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Dr. Gotthard Pietsch Grundverständnisse der Organisation Organisation setzt implizit die Existenz einer Ordnung voraus, die zielgerichtete Regeln zur Steuerung arbeitsteilig zu erbringender Aufgaben umfasst. Organisationen als korporative bzw. kollektive Akteure im Gegensatz zu individuellen Akteuren. Fiktion der „Einheit“ multipersonaler Handlungssysteme Funktionaler vs. institutioneller Organisationsbegriff Begriffe der Organisation Organisationen als arbeitsteilige Systeme müssen das Spannungsfeld der Differenzierung und Integration bewältigen.

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Dr. Gotthard Pietsch

Grundverständnisse der Organisation

Organisation setzt implizit die Existenz einer Ordnung voraus, die zielgerichtete Regeln zur Steuerung arbeitsteilig zu erbringender Aufgaben umfasst.

Organisationen als korporative bzw. kollektive Akteure im Gegensatz zu individuellen Akteuren.

Fiktion der „Einheit“ multipersonaler Handlungssysteme

Funktionaler vs. institutioneller Organisationsbegriff

Begriffe der Organisation

Organisationen als arbeitsteilige Systeme müssen das Spannungsfeld der Differenzierung und Integration bewältigen.

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Management-funktionen

Sachfunktionen

Einkauf Produktion Verkauf

Planung

Organisation

Personal-führungKontrolle/Controlling

Der funktionale Organisationsbegriff I

Begriffe der Organisation

Klassisches Managementverständnis bei Fayol und der Management Process School (Koontz/O´Donnell) :• Managementfunktionen: Planning, organizing, staffing, directing,

controlling• Managementfunktionen als Querschnittsfunktionen• strenge Prozessfolge mit dem Primat der Planung

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Der funktionale Organisationsbegriff II

Organisation als Managementfunktion, neben der Planung, der Personalführung und der Kontrolle/Controlling

Begriffe der Organisation

Organisation als Tätigkeit des „Organisierens“, als „rationales“Entwerfen eines Ordnungsrahmens.

Im Vordergrund steht die organisatorische Gestaltung mit dem Ziel der Rationalisierung von Arbeitsabläufen und der Sicherungorganisatorischer Effizienz/Effektivität.

Primat der Planung = Organisation als Vollzug der Planung(Gutenberg)

zunächst vorherrschender Organisationsbegriff bis in die 1970erJahre

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Grenzen des funktionalen Organisationsbegriffs III

Relativ enge Perspektive – Organisation als rationales Gestaltungsproblem

Begriffe der Organisation

mechanistisches Bild des Managements: organisatorische Regeln werden wie geplant umgesetzt.→ Abweichungen von formalen organisatorischen Regeln können

nicht erklärt werden.→ funktionale Organisationsbegriff kann den weit reichenden

Gestaltungsanspruch nur begrenzt erfüllen.

Funktionale Organisationsbegriff heute in der Organisations-forschung von geringerer Bedeutung

Strukturbildung als isolierte Entscheidung eines organisationalen Architekten (Rational-Aktor-Modell)

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Organisationen als soziale Gebilde bzw. als „Institution“, wie z.B. Unternehmen, Behörden, Kirchen, Gewerkschaften, Vereine

Begriffe der Organisation

Der institutionelle Organisationsbegriff

Perspektivenerweiterung• Betrachtung von sozial-technischen Gesamtzusammenhängen• Strukturbildung als rationaler Entwurf und emergentes Phänomen• Zwecke und Widersprüche, Funktionen und Dysfunktionen,

formale und informale Regeln können analysiert werden.

Zentrale Merkmale:• Orientierung an spezifischen Organisationszwecken• Arbeitsteilung zwischen zweckgerichteten Aktivitäten/Aufgaben

(„Organisationsstrukturen“)• Charakter der „sozialen Institution“• weitgehend stabile Grenzen zur Umwelt (Mitgliedschaftsregel)

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Organisationen basieren auf zweckgerichteten Regelstrukturen, die als Verhaltenserwartungen handlungssteuernd wirksam werden.

Organisationen als offene Regelsysteme

Organisationen als offene Regelsysteme

Als offene Systeme stehen Organisationen unter dem Einflussfremder Regeln, z.B. der Branche, der Berufsgruppe.• durch direkte Interaktion mit Umweltsystemen

(Kooperationen)• durch indirekte Einflussnahmen

(Ausbildungsgänge, Professionen)

Regelstrukturen begründen Entindividualisierung von Verhalten;Aber: es bleiben immer Handlungsspielräume.Organisationen als Zusammenspiel formaler und informaler Regeln.

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z.B. Unternehmen, internationale Organisationen, öffentliche Verwaltungen, Universitäten, gemeinnützige Vereine

Formale Organisationen

Formale Organisationen

Inklusion/Exklusion von Personen über Mitgliedschaft/Nichtmit-gliedschaft

Das Regelsystem expliziert eine klar – ggf. hierarchisch –gegliederte Organisationsstruktur und die personale Zuweisungvon Aufgaben sowie korrespondierende Kompetenzen.→ bürokratischer Verwaltungsstab

Formale Organisationen basieren auf einem zumindest partiellschriftlich fixierten Regelsystem → explizit formuliertes Regel-system

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Typen formaler Organisationen in modernen Gesellschaften (Meso-Ebene)Unternehmen = • erwerbswirtschaftlich ausgerichtet (Formalzieldominanz) • weit reichende wirtschaftliche Autonomie• Prinzip des finanziellen GleichgewichtsNon-Profit-Organisationen =• nicht erwerbswirtschaftlich ausgerichtet (Sachzieldominanz)• in privater Trägerschaft auf spezifische Zwecke gerichtet

Öffentliche Verwaltung =• nicht erwerbswirtschaftlich ausgerichtet (Sachzieldominanz)• Erfüllung öffentlicher Aufgaben• Teil der vollziehenden Gewalt des Staates (Exekutive)• Administratives Handeln gebunden an Recht und Gesetz• Einflussnahme politischer Institutionen

Formale Organisationen

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Die moderne „Organisationsgesellschaft“

Moderne Gesellschaft als Organisationsgesellschaft: Organisationen durchdringen alle Teilbereiche und Lebenswelten der Menschen.

