Gewerbliche Sprengmittel bei untertägigen Sprengarbeiten - Heft 2006... · 12 Artikel 1 -...

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9 Hammelmann / Albrecht „Untertägige Sprengarbeiten” - Artikel 1 Gewerbliche Sprengmittel bei untertägigen Sprengarbeiten Problemschau Speziell bei der untertägigen Spreng- arbeit kommt dem Ladesäulenaufbau eine besondere Bedeutung zu. Be- dingt durch die schwierigen Rahmen- bedingungen, wie beispielsweise ver- hältnismäßig kleine Bohrlochdurch- messer und geringe Ladesäulenlänge, ist eine sorgfältige Abstimmung der gewählten Zünd- und Sprengstoffsys- teme aufeinander erforderlich. Die Ausführungen im anschließenden Kapitel 1 werfen einen Blick auf die Entwicklung von Zünd- und Spreng- stoffsystemen (auch als Sprengsysteme bezeichnet) der verdeutlichen soll, welche Anstrengungen unternommen werden mussten bis es gelang, hand- Dr.- Ing. Frank Hammelmann, Orica Europe Pty Ltd & Co KG Sprenging. Thomas Albrecht, Orica Germany GmbH Ein Beitrag von: habungssichere und leistungsstarke Sprengsysteme zu entwickeln, die auch unter diesen schwierigen Rah- menbedingungen ein zuverlässiges Sprengergebnis garantieren [1, 2]. Im Kapitel 2 werden aktuelle Anwen- dungen und neue Entwicklungen auf dem Gebiet untertägiger Sprengsys- teme vorgestellt. Abschließend erfolgt der Versuch einer vergleichenden Be- urteilung unterschiedlicher Zünd- und Sprengstoffsysteme im Hinblick auf deren Eigenschaften; wie beispiels- weise deren Leistungsfähigkeit, Deto- nationsgeschwindigkeit, Arbeitssicher- heit und -hygiene oder Schwadenzu- sammensetzung. Die folgenden Ausführungen sollen veranschaulichen, welche Bedeutung der richtigen Wahl und Kombination des eingesetzten Zünd- und Spreng- stoffsystems - unter besonderer Be- rücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Zündinitials - zukommt. Der historische Abriss beschränkt sich auf die vornehmlich gewerblich genutz- ten Zünd- und Sprengstoffsysteme. Heutzutage vorwiegend militärisch genutzte Sprengmittel finden bei den historischen Betrachtungen keine Be- achtung. In die abschließende Gegenüberstel- lung wurden sie hingegen teilweise mit aufgenommen. Historische Entwicklung und Möglichkeiten des Ladesäulenaufbaus Vergleicht man die Entwicklung der Zündsysteme mit der Entwicklung moderner Sprengstoffsysteme so wird deutlich, dass die ersten Anwendun- gen von Sprengstoffsystemen erheb- lich weiter zurückreichen als die der ersten Zündsysteme. Die gesamte Entwicklung der heutigen Zündtechnik von der primitiven Zünd- schnurzündung bis hin zur modernen elektronischen Zündtechnik erfolgte in den vergangenen etwa 150 Jahren. Es wurden hierbei gleichermaßen auf dem Gebiet der Zündsysteme als auch im Bereich der Anwendungstechnik er- hebliche Fortschritte erzielt. Als aktu- elle Neuentwicklungen bei der elektro- nischen Zündtechnik seien hier nur die funkausgelöste i-kon Zündung und das zentrale, rechnergestützte i-kon Zündsystem für untertägige Sprengar- beiten genannt. Beide Systeme befin- den sich seit 2004 im internationalen Einsatz. Die Entwicklung der Sprengstofftech- nik reicht hingegen sehr weit zurück. Bereits im Jahr 1560 vor Chr. (XVI Bild 1: Signalgebung Dynastie; Ägypten) sind erste Mischun- gen dokumentiert, die durchaus als Vorläufer des Schwarzpulvers betrach- tet werden können, wenn auch ihr an- fänglicher Einsatz anderen Zwecken diente. So waren die Aufgaben dieser Mischungen zunächst im Bereich der Signalgebung (Bild 1), der psycholo- gischen Wirkung (Weihrauch), der hy- gienischen oder auch giftigen Wirkung (Abwehr von Feinden) zu suchen. Seit jeher haben Flammen und Rauch auf die Menschheit eine magische Wirkung ausgeübt. So wurden in den darauf folgenden 2000 Jahren die unter- schiedlichsten Mischungen aus Schwefel, Kohlenstoff (Holzkohle und/ oder Erdölprodukte) und weitere Bei- mengungen wie Kalk und/oder Salpe- ter hergestellt und bei kriegerischen Handlungen eingesetzt. Zunächst war der Grundgedanke die Schwefel/Kohlenstoffmischung durch die Zugabe von gebranntem Kalk so „einzustellen”, dass sich dieses Ge- menge durch die stark exotherme Reaktion des gebrannten Kalks beim Auftreffen auf Feuchtigkeit von selbst entzündete (Bild 2). Bild 2: Verteidigung der chinesi- schen Stadt Kaifeng gegen die Mongolen

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Hammelmann / Albrecht „Untertägige Sprengarbeiten” - Artikel 1

Gewerbliche Sprengmittel bei untertägigenSprengarbeiten

ProblemschauSpeziell bei der untertägigen Spreng-arbeit kommt dem Ladesäulenaufbaueine besondere Bedeutung zu. Be-dingt durch die schwierigen Rahmen-bedingungen, wie beispielsweise ver-hältnismäßig kleine Bohrlochdurch-messer und geringe Ladesäulenlänge,ist eine sorgfältige Abstimmung dergewählten Zünd- und Sprengstoffsys-teme aufeinander erforderlich.

Die Ausführungen im anschließendenKapitel 1 werfen einen Blick auf dieEntwicklung von Zünd- und Spreng-stoffsystemen (auch als Sprengsystemebezeichnet) der verdeutlichen soll,welche Anstrengungen unternommenwerden mussten bis es gelang, hand-

Dr.- Ing. Frank Hammelmann, Orica Europe Pty Ltd & Co KGSprenging. Thomas Albrecht, Orica Germany GmbH

Ein Beitrag von:

habungssichere und leistungsstarkeSprengsysteme zu entwickeln, dieauch unter diesen schwierigen Rah-menbedingungen ein zuverlässigesSprengergebnis garantieren [1, 2].

