Globalisierung Und Wohlfahrtsstaat - F. Scharpf

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Internationale Forschungskonferenz 2000 über soziale Sicherheit Helsinki, 25. - 27. September 2000 “Die soziale Sicherheit im globalen Dorf” Globalisierung und Wohlfahrtsstaat Beschränkungen, Herausforderungen und Schwachstellen Fritz W. SCHARPF Professeur, Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung Köln, Deutschland I NTERNATIONALE VEREINIGUNG FÜR SOZIALE S ICHERHEIT (IVSS) FORSCHUNGSPROGRAMM GASTGEBENDE ORGANISATIONEN : FINNISCHE M ITGLIEDSORGANISATIONEN DER IVSS

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Internationale Forschungskonferenz 2000 über soziale Sicherheit

Helsinki, 25. - 27. September 2000

“Die soziale Sicherheit im globalen Dorf”

Globalisierung und Wohlfahrtsstaat

Beschränkungen, Herausforderungen und Schwachstellen

Fritz W. SCHARPF

Professeur, Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung Köln, Deutschland

INTERNATIONALE VEREINIGUNG FÜR SOZIALE S ICHERHEIT (IVSS) FORSCHUNGSPROGRAMM

GASTGEBENDE ORGANISATIONEN: FINNISCHE MITGLIEDSORGANISATIONEN DER IVSS

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1 Dieser Artikel basiert auf den Ergebnissen eines gemeinsamen umfassenden Forschungsprojekts, daßAnpassungen in 12 fortgeschrittenen Wohlfahrtsstaaten an Veränderungen im internationalen wirtschaftlichen Umfeldvon den frühen siebziger bis in die späten neunziger Jahre hinein untersuchte. Das gemeinsam von Vivien A. Schmidtvon der Unviersität Boston und mir geleitete Projekt, das von der Volkswagen-Stiftung, der Thyssen-Stiftung und derMax-Planck-Gesellschaft finanziert wurde, enthält Berichte über das Vereinigte Königreich von Martin Rhodes, überAustralien und Neuseeland von Herman Schwartz, über die Schweiz von Guiliano Bonoli und André Mach, überÖsterreich, Belgien und die Niederlande von Anton Hemerijck, Brigitte Unger und Jelle Visser, über Deutschland vonPhilip Manow und Eric Seils, über Frankreich von Jonah Levy, über Italien von maurizio Ferrera und ElisabettaGualmini, und über Schweden und Dänemark von Mats Benner und Torben Vad. Daneben wurden einige wichtigeFragestellungen, die nicht in den Länderstudien voll behandelt werden konnten, in Sonderbeiträgen untersucht - soüber die Erwerbstätigkeit von Frauen von Mary Daly, über das vorzeitige Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt vonBernhard Ebbinghaus, über die Folgen de Liberalisierung im öffentlichen Dienst von Adrienne Héritier und SusanneSchmidt und über den internationalen Steuerwettbewerb von Steffen Ganghof. Zusätzlich haben Anton Hmerijck,Martin Schludi, Vivien Schmidt und ich selbst vergleichende analysen vorgelegt zu den unterschiedlichenSchwachstellen und institutionellen Stärken, dem politischen Lern- und Legitimationsprozeß. Alle diese Beiträgewerden zu diesem Zeitpunkt veröffentlicht: Fritz W. Scharpf und Vivien A. Schmidt (Hrgs.), 2000, Welfare and Workin the Open Economy, Bd. I. From Vulnerability to Competitiveness, Bd. II. Diverse Responses to CommonChallenges, Oxford, Oxford University Press. Da der vorliegende Beitrag nur eine stark vereinfachte Darstellungenthält, möchte ich darauf hinweisen, daß ich allein für Fehleinschätzungen und Auslassungen verantwortlich zumachen bin.

Fritz W. Scharpf

Globalisierung und WohlfahrtsstaatBeschränkungen, Herausforderungen und Schwachstellen1

Fritz W. ScharpfProfessorMax-Planck-Institut für Gesellschaftsstudien, KölnDeutschland

Die fortgeschrittenen kapitalistischen Wohlfahrtsstaaten haben in den Jahrzehnten nach demZweiten Weltkrieg ihre eigenen Zielsetzungen, politischen Formen und Finanzierungsquellenunter Bedingungen entwickelt, die es dem Nationalstaat erlaubten, in einer historisch geseheneinmaligen Weise seinen eigenen Wirtschaftsraum zu kontrollieren. Da die Regierungen in derLage waren, die Kapitalbewegungen zu regulieren, Wechselkurse zu bestimmen undEinfuhrzölle anzupassen, hatten externe Wirtschaftsfaktoren geringen oder gar keinen Einflußauf innenpolitische Entscheidungen. Wenn es Gemeinsamkeiten zwischen „Familien” nationalerWohlfahrtsstaaten und Systemen von Arbeitsbeziehungen gibt (Esping-Anderson, 1990), dannliegt das zunächst einmal an gemeinsamen ideologischen Werten und Zielen der bestimmendenpolitischen Parteien. Die Politik hatte mit anderen Worten einen großen Einfluß in denNachkriegsjahrzehnten.

Diese beschauliche Situation änderte sich nach Ablauf der frühen siebziger Jahre, als dieLeistungsfähigkeit der fortgeschrittenen kapitalistischen Volkswirtschaften durch dieStagflations-Krise nach dem ersten Ölpreisschock einem ernsten Test unterzogen wurde.

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2 Diese Analyse ist natürlich im Rahmen des Projekts geschehen und erscheint in vollem Umfang in unserenBuchpublikationen.

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Damals zeigte sich, dass die einzelnen Länder unterschiedlich gut mit den neueninternationalen Turbulenzen zurecht kamen, die durch die Abschaffung des Bretton-Woods-Systems fester, aber anpaßbarer Wechselkurse verschärft wurde. Länder, denen es nichtgelang, wirksame Lösungen zu finden, wurden mit steigender Massenarbeitslosigkeit und/odereiner galoppierenden Inflation konfrontiert, in jedem Falle aber mit hohen staatlichen Defizitenzu Beginn der zweiten Ölpreiskrise in den frühen achtziger Jahren, wobei zu diesen externenHerausforderungen noch ein dramatischer Anstieg der Realzinsen auf den internationalenKapitalmärkten hinzukam.

Im vorliegenden Beitrag, will ich nicht auf erfolgreiche und mißlungene Antworten auf dieinternationalen Wirtschaftsprobleme der siebziger und frühen achtziger Jahre eingehen2,sondern ausschließlich auf die Anpassung der Beschäftigungs- und Wohlfahrtssysteme anHerausforderungen eingehen, die sich aus der internationalen (globalen und europäischen)Integration der Produkt- und Kapitalmärkte ergeben, die sich nach den sechziger Jahrenlangsam abzeichnete, aber erst in den späten achtziger und neunziger Jahren eine neueIntensität gewann. Ich bin mir dabei der Tatsache voll bewusst, dass die internationalenwirtschaftlichen Veränderungen nicht die einzigen sind, mit denen die Wohlfahrtsstaaten indiesem Zeitraum zurecht kommen mußten, und dass veränderte Geschlechterrollen undFamilienstrukturen, eine rasch alternde Bevölkerung und steigende Kosten imGesundheitswesen das Goldene Zeitalter der Wohlfahrtsstaaten auch ohne die „Globalisierung”und die Europäische Währungsunion (EWU) in Frage gestellt hätten. Nichtsdestowenigerkönnte man mit diesen internen Problemen viel leichter zurecht kommen, wenn es die neueninternationalen politischen Entscheidungszwänge nicht gäbe.

Die neuen Zwänge

In der vergleichenden wirtschaftspolitischen Literatur gibt es eine umfassendeAuseinandersetzung zu der Frage, ob die wirtschaftliche Globalisierung die Innenpolitik desWohlfahrtsstaates berührt oder nicht. Während ein Teil der Literatur Alarm schlägt und einenWettlauf nach unten bei den sozialen Schutznormen als Folge des internationalen gesetzlichenRegelungs- und Steuerwettbewerbs voraussieht (Rodrik, 1997; Steinmo, 1994; Strange, 1991;1996; Tanzi, 1995), finden andere keine statistischen Belege für diese vorausgesagteKonvergenz, sondern eher ein Fortbestehen nationaler Unterschiede, die von parteilichenPräferenzen bestimmt werden (Garrett, 1995,1998; Quinn, 1997; Rhodes, 1996; Swank, 1997).Dass dieser Streit mehr Staub aufgewirbelt hat als Licht in die Sache gekommen ist, mag daranliegen, dass zwei grundlegende Unterscheidungen nicht klar vollzogen wurden – zwischenverbindlichen Restriktionen und Preiseffekten einerseits, und zwischen den Auswirkungenpolitischer Instrumente und dem Ergebnis einer politischen Strategie andererseits.

So verhinderte der dramatische Anstieg der Realzinsen auf den internationalen Kapitalmärktenin den frühen achtziger Jahren nicht, dass die Länder hohe Haushaltsdefizite hatten – aber siesteigerten mit Sicherheit die Kosten des Schuldendienstes. Auf ähnliche Weise verhindert einintensiverer Wettbewerb auf den internationalen Produktmärkten nicht aggressiveReallohnforderungen von nationalen Gewerkschaften, erhöht aber ihre Kosten in Bezug aufArbeitsplatzverluste. Darüber hinaus wirken sich diese Restriktionen eher nachteilig auf die freieWahl spezifischer politischer Instrumente als die politischen Ergebnisse aus, wenn die

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internationale Integration solche gesetzlich verbindlichen Zwänge einführt, wie dies für dieWährungs- und Wechselkurspolitik der Mitgliedstaaten der Europäischen Union der Fall ist.Selbst wenn Abwertung und Deficit Spending keine Option mehr darstellen, könnenSozialleistungen oder die Beschäftigung im öffentlichen Dienst immer noch angehoben werden,wenn dies durch Steuererhöhungen oder die Reduzierung anderer Ausgaben bezahlt wird. Kurzgesagt, engen Preiseffekte nicht allzu stark die Wahl der politischen Instrumente ein und selbstverbindliche Restriktionen für den Einsatz dieser Instrumente müssen nicht unbedingt zukonvergierenden politischen Ergebnissen führen.

Logischerweise können empirische Ergebnisse, die auf das Fortbestehen unterschiedlichernationaler politischer Ergebnisse und angewandter Instrumente verweisen, nicht dieBehauptung falsifizieren, daß fortgeschrittene Wohlfahrtsstaaten vor einer von der globalen odereuropäischen Integration der Produkt- und Kapitalmärkte ausgehenden Herausforderungstehen. Es erscheint sinnvoller, zunächst die Unterschiede zwischen dem internationalen(rechtlichen und ökonomischen) politischen Umfeld der späten neunziger Jahre und denBedingungen am Ende des „goldenen Zeitalters” in den späten sechziger Jahren zuberücksichtigen, um diese Unterschiede dann in Bezug zu den beschäftigungs- undsozialpolitischen Zielen fortgeschrittener Wohlfahrtsstaaten zu setzen.

