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Haftungsrisiko Gesamtschuld 1) Einleitung Verlangt der Mandant von seinem Berater Schadenersatz, können sich Konstellationen ergeben, in denen der einzelne vom Mandanten konkret in Anspruch genommene Berater nicht alleine für den geltend gemachten Schaden verantwort- lich ist, sondern auch noch weitere Berater. In einem solchen Falle haften alle Berater gesamtschuldnerisch gegenüber dem Mandanten und sind untereinander zum Ausgleich verpflich- tet. Da die Ausgleichsansprüche nach der Rechtsprechung dem Grunde nach zeitgleich mit dem Schadenersatzanspruch des Mandanten entstehen, kann dies für den ausgleichsbe- rechtigten Berater zu erheblichen verjährungsrechtlichen Pro- blemen führen: Denn seine eigene Inanspruchnahme durch den Mandanten kann zu einem Zeitpunkt erfolgen, in dem seine gesamtschuldnerischen Ausgleichsansprüche bereits un- mittelbar zu verjähren drohen oder aber – schlimmstenfalls – bereits verjährt sind. Im Bereich der Rechtsanwalts-, Steuerbe- rater- und Wirtschaftsprüferhaftung ist dieses Problem der Verjährung der gesamtschuldnerischen Ausgleichsansprüche – im Unterschied zum Bau- und Architektenrecht – ein bis- lang kaum betrachtetes Problemfeld. Vorliegender Beitrag gibt einen Überblick über die Rechtslage. 2) Ausgangspunkt § 426 BGB § 426 BGB enthält zwei verschiedene gesamtschuldnerische Ausgleichsansprüche: Nach § 426 Abs. 1 BGB sind die Gesamtschuldner im Verhält- nis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen. Gemäß § 426 Abs. 2 BGB geht, soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden. Diese beiden Ausgleichsansprüche stehen selbstständig ne- beneinander. Der Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB ist ein eigenständiger Anspruch, der nach ständiger Recht- sprechung bereits mit der Begründung der Gesamtschuld ent- steht und nicht erst mit der Befriedigung des Gläubigers. 1 Hierin unterscheidet sich § 426 Abs. 1 BGB maßgeblich vom Forderungsübergang nach Abs. 2: Der Übergang der Forde- rung nach § 426 Abs. 2 BGB erfolgt erst, wenn ein Gesamt- schuldner den Gläubiger ganz oder teilweise befriedigt hat. Die Forderung erlischt nicht durch die Zahlung des Gesamt- schuldners, sondern bleibt für den Zweck des Rückgriffs er- halten. 2 3) Grundsätzliches zum Verjährungsbe- ginn des Ausgleichsanspruchs Für die Frage, wann der Ausgleichsanspruch zu verjähren be- ginnt, ist zwischen dem originären Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB und dem kraft Gesetzes übergegangenen Anspruch nach § 426 Abs. 2 BGB zu differenzieren. a) Die Verjährung des Anspruchs aus § 426 Abs. 1 BGB Folgendes gilt hinsichtlich der Verjährung des originären Aus- gleichsanspruchs nach § 426 Abs. 1 BGB: GI service Ausgabe 1/2018 www.hdi.de/giservice Rafael Meixner, Rechtsanwalt, HDI Versicherung AG, Köln 1 BGH v. 18.6.2009 – VII ZR 167/08, NJW 2010, 60; BGH v. 21.11.1953 – VI ZR 82/52, BGHZ 11, 170; RG v. 16.11.1908 – VI 607/07, RGZ 69, 422. 2 BGH v. 20.9.1990 – IX ZR 214/89, NJW 1991, 97; BGH v. 15.1.1988 – V ZR 183/86, NJW 1988, 1375.

