Genussklettern in Ostösterreich - Naturfreunde · 2013. 8. 6. · NATURFREUND THEMEN STORS 15...

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15 NATURFREUND THEMEN & STORYS Genussklettern in Ostösterreich SECHS TOUREN VOM FEINSTEN ÖSTERREICHDer Osten Österreichs ist geradezu ein Paradies für Kletterbegeisterte aller Richtungen. Das Angebot an genussreichen Mehrseillängen- und Plaisirtouren sowie an vielfältigen Klettergärten ist enorm. Text: Kurt Schall, Fotos: Kurt Schall, Max Ostermayer M ehrere tausend Kletterrouten gibt es alleine in den Wiener Hausbergen (auch „Wiener Alpen“ genannt), wovon viele in den letzten Jahren eröffnet wurden. Bedingt durch die mo- dernen und unkomplizierten Zugangsmöglichkeiten zum Klettersport (z. B. Kletterhallen allerorts) drängen immer mehr Kletterneulinge und -begeisterte von den Hallen ins Freie – mit allen damit verbunde- nen Problemen bzw. „Überraschungseffekten“. Ein farbenfroher Kunststoff-7er in der Halle klettert sich eben ganz anders als ein 4er oder 5er in (unmarkiertem) Felsgelände mit objek- tiven Gefahren wie Steinschlag, größeren Bohrhakenabständen, nicht ganz festem Fels, etc. Demnach unterscheiden sich auch die Anforderungen bzw. Wahrnehmungen der Felsaspiranten oſt wesentlich: Was für einen alpin- und felserfahrenen Routinier eine klasse Tour ist, wird von ei- nem Hallenfreak nicht selten als „Bruchhaufen“ mit irren Bohrhaken- abständen abgetan. Wie auch immer – es gibt im Osten Österreichs, speziell in Nieder- österreich, für alle Spezies und Nervenkostüme unerschöpfliche Betä- tigungsfelder mit jedem Genussfaktor, die auch in der zweiten Auflage des „Genusskletter-Atlas Österreich Ost, Band Niederösterreich“ (von Kurt Schall und omas Behm) präsentiert werden. Für den „Natur- freund“ greife ich ein paar heraus und stelle sie im Folgenden mit einer kurzen Gebietsinfo vor. Auf www.naturfreunde.at/Service steht die Langfassung der sechs Tourenbeschreibungen. Region Hohe Wand Die Hohe Wand ist der Klettergarten im Nah- bereich von Wien! Sonnige Lage, liebliche Landschaſt, herrliche Platten- und Wandklet- tereien aller Schwierigkeitsbereiche in bestem Kalkgestein – hier wird schon seit über 100 Jahren geklettert. Die sehr sonnige Südost- bzw. Südlage erlaubt Klettern fast das ganze Jahr hindurch, die Felsen sind rasch wieder schneefrei und trocken. Neben Klettergärten finden sich in der Region Hohe Wand auch unzählige hervor- ragende Mehrseillängenrouten, die (fast) alle- samt sehr abwechslungsreich sind: kompakte graue Platten, braune Henkelüberhänge, lan- ge klassische Risse, tropflochraue Wandpas- sagen … Auch in den unteren Schwierigkeits- graden und bei den Klettersteigen gibt es ein großes Potenzial von Anstiegen, die alle gut erreichbar und kombinierbar sind. AUF WILDENAUERS SPUREN Diese mittlerweile bereits klassische Ge- nusskletterroute im linken Teil der Hochko- gel-Wände erfreut sich großer Beliebtheit. Schöne, meist naturgegebene Linie und sehr abwechslungsreiche Kletterei in meist bes- tem, steilem und griffigem Fels! Hervorragen- de Bohrhaken-Absicherung sowie auch Sand- uhr-Absicherung in den leichteren Passagen. Ziemlich konstante Schwierigkeiten mit ein paar Stellen 7-, die aber problemlos A0 ge- klettert werden können. Somit eine der bes- ten Routen für Sestogradisten auf der Hohen Wand – ein Muss! Ausgangspunkt: „Sonnenuhr-Parkplatz“ bei der ersten Kehre der Hohe-Wand-Straße (an Wochenenden und Feiertagen Maut) STEINBOCKALARM Diese tolle, sehr beliebte und relativ lange Genusskletter-Route des genialen Duos Peter Königsberger und Alfred Riedl weist auch ei- nige leichte Passagen und kurzes Gehgelände auf. Sie führt durch henkeligen Fels mit na- hezu plaisirmäßiger Absicherung (großteils Klebehaken). Fast alle schwierigen Stellen können problemlos auch A0 geklettert wer- den, wodurch sich die maximale Schwierig- keit auf 5+ reduziert. Auf Steinschlaggefahr, vor allem durch Steinböcke (Name!), achten! Ausgangspunkt: „Sonnenuhr-Parkplatz“ bei der ersten Kehre der Hohe-Wand-Straße (an Wochenenden und Feiertagen Maut) TOURENINFO 5–6+, Stellen 7- (6- obl.), 200 Hm TOURENINFO 5–6+, eine Stelle 7- (5+ obl.), 170 Hm In der 1. Seillänge von "Steinbockalarm"

