir, es gibt eine absolute Verweigerung. Da benötige ich persönliche Betreuung“(#275)–undindiesemZugnatürlichauchum den bereits angesprochenen direkten Kontakt zum Fach-personal(Klassenlehrer:in,Sonderpädagog:in,Sozialpädagog:in,Schulbegleiter:in,Therapeut:in).Zumanderenwirddeutlich,dassinEinzelfällenauchsichergestelltseinmuss,dasseseinepfle-gerischeUnterstützunggibt,etwaübereinenPflegedienst,odereine psychiatrische und ärztliche Betreuung. Ebenfalls gehol-fenhätteeinesituationsangemesseneErhöhungderfinanziellenUnterstützungwieetwaderVerhinderungspflege–diessollteausSichteinigerElternfürmöglichekünftigePhasendesHome-schoolingsgeprüftwerden.SchließlichwünschensichvieleMüt-terundVäter–fürsichebensowiefürihreKinder–eine„seeli-sche Unterstützung für die Tiefs“(#1390).

2.3WünscheandiePolitik: Eltern erwarten gutes Krisen-managementundInvestitionen

Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf habenüberweiteTeilederCorona-DebatterundumHygiene-maßnahmen,LerneninQuarantäneunddielangsameWiederer-öffnungderSchulenkaumGehörfürihreWünscheundBedürf-nissegefunden.Fragtmansieselbst,wassiesichimLichteihrerErfahrungenvonderPolitikwünschen,6 so zeichnen sich drei

5 Frage:BittestellenSiesichvor,dassSchuleauchimnächstenSchuljahrteilweiseineinerMischungausschulischemLernenundhäuslichemLernenstattfindet:WasbrauchenSie,damitIhrKinddienotwendigeUnterstützungerfährt?,Grundgesamtheit:DeutschsprachigeElternvonKindernmitsonderpädagogischemFörderbedarf.

6 DieElternwurdengebeten,zudenoffenenFragenihredreiWünscheandiePolitikzuformulieren.Wirhabendaraufverzichtet,zwischenErst-,Zweit-undDrittwunschzuunter-scheiden,sonderninhaltlichklarformulierteForderungendendreiThemenbereichenzugeordnet.DahergebenwirnurzurgrobenOrientierungProzentanteilezudenBereichenan.VieleweitereÄußerungensindentwedersehrallgemeinoderbeziehensichaufmehroderwenigerkonkreteVorschlägezuAspektenderWirtschaftspolitik(Renten,Steuern,Umweltschutzetc.).DieseÄußerungenwerdenindervorgelegtenAnalysenichtberücksichtigt.

größereinhaltlicheBereicheab:Jeweils47ProzentallerWün-schethematisierendasCorona-KrisenmanagementunddieBil-dungspolitik,38ProzentrichtenForderungenandiePolitikall-gemein.

Gutes Krisenmanagement: Einheitliche Richtlinien undkreativeLösungen

Bei den Forderungen der Eltern von Kindern mit sonderpäda-gogischemFörderbedarfzumKrisenmanagementderPolitikstehen an erster Stelle deutschlandweit einheitliche Hygiene-regelungen mit nachvollziehbaren Kriterien und transparen-ten Regeln. Dazu gehört auch ein tragfähiges Konzept für schu-lische Bildung in der Zeit der Corona-Krise und darüber hinaus. SowünschtensichvieleMütterundVäterzumZeitpunktderBe-fragungdieWiedereröffnungderSchulenundKiTas,verban-den dies allerdings meistens mit der Forderung nach einer klaren RichtlinieundauchnachkreativerenLösungen,wiederUnter-richtunterHygienegesichtspunktendauerhaftsichergestelltwerden kann.

Wichtigsind „(…) maximale Zeiten im Präsenzunterricht unter Nut-zung kreativer Lösungen (z. B. Unterricht mit Abstand in der Turnhalle, Aula, anderen Gebäuden wie Kirchen etc.), auch mit Schichtsystemen und oder zeitversetztem Unterricht“(#3069).EsmussganzobenaufderpolitischenAgendastehen,„Schulen als wichtig anzuerkennen, alle anderen Einrichtungen, auch wenn sie noch so sinnlos sind, wer-den vor den Schulen geöffnet, nur weil der Profit wichtig ist“ (#2464).Wichtigistzudem,dassdieGesundheitskonzeptederSchulensoausgearbeitetwerden,dass„Schulschließungen möglichst ver-mieden werden“(#910).DieElternlegendabeiWertdarauf,dasseskeinesystematischeBenachteiligunggebendarf:Forderun-gen wie „Schulöffnung entweder für alle oder niemanden“ (#2726),„Schule wieder für alle“(#2296)oder „Ich wünsche mir, dass alle Kin-der wieder zur Schule gehen können“(#1667)zeigenbeispielhaft,wiewichtigdenElternvonKindernmitsonderpädagogischemFörderbedarf die Gleichbehandlung aller Kinder ist.

DarüberhinausscheidensichvorallemanMaskenpflichtundderAbstandsregelungdieGeister.Vieleplädierenunteranderemdafür,dassdie „Kinder mit Mundschutz im Unterricht“ (2417)sitzensollten.AnderewürdendieMaskenpflichtlieberheutealsmor-genganzabschaffenundfinden,dass„die psychische Gesundheit genauso wichtig ist wie die körperliche Gesundheit“ (#2231).Gleich-zeitiggiltes–soargumentiereneinige–eineerneuteInfektions-

36 %

Page 19: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

19

2| WiehabenElternvonKindernmitFörderbedarfdieKriseerlebt?

19

welle zu vermeiden und den Kindern so schnell wie möglich wie-derKonstanzundSicherheitzubieten–allerdingsnichtumjedenPreis: „Lasst die Kinder keine Versuchskarnickel sein, Bildung brau-chen sie! Aber nicht um jeden Preis, ohne Gesundheit bringt es auch keinem mehr was“(536).IndiesemZusammenhangwünschensichdieElternmehrheitlicheinbesonnenesVorgehen,insbeson-dere wenn es um die Lockerungen der Einschränkungen geht. Sie plädierendafür,die„Coronaregeln laufend der Situation anzupas-sen“ (#683).Dieskannbegleitetwerdenvon„Regelmäßige(n) Co-rona-Tests an Schülern und Lehrern“(#488),„einer Verstärkung der Kontrollen, denn es gibt zu viele, die einfach meinen, sie können den Vorschriften entgehen“ (#1776),sowieeiner „klaren Regelung für Mund-und-Nasen-Schutz“(#2520).