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  • Haftungsrisiko Gesamtschuld

    1) EinleitungVerlangt der Mandant von seinem Berater Schadenersatz, können sich Konstellationen ergeben, in denen der einzelne vom Mandanten konkret in Anspruch genommene Berater nicht alleine für den geltend gemachten Schaden verantwort-lich ist, sondern auch noch weitere Berater. In einem solchen Falle haften alle Berater gesamtschuldnerisch gegenüber dem Mandanten und sind untereinander zum Ausgleich verpflich-tet. Da die Ausgleichsansprüche nach der Rechtsprechung dem Grunde nach zeitgleich mit dem Schadenersatzanspruch des Mandanten entstehen, kann dies für den ausgleichsbe-rechtigten Berater zu erheblichen verjährungsrechtlichen Pro-blemen führen: Denn seine eigene Inanspruchnahme durch den Mandanten kann zu einem Zeitpunkt erfolgen, in dem seine gesamtschuldnerischen Ausgleichsansprüche bereits un-mittelbar zu verjähren drohen oder aber – schlimmstenfalls – bereits verjährt sind. Im Bereich der Rechtsanwalts-, Steuerbe-rater- und Wirtschaftsprüferhaftung ist dieses Problem der Verjährung der gesamtschuldnerischen Ausgleichsansprüche – im Unterschied zum Bau- und Architektenrecht – ein bis-lang kaum betrachtetes Problemfeld. Vorliegender Beitrag gibt einen Überblick über die Rechtslage.

    2) Ausgangspunkt § 426 BGB§ 426 BGB enthält zwei verschiedene gesamtschuldnerische Ausgleichsansprüche:

    Nach § 426 Abs. 1 BGB sind die Gesamtschuldner im Verhält-nis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

    Gemäß § 426 Abs. 2 BGB geht, soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

    Diese beiden Ausgleichsansprüche stehen selbstständig ne-beneinander. Der Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB ist ein eigenständiger Anspruch, der nach ständiger Recht-sprechung bereits mit der Begründung der Gesamtschuld ent-steht und nicht erst mit der Befriedigung des Gläubigers.1 Hierin unterscheidet sich § 426 Abs. 1 BGB maßgeblich vom Forderungsübergang nach Abs. 2: Der Übergang der Forde-rung nach § 426 Abs. 2 BGB erfolgt erst, wenn ein Gesamt-schuldner den Gläubiger ganz oder teilweise befriedigt hat. Die Forderung erlischt nicht durch die Zahlung des Gesamt-schuldners, sondern bleibt für den Zweck des Rückgriffs er-halten.2

    3) Grundsätzliches zum Verjährungsbe-ginn des Ausgleichsanspruchs

    Für die Frage, wann der Ausgleichsanspruch zu verjähren be-ginnt, ist zwischen dem originären Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB und dem kraft Gesetzes übergegangenen Anspruch nach § 426 Abs. 2 BGB zu differenzieren.

    a) Die Verjährung des Anspruchs aus § 426 Abs. 1 BGBFolgendes gilt hinsichtlich der Verjährung des originären Aus-gleichsanspruchs nach § 426 Abs. 1 BGB:

    GI service • Ausgabe 1/2018

    www.hdi.de/giservice

    Rafael Meixner, Rechtsanwalt, HDI Versicherung AG, Köln

    1 BGH v. 18.6.2009 – VII ZR 167/08, NJW 2010, 60; BGH v. 21.11.1953 – VI ZR 82/52, BGHZ 11, 170; RG v. 16.11.1908 – VI 607/07, RGZ 69, 422.2 BGH v. 20.9.1990 – IX ZR 214/89, NJW 1991, 97; BGH v. 15.1.1988 – V ZR 183/86, NJW 1988, 1375.

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    aa) Verjährungsbeginn des Anspruchs aus § 426 Abs. 1 BGBDer Ausgleichsanspruch unter Gesamtschuldnern unterliegt unabhängig von seiner Ausprägung als Mitwirkungs-, Befrei-ungs- oder Zahlungsanspruch einer einheitlichen Verjährung. Mit der Begründung der Gesamtschuld ist er entstanden im Sinne des § 199 BGB. Der Umstand, dass der Ausgleichsan-spruch irgendwann später – nach Zahlung durch einen der Gesamtschuldner – auf einen Zahlungsanspruch gerichtet ist, ändert hieran nichts.3 Nach einer anderen zum Teil noch ver-tretenen Auffassung ist für die Verjährung des auf Zahlung gerichteten Ausgleichsanspruchs auf den Zeitpunkt der Zah-lung durch den ausgleichsberechtigten Gesamtschuldner an den Gläubiger abzustellen.4 Dies lehnt der BGH jedoch auf-grund folgender Erwägungen ab:

    Zum einen ist die Zahlung des Ausgleichsberechtigten an den Gläubiger gerade keine tatbestandliche Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs. Die Zahlung lässt mithin also keinen „neuen“ Anspruch entstehen. Die Zahlung hat vielmehr nur zur Folge, dass der Ausgleichsanspruch nunmehr in anderer Form als zuvor erfüllt werden muss.