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15NaturfreuNd Themen & SToryS

Genussklettern in OstösterreichSECHS TOUREN VOM FEINSTEN

ÖSterreichDer Osten Österreichs ist geradezu ein Paradies für Kletterbegeisterte aller richtungen. Das Angebot an genussreichen Mehrseillängen- und Plaisirtouren sowie an vielfältigen Klettergärten ist enorm.

Text: Kurt Schall, Fotos: Kurt Schall, Max Ostermayer

Mehrere tausend Kletterrouten gibt es alleine in den Wiener Hausbergen (auch „Wiener Alpen“ genannt), wovon viele in den letzten Jahren eröffnet wurden. Bedingt durch die mo-

dernen und unkomplizierten Zugangsmöglichkeiten zum Klettersport (z. B. Kletterhallen allerorts) drängen immer mehr Kletterneulinge und -begeisterte von den Hallen ins Freie – mit allen damit verbunde-nen Problemen bzw. „Überraschungseffekten“.

Ein farbenfroher Kunststoff-7er in der Halle klettert sich eben ganz anders als ein 4er oder 5er in (unmarkiertem) Felsgelände mit objek-tiven Gefahren wie Steinschlag, größeren Bohrhakenabständen, nicht ganz festem Fels, etc.

Demnach unterscheiden sich auch die Anforderungen bzw. Wahrnehmungen der Felsaspiranten oft wesentlich: Was für einen

alpin- und felserfahrenen Routinier eine klasse Tour ist, wird von ei-nem Hallenfreak nicht selten als „Bruchhaufen“ mit irren Bohrhaken-abständen abgetan.

Wie auch immer – es gibt im Osten Österreichs, speziell in Nieder-österreich, für alle Spezies und Nervenkostüme unerschöpfliche Betä-tigungsfelder mit jedem Genussfaktor, die auch in der zweiten Auflage des „Genusskletter-Atlas Österreich Ost, Band Niederösterreich“ (von Kurt Schall und Thomas Behm) präsentiert werden. Für den „Natur-freund“ greife ich ein paar heraus und stelle sie im Folgenden mit einer kurzen Gebietsinfo vor.

Auf www.naturfreunde.at/Service steht die Langfassung der sechs Tourenbeschreibungen.

Region Hohe WandDie Hohe Wand ist der Klettergarten im Nah-bereich von Wien! Sonnige Lage, liebliche Landschaft, herrliche Platten- und Wandklet-tereien aller Schwierigkeitsbereiche in bestem Kalkgestein – hier wird schon seit über 100 Jahren geklettert. Die sehr sonnige Südost- bzw. Südlage erlaubt Klettern fast das ganze Jahr hindurch, die Felsen sind rasch wieder schneefrei und trocken.

Neben Klettergärten finden sich in der Region Hohe Wand auch unzählige hervor-ragende Mehrseillängenrouten, die (fast) alle-samt sehr abwechslungsreich sind: kompakte graue Platten, braune Henkelüberhänge, lan-ge klassische Risse, tropflochraue Wandpas-sagen … Auch in den unteren Schwierigkeits-graden und bei den Klettersteigen gibt es ein großes Potenzial von Anstiegen, die alle gut erreichbar und kombinierbar sind.

AUF WIldENAUERS SpURENDiese mittlerweile bereits klassische Ge-nusskletterroute im linken Teil der Hochko-gel-Wände erfreut sich großer Beliebtheit. Schöne, meist naturgegebene Linie und sehr

abwechslungsreiche Kletterei in meist bes-tem, steilem und griffigem Fels! Hervorragen-de Bohrhaken-Absicherung sowie auch Sand-uhr-Absicherung in den leichteren Passagen.

Ziemlich konstante Schwierigkeiten mit ein paar Stellen 7-, die aber problemlos A0 ge-klettert werden können. Somit eine der bes-ten Routen für Sestogradisten auf der Hohen Wand – ein Muss!