In der frühen Nachkriegszeit des im nationalen Rahmen verankerten Liberalismus („embeddedcapitalism”, dazu: Ruggie, 1982) waren die nationalen Volkswirtschaften nur lose an dasinternationale Umfeld gebunden und die Regierungen waren noch in der Lage, Kapitalströme,Wechselkurse sowie die Import- und Exportbedingungen von Gütern und Dienstleistungen zukontrollieren – was ihnen viel Freiheit bei der Gestaltung nationaler Beschäftigungs-, Steuer-und Gesetzessystemen sowie den Sozialleistungen ließ. Selbst in den siebziger und den frühenachtziger Jahren, als im internationalen wirtschaftlichen Umfeld ein rauherer Wind zu blasenbegann, konnten die Regierungen noch auf eine Vielzahl politischer Optionen ausweichen, dieheute nicht mehr zur Verfügung stehen. Um nur einige Beispiele zu nennen:

• Großbritannien, Schweden, Italien, Australien, Neuseeland und andere Länderversuchten mehrfach ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit durch politisch motivierteAbwertungen ihrer Währungen wiederherzustellen;

• in den siebziger Jahren vertrauten die meisten Länder noch auf Wechselkurskontrollen,um Kapitalabflüsse zu verhindern;

• während des ersten Ölpreisschocks versuchten die meisten fortgeschrittenenIndustrieländer produktive Investionen durch geldpolitische Maßnahmen zu fördern,indem sie für sehr niedrige, oft negative Realzinssätze sorgten;

• während des ersten Ölpreisschocks versuchten die meisten fortgeschrittenenIndustrieländer die Gesamtnachfrage durch eine Ausgabepolitik undInvestitionsprogramme zu stabilisieren, die durch massive Haushaltsdefizite finanziertwurden;

• Australien und Neuseeland förderten die Vollbeschäftigung durch eine Importesubstituierende Industrialisierung, die durch extrem hohe Zollschranken und quantitativeEinfuhrbeschränkungen geschützt wurde;

• Frankreich, Italien und andere europäische Länder verlangten häufig besondere Zölleund griffen auf Einfuhrbeschränkungen zurück, um bestimmte Wirtschaftszweige zuschützen, die durch den Wettbewerb mit Importwaren bedroht waren;

• Schweden und einige andere Länder hatten stark regulierte Kreditmärkte, die ihnen eineKanalisierung der Verbrauchernachfrage und der Investitionsfonds zugunstenspezifischer Wirtschaftszweige, Regionen oder Unternehmen erlaubte;

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• Deutschland, Frankreich und Österreich sowie andere Staaten nutzten ihren Einfluß aufstaatseigene Banken zum gleichen Zweck;

• Frankreich, Italien und Österreich nutzten ein umfassendes System verstaatlichterIndustrien zum Auffangen der Beschäftigungsschocks infolge der ersten Ölpreiskrise,während Schweden die krisengeschüttelten Werften und Stahlunternehmenverstaatlichte, um den Übergang zu erleichtern, bis neue Beschäftigungschancen inanderen Branchen entstanden;

• fast alle Länder subventionierten im Niedergang befindliche Industriezweige, um dieArbeitsplatzverluste zu verringern;

• in allen Ländern wurden staatliche Telekommunikations- und Transportunternehmensowie die staatlichen Energieversorger nicht nur gegen den internationalen, sondernauch gegen nationale privatwirtschaftliche Konkurrenz geschützt;

• fast alle Länder schützten nationale Hersteller, indem sie Importeure zwangen,spezifische nationale Produktvorschriften einzuhalten;

• Deutschland, Österreich und die Schweiz sowie andere Länder schlossen ausländischeArbeitnehmer aus, um die offene Arbeitslosigkeit während des ersten Ölpreisschockszu verringern.

Hierzu möchte ich sagen, dass ich nicht unterstelle, dass der Einsatz solcher politischerOptionen damals oder heute wünschenswert war bzw. ist. Tatsache ist allerdings, dass sich vorweniger als zwei Jahrzehnten viele Länder in einer bestimmten Situation befanden, die heutenicht mehr besteht. In Europa lassen dies Verpflichtungen aus EU-Verträgen nicht mehr zu, dieals höchstes Recht im Lande Anwendung finden und die freie Bewegung von Gütern,Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräften in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaftsicherstellen. Darüber hinaus haben europäische Regelungen nationale Produktnormen ersetztoder verlangen die gegenseitige Anerkennung dieser; sie erforderten die Liberalisierung,Deregulierung und eben auch die Privatisierung staatlicher Einrichtungen in Bereichen wieKommunikation, Transport und Energieversorgung; das europäische Wettbewerbsrecht hatzudem das Spektrum erlaubter Subventionen drastisch eingeschränkt; die Maastricht-Kriterienfür die Mitgliedschaft in der Europäischen Währungsunion haben den Mitgliedstaaten völlig dieKontrolle über die Geld- und Wechselkurspolitik entzogen.

Für Länder außerhalb der Europäischen Union sind die rechtlichen Beschränkungen wenigerscharf, aber auch hier haben die Verhandlungen im Rahmen der Uruguay-Runde des GATT[Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen] die bestehenden Verpflichtungen zum Freihandelbei Dienstleistungen und auf den Agrarmärkten erheblich erweitert, wobei die Schaffung derWelthandelsorganisation (WTO) die rechtliche Durchsetzbarkeit dieser Verpflichtungenverbessert hat. Darüber hinaus wurden Staaten von der Unterstützung durch Weltbank undInternationalem Währungsfonds (IMF) abhängig und sahen sich starkem externen Druck zurHaushaltskonsolidierung, einer Hartwährungspolitik und einem unbeschränkten Kapitalverkehrausgesetzt. Auch in Fällen, in denen ein direkter Druck von Seiten des IMF nicht gegeben war,erwies sich die von Australien und Neuseeland in den späten achtziger Jahren angenommenePolitik als vollkommen vereinbar mit dem „Washingtoner Abkommen”. In Europa läßt sichähnliches für Schweden, Dänemark und das Vereinigte Königreich sagen, die nicht derWährungsunion beitraten, aber deren Haushalts- und Geldpolitik nichtsdestoweniger voll mitden Maastricht-Kriterien für die Mitgliedschaft in der EWU vereinbar sind.

Der rechtliche Druck scheint sich zu verstärken und könnte sogar durch wirtschaftlichen ersetztwerden, wenn die de facto offenen Volkswirtschaften eine bestimmte Grenze überschrittenhaben. Die Restriktionen für die Wirtschaftspolitik und der Druck zugunsten einer Liberalisierung

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im Bereich des Kapitalverkehrs war in Ländern, die von Kapitalimporten abhängen, um hoheHaushaltsdefizite oder anhaltende Leistungsbilanzdefizite zu finanzieren, besonders stark.Durch die wachsende Mobilität des Kapitals und die wachsende, relative große Bedeutung desinternationalen Wettbewerbs auf den Märkten für Güter und Dienstleistungen bekommt eineganze Reihe anderer Politikfelder diese wirtschaftlichen Restriktionen ebenfalls zu spüren. Ganzabstrakt gesehen, geht es um folgende Bereiche:

• Da die Konsumenten die freie Wahl zwischen inländischen und Importprodukten haben,kommt es zum Verlust von Marktanteilen, wenn nationale Steuern, gesetzlicheBestimmungen und Kollektivvereinbarungen den relativen Preis von im Inlandproduzierten Gütern und Dienstleistungen erhöhen;

• da die Unternehmen die freie Wahl des Produktionsstandorts haben, gehenArbeitsplätze verloren, wenn nationale Steuern, gesetzliche Bestimmungen undKollektivvereinbarungen die relativen Kosten der inländischen Produktion steigern;

• da das Kapital international beweglicher geworden ist, gehen die produktivenInvestitionen zurück, wenn nationale Steuern, gesetzliche Bestimmungen undKollektivvereinbarungen die relativen Unternehmensgewinne nach Steuer verringern;

• da das Kapital international beweglicher geworden ist, reduzieren relativ hoheSteuerlasten auf Kapitaleinkommen die Einnahmen.

Als Folge sehen sich die Länder zum Wettbewerb bei Steuern, gesetzlichen Regelungen undLöhnen gezwungen, um ihren Anteil am Weltmarkt für Güter und Dienstleistungen zu behaltenoder zu erhöhen, ihre Attraktivität als Standort für produktive Investitionen zu steigern undbesser in der Lage zu sein, Einnahmen aus einer mobilen Steuerbasis zu beziehen. Dies wirdallgemein so gesehen. Die Frage aber ist, ob und wie diese Verhältnisse die beschäftigungs-und sozialpolitischen Ziele fortgeschrittener Wohlfahrtsstaaten berühren, und zwar in der Form,in der diese am Ende des goldenen Nachkriegszeitalters definiert worden sind.

Allgemeine Herausforderungen

Bei der Erörterung dieser Fragestellung ist es sinnvoll zwischen allgemeinenHerausforderungen, die alle Länder betreffen, und spezifischen Schwachstellen bestimmterStaaten oder Ländergruppen zu unterscheiden. Die allgemeinen Herausforderungen werdenwir in Bezug auf ihre Auswirkungen auf die Beschäftigung und die finanzielle Tragfähigkeitfortgeschrittener Wohlfahrtsstaaten untersuchen.

Beschäftigungseffekte

Was die Auswirkungen auf die Beschäftigung angeht, so ist es interessant festzustellen, dassin den Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung(OECD) die durchschnittliche Gesamtarbeitslosenrate (Beschäftigung als Prozentanteilinnerhalb der Bevölkerungsgruppe der 15 bis 64-jährigen) 1998 mit 66,5 Prozent fast genausohoch war wie im Jahre 1970. Es gibt natürlich interessante Unterschiede zwischen deneinzelnen Ländern, auf die ich später eingehen werde. Worum es hier geht, ist die Tatsache,dass diese scheinbare Stabilität auf zwei unterschiedliche Prozesse zurückzuführen ist, wennwir zwischen der Beschäftigung in Wirtschaftszweigen, die dem internationalen Wettbewerbausgesetzt bzw. gegenüber ihm abgeschottet sind, unterscheiden (Schaubild 1).

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Im dem Wettbewerb ausgesetzten Sektor (der unter den Bedingungen der neunziger Jahrenicht nur die Landwirtschaft und Industrie, sondern auch das Baugewerbe, dieEnergieversorgung, das Transport- und Kommunikationswesen, Finanz- undUnternehmensdienstleistungen einschließt - d.h. nach der International Standard IndustrialClassification (ISIC) die Gruppen 1-5, 7 und 8) gingen die durchschnittlichen Arbeitslosenratenin 18 OECD-Ländern um fast 8 Prozentpunkte zurück, und zwar von 41,3 Prozent im Jahre1970 auf 33,5 Prozent im Jahre 1997. Während es interessante Unterschiede zwischeneinzelnen Ländern gibt, die später erörtert werden sollen, stellt man den gleichen Trend fest:Die Beschäftigung ging deutlich während der nachhaltigen Rezessionen Mitte der siebziger undzu Beginn der achtziger Jahre zurück. Sie kehrte nie wieder zum alten Stand zurück, obwohlder internationale Handel weiterhin schneller wuchs als das BIP. Mit dem wachsenden Handelund dem wirtschaftlichen Effizienzverlust nationaler Grenzen wurde auch der Wettbewerb in denexponierten Wirtschaftszweigen stärker – u.a. durch den Wettbewerb mit Herstellern inNiedriglohnländern. In der Folge waren Unternehmen in Ländern mit hohen Arbeitskostengezwungen, entweder zur Herstellung gehobener, weniger preisabhängiger Qualitätsprodukteüberzugehen oder all verfügbaren organisatorischen und technischen Möglichkeiten zu nutzen,um die Produktionskosten durch arbeitskräftesparende Rationalisierung zu senken. In jedemFalle würden die Qualifikationsanforderungen steigen und das gesamte Beschäftigungsvolumenzurückgehen.

Die Arbeitsplatzverluste in der Industrie wurden zum Teil sicherlich durch die Expansionproduktionsbezogener Dienstleistungen und einen steigenden Endverbrauch beiKommunikations- und Finanzdienstleistungen (die ebenfalls in unserer Definition desexponierten Sektors eingeschlossen sind) ausgeglichen. Auch hier schnitten einige Länderbesser ab als andere. Aber diese Dienstleistungen sind heute auch durch die raschenFortschritte in der Informations- und Kommunikationstechnologie betroffen und ihr Wachstumgenügt jedenfalls nicht, um die Verluste an Arbeitsplätzen in der Produktion voll auszugleichen.Wenn sich die Gesamtbeschäftigungsrate nach jeder Rezession wieder erholte, so lag dasallein daran, dass die Beschäftigung in den geschützten Wirtschaftszweigen beständig zunahm– ebenfalls um fast 8 Prozentpunkte, von 25,9 Prozent im Jahre 1970 auf 33,6 Prozent im Jahre1997.

Unsere Definition der geschützten Wirtschaftszweige umfaßt Arbeitsplätze im „Groß- undEinzelhandel, Hotels und Restaurants” (ISIC-Gruppe 6) sowie im „gemeinschaftlichen, sozialenund persönlichen Dienstleistungsbereich” (ISIC-Gruppe 9) – in dem das Erziehungs- undGesundheitswesen die größten Untergruppen stellen. Diese Kategorie enthält offensichtlichsehr unterschiedliche Aktivitäten, denen allein das Merkmal gemein ist, dass sie gegenüberdem internationalen Wettbewerb mehr oder weniger immun sind, da die Dienstleistungen auflokaler Ebene erbracht und von den Endverbrauchern konsumiert werden. Daneben dominierendie Unterschiede zwischen den Untergruppen: Handel und Gastronomie erbringen ihre Diensteund finanzieren sich innerhalb der Privatwirtschaft, während die Grundausbildung in denmeisten Ländern vom Staat finanziert und erbracht wird; im Gesundheitswesen können privaterbrachte Dienstleistungen auf der Grundlage eines Gebührensystems vom staatlich finanziertsein oder aber vom Staat erbrachte Leistungen können privat durch eine Kostenbeteiligung derNutzer mitfinanziert werden. Einige dieser Dienstleistungen (z.B. die Chirurgie) stellen extremhohe Qualifikationsanforderungen, während andere (z.B. Reinigungsdienste) nur eine wenigspezifische Ausbildung erfordern. Oft bestehen auch hoch- und niedrigqualifizierte Stellennebeneinander in wechselseitiger Abhängigkeit und Symbiose.