Erwartetwirdauch,dassman„den Lehrern klare Vorgaben zur Be-wältigung der neuen Situation gibt und sie unterstützt“ (#1823)unddass insgesamt „mehr Verständnis für Risikopatienten – auch unter den Kindern“(#1751)aufgebrachtwird.IndiesemZusammen-hangsolltegeprüftwerden,inwiefernesmöglichist,dass„Risiko-lehrer sich um Risikokids kümmern – so wären beide Seiten geschützt“ (#2166).AlswichtigerachtenElternschließlich,dass„mehrere Räume zur Verfügung stehen, so dass dort in Gruppen gelernt werden kann“(#500).

InsBildungssysteminvestieren:MehrPersonal,DigitalisierungundLehrer(fort)bildungen

KonkreteWünscheandieBildungspolitiklassensichausfastderHälftederÄußerungenherauslesen–dabeisindzumTeilÜber-schneidungenmitdenForderungenandaspolitischeKrisenma-nagementzuerkennen.AuchisthäufigkeindirekterBezugaufdieCorona-Krisegenommen–vielmehrscheinendieElternihreWünschefüreinSchulsystemderZukunftzuformulieren.

MütterundVätervonKindernmitsonderpädagogischemFörder-bedarfwünschensichvorallemmehrInvestitionenindiebauli-cheundtechnischeAusstattungderSchulenundindasdigitaleLernen.SieerwartenvonderBildungspolitikkonkreteMaßnah-menpakete,damit„unsere Kinder nicht in immer mehr baufälligen Schulen unterrichtet werden“(#886),sondernin„Sanierten Schu-len“(#1341)unter„mehr und besseren räumlichen Möglichkeiten“ (#313)mit„Smartboards und Tablets als Standard an allen Schulen“ (#724)lernenkönnen.Hiergiltes,den„Digitalpakt endlich voran-zutreiben“ (#576),indemdie„Gelder aus dem Digitalpakt einfacher bereitgestellt werden“(#254).Dazugehörtenauch„einheitliche Vor-gaben für die Schulen, wie das digitale Lernen von den Lehrern umzu-setzen ist“ (#655).DieBildungspolitikmussausElternsichtdafürSorgetragen,dasses„Unterstützung für Lernplattformen für jede einzelne Schule“gebe,dass„jedes Kind die Möglichkeit für digitales Lernen“ (1751)erhält;dafürbrauchtes „mehr digitale Lernangebote

für lernbehinderte Kinder“ (#1931).BegleitetwerdenmussdieseEntwicklungen vor allem durch einen „schnellen Ausbau der digita-len Kompetenz der Lehrer“ (#641)–alsodurch„Schulungen des vor-handenen Lehrpersonals – viele Lehrer sind schon mit einer E-Mail überfordert, digitale Lernangebote erreichen die Schüler nicht, weil die Lehrer damit nichts anzufangen wissen und Erneuerungen dieser Art ablehnen“(#2517).

WichtigistdenElternhierauchdieaktiveBemühungderPoli-tik,denLehrkräftemangelzuverringern–selbstwenndieGren-zen durchaus erkannt werden: „Ich bin nicht sicher, wie viel die Po-litik da leisten kann, aber wir brauchen dringend mehr Lehrkräfte“ (#1100).DennochistdieForderungnachMaßnahmen,diezumehrFachpersonalinSchulenundKiTasführen,indenRückmel-dungen der Eltern omnipräsent. „Stellt endlich genug Personal zur Verfügung. Verschleppte Probleme lösen sich nicht von allein“ (#531).Die Überlegungen beziehen sich dabei sowohl auf mehr Personen fürdieUnterrichtsversorgunginsgesamtalsauchdarauf,dieRe-krutierungvon „mehr Lehr- und Fachkräften, um die Integration von Kindern mit Behinderung weiter zu fördern“(#1557).Denkbarwäreihrer Ansicht zufolge ein Modell von „Assistenzlehrkräften“ (#364),also die Einstellung von „zusätzlichem Personal zur Kontrolle der gestellten Aufgaben als Hilfe für den Lehrer“(#1970).SchließlichsolleinehöhereZahlvonLehrkräftenausSichteinzelnerElterndazudienen,eine„Verbesserung des Personalschlüssels an den Schu-len“(3030)herbeizuführen–auchimSinnevon„mehr Lehrkräf-te(n) für kleinere Klassen“(#2786).SosindeinigeMütterundVäterderMeinung,mansolle„grundsätzlich kleinere Klassenstärken an-streben – das macht vieles einfacher – Kinder wie auch Lehrer können davon profitieren“(#1863).

VielenElternliegtdiefinanzielleUnterstützungvonFamilienamHerzen–imHinblickaufLehrmittelinsgesamt,aberauchaufdasnotwendige Equipment für das digitale Lernen. Die Bandbreite derForderungenandieBildungspolitikreichtdabeivonallgemei-nenWünschennachUnterstützung,wie„finanzieller Hilfe, um In-ternet zu haben“ (#2902)überdieBitteum„Unterstützung bei der Anschaffung von Laptop und Drucker“ (#426)bishinzudetailliertausformuliertenVorstellungenwie„gleichen Laptops oder Tab-lets für alle Schüler mit vorinstallierten Programmen und entsprechen-des Erlernen im Umgang damit als zusätzliches Schulfach, damit ggf. bei einer erneuten Schulschließung effizientes Homeschooling mit On-line-Meetings erfolgen kann“ (#1229).Zudemsollten„digitale Lern-angebote kostenfrei zur Verfügung gestellt werden“ (#2944).DiesgiltabernichtnurfürdigitaleAspektedesLernens:MütterundVätererwartenvonderBildungspolitikauch„finanzielle Unterstützung für die Schulen, um Arbeitsmaterialien für Schüler und Eltern weitge-hend stellen zu können“(#693).Sosolltedas„komplette Unterrichts-material zur Verfügung stehen“ (#1191),also„Lehrmaterial wie Bü-cher und Arbeitshefte kostenlos sein“ (#1240).InsgesamtmusssichihrerAnsichtnachdieBildungspolitikmehrdarumkümmern,

Page 20: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

20

Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?

20

dass „alle Kinder die gleichen Lernchancen“(#1762)erhaltenunddamit „bessere Chancen für alle“(#2223)gesichertsind.