Perrow: Organisationen als „Surrogat für Gesellschaft“• wachsende Bürokratisierung• wachsende Abhängigkeit der Individuen• „Partialisierung“ menschlicher Persönlichkeit

Organisationen als Vermittler zwischen den Funktionssystemenmoderner Gesellschaft

Organisationsgesellschaft

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Theorien der Organisation

Organisationstheorie als kritische Reflexion der Organisationspraxis:Wie wird Organisationspraxis betrieben? – Erklären/VerstehenWie soll Organisationspraxis betrieben werden? – Gestaltung

Vielzahl der Theorien und Perspektiven→ Fehlen einer Supertheorie, jede Theorie kann nur Teilaspekte

analysieren→ „Inkommensurablitätsproblem“ – Multiparadigmenanalyse?

Theorien der Organisation

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Zentrale Analyseperspektiven

Methodologischer Individualismus

Methodologischer Kollektivismus

Strukturdualistische Konzeption

Theorien der Organisation

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Zentrale Strömungen moderner Organisationstheorie

Ökonomische Organisationstheorie

Situativer Ansatz der Organisationstheorie

verhaltenswissenschaftliche Organisationstheorie

soziologisch inspirierte Organisationstheorie

Evolutionäre Organisationstheorie

Postmoderne Organisationstheorie

Theorien der Organisation

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Organisationen als multipersonale HandlungssystemeOrganisationen basieren auf der Interaktion einer Vielzahl von Personen/Aufgabenträgern → kein monolithisches Handlungsgefüge, sondern komplexer sozialer

Verbund→ Fehlen einer „omnipotenten“ Zentrale→ organisationale anders als individuelle Entscheidungen

Organisationen weisen hohe Eigenkomplexität und innere Dynamik auf.

Organisationen basieren nicht auf einer widerspruchsfreien Ordnung.

Organisationale Phänomene und Entscheidungen haben oft einen emergenten Charakter.

Organisationen aus mikropolitischer Perspektive

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Organisationen aus mikropolitischer PerspektiveIn Organisationen als multipersonale Systemen treffen interne und externe Beteiligte mit unterschiedlichen Interessen aufeinander.→ Ziel- und Verteilungskonflikte um knappe Ressourcen

Organisationen als Netz von Akteursinteressen und wechselndenKoalitionen.

Begriff Mikropolitik bzw. „micropolitics“ (Tom Burns 1961)→ Als Gegensatz zur organisationalen „Makropolitik“ (= Unternehmens-

politik)→ „Politik im Kleinen“ bzw. „organisationale Innenpolitik“→ großteils „unterschwellig“ (Neuberger 1995)

Etablierung mikropolitischer Arenen, in denen interessegeleitethandelnde Akteure/Koalitionen Konflikte austragen.→ Aushandlung temporärer Problemlösungen

Organisationen aus mikropolitischer Perspektive

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Mikropolitik und MachtZiel mikropolitischer Akteure: Beeinflussung der Asymmetrie der Durchsetzungschancen zu eigenen Gunsten→ im Mittelpunkt steht das Machtphänomen→ Macht als generalisierbare Ressource zur Interessendurchsetzung

Macht = „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eige-nen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“ (Max Weber).

mikropolitische Prozesse lösen sich partiell von den Formalstrukturen→ „Eigensinn der Subjekte“→ informelle Sinnzusammenhänge und Beziehungsstrukturen

organisationale Entscheidungen unter dem Einfluss von Interessen-koalitionenaber: Mikropolitik nicht generell dysfunktional

Organisationen aus mikropolitischer Perspektive

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Elemente mikropolitischer Prozesse (Schreyögg 1984)

Macht: s.o.

konfliktäre Ressourcenansprüche

Legitimität

Entscheidungs-/Handlungsspielräume

Organisationen aus mikropolitischer Perspektive

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Aspektuales Verständnis der Mikropolitik

Personifizierung von Mikropolitik – Persönlichkeiten mit macchiavellistischen Zügen→ Typus des „Mikropolitikers“

Isolierung mikropolitischen Verhaltens; relativ eindeutige Abgrenzung

Mikropolitik als weitestgehend dysfunktionaler Sonderfall bzw.temporäre Erscheinung

Mikropolitik grundsätzlich negativ besetzt → illegitimer Störfall

Organisationen aus mikropolitischer Perspektive

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Konzeptuales Verständnis der Mikropolitik

gegenüber dem aspektualen Verständnis generalisierte Perspektive→ jedes organisationale Handeln erfolgt interessegeleitet

Mikropolitik ist allgegenwärtig und kein Randaspekt→ sowohl funktional als auch dysfunktional

Jeder Akteur in Organisationen ist auch „Mikropolitiker“.

Analyse von Organisationen im Hinblick auf • Interessen-/Machtstrukturen• Strategien beteiligter Akteure/Koalitionen

konzeptuale Verständnis derzeit weit verbreitet

Organisationen aus mikropolitischer Perspektive

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Mikropolitische Ansätze

• Analyse mikropolitischer Akteure („Mikropolitiker“) und Taktiken(z. B. Bosetzky)

• Analyse mikropolitischer Entscheidungsprozesse(z.B. Mintzberg)

• strategische Organisationsanalyse(Crozier/Friedberg)

• strukturationstheoretische mikropolitische Organisationsanalyse(Ortmann; Küpper/Felsch)

Organisationen aus mikropolitischer Perspektive

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Typus des Mikropolitikers und seine Taktiken(Horst Bosetzky)

mikropolitische Analyse zunächst organisationspsychologischbeeinflusst → mikropolitische Akteur und seine Taktiken

Annahme: Nur ein geringer Teil der Mitarbeiter betreibt aktivMikropolitik.