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3 Die Summe von Defiziten und Steuern ergibt nicht immer den Betrag der Gesamtausgaben, da die Länderauch andere Einkommensquellen haben - z.B. Einkommen aus Staatsbetrieben, Benutzungsgebühren oderKostenbeteiligungen für öffentliche Dienste.

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Erwartungsgemäß fallen die Länderunterschiede in diesem heterogenen Sektor sogar nochgrößer aus. Allgemein läßt sich feststellen, dass der mehr oder weniger unvermeidlicheNiedergang der Beschäftigung im exponierten Sektor nur in Ländern kompensiert oder gar mehrals ausgeglichen werden kann, in denen günstige Voraussetzungen für die Ausweitung derstaatlich oder privat finanzierten lokalen Dienste bestanden. Obwohl die Beschäftigung imgeschützten Sektor nicht direkt dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt war, wurden dieVoraussetzungen für seine Expansion weitgehend durch unterschiedliche Strukturen derWohlfahrtsstaaten bestimmt, die wiederum direkt von den Auswirkungen der wirtschaftlichenIntegration auf ihre Finanzleistungskraft beeinflußt wurden.

Haushaltseffekte

Die zunehmenden Haushaltszwänge kommen in groben Zügen im Schaubild 2 zum Ausdruck,das den durchschnittlichen BIP-Anteil der Staatsausgaben, des gesamten Steueraufkommensund der Sozialversicherungsbeiträge wiedergibt3. An Ende des goldenen Nachkriegszeitalterswaren die Haushalte in den meisten Ländern im Gleichgewicht oder wiesen Überschüsse aus.Zu Beginn der ersten Ölpreiskrise stiegen die staatlichen Gesamtausgaben steil an, da dieLänder auf den drohenden oder den tatsächlichen Anstieg der Massenarbeitslosigkeit mit durchDefizite finanzierten Investitions- und Ausgabenprogrammen sowie in den meisten Fällen mitschnell wachsenden Sozialausgaben reagierten. In der Folge stieg das durchschnittlicheHaushaltsdefizit von Null auf 2,6 Prozent des BIP im Jahre 1975, eine Entwicklung, die sich biszum Ende des Jahrzehnts auf gleichem Niveau fortsetzte. Die Einnahmen aus Steuern undSozialversicherungsbeiträgen hingegen stiegen beständiger und taten dies bis über das Endedes Jahrzehnts hinaus.

Die zweite Ölpreiskrise, die man in den achtziger Jahren zu spüren begann, führte zu einemweiteren steilen Anstieg der Staatsausgaben, die zunächst mit einem weiteren Anwachsen derdurchschnittlichen staatlichen Haushaltsdefizite aufgefangen wurden. Inzwischen hatten sichdie Verhältnisse aber geändert: der geldpolitische Wechsel der amerikanischen Zentralbankhatte die Realzinssätze auf den internationalen Dollarmärkten von -2 Prozent im Jahre 1980 auf8,1 Prozent im Jahre 1984 anschwellen lassen. So wurde der Schuldendienst, der mit denhohen Haushaltsdefiziten einherging, untragbar teuer und eine Haushaltskonsolidierung, dieim Umfeld des billigen Geldes in den siebziger Jahren kein Thema war, wurde zu einemvorrangigen politischen Ziel. Die durchschnittlichen Haushaltsdefizite gingen von einerHöchstmarke von 4,4 Prozent im Jahre 1982 auf 1 Prozent am Ende des Jahrzehnts zurück unddie konservativen Regierungen, die in den achtziger Jahren an die Macht gekommen waren,versuchten auch, den scheinbar unaufhaltsamen Anstieg der Sozialausgaben umzukehren.Nichtsdestoweniger stieg das gesamte Steueraufkommen kontinuierlich bis 1988. Andersgesagt, wurde in den meisten Ländern die Verringerung der Staatsschuldenaufnahmezumindest zum Teil durch weitere Steuererhöhungen erreicht.

Als die Rezession in den frühen neunziger Jahren zu einem weiteren und noch stärkerenAnstieg der staatlichen Gesamtausgaben führte, wandelte sich das Bild erneut. Jetzt stieg dasdurchschnittliche Steueraufkommen überhaupt nicht mehr – es ging sogar leicht gegenüberdem Höhepunkt des Jahres 1988 zurück. Mangels dieser Einnahmemöglichkeit stieg die

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4 Für die Mitgliedstaaten der Währungsunion ist diese Bedrohung nicht mit einer spekulativen Abwertungverbunden. Wenn aber die exzessiven nationalen Defizite die lokale Nachfrage und die Preise in die Höhe treibt,verlieren die nationalen Produzenten an Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der EWU. Das gleiche gilt natürlich auchfür extreme Lohnerhöhungen. Aus diesem Grund dürfte der Stabilitätspakt seine Wirkung selber verstärken.

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Kreditaufnahme der öffentlichen Hand nach 1989 noch stärker als in allen vorhergehendenZeiträumen - um dann vom Höhepunkt im Jahre 1993 wieder so steil auf ein Niveau zu sinken,das seit den frühen siebziger Jahren nicht mehr erreicht worden war. Gleichzeitig gingen diestaatlichen Gesamtausgaben nach 1993 deutlicher zurück als jemals zuvor, ungeachtet der aufRekordhöhe bleibenden durchschnittlichen Arbeitslosenraten und der Machtverlagerung vonkonservativen hin zu sozialdemokratischen Regierungen im Laufe der neunziger Jahre. DieUrsachen für diese wenig plausible Koinzidenz sind der Schlüssel zum Verständnis derheutigen Haushaltsbeschränkungen, denen fortgeschrittene Wohlfahrtsstaaten unterliegen. Ichwerde die Ursachen getrennt nach Kreditaufnahme und Besteuerung untersuchen.

Kreditaufnahme

Europäische Länder, die eine Mitgliedschaft in der Europäischen Wahrungsunion wünschen,sahen sich zu einer raschen Haushaltskonsolidierung gezwungen, die sich direkt aus den sehrrestriktiven Kriterien zur Bruttostaatsverschuldung und staatlichen Kreditaufnahme ergab, dieim Vertrag von Maastricht 1992 und im darauffolgenden Stabilitätspakt definiert worden waren.Um diese juristischen Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft zu erfüllen, mußten die meistenLänder ihre Ausgaben kürzen, und wenn sie nicht in der Lage waren, die Steuern anzuheben,geschah dies häufig über Privatisierungsgewinne, die die Kreditaufnahme verringerten. Mit Blickauf meine allgemeine Argumentation ist es allerdings wichtiger festzustellen, dass dieHaushaltskonsolidierung genauso wirksam, wenn nicht noch effektiver in Ländern wieSchweden, Dänemark, dem Vereinigten Königreich, Australien und Neuseeland war, die nichtdie Mitgliedschaft in der Währungsunion suchten.

Der Grund dafür ist, dass im Laufe der achtziger Jahre alle diese Länder dieKapitalverkehrskontrollen aufgegeben hatten, so dass ihre Währungen von nun voll denSchwankungen der globalen Finanzmärkte und den wiederkehrenden Wellen derWährungsspekulation ausgesetzt waren – deren destruktive Kraft Schweden in die schwersteKrise geführt hat, die ein Industrieland in den letzten drei Jahrzehnten durchgemacht hat. DieseLehre, die durch geringere Turbulenzen in Neuseeland, Australien und in Großbritannien sowiedie Krise in Südostasien einige Jahre später zusätzliches Gewicht erhielt, wurde nichtvergessen: angesichts einer vollständigen und sofortigen Mobilität des Kapitals haben dieRegierungen verstanden, dass ein Ruf für eine „schlechte” Haushaltspolitik nicht nur ihreKreditwürdigkeit und die von ihnen zu bezahlenden Zinssätze beeinflußt, sondern ihreWährungen auch spekulative Attacken aussetzt, die möglicherweise katastrophalewirtschaftliche Folgen haben können4. Auch ohne die Kriterien von Maastricht und den Druckdes IWF ist es für Regierungen vorzuziehen, auf den internationalen KapitalmärktenNettogläubiger anstelle von Nettoschuldnern zu sein.

Besteuerung der mobilen Steuerbasis

Erklärungsbedürftiger ist die Tatsache, dass der BIP-Anteil des Steuereinkommens imGegensatz zu früheren Rezessionen überhaupt nicht anstieg, als die Regierungsausgaben in

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5 Sein Argument wurde in Zusammenarbeit mit Philipp Genschel (2000) entwickelt.

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den frühen neunziger Jahren erneut nach oben schnellten. Im Gegensatz zur Kreditaufnahmewar gerade die Besteuerung in keinem der Länder durch juristische Verpflichtungen wie die vonMaastricht beschränkt. Noch bemerkenswerter ist der Umstand, daß das Abflachen derEinkommenskurve nicht als ein Phänomen des „an seine Grenzen stoßenden Wachstums”verstanden werden kann, da es sich in Niedrig- und in Hochsteuerländern manifestierte und derUnterschied zwischen den Ländern mit der niedrigsten und der höchsten Steuerlast von 1970bis Ende der neunziger Jahre fast konstant geblieben ist (siehe Tabelle 1). Mit anderen Worten:während alle Länder offensichtlich Einkommensbeschränkungen kennen, gibt es keineAnzeichen für einen Wettlauf „nach unten” oder, in diesem Fall, eine Konvergenz auf mittlererEbene.

Ganghof (2000a; 2000b)5 erklärt dies als Ergebnis eines mehrfachen Drucks: auf der einenSeite der internationale Steuerwettbewerb in einem Umfeld mit sehr beweglichem Kapital undmobilen Unternehmen, das Regierungen zu einer Reduzierung der Belastungen für die mobileSteuergrundlage zwingt. Andererseits sind die Regierungen nicht in der Lage, sehr weit in dieseRichtung zu gehen, da sie gleichzeitig das Haushaltsdefizit reduzieren müssen und aufpolitischen Widerstand gegen Maßnahmen des Sozialabbaus stoßen, die über die Kürzungenhinausgehen, die konservative Regierungen bereits in den achtziger Jahren durchgesetzthatten.

In der Literatur ist die kausale Effektivität des internationalen Steuerwettbewerbs umstritten(Swank, 1997; Garrett, 1998). Zweifelsohne hat die Beseitigung aller Hindernisse für dieMobilität des Kapitals jedoch nicht nur neue Möglichkeiten der Steuerflucht und -hinterziehungeröffnet, sondern auch Anreize für Länder gesetzt, ihre Steuersysteme für mobiles Kapitalmöglichst attraktiv zu gestalten. Die Steuern auf Zinsgewinne von Auswärtigen werden in derHoffnung, dass zusätzliches Einkommen und Arbeitsplätze durch die Ausdehnung derFinanzdienstleistungssysteme geschaffen werden, oft auf Null reduziert. Aber selbst ohne eineoffene Diskriminierung zugunsten von Auswärtigen, können sich geringere Steuersätze fürkleine Länder auszahlen, die mehr Einnahmen aus einer breiteren Steuerbasis erzielen als siedurch die Senkung der Steuern für Einheimische verlieren. Diese Logik gilt auch für dieBesteuerung von Unternehmensgewinnen, da die Betriebe ihren juristischen Firmensitz oderden ihrer finanzierenden Tochtergesellschaften frei in Niedrigsteuerzonen verlagern können,ohne dass die Produktion ebenfalls den Standort wechselt. Deshalb kamen alle Länder unterDruck die nominellen Steuersätze auf Einkommen aus Kapitalzinsen undUnternehmensgewinnen zu reduzieren, aber die kleineren Länder waren erfolgreicher als diegrößeren, das Niveau der Einnahmen aufrecht zu erhalten (Ganghof, 2000a).