Diesgilt–ausSichtvonElternmitKindernmitsonderpädagogi-schemFörderbedarfwenigüberraschend–auchundvorallemfürdasinklusiveLernen:GemäßdemMotto„Wer sich Inklusion auf die Fahne schreibt, sollte diese auch mehr fördern“ (#2314),er-warten die Eltern „mehr Geld für Inklusionsschulen“(#2499),„mehr Individualität im Unterricht“(#541)undeine„bessere (professionel-lere) Unterstützung der Kinder, angepasste individuelle Unterstützung und nicht nur pauschal irgendwas“(#701).Gewünschtwirdganzkonkret „Hilfe für förderbedürftige Kinder, die zu Hause den Lernstoff verstehen lernen müssen“ (#1328),sowie„Sonderreglung für Förder-schwerpunkte“(#1637)–beispielsweisealternativeLeistungsbe-wertungenundandereZeittaktungen.Aucheinestärkere„Ent-lastung der Eltern von Kindern mit Förderbedarf“ (#2784)fürdenFall einer erneuten Homeschooling-Phase wird eingefordert. So könnte eine „Hilfe für Eltern/Familien mit sonderpädagogischem För-derbedarf sein, dass das Kind wöchentlich zwei Std. aus der Familie genommen und ausgepowert wird in Form von boxen, Fußball spie-len...“(#530).EinigenStimmenzufolgewäreesdenkbar,das „Hybridlernen zu forcieren, aber im Hinblick auf die Förderung des Einzelnen“ (#1208).

SchließlichspiegelndieoffenenformuliertenAnregungenderEl-terndieunterschiedlichenSichtweisenwieder,wennesumdasgeeigneteSchulmodellfürKinderundJugendlichemitsonderpä-dagogischem Förderbedarf geht: Befürworter:innen wenden sich mit einem Appell für das gemeinsame Lernen an die Bildungspoli-tik:„Bitte unterstützen Sie die Bewegung der Inklusion, um alle Kinder inklusiv zu beschulen“ (#105),Kritiker:innenplädierenhingegendafür,dass„Sonderpädagogik beibehalten wird, Kinder mit beson-derem Förderbedarf sind nicht für eine Inklusion geeignet“ (2953),unddafür,dasseseine„Bessere Unterstützung der Förderschulen“ (#2129)gebensolle.StellvertretendfürvieleStimmenbringteinElternteildieForderungenderMütterundVäteraufdenPunkt:„Vergessen Sie nicht, dass jedes Kind, auch mit seinen Einschränkun-gen, ein Recht auf gute Bildung hat.“

IndiesemSinnedenkenvieleElternbeimöglichenVeränderun-gendesSchulsystemsschonweiterunderhoffensichvonderBil-dungspolitikeingrundlegendesUmdenken:GefordertwirdzumBeispiel eine „Schulreform – Kinder von der 1. Klasse bis zur 10. Klasse in einer Schule vor Ort mit unterschiedlichen Abschlüssen und dem Zugang zum Gymnasium ab 9. Klasse“ (#375),alsoein„gemein-sames Lernen mindestens bis Klasse 8“(#1992).Dabeiistein „Ein-heitliches Schulsystem“ (#2265)inderOrganisationsform„Ganz-tagsschule“ (#1552)denkbar;zudemwirdvonEinzelnenangeregt,dass „Schulpolitik auf Bundes-, nicht auf Landesebene“(#1885)an-gesiedeltist.AndereStimmenwünschensichnachdenErfahrun-genderCorona-Zeitzudem,dasseseine„Bildungspflicht statt Prä-

senzpflicht“ (#2166)gibt,diedurcheinensystematischenAusbaudesdigitalenLernensmöglichgemachtwerdenkönnte:Vorstell-bar–unddeshalbalsWunschandieBildungspolitikgerichtet–ist eine „dauerhafte Ermöglichung von teilweiser Fernbeschulung“ (#296)oderaucheine„Wahlfreiheit von Homeschooling“(#1694).

InsgesamtstehteinWunschandieBildungspolitikganzobenaufderListe:Elternhoffen,„dass das gesamte Schulsystem aus den Feh-lern dieser Zeit lernt. Schuldigitalisierung heißt nicht, dass die Kinder Tablets kriegen, sondern dass die Lehrer sich in digitalen Plattformen auskennen, Material und Aufgaben richtig aussuchen und zusam-men mit den Kindern nutzen“(#1364).EinApell,denvieleMütterundVäterinunterschiedlicherArtundWeiseformulieren,lautet:„Nutzt Corona und kehrt nicht in alte Muster zurück. Die Schwächen im Bildungssystem sind so offensichtlich und lange bekannt. Jetzt müsst ihr die Chance zur Veränderung nutzen“(#1348).

Familienmehrunterstützen:FinanzielleEntlastung, BedürfnisorientierungundAusbauvonBetreuungs-angeboten

Insgesamt 38 Prozent aller Forderungen beziehen sich auf eine höherefinanzielleUnterstützungfürFamilienmitKindern,aufden Wunsch nach einem größeren Bewusstsein für die besonde-renBedürfnissevonKindernundJugendlichenunddemAusbaukostenloserBetreuungs-undVersorgungsangebote.SoberichtenvieleFamilienvonfinanziellenVerlustenund/oderÄngstenauf-grundreduzierterArbeitszeiten,diedurchdieBetreuungihrerKinderoderdurchRisikopatient:inneninderFamilieentstandensind.AnderewünschensichmehrWertschätzung,weilsieinsys-temrelevantenBereichentätigsind,keineMöglichkeithatten,ihrenBerufimHomeofficeauszuübenodersichmitdemHome-schoolingderKinderzubeschäftigen.

DieVorschlägegehenvon„mehr steuerliche(n) Erleichterungen für Eltern (Homeoffice, Betreuung)“(#1171)bzw.„finanzieller Entlastung z. B. durch steuerliche Absetzbarkeit der Materialien für die Heimbe-schulung“(#296)über„erhöhtes Kindergeld für die Homeschooling-zeit, ggf. mit Nachweis, wer wirklich deshalb zu Hause war“(#1165)und „Sonderurlaub, um die Schulausfallzeiten und die Ferien bes-ser aufzufangen“(#1481)bishinzueiner„finanziellen Entlastung, um Stundenreduzierung der Eltern zur Betreuung zu ermöglichen“ (#1928).InsbesondereElternvonvorerkranktenKindernmitPflegebedarfodererhöhtemRisikoundAlleinerziehendesoll-ten hier im Fokus stehen: „Die 300 € sind Quatsch. Es wird wieder die Hälfte nur angerechnet, weil es vom Unterhalt abgeht“ (#2572).Stattdessensollten „Eltern und Kinder besser unterstützt werden – in ihrer Freizeitgestaltung, Schule, Förderbedarf“ (#519),inFormvon„höherem Kindergeld“ (#1940)oder„vereinfachte Anträge für Kin-derzuschlag“(#1902).VereinzeltschlagenMütterundVäterauch

Page 21: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

2121

2| WiehabenElternvonKindernmitFörderbedarfdieKriseerlebt?

„mehr finanzielle Unterstützung durch z. B. bedingungsloses Grund-einkommen“(#1766)vor.GleichzeitigwünschensichElternaberauch,dasssieselbstundihreKinderstärkerbeteiligtwerden,dassdiePolitik„mehr Gehör für Eltern und Kinder“ (#2687)zeigt.