Im Kapitel 2 werden aktuelle Anwen-dungen und neue Entwicklungen aufdem Gebiet untertägiger Sprengsys-teme vorgestellt. Abschließend erfolgtder Versuch einer vergleichenden Be-urteilung unterschiedlicher Zünd- undSprengstoffsysteme im Hinblick aufderen Eigenschaften; wie beispiels-weise deren Leistungsfähigkeit, Deto-nationsgeschwindigkeit, Arbeitssicher-heit und -hygiene oder Schwadenzu-sammensetzung.

Die folgenden Ausführungen sollenveranschaulichen, welche Bedeutungder richtigen Wahl und Kombinationdes eingesetzten Zünd- und Spreng-stoffsystems - unter besonderer Be-rücksichtigung der Leistungsfähigkeitdes Zündinitials - zukommt.

Der historische Abriss beschränkt sichauf die vornehmlich gewerblich genutz-ten Zünd- und Sprengstoffsysteme.

Heutzutage vorwiegend militärischgenutzte Sprengmittel finden bei denhistorischen Betrachtungen keine Be-achtung.

In die abschließende Gegenüberstel-lung wurden sie hingegen teilweise mitaufgenommen.

Historische Entwicklung und Möglichkeiten desLadesäulenaufbausVergleicht man die Entwicklung derZündsysteme mit der Entwicklungmoderner Sprengstoffsysteme so wirddeutlich, dass die ersten Anwendun-gen von Sprengstoffsystemen erheb-lich weiter zurückreichen als die derersten Zündsysteme.

Die gesamte Entwicklung der heutigenZündtechnik von der primitiven Zünd-schnurzündung bis hin zur modernenelektronischen Zündtechnik erfolgte inden vergangenen etwa 150 Jahren. Eswurden hierbei gleichermaßen auf demGebiet der Zündsysteme als auch imBereich der Anwendungstechnik er-hebliche Fortschritte erzielt. Als aktu-elle Neuentwicklungen bei der elektro-nischen Zündtechnik seien hier nur diefunkausgelöste i-kon Zündung unddas zentrale, rechnergestützte i-konZündsystem für untertägige Sprengar-beiten genannt. Beide Systeme befin-den sich seit 2004 im internationalenEinsatz.

Die Entwicklung der Sprengstofftech-nik reicht hingegen sehr weit zurück.Bereits im Jahr 1560 vor Chr. (XVI

Bild 1: Signalgebung

Dynastie; Ägypten) sind erste Mischun-gen dokumentiert, die durchaus alsVorläufer des Schwarzpulvers betrach-tet werden können, wenn auch ihr an-fänglicher Einsatz anderen Zweckendiente. So waren die Aufgaben dieserMischungen zunächst im Bereich derSignalgebung (Bild 1), der psycholo-gischen Wirkung (Weihrauch), der hy-gienischen oder auch giftigen Wirkung(Abwehr von Feinden) zu suchen. Seitjeher haben Flammen und Rauch aufdie Menschheit eine magische Wirkungausgeübt. So wurden in den darauffolgenden 2000 Jahren die unter-schiedlichsten Mischungen aus

Schwefel, Kohlenstoff (Holzkohle und/oder Erdölprodukte) und weitere Bei-mengungen wie Kalk und/oder Salpe-ter hergestellt und bei kriegerischenHandlungen eingesetzt.

Zunächst war der Grundgedanke dieSchwefel/Kohlenstoffmischung durchdie Zugabe von gebranntem Kalk so„einzustellen”, dass sich dieses Ge-menge durch die stark exothermeReaktion des gebrannten Kalks beimAuftreffen auf Feuchtigkeit von selbstentzündete (Bild 2).

Bild 2: Verteidigung der chinesi-schen Stadt Kaifeng gegendie Mongolen

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SchwarzpulverNun waren die Vorräte an gebranntemKalk speziell in Kriegszeiten sehr be-grenzt, wohingegen es Ruinen in gro-ßer Zahl gab, aus deren Mauerwerkder Kalk zurückgewonnen werdenkonnte. Das Einarbeiten dieses „re-cycelten Bauschutts” in die oben be-schriebenen Schwefel/Kohlenstoffmi-schungen führen unweigerlich dazu,dass teilweise auch gewisse Mengenan salpetrigen Rückständen in dieEndmischung gelangten. Unter be-stimmten Voraussetzungen stellten sichso die Reaktionseigenschaften dieserGemenge wesentlich „wirkungsvoller”dar, als die der ursprünglich bekannten„reinen” Mischungen. Die Rezepturendes „Griechischen Feuers” (Bild 3) unddes „Huo Pau” sind somit durchausals die Vorläufer des heutigen Schwarz-pulvers anzusehen. Diese wahrschein-lich zufällige Entdeckung der feuerver-stärkenden und feuerunterhaltendenKraft des Salpeters durch die Chine-sen hat den Weg zur Erfindung desSchwarzpulvers geebnet. Wer letztend-lich wann, wie und wo das Schwarz-pulver erfunden hat, ist unklar. Sicher-lich wurde zunächst auch der grund-legende Unterschied von Brand- undExplosivstoff nicht erkannt. Die Ent-wicklung des Schwarzpulvers ist zuBeginn des 15. Jahrhunderts abge-schlossen. In den Folgejahren werdenweitere Verbesserungen im BereichSchwarzpulver, im wesentlichen beider Fertigung, erreicht. Diese bestan-den in der Abwendung von der gefähr-lichen manuellen Herstellung (Bild 4)hin zu einer mechanisierten (Bild 5),und sogar fernbedienbaren Produk-tion (Bilder 6a und 6b).

War der Einsatz von Schwarzpulver nundurchaus gebräuchlich, so brachte dieEntdeckung der ersten Nitroverbindun-gen eine wesentliche neue Erkenntnis:

Die Unterscheidung der Deflagrati-on von der Detonation.