Ausgangspunkt: „Sonnenuhr-Parkplatz“ bei der ersten Kehre der Hohe-Wand-Straße (an Wochenenden und Feiertagen Maut)

STEINbOCkAlARMDiese tolle, sehr beliebte und relativ lange Genusskletter-Route des genialen Duos Peter Königsberger und Alfred Riedl weist auch ei-nige leichte Passagen und kurzes Gehgelände auf. Sie führt durch henkeligen Fels mit na-hezu plaisirmäßiger Absicherung (großteils Klebehaken). Fast alle schwierigen Stellen

können problemlos auch A0 geklettert wer-den, wodurch sich die maximale Schwierig-keit auf 5+ reduziert. Auf Steinschlaggefahr, vor allem durch Steinböcke (Name!), achten!

Ausgangspunkt: „Sonnenuhr-Parkplatz“ bei der ersten Kehre der Hohe-Wand-Straße (an Wochenenden und Feiertagen Maut)

TOURENINFO5–6+, Stellen 7- (6- obl.), 200 Hm

TOURENINFO5–6+, eine Stelle 7- (5+ obl.), 170 Hm

In der 1. Seillänge von "Steinbockalarm"

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16 NaturfreuNd Themen & SToryS

HochschwabIm Hochschwab-Gebiet und in seinen west-lichen Ausläufern im Bereich Eisenerz und Präbichl finden sich ein paar der schönsten mittelschweren Alpinrouten, die auch schon im Frühling geklettert werden können.

Die beiden hier beschriebenen Touren wur-den in den letzten Jahren gefühlvoll mit Bohr-haken saniert – dem weitgehend stressfreien Genussklettern in mittleren bis unteren Schwie-rigkeitsgraden steht nun nichts mehr im Wege.

pFAFFENSTEIN: SüdWESTkANTEDie markante SW-Kante wurde durch die komplette Sanierung von Erich Schuller aus dem „Dornröschenschlaf “ erweckt und bietet nun eine sehr interessante, schöne und immer noch etwas alpine Klettertour.

Besonders lohnend (aber auch etwas schwieriger und länger) ist die Kombination mit dem „Dir. SW-Kanten-Sockel“ (5+ A0), wodurch sich mit 17 Seillängen die längste Route am Pfaffenstein ergibt.

Ausgangspunkt: Parkplatz am nördlichen Ende (bergseitig) von Eisenerz

dIR. SW-kANTEN-SOCkElIn mühevoller, tagelanger Arbeit wurde von Erich Schuller die Verlängerung der SW-Kan-te nach unten hin „ausgegraben“ und geputzt. Es entstand eine sehr abwechslungsreiche, teilweise auch luftige Kletterei mit sehr guter Bohrhaken-Absicherung. Die schwierigsten Stellen sind problemlos A0 kletterbar. Ideal in Verbindung mit der SW-Kante, da man an deren Einstieg aussteigt und somit eine 17-Seillängen-Route genießen kann.

Ausgangspunkt: Parkplatz am nördlichen Ende (bergseitig) von Eisenerz

TOURENINFO3–4+, Stellen 5 (4+ obl.), 350 Hm

TOURENINFO4–5+, je eine Stelle 6 bzw. 7- (5+ obl.), 120 Hm

AKTUELLE KLETTERFÜHRERKurt Schall, Thomas BehmGenusskletter-Atlas Nieder-österreich368 Seiten, ca. 800 Farbabbildungen, Farb-topos, Softcover mit stabiler Fadenheftung, 35,– €, ISbN 978-3-900533-67-0, Schall-Verlag

Erweiterte und aktualisierte Neuauflage (Oktober 2012) mit über 1000 Genuss- und plaisirrouten vom 2. bis zum 7. Schwierigkeits-grad; zusätzlich interessante klettergärten

Gebiete: peilstein (kleine Auswahl) inkl. Thalhofergrat, Wachau, Hohe Wand, Fischauer Vorberge, bucklige Welt, Flatzer Wand, Grünbacher Hausstein, Adlitzgräben, Falkenstein, Schneeberg, Rax

Um einen möglichst hohen Grad an Ver-lässlichkeit zu erreichen, wurde jede Route von mindestens einem der Autoren oder von Mitarbeitern geklettert.

Gerhard Grabner, Kurt Schall, Max OstermayerKletterführer Grazer Bergland2., erweiterte und aktualisierte Auflage, ca. 350 Seiten, viele Wand- und Actionfotos, Farb-topos, 35,– €, ISbN 978-3-900533-77-9, Schall-Verlag, Erscheinungstermin: Sommer 2013

In diesem topaktuellen Führer findet man 1000 kletterrouten in einem der schönsten kletterregionen Österreichs inkl. Randgebie-te und klettergärten.