DieseForderungwirdverstärktinbestimmtenElterngruppen,wiealleinerziehendeMütterundVätersowieFamilienmitgerin-gerem Einkommen. Allen Wünschen voran aber stellen viele El-ternvonKindernmitsonderpädagogischemFörderbedarf,aufdie Kinderbedürfnisse zu achten: In der Schlussforderung „Achtet mehr auf die Kinder!!!!!“(#1134)versammelnsichverschiedensteBittendazu,dass„Kinderbedürfnisse nicht hinter die der Erwachse-nen gestellt werden dürfen“(#1823),dass„diese die meiste Last tra-gen und hintenüberfallen“ (#1426)unddass„endlich mehr in die Zu-kunft der Kinder investiert wird“(#2514).SosindimHinblickaufKinderundJugendlicheausPerspektivederEltern„einige Dinge nicht so umsetzbar wie von der Politik gefordert“(#1856).Dabeimussesdarumgehen, „mehr Rücksicht auf die Kinder“(#1989)zunehmen und „sich für die Kinder zu interessieren“(#513).

IndiesemZusammenhangbeziehensichvieleÄußerungenundWünsche auf Freizeit- und Betreuungsangebote für Kinder und JugendlichemitsonderpädagogischemFörderbedarf,hierstehtinsbesondere eine regelmäßige und qualitätsvolle Betreuung auch nach der Schule im Fokus.7 Die Wünsche beziehen sich dabeisowohlaufdieVerbreiterungderAngeboteimSinnevon„mehr Angebote für Kinder nach der Schule“(#467)alsauchderenFinanzierbarkeit–„Gebühren für Betreuung senken / abschaffen“ (#289)–unddieVerlässlichkeitderFreizeitmöglichkeiten„Ga-rantierte Kinderbetreuung“,#1978)nachderSchuleund„auch in den Ferien“ (#949).DamiteinhergehtdieAufforderung,beson-dersimFalleineserneutenHybridlernens(d.h.,dassteilweiseinderSchuleundteilweisezuHausegelerntwird),„mehr aktive Un-terstützung von Familien von Kindern mit besonderem Betreuungs-bedarf, notfalls auch zumindest finanziell“(#120)zugewährleistenund dabei „Familien mit behinderten Kindern nicht weiter zu ver-gessen“ (#55).Gewünschtwirddie„zeitliche Entlastung von Eltern“ (#774),„mehr Zeit für die Familie“ (#1994),„mehr Urlaubsanspruch“ (#941),ein „Recht auf Homeoffice“(#1684)bzw.„flexiblere Arbeit-geber“ (#2158)unddieUnterstützung„des familienfreundlichen Arbeitens“(#2267).SchließlichsindganzpragmatischeHilfean-gebote–nichtnur,aberauchinakutenKrisenwiederPandemie–füreinigeElternhilfreich:Gewünschtwird„Jederzeit Unterstüt-zung: Kostenlose Kochkurse, Hauswirtschaft, Erziehung, Ansprech-partner in Streitgesprächen“ (#2287),phasenweise„Haushaltshilfe“ (#574)undauchgenerelleine„personelle Unterstützung (Pflege und Betreuung)“(#56).SehrwichtigistfürdieElterneineBe-rücksichtigunginsbesonderevon„Großfamilien, die alles stemmen

7 Hintergrundinformation:DasAngebotderoffenenGanztagsschulestehtvielerortsnichtfürinklusivlernendeKindermitsonderpädagogischemFörderbedarfzurVerfügung,eineSchulassistenzwirdhieroftfürdenNachmittagnichtgewährt.DamitliegtdienachschulischeBetreuunginungleichstärkeremMaßebeidenEltern,alsdiesbeiKindernohnesonderpädagogischen Förderbedarf der Fall ist.

müssen, um das Lernen zu ermöglichen“(#2883),sowievon „Ein-kommensschwachen, damit deren Kinder nicht abgehängt werden“ (#644)undvonAlleinerziehenden.

Insgesamt muss man „dringend die Familienpolitik überdenken“ (#1260)undinsoferndaranarbeiten,dass„Familienpolitik zu fa-milienfreundlicher Politik verändert“(#1658)wird.Dabeimussein„besonderes Augenmerk auf besondere Kinder“(#2780)gerichtetwerden,denn„auch beeinträchtigte Menschen verdienen Respekt in dieser Zeit“ (#274).

Page 22: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

22

Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?

22

3 | Inklusionkrisenfestgestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame LernenderZukunft

An der grundsätzlichen Einstellung von Eltern zum gemeinsamen LernenininklusivenSettingshatsichauchdurchdiecoronabe-dingten Schulschließungen nichts geändert: Nach wie vor spricht sicheinViertelallerEltern(25Prozent)uneingeschränktfürdasLernenvonKindernundJugendlichenmitundohnesonderpä-dagogischen Förderbedarf im gleichen Klassenraum aus. Ledig-licheine(r)vonzehnMütternundVäternhingegen–hierhatsichimVergleichzuvorderPandemieebenfallsnichtvielverändert–isthingegenskeptischundstehtdemgemeinsamenLernenskep-tischgegenüber.KnappzweiDrittel(64Prozent)unddamitvieleEltern wie schon 2019 machen ihre Antwort auf die Frage nach dem inklusiven Lernen vom konkreten Förderbedarf des einzel-nen Kindes abhängig. Gleichwohl hat Corona die Sicht vieler Fa-milienauchimHinblickaufInklusionverändert–unddasliegtanganz individuellen Erfahrungen mit dem Lernen des eigenen Kin-des und der Begleitung durch die jeweilige Schule.

SohatdiePandemievielenElternvorAugengeführt,wiewich-tigdieindividuelleAnsprachederKinderdurchdieLehrkraft,wiewichtigderAustauschmitdenMitschüler:innenist,vorwelchenHürden die Schüler:innen in Bezug auf digitale Medien stehen undwieschnellKinderundJugendlichegefühltdenAnschlussverlierenkönnen,wennsieisoliertamheimischenSchreibtischlernen(müssen).DieSorgen,dievieleElterninderFolgeäußern,sindernstzunehmen.Siegehenunteranderemdavonaus,dasssich die Lern- und Leistungsunterschiede zwischen Kindern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf durch die Schul-schließungenvergrößerthaben.ObwohlsieInklusiongrund-sätzlichfürdenrichtigenWeghalten,befürchtensie,dassdiesegestiegeneHeterogenitätinderKlassezueinerdoppeltenBe-nachteiligung führen könnte: durch ein erhöhtes Tempo beim AufholendesverpasstenStoffs,beidemSchüler:innenmitFör-derbedarfnichtmithaltenkönnen–unddurchLehrkräfte,denendieZeitfürindividuelleFörderungfehlt.Eltern,dievonjeherin-klusionskritischeingestelltwaren,argumentierenaufderBasisähnlicherErkenntnisse,kommenaberzuanderenSchlussfolge-rungen:IhrerAnsichtnachsindKinderundJugendlichemitson-derpädagogischem Förderbedarf gerade während der Schul-schließungenabgehängtwordenundbenötigtennunden

SchutzraumeinerFörderschule,uminkleinenKlassendenver-säumtenSchulstoffinihremTemponachholenzukönnen.