Besteuerung der immobilen Steuerbasis

Natürlich geht es beim Steuerwettbewerb nicht nur um Einnahmen sondern auch um produktiveInvestitionen, und damit um Produktionsstätten und Beschäftigung – die alle von den erwartetenGewinnen nach Steuer abhängen. Paradoxerweise wird die negative Wirkung hoherUnternehmenssteuern gemildert, wenn die die Firmen unabhängig von der Produktionsstättede facto in der Lage sind, den gesetzlichen Geltungsbereich zu wählen, in dem die Gewinnebesteuert werden. Diese Optionen stehen natürlich nicht allen Firmen offen. In allenUnternehmen müssen jedoch die vor Steuer erzielten Gewinne erzielt werden bevor ihresteuerliche Behandlung optimiert werden kann – was die Wettbewerbsgesichtspunkte auf die

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6 Diese Gefahr wird umgangen, wenn Energie- und Materialsteuern in Form eines höherenMehrwertsteuersatzes auferlegt werden - vorausgesetzt es kommt zu keinem Wechsel vom „Empfängerlandprinzip“zum „Herkunftslandprinzip”.

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Qualität und den Preis der Arbeit und andere lokale Produktionsfaktoren verlagert. In diesemZusammenhang dürfte die Besteuerung des Produktionsfaktors Arbeit eine wichtige Rollespielen. Wenn diese die Produktionskosten über das Niveau anderer im Wettbewerb stehenderStandorte steigen läßt, führt dies zu Investitionsabzügen und Arbeitsplatzverlusten.

Auswirkungen auf die Beschäftigung in den exponierten Sektoren

Ohne weitere Belege ist dieses Argument jedoch ökonomisch gesehen nicht überzeugend.Warum sollten Gewinne durch Unterschiede in den nationalen Produktionsfaktorkosten oder garnational einheitlichen Steuererhöhungen (oder Lohnerhöhungen in diesem Falle) berührtwerden, es sei denn, nur sehr kurzfristig? In den exponierten Sektoren werden diese Kostenden Preis von im Lande produzierten Gütern und Dienstleistungen in nationaler Währungbestimmen, was in funktionierenden internationalen Devisenmärkten durch Wechselkursereflektiert wird, die keine nachteiligen Auswirkungen auf Verbrauchernachfrage, Gewinne undBeschäftigung haben. Auch wenn die Devisenmärkte bei weitem nicht perfekt funktionieren,sollte es wirklich nicht überraschen, daß die zweidimensionale statistische Korrelation zwischenBeschäftigungsraten im exponierten Sektor und der gesamten Steuerlast der 18 OECD-LänderEnde der neunziger Jahre sehr gering (R2 = 0,13) ausfiel (Schaubild 3). So haben in der TatDänemark und Schweden als extreme Hochsteuerländer in den international exponiertenWirtschaftszweigen vergleichsweise mehr Arbeitsplätze als die Vereinigten Staaten als extremniedrig besteuerndes Land.

Mitgliedern der Europäischen Währungsunion können diese Zahlen jedoch wenig Trost bieten,da sie nicht die Tatsache widerspiegeln, daß die Wechselkursschranke zwischen ihnenabgeschafft wurde. Zu diesem Zeitpunkt, das ist sicher richtig, dürften selbst großeUnterschiede zwischen nationalen Steuerniveaus keine Auswirkungen auf die Beschäftigungin den exponierten Sektoren haben, wenn die Wechselkurse, nach denen die nationalenWährungen in den Euro konvertiert werden, angemessen gewählt worden sind. Von jetzt anwerden alle Veränderungen bei den Produktionsfaktorkosten die Wettbewerbsfähigkeitinnerhalb der EWU beeinflussen. Nationale Steuererhöhungen (oder in diesem Fall auchLohnerhöhungen), die zu einem vergleichsweisen Anstieg der Einheitskosten in der Produktionführen, werden sich in Arbeitsplatzverlusten niederschlagen, und die Mitgliedstaten werden inVersuchung geraten, die Besteuerung des Produktionsfaktors Arbeit und andererProduktionsfaktoren im Rahmen einer Wettbewerbsstrategie zu reduzieren. Wie bei derBesteuerung von Einkommen aus mobilem Kapital entsteht nun die Möglichkeit eines ruinösenWettbewerbs bei den Sozialversicherungsbeiträgen und „Umweltsteuern”6. In diesem Bereichwäre eine Koordination auf europäischer Ebene sehr sinnvoll. Diese Herausforderungenkommen in den nächsten Jahren auf uns zu, haben aber in der gegenwärtigen Praxis noch nichtihren Niederschlag gefunden.

Auswirkungen auf die Beschäftigung in geschützten Sektoren

Wenn dies für die exponierten Sektoren gilt, wie wirken sich unterschiedliche Steuerniveaus aufdie Beschäftigung in den geschützten Sektoren aus? Da ein Teil dieser Arbeitsplätze (im

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7 In Deutschland wurden Arbeitsplätze mit Monatslöhnen von weniger als 630 DM (rund 320 Euro) von derSozialversicherung ausgenommen - mit der Folge, daß die Zahl dieser „kleinen” Teilzeitjobs (die in den offiziellenBeschäftigungsstatistiken nicht auftauchen, da sie nicht von der Sozialversicherung abgedeckt sind) zwischen 3 und5 Millionen lag, während es im monatlichen Lohnbereich zwischen 730 und 1.500 DM praktisch keine versichertenStellen gab.

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Erzeihungs- und Gesundheitswesen) in allen Ländern staatlich finanziert wird, ist die allgemeineAntwort naturgemäß mehrdeutig: es gibt eine leicht positive Korrelation (R2 = 0,38) derSteuerniveaus bei der Beschäftigung im staatlichen Sektor (Schaubild 4) und eine viel stärkerenegative Korrelation (R2 = 0,62) bei der Beschäftigung im Privatsektor (Schaubild 5), die – dadie Stellen im exponierten Sektor nur schwach betroffen sind – vor allem auf die negativenAuswirkungen hoher Steuerlasten auf privaten Dienstleistungen in den geschütztenWirtschaftszweigen zurückzuführen ist. Als stellvertretendes Beispiel können wir dieBeschäftigungsraten in ISIC-Gruppe 6 nehmen, da die Dienstleistungen im Groß- undEinzelhandel, in Restaurants und Hotels in allen Ländern privat erbracht und finanziert werden,während in der ISIC-Gruppe 9 die Beschäftigung privater oder staatlicher Natur sein kann. Hiersind die Auswirkungen der Besteuerung in der Tat eindeutig (R2 = 0,59) negativ (Schaubild 6).Mit anderen Worten: Länder mit einem hohen Steuerniveau können hohe Beschäftigungsratenim staatlichen Sektor haben, müssen aber in der Regel mit weniger Stellen im privatenDienstleistungsgewerbe rechnen.

Warum dies so ist, ist wiederum aus der Sicht der Wirtschaftstheorie nicht offensichtlich. Beiden verbraucherorientierten Dienstleistungen der ISIC-Gruppe 6 gibt es keinen Grund zu derAnnahme, daß private Anbieter durch staatliche Dienstleistungsunternehmen verdrängt werden.Da ausländische Konkurrenten hier keine Rolle spielen, dürften national einheitliche Steuernund andere Kostenfaktoren allein die Preise für private Dienstleistungen anheben, die dieVerbraucher bezahlen müssen. Dies aber ist das Problem: Da viele der hierzu gehörigenDienstleistungen durch eine relativ geringe Produktivität und niedrigeQualifikationsanforderungen gekennzeichnet sind, haben die Verbraucher oft die Option,Dienstleistungen selber zu erbringen und natürlich auch auf steuerfreie Dienstleistungen in der„Schattenwirtschaft” zurückzugreifen (Gershuny, 1978). Mit anderen Worten: Die Nachfragedürfte preiselastisch ausfallen und die weniger produktiven Dienstleistungen können aus demPrivatmarkt preismäßig verdrängt werden, wenn die Produktionskosten durch Steuern undSozialversicherungsbeiträge gesteigert werden – oder aber, wie in diesem Falle, durchkostensteigernde Beschäftigungsbestimmungen und hohe Mindestlöhne.

Es gibt auch statistische Elemente, die diese Deutung belegen. Zum einen wirken sichverschiedene Steuerformen unterschiedlich auf den Preis der weniger produktiven privatenDienstleistungen aus. Progressive Einkommenssteuern z.B., fallen stärker bei Arbeitsplätzenmit mittleren und höheren Löhnen ins Gewicht als bei geringbezahlten Dienstleistungen und siewerden nicht von Einkommen abgezogen, die unter einer gewissen Grenze für dieSteuerbefreiung liegen (wodurch Löhne bei niedrig bezahlten oder Teilzeitstellen unterUmständen überhaupt nicht besteuert werden). Als Folge ist die statistische Korrelationzwischen Einkommenssteuern und der Beschäftigung in der ISIC-Gruppe 6 praktisch null(Schaubild 7). Dagegen verteuern Verbrauchssteuern direkt die Dienstleistungen undSozialversicherungsbeiträge werden allgemein (mit Ausnahme der Niederlande undGroßbritanniens) als proportionale Steuer und ohne Steuerbefreiung für sehr niedrige Löhneeingezogen7. Im Gegensatz zu Einkommenssteuern können sie deshalb einen erheblichenSteuerbetrag auf die Lohnkosten von Dienstleistungen aufschlagen, deren auf einer Mengen-preis-Kombination, bei der es keine Überschüsse gibt, beruhenden Löhne unter Umständen

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nicht weit über den äußersten Reservelöhnen liegen, die von den Sozialhilfeleistungen bestimmtwerden. Nimmt man beide zusammen, überrascht uns die ziemlich starke negative (R2 = 0,51)Korrelation zwischen der Beschäftigung in der ISIC-Gruppe 6 und dem gesamten BIP-Anteil derVerbrauchsteuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht (Schaubild 8). Neben diesenSteuereffekten gibt es aber noch andere Faktoren.

Andere Einflüsse

Steuern sind nicht die einzige Methode, mit der der Wohlfahrtsstaat die Beschäftigung imgeschützten Sektor beeinflußt. Sie wird natürlich auch von einer Ausweitung der staatlichfinanzierten sozialen Dienste nach skandinavischem Muster stimuliert. Im Privatsektor kann dieAusweitung der Beschäftigung im Dienstleistungsbereich durch egalitäre oder schützendesozialstaatliche Regelungen behindert werden. So kann der Preis für weniger produktiveDienstleistungen durch die Auswirkungen, die großzügige Sozialhilfe undArbeitslosenunterstützung auf die Netto-Reservelöhne wirtschaftlich rational denkenderArbeitsloser haben können, durch hohe gesetzlich festgelegte Mindestlöhne oder durch einesolidarische Lohnpolitik der Gewerkschaften über das Niveau einer Mengen-Preis-Kombination,bei der es keine Überschüsse gibt, steigen (Iversen und Wren, 1998). Diese Auswirkungen sindin den verfügbaren Statistiken zur Lohnverteilung zu erkennen. Nimmt man das Verhältnis vonEinkommen im mittleren und unteren Bereich (D5/D1) der Lohnverteilung als geeignetstesMeßinstrument, so ist die Korrelation mit den Beschäftigungsraten der ISIC-Gruppe 6 relativschwach (R2 = 0,29), aber der Einfluß geht eindeutig in die erwartete Richtung (Schaubild 9).

Ähnliche Hindernisse können durch Regelungen entstehen, die die Arbeitsplatzsicherheit derBeschäftigten erhöhen. Durch die Anhebung der vorhersehbaren Entlassungskosten könnenrigide Regelungen des Beschäftigungsschutzes abschreckend bei Einstellungen wirken, wasbesonders für Kleinbetriebe und Start-ups im Dienstleistungssektor gilt, wo die zukünftigeNachfrage schwer vorhersehbar ist. Nehmen wir eine OECD-Rangordnung der Länder nach derStrenge ihrer Gesetzgebung zum Beschäftigungsschutz, kommen wir zum Ergebnis, dass estatsächlich eine negative und mittelstarke (R2 = 0,38) Korrelation zwischen dem Rang in derBeschäftigungsschutzgesetzgebung (BSG) und den Beschäftigungsraten der ISIC-Gruppe 6gibt (Schaubild 10).