    Zum anderen könnte es zu Unbilligkeiten führen, wenn in verjährungsrechtlicher Hinsicht an die Zahlung des ausgleichs-berechtigen Gesamtschuldners angeknüpft würde. Denn die-ser hätte es dann in der Hand, durch sein eigenes Verhalten den Verjährungsbeginn und die Notwendigkeit der Erhebung verjährungshemmender Maßnahmen hinauszuzögern. Dies sei aber mit dem Zweck des Rechtsinstituts der Verjährung, nämlich Schuldnerschutz und Rechtsfrieden zu schaffen, nicht zu vereinbaren.

    Damit lässt der BGH die Verjährung zwar recht frühzeitig be-ginnen. Dass dies aber wiederum zu Unbilligkeiten führen könnte, verneint der BGH. Denn der Ausgleichsberechtigte ist seiner Meinung nach ausreichend über die Vorschrift des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB und deren kenntnisabhängiges Mo-ment geschützt. Kenntnisabhängig beginnt der Anspruch zu verjähren, wenn der Ausgleichsberechtigte Kenntnis von den Umständen hat, die einen Anspruch des Gläubigers gegen den Ausgleichsverpflichteten begründen, von denjenigen, die einen Anspruch des Gläubigers gegen ihn selbst begründen, sowie von denjenigen, die das Gesamtschuldverhältnis be-gründen und schließlich von den Umständen, die im Innen-verhältnis eine Ausgleichspflicht begründen.5

    bb) Einheitliche Verjährung des Ausgleichsanspruchs nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGBDer Grundsatz der Schadenseinheit findet auch im Bereich des Gesamtschuldnerausgleichs Anwendung.6 Im Haftungs-recht, insbesondere bei der Steuerberater-, Wirtschaftsprü-fer- und Rechtsanwaltshaftung, stellt er ständige Rechtspre-chung dar: Der Schadenersatzanspruch des Mandanten ge-gen seinen Berater entsteht danach dem Grunde nach be-reits dann, sobald ein erster Teilschaden entstanden ist.7 Ein solcher Teilschaden liegt beispielsweise schon dann vor, wenn ein neuer steuerlicher Berater den Mandanten auf ei-ne fehlerhafte steuerliche Gestaltungsberatung des vormali-gen Beraters hinweist, der Mandant Maßnahmen ergreift,

    die ihm zur Beseitigung der Folgen der fehlerhaften Bera-tung empfohlen worden sind, und ihm hierdurch Kosten des neuen Beraters entstanden sind.8

    Diesen Grundsatz der Schadenseinheit überträgt der BGH nun auch auf die Verjährung des Gesamtschuldneraus-gleichsanspruchs:

    Nach dem Grundsatz der Schadenseinheit gelte – so der BGH in einer aktuellen Entscheidung zur Verjährung des Ge-samtschuldnerausgleichsanspruchs 9 – der gesamte Schaden, der auf einem bestimmten einheitlichen Verhalten beruhe, bereits mit der ersten Vermögenseinbuße als eingetreten, sofern mit den einzelnen Schadensfolgen bereits beim Auf-treten des ersten Schadens gerechnet werden konnte. Die Verjährung des Ersatzanspruchs erfasse auch solche nach-träglich eintretenden Schadensfolgen, die im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs als möglich voraussehbar waren. Dieser Rechtsgedanke beruht auf den Geboten der Rechts-klarheit und Rechtssicherheit. Er findet – so der BGH – seine Rechtfertigung darin, dass dem Geschädigten in aller Regel zuzumuten sei, sich schon aufgrund der Kenntnis von der haftungsbegründenden Erstschädigung durch eine Feststel-lungsklage bezüglich aller weiteren Schadensfolgen gegen eine Verjährung zu sichern.