Spezifische Persönlichkeitsstrukturen agieren primär im Hinblick auf Interessendurchsetzung und Machtvermehrung.→ „Bemühung, die systemeigenen Ressourcen zur Erreichung persön-

licher Ziele, insbesondere des Aufstiegs im System selbst und in anderen Systemen, zu verwenden“ (Bosetzky 1972)

⇒ Analyse des Mikropolitiker-Typus

Organisationen aus mikropolitischer Perspektive

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Merkmale des „typischen“ Mikropolitikers

„Typus“ = reines Muster bzw. idealtypische Konstruktion, nicht konkrete Person

extremes Machtmotiv (mit vielfach kompensatorischem Charakter;McClelland 1978)

Instrumentalisierung von Arbeitsprozessen und Menschen zu eigenen Zwecken

gezielte Aneignung von Informationen und einer „konspirativenAutorität“

Neigung zu macchiavellistischen Verhaltensweisen

⇒These: Dilemmastruktur der mikropolitischen Persönlichkeit

Organisationen aus mikropolitischer Perspektive

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Mikropolitische Taktiken (Neuberger 1995)

Zwang/Nachdruck (Strafe, Sanktionsandrohung etc.)

Belohnen, Vorteile verschaffen („Don-Corleone-Prinzip“)

Einschalten höherer Autoritäten (legitime Macht, Beziehungsmacht)

Rationalisierendes Argumentieren

Koalitionsbildung („Hausmacht“)

Idealisierung, Ideologisierung

Organisationen aus mikropolitischer Perspektive

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Phasen des politischen Entscheidungsprozesses(Narayanan/Fahey)

Aktivierungsphase („activation“)

Koalitionsphase („coalescence“)

Mobilisierungsphase („mobilization“)

Auseinandersetzungsphase („encounter“)

Entscheidungsphase („decision“)

⇒ Trennung zwischen organisationen Entscheidungen und ihrer Umsetzung nicht strikt durchzuhalten

Organisationen aus mikropolitischer Perspektive

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Stategische Organisationsanalyse(Crozier/Friedberg)

Mikropolitik als die gesamte Organisation durchdringendes Alltagsphänomen: Handeln in Organisationen als generell mikro-politisch geprägt.

In mikropolitischen Arenen entwickeln Akteure gezielt Verhaltens-strategien.

Die Strategien der Individuen/Koalitionen werden durch die organisatorischen (Spiel-)Strukturen integriert.

Strategien und Spielstrukturen sind weitgehend durch die Machtverteilung geprägt.

⇒ drei zentrale Konzepte: Strategie, Macht und Spiel

Organisationen aus mikropolitischer Perspektive

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Mikropolitische Strategien

Individuen in Organisationen handeln weitgehend eigennützig und autonom.

Handeln nicht vollständig durch den organisatorischen Kontext determiniert → Autonomiezonen

Akteure wählen Strategien subjektiv bzw. beschränkt rational.

Strategien keine im Voraus geplanten, vollständigen Handlungsprogramme→ flexible, interessengeleitete und kontextbezogene Handlungs-

muster→ lassen sich ex post rekonstruieren

offensive vs. defensive Strategien

Organisationen aus mikropolitischer Perspektive

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Macht in der strategischen OrganisationsanalyseAnnahme: Macht durchdringt alle sozialen Beziehungen→ Keine Person ist völlig machtlos.Macht als Voraussetzung für Autonomiezonen der Akteure

Macht als Kontrolle von „Ungewissheitszonen“ (Crozier/Friedberg)

Ungewissheitszonen⇒ immer akteurs- bzw. koalitionsbezogen⇒ müssen bewusst wahrgenommen werden

vier Quellen von Macht und Ungewissheit:⇒ Expertentum⇒ Umweltschnittstellen⇒ Kontrolle von Informations- und Kommunikationskanälen⇒ Nutzung organisatorischer Regelnzudem: Macht als Unberechenbarkeit

Organisationen aus mikropolitischer Perspektive

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kein Zerfall der Organisation solange Interesse am Fortbestand des Spiels

Mikropolitische SpieleMikropolitik als Anhäufung/Nutzung von Macht im Kontext strate-gischer Interdependenz

Organisationen als ineinander verzahnte mikropolitische Spiele

Spielbegriff als „Metapher“ für den Rahmen formeller und informeller Regeln• Spiel im Sinne von „game“ und nicht „play“• Wahrnehmung als Nullsummenspiele (Ressourcenkonflikte)

Spiele im Spannungsfeld von Freiheit und Zwang

Macht als Reduktion von Unsicherheit über Spielergebnis und Strategien.

Organisationen aus mikropolitischer Perspektive

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Wie ist der zeitliche Verlauf der Spielsituationen?

Strategische Organisationsanalyse - Grundfragen

Wer sind die Spieler?

Was sind die Bestimmungsgründe bzw. Interessen der Spieler?

In welcher relativen Machtposition stehen die Spieler zueinander?

Welche Koalitionen bieten sich für die Spieler an bzw. welche haben sie gewählt?

Welche Strategien und Taktiken wenden die Spieler an?

Organisationen aus mikropolitischer Perspektive

Welche Spielregeln müssen die Spieler beachten?

Lassen sich konkrete Spielergebnisse feststellen?

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Der Ansatz der organisierten Anarchie

organisationale Entscheidungen als Produkt von Prozessen einer eigenen organisatorischen Dynamik (nicht als Ergebnis rationalerKalküle)→ Entscheidungen werden ex post als rational rekonstruiert

Organisation und Individuen agieren auf der Basis einer Vielzahlvon inkonsistenten und vage definierten Präferenzen.

Ergebnisse von Entscheidungen als Produkt eines komplexen Geflechts vielfach ineinander verzahnter Prozesse/Einwirkungen→ Entscheidungen als Ergebnis von Zufällen

Organisierte Anarchie

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Das Mülleimermodell (Cohen/March/Olsen)

„garbage can decision process“: als zufälliges Zusammenfließeneinwirkender Ströme in der Organisation• Strom von Problemen• Strom von Lösungen• Strom von Teilnehmern• Strom von Entscheidungsarenen

Organisationale Entscheidungen als Sammelbecken („Mülleimer“), in das unsystematisch Elemente hineingeworfen werden

Organisationsstruktur kanalisiert das Zusammentreffen der Ströme,Aber: es entstehen emergente Prozesse („organisierte Anarchie“)

Organisierte Anarchie

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Mülleimermodell und Entscheidungsfindung

1.3/1

Trennung von Problemen und Entscheidungen! Entschlüsse durch: 1. Übersehen, 2. Abwanderung, 3. ProblemlösungAber: wie erbringen dann Organisationen zuverlässige Leistungen?