Zusammenfassung

In einem internationalen Umfeld, das durch offene Produkt- und Kapitalmärkte geprägt ist, sinddie Staaten in der Nutzung vieler politischer Instrumente eingeschränkt, die sie in denvergangenen Jahrzehnten eingesetzt hatten, und sie stehen vor neuen Herausforderungen inBezug auf ihre Beschäftigungsziele und die fiskalpolitische Tragfähigkeit des Wohlfahrtsstaates.

In den exponierten Wirtschaftszweigen stagniert die Beschäftigung oder geht sogar zurück, dadie Unternehmen auf einen intensiveren internationalen Wettbewerbsdruck und die immerraschere Verbreitung arbeitssparender organisatorischer und technischer Lösungen reagieren.Wo allgemeine Beschäftigungsgewinne zu verbuchen sind, geht dies auf eineüberdurchschnittliche Expansion von Zweigen des Dienstleistungsgewerbes zurück, die nichtdem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind.

Gleichzeitig operieren die fortgeschrittenen Wohlfahrtsstaaten heute unter engerenhaushaltspolitischen Beschränkungen, die ihre Fähigkeit verringert haben, auf die Finanzierung

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8 Die Schweiz, die insgesamt leistungsmäßig besser abschneidet als alle anderen an unserem Projektbeteiligten Länder, paßt nicht in diese Klassifizierung. Historisch gesehen, entsprach ihr sehr schlankerWohlfahrtsstaat weitgehend dem „liberalen” Modell. Mit den späten siebziger Jahren wurden die Arbeitslosen- undKrankenversicherung sowie die einkommensbezogene Rentenversicherung obligatorisch, so dass die heutigeAusprägung der sozialstaatlichen Funktionen näher am kontinentalen Modell liegt. Gleichzeitig hat das Land einenhohen Grad an hochqualifizierte Beschäftigung in den dem internationalen Wettbewerb ausgesetzten Sektoren (nach„deutschem” Muster) mit einer Beschäftigungsflexibilität im geschützten Dienstleistungssektor nach„angelsächsischem” Muster verknüpft. Da ich an dieser Stelle diesem Fall nicht gerecht werden kann, verweise ichden Leser auf Bonoli und Mach (2000).

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von Defiziten und Steuereinkommen auf mobilen Kapital- und Unternehmensgewinnenzurückzugreifen. Die europäischen Länder sollten zudem auch bei weniger mobilenProduktionsfaktoren zurückhaltender mit Steuererhöhungen sein, insoweit diese direkteAuswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Europäischen Union haben, unddamit auf die Beschäftigung in den exponierten Wirtschaftszweigen. Die Länder solltenzusätzlich bedenken, daß die Beschäftigung im geschützten Dienstleistungssektor negativ vonhohen Lohn- und Verbrauchssteuern beeinflußt wird. Als Folge stagnierte der durchschnittlicheBIP-Anteil der Gesamtbesteuerung nach den späten achtziger Jahren und die staatlichenGesamtausgaben gingen nach Mitte der neunziger Jahre deutlich zurück, obwohl diedurchschnittlichen Arbeitslosenzahlen immer noch einen Nachkriegsrekord bildeten.

Diese haushaltspolitischen Beschränkungen haben die Aussichten auf einen weiterenBeschäftigungsausbau im staatlichen Sektor verschlechtert und sie haben dahingehend Druckausgeübt, die Großzügigkeit der Leistungen des Wohlfahrtsstaates zu reduzieren. Gleichzeitigkommen sozialstaatliche Regelungen und Kollektivvereinbarungen, die einen hohenBeschäftigungsschutz und eine egalitäre Mindestlohnpolitik beinhalten, wegen ihrer negativenAuswirkungen auf die Beschäftigung im geschützten Dienstleistungssektor ebenfalls unterDruck. Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß es guten Grund zu der Annahme gibt, daßdie Nachkriegsziele und -erfolge des Wohlfahrtsstaates in Bezug auf Vollbeschäftigung, sozialeSicherheit und soziale Gleichheit ernsthaft in Frage gestellt werden durch diese neuenBeschränkungen für nationale politische Entscheidungen, die durch die internationale und dieeuropäische Integration der Kapital- und Produktmärkte auferlegt sind.

Unterschiedliche Schwachstellen

Wir haben bisher von den Herausforderungen gesprochen, denen alle fortgeschrittenenWohlfahrtsstaaten mit offenen Volkswirtschaften in den neunziger Jahren gegenüberstanden,aber nicht darüber, daß dies Länder mit stark unterschiedlichen Beschäftigungsstrukturen,Steuersystemen und Sozialleistungen taten. Von den 12 in unserem Forschungsprojektuntersuchten Ländern weisen nicht einmal zwei große Ähnlichkeit in Bezug auf alle wichtigenMerkmale auf. Nichtsdestoweniger halten wir es für sinnvoll, bei der Beschreibung derwichtigsten Unterschiede die Unterscheidung von Esping-Andersen (1990) zwischenangelsächsischen, kontinentaleuropäischen und skandinavischen Wohlfahrtsstaaten zubenutzen - die in den Nachkriegsjahrzehnten stark von „liberalen”, „christdemokratischen” und„sozialdemokratischen” politischen Parteien und Sozialphilosophien beeinflußt wurden8.

Der wichtigste Unterschied zwischen diesen Ländergruppen liegt an der Trennlinie zwischenden Sozialstaatsfunktionen, die der Staat wahrnimmt, und denen, die Familien und Individuenselbst über den Markt erbringen sollen. Abgesehen vom primären und sekundären Erziehungs-

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und Gesundheitswesen, liegen die grundlegendsten Unterschiede in folgenden Bereichen(Schaubild 11):

• In allen drei Ländergruppen leistet der Staat soziale Unterstützung durch einSicherheitsnetz, das ein Mindestauskommen für Individuen und Familien sichert, diekeine anderen Einkommensquellen haben. Obwohl es in der Literatur zunehmendArgumente zugunsten eines nicht an Bedingungen geknüpften „Grundeinkommens” gibt(van Parijs, 1995; Jordan, 1998), verlangen die bestehenden Programme überall eineBedürftigkeitsprüfung und von gesunden Leistungsempfängern wird allgemein erwartet,dass sie Arbeitsangebote annehmen.

In den angelsächsischen Wohlfahrtsstaaten liegt gerade hier die wichtigste Grenze dervon Sozialleistungen, da die Bedürftigkeitsprüfung in die zuvor von Beveridge geprägtenSysteme eingeführt wurden, die eine pauschale Arbeitslosenunterstützung undstaatliche Renten vorsahen. So wird von allen mit Ausnahme sehr armerBevölkerungsteile erwartet, dass sie Vorsorge für Zeiten der Arbeitslosigkeit und denRuhestand treffen.

• Dagegen gingen die skandinavischen und kontinentaleuropäischen Wohlfahrtsstaatenweiter beim Schutz des Einkommensstatus der Lohnempfänger, indem sieeinkommensbezogene Arbeitslosenbezüge und staatliche Rentensysteme schufen.

• Die skandinavischen Wohlfahrtsstaaten übernehmen zudem staatliche Verantwortungfür universelle soziale Dienste für alle Familien mit kleinen Kindern, Kranke, Behinderteund alte Menschen. In den kontinentaleuropäischen und angelsächsischen Ländern gibtes solche Dienste ebenfalls, sie sind aber nur im Rahmen der Sozialhilfe für dieBedürftigen verfügbar.

Da die Länder sich durch die vom Wohlfahrtsstaat übernommenen Funktionen unterscheiden,wirken sich diese Unterschiede auch auf die Anteile der erforderlichen Ressourcen aus. Wiewir bereits gesehen haben, verringerte sich der Abstand zwischen Hoch- undNiedrigsteuerländern in den letzten drei Jahrzehnten nicht; zwischen Schweden und Australienbeträgt diese Differenz heute mehr als 20 Prozent des BIP (Tabelle 1). Wie zu erwarten, ist dieGesamtsteuerlast am höchsten in den multifunktionalen skandinavischen Wohlfahrtsstaaten undam niedrigsten in den schlanken angelsächsischen Wohlfahrtsstaaten und in der Schweiz,wobei die kontinentaleuropäischen Länder eine Zwischenstellung einnehmen (Tabelle 2). Nochinteressanter im Lichte dieser Analyse ist, dass die angelsächsischen Länder und Dänemarknur sehr geringe Einnahmen aus Sozialversicherungsbeiträgen erzielen und weitgehend vonden Einkommensteuern abhängen, während dies in einem typischen kontinentaleuropäischenLand genau umgekehrt ist. Was die Verbrauchssteuern angeht, so liegen die Dinge wenigereindeutig.

Die Unterschiede bei Beschäftigungsstand und -struktur sind ebenfalls erheblich (Tabelle 3),wobei die Differenz bei der Gesamtbeschäftigungsrate zwischen der Schweiz und ihremNachbarland Italien bei 30 Prozent liegt. Im allgemeinen ist die Gesamtbeschäftigung in denskandinavischen und angelsächsischen Wohlfahrtsstaaten (sehr) hoch (mit Ausnahme vonNeuseeland) und relativ niedrig in den kontinentaleuropäischen Ländern. Wenn wir dieBeschäftigungszahlen im staatlichen und im privaten Sektor vergleichen, wird deutlich, dass dasaußergewöhnlich gute Abschneiden der skandinavischen Wohlfahrtsstaaten imBeschäftigungsbereich direkt an ihr Funktionsprofil gebunden ist: da der staatliche Sektor

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9 Bemerkenswert ist, dass die weiblichen Erwerbstätigkeitszahlen auch in den angelsächsischen Ländernmit sehr wenig Beschäftigungsmöglichkeiten im staatlichen Sektor, aber hohen Beschäftigungsraten im privatenDienstleistungssektor überdurchschnittlich hoch sind. So gibt es eine sehr starke statistische Korrelation (R2 = 0,75)zwischen weiblichen Erwerbstätigkeitsraten und der Beschäftigung im geschützten Sektor (ISIC-Gruppen 6 und 9)insgesamt (Daly, 2000).

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universelle soziale Dienste erbringt, sind die staatlichen Beschäftigungsraten rund doppelt sohoch wie in anderen Ländern. Da die meisten Stellen im Dienstleistungsbereich für Familien undältere Menschen von Frauen besetzt sind und diese durch die Existenz dieser Dienste von denFamilienpflichten zu Hause befreit sind, überrascht es auch nicht, dass die weiblichenErwerbstätigkeitsraten in den skandinavischen Ländern am höchsten sind (Tabelle 4)9. InUnternehmen sind die Zahlen dagegen etwas unter dem OECD-Durchschnitt. Entsprechendhaben die im allgemeinen schlanken angelsächsischen Wohlfahrtsstaaten und die Schweiz einegeringe Beschäftigungsrate im staatlichen Sektor, aber sie haben die höchsten Raten inUnternehmen.

Die kontinentaleuropäischen Länder hingegen haben offensichtlich nur die schlechten Seitenanzubieten: die Beschäftigungsraten im öffentlichen Bereich sind (mit Ausnahme Österreichsund Frankreichs) so niedrig oder noch geringer als in den angelsächsischen Ländern, und dieBeschäftigungsraten im Privatsektor sind so niedrig oder gar geringer als in denskandinavischen Ländern. Die niedrigen staatlichen Beschäftigungsraten erklären sich hiereinfach aus dem niedrigen Ausgabenniveau für soziale Dienste (Tabelle 4), die niedrigenBeschäftigungsraten in Unternehmen verdienen allerdings genaueres Hinsehen. Sie könnennicht einfach einem Mangel an Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zugeschrieben werden, dazumindest Deutschland und Österreich sowie die Schweiz viel höhere Beschäftigungsraten inder Industrie ausweisen als alle angelsächsischen Länder, einschließlich der VereinigtenStaaten. Da diese Länder auch in den exponierten Sektoren ganz gut abschneiden(Schaubild 3), ist der geringe Beschäftigungsstand in den Unternehmen im geschütztenDienstleistungssektor zu suchen, für das wir wiederum die Branchen der ISIC-Gruppe 6 alsBeispiel nehmen wollen. In Schweden und in den kontinentaleuropäischen Ländern sind dieBeschäftigungsraten in diesem Bereich in der Tat niedriger (mit Ausnahme von Österreich undden Niederlanden) als in allen angelsächsischen Wohlfahrtsstaaten und Dänemark - was derTatsache entspricht, dass die kontinentaleuropäischen Wohlfahrtsstaaten und Schweden auchdie höchsten BIP-Anteile bei den lohnbezogenen Sozialversicherungsbeiträgen ausweisen(Tabelle 2).