    Der Grundsatz der Schadenseinheit sei auch für die Beurtei-lung der Frage heranzuziehen, wann der Ausgleichsan-spruch eines zum Schadenersatz verpflichteten Gesamt-schuldners gegen den anderen im Hinblick auf Schäden ent-standen ist, die erst nach der Verwirklichung des haftungs-begründenden Tatbestands eingetreten sind. Hier gilt letzt-lich nichts anderes als hinsichtlich des Schadenersatzan-spruchs des Mandanten gegen seinen Berater: Auch im Ge-samtschuldverhältnis stelle sich der gesamte aus einer uner-laubten Handlung oder einer Vertragsverletzung entsprin-gende Schaden als Einheit dar, die alle Folgezustände um-fasse, die im Zeitpunkt der Erlangung allgemeinen Wissens um den Erstschaden als möglich voraussehbar waren. Der Ansicht, wonach der Ausgleichsanspruch erst mit jeder im weiteren Verlauf nach der Schädigung fällig werdenden Schadenersatzposition entsteht, erteilte der BGH eine Absa-ge. Denn dies würde zu einer unbegrenzten Vielzahl von Ausgleichsansprüchen desselben Ersatzpflichtigen aufgrund derselben Verletzungshandlung führen.

    cc) Gesamtschuldnerausgleich trotz Verjährung des GläubigeranspruchsDer Ausgleichsanspruch desjenigen Gesamtschuldners, der den Anspruch des Gläubigers erfüllt hat, wird grundsätzlich nicht davon berührt, dass der Anspruch des Gläubigers ge-gen den anderen Gesamtschuldner verjährt ist.10 Denn bei § 426 Abs. 1 BGB handelt es sich um einen selbstständigen Ausgleichsanspruch. Der ausgleichsverpflichtete Gesamt-schuldner ist also nicht – wie dies aber bei § 426 Abs. 2 BGB der Fall ist – in der Lage, dem ausgleichsberechtigten Ge-samtschuldner alle Einreden entgegenzuhalten, die sich aus dessen Verhältnis zum Gläubiger ergeben. Die Verjährung des gegen den ausgleichsverpflichteten Gesamtschuldner gerichteten Gläubigeranspruchs wirkt nicht zum Nachteil des ausgleichsberechtigten Gesamtschuldners. Die Dispositi-on, die der Gläubiger innerhalb des zwischen ihm und dem

    3 BGH v. 18.6.2009 – VII ZR 167/08, NJW 2010, 60.4 Peters/Jacoby in: Staudinger, Kommentar zum BGB, Buch 1, 2014, Allgemeiner Teil, §§ 164–240, § 199 Rdnr. 7.5 BGH v. 18.6.2009 – VII ZR 167/08, VersR 2010, 394.6 BGH v. 8.11.2016 – VI ZR 200/15, VersR 2017, 170.7 BGH v. 24.1.2013 – IX ZR 108/12, GI 2013, 72.

    8 BGH v. 23.4.2015 – IX ZR 176/12, GI 2015, 100.9 BGH v. 8.11.2016 – VI ZR 200/15, VersR 2017, 170.10 BGH v. 9.7.2009 – VII ZR 109/08, VersR 2010, 396.

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    genommener Gesamtschuldner kann nach Ansicht des BGH dem nicht entgegenhalten, der ausgleichsberechtigte Ge-samtschuldner hätte mit Erfolg die Einrede der Verjährung gegenüber dem Gläubiger erheben können.11 Maßgeblich ist insoweit, dass der ausgleichspflichtige Gesamtschuldner ge-rade nicht – im Unterschied zur Rechtslage bei § 426 Abs. 2 BGB – dem ausgleichsberechtigten Gesamtschuldner alle Einreden entgegenzuhalten hat, die sich aus dessen Verhält-nis zum Gläubiger ergeben. § 426 Abs. 1 BGB gewährt dem ausgleichsberechtigten Gesamtschuldner einen selbstständi-gen Ausgleichsanspruch und eine Rechtsposition, die er al-lein durch die Überleitung des Gläubigeranspruchs nach § 426 Abs. 2 BGB nicht erhielte. Diese Begünstigung würde dem ausgleichsberechtigten Gesamtschuldner wieder ge-nommen, wenn der Anspruch denselben Beschränkungen unterläge wie der übergeleitete Gläubigeranspruch. Zur Rechtfertigung dieses Ergebnisses führt der BGH maßgeblich wieder die Gesetzgebungsmaterialien und den Abschlussbe-richt der Schuldrechtskommission heran. Die Problematik wurde seinerzeit erkannt. Das Gesetz änderte man aber nicht entsprechend.