Teilnehmer

Lösungen

Probleme

Entscheidungs-arenen

Organisierte Anarchie

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Anwendungsbereich des Mülleimermodells

Mülleimermodell oder das Konzept der organisierten Anarchieauf komplexe, schlecht-strukturierte, mehrdeutige Entscheidungen beschränkt

Entscheidung/Planung in Organisationen primär als rückwärtsgewandter Prozess der Interpretation und Legitimation,keine zukunftsgerichtet-langfristige Bildung von Leitlinien für zukünftiges Handeln

Organisierte Anarchie

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Basisannahmen ökonomischer Theorien

Zunächst klassische Trennung zwischen neoklassischer (Mikro-)Ökonomik und Organisationstheorie

Ökonomische Theorien der Organisation

Institutionenökonomik verdeutlicht überschneidende Erkenntnis-interessen zwischen Organisationstheorie und Ökonomie

Basisannahmen der Neoklassik:• Utilitarismus und Optimierungsmodell („maximizing animal)• Fokussierung auf die Analyse von Gleichgewichten• Friktionslose Welt bei vollständiger Information

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Modifikation der Institutionenökonomik

Öffnung der ökonomischen Forschung für die Analyse institutioneller bzw. organisationaler Regelstrukturen

Ökonomische Theorien der Organisation

Veränderung neoklassischer Annahmen• unvollständige und ungleich verteilte Informationen• Welt mit Friktionen (insb. Raum- und Zeitdifferenzen)• begrenzte Rationalität der Akteure

Zentrale Forschungsrichtungen• Theorie der Verfügungsrechte• Transaktionskostentheorie• Prinzipal-Agenten-Theorie

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Opportunismus in der Institutionenökonomik

„Worst-Case-Szenario“ opportunistischer Verhaltenssteuerung

Verfolgung des Eigeninteresses unter Zuhilfenahme von List,Täuschung, Lüge, Betrug, Diebstahl etc. (Williamson)

motivationale Grundlagen des Opportunismus:• strenges Eigennutzprinzip: „gegenseitig desinteressierte

Vernünftigkeit“ (Rawls)• extrinsische Motivation: Handlung ohne Selbstzweck

Opportunismus als Gefährdung und Triebkraft der Institutionen

Ökonomische Theorien der Organisation

→ Opportunismus als „extreme Karikatur“ bzw. „extreme Stilisierung“ menschlichen Verhaltens

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Ökonomische Theorien der Organisation

Spektrum menschlicher Handlungspotenziale

Opportunismus

Nutzeninterdependenzen

Altruismus

Mot

ivat

ions

mix

Idealismus

gering hochex

tr.in

tr.

ethischer Idealismus

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Die Theorie sozialer Systeme(Niklas Luhmann)

Grundlagen:Systeme als Einheit von Elementen und Strukturen.

Die Elemente von sozialen Systemen stellen Kommunikationen dar.

Die Strukturen von sozialen Systemen basieren vor allem auf „Sinn“.

Soziale Systeme reproduzieren sich autopoietisch über den laufenden Kommunikationsprozess und grenzen sich dabei von derUmwelt ab.

Als grundlegende Typen sozialer Systeme werden Gesellschaft, Organisationen und Interaktionen unterschieden.

Die Theorie sozialer Systeme

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Typen sozialer Systeme

• flüchtige Interaktionssysteme

• organisierte Interaktionssysteme

• formale Organisation

• Funktionssysteme

• (Welt-)Gesellschaft

Die Theorie sozialer Systeme

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Unternehmen aus der Perspektive der Systemtheorie(Theorie sozialer Systeme nach Niklas Luhmann)

Unternehmen stellen formale Organisationssysteme dar. Sie basierenauf Kommunikationen und reproduzieren sich über Entscheidungen.

Unternehmen agieren im Kontext der „Gesellschaft“.

Funktionssysteme agieren auf der Grundlage eigener Regeln, Kommunikationsmedien.

Moderne Gesellschaften sind funktional differenziert, d.h. in Funktionssysteme (z.B. Wirtschaft, Politik, Recht, Wissenschaft)aufgespalten.

Unternehmen agieren primär im Funktionssystem Wirtschaft.

Die Theorie sozialer Systeme

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Funktionssystem Wirtschaft

Zentrales Kommunikationsmedium: „Geld“

Code: Zahlen bzw. Nichtzahlen; „Kosten“ und „Erlöse“

Eingeschränkte „Resonanzfähigkeit“ der Kommunikationsprozesse:→ primär nur lösbare Probleme werden bearbeitet.→ lösbare bzw. unlösbare Probleme werden über Preise bestimmt

Differenzierung in lösbare und unlösbare Probleme:lösbar = rentabel finanzierbarunlösbar = unrentabel finanzierbar

These: Unlösbare Probleme müssen in das Kommunikationsmediumübersetzt werden.→ z.B. politische Intervention: „ökologische Steuerreform“

Die Theorie sozialer Systeme

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Perspektiven und DCF-Methoden

Die Theorie sozialer Systeme

DCF-Methoden

Input-Informationen(z. B. Cash-Flow-Prognose und

Kapitalkosten)

Output-Informationen(z. B. Shareholder Value)

PerspektivenorientierteReflexion

qualitative Basisannahmen zurstrategischen Entwicklung des Unternehmens

Übersetzung

Diskussion des Shareholder Valuevor dem Hintergrund der Basisannahmen

„wertorientierteSprache“

Übersetzung

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Der soziologische Neoinstitutionalismuseine der führenden Organisationstheorien in den USA,zunehmende Verbreitung auch in Deutschland

Grundfrage:Wie können die Strukturen formaler Organisationen unter Rückgriff auf Einflüsse der sozialen Umwelt erklärt werden?

Basisannahme:Organisationen sind vor allem darauf ausgerichtet ihre Existenz zu sichern.

