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Grundlagentexte zur Romantik 1. Karoline von Günderode: geboren am 11.2.1780 in Karlsruhe; gestorben am 26.7.1806 in Winkel (Rheingau). Günderode stammte aus einer angesehenen Familie, ihr Vater war Hofrat und Kammerherr in Karlsruhe und hatte neben historischen Werken auch Idyllen publiziert. Nach seinem Tode 1786 siedelte die Mutter mit den Kindern nach Hanau über. Ab 1797 lebte die Autorin im von Cronstetten- Hynspergischen adeligen evangelischen Damenstift in Frankfurt/M., finanziell eingeschränkt, aber kaum reglementiert. 1800/01 lernte sie Bettine, Gunda und Clemens Brentano kennen, daraus ergaben sich intensive Kontakte zu einem von der Jenaer Frühromantik geprägten Freundeskreis. Die unglückliche Liebe zu dem Heidelberger Mythenforscher Friedrich Creuzer veranlasste sie zum Freitod am Rhein. Vorzeit und neue Zeit 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

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Grundlagentexte zur Weimarer Klassik

Grundlagentexte zur Romantik

1. Karoline von Gnderode:

geboren am 11.2.1780 in Karlsruhe; gestorben am 26.7.1806 in Winkel (Rheingau).

Gnderode stammte aus einer angesehenen Familie, ihr Vater war Hofrat und Kammerherr in Karlsruhe und hatte neben historischen Werken auch Idyllen publiziert. Nach seinem Tode 1786 siedelte die Mutter mit den Kindern nach Hanau ber. Ab 1797 lebte die Autorin im vonCronstetten-Hynspergischen adeligen evangelischen Damenstift in Frankfurt/M., finanziell eingeschrnkt, aber kaum reglementiert. 1800/01 lernte sie Bettine, Gunda und Clemens Brentano kennen, daraus ergaben sich intensive Kontakte zu einem von der Jenaer Frhromantik geprgten Freundeskreis. Die unglckliche Liebe zu dem Heidelberger Mythenforscher Friedrich Creuzer veranlasste sie zum Freitod am Rhein.

Vorzeit und neue Zeit

Ein schmahler rauher Pfad schien sonst die Erde.Und auf den Bergen glnzt der Himmel ber ihr,Ein Abgrund ihr zur Seite war die Hlle,Und Pfade fhrten in den Himmel und zur Hlle.

Doch alles ist ganz anders jetzt geworden,Der Himmel ist gestrzt, der Abgrund ausgefllt,Und mit Vernunft bedeckt, und sehr bequem zum gehen.

Des Glaubens Hhen sind nun demolieret.Und auf der flachen Erde schreitet der Verstand,Und misset alles aus, nach Klafter und nach Schuen.

Quelle: http://gutenberg.spiegel.de/guendero/gedichte/vorzeit.htm

Aufgaben:

Analysieren Sie das Gedicht und arbeiten Sie dabei heraus, in welcher Weise Karoline von Gnderode die geistigen Strmungen ihrer Zeit kritisiert.

Entwickeln Sie auf der Grundlage ihrer Analyse ein aussagekrftiges Schaubild.

2. Friedrich Schlegel

Geboren am 10.3.1772 in Hannover; gestorben am 12.1.1829 in Dresden.

Der Sohn eines Generalsuperintendenten verbrachte lange Jahre einer schwermtigen Jugend bei Verwandten, dann gab ihn sein Vater 1788 in eine Lehre bei einem Leipziger Bankhaus. Obwohl er die Gymnasialausbildung nicht abgeschlossen hatte, gelang es ihm, 1790 zusammen mit seinem Bruder August Wilhelm Schlegel in Gttingen ein Studium zu beginnen (Jura, Philologie, Geschichte, Philosophie). 1791-93 setzte er sein Studium in Leipzig alleine fort. 1794 zog er aus Geldnot zu seiner Schwester Charlotte nach Dresden. Im Sommer 1796 folgte er seinem Bruder nach Jena und gab mit ihm 1798-1800 die Zeitschrift "Athenaeum" heraus. 1800 habilitierte er sich; er konnte aber in Jena seine akademischen Plne nicht verwirklichen und zog ber Berlin, Dresden und Leipzig nach Paris, wo er ber deutsche Literatur und Philosophie las und Sanskritstudien aufnahm. 1809 erhielt er eine feste Stelle als Hofsekretr in Wien, gleichzeitig war er Herausgeber einer Armeezeitung im Stab des Erzherzogs Karl. 1814 nahm er am Wiener Kongress diplomatisch und publizistisch teil; 1815-18 arbeitete er als sterreichischer Legationsrat am Frankfurter Bundestag mit; 1819 begleitete er als Kunstsachverstndiger den Kaiser und Metternich auf einer Italienreise. Nach der Abberufung aus den sterreichischen Diensten arbeitete Schlegel in Wien an der Gesamtausgabe seiner Werke.