Während sich die frei werdende Ener-gie bei einer deflagrierenden Umset-zung den Weg des geringsten Wider-standes sucht, also den des gering-sten Einschlusses, so erfolgt die Ener-gieausbreitung bei der detonativenUmsetzung gleichmäßig in alle Rich-tungen. Unabhängig von den Ein-schlussbedingungen!

Die objektive Beurteilung der Leis-tungsfähigkeit unterschiedlicherSprengstoffarten und -mischungen warsomit eine wesentliche Aufgabenstel-lung (Bild 7a „Raketenprobe” und Bild

Bild 4: Manuelle Schwarzpulver-fertigung

Bild 3: Griechisches Feuer

Bild 6: Fernbedienbare Schwarzpulverfertigung

7b „Eprouvette”). Neben dieser „Ein-ordnung” der unterschiedlichenSprengstoffe war es das wesentlicheEntwicklungsziel, die nun gefundenenNitroverbindungen handhabungs-sicher zu machen.

DynamitAllen flüssigen Nitroverbindungen (diesich bis ins 15. Jahrhundert zurückver-folgen lassen) ist gemein, dass sie aus

anwendungstechnischer Sicht höchstunsicher sind. Häufig kam es bereitswährend der Handhabung zur vorzei-tigen Umsetzung. Obwohl die hohemechanische Empfindlichkeit eine ein-fache Zündgestaltung erwarten ließ,war jedoch gerade die zuverlässigeInitiierung ausschließlich zum gewoll-ten Zeitpunkt mit den damals verfüg-baren „Zündmitteln“ kaum möglich.

1865 gelang es Alfred Nobel (Bild 8)zunächst in den Laboratorien seinerSprengstofffabrik „Auf dem Krümmel”bei Hamburg (Bild 9) mit der Erfindungdes Dynamits einen handhabungs-

Bild 5: Mechanisierte Schwarzpul-verfertigung

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sicheren Sprengstoff zu entwickeln.Nun ließen sich diese neuen, sehr lei-stungsstarken Sprengstoffe aberimmer noch nicht durch die bloßeZuführung eines thermischen Impulses- wie er ja durch die Zündschnurzün-dung zur Verfügung stand - zuverlässigund auch sicher zünden.

Der heute noch gültige Grundsatz derwirkungsvollen Initiierung der jeweilsfolgenden Sprengstoffkomponenteninnerhalb der Gesamtladung (Lade-säule) mit einem deutlich höheren Ini-tial wurde erkannt (Bild 10).

Die wesentliche Bedeutung des jewei-ligen Zündinitials für die nächstfolgen-de Komponente des gesamten Zünd-und Sprengstoffsystems wurde im19. Jh. begriffen.

Anfänglich war Alfred Nobel bei derEntwicklung seines „Patentzündhüt-chens” auf Schwarzpulverbasis bemühtdie Leistungsfähigkeit des Initialsdurch optimale Einschlussbedingun-gen (hohe Verdämmung) zu steigern(Bilder 11a und 11b). Da das Leistungs-potenzial des Schwarzpulvers im Hin-blick auf die Initiierung des Sprengölsund auch seines Dynamits selbst un-ter optimalen Einschlussbedingungenaber als „grenzwertig” zu beurteilen ist,erkannte er die Notwendigkeit einesgeeigneteren Zündmittels. Bald dar-auf entwickelte Alfred Nobel die ersteSprengkapsel, deren Ladung Knall-quecksilber der Primärladung moder-ner Zündmittel (heute meist Bleiazid)vergleichbar ist.

Im Jahre 1886 beginnt die Rheinisch-Westfälische Sprengstoff-Aktiengesell-

Bild 8: Alfred Nobel

Bild 9: Sprengstofffabrik „Auf demKrümmel” bei Hamburg

Bild 7a: Rakentenprobe Bild 7b: Eprouvette fürdie Pulverprobe

Bild 10: Effektive Initiierung (Initialkette)

Bild 11: Varianten von Alfred Nobels Patentzünder

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schaft, ein Vorgänger der Dynamit No-bel AG, mit dem Bau einer Sprengkap-selfabrik in Troisdorf bei Köln (Bild 12).

Die Zusammenstellung eines Spreng-systems unter Verwendung eines hö-her brisanten Zündmittels zur wirkungs-vollen Initiierung der nachfolgendenSprengstoffkomponenten hat nochheute Gültigkeit.

Wesentlich für den Aufbau eines leis-tungsstarken Sprengsystems ist der

leistungsstarken und wirtschaftlichenSprengstoff hervor, sondern die Ana-lyse zahlreicher Katastrophen mit gro-ßen Mengen für die Landwirtschaftgelagerten Ammonsalpeters (Bild 13).

Ein weiterer physikalischer Wirkme-chanismus ist für die Initiierbarkeit unddetonative Umsetzung dieser explosiv-stofffreien Gemenge aus Sauerstoffträ-ger und Kohlenstoff verantwortlich: Der„Hot-Spot-Effekt”.

Bei Anwendung der modernen ANFO-Sprengstoffe kommt einem leistungs-starken Initial eine noch größere Be-deutung zu (vgl. Bild 10).

Die feinen Lufteinschlüsse in den po-rösen Prills (Bild 14) werden durch dieEinleitung des Zündinitials sehr starkkomprimiert. Vereinfacht gesehen ent-steht dadurch kurzfristig ein Bereichextrem hoher Temperatur und extremhohen Drucks. Dieser energetisch„hochgespannte” Bereich eilt der ei-gentlichen Detonationsfront voraus(Bild 15). Erst das Zusammentreffenbeider Faktoren - also das Vorhan-densein der Reaktionspartner Sauer-stoff/Kohlenstoff und das kurzfristigeAnheben dieses Stoffgemisches aufdas oben beschriebene sehr hoheEnergieniveau - machen ANFO über-haupt detonationsfähig.