    b) Die Verjährung des Anspruchs aus § 426 Abs. 2 BGBDeutlich einfacher stellt sich die Rechtslage der Verjährung bei dem Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 2 BGB dar: Bei dem Anspruch aus § 426 Abs. 2 BGB richtet sich die Verjäh-rung nach dem ursprünglichen Gläubigeranspruch, da § 426 Abs. 2 BGB lediglich eine Legalzession begründet. Die Ver-jährungsfrist läuft ohne Rücksicht auf die Abtretung weiter. Der Zessionar als ausgleichsberechtigter Gesamtschuldner muss sich die für den Verjährungsbeginn maßgebliche Kenntnis des Zedenten – d. h. der des ursprünglichen Gläu-bigers – anrechnen lassen.

    Im Rahmen des § 426 Abs. 2 BGB kommt es für die Frage der Verjährung ausschließlich darauf an, ob der ausgleichs-pflichtige Gesamtschuldner gegen den übergegangenen An-spruch die Einrede der Verjährung einwenden kann. Uner-heblich ist, ob der originäre Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB bereits verjährt ist.12 Das OLG München hatte sich gerade mit dieser Frage zu befassen gehabt: Die Formu-lierung in § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB „Soweit ein Gesamt-schuldner … von den übrigen Schuldnern Ausgleichung ver-langen kann“ ist – so das OLG München – nicht dahinge-hend zu verstehen, dass bei einer Verjährung des Anspruchs nach § 426 Abs. 1 BGB auch eine Geltendmachung des übergegangenen Anspruchs ausscheidet bzw. es gar nicht mehr zu einem Anspruchsübergang auf den zahlenden Ge-samtschuldner kommt.13

    4) Die ProblemfälleFür den ausgleichspflichtigen Gesamtschuldner kann eine missliche Situationen dann entstehen, wenn er von dem Gläubiger zu einem Zeitpunkt auf Schadenersatz in An-spruch genommen wurde, in dem sein Ausgleichsanspruch

    gegen die übrigen Gesamtschuldner unmittelbar zu verjäh-ren droht bzw. bereits verjährt ist. Zu einer solchen Situation kann es gerade deshalb kommen, weil der Schadenersatzan-spruch des Gläubigers einerseits und der Gesamtschuldner-ausgleichsanspruch andererseits jeweils einer eigenständi-gen Verjährung unterliegen. Ein Gleichlauf der Verjährung, wie dies seinerzeit im Abschlussbericht der Schuldrechts-kommission dergestalt angedacht war, wonach der Aus-gleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB ebenso wie der Anspruch des Gläubigers gegen den ausgleichspflichtigen Gesamtschuldner verjähren sollte, wurde im Gesetz gerade nicht geregelt.

    Konsequenz der Auffassung der selbstständigen Verjährung des Freistellungs- und Zahlungsanspruchs ist, dass es zum Zwecke der Verjährungshemmung notwendig sein kann, den Ausgleichsanspruch bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem der ausgleichsberechtigte Gesamtschuldner seinerseits vom Gläubiger noch gar nicht in Anspruch genommen wurde, geltend zu machen. In der Praxis ist dies – jedenfalls zurzeit – ein nicht üblicher Weg, zumal wenn nicht zu erwarten ist, dass der Gläubiger Ansprüche geltend machen wird.15

    Um dem Interesse des ausgleichsberechtigen Gesamtschuld-ners gerecht zu werden, wird vorgeschlagen, die Verjährung des Anspruchs aus § 426 Abs. 1 frühestens – und zwar kenntnisabhängig – zu dem Zeitpunkt beginnen zu lassen, zu dem der Gläubiger den später regresssuchenden Gesamt-schuldner – wenn auch bloß außergerichtlich – auf Leistung in Anspruch nimmt („verhaltener Anspruch im dreipersona-len Verhältnis“).16 Ausgangspunkt für diese Ansicht ist, dass regelmäßig ohnehin erst zu diesem Zeitpunkt Kenntnis vom Ausgleichsanspruch vorliegen wird. Anders liegt es aber, wenn schon vor diesem Zeitpunkt Kenntnis vorlag.