116. Fragment fr die Zeitschrift Athenum (Erstabdruck 1798)

Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist nicht blo, alle getrennte Gattungen der Poesie wieder zu vereinigen, und die Poesie mit der Philosophie und Rhetorik in Berhrung zu setzen. Sie will, und soll auch Poesie und Prosa, Genialitt und Kritik, Kunstpoesie und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen, die Poesie lebendig und gesellig, und das Leben und die Gesellschaft poetisch machen, den Witz poetisieren, und die Formen der Kunst mit gediegnem Bildungsstoff jeder Art anfllen und sttigen, und durch die Schwingungen des Humors beseelen. Sie umfat alles, was nur poetisch ist, vom grten wieder mehrere Systeme in sich enthaltenden Systeme der Kunst, bis zu dem Seufzer, dem Ku, den das dichtende Kind aushaucht in kunstlosen Gesang. Sie kann sich so in das Dargestellte verlieren, da man glauben mchte, poetische Individuen jeder Art zu charakterisieren, sei ihr Eins und Alles; und doch gibt es noch keine Form, die so dazu gemacht wre, den Geist des Autors vollstndig auszudrcken: so da manche Knstler, die nur auch einen Roman schreiben wollten, von ungefhr sich selbst dargestellt haben. Nur sie kann gleich dem Epos ein Spiegel der ganzen umgebenden Welt, ein Bild des Zeit alters werden. Und doch kann auch sie am meisten zwischen dem Dargestellten und dem Darstellenden, frei von allem realen und idealen Interesse auf den Flgeln der poetischen Reflexion in der Mitte schweben, diese Reflexion immer wieder potenzieren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln vervielfachen. Sie ist der hchsten und der allseitigsten Bildung fhig; nicht blo von innen heraus, sondern auch von auen hinein; indem sie jedem, was ein Ganzes in ihren Produkten sein soll, alle Teile hnlich organisiert, wodurch ihr die Aussicht auf eine grenzenlos wachsende Klassizitt erffnet wird. Die romantische Poesie ist unter den Knsten was der Witz der Philosophie, und die Gesellschaft Umgang, Freundschaft und Liebe im Leben ist. Andre Dichtarten sind fertig, und knnen nun vollstndig zergliedert werden. Die romantische Dichtart ist noch im Werden; ja das ist ihr eigentliches Wesen, da sie ewig nur werden, nie vollendet sein kann. Sie kann durch keine Theorie erschpft werden, und nur eine divinatorische Kritik drfte es wagen ihr Ideal charakterisieren zu wollen. Sie allein ist unendlich, wie sie allein frei ist, und das als ihr erstes Gesetz anerkennt, da die Willkr des Dichters kein Gesetz ber sich leide. Die romantische Dichtart ist die einzige, die mehr als Art, und gleichsam die Dichtkunst selbst ist: denn in einem gewissen Sinn ist oder soll alle Poesie romantisch sein.

Quelle: www.dominik-orth.de/material_textarbeit_romantik.pdf

Aufgaben:

1. Tragen Sie zusammen, welche Eigenschaften Schlegel in seinem Text der Poesie zuweist.

2. Entwickeln Sie passende und durchaus plakative Slogans, die Sie im Anschluss knapp erlutern.

3. Novalis (Friedrich von Hardenberg):

Geboren am 2.5.1772 in Oberwiederstedt/Harz; gestorben am 25.3.1801 in Weienfels.