Emulsions-sprengstoffeBedingt durch die hohe Leistungsfä-higkeit, Handhabungssicherheit undWirtschaftlichkeit verbreitete sich dieAnwendung der ANFO-Sprengstoffe inder gewerblichen Sprengtechnik in

Bild 12: Zündhütchenfabrik „Züfa” in Troisdorf bei Köln

Bild 15: Hot-Spot-Effekt (vereinfachte Darstellung)

Bild 14: Ammoniumnitrat-Prill:poröse Körper mit offenenPoren und geschlossenenHohlräumenBild 13: Explosion in Oppau am 21. September 1921

gemäß Bild 10 schematisch verdeut-lichte Zusammenhang der Initiierungder jeweils nachfolgenden Komponentedieses Sprengsystems durch ein Initialhöherer Brisanz; beispielsweise mess-bar über die Detonationsgeschwindig-keit (Velocity of Detonation/ VoD).

Anfo-Sprengstoffe(ANC)Die Erfindung und Entwicklung derANFO- bzw. ANC-Sprengstoffe istdurchaus vergleichbar mit der derSchwarzpulversprengstoffe. Nicht diesystematische Entwicklung eines spe-ziellen Stoffgemisches brachte diesen

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kürzester Zeit. Wo es die betrieblichenRahmenbedingungen zulassen, istdieser Sprengstoff noch heute ersteWahl.

Nun haben die Ammonsalpeter Prillsjedoch sehr stark hygroskopische Ei-genschaften, was bei wasserführendenBohrlöchern schnell zu Leistungsein-bußen bis hin zum völligen Versagenführen kann.

Die Entwicklung eines wasserfestenSprengstoffsystems auf Basis einersolchen Ammonsalpeter/Öl-Mischungwar somit vorgezeichnet. Zunächstwurde versucht, die erforderliche Öl-menge in einer hochkonzentriertenSalzlösung zu dispergieren (Öltröpf-chen in Salzlösung; Bild 16).

Nur wenige Jahre später gelang es,feinste Salztröpfchen in Öl zu emul-

gieren (Ölfilm umhüllt Salztröpfchen;Bild 17).

Die modernen Emulsionsspreng-stoffe waren gefunden.

Heute stehen für die unterschied-lichsten Betriebs- und Rahmen-bedingungen Emulsionssprengstoffemit verschiedensten Eigenschaftenzur Verfügung.

Parameter, wie beispielsweise: Deto-nationsgeschwindigkeit, Schwaden-volumen, Dichte oder Sprengkapsel-empfindlichkeit lassen sich variieren.Allen Rezepturen ist jedoch das phy-sikalisch-chemische Wirkprinzip desVorhandenseins der beiden Reaktions-partner Sauerstoff/Kohlenstoff und des„Hot-Spot-Effektes” gemein.

Zwei Techniken werden heute zur Er-zeugung der für den „Hot-Spot-Effekt”

Bild 16: Hochkonzentrierte Salz-lösung - Dispersion

Bild 17: Emulsion

Bild 18: Mechanisches Sensibilisie-ren der Emulsionsmatrixdurch Eintrag von Mikro-hohlkugeln

Bild 19: Chemisches Sensibilisie-ren der Emulsionsmatrixdurch Begasen (Gassing)

erforderlichen Lufteinschlüsse einge-setzt: das mechanische Untermengenvon Mikrohohlkugeln (Bild 18) und/oder das chemische Begasen (Bild 19)der Emulsionsmatrix.

Aufbau von Ladesäulen und deren Initiierung bei aktuellenuntertägigen Sprengungen

Entwicklung desLadesäulenaufbausbei untertägigenSprengarbeitenBis in die 70er Jahre wurde im unter-tägigen Bergbau nahezu ausschließ-lich mit patronierten und vorwiegendgelatinösen Sprengstoffen gearbeitet.Standardmäßig wurde zur Initiierungdieser patronierten Ladesäulen dieSprengkapsel Nr. 8 eingesetzt (Bild 20),die in den gebräuchlichen elektrischenund nichtelektrischen Moment-, Kurz-zeit- und Langzeitzündern zur Anwen-dung kommt.

Mit Beginn der Verbreitung nicht spreng-kapselempfindlicher loser Spreng-stoffe im Bergbau mussten nun auchspezielle - auf die geringen Bohrloch-durchmesser abgestimmte - Zündver-stärker eingesetzt werden.

In Deutschland ist der weitaus größteVerbraucher loser Sprengstoffe im un-tertägigen Bereich der Kali- und Stein-salzbergbau.

Aber auch die weiteren bergbaulichenSprengtechniken sollen bei dieser Ge-genüberstellung mit berücksichtigtwerden.

Jede Anwendung stellt ihre speziellenAnforderungen an die jeweilige Spreng-technik.

Mit der sprengtechnischen Betreuungdes Tunnels Grouft in Luxemburg liegtOrica ein aktuelles vielseitiges Beispiel

vor für die Zusammenhänge von Lade-säulenaufbau und Zündtechnik bei gleich-zeitiger geologischer Problematik.

Mit Beginn der sprengtechnischen Auf-fahrung wurde als Zündverstärker beigepumpten Emulsionssprengstoffeneine Patrone Nobelit 310, 25 × 180 mm,eingesetzt.

Aufgrund schwieriger geologischerBedingungen kam es beim Laden derBohrlöcher immer wieder zu Proble-men beim Einbringen der Patrone.Durch das teilweise sehr weiche undgebräche Gestein können keine sau-beren Bohrlöcher erstellt werden. DieBohrlöcher, die in der Regel mit 45 oder52 mm Durchmesser gebohrt werden,weisen Ausbrüche von > 100 mm auf.In diesen zerklüfteten Bohrlöchernlegen sich die Patronen quer und ver-klemmen sich.Bild 20: Standard-Momentzünder

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Die zur reinen Initiierung am häufigstenverwendeten kleinkalibrigen Patronenmit Abmessungen von 25 × 180 mmhaben ein Gewicht von 125 g. Derhohe Energiegehalt dieser Patronebewirkt eine gute Leistung im Bohr-lochtiefsten, dem Bereich mit der größ-ten Verspannung. Somit ist dieserSprengstoff besonders gut geeignetzum Initiieren von losen Gesteins-sprengstoffen.