WenndieUN-BRKindenkommendenJahrenweiterumgesetztwerden und das inklusive Schulsystem auch in Krisenzeiten für alleSchüler:innenfunktionierensoll,mussunteranderemdie-serArgumentationsfigurvonseitenderSchuleundderPolitikmitüberzeugenden Maßnahmen und einem nachvollziehbaren Kri-senmanagement begegnet werden. Für Herbst und Winter las-sen sich aus den Rückmeldungen der Eltern fünf Leitlinien ablei-tenfüreinpotenziellesschulischesKrisenmanagement(3.1),fürdieBildungspolitik(3.2)sowiefürSchulenundLehrkräfte(3.3–3.5).DieseLeitliniengeltenfürdenFallerneuterKlassen-oderSchulschließungen,gebenaberzugleichHinweisedarauf,wiein-klusives Lernen mit digitaler Unterstützung grundsätzlich ausse-hen sollte.

3.1 Schulbesuch für alle Kinder sicherstellen

Eltern plädieren dafür, dass der Schulbesuch für alle Kinder –

unabhängig von den jeweiligen Voraussetzungen oder individu-

ellen Förderbedarfen – so umfassend wie möglich gewährleis-

tet sein muss.

Nach den Erfahrungen im vergangenen Halbjahr ist es den Eltern beiderkünftigenGestaltungdesSchulalltagesvorallemwich-tig,dassdiepotenziellenGesundheitsrisikensituationsangemes-sen beurteilt werden und dabei ein möglichst ununterbrochener Schulbesuchgewährleistetwird.Gleichzeitigmussdiephysischeund psychische Gesundheit aller Beteiligten an erster Stelle ste-hen. Hier wünschen sie sich eine klare Prioritätensetzung durch diePolitik.AmüberzeugendstenwärefürElterneinbundesland-übergreifendesKonzept,daseinenverlässlichenRahmenfürre-gionalbzw.lokalspezifischeMaßnahmenundfürdieschulische

Page 23: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

2323

ArbeitvorOrtbietet.PermanentunklareZuständigkeiten,in-transparente Regelungen oder je nach Land unterschiedliche SchwellenwerteverstärkenhingegendieVerunsicherungundmehren Zweifel an der Belastbarkeit der jeweiligen Entschei- dungen.

DieZielsetzungeinesübergreifendenKonzeptsmusssein,dieSchließung ganzer Schulen zu vermeiden und eher auf der Ebene der Lerngruppen zu reagieren. Dies gilt insbesondere auch für denHerbstundWinter,indenenErkältungssymptomeundmög-lichenKennzeicheneinerCorona-Infektionüberlappen.Daheristeserforderlich,dieVorgabenstetsandiesichveränderndenBedingungenanzupassenundsichdabeietwaandenPositions-papieren verschiedener medizinischer Fachverbände zu orien-tieren.DasVorgehensolltejenachAlterderSchüler:innendiffe-renziertePräventionskonzepteberücksichtigenundinsgesamtdasZielverfolgen,füralleKinderundJugendlicheninZukunftdas Lernen in Schulen sicherzustellen.

3.2 ZielgerichtetinBildunginvestieren

Eltern wünschen sich vor allem eine gut ausgestattete Lernum-

gebung – dazu braucht es Investitionen in Schulgebäude und

Räumlichkeiten ebenso wie eine Bereitstellung der notwendi-

gen Infrastruktur. NichtnachvollziehbaristfürEltern,dassdiefinanziellenMit-tel,diederDigitalpaktSchulebietet,nichtkonsequentabgeru-fen und für eine Modernisierung der digitalen Infrastruktur ge-nutzt werden. Damit einher gehen klare Erwartungen in Hinblick aufdieLehrkräfteaus-und-weiterbildung:SieerwartenvonderBildungspolitikkonkreteMaßnahmenimUmgangmitdemLeh-rermangel.Dazugehörtauch,dassdigitalkompetenteLehrer:in-nendieSchüler:innenaufdigitalemWegunterrichtenkönnen,imFalleeineserneutenHomeschoolings,abernichtnurdann.IndiesemZusammenhanggiltes,dievielerortsformuliertenAn-sprücheaneingutes,inklusivesLernenalsZielbildindieSchul-praxis zu übersetzen. Und hier geht mit der Corona-Pandemie dieChanceeinher,ausdenzutagegetretenenVersäumnissenzulernen. Aus Sicht der Eltern ist dies nun die Hauptaufgabe der Bildungspolitik:DasdeutscheBildungssystemfürdieZukunftdi-gital und inklusiv aufzustellen.

3.3 Digitale Geräte nicht nur nach dem Gießkannenprinzip verteilen

Eltern betonen, dass alle Kinder eine Grundausstattung für das

digitale Lernen benötigen. Darüber hinaus weisen sie darauf

hin, dass die technische Ausstattung der Schüler:innen an den

Gegebenheiten im Elternhaus, am individuellen Förderbedarf

und auch an den Vorkenntnissen ausgerichtet werden muss. VielenSchulenfehltdasWissen,welchesKindeigentlichwelchedigitaleInfrastrukturbenötigt,umlernenzukönnen.MitBlickauf das Schuljahr 2020/21 hat diese ohnehin relevante Frage einebesondereBedeutung:Esdarfnichtnurdarumgehen,dassjedesKindmittelfristigdasgleicheEndgeräterhält.Essollteda-rüberhinaussichergestelltwerden,dassdenFamilienihremBe-darfentsprechendzusätzlichesEquipmentwiez.B.Drucker,eineBrailletastatur,einextragroßerBildschirmoderaucheinebe-sondereSoftwaremindestenszeitweisezurVerfügunggestelltwerden kann. Denn nur auf diese Weise könnte für einen Groß-teilderKinderundJugendlichen(mitoderohnesonderpädago-gischenFörderbedarf)künftigeinadäquatesdigitalesLerneninSchulenoderauch–imFallerneuterHomeschooling-Phasen–zuHause sichergestellt werden.