Der Sohn eines streng pietistischen Salinendirektors schloss das Rechtsstudium in Jena, Leipzig und Wittenberg 1794 mit dem besten Examen ab. Im selben Jahr wurde er als Aktuarius nach Tennstedt geschickt. Im nahen Grningen begegnete er der 12jhrigen Sophie von Khn, mit der er sich im Mrz 1795 ohne Wissen der Eltern verlobte. Im Januar 1796 wurde er Akzessist an der Salinendirektion in Weienfels. Nach dem Tode Sophies im Mrz 1797 ging er Ende 1797 an die Freiberger Bergakademie, wo er Bergwerkskunde, Chemie und Mathematik studierte. Auch die zweite Verlobung 1798 mit Julie von Charpentier blieb ohne Hochzeit. Pfingsten 1799 kehrte er zur Salinendirektion zurck und wurde im Dezember zum Salinenassessor und Mitglied des Salinendirektoriums ernannt. Hhepunkt der beruflichen Laufbahn war die Ernennung zum Supernumerar-Amtshauptmann fr den Thringischen Kreis am 6.12.1800. Seit August dieses Jahres war er erkrankt und konnte die Arbeit nicht mehr aufnehmen.

[Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren] (entstanden 1800)

Wenn nicht mehr Zahlen und FigurenSind Schlssel aller Kreaturen,Wenn die, so singen oder kssen,Mehr als die Tiefgelehrten wissen,Wenn sich die Welt in's freie Leben,Und in die Welt wird zurck begeben,Wenn dann sich wieder Licht und SchattenZu echter Klarheit werden gatten,Und man in Mrchen und GedichtenErkennt die ewgen Weltgeschichten,Dann fliegt vor Einem geheimen WortDas ganze verkehrte Wesen sofort.

Quelle: http://gutenberg.spiegel.de/novalis/ofterdng/ofter311.htm

Aufgaben:

1. Analysieren Sie zunchst die uere Form und den gedanklichen Aufbaus des Gedichts!

2. Bilden Sie Gegensatzpaare, die einerseits Novalis Zeit kennzeichnen, andererseits die von ihm formulierte Utopie! Orientieren Sie sich an folgendem Beispiel:

Novalis Zeit

Utopie

Dominanz der Zahlen und Figuren

Wissen der Tiefgelehrten

Wissen der Snger

3. Erlutern Sie mit eigenen Worten, welche Rolle der Literatur bei der von Novalis geforderten Vernderung der Welt zukommt.

4. Errtern Sie, ob Novalis mit der verkehrte[n] Welt die Aufklrung meint.

5. Verfassen Sie ein Parallelgedicht zu Novalis Text.

4. Wilhelm Mller

Geboren am 7.10.1794 in Dessau; gestorben am 1.10.1827 in Dessau.

Mller war das einzige berlebende von sechs Kindern einer Dessauer Handwerkersfamilie. Nach dem Schulbesuch in Dessau widmete er sich ab 1812 in Berlin philosophischen und historischen Studien. Im Februar 1813 trat er als Freiwilliger in das preuische Heer ein und machte die Schlachten gegen Napoleon bei Ltzen, Bautzen, Hanau und Kulm mit. Nach Aufenthalten in Prag und Brssel kehrte er 1814 nach Dessau zurck und nahm 1815 seine Studien wieder auf, die er 1817 in Berlin abschloss. Er besuchte wissenschaftliche und Knstlerkreise und verkehrte u.a. mit Arnim, Brentano, Fouqu und Tieck. Im Anschluss an das Studium trat er im Auftrag der Berliner Akademie der Wissenschaften mit dem preuischen Kammerherrn Baron Sack eine gyptenreise an, die aber wegen der Pest in Konstantinopel zunchst nach Italien fhrte. Im Januar 1818 trafen sie in Rom ein; zu Ostern trennte er sich von Sack, reiste nach Neapel und verbrachte den Sommer bei Rom. 1819 kehrte er zurck und ging als Gymnasiallehrer fr Latein und Griechisch nach Dessau. Bald darauf wurde er vom regierenden Herzog zum Bibliothekar der Hofbibliothek, 1824 zum Hofrat ernannt. Kurz nach einer Reise durch Sdwestdeutschland, auf der er Schwab, Hauff, Kerner und Uhland traf, starb er an einem Herzschlag. Seine Gedichte wurden im gesamten 19.Jahrhundert hufig vertont und nahmen Volksliedcharakter an, z.B. Der Lindenbaum, Das Wandern ist des Mllers Lust

Der Lindenbaum (verffentlicht 1824)

Am Brunnen vor dem ToreDa steht ein Lindenbaum:Ich trumt in seinem SchattenSo manchen sen Traum.