Vor-/Nachteile:Die Vorteile des Eurodyn 2000 liegenzweifelsohne in der hohen Energie-dichte und Detonationsübertragung.Eurodyn 2000 enthält keine aromati-schen Nitrokörper; wie DNT und TNT.Die Nachteile der gelatinösen Spreng-stoffe liegen in der ungünstigerenSchwadenzusammensetzung und denAnteilen an Nitroglykol, das gefäß-erweiternd wirkt und damit währendder Handhabung Kopfschmerzen aus-lösen kann.

Restsprengstoffe im Haufwerk sind derArbeitssicherheit undienlich.

Neben der o.a. traditionellen Initiierungloser Anfo-Sprengstoffe mittels gelati-nöser Sprengstoffe stellen patronierteEmulsionssprengstoffe eine zeitge-mäße und sinnvolle Alternative dar.

Ladesäulen aus ANFO-Sprengstoffen (ANC)Im gesamten Kali- und Steinsalzberg-bau wird fast ausschließlich loserANFO-Sprengstoff für die Gewinnungder Rohsalze eingesetzt, der auch alsANC (AN = Ammoniumnitrat, C = orga-nischer Bestandteil, Kohlenstoffträger)bezeichnet wird.

Der Ladeschlauch wird dann an derPatrone vorbei geschoben und beiLademengen von teilweise < 300g istnicht mehr gewährleistet, dass derZündverstärker in der Ladesäule liegt.Dies kann zu Versagern, schlechtenSprengergebnissen und Sprengstoff-resten im Haufwerk führen.

Diese Probleme konnten mit demEinsatz eines kleinen HE1)-Primers(Primer 15) beseitigt werden. Mit derVerwendung dieses Primers konntendeutliche Einsparungen bei der Vor-bereitungs- und Ladezeit erzielt undeine sichere Zündung gewährleistetwerden. Trotz geringfügig höherer Kos-ten für die Zündung überwiegen dieanwendungstechnischen Vorteile, spe-ziell auch bei den aufgezeigten geo-logischen Verhältnissen.

Ladesäulen aus gelati-nösen NG-Sprengstoffen(Dynamite)Der traditionelle Gesteinssprengstoffgehört zur Familie der gelatinösenSprengstoffe. Die aktuellen Typen sindmodifiziert und stellen die Weiterent-wicklung der Dynamite dar (NG-Pro-dukte = NitroGlycerin- bzw. NitroGly-col-Produkte), wobei das Kennzeichenweiterhin im Sprengölgehalt besteht.Einer dieser Vertreter heißt bei Orica„Eurodyn“.

Bild 21: Eurodyn 2000 kleinkalibrig

Speziell die kleinkalibrigen in Papiergewickelten Eurodyn 2000-Patronen(Bild 21) werden auch heute noch aufGrund der hohen Leistungsdichte undder einfachen Handhabbarkeit bei unter-tägigen Sprengarbeiten als Hauptladungwie auch zur Initiierung eingesetzt.

Eurodyn 2000 (Bild 22) zeichnet sichim Vergleich zu anderen Gesteins-sprengstoffen durch seine hohe Bri-sanz, die hervorragende Detonations-übertragung und die hohe Energie-dichte aus. Eurodyn 2000 enthält alszeitgemäßer Sprengstoff keine aroma-tischen Nitrokörper wie DNT und TNT;die als krebserregend eingestuft sindbzw. gelten.

Bild 22: Daten des Eurodyn 2000von Orica

Sprengstoffdaten:Dichte (g/cm³): 1,4VoD im Einschluss (m/s): 6000Schwadenvolumen (l/kg): 900Explosionswärme (kJ/kg): 4500Spezifische Energie (kJ/kg): 1050Sauerstoffbilanz (%): +1,2

ANFO-Sprengstoff wird im untertägi-gen Einsatz bzw. im Tunnelbau fastausschließlich mittels Druckluft in dieBohrlöcher befördert, also pneuma-tisch geladen.

Für viele Gebirgsstrukturen reicht je-doch die Brisanz der ANC-Spreng-stoffe nicht aus, weshalb die Emul-sionssprengstoffe unter Tage häufigAnwendung finden.

Ladesäulen aus Emul-sionssprengstoffen (EMS)Grundsätzlich sind hierbei zwei Artenvon Emulsionssprengstoffen zu unter-scheiden. Sowohl die sprengtechni-sche Charakteristik, als auch die Hand-habung werden wesentlich durch dieForm der Sensibilisierung (mechanischoder chemisch) beeinflusst.

Mechanisch sensibilisierte EMSDer mit Mikrohohlkugeln mechanischsensibilisierte, sprengkapselempfind-liche Emulsionssprengstoff Nobelit 310(Bild 23) ist in der gleichen Weise pa-troniert wie kleinkalibrige gelatinöseSprengstoffe. Er bietet bei der Hand-habung einige Vorteile.

Bild 23: Daten des Nobelit 310 vonOrica

Sprengstoffdaten:Dichte (g/cm³): 1,16VoD freiliegend (m/s): 4500 - 4700Schwadenvolumen (l/kg): 880Explosionswärme (kJ/kg): 2800Spezifische Energie (kJ/kg): 730Sauerstoffbilanz (%): +3,6

Die in Papier gewickelte Patrone (Bild 24)mit den Abmessungen 25 × 180 mmhat ein Gewicht von 100 g. Durch einespezielle Faltung des Papiers an denPatronenenden entfällt das bei ge-schlauchter Ware (chemische Sensibi-lisierung) erforderliche Vordornen derPatrone.

Durch einfaches Zusammendrückender Patrone öffnet sich die Stirnfaltung(Bild 25) und der Sprengzünder kannproblemlos eingeführt werden (Bild 26).Darüber hinaus ist der Emulsions-1) HE = High Energy Explosive

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sprengstoff auch sehr handhabungs-sicher, da er durch Stoß oder Reibungnicht initiierbar ist. Die Patrone lässtsich problemlos teilen (Bild 27), sodass auch das Herstellen von kleine-ren Ladungen sehr einfach möglich ist(Bild 28). Aufgrund der Konsistenzkann die Patrone bei Überkopf- Bohr-löchern auch angedrückt werden.