Vor dem Hintergrund dieser strukturellen Differenzen können wir abschließend die sich in denneunziger Jahren vollständig zeigenden, charakteristischen Schwachstellen fortgeschrittenerWohlfahrtsstaaten in Bezug auf die Herausforderungen durch die international integriertenKapital- und Produktmärkte erörtern.

Skandinavische Länder

In den skandinavischen Ländern zog der Wohlfahrtsstaat die meisten Funktionen undgesellschaftlichen Ressourcen an sich. So könnte man erwarten, daß sie von denHaushaltsbeschränkungen durch internationale Kapitalmobilität und Steuerwettbewerb ammeisten betroffen sind. In Wirklichkeit aber stiegen in Dänemark die Sozialausgaben in denneunziger Jahren weiterhin an und auch in Schweden waren sie trotz der Absenkung nach demAusgabenhöchststand vom Jahre 1993 immer noch höher als in allen anderen OECD-Ländern.

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Darüber hinaus erwirtschafteten beide Länder 1998 Haushaltsüberschüsse und die Einnahmenaus Einkommens- und Unternehmenssteuern (die eigentlich am stärksten dem internationalenWettbewerb ausgesetzt sein sollten) waren ebenfalls die höchsten in der Gruppe der OECD-Länder, wobei sie in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre noch stiegen. Die Erklärung fürdiese bemerkenswerte Haushaltsleistung ist am einfachsten für Schweden abzugeben, das zueiner „dualen Einkommenssteuer” übergegangen war, die alle Kapitaleinkommen mit einemeinheitlichen niedrigen Satz besteuert, während die persönlichen Arbeitseinkommen weiterhinvon einer stark progressiven Steuer mit sehr hohen Spitzensätzen betroffen sind. In Dänemarkwurde das gleiche Ergebnis durch ein komplexeres System von Regeln und Ausnahmen erzielt,die der Tatsache gerecht werden, daß das Kapital in der dänischen Volkswirtschaft mit ihremgroßen Anteil an Familienbetrieben weniger mobil ist als in Schweden (Ganghof, 2000a). Mitanderen Worten: die gegenwärtige Einnahmebasis der skandinavischen Wohlfahrtsstaaten istnicht mehr durch die internationale Mobilität des Kapitals gefährdet – aber sie könnte politischdurch Steuerverweigerung in Frage gestellt werden.

Auf der Beschäftigungsseite erklärt sich das außergewöhnlich gute Abschneiden Dänemarksund Schwedens zweifelsohne aus den extrem hohen Beschäftigungsraten im staatlichenSektor, die auf die rasche Expansion sozialer Dienste von den sechziger bis Mitte der achtzigerJahre zurückgehen. Betrachtet man allein die Dienstleistungen für Familien, Behinderte undältere Menschen, so liegen die Ausgaben in Dänemark und Schweden um mindestens 4Prozentpunkte des BIP über jenen aller anderen Länder – was auch besagt, daß sich diegesamten Sozialausgaben für andere Zwecke voll im normalen Rahmen derer in denkontinentaleuropäischen Ländern bewegen (Tabelle 4).

Die Beschäftigung in den Unternehmen liegt leicht unter dem OECD-Durchschnitt (und ist inSchweden noch immer von der einschneidenden Rezession zu Beginn der neunziger Jahrebetroffen). Es ist jedoch bemerkenswert, daß trotz der extrem hohen Gesamtsteuerlast, denBeschäftigungsraten in der Industrie und in den exponierten Sektoren im großen und ganzengenauso hoch oder höher als im Durchschnitt der 18 OECD-Länder sind. Wenn es einen Anlaßzur Besorgnis gibt, dann sind es die unterdurchschnittlichen Beschäftigungsraten im privatenDienstleistungsbereich im geschützten Sektor, für das wir wiederum die ISIC-Gruppe 6 alsBeispiel nehmen (Tabelle 3). In diesem Bereich liegen Dänemark und noch mehr Schwedentatsächlich unter dem OECD-Durchschnitt. Ein Grund dafür ist, daß die großzügigenSozialleistungen und starken Gewerkschaften, die auf eine egalitäre Verteilung derPrimäreinkommen zielen, zu den niedrigsten Werte der Lohnstreuung im D5/D1-Bereich in derOECD führten (Tabelle 4 und Schaubild 9). Der verbleibende Unterschied zwischen Schwedenund Dänemark erklärt sich teilweise aus der Tatsache, daß der BIP-Anteil der kombiniertenEinnahmen aus Sozialversicherungsbeiträgen und Verbrauchssteuern in Schweden deutlichhöher ist als in Dänemark (Schaubild 8). Eine Rolle spielt wohl auch der Umstand, daß derBeschäftigungsschutz in Schweden sehr rigide ist, während die Entlassungsregelungen inDänemark fast so „liberal” wie in den angelsächsischen Ländern sind (Schaubild 10).

Die kontinuierliche Tragfähigkeit des skandinavischen Arbeits- und Sozialmodells hängt deshalbganz stark von hohen Beschäftigungszahlen im staatlichen Sektor ab. Wie wir oben gesehenhaben, sind diese nicht durch den internationalen Wettbewerb im Steuerbereich sowie auf den

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10 Da Schweden einen relativ hohen BIP-Anteil an Sozialversicherungsbeiträgen kennt, wäre dies eineSchwachstelle, wenn das Land der Europäischen Währungsunion beitreten würde, während Dänemark in dieserBeziehung keine Probleme hätte.

11 Es ist interessant festzustellen, dass 53 Prozent der Befragten 1997 meinten (1991 waren es nur42 Prozent), dass die Steuern für die Besserverdienenden zu niedrig seien (Edlund 2000, Tabelle 2). Daraus könnteman folgern, dass der Wechsel zu einer „dualen Einkommenssteuer”, der die Kapitaleinkommen privilegiert, alsVerletzung egalitärer Spielregeln angesehen wird.

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Produkt- und Investitionsmärkten bedroht10, aber sie könnten durch eine politisch motivierteSteuerverweigerung gefährdet werden. Bisher gibt es dafür in den Einnahmestatistiken oder inder politischen Praxis keine Hinweise. Obwohl Meinungsumfragen signalisieren, dass dieUnzufriedenheit mit dem Steuersystem in Schweden groß ist und zunehmen könnte (Edlund,2000)11, gelang es den Sozialdemokraten doch, 1994 mit einem Wahlversprechen in Bezug aufhöhere Einkommenssteuern wieder die Regierung zu übernehmen. In Dänemark zeigenMeinungsumfragen, dass mehr als zwei Drittel der Dänen mit dem bestehenden Steuerniveauzufrieden sind (V.A. Schmidt, 2000). So haben die universellen Leistungen des skandinavischenWohlfahrtsstaates, vor allem aber die universellen sozialen Dienste und die mit ihnengeschaffenen Arbeitsplätze, ganz offensichtlich dazu beigetragen, dass sich in den mittlerenEinkommensgruppen auch die politische Klientel gebildet hat, die diese gegen Forderungennach Leistungsabbau verteidigen (Svallfors, 1999). So lange diese politische Unterstützungfortbesteht, gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass das skandinavische Modell in eineroffenen Wirtschaftsordnung nicht fortbestehen kann.

Angelsächsische Länder

In den angelsächsischen Ländern mußten Einzelpersonen und Familien mit mittlerenEinkommen lange Zeit auf private Vorsorge bei einem breiten Spektrum von Versicherungenund Dienstleistungsfunktionen vertrauen, das in den skandinavischen Ländern vom Staatabgedeckt wird. So lagen die Sozialausgaben in Australien und Neuseeland schon immer sehrniedrig, während Vollbeschäftigungspolitik und Lohnsteuerung statt dessen einen „informellenWohlfahrtsstaat” geschaffen hatten (Schwartz, 2000). Im Vereinigten Königreich hatte das ausSteuern finanzierte nationale Gesundheitssystem (National Health Service) den BIP-Anteil derSozialausgaben in die Höhe getrieben, der aber immer noch unter dem kontinentaleuropäischenlag – von den skandinavischen Wohlfahrtsstaaten gar nicht zu reden. Gleichzeitig blieb dieallgemeine Steuerlast niedrig und während der Anteil der Unternehmens- undEinkommenssteuern für Individuen vergleichsweise hoch lag, wurden dessen Auswirkungen aufden internationalen Steuerwettbewerb weitgehend durch Steuerreformen in den achtzigerJahren neutralisiert, die die Nominalsätze reduzierten und gleichzeitig die Steuerbasiserweiterten (Ganghof, 2000a).

Durch den schlanken Wohlfahrtsstaat war die Beschäftigung im staatlichen Sektor in Australienund Neuseeland schon immer sehr niedrig; im Vereinigten Königreich ging sie nach einemAnstieg, der bis 1979 dauerte, auf ein ähnliches Niveau zurück. Somit wird die allgemein hoheGesamtbeschäftigung im Privatsektor erzielt. Die Industrie war jedoch in denNachkriegsjahrzehnten international nicht wettbewerbsfähig und erfuhr in den siebziger Jahreneinen dramatischen Niedergang. In allen drei Ländern führte zudem der geldpolitische undneoliberale Kurswechsel in den achtziger Jahren zu weiteren massiven Arbeitsplatzverlusten,wobei sich erst in den neunziger Jahren eine Erholung abzeichnete. Die Arbeitsplatzverluste

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in der Industrie konnten nicht durch Gewinne in anderen Branchen des exponierten Sektorsausgeglichen werden, obgleich Finanz- und Unternehmensdienstleistungen von der radikalenLiberalisierung und Deregulierung der Kapital- und Produktmärkte profitierten. Solche Gewinnekamen jedenfalls ausschließlich den hochqualifizierten und gut bezahlten Lohngruppen in derArbeitnehmerschaft zugute, und nicht den Industriearbeitern, deren Arbeitsplätze verlorengingen.

Wenn die angelsächsischen Wohlfahrtsstaaten trotzdem relativ hohe Beschäftigungsraten imUnternehmensbereich ausweisen, geht ihr Erfolg vor allem auf überdurchschnittlicheBeschäftigungszahlen bei lokalen Dienstleistungen des Privatsektors zurück (Tabelle 3) – wassich auch in den überdurchschnittlichen Erwerbstätigenraten von Frauen niederschlägt(Tabelle 4). In diesen weniger produktiven Dienstleistungsbranchen, wird die Expansionstrukturell gesehen durch niedrige Sozialversicherungsbeiträge (Tabelle 2), einen geringenBeschäftigungsschutz (Schaubild 10) und extrem dezentralisierte oder gar individuelleVerfahren der Lohnfestsetzung erleichtert. Die Schattenseite von extrem flexiblen Löhnen undBeschäftigungsbedingungen ist der wachsende Bevölkerungsanteil der „working poor”, derenmarktbestimmte Löhne auf oder unter dem Existenzminimum liegen.

Für die angelsächsischen Länder (die sich ihren spezifischen sozialen Zielsetzungen aus derNachkriegszeit nicht unbedingt weniger verpflichtet fühlen als der europäische Kontinent oderSkandinavien) bringt dieser Anstieg der Armut ein moralisches, aber gleichzeitig auch einpraktisches Problem mit sich: auch wenn sie in Bezug auf die allgemeinen staatliche Funktionen„schlank” und in Bezug auf das Leistungsniveau im allgemeinen „knausrig” sind (Rhodes, 2000),ist die Sozialhilfe als letzter Ausweg vergleichbar mit dem skandinavischen undkontinentaleuropäischen Systemen, und fällt für Familien mit niedrigen Einkommen und kleinenKindern sogar recht großzügig aus (Tabelle 4). Für niedrigqualifizierte Arbeitnehmer sind dieseLeistungen unter Umständen höher als die Löhne, die sie in weniger produktivenDienstleistungsberufen verdienen würden. Unter diesen Umständen kann die Tatsache, daßSozialhilfeleistungen einer Bedürftigkeitsprüfung unterliegen, zu einer abschreckendenBesteuerung von Erwerbseinkommen führen. Die sich daraus ergebende Arbeitslosigkeitsfallewirkt sich nicht nur negativ auf Bemühungen aus, die Sozialausgaben zu verringern, sondernmehrt auch die Zahl der Kinder, die in Armut aufwachsen und sich in „Arbeitslosenfamilien”sozialisieren.