Ich schnitt in seine RindeSo manches liebe Wort;Es zog in Freud und LeideZu ihm mich immerfort.

Ich mut auch heute wandernVorbei in tiefer Nacht,Da hab ich noch im DunkelDie Augen zugemacht.

Und seine Zweige rauschten,Als riefen sie mir zu:Komm her zu mir, Geselle,Hier findst du deine Ruh!

Die kalten Winde bliesenMir grad ins Angesicht,Der Hut flog mir vom Kopfe,Ich wendete mich nicht.

Nun bin ich manche StundeEntfernt von jenem Ort,Und immer hr ich's rauschen:Du fndest Ruhe dort!

Quelle: 50 Gedichte der Romantik. Ausg. von Dietrich Bode. Stuttgart 2001 (RUB. 18108), S. 65.

Aufgaben:

[Die Aufgaben erfolgen zu einem spteren Zeitpunkt.]

5. Joseph von Eichendorff

Geboren am 10.3.1788 auf Schlo Lubowitz bei Ratibor/Oberschlesien; gestorben am 26.11.1857 Neisse/Schlesien

Eichendorff entstammte einer katholischen Adelsfamilie. Nach dem Besuch des kath. Gymnasiums in Breslau 1801-1804 begann er ein Jurastudium in Halle 1805/06, das er 1807/08 in Heidelberg fortsetzte. 1808 unternahm er eine Bildungsreise nach Paris und Wien, von wo aus er 1810 nach Lubowitz zurckkehrte und dort den Vater bei der Verwaltung der Gter untersttzte. Den Winter 1809/10 verbrachte er in Berlin, besuchte Vorlesungen bei Fichte und kam mit Arnim, Brentano und Kleist zusammen. In Wien setzte er 1810 das Studium fort und schloss es 1812 ab. 1813-1815 nahm er an den Befreiungskriegen teil. 1816 trat er in den preuischen Staatsdienst als Referendar in Breslau., wurde 1821 katholischer Kirchen- und Schulrat in Danzig, 1824 Oberprsidialrat in Knigsberg. 1831 bersiedelte er mit der Familie nach Berlin und war dort in verschiedenen Ministerien beschftigt, bis er 1841 zum Geheimen Regierungsrat ernannt wurde; 1844 ging er in Pension.

Mondnacht (verffentlicht 1837)

Es war, als htt der HimmelDie Erde still geksst,Dass sie im Blten-SchimmerVon ihm nun trumen msst.

Die Luft ging durch die Felder,Die hren wogten sacht,Es rauschten leis die Wlder,So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannteWeit ihre Flgel aus,Flog durch die stillen Lande,Als flge sie nach Haus.

Quelle: 50 Gedichte der Romantik. Ausg. von Dietrich Bode. Stuttgart 2001 (RUB. 18108), S. 58.

Aufgaben:

1. Suchen Sie im Internet nach einem zeitgenssischen Bild (Entstehungszeit also zwischen rd. 1790 und 1850), mit dem Sie das Gedicht Eichendorffs illustrieren wrden. Informieren Sie sich in diesem Zusammenhang zugleich ber den Knstler.

Bereiten Sie Ihre Recherche so auf, dass Sie in der Lage sind, sie dem Kurs zu prsentieren.

2. Analysieren Sie nun den Text insbesondere nach folgenden Aspekten:

Strophenaufbau, inhaltliche Gliederung

Verwendung von Modi und Tempora

Reimschema (Beachten Sie die unreinen Reime!)

Position und Situation des lyrischen Ich

Bedeutung einzelner Motive