Vor-/Nachteile:Die Vorteile der Nobelit 310 Patroneliegen in der guten Leistung bei gleich-zeitig günstiger Schwadenzusammen-setzung.

Dazu kommt noch eine hohe Hand-habungssicherheit und die sehr ein-fache Handhabung.

Nachteilig ist die mögliche Schussbe-einflussung durch benachbarte Bohr-löcher.

Nobelit Al (Bild 29) ist ebenfalls einmit Mikrohohlkugeln sensibilisierter,sprengkapselempfindlicher Emulsions-

Bild 28: Schnittfläche einer Nobelit310 - Patrone

Bild 27: Schneiden einer Nobelit310 - Patrone

Bild 26: Einführen des Zünders inNobelit 310 - Patrone

Bild 24: Nobelit 310 - Patrone Bild 25: Aufdrücken einer Nobelit310 - Patrone

sprengstoff. Durch die Zugabe von Alu-miniumanteilen erreicht er eine sehrhohe Detonationsgeschwindigkeit undstellt damit eine sehr hohe Energiebereit.

Der Nobelit Al wird gegebenenfalls alsgeschlauchte Patrone mit Durchmes-sern ab 32 mm hergestellt und eignetsich besonders zum Sprengen vonspröden bis hin zu zähen, harten Ge-steinsformationen.

Vor-/Nachteile:Die Vorteile der Nobelit Al-Patrone liegenin der hohen Detonationsgeschwin-digkeit in Verbindung mit der hohenDichte. Auch dieser Sprengstoff bie-tet eine hohe Handhabungssicherheit.

Nachteilig ist die ebenfalls möglicheSchussbeeinflussung durch benach-barte Bohrlöcher.

Für die Herstellung bringt der Alumi-niumeinsatz durchaus gewisse Si-cherheitsbedenken - ein Nachteil Al-haltiger Sprengstoffe. Deshalb ver-suchte Dynamit Nobel wie auch OricaSprengstoffe verschiedenster Leistungs-parameter erfolgreich auf den Marktzu bringen, ohne auf Al zurückzu-greifen.

Chemisch sensibilisierte EMSNeben dem durch mechanischesUntermischen von Mikroholkugelnsensibilisierten Nobelit 310 wie auchNobelit Al, ist mit dem kleinkalibrigenNobelit EP (Bild 30) auch ein durchchemisches Begasen (Gassing)sensibilisierter Emulsionssprengstoff- verpackt in einer geschlauchtenPatrone - verfügbar.

Nobelit EP ist ein patronierter Emulsi-onssprengstoff, der sich für vielesprengtechnische Anwendungen eig-net. Er entwickelt durch die Zugabezusätzlicher Prills ein hohes Schwaden-volumen.

Mit den Abmessungen 32 × 450 mmund einem Gewicht von 400 g hat die-se Nobelit-EP-Patrone einen sehr ho-hen Energiegehalt, ist aber aufgrundder Abmessungen eher für Bohrloch-durchmesser von > 40 mm geeignet.

Vor-/Nachteile:Die Vorteile des Nobelit EP liegen inseiner guten Leistung bei großemSchwadenvolumen und seiner hohenHandhabungssicherheit.

Als nachteilig wirkt sich auch hier diemögliche Schussbeeinflussung durchbenachbarte Bohrlöcher (z.B. beimFächer- oder Keileinbruch) aus.

Bild 29: Daten des Nobelit Al vonOrica

Sprengstoffdaten:Dichte (g/cm³): 1,26VoD freiliegend (m/s): 5400Schwadenvolumen (l/kg): 850Explosionswärme (kJ/kg): 2700Spezifische Energie (kJ/kg): 900Sauerstoffbilanz (%): +8,6

Bild 30: Daten des Nobelit EP vonOrica

Sprengstoffdaten:Dichte (g/cm³) 1,2VoD freiliegend (m/s): 4500Schwadenvolumen (l/kg): 940Explosionswärme (kJ/kg): 3000Spezifische Energie (kJ/kg): 900Sauerstoffbilanz (%): -2,5

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Vor-/Nachteile:Die Vorteile dieses „Nacktsprengens“liegen in der einfachen Handhabung;das Einbringen des Zünders in einenzusätzlichen Zündverstärker entfällt.Es gibt keine Beeinflussung derSprengschwaden und der ausschließ-liche Einsatz eines Zünders ist im Ver-gleich zur Anwendung mit einem zu-sätzlichen Zündverstärker wesentlichkostengünstiger.

Alle elektrischen Orica-Sprengzündermit Aluminiumhülse sind in die Lager-und Transportklassifizierung 1.4 S ein-gestuft.

Nachteilig ist die im Vergleich zu ei-nem zusätzlichen Zündverstärker ge-ringere Leistung.

Zündung durch Zünder mitverstärkter UnterladungDer Zünder mit verstärkter Unterla-dung, der sogenannte Heavy-Zünder(Bild 32), wurde entwickelt, um loseSprengstoffe in kleinkalibrigen Bohr-löchern ohne zusätzlichen Zündver-stärker sicher zu initiieren. Der Heavy-Zünder besitzt grundsätzlich eineSprengkapsel aus einer Kupfer-Zink-Legierung und ist optisch von einemStandard-Kupfer-Zink-Sprengzündernicht zu unterscheiden. Auch die Ab-messungen sind (bis auf die Länge,die sich geringfügig erhöht) identisch.Dabei hat der Heavy-Zünder, bedingtdurch eine geänderte Art der Unter-ladung, etwa die doppelte spezifischeEnergie einer Sprengkapsel Nr. 8.Trotzdem ist der Zünder auch mit die-ser Leistung nicht massenexplosions-gefährlich.