3.4 Hybrides Lernen im Zusammenhang mit sozialem Lernen denken

Eltern halten digitale Lernphasen dann für erfolgreich, wenn

Lehrer:innen gemeinsam mit ihren Schüler:innen individuelle

Lernfortschritte in der Gruppe erzielen können. Ein großes Anliegen der Eltern ist die soziale Anbindung an die Klassengemeinschaft,diewährendderSchulschließungenfürviele nicht gegeben war. Damit ist Inklusion im Sinne eines Mit-einander-undVoneinander-Lernensnichtmöglichgewesen.FürdieZukunftkanndasnurheißen:DasdigitaleLernendarfkeineEinbahnstraßesein,inderSchüler:innenisoliertvordemeigenenBildschirmAufgabeninFormeinesPDFsbearbeiten,diesieperMailerhalten.Vielmehrmuss–nichtnur–imFalleinererneutenVerlagerungdesLernensandenheimischenKüchentischdafürSorgegetragenwerden,dassKinderundJugendlichedieMög-lichkeitzumdirektenAustauschmiteinandererhalten,z.B.überPortallösungen,digitale/virtuelleChaträume,MessageboardsunddigitalePinnwändeoderVideokonferenzen.DieseLösungen

3| Inklusionkrisenfestgestalten:FünfLeitlinienfürdasgemeinsameLernenderZukunft

Page 24: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

24

Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?

24

könnenfürUnterrichtsgespräche,fürGruppen-oderPartner- arbeitsphasen wie auch für gemeinsame Pausen genutzt werden undsorgendafür,dasskeinKind(unabhängigvomindividuellenLernstandodersonderpädagogischenFörderbedarf)sichvonsei-ner Lerngruppe isoliert.

Wichtigistdabei,dassdiesevirtuellenAustauschformateimPräsenzlernenerprobtwerdenumdenKindernundJugendli-chengenügendZeitundRaumzugeben,sichmitEquipmentundFunktionalitätauseinanderzusetzen–Kindernmitsonderpäda-gogischemFörderbedarfebensowieKindernohne,technikaffi-nenSchüler:innenebensowiejenenohneVorerfahrung–gemäßihremindividuellenBedarf.DasZielsolltesein,möglichstallenKindernundJugendlichenunabhängigvomOrtdesLernenseinendigitalenRaumzuerschließen,indemsozialesLernenmög-lich ist.

3.5 Digitales Lernen mit guter Elternarbeit verknüpfen

Eltern brauchen intensiveren Kontakt zu Schulen, den Lehrkräf-

ten und weiterem sonder- und sozialpädagogischen Personal.

MütterundVäterfühltensichüberweiteStreckenderSchul-schließungenalleingelassenundwarenüberfordert,ihrKindbeim Lernen zu begleiten oder gar darüber hinaus zu fördern. DieshättedurcheinenregelmäßigenKontaktzudenLehrkräftengemildertwerdenkönnenundmusskünftigsowohlinerneutenPhasendesDistanzlernens,aberauchalsgrundlegendesElementeiner guten Elternarbeit überdacht werden. Konkret wünschen sichElternerstensregelmäßigen,direktenKontaktderKindermitihrenLehrer:innenundweiterenUnterstützer:innen.Vor-geschlagenwerdenbeispielsweiseTelefongespräche,Chats,Vi-deokonferenzen oder auch digitale Feedback-Sprechstunden im wöchentlichenRhythmus,indenendieLehrkräfte,Sonderpäda-gog:innen oder auch Schulassistenzen Rückmeldungen zum Ge-lerntengeben,fürdienächstenAufgabenmotivierenundErklä-rungen anbieten. ZweitensartikulierenvieleElternselbstBedarfanregelmäßigemAustauschmitLehrkräften–sowohlüberdieLernentwicklungdesKindesalsauchdarüber,wiesieselbstesunterstützenkön-nen.DafürbietensichFormateanwieder„digitaleElternabend“,beidemLehrkräftedenElternvorstellen,wiedasMaterialderKinderzurzeitaussieht,wieeszubearbeitenistundwelchesLernzieldamitverbundenwird.IndiesemRahmenkann–demBedürfnisvielerElternfolgend–auchtransparentgemachtwer-

den,inwiefernalleKinderdiegleichenoderunterschiedliche/gestufteAufgabenbearbeitenmüssenundwieeinfürdasKindsinnvollerArbeitsrhythmusaussehenkann.DieserVorschlagwürdeauchhelfen,derSorgederElternvoreinermöglichendop-peltenBenachteiligungiminklusivenUnterrichtoffensivzube-gegnen. Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbe-darfbedürfendrittensmehrKontaktzumUnterstützungssystemihrerKinder:BenötigtwerdenfesteAnsprechpersonen(z.B.Son-derpädagog:innen,Psycholog:innen,aberauchSchulassistenzen)inKrisensituationensowohlfürdieSchüler:innenalsauchfürMütterundVäter.AngesichtsdervielfältigenWünscheundEr-wartungenwärenzudemgenauereInformationenundDefini- tionenebensowiedieRollen-undAufgabenschärfungderver-schiedenenAnsprechpartner:innenwichtig.

Page 25: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

2525

4| Fazit:AusdenErfahrungenlernen!

4 | Fazit:AusdenErfahrungenlernen!

ElternisteseinzentralesAnliegen,dassdieSitua-tionvonKindernundFamilieneinestärkereBeach-tung erfährt: In der Pandemie und darüber hinaus dürfen die Bedürfnisse und Interessen der Kinder nicht hintenan gestellt werden. In diesem Zusam-menhangfordernMütterundVäter,dassihrKindun-abhängig vom jeweiligen Förderbedarf in der eige-nen Klasse einen festen Platz hat und gemeinsam mitdenMitschüler:innenundLehrkräftendieFolgender Corona-Krise ohne persönliche Nachteile verar-beiten kann. Dies muss unabhängig davon sicherge-stelltwerden,obundinwelcherFormimSchuljahr2020/2021 erneute Homeschooling-Phasen für ein-zelneSchüler:innen,Lerngruppen,KlassenoderimExtremfall auch ganzer Schulen durchlaufen werden.

Vielesvondem,wasElternfordern,istnichtrevoluti-onär,sondernbeschreibtvielmehrgrundlegendeEle-mente eines guten inklusiven Unterrichts: So stellt sichdieFragenacheinemsinnvollendidaktischenUmgangvonLehrkräftenundSchüler:innenimdi-

gitalen Umfeld nicht nur in Zeiten des Homeschoo-lings,vielmehristdieseinegrundsätzlicheAufgabevon Schulen. Die Erfahrungen der Eltern können hier einenwichtigenBeitragleistenundliefernErkennt-nissedazu,wieLehrkräfte,Schulenundweiterespäd-agogisches Personal den Eltern im Schuljahr 2020/21 auch in Phasen eines erneuten Homeschoolings mehr Sicherheit geben können. Zentral ist dabei ein eng-maschigerAustauschmitdenLehrkräftenüberdiedidaktischenundinhaltlichenLernziele,einebes-sere individuelle Ansprache und mehr Feedback für die Schüler:innen sowie eine konsequente Nutzung desdigitalenLernensinVerbindungmitsozialemLer-nen.ZumanderensehenMütterundVäterdieBil-dungspolitikinderPflicht,ausdenErfahrungenderCorona-Krisezulernen.Esmussdarumgehen,dasdeutscheSchulsystemzukunftsfestzumachen:überzielgerichteteInvestitionenindieInfrastrukturunddigitaleAusstattung,indieLehrkräfteaus-und-fort-bildung sowie in die erforderlichen Rahmenbedingun-gen eines guten Lernens für alle Kinder.