Im Umgang mit diesen schweren Risiken des angelsächsischen Wohlfahrtsstaates haben sichalle drei Länder Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahmen (workfare) zugewandt, die dieArbeitslosenunterstützung durch Fortbildungsmaßnahmen und „Leistungen fürArbeitssuchende”(job-seeker allowances) für alleinstehende Arbeitnehmer ersetzt, die eineKombination aus Lohneinkommen und Sozialleistungen für Familien (trotz desArbeitsverhältnisses) erlauben. Wenn sie entsprechend fortentwickelt werden, können solcheKombinationen aus einem flexiblen und ungeschützten Niedriglohn-Arbeitsmarkt undSozialleistungssystemen, die auf der Logik der negativen Einkommenssteuer beruhen, einhohes Gesamtbeschäftigungsniveau im Privatsektor schaffen, ohne Ungleichheit und Armutdrastisch zu steigern. Die Ausweitung des Earned Income Tax Credit in den Vereinigten Staatenhat jedoch gezeigt, daß solche Programme nicht billig sein können, wenn sie aus eigener Krafteffektiv sein sollen.

So gilt wie schon für das skandinavische Modell, daß die Tragfähigkeit der angelsächsischenWohlfahrtsstaaten, die ihren von Beveridge inspirierten Zielsetzungen treu zu bleibenversuchen, nicht durch den internationalen Wirtschafts- oder Steuerwettbewerb in Frage gestellt

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wird. Wenn es eine Herausforderung gibt, ist sie wiederum politischer Natur. Hier sind dieVoraussetzungen allerdings unterschiedlich. In den skandinavischen Wohlfahrtsstaaten stehtdie Mehrheit der Mittelklassewähler zu den universellen Sozialversicherungsleistungen,universellen sozialen Diensten und den auf diese Weise geschaffenen Arbeitsplätzen und weistVorschläge zum Sozialabbau zurück. In den angelsächsischen Ländern hingegen habenMittelklassewähler – die nicht davon ausgehen, daß sie Sozialhilfeempfänger werden und dieKosten einer private Vorsorge für das Eintreten zu erwartender Risiken tragen – keinEigeninteresse, höhere Steuern zu zahlen, um Sozialprogramme mit reinemUmverteilungscharakter zu verbessern. So könnten vielleicht paradoxerweise auf politischeRechtfertigungen des großzügigen skandinavischen Modells Appelle zur Verfolgung einesaufgeschlossenen Eigeninteresses folgen; während in den angelsächsischen Ländern, ganzim Gegenteil, jegliche Erweiterung des schlanken und „knausrigen” Wohlfahrtsstaates vonAppellen an eine Moral der Solidarität abhängt.

Kontinentaleuropäische Länder

Mit Blick auf die internationalen Herausforderungen erweisen sich allerdings die umfassendenskandinavischen und die schlanken angelsächsischen Wohlfahrtsstaaten als gleichermaßentragfähig. Zudem sind beide Modelle mit hohen Beschäftigungszahlen im geschütztenDienstleistungssektor vereinbar, der die Stagnation oder den Rückgang in den exponiertenSektoren ausgleicht. Keine dieser Feststellung trifft in dieser allgemeinen Form auf diekontinentaleuropäischen Wohlfahrtsstaaten zu.

Im großen und ganzen, dies ist sicher richtig, spielen individuelle Einkommenssteuern und dieUnternehmenssteuern in der Einnahmenstruktur der kontinentaleuropäischen Länder nur einekleinere Rolle (Tabelle 2). Nichtsdestoweniger können die nominellen Zahlen immer noch hochliegen, da diese Steuern oft von einer sehr engen Steuerbasis eingezogen werden. Wo dies derFall ist, sind die Forderungen nach Steuersenkungen stärker als die politische Unterstützungfür eine Erweiterung der Steuerbasis oder eine duale Einkommenssteuer – mit dem Ergebnis,daß „Steuerreformen”, die auf den internationalen Wettbewerb reagieren, die bereits niedrigenEinnahmen aus Einkommenssteuern weiter reduzieren – wie dies in Deutschland, denNiederlanden und Belgien ab Mitte der achtziger Jahre geschah.

Dagegen sind die Einnahmen aus Sozialversicherungsbeiträgen, die nicht direkt vominternationalen Steuerwettbewerb beeinträchtigt werden, im allgemeinen (sehr) hoch in denkontinentaleuropäischen Wohlfahrtsstaaten, und sie wurden in Österreich, Deutschland undItalien (und in Schweden) in den neunziger Jahren zusätzlich gesteigert. Wie ich oben gezeigthabe, werden solche Veränderungen wichtige Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit aufden Produktmärkten haben, wenn die Wechselkursschranke einmal gefallen ist. Da allekontinentaleuropäischen Wohlfahrtsstaaten, die unser Forschungsprojekt erfaßt, heuteMitglieder der Europäischen Währungsunion sind, hat sich ihre finanzielle Abhängigkeit vonSozialversicherungsbeiträgen in ein massives Haushaltsproblem verwandelt: Wenn es nichtbeachtet wird, leidet die Beschäftigung in den exponierten Sektoren darunter, wenn esberücksichtigt wird, müßten die Sozialausgaben eigentlich aufrecht erhalten werden, dürftenaber gekürzt werden, wenn konkurrierende Länder sich für eine Kürzung ihrer eigenen

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12 Es sollte klar sein, dass es sich hier um Feststellungen handelt, die den Ceteris-paribus-Klauselnunterliegen. Natürlich können Kürzungen aus anderen Quellen finanziell ausgeglichen werden und Lohnschnittekönnen solche Kürzungen im internationalen Kostenwettbewerb natürlich auch ersetzen.

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Beitragssätze entscheiden12. Mit anderen Worten: die kontinentaleuropäischenWohlfahrtsstaaten werden in naher Zukunft ernsthaft vom internationalen Steuerwettbewerbbedroht, auch wenn diese Effekte sich in empirischen Studien heute noch nicht nachweisenlassen.

Im Augenblick ist die allgemein niedrigen Zahlen der Gesamtbeschäftigung das Hauptproblemder kontinentaleuropäischen Wohlfahrtsstaaten (Tabelle 3), die nicht mehr ausreichen, allenArbeit zu verschaffen, die arbeiten wollen oder müssen – dazu gehören langjährigeArbeitnehmer, die ihre Stellen im Zuge des allgemeinen Niedergangs derIndustriebeschäftigung verloren, wie Außenseiter, vor allem Frauen und in einigen Ländernauch junge Arbeitssuchende, die vergeblich in den Arbeitsmarkt zu kommen versuchen. DieseProbleme sind eng mit den typischen Merkmalen der kontinentaleuropäischenWohlfahrtsstaaten verbunden, die den Schutz der bestehenden Arbeitsplätze langjährigerArbeitnehmer betonen und relativ attraktive Sozialversicherungsleistungen für solcheArbeitnehmer anbieten, wenn sie ihren Arbeitsplatz verlieren. So wurden die Auswirkungen desNiedergangs in der Industrie durch Möglichkeiten des Ausscheidens aus dem Arbeitsleben imRahmen von Invaliden- und Vorruhestandsrenten gemildert (Ebbinghaus, 2000), während aktiveMaßnahmen, die die Beschäftigungschancen und -anreize für Frauen verbessert hätten, imallgemeinen nicht ganz oben auf der Tagesordnung der Regierungen und Gewerkschaftenstanden (Daly, 2000). Im Ergebnis haben die kontinentaleuropäischen Länder die niedrigstenBeschäftigungsraten älterer Arbeitnehmer sowie die niedrigsten Erwerbstätigenraten vonFrauen (Tabelle 4).

Es sollte jedoch hervorgehoben werden, dass die Merkmale kontinentaleuropäischerWohlfahrtsstaaten nicht unbedingt die internationale Wettbewerbsfähigkeit in Fragen stellenmüssen. Die kontinentaleuropäischen Beschäftigungsraten in der Industrie (Tabelle 3) und inden exponierten Sektoren insgesamt (Schaubild 3) sind sehr unterschiedlich, wobei in beiderleiHinsicht Österreich und Deutschland, gemeinsam mit der Schweiz und Dänemark zu denLeistungsstarken gehören – und auf alle Fälle besser abschneiden als die Vereinigten Staaten.Andererseits ist die Beschäftigung im exponierten Sektor in Belgien, Italien und Frankreichbesonders niedrig, was nahelegt, dass hier Faktoren entscheidend sind, die nichts mit derStruktur der Wohlfahrtsstaaten zu tun haben – darunter historische Erblasten der industriellenSpezialisierung und vergangener Industriepolitik, und vielleicht auch auf Konfrontationausgelegte Arbeitsbeziehungen. Dagegen erklärt sich die allgemeine Schwäche derkontinentaleuropäischen Länder in der Beschäftigung im geschützten Sektor aus dencharakteristischen Strukturen ihrer Wohlfahrtsstaaten.

Mit Ausnahme Frankreichs und Österreichs ist die Beschäftigung im staatlichen Sektor soniedrig oder gar geringer als in den angelsächsischen Ländern, und sie bleibt auf jeden Fall weithinter dem skandinavischen Niveau zurück. Der Hauptgrund liegt in derkontinentaleuropäischen Tradition, in der Pflegedienste für junge, behinderte und ältereMenschen im allgemeinen nicht als Funktion des Wohlfahrtsstaates angesehen werden,

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13 In Frankreich und Belgien sind staatliche Einrichtungen zur Kinderbetreuung leichter verfügbar als inanderen kontinentaleuropäischen Ländern (Daly, 2000), und in Deutschland hat die kürzlich eingeführte langfristigePflegepflichtversicherung die staatlich finanzierten Dienste für ältere Menschen ausgeweitet (Alber, 2000).

14 Die Ausgaben in Deutschland und den Niederlanden spiegeln sich in den staatlichenBeschäftigungszahlen nicht vollständig wieder, da staatlich finanzierte oder subventionierte soziale Dienste zumgroßen Teil von nicht gewinnorientierten Organisationen erbracht werden.

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sondern in erster Linie von Müttern, Ehefrauen und Töchtern in der Familie besorgt werden13.Daher sind die öffentlichen Ausgaben für diese sozialen Dienste viel niedriger als in denskandinavischen Ländern (Tabelle 4)14. Im Gegensatz zu den angelsächsischen Ländern gerietzudem die Beschäftigung im privaten Dienstleistungssektor stärker durch die Strukturen derkontinentaleuropäischen Wohlfahrtsstaaten unter Druck.

Mit der Ausnahme von Österreich und den Niederlanden, liegen die Beschäftigungsraten in derISIC-Gruppe 6 in ihnen allen unter dem Durchschnitt der 18 OECD-Länder. Nach dem, was wirbereits gesagt haben, sind die Gründe ziemlich einleuchtend: In allen Ländern steigert derSteuerkeil aus hohen Sozialversicherungsbeiträgen die Kosten und reduziert den privaten Marktpreiselastischer Dienstleistungen für Einzelpersonen und Verbraucher (Tabelle 3). Zudem istdie Gesetzgebung zum Beschäftigungsschutz im allgemeinen sehr streng in denkontinentaleuropäischen Ländern (Schaubild 10), und in einigen Ländern hat die Lohnpolitik derGewerkschaften oder die staatliche Gesetzgebung über Mindestlöhne die Lohnunterschiedeim D5/D1-Bereich fast auf das skandinavische Niveau gebracht (Tabelle 4). Dieser allgemeinenFeststellung widersprechen die beiden Ausnahmeländer nicht: In Österreich ist das Lohngefälleungewöhnlich hoch und in den Niederlanden gibt es nicht nur liberalere Regelungen zumBeschäftigungsschutz, sondern auch Sozialversicherungsbeiträge, die in das Schema derEinkommenssteuer integriert sind – was dazu führt, daß die grundlegende Steuerbefreiung dieKostenlast von Arbeitsplätzen im Teilzeit -und Niedriglohnbereich reduziert.