Bild 32: Heavy-Zünder von Orica

Bild 33: Primer 15 von Orica

Bild 31: Pilzstopfen mit CuZn-Kapsel

und anwendungsspezifische Produk-te bereitgestellt, die speziell auf dieseAnforderungen abgestimmt sind. Hierkommt z.B. der Pilzstopfen (Bild 31)zum Einsatz, der neben der besserenFixierung des elektrischen Teils in derSprengkapsel auch eine stoßdämp-fende Wirkung hat und dem Spreng-zünder in Verbindung mit der Spreng-kapsel aus einer Kupfer-Zink-Legierungeine wesentlich höhere mechanischeStabilität gibt. Die Primär- und Sekun-därladungen der Moment-, Kurzzeit-und Langzeitzünder sind dabei identischmit den Standard-Sprengzündern.

ZündtechnischeLösungen für dieuntertägigen Spreng-variantenZündung nur mit Zünder -„Nacktsprengen”Im gesamten Kali- und Steinsalzberg-bau wird fast ausschließlich loserANFO-Sprengstoff für die Gewinnungder Rohsalze eingesetzt. Hierbei gibtes die Besonderheit, dass seit Mitte der80er Jahre dieser normalerweise nichtsprengkapselempfindliche Spreng-stoff unter besonderen Bedingungenauch mit einem Sprengzünder ohneZündverstärker eingesetzt werden darf,wenn die entsprechenden BAM-Zu-lassungen für die verwendeten Zünd-und Sprengstoffsysteme vorliegen.

So muss dem verwendeten losenANC-Sprengstoff die Verwendungsbe-stimmung 0058 mit folgendem Inhaltzugeordnet sein: Im Kali- und Stein-salzbergbau kann auf die Verwendungeines Zündverstärkers verzichtet wer-den, wenn:

1. der Einblasdruck des Ladegerätes3 bar nicht überschreitet,

2. vor dem Einbringen des Zündersvorgeblasen wird, d. h. bereits einTeil des Bohrlochs mit dem ANC-Sprengstoff gefüllt ist, oder der Zün-der nicht weiter als seiner Länge ent-sprechend in den Ladeschlauch ein-geführt wird,

3. der Bohrlochdurchmesser nichtgrößer als 45 mm ist.

In dieser Verwendungsbestimmung istdie Durchführung des sogenannten„Nacktsprengens”, beschränkt auf denKali- und Steinsalzbergbau enthalten,da hier durch das trockene Gebirgeund die geringe Luftfeuchtigkeit keinenegative, und somit leistungsmindern-de Beeinflussung des Sprengstoffsdurch Feuchtigkeit zu erwarten ist.Weiterhin ist der maximale Bohrloch-durchmesser (in diesem Fall 45 mm)festgelegt, damit der Sprengzünder inder Lage ist, die zur sicheren Initiie-rung erforderliche Energie im Bohrlochbereitzustellen.

Für das „Nacktsprengen” müssen ne-ben dem Sprengstoff auch die Spreng-zünder eine gesonderte Zulassung derBAM haben.

Da bei diesem Einsatz der Sprengzün-der unter Umständen höheren mecha-nischen Belastungen ausgesetzt seinkann, werden von Orica auch kunden-

In der Lager- und Transportklassifi-zierung ist der Heavy-Zünder in dieKlasse 1.4 B eingestuft.

Vor-/Nachteile:Die Vorteile bei Anwendung diesesZünders liegen in der einfachen Hand-habung. Das Einbringen des Zündersin einen zusätzlichen Zündverstärkerentfällt. Es gibt keine Beeinflussungder Sprengschwaden und der aus-schließliche Einsatz eines Zünders istim Vergleich zur Anwendung eines zu-sätzlichen Zündverstärkers wesentlichkostengünstiger.

Nachteilig ist die im Vergleich zu ei-nem zusätzlichen Zündverstärker ge-ringere Leistung.

Zündung mittels PrimerAbschließend soll hier der Primer 15(Bild 33) aus der Gruppe der HE-Primer(HE = High Energy Explosive) vorge-stellt werden. Der Primer 15 hat eineNettoexplosivstoffmasse von 15 g undist aufgrund der geringen Abmessun-gen (der Außendurchmesser beträgt15 mm) auch mit kleinen Ladeschläu-chen mit Innendurchmessern ab 17 mmverwendbar. Explosivstoff ist plastifi-ziertes Nitropenta (PETN). Der Primerkann mit allen elektrischen, nichtelek-trischen und elektronischen Zündernverwendet werden.

Durch eine spezielle Zünderaufnahmeist eine sichere Verbindung des Primersmit dem Sprengzünder gewährleistet(Bild 34). Der Bereich der Ladung istgekapselt, so dass der Anwender nichtmit dem Sprengstoff in Verbindungkommt. Durch die spezielle Zünder-aufnahme und die abgeschlosseneLadung kann der Primer auch bei er-höhten Lager- und Einsatztemperatu-ren problemlos verwendet werden.

Vor-/Nachteile:Die Vorteile des Primers liegen nebender hohen Leistung in der einfachenund arbeitshygienisch unbedenklichenVerwendung dieses Produktes.

Nachteilig wäre die ungünstige Schwa-denzusammensetzung und stark nega-tive Sauerstoffbilanz, die man aber zumgrößten Teil vernachlässigen kann, da

Bild 34: Primer 15 mit eingeführtemZünder

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Hammelmann / Albrecht „Untertägige Sprengarbeiten” - Artikel 1

der Anteil des Primers mit 15 GrammNettoexplosivstoffmasse an der Ge-samtladung relativ gering ist.

Gegenüberstellung derInitiierungsmögichkei-ten von kleinkalibrigenSprengladungenZusammenfassend werden alle Mög-lichkeiten der Initiierung von kleinka-librigen Ladesäulen in einer Matrix

gegenübergestellt. Dabei werden diezündtechnischen Zusammenhänge mitder Sprengstoffart und Ladesäulenge-staltung verglichen (Tabelle 1) und dieentsprechenden Vor- und/oder Nach-teile in den verschiedenen Bereichen,wie Arbeitshygiene, Arbeitssicherheit,Handhabung, Leistung u.s.w. bewer-tet (Tabelle 2).

Eine objektive Einstufung kann in denBereichen der Produkteigenschaftenwie Leistung und Detonationsge-schwindigkeit erfolgen. Ebenso kann

der Bereich Arbeitssicherheit / Arbeits-hygiene eindeutig beurteilt werden.