Page 26: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

26

Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?

26

DieCorona-PandemiehatdasgesellschaftlichenLebenweltweitseitMonatenstarkbeeinflusstundEltern–unabhängigvomFör-derbedarfihrerKinder–völligunerwartetvorbesondereHer-ausforderungengestellt:EsgaltvoneinemTagaufdenanderen,dieBelastungendurchSchulschließung,Homeschoolingundso-zialeDistanzbeigleichzeitigwegfallenderUnterstützungdurchInstitutionen,VereineundFamiliezubewältigenDieErfahrun-genausdieserZeithabeninsbesondereauchdasSchulsystem,die Chancen und Grenzen von Digitalisierung und die Rolle von SchulenichtnuralsLern-,sondernauchalsOrtdersozialenBe-gegnungenindenFokusdesöffentlichenInteressesgerückt.Al-lerdingsfindetinderöffentlichenDebattedieFragenachinklu-sivemLernenbisherwenigRaum,diebesonderenBelangevonKindernundJugendlichenmitsonderpädagogischemFörderbe-darf bekommen wenig Aufmerksamkeit und auch die Bedürfnisse der Eltern werden so gut wie nicht gehört. Auch war bislang un-klar,inwiefernsichdieErfahrungenwährendderPandemieaufdiegenerelleHaltungderMütterundVäterzurInklusionausge-wirkt haben. Die Ergebnisse der Umfrage unter rund 2800 Eltern von Kindern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf zeigen,dasssichprinzipiellanderEinstellungvonElternzumge-meinsamenLernenininklusivenSettingsauchdurchdiecorona-bedingten Schulschließungen nichts geändert hat. Nach wie vor sprichtsichetwaeinViertelallerElternuneingeschränktfürdasLernenvonKindernundJugendlichenmitundohnesonderpä-dagogischen Förderbedarf im gleichen Klassenraum aus. Ledig-licheine(r)vonzehnMütternundVätern–auchhierhatsichimVergleichzuvorderPandemienichtvielverändert–isthingegenskeptischundstehtdemgemeinsamenLernenablehnendgegen-über.KnappzweiDrittel(64Prozent)unddamitähnlichevieleEl-tern wie schon 2019 machen die Frage des inklusiven Lernens vom konkreten Förderbedarf des einzelnen Kindes abhängig. Und trotzdem hat die Corona-Pandemie die Sicht vieler Familien auch inHinblickaufInklusionverändert–unddasliegtanganzindivi-duellen Erfahrungen mit dem Lernen des eigenen Kindes und der Begleitung durch die jeweilige Schule.

So haben die coronabedingten Schulschließungen vielen Müt-ternundVäternvorAugengeführt,wiewichtigdieindividu-elleAnsprachederKinderdurchdieLehrkraft,wiewichtigderAustauschmitdenMitschüler:innenist,vorwelchenHürdendie Schüler:innen in Bezug auf digitale Medien stehen und wie schnellKinderundJugendlichedenAnschlussverlierenkön-nen,wennsieisoliertamheimischenSchreibtischlernen(müs-sen).DieSorgen,dievieleElterninderFolgeäußern,sindernstzunehmen:siegehenunteranderemdavonaus,dasssichdieLern-undLeistungsunterschiedezwischenKindernundJugend-lichenmitgegenüberKindernundJugendlichenohnesonderpä-dagogischen Förderbedarf durch die Schulschließungen vergrö-ßerthaben.ObwohlsieInklusiongrundsätzlichalsdenrichtigenWegerachten,befürchtensie,dassdiegestiegeneHeterogeni-tät im Klassenzimmer zu einer doppelten Benachteiligung füh-ren könnte: zum einen ein erhöhtes Tempo bei der Nacharbeit desverpasstenStoffsundbeidemSchüler:innenmitsonderpäd-agogischemFörderbedarfnichtmitkommenwerden–undLehr-kräfte,denendieZeitfürindividuelleFörderungfehlt.Eltern,dievonjeherinklusionskritischeingestelltwaren,argumentierenaufderBasisähnlicherErkenntnisse,abermitandererSchlussfolge-rung:ihrerAnsichtnachsindKinderundJugendlichemitsonder-pädagogischem Förderbedarf gerade während der Schulschlie-ßungenabgehängtwordenundbenötigtennundenSchutzraumeinerFörderschule,uminkleinenKlassendenversäumtenSchul-stoffinihremTemponachholenzukönnen.WenndieUN-BRKindenkommendenJahrenweiterumgesetztwerdenunddasinklu-sive Schulsystem auch in Krisenzeiten für alle Schüler:innen funk-tionierensoll,somussunteranderemdieserArgumentations-figurvonSeitenderSchuleundderPolitikmitüberzeugendenMaßnahmen und einem nachvollziehbaren Krisenmanagement begegnet werden. Aus den Erfahrungen der Eltern lassen sich insgesamtfünfLeitlinienfüreinmöglicherweisezukünftiger-neutwichtigwerdendesschulischesKrisenmanagement,fürdieBildungspolitiksowiefürSchulenundLehrkräfteableiten.DiesegeltenauchfürdenFallerneuterSchulschließungen,gebenaberzugleichHinweisedarauf,wieinklusivesLernenmitdigitalerUn-terstützung grundsätzlich aussehen sollte.

Zusammenfassung

Page 27: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

27

Executive Summary

27

Formonths,thecoronapandemichashadastrongimpactonso-ciallifeworldwide.Ithaspresentedparents–regardlessoftheirchildren‘sneedforsupport–withspecialchallengesthatwerecompletelyunexpected:Fromonedaytothenext,theyhadtocopewiththechallengesofschoolclosure,homeschoolingandsocialdistancewhileatthesametimelosingthesupportofin-stitutions,clubsandfamilies.InGermany,theexperiencesfromthisperiod–amongotherthings-havebroughttheviewoftheschoolsystem,theopportunitiesandlimitsofdigitisationandtheroleofschools,notonlyasplacesoflearning,butalsoasplacesofsocialencountersandascareinstitutionsintothefocusofpublicinterestmorethaneverbefore.Intheongoingpublicdebate,thequestionofinclusivelearninghassofarreceivedtoolittleatten-tionandespeciallytheneedsofchildrenandyoungpeoplewithspecialeducationalandtheirparentsarehardlyheard.Italsore-mains unclear to what extent the experiences have had an impact onthegeneralattitudeofmothersandfatherstowardsinclusion.