Wichtige Vertreter: John Meyer, Brian Rowan, Paul DiMaggio, Walter W. Powell, Lynn G. Zucker

Der soziologische Neoinstitutionalismus

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Basismodell und institutionelle Regeln

Basismodell:

Institutionelle Regeln der gesellschaftlichen Umwelt prägen die formalen Strukturen von Organisationen.→ nicht nur der Wettbewerb, sondern vor allem gesellschaftliche

Regeln beeinflussen Unternehmen

Umwelt → Organisationsstruktur → Überleben

Institutionen/institutionelle Regeln • sind kollektiv bzw. sozial konstruierte Erwartungsstrukturen • Individuellen Akteuren erscheinen sie vielfach als etwas „Äußeres“,

objektiv Gegebenes• sind originär eigenständige soziale Phänomene und haben den

Charakter unabhängiger Variablen• „Schablonen des Organisierens“ bzw. Skripte für das Handeln

Der soziologische Neoinstitutionalismus

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Institutionalisierung

Institutionalisierung als Prozess= Vorgang der Verfestigung sozialen Handelns zu selbstverständlich

geltenden Verhaltensmustern

Institutionalisierung als Zustand= Grad, durch den soziale Situationen durch sozial konstruierte Regeln

vorstrukturiert sind

Institutionalisierung bewirkt die Reduktion eines reflektierten und intentional gesteuerten Handelns.→ schafft soziale „Selbstverständlichkeiten“

Der soziologische Neoinstitutionalismus

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Unternehmen und institutionelle Umwelt

Differenzierung technischer und symbolischer Kontext→ nur analytisch trennbar

Unternehmen sind nicht rein technisch-rationale Werkzeuge zur Erfüllung ihres Organisationszwecks (z.B. Gewinnerzielung).→ Ausdruck jeweils relevanter gesellschaftlicher Regeln/Erwartungen

Der technische Kontext• materielle Produktions- und Austauschprozesse• messbarer Output• Effizienzanforderungen

Der symbolische Kontext• Sinnstrukturen, Interpretationsmuster, Wahrnehmungsprozesse• Konformitätsanforderungen

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Rationalität und Effizienz im Neoinstitutionalismus

These: Organisationen kopieren Rationalitätsmythen aus dem symbolischen Kontext zur Sicherung von Legitimität und Ressourcenzufluss (Meyer/Rowan)

Skepsis des soz. Neoinstitutionalismus gegenüber der Wirksamkeitvon Rationalitätsparadigmen in Organisationen→ Einflüsse des symbolischen Kontextes

Effizienzanforderungen mitunter nachrangig:„Efficient performance is only one – and not necessarily the most important – determinant of organizational survival“ (DiMaggio 1989).

Ressourcenakquisition trotz dauerhafter wirtschaftlicher Verluste„permanently failing organizations“ (Meyer/Zucker 1989)

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Rationalitätsmythen

Rationalitätsmythen postulieren regelhaften Zusammenhang zwischensozial konstruierten Zielen/Werten und Mitteln.→ basieren auf einem weithin geteilten „Glauben“

= gesellschaftliche Vorstellungen zur Rationalität

Merkmale von Rationalitätsmythen:• Referenz auf weit verbreitete Normensysteme• Charakter der Selbstverständlichkeit → keine offen kritische Reflexion• Allgemeingültiger Geltungsanspruch ohne situative Relativierung• Evaluation begrenzt auf symbolische Kontexte

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Organisationen auf der Suche nach Legitimität

Organisationen kopieren institutionelle Regeln und ggf. Rationalitäts-mythen aus der gesellschaftlichen Umwelt.

Institutionelle Regeln der Umwelt prägen vor allem die formalen Strukturen in Organisationen.→ Formale Strukturen demonstrieren Konformität mit sozialen

Erwartungen→ Formale Strukturen sichern organisationale Legitimität.

Legitimität von zentraler Bedeutung für das Überleben der Organisation → Gesamteindruck entscheidend!

Ggf. Entkopplung von Formal- und Aktivitätsstruktur („decoupling“)→ Aufbau von Legitimitätsfassaden

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Isomorphismen in organisatorischen Feldern

Isomorphismus = Homogenisierung formaler Organisationsstrukturen ggf. auch über

unterschiedliche Gesellschaftsbereiche hinweg

„Isomorphism is a constraining process that forces one unit in a population to resemble other units that face the same set of environmental conditions“(DiMaggio/Powell 1991, 66).

Ausrichtung auf institutionelle Regeln/Rationalitätsmythen in „organisationalen Feldern“.Organisationales Feld = Teilbereich der für die Organisation besonders relevanten Umwelt,

insb. Gruppen von eng verbundenen Organisationen

Der soziologische Neoinstitutionalismus

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Dr. Gotthard Pietsch

Mechanismen der Isomorphie

1. Zwang („coercive isomorphism“)= normativ-kulturelle Erwartungen der Gesellschaft; Erwartungen

anderer Organisationen/Institutionen;insb. Gesetzgebung/Rechtsvorschriften des Staates

2. Imitation („mimetic isomorphism“)= Kopieren von Modellen, die als erfolgreich und legitim gelten

(insb. bei hoher Unsicherheit)

3. Normativer Druck („normative isomorphism“)= insb. als Folge der Professionalisierung von Aufgaben

Vorgaben durch spezialisierte Experten/Professionals mit berufsgruppenspezifischer SozialisationProfessionalisierung des ManagementsVereinheitlichung von Personalauswahl-Kriterien

Der soziologische Neoinstitutionalismus

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Kritische Würdigung

Viele neue Impulse, aber noch keine geschlossene Theorie

entwickelt Basis für eine differenziertere Organisation-Umwelt-Analyse

grundlegende Begriffe unscharf und mitunter inhaltliche Widersprüche

hohes „Kritikpotenzial“ gegenüber rationalistisch-technizistischen Argumentationen; aber Kritik am Rationalitätsparadigma einseitig

organisationaler Wandel nur begrenzt erklärbar

Der soziologische Neoinstitutionalismus

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Shareholder-Ansatz

Shareholder-Ansatz und Gewinnprinzip

• kapitalmarktorientiertes Unternehmensverständnis→ monistische Zielkonzeption: Primat finanzieller Eigentümer-

interessen gegenüber anderen Anspruchsgruppen(Primat des Eigentums)

→ Steigerung des Residualeinkommens der Eigentümer(Eigentümer als Träger des primären Geschäftsrisikos)

• aber: mittelbare Relevanz anderer Anspruchsgruppen im Shareholder-Value-Kalkül→ pragmatisches Klugheitsargument/instrumentalistische Position

• Shareholder-Value-Bewertungskalkül: Eigentümer-/Unterneh-menswertsteigerung (Rappaport)Eigenkapitalkosten relativ eindeutiger Vergleichsmaßstab