    Die selbstständige Verjährung des Ausgleichsanspruchs kann es damit notwendig machen, „prophylaktische“17 Prozesse – auch „Vorratsfeststellungsklagen“18 genannt – zwischen den Gesamtschuldnern zum Zwecke der Verjährungshem-mung zu führen. Andernfalls muss der noch nicht in An-spruch genommene Gesamtschuldner gegebenenfalls mit der Verjährung seines Rückgriffsanspruchs rechnen. Er ris-kiert, dass ihn der Gläubiger kurz vor Ablauf der Verjäh-rungsfrist verklagt, die Zustellung gemäß § 167 ZPO (Stich-wort: „demnächst“) ihm gegenüber noch wirksam ist, wenngleich die Zustellung der Klage erst nach Ende des Jah-res erfolgt und er zu diesem Zeitpunkt keine verjährungs-hemmenden Maßnahmen mehr gegenüber den übrigen Ge-samtschuldnern erheben kann.

    Folgende Problemkonstellationen können sich insbesondere bei Beraterregressen ergeben:

    a) Kenntnis vom Schadenersatzanspruch noch vor des-sen GeltendmachungSofern die Berater Kenntnis vom Schadenersatzanspruch ha-ben, noch bevor dieser durch den Mandanten geltend ge-macht wurde, besteht die Gefahr, dass der Ausgleichsan-spruch zwischen den Beratern zwischenzeitlich verjährt. Auf-grund der eigenständigen Verjährung von Ausgleichsan-spruch und Schadenersatzanspruch ist dies grundsätzlich möglich.19

    11 BGH v. 25.11.2009 – IV ZR 70/05, NJW 2010, 435.12 Bydlinski in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 426 Rdnr. 44.13 OLG München v. 26.3.2009 – 23 U 4885/08, OLGR München 2009, 673.

    14 Pfeiffer NJW 2010, 23, 25.15 Bydlinski LMK 2017, 387534.16 Bydlinski LMK 2017, 387534.17 Hager JA 2017, 546, 549. 18 OLG Frankfurt v. 24.1.2011 – 25 U 108/09, zitiert nach juris.19 OLG Frankfurt v. 24.1.2011 – 25 U 108/09, zitiert nach juris; OLG Düsseldorf v. 3.12.2013 – 23 U 91/12, BauR 2016, 140.

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    b) Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis noch vor Entstehen des SchadenersatzanspruchsFür eine Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Aus-gleichsberechtigten ist es erforderlich, dass der ausgleichs-berechtigte Gesamtschuldner Kenntnis von den jeweiligen Schadenersatzansprüchen des Gläubigers gegen die anderen Gesamtschuldner und den Umständen hat, die das Gesamt-schuldverhältnis begründen.20 Sofern es um Schadenersatz-ansprüche aufgrund fehlerhafter steuerlicher Beratung geht, kann eine frühzeitige „Kenntnis“ bzw. ein frühzeitiges „Kennenmüssen“ vom Ausgleichsanspruch in verjährungs-rechtlicher Hinsicht (noch) unerheblich sein, sofern die Kenntnis schon zu einem Zeitpunkt vorlag, als der Schaden-ersatzanspruch des Mandanten noch gar nicht entstanden ist.21 In der Regel entsteht der Schadenersatzanspruch bei ei-ner steuerlichen Fehlberatung erst zu dem Zeitpunkt, zu dem der nachteilige, den Mandanten belastende Steuerbe-scheid ergangen ist.22 Sollte der Berater bereits vorher sei-nen Fehler erkannt haben, hat dies auf die Verjährung des gesamtschuldnerischen Ausgleichsanspruchs keinen Einfluss. Die Verjährung des Ausgleichsanspruchs beginnt erst mit Schadensentstehung und nicht schon früher. Der in der Pra-xis typische Fall dürfte darin liegen, dass die Berater bereits während einer laufenden Betriebsprüfung den ihnen unter-laufenen Fehler erkennen.