Andere Bereiche, wie z.B. die Wirtschaft-lichkeit, sind hier nicht pauschal zubewerten und müssen für jeden Anwen-dungsfall separat betrachtet werden.

Mit dieser Produktpalette werden denunterschiedlichen Anwendern in Ver-bindung mit den verschiedenen Zünd-und Sprengstoffsystemen eine Vielzahlan Kombinationen zum Erreichen desgewünschten Sprengergebnisses zurVerfügung gestellt.

Erläuterung der Fußnoten in der Tabelle 1:

1) Sprengschnur als Mittel der sicheren Zündübertragung ist im untertägigen Einsatz wie beim Tunnelbau nicht verbreitet; Kosten-gründe und Schwadenprobleme stehen dagegen. Zündsicherheit muss durch die entsprechenden Arbeitsweisen garantiertwerden. Sprengschnur als Sprengstoff ist dagegen eher anzutreffen.

2) Primer entsprechen Schlagpatronen, wobei die Sprengladung meist aus hochbrisantem einheitlichen Sprengstoff besteht, diewiederum als Booster oder Zündverstärker bezeichnet wird.

Sprengladung Zündung Bemerkungen

Sprengstoffart Ladungsaufbau Initiierung Zündübertragung(1) (2) (3) (4) (5)

NG-Sprengstoff Patroniert Zünder Sprengschnur1), durch-(Dynamite) gängige Ladesäule

ANFO-Sprengstoff Lose / Primer2): durch Einblasen mit(ANC) mechanisiert geladen Zünder + Booster mit garantierter Lage

des Primers im ANCnicht sprengkapsel-empfindlich Heavy-Zünder durch Einblasen mit

garantierter Lage desZünders im ANC

bedingt spreng- Zünder nur i.V.m. verschiede- nur im Kali-/ Steinsalz-kapselempfindlich (Sprengkapsel Nr. 8) nen Randbedingungen Bergbau zugelassen

= „Nacktsprengen”

Emulsions- Patroniert,spreng- Zünder Sprengschnur1), durch-Sprengstoff (EMS) kapselempfindlich gängige Ladesäule

Mechanisch Patroniert,nicht Primer2): durchgängige EMS kapselempfindlichsensibilisiert sprengkapsel- Zünder + Booster Ladesäule als Booster möglich

empfindlichHeavy-Zünder Sprengschnur1), durch-

gängige Ladesäule

Gepumpt,nicht Primer2): durchgängigesprengkapsel- Zünder + Booster Ladesäuleempfindlich

Emulsions- Patroniert,nicht spreng- Primer2): durchgängige EMS kapselempfindlichSprengstoff (EMS) kapselempfindlich Zünder + Booster Ladesäule als Booster möglich

Chemisch Heavy-Zünder durchgängigesensibilisiert Ladesäule

Gepumpt,nicht spreng- Primer2): durchgängigekapselempfindlich Zünder + Booster Ladesäule

durchmesserabhängig Zünder z.B. Nob. 2000→ kapselempfindlich <45 mm bis 34 mm

Tabelle 1: Zusammenhang von Ladesäulenaufbau und Zündung

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Artikel 1 - „Untertägige Sprengarbeiten”

Aus

gabe

200

6

++ = sehr gut, + = gut, O = befriedigend, - = ausreichend

Erläuterung der Fußnoten in der Tabelle 2:

1) Der HE-Primer, der den leistungsstärksten Sprengstoff der hier vorgestellten Produkte enthält, wurde in dieser Sparte abge-wertet, da die anteilige Explosivstoffmenge an der Gesamtladesäule sehr gering ist.

2) Die Sprengkapsel mit der verstärkten Unterladung ist im Gesamtvergleich mit der Sprengkapsel Nr. 8 gleichgesetzt, hat aberin etwa die doppelte Leistung der Standard-Sprengkapsel.

3) Eurodyn 2000 bekommt diese Bewertung aufgrund der gefäßerweiternden Wirkung des Nitroglykols. Es sei noch einmalangemerkt, dass der Eurodyn 2000 keine als krebserregend eingestuften Nitroaromaten wie DNT und TNT enthält.

4) Diese Bewertung ist sehr stark produktabhängig und kann je nach Aufbau des Primers - von einer offenen Hülse bis zu einemvöllig gekapselten System - und der verwendeten Sprengstoffe sehr schwanken. Diese Einstufung bezieht sich speziell aufden Primer 15.

5) Die Schwadenzusammensetzung eines Primer ist eher ungünstig, kann aber aufgrund des geringen Anteils an der Gesamt-ladung vernachlässigt werden.

NG-Sprengst. EMS EMS HE-Primer Sprenkapsel SprengkapselDynamite Mikroholkugeln Gassing PETN-Primer Nr.8 (nackt) (Nackt-Heavy)

z.B. z.B. z.B. z.B. z.B. z.B. Eurodyn 2000 Nobelit 310 Nobelit EP Primer 15 Dynadet Dynadet H

Leistungsfähigkeit / ++ ++ ++ +1) o o2)Energiegehalt

Brisanz / VOD ++ + + ++ o oArbeitssicherheit - ++ ++ - - -Arbeitshygiene o3) + + ++4) ++ ++Schwadenzusammensetzung o ++ ++ o5) ++ ++Handhabung + + o + ++ ++Totpresssicherheit ++ - - ++ ++ ++Kosten / Einheit o + + o ++ ++

Tabelle 2: Bewertung der Eigenschaften verschiedener Zündtechniken für kleinkalibrige Sprengladungen

Literatur[1] Hammelmann, Staskiewicz, Straeten: Sprengstoffe im Wandel der Zeit, Nobel Hefte 70 (2004), S. 7-15, Herausgeber:

Sprengtechnischer Dienst der Orica Germany GmbH Troisdorf.

[2] Hammelmann, Schneider, Staskiewicz, Straeten: Sprengstoffe im Wandel der Zeit unter besonderer Beachtung ihrerLeistungsbeurteilung, SprengInfo Heft 3/2005, S. 19-34, Mitteilungsblatt des Deutschen Sprengverbandes e.V.