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Shareholder-Ansatz

Shareholder-Ansatz und Gewinnprinzip

Führungs-/Organisationskonzept einer MaschineUnternehmen sind ähnlich einer Maschine einem bewusst vorgefassten Plan gemäß zu gestalten→ Konzept unrealistisch: Ungeeignet zur langfristigen

Erfolgserzielung→ „Erfolgsparadoxon“→ reiner Shareholder-Ansatz auch für Shareholder auf Dauer nicht

vorteilhaft

Hoffnung auf eine „Entpolitisierung“ der Entscheidungsprozessedurch die monistische Zielkonzeption – Vereinfachung der Willensbildung

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Shareholder-Ansatz

Shareholder-Ansatz und Gewinnprinzip

Wandel der Eigentümer-Struktur• finanziell orientierte gewinnen gegenüber strategischen Aktionären

an Bedeutung• gestiegener Investorendruck im Hinblick auf EK-Verzinsung

Verbreitung in den 1990er Jahren, deutsche Coporate-Governance-System traditionell eher Stakeholder-System

Shareholder-Value-Konzepte als Schutz vor feindlichen Übernahmen

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Shareholder-Ansatz

Shareholder-Ansatz und Gewinnprinzip

gesellschaftspolitische Kritik: • Shareholder-Ansatz berücksichtige die Interessen anderer Stake-

holder (insb. der Arbeitnehmer) sowie die soziale Verantwortung von Unternehmen nicht hinreichend.

• lediglich mittelbare/sekundäre Berücksichtigung anderer Gruppen(praktisch relevant insb. bei Zielkonflikten)

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Interpretationen der Gewinnorientierung(Ulrich 1995)

methodischerStatus

Ebene

empirischeThese

normativesPostulat

personaleHandlungs-orientierung

systemischerFunktions-mechanismus

Motiv:subjektivesGewinnstreben

sittliche Pflicht:Unternehmerethos

Sachzwang:objektivesGewinnerfordernis

ordnungspolitischeSpielregel:Gewinnprinzip

Interpretationen der Gewinnorientierung

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Motiv: subjektives Gewinnstreben

• empirisch-analytische Hypothese über die (faktischen) Motive von Unternehmern bzw. Managern („Tatsachenprämisse“)

• Gewinnorientierung als dominantes Motiv oder Element einer vielschichtigen Motivlage von Unternehmern/Managern

• ggf. pragmatisches Motivationsproblem → „moralpsychologische Motivationslücke“→ Suche nach pragmatischen Klugheitsargumenten

(instrumentalistische Position)→ funktionale Minimalmoral: „soziale Verantwortung“ als Mittel

z.B. der langfristigen Erhaltung von Erfolgspotenzialen

Interpretationen der Gewinnorientierung

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Gewinnorientierung als sittliche Pflicht(Unternehmerethos)• als berufs- bzw. rollenspezifisches Moralbewusstsein:

Gewinnstreben = sittliche Pflicht

• als konventionelle, identitätsbildende Tugend des Unternehmers/Managers

• erweiterte Harmoniethese: Identität von Gewinnstreben und Moral

• „Es ist sittliche Pflicht des Unternehmers (…) das Unternehmen fit zu halten, auch etwa für einzelne Mitarbeiter schmerzliche Maßnahmen durchzuführen.“ (G. Habermann)

• Konvention: erste sittliche Pflicht des Gewinnstrebens im Rahmen allgemeiner moralischer und gesetzlicher Regeln

Interpretationen der Gewinnorientierung

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Gewinnorientierung als ordnungspolitische Spielregel

• Gewinnorientierung als Spielregel der Marktwirtschaft und funktional-ordnungspolitisches Steuerungsinstrument

• als ethisch-politisch bewusst gewollte Aufforderung zur Gewinnerzielung

• Begründung mit der Wirksamkeit der „invisible hand“ und der Effizienz von Marktlösungen

• aber: Möglichkeit von MarktversagenSpezifikation der „Marktwirtschaft“

Interpretationen der Gewinnorientierung

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Gewinnorientierung als Sachzwang

• Gewinnorientierung ist faktische Bedingung der Selbst-behauptung der Unternehmen am Markt

• Basis: empirisch-analytische Hypothese über die Selektions-mechanismen des Wettbewerbs (relativ unumstrittene Tatsachenprämisse)

• Varianten hinsichtlich der Stringenz des ZwangsDeterminismus: objektive Sachlogik lässt keinen FreiraumKontingenz: es bestehen situative Freiräume für ethische Entscheidungen

• aber: fundamentale liberal-humanistische Einwand„permanently failing organizations“ (Meyer/Zucker)Interdependenz von Zwecken und Restriktionen (Ulrich)

Interpretationen der Gewinnorientierung

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Gewinnmaximierung als Modellprämisse• Verhaltensannahme mikroökonomischer Gleichgewichtstheorie:

gewinnmaximierende Unternehmen, nutzenmaximierende Konsumenten – Wirkung der „invisible hand“

• Basismodell der vollständigen Konkurrenz→ p = GK = DKmin (partiales Marktgleichgewicht)→ im totalen Marktgleichgewicht maximale gesellschaftliche

Wohlfahrt (unter Zuhilfenahme eines Auktionators)

• das totale Konkurrenzgleichgewicht als „Schlafmützenkonkurrenz“→ Pionierunternehmer oder ein kreatives Management sind

unnötig.

Gewinnmaximierung als Modellprämisse

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Gewinnmaximierung als TatsachenprämisseMaximieren Unternehmen ihre Gewinne?