    c) Fahrlässige Unkenntnis oder schon positive Kennt-nis?Sofern der Mandant gegen einen der Gesamtschuldner Schadenersatzansprüche außergerichtlich geltend macht, ist es für den ausgleichsberechtigten Gesamtschuldner mangels Anhängigkeit eines Prozesses nicht möglich, über das pro-zessual einfache Mittel der Streitverkündung eine Verjäh-rungshemmung herbeizuführen. Ihm bleibt lediglich die Möglichkeit, gegen den ausgleichspflichtigen Gesamtschuld-ner eine Feststellungsklage zu erheben.23 Allerdings ist diese Vorgehensweise mit erheblichen Problemen verbunden, wenn sich der ausgleichsberechtigte Gesamtschuldner – zu-mindest aus seiner Sicht – mit guten Gründen gegen den geltend gemachten Schadenersatzanspruch zur Wehr setzt. Sofern er eine Feststellungsklage gegen den ausgleichs-pflichtigen Gesamtschuldner erheben würde, müsste er in diesem Verfahren über den Ausgleichsanspruch zur Darle-gung eines Gesamtschuldverhältnisses begründen, weshalb er selbst gegenüber dem Gläubiger haftet. Dies stünde dann aber notgedrungen im Gegensatz zu seinem Vortrag gegen-über dem Gläubiger.

    Nach einer Entscheidung des OLG Karlsruhe aus dem Be-reich des Architekten-Haftungsrechts soll in einer solchen Konstellation mangels Zumutbarkeit der Erhebung einer Feststellungsklage kein Verjährungsbeginn anzunehmen sein.24 Ausgangspunkt hierfür ist die Rechtsprechung des BGH, wonach für den Verjährungsbeginn im Allgemeinen ei-ne solche Kenntnis ausreichend ist, die es dem Ausgleichs-berechtigten erlaubt, eine hinreichend aussichtsreiche – wenn auch nicht risikolose – und ihm zumutbare Feststel-lungsklage zu erheben.25 Der Begriff der Zumutbarkeit hat nach Auffassung des OLG Karlsruhe nicht nur eine objektive Komponente, nämlich den Grad der Kenntniserlangung, sondern auch eine subjektive Seite. Ob die Erhebung einer

    Ausgleichsklage sinnvoll und zumutbar sei, hänge auch da-von ab, ob sich der Ausgleichsberechtigte noch vertretbar gegen seine eigene Haftung zur Wehr setze. Eine Feststel-lungsklage gegen andere Gesamtschuldner sei nicht zumut-bar, wenn die Haftung noch von ungeklärten Voraussetzun-gen abhänge. In der Literatur wird indes diese Rechtspre-chung als zweifelhaft angesehen.26

    Im Bereich der Architektenhaftung wird schon dann eine ausreichende Kenntnis, d. h. grob fahrlässige Unkenntnis, angenommen, die zum Beginn der Verjährung führt, wenn der Anspruchsberechtigte den Sachverhalt kennt und weiß, dass der Sachverhalt erhebliche Anhaltspunkte für die Ent-stehung eines Anspruchs bietet, wobei von seinen Fach-kenntnissen als Architekt auszugehen ist.27

    d) Sonderfall: Geltendmachung des Schadenersatzan-spruchs nach zehn Jahren (§ 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB)Sofern der Mandant kurz vor Ablauf der zehnjährigen Ver-jährungsfrist (§ 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB) eine Haftungsklage gegen einen der Berater erhebt und die Zustellung an diesen noch „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO erfolgt, wird in der Regel bereits Verjährung des Gesamtschuldneraus-gleichsanspruchs gegeben sein, sofern der Berater mangels Kenntnis der gegen ihn gerichteten Vorwürfe und des Scha-denersatzanspruchs zuvor keine verjährungshemmenden Maßnahmen ergriffen hat.28

    e) Unverjährter Schadenersatzanspruch gegen andere Gesamtschuldner und Verjährung des Ausgleichsan-spruchs Sofern ein Gesamtschuldner vom Gläubiger in Anspruch ge-nommen wurde und sein Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 BGB bereits verjährt ist, kann er nur dann Ausgleich von dem weiteren Gesamtschuldner verlangen, wenn im Fall der Zahlung der Gläubigeranspruch gegen den anderen Ge-samtschuldner gemäß § 426 Abs. 2 BGB auf ihn übergeht und dieser Anspruch noch nicht verjährt ist.