Ewald Gauster, Kurt SchallPeilstein-Kletterführer 332 Seiten, ca. 600 farbigen Abbildungen und Topos, Softcover mit stabiler Faden-heftung, 35,– €, ISbN 978-3-900533-70-0, Schall-Verlag

die komplett aktualisierte und überarbei-tete Neuauflage (April 2013) des beliebten kletterführers mit den Topklettergebieten Thalhofergrat, Holzschlag und den Arnstein bietet 1400 Routen in allen Schwierigkeits-graden und über 155 boulder.

der peilstein ist einer der schönsten und größten klettergärten Österreichs von inter-nationalem Format. Seit vielen Generationen wird hier schon geklettert und Geschichte geschrieben. Viele neue Routen und Sek-toren sind in den letzten Jahren vor allem im bereich Thalhofergrat und der Arnstein-wände entstanden, die meisten klassiker wurden mit klebehaken saniert.

Alle diese kletterführer sind im guten buchhandel und über www.schall-verlag.at erhältlich.

Hochschwab Gipfelmassiv Steiermark (bei Aflenz) – ein einmaliges klettergebiet

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17NaturfreuNd Themen & SToryS

Grazer BerglandKlettern tief im Südosten, in den letzten Ausläufern des Alpenbogens, dort, wo das Kernöl herkommt? Ortsunkundige mögen skeptisch sein, doch südlich von Hochschwab und Rax gibt es weiße Kalkberge und dunkle Urgesteinsfelsen, eingebettet in eine liebliche Hügellandschaft. Das steirische Randgebirge umfasst hufeisenförmig die Grazer Bucht, das Herzstück davon ist das Grazer Bergland mit seinen Kletterbergen Rote Wand, Rötelstein und Hochlantsch. Südwestlich davon, in den Urgesteinsbergen der Kor- und Stubalpe be-finden sich noch einige interessante Kletter-gärten.

Wo die fettesten Steinböcke der Alpen hausen, können die Bedingungen für Klette-rinnen und Kletterer nicht die schlechtesten sein. In der Tat ist das Grazer Bergland ein Kleinod für Plaisirkletterinnen und -klet-terer mit langen und kurzen Routen für alle Geschmäcker. Und es hat sich viel getan: Der Großteil der alten Routen wurde saniert, neue Plaisirrouten und Klettergärten wurden ge-schaffen. In der milden Herbstsonne oder gar an einem klaren Wintertag in den sonnen-warmen Platten zu klettern ist ein Geschenk, das man gerne öfter annimmt. Man wird also sicher wiederkehren – außer man wurde von einem Steinbock gestoßen …

bREITE WANd: EldORAdONeben „Serengeti“ in der Roten Wand ist „El-dorado“ die absolute Hit-Route des 6. Grades im Grazer Bergland und dementsprechend beliebt. Tolle, abwechslungsreiche Kletterei, meist über wunderschöne, henkelige Platten, zwischendurch ein paar freundliche Risse … Perfekte, plaisirmäßige Absicherung mit Kle-behaken und Sanduhren; an manchen Stellen gibt es natürlich schon deutliche Begehungs-spuren, dies stört aber wenig.

Die vierte Seillänge könnte man im Waldgelände rechts umgehen – es wäre aber wirklich schade um die schönen (wenn auch anspruchsvollen) Klettermeter! Auch die achte Seillänge ist ziemlich konstant im 6. Grad und in freier Kletterei anspruchsvoll.

Ausgangspunkt: Parkplatz Rote Wand

ROTE WANd: EUpHORIASehr schöne Kletterei im besten Fels entlang einer schmalen Plattenzone; ab der 3. Seil-länge sehr gut ab ge sichert. Die Schlüsselstelle kann recht gut A0 entschärft werden. Von den ersten beiden mäßigen Längen (gemeinsam mit der Route "Biotox") sollte man sich nicht abschrecken lassen – ab der 3. Länge wird es wirklich super!

Ausgangspunkt: Parkplatz Rote Wand

TOURENINFO4–6, eine passage 6+ (5+ obl.), 250 Hm

TOURENINFO5–6+, eine passage 7 (6 obl.), 170 Hm

In der 1. Seillänge der Route "Rechtsruck" (linkes bild), in der 8. Seillänge von "Eldorado" (rechtes bild)

INSERAT 1/3 Edelrid