• Entscheidungen erfolgen im Kontext von hoher Ungewissheit

• Unternehmen als multipersonale Handlungssysteme

Gewinnmaximierung als Tatsachenprämisse

• Manager- kontra Eigentümerziele

• Eigentümerziele jenseits rein finanzieller Interessen

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Stakeholder-Ansatz• Unternehmen als „quasi-öffentliche Institutionen“ (Ulrich/Fluri), als

gesellschaftliches Handlungsfeld. („pluralistische Wertschöpfungseinheit“)

• Ökonomische Dimension des Wirtschaftens (Effektivität/Effizienz) immer verbunden mit einer sozio-politischen Dimension (Legitimität/Akzeptanz),„Überlebensfähigkeit“ vor Gewinnprinzip

• Management trägt Verantwortung gegenüber einer Vielzahl von Anspruchsgruppen (z.B. Aktionären, Arbeitnehmern, Öffentlichkeit)

Stakeholder-Ansatz

• Unternehmen sollen im Rahmen der Unternehmensführung eine Vielzahl von Anspruchsgruppen berücksichtigen

(pluralistische Zielkonzeption: Maßstab „Interessenausgleich“)

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Stakeholder-Begriff

Das enge Begriffsverständnis = alle internen oder externen Anspruchsgruppen (individuelle oder

institutionelle Akteure, die für das langfristige Überleben eines Unternehmens wichtig sind

Stakeholder-Ansatz

Das weite Begriffsverständnis = alle internen oder externen Anspruchsgruppen (individuelle oder

institutionelle Akteure, die auf die Erreichung der Organisationsziele Einfluss nehmen können oder von organisationalen Entscheidungen betroffen sind

→ unterschiedliche Grundverständnisse von den Aufgaben eines Stakeholder-Management

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Stakeholder-Begriff

Stakeholder-Ansatz

Verwendung der Kriterien:• Macht• Machtmotivation

Stakeholder-Gruppen• Bezugsgruppen• Interessengruppen• strategische Anspruchsgruppen (= Stakeholder)

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Stakeholder-Ansatz

Top-Management

Bereichsleitung/Spezialisten

Übrige Mitarbeiter

Eigenkapitalgeber

Fremdkapitalgeber(Gläubiger)

Lieferanten

Kunden

Kommunalbehörden

Staat

Gewerkschaften

Arbeitgeberverbände

Einfluß auf das Unternehmen und seine Umwelt (Macht); Prestige; hohes Einkommen; Verwirklichung schöpferischer Ideen

Einfluß auf den eigenen und andere Unternehmensbereich(e) sowie das Top-Management; Anwendung und Erweiterung professioneller Kenntnisse und Fähigkeiten; Prestige; hohes Einkommen

hohes Einkommen; soziale Sicherheit; Selbstentfaltung am Arbeitsplatz; zufriedenstellende Arbeitsbedingungen und zwischenmenschliche Beziehungen

hohe Gewinnausschüttung; Teilnahme an Wertsteigerung durch Kursentwicklung und günstige Angebote bei Kapitalerhöhungen; Einfluß auf das Top-Management

hohe Verzinsung; pünktliche Rückzahlung und Sicherheit des zur Verfügung gestellten Kapitals

günstige Lieferkonditionen; Zahlungsfähigkeit; anhaltende Liefermöglichkeiten

qualitativ hochstehende Leistungen zu günstigen Preisen; Nebenleistungen wie Konsumentenkredite, Service, Ersatzteile oder Beratung; gesicherte Versorgung

Bereitstellung von Arbeitsplätzen; Beiträge zur Infrastruktur und zu Kultur- und Bildungsinstitutionen

Einhaltung gesetzlicher Vorschriften; hohes Exportniveau; Steuereinnahmen

Anerkennung der Gewerkschaftsvertreter als Verhandlungspart-ner; Verhandlungsfairness; Möglichkeit, Gewerkschaftsanliegen im Unternehmen zu artikulieren und Mitglieder zu werben

Ausrichtung unternehmerischer Entscheidungen an eigenen Interessen; Beitragszahlung

Interessengruppen Typische Interessen

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Stakeholder-Ansatz

• Kritik: Stakeholder-Ansatz bedeute Abkehr vom marktwirtschaft-lichen Eigentums- und Effizienzprinzip,Rentabilität und Stakeholder-Management keine grundsätzlichen Gegensätze

Stakeholder-Ansatz

• Dilemmata intra- und interpersoneller Interessenkonflikteangesichts der Vieltfalt potenziell konfliktträchtiger/divergierenderInteressen/Ansprüche

• Grundproblem des „fairen“ Interessenausgleichsmögliche Lösung: Diskursmodell? Entscheidungsverzögerungen?

• potenziell unendliche Liste möglicher Stakeholder

• relative Unbestimmtheit der Unternehmensziele

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Logik des kollektiven Handelns (Olson)These: Organisierbarkeit von (Stakeholder-)Interessen sehr unterschiedlich• Annahme: ökonomisch-rational handelnde Individuen

Stakeholder-Ansatz

Kollektivgutproblem bei der Organisation von InteressenRationalität von Gemeinschaftshandeln bleibt begrenzt.Für rein ökonomisch-rational handelnde Individuen mitunterFreerider-Verhalten vorteilhaft→ Kosten-Nutzen-Relation ungünstig aufgrund unerfülltem

Ausschlussprinzip• große Stakeholdergruppen, gesellschaftliche Interessen

individuelle Beiträge marginal und Fehlen unkritisch(„trivial contribution problem“)

• kleine Stakeholdergruppen, partielle Interessenindividuelle Beiträge bedeutsam und weitreichende Partizipationam Kooperationsertrag

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Stakeholder-Management (Unternehmensperspektive)

1.2/16

Instrumentelles Management-Konzept• Ausrichtung auf die Überlebensfähigkeit des Unternehmens• keine Gleichbehandlung von Stakeholdern:

Kriterium: relative Unternehmensrelevanz

Stakeholder-Ansatz

= Management der Unternehmensbeziehungen zu zentralen Stakeholdern

Zwei zentrale Ausrichtungen:Normativ-ethisches Management-Konzept• Berücksichtigung von Stakeholdern als Eigenwert• Verschiedenen Stakeholdern sollte tendenziell die gleiche

Aufmerksamkeit zukommenKriterium: Diskurs-Modell

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Bewertung der Relevanz von Stakeholdern(Mitchell/Agle/Wood 1997)

1.2/16

→ Bewertungskriterien nicht völlig trennscharf→ Anwendung abhängig vom Einzelfall→ Veränderlichkeit der Ausprägungen→ weitere Kriterien: z.B. Interessenkonflikt, Wissensausstattung,

Machtmotivation;

Stakeholder-Ansatz

Bewertungskriterien:• Macht – Machtbasen, Machtbereiche und ihre Wertigkeit,

Machtstärke, Einflüsse auf relevante Personen• Legitimität – Legitimationsbasen von Stakeholdern

(regulativ, normativ, kognitiv)• Dringlichkeit – zeitkritisch aus Sicht der Stakeholder?