    Problematisch wird es für den vom Gläubiger in Anspruch genommenen Gesamtschuldner dann, wenn er erkennt, dass der Gläubiger gegen den anderen Gesamtschuldner keine verjährungshemmenden Maßnahmen ergreift. Nach Ansicht des BGH stellt allein das Verstreichenlassen der Ver-jährungsfrist, sei es wissentlich, aus Unkenntnis oder aus mangelnder Sorgfalt kein rechtsmissbräuchliches Verhalten dar.29 Die Verjährung läuft ohne Rücksicht auf die Abtretung weiter, sodass sich der Zessionar, also der ausgleichsberech-tigte Gesamtschuldner, die für den Verjährungsbeginn maß-gebliche Kenntnis des Zedenten, als des ursprünglichen Gläubigers, anrechnen lassen muss.30 Diese missliche Situati-on lässt sich nur dadurch lösen, dass entweder frühzeitig, al-so noch innerhalb der Verjährungsfrist des gegen den ande-ren Gesamtschuldner gerichteten Gläubigeranspruchs, Zah-lung geleistet wird und anschließend verjährungshemmende Maßnahmen ergriffen werden oder mit dem Gläubiger eine Absprache getroffen wird, dass er die von ihm erhobene Haftungsklage auf den weiteren Gesamtschuldner erweitert.

    20 BGH v. 18.6.2009 – VII ZR 167/08, VersR 2010, 394.21 Vgl. OLG München v. 18.1.2011 – 9 U 2546/10, NJW-RR 2011, 530; OLG Hamm v. 10.12.2014 – 3 U 175/13, zitiert nach juris.22 BGH v. 23.4.2015 – IX ZR 176/12, NJW 2015, 2190.23 Meixner/Schröder, Wirtschaftsprüferhaftung, 2013, Rdnr. 408.24 OLG Karlsruhe v. 24.4.2012 – 8 U 6/10, zitiert nach juris.25 BGH v. 26.11.1987 – IX ZR 162/86, NJW 1988, 1146.

    26 Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl. 2014, 6. Teil Rdnr. 94, Fn. 340..27 OLG Düsseldorf v. 3.12.2013 – 23 U 91/12, BauR 2016, 140; OLG Frankfurt v. 25.5.2012 – 13 U 146/10, IBR 2013, 159.28 Vgl. Bydlinski in: MüKo, BGB, 7. Aufl., § 426 Rdnr. 25.29 BGH v. 9.7.2009 – VII ZR 109/08, VersR 2010, 396.30 Vgl. BGH v. 10.4.2008 – VII ZR 58/07, NJW 2008, 2429; Pfeiffer NJW 2010, 23.

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    5) FazitHaften mehrere Berater gesamtschuldnerisch gegenüber ei-nem Mandanten, so ist ein gesamtschuldnerischer Innenaus-gleich vorzunehmen. Dieser Ausgleichsanspruch verjährt un-abhängig von dem Schadenersatzanspruch des Mandanten. Die Rechtsprechung hatte sich bislang nur mit der Verjäh-rung von Ausgleichsansprüchen im Bereich des Bau- und Ar-chitektenrechts zu befassen gehabt. Welche Anforderungen sie an die Verjährung von Ausgleichsansprüchen zwischen Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern stellt, ist bislang offen. Um vor unliebsamen Überraschun-gen gefeit zu sein, sollte bei einer Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen auch die Verjährung etwaiger Ausgleichsansprüche gegen weitere Berater im Auge behal-ten werden. Um nicht in die Not zu geraten, zum Zwecke der Verjährungshemmung gegebenenfalls prophylaktische Feststellungsklagen gegen weitere Berater erheben zu müs-sen, kann es sich anbieten, von diesen frühzeitig außerge-richtlich Verjährungsverzichtserklärungen einzuholen, um gerichtliche Auseinandersetzungen mit diesen zu vermeiden.

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    Rafael MeixnerRechtsanwaltHDI Versicherung AGKöln

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