Theresultsofasurveyofabout2,800parentsofchildrenwithandwithoutspecialeducationalneedsshowthat–superficially-theattitudeofparentstolearningtogetherininclusivesettingshasremainedunchanged,eveninlightofcorona-relatedschoolclosures.Aboutaquarterofallparentscontinuetoadvocatefornorestrictionofthejointlearningofchildrenwithandwithoutspecialeducationalneedsinthesameclassroom.Incontrast,oneintenmothersandfathers(here,too,notmuchhaschangedfromthedistributionofopinionsbeforethepandemic)isscepticalanddisagreeswiththeideaofinclusivelearning.Afterall,64per-centofparents,asmanyasin2019,makethequestionofinclu-sive learning dependent on the concrete support needs of the in-dividualchild.Nevertheless,theanswerstotheopenquestionsshow that the pandemic has also changed many families‘ view of inclusion - this is due to very individual experiences with the le-arning of their own child and the support provided by the respec-tiveschool.

TheCOVID-relatedschoolclosureshavemademanyparentsaware of how important it is for teachers to address children indi-vidually. Parents learned how important it is for children to com-municatewithfellowstudents,torecognizethehurdlesstudentsfacewhenitcomestodigitalmedia,andhowquicklychildrenandyoung people can feel that they lose touch if they have to learn inisolationathome.Theconcernsthatmanyparentshavede-velopedasaresultmustbetakenseriously:Amongotherthings,mothers and fathers assume that the learning and performance differencesbetweenchildrenandyoungpeoplewithspecialedu-cationalneedsandthosewithouthaveincreasedasaresultofschoolclosures.Fromthistheyconclude-irrespectiveoftheir actualconvictionthatinclusionisbasicallytherightwayforward- that the increased heterogeneity in the classroom could lead to a double disadvantage. Through an increased pace at which the missed material is reworked and at which pupils with special educationalneedswillnotkeepup-andthroughteacherswholackthetimeforindividualsupport.Parents,whohavealwaysbeencriticalofinclusion,argueonthesamebasis:Childrenandyoungpeoplewithspecialeducationalneedswereleftbehinddu-ring school closures and now need the shelter of a special needs school so that they can catch up on the missed material at their own pace in small classes.

IftheUnitedNationsConventionontheRightsofPeoplewith Disabilitiesistobefurtherimplementedinthecomingyearsandtheinclusiveschoolsystemistofunctionforallpupilsevenintimesofcrisis,thisargumentationmustbecounteredbyschoolsandpoliticianswithconvincingmeasuresandcomprehensiblecrisis management. Five guidelines can be derived from the com-ments made by parents for a school crisis management that is po-tentiallybecomingimportantagain,foreducationalpolicyandforschools and teachers. These guidelines also apply in the event of renewedschoolclosures,butatthesametimetheygiveanindi-cationofwhatinclusivelearningwithdigitalsupportshouldlooklike in principle.

ExecutiveSummary

Page 28: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

28

Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?

28

Autorin

Dr. Nicole Hollenbach-Biele ist Senior Expert für Schulfor-schungundSchulentwicklungimProgrammIntegrationund BildungderBertelsmannStiftung.SiearbeitetindenBerei-chen empirische Bildungsforschung und Bildungsmonitoring unteranderemzuThemenwieInklusion,schulischeGanztags-entwicklung sowie Schul- und Unterrichtsentwicklung.

Hintergrundinformationen zurrepräsentativenElternumfrage

DieserBerichtanalysierteinebundesweite,repräsentativeElternumfragevoninfratestdimapimAuftragderBertels-mannStiftung.DieStudieuntersuchtdieSichtweisenundErfahrungenvonElternschulpflichtigerKinderimAltervon6bis17JahrenaufdasgemeinsameLernenvonKindernmit und ohne Behinderung in der Corona-Krise. In der El-ternbefragungwurden2.899Interviews(geschlosseneundoffeneFragen)aufderGrundlageeinerQuotenstichprobeineinemOnline-Accesspaneldurchgeführt.DieStichprobewurde auf Basis des Mikrozensus durch Gewichtung struk-turellandieGrundgesamtheitangepasstundrepräsentiertnachGewichtungdieMerkmaleAlter,Geschlecht,AnzahlPersonenimHaushalt,Familienstand,Bildung,Ost/WestundBundesland.UnterderAnnahme,dasssichTeilneh-mer:innenundNichtteilnehmer:inneninnerhalbderein-zelnenQuoteinBezugaufdasinteressierendeMerkmalnichtunterscheiden,istdieStichprobehinsichtlichdiesesMerkmalsrepräsentativ.DamitkönnenAussagenüberdieGrundgesamtheit abgeleitet werden.

Hintergrundinformationen zum Umgang mit Zitaten

UmdieVielzahlderzumTeilsehrausführlichenAntwor-tenvonMütternundVäternaufdieoffenenFrageninderElternbefragunghandhabbarzumachen,wurdensieeinerqualitativenInhaltsanalyseunterzogen:AllStatements wurden je nach inhaltlicher Aussage zu Themenbereichen (Kategorien)gebündelt.FürdenhierpräsentiertenAuswer-tungstextwurdentypischeBeispielzitate(sogenannte„An-kerzitate“)fürdiejeweiligenThemenbereicheausgesucht,und–fallsnötig–sprachlichleichtgeglättet.AlleOriginal-zitatesindimTextmittelsAnführungszeichenundblauerEinfärbung kenntlich gemacht Die in Klammern gesetzte Zahl hinter jedem Zitat kennzeichnet die Fallnummer des Fragebogens,ausdemdasjeweiligeOriginalzitatentnom-men wurde.

Page 29: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

Impressum

©Oktober2020 BertelsmannStiftung,Gütersloh

Verantwortlich:Dr.NicoleHollenbach-Biele

Mitarbeit:VeraSteinmann

Lektorat: Heike Herrberg

Gestaltung: werkzwei Detmold

Bildnachweis:©GettyImages/iStockphoto/Phynart Studio

DOI 10.11586/2020062

Page 30: Gemeinsam Lernen oder Exklusion in der Inklusion?...3 | Inklusion krisenfest gestalten: Fünf Leitlinien für das gemeinsame Lernen der Zukunft 22 3.1 Schulbesuch für alle Kinder

Adresse | Kontakt

Bertelsmann Stiftung Carl-Bertelsmann-Straße 256 33311 Gütersloh Telefon +49 5241 81-0

Dr. Nicole Hollenbach-BieleProgramm Integration und Bildung Telefon +49 5241 [email protected]

www.bertelsmann-stiftung.de