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Stakeholder-Typologie (Mitchell/Agle/Wood 1997)

1.2/16

Stakeholder-Ansatz

ruhende S. dominante S.

definitive S.

vernachlässig-bare S.

abhängige S.

gefährlicheS.

fordernde S.

Macht

Legitimität

Dringlichkeit

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Importance-Index(Kreikebaum 2001)

Determinanten der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Stakeholder-Anliegens: Grad der Betroffenheit, Umfang der Betroffenheit, Gruppe der Betroffenen (Macht, Ressourcen, Wille), Art und Umfang der Folgen, Erfolg des Anliegens in anderen Ländern, Einfluss der Medien, Gefährdung zentraler gesellschaftlicher Werte→ subjektive Wahrscheinlichkeit

Stakeholder-Ansatz

Importance-Index = Eintrittswahr-scheinlichkeit DringlichkeitX

Determinanten der Dringlichkeit eines Stakeholder-Anliegens: Grad und Umfang der Betroffenheit, Häufigkeit und Verschiedenartigkeit der Quellen (Zeitschriften, Radio, Fernsehen etc.), Konkretheit der Anliegen, Koalitionspotenzial→ Scoring-Wert 1 bis 4

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Maßnahmen des Stakeholder-Management

Stakeholder-Ansatz

Ausrichtung auf die Erhöhung der Überlebens- bzw. Erfolgs-wahrscheinlichkeit Organisation → Normstrategien

Bedrohungspotenzial

hoch niedrig

hoch

niedrig

„gemischte“Stakeholder

Zusammenarbeit

unterstützendeStakeholder

Einbindung

nicht-unterstützendeStakeholder

Verteidigung

marginaleStakeholder

Zusammenarbeit

Unterstüzungs-potenzial

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Organisationsstruktur und Stakeholderintegration

Stakeholder-Ansatz

Einbindung von Stakeholder-Vertretern in organisationale Gremien(z.B. Projektteams)

Bestellung eines Stakeholder-Repräsentanten

Bildung eines Kontrollorgans („Stakekolder-Gremium“)

Aber: • organisationsstrukturelle Lösungen zwischen Modifikation von

Machtstrukturen und „Decoupling“-Prozessen.• relativ statisch im Spannungsfeld konfliktärer sozialer, politischer

und ökonomischer Ziele

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Koordination in arbeitsteiligen Wirtschaftssystemen

Stakeholder-Ansatz

Grundproblem der Handlungskoordination in arbeitsteilig organisierten Wirtschaftssystemen: → Abstimmung von Interessen und Verhalten

Zwei zentrale Probleme:

1. Kalkulationsproblem = wohlfahrtssteigernder Ressourceneinsatz

2. Motivations-/Kontrollproblem = Mitarbeit der Individuen

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Erfolgsorientiertes Handeln

Modi der Handlungskoordination

• ausgerichtet auf messbaren und strukturell kanalisierten Handlungserfolg

• basiert auf einer Kodierung in Geld, Preise und institutionellenStrukturierung über Markt, Macht

• subjektive Handlungsrationalität – subjektive Präferenzen

• Interaktion geprägt durch wechselseitig interessengeleitete Beeinflussung – strategische Ausrichtung

• Verzicht auf Argumentation durch strukturelle Kopplungen, aber: konstituierende Begründungsleistung erforderlich

→ Der dominante Koordinationstyp in einer über Preise gesteuertenMarktwirtschaft

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Dr. Gotthard Pietsch

Verständigungsorientiertes Handeln

Modi der Handlungskoordination

• ausgerichtet auf den Konsens zwischen zunächst widerstreitenden Positionen

• basiert auf Argumentation und freier Einigung („Sprache“)

• intersubjektive Handlungsrationalität – „gute Gründe“

• Interaktion durch Aufrichtigkeit, Flexibilität und Bereitschaft zur Anerkennung besserer Argumente gekennzeichnet

• konstituierende Begründungsleistung: Bindungswirkung des Konsens

→ Der dominante Koordinationstyp in einer über Preise gesteuertenMarktwirtschaft

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Globalisierung und ihre ethische Relevanz

• nationalstaatlich organisierte politische Strukturen in Konfrontation mit einem international organisierten ökonomischen System

• Gefahr eine „eigensinnigen“ Entwicklung des ökonomischen Systems, das sich der Kontrolle politischer Institutionen entzieht→ Dominanz des weltweit integrierten Wirtschaftssystems

Globalisierung und ihre ethische Relevanz

• Globalisierung entfaltet Widersprüche zur liberalen Ordnungskonzeption eines rahmensetzenden Staates

• Globalisierung bewirkt Debatte über Zusammenhang von Staat, Ökonomie und Gesellschaft und neue Überlegungen zur Legitimität von Unternehmen

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Globalisierung und ihre ethische Relevanz

• verschärfter Wettbewerb und Produktionsverlagerungen

• „Regionalität“ der GlobalisierungEntwicklungsländer partizipieren nicht gleichermaßen wie die„Triade“

Globalisierung und ihre ethische Relevanz

• Befürchtung einer – zumindest partiellen – kulturellen Vereinheitlichung: „global village“

• Informalisierung der Arbeit: „Schattenwirtschaft“

• Standortwettbewerb und Erosion von Sozialstandards

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Dr. Gotthard Pietsch

Wachsende Ressourcennachfrage

Globalisierung und ihre ethische Relevanz

0,62,06,0Mio. TiereElefanten

7085100Index der Waldfläche 1950=100

Regenwaldfläche

140,383,736,5Mio. tEinsatz v. Düngemittel

629279,570,3Mio. angemeldet FahrzeugeFahrzeuge

420026001300Jährl. Wassernutzung in Mio. tWasserverbrauch

915819Jährl. Fischfang in Mio. tFischerei

277024501980Durschnittl. Tagesproduktion in Kalorien pro Kopf

Lebensmittel

2592Städte > 8 Mio. EinwohnerMegastädte

5,83,82,5Milliarden PersonenBevölkerung

199719721950MaßeinheitIndikator

Quelle: 6. Umweltprogramm der Europäischen Kommission