Zusammenfassung

Diese Übersicht zu den Ergebnissen eines äußerst komplexen vergleichendenForschungsprojekts kann nur einige grundlegende Erkenntnisse wiedergeben.Nichtsdestoweniger schält sich auch auf dieser vereinfachten Ebene das eigentliche Ergebnisheraus: In den neunziger Jahren hat die internationale und die europäische Integration derKapital- und Produktmärkte das Nachkriegssystem des im nationalen Rahmen verankertenLiberalismus ersetzt. In der Folge sind die Nationalstaaten nicht mehr in der Lage, ein breitesSpektrum politischer Instrumente einzusetzen, die von der Kontrolle über ihr eigenesWirtschaftsgebiet abhingen. Diese Beschränkungen sind besonders deutlich für dieMitgliedstaaten der Europäischen Union und der Europäischen Währungsunion. Die Ländermüssen jetzt die Wettbewerbsfähigkeit der exponierten Sektoren auf hart konkurrierendeninternationalen Produktmärkten verteidigen oder wiedergewinnen; sie müssen die Attraktivitätnationaler Standorte für gewinnorientierte Investitionen erhalten oder wiederherstellen und siemüssen mit den Auswirkungen hoher Kapitalmobilität auf ihre Einnahmebasis zurecht kommen.So arbeiten alle Wohlfahrtsstaaten unter engen Haushaltsbeschränkungen und alle müssen mitstagnierenden oder sinkenden Beschäftigungsraten der Beschäftigung im exponierten Sektorihrer Volkswirtschaften fertig werden. Wenn das Gesamtbeschäftigungsniveau erhalten oderverbessert werden soll, kann dies nur durch eine Ausdehnung des staatlichen oder privatenDienstleistungssektors in den geschützten Wirtschaftszweigen geschehen.

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In allen Ländern erforderte der Erhalt der wirtschaftlichen Leistungskraft in einem vonintegrierten Produkt- und Kapitalmärkten bestimmten wirtschaftlichen Umfeld schwierige undschmerzhafte politische Anpassungen und dies wird auch so bleiben. Die Frage ist, ob diesedie politische Legitimität gefährden, indem sie Werte verletzten, die in den Engagements derNachkriegszeit zugunsten von Vollbeschäftigung, sozialer Sicherheit und sozialer Gleichheitzum Ausdruck kamen. Die Antworten hängen sicher vom Erfolg oder Mißlingen politischenLernens und dem politischen Diskurs in jedem Land ab. Nichtsdestoweniger legt unsereAnalyse der typischen Schwachstellen nahe, daß diese Probleme in den einzelnenLändergruppen sehr unterschiedlich ausfallen.

Aus unserer Analyse dürfte zu folgern sein, daß die skandinavischen und angelsächsischenWohlfahrtsstaaten trotz ihrer extremen Verschiedenheit eine Chance haben, dieseAnpassungen innerhalb des grundlegenden normativen und institutionellen Rahmens derNachkriegsmodelle zu erreichen. sie dürften in der Lage sein, ihre wirtschaftliche Leistungskraftund politische Legitimität zu erhalten, ohne die Strukturen des politischen Erbes völlig neu zugestalten. Die kontinentaleuropäischen Länder dürften hingegen größere Schwierigkeiten mitdiesen Herausforderungen haben.

Angesichts der Währungsunion wird ihre traditionelle Einkommensbasis durch neuenWettbewerbsdruck gefährdet, während ein Wechsel zu – wirtschaftlich machbaren – höherenEinkommenssteuern dem Zeitgeist widerspräche, der hinter den gegenwärtigen Steuerreformensteht. Es fällt ihnen zudem schwerer, Arbeitsplatzverluste im exponierten Sektor durch dieAusweitung des geschützten Dienstleistungssektors aufzufangen. Es gibt keine starke politischeNachfrage nach staatlich finanzierten sozialen Diensten auf „skandinavischem” Niveau, undwenn es sie gäbe, wäre sie schwer mit den gegenwärtigen Haushaltsbeschränkungen inEinklang zu bringen. Gleichzeitig regt sich starker politischer Widerstand gegen eineDeregulierung des privaten Dienstleistungssektors nach „angelsächsischem” Muster, auchwenn die Einkommen aus Arbeitsplätzen im Niedriglohnbereich staatlich bezuschußt würden.Im Ergebnis bleiben die Gesamtbeschäftigungszahlen und die weibliche Erwerbstätigenrate inden kontinentaleuropäischen Ländern am niedrigsten. Es ist zumindest unsicher, wie langedieser Zustand in Gesellschaften, die rasch altern und in denen sich die Akzeptanz traditionellerGeschlechterrollen schnell verringert, ökonomisch tragbar und politisch legitimiert ist.

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Tabelle 1. Steuern und Sozialversicherungsbeiträge als Prozentanteil des BIP, 1970-1997

1970 1980 1985 1990 1997

VereinigteStaaten

27.4 26.9 26.0 26.7 28.5

Australien 24.2 28.4 30.0 30.6 30.4

Neuseeland 27.4 33 33.6 38.0 36.4

VereinigtesKönigreich

37.0 35.2 37.5 36.6 35.3

Schweiz 22.5 29.1 30.8 30.9 34.6

Österreich 34.9 40.3 42.4 41.0 44.4

Belgien 35.7 43.7 46.9 44.0 46.5

Deutschland 32.9 38.2 38.1 36.7 37.5

Frankreich 35.1 41.7 44.5 43.7 46.1

Italien 26.1 30.4 34.5 39.2 45.0

Niederlande 37.1 45.2 44.1 44.6 43.4

Dänemark 40.4 45.5 49.0 48.7 52.2

Schweden 39.8 48.8 50.0 55.6 53.3

OECD 18 31.8 36.6 38.4 39.3 39.8

Quelle: OECD Revenue Statistics 1999, Statistical Compendium.

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Tabelle 2. Steuern und Sozialversicherungsbeiträge als Prozentsatz des BIP (1997)

Gesamt-besteuerung

Sozialver-sicherungs-beiträge

Steuern aufGüter undDienstleis-tungen

PersönlicheEinkommens-und Unter-nehmens-steuern

Vereinigte Staaten 28.5 6.8 4.9 11.5

Australien 30.4 2.0 8.6 17.1

Neuseeland 36.4 0.3 12.6 21.5

VereinigtesKönigreich

35.3 6.0 12.5 13.0

Schweiz 34.6 13.1 6.1 12.8

Österreich 44.4 18.0 12.5 12.9

Belgien 46.5 14.8 12.4 18.0

Deutschland 37.5 15.6 10.4 10.5

Frankreich 46.1 20.2 12.6 8.9

Italien 45.0 15.2 11.2 16.3

Niederlande 43.4 17.7 12.2 11.4

Dänemark 52.2 1.8 17.1 31.4

Schweden 53.3 17.7 12.0 21.6

OECD 18 39.8 10.9 11.2 15.7

Quelle: OECD Revenue Statistics 1999, Statistical Compendium.

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Tabelle 3. Gesamt- und Sektorbeschäftigung in % der Bevölkerung (Altersgruppe: 15-64Jahre)

Gesamt-beschäfti-gung

StaatlicheBeschäftigung

Unternehmensbeschäftigung

Industrie-beschäftigung

Beschäftigungin ISIC-Gruppe 6

VereinigteStaaten

73.9 10.6 63.3 11.8 16.1

Australien 68.5 10.4 58.3 9.8 17.2

Neuseeland 60.9 9.0 53.8 12.0 14.7

VereinigtesKönigreich

70.3 9.6 59.7 13.2 13.7

Schweiz 79.8 11.1 68.8 15.7 15.2

Österreich 62.8 14.3 49.1 14.5 14.4

Belgien 56.3 10.4 44.9 10.4 10.1

Deutschland 60.5 9.1 51.4 16.4 11.0

Frankreich 59.4 14.6 44.2 11.3 9.9

Italien 50.8 8.0 42.8 12.1 10.9

Niederlande 61.8 8.1 52.1 10.2 13.4

Dänemark 75.8 22.6 52.0 14.4 12.1

Schweden 69.6 21.2 47.8 13.5 10.6

OECD 18 66.5 12.6 52.7 13.0 13.0

Quellen: Spalten 1-3: OECD Economic Outlook; Spalten 4-5: OECD Labour Force Statistics.

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Tabelle 4. Ausgewählte Indikatoren für die Leistungskraft des Wohlfahrtsstaates (1995-96)

Erwerbstätig-keit vonFrauen in%

Erwerbstätig-keit ältererMenschen(55-64 Jahre)in %

GesamteSozial-ausgaben in% des BIP

Dienste fürFamilien,Behinderte und ältereMenschen in% des GDP

Arbeitslosen-unterstützungals Einkom-mensersatz(Familien mitniedrigenEinkommen)* in %

Einkom-mensver-teilung(D5/D1) -beide Ge-schlechter

VereinigteStaaten

72.0 67.6 15.8 0.36 n.v. 2.09

Australien 64.4 59.6 15.7 0.56 82 1.64

Neuseeland 68.0 69.3 18.8 0.15 77 1.73

VereinigtesKönigreich

68.4 63.6 22.5 1.16 80 1.78

Schweiz 68.9 81.9 21.0 0.47 88 1.58

Österreich 62.4 40.7 26.2 0.85 77 2.01

Belgien 52.3 33.9 27.1 0.28 76 1.43

Deutschland 61.0 54.6 28.0 1.36 76 1.44

Frankreich 60.7 42.0 30.1 1.14 87 1.65

Italien 42.9 55.9 23.7 0.3 46 1.75

Niederlande 60.4 44.2 27.8 1.03 86 1.56

Dänemark 74.0 63.8 32.1 5.14 95 1.38

Schweden 77.9 71.3 33.0 5.1 85 1.34

OECD 18 61.2 n.v. 24.0 1.63 n.v. 1.65

n.v. = nicht verfügbar

* Einzelverdiener-Haushalt mit zwei Kindern; Löhne bei zwei Dritteln des Durchschnittslohns in der Produktion,einschließlich Arbeitslosenunterstützung, Familienleistungen und Wohngeld; erster Monat des Leistungsbezugs.

Quellen: Alle OECD.

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Gesamtbeschäftigung exponierter Sektor geschüzter Sektor

Schaubild 1. Durchschnittliche Beschäftigungsraten (OECD-18)

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Kreditaufnahme Gesamtbesteuerung Gesamtausgaben

Schaubild 2. Durchschnittliche Haushaltsleistung (OECD-18)

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rige)

Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in % des BIP

Schaubild 3. Steuerlast und Beschäftigung in den exponierten Sektoren (ISIC 1-5, 7,8),OECD-Zahlen für 1997

Bezeichnung der Länder:

A = ÖsterreichAUS = AustralienB = BelgienCAN = KanadaCH = SchweizD = DeutschlandDK = DänemarkF = FrankreichFL = Finnland

I = ItalienJAP = JapanN = NorwegenNL = NiederlandeNZ = NeuseelandS = SchwedenUK = Vereinigtes KönigreichUSA = Vereinigte Staaten

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Steuern und Sozailversicherungsbeiträge in % des BIP

Schaubild 4. Steuerlast und staatliche Beschäftigung. OECD-Zahlen für 1997

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Unt

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in %

der

Bev

ölke

rung

(15

-64j

ährig

e)

Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in % des BIP

Schaubild 5. Steuerlast und Beschäftigung im Privatsektor. OECD -Zahlen für 1997

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Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in % des BIP

Schaubild 6. Steuerlast und Beschäftigung im privaten Dienstleistungssektor. OECD-Zahlenfür 1997

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Persönliche Einkommenssteuern und Unternehmenssteuern in % des BIP

Schaubild 7. Einkommenssteuern und Beschäftigung im privaten Dienstleistungssektor.OECD-Zahlen für 1997

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Sozialversicherungsbeiträge und Verbrauchssteuern in % des BIP

Schaubild 8 Sozialversicherungsbeiträge / Verbrauchssteuern und Beschäftigung imprivaten Dienstleistungssektor (1997)

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Lohndifferenzierung D5/D1, beide Geschlechter

Schaubild 9. D5/D1 Lohndifferenzierung (1994-95) und Beschäftigung im privatenDienstleistungssektor (1997)

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Strenge der Beschäftigungsschutzgesetzgebung (Rang)

Schaubild 10. OECD-Rangfolge bei der Beschäftigungsschutzgesetzgebung (BSG) (1999)und Beschäftigung im privaten Dienstleistungssektor (1997)

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UniverselleSozialdienste

SkandinavischeWohlfahrtsstaaten

KontinentaleuropäischeWohlfahrtsstaaten

AngelsächsischeWohlfahrtsstaaten

Bedürftigkeitsprüfende Sozialhilfe

EinkommensbezogeneSozialversicherung

Schaubild 11. Funktionelle Profile verschiedener Typen von Wohlfahrtsstaaten