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  • Prof. Dr. Ley/ WiSe 16/17 Soziologie der Kommunikation

    Notizen zur Veranstaltung am 13.01.2017

    HABERMAS FORTSETZUNG: KOMMUNIKATIVES HANDELN - DISKURS

    Die von Habermas formulierte Kommunikationstheorie der Gesellschaft begreift den Lebensproze der Gesellschaft als einen durch Sprechakte vermittelten Erzeugungsproze der Gesellschaft (a.a.O. S. 132 ), aus dem die gesellschaftliche 1Realitt hervorgeht.

    Nach Habermas sind in Sprechakten vier Geltungsansprche enthalten:

    (1) Verstndlichkeit ist ein Geltungsanspruch, der besagt, da ich ber eine bestimmte Regelkompetenz verfge, z.B. eine natrliche Sprache beherrsche. Eine uerung ist verstndlich, wenn sie grammatisch und pragmatisch wohlgeformt ist, so da jeder, der die entsprechenden Regelsysteme beherrscht, die gleiche uerung generieren kann." A.a.O. S. 139

    "Wenn die Verstndlichkeit einer uerung problematisch wird, stellen wir Fragen des Typs: Wie meinst du das? Wie soll ich das verstehen? Was bedeutet das? Antworten auf solche Fragen nennen wir Deutungen." A.a.O. S. 138

    (2) Wahrheit ist eine Relation zwischen Stzen und der Realitt, ber die wir Aussagen machen; Verstndlichkeit hingegen ist eine interne Beziehung zwischen symbolischen Ausdrcken und dem zugehrigen Regelsystem, nach dessen Vorschriften wir diese Ausdrcke hervorbringen knnen." A.a.O. S. 139

    Wahrheit ist keine Eigenschaft von Behauptungen; vielmehr erhebe ich mit konstativen Sprechakten (wie Behauptungen) den Geltungsanspruch >wahr< oder >falsch< fr eine Proposition. A.a.O. S. 133

    Der mit konstativen Sprechakten verbundene Geltungsanspruch, und das heit: die Wahrheit, die wir fr Aussagen, indem wir sie behaupten, beanspruchen, ist von zwei Bedingungen abhngig: Sie mu (a) in Erfahrung fundiert sein, d.h. die Aussage darf nicht mit dissonanten Erfahrungen zusammenstoen, und sie mu (b) diskursiv einlsbar sein, d.h. die Aussage mu mglichen Gegenargumenten standhalten und die

    Seitenangaben beziehen sich auf: HABERMAS, JRGEN: V. VORLESUNG: 1WAHRHEIT UND GESELLSCHAFT. DIE DISKURSIVE EINLSUNG FAKTISCHER GELTUNGSANSPRCHE, IN: DERS.: SPRACHTHEORETISCHE GRUNDLEGUNG DER SOZIOLOGIE. STUDIENAUSGABE: PHILOSOPHISCHE TEXTE, BAND 1, S. 131-156.

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  • Zustimmung aller potentiellen Teilnehmer eines Diskurses finden knnen. A.a.O. s. 137

    Es gilt: (s)olange >die Erfahrung nichts anders lehrtsollHintergrundkonsens< begleitet. Diese Konsens beruht auf der reziproken Anerkennung (a.a.O. S. 137 f.) der zuvor genannten Geltungsansprche, die kompetente Sprecher mit jedem ihrer Sprechakte gegenseitig erheben mssen. A.a.O. S. 138 ! 2

  • Eine Kommunikation verluft nur dann ungestrt (auf der Grundlage eines >eingespielten< Konsenses), wenn die sprechenden/handelnden Subjekte die Geltungsansprche verstndlich machen, anerkennen oder nicht in Zweifel ziehen. Vgl. A.a.O., S. 138

    Geltungsansprche werden erst thematisch, wenn das Sprachspiel gestrt und der Hintergrundkonsens erschttert ist. A.a.O., S. 138

    Dann treten typische Fragen und Antworten auf:

    Verstndlichkeit Diskurs: Deutungen

    Wahrheit Diskurs: Behauptungen, Erklrungen

    Richtigkeit Diskurs: Rechtfertigungen

    Wahrhaftigkeit Kein Diskurs: Verhr, analytisches Gesprch

    A.a.O. S. 138 f.

    "Sobald wir eine Kommunikation aufnehmen, erklren wir implizit unserem Willen, uns miteinander ber etwas zu verstndigen. Wenn man auf einen Konsensus, auch ber Meinungsverschiedenheiten, sinnvoll nicht mehr hoffen kann, bricht die Kommunikation ab." A.a.O. S. 142

    Verstndigung ist im Sinne der Konsensustheorie der Wahrheit ein normativer Begriff A.a.O. S. 142 Jede Verstndigung bewhrt sich an einem vernnftigen Konsensus; sonst ist sie, wie wir sagen, keine >wirkliche< Verstndigung. A.a.O. S. 142

    Der Begriff des vernnftigen Konsenses steht im Zusammenhang mit dem Begriff und der Mglichkeit der diskursiven Einlsung von Geltungsansprchen. A.a.O. S. 1371

    Ein vernnftiger Konsens soll in Diskursen erzielt werden. A.a.O. S. 143.

    Diese sind Veranstaltungen mit dem Ziel, kognitive uerungen zu begrnden. A.a.O. S. 143

    Habermas unterscheidet drei Diskurstypen:

    (1) Hermeneutischer Diskurs

    "Einen hermeneutischen Diskurs fhren wir, wenn die Geltung der Interpretation von Ausdrcken in einem gegebenen Sprachsystem umstritten ist." A.a.O. S. 143

    (2) Theoretisch-empirischer Diskurs

    "Einen theoretisch-empirischen Diskurs fhren wir, wenn die Geltung von empirisch gehaltvollen Behauptungen und von Erklrungen geprft werden soll." A.a.O. S. 143

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  • (3) Praktischer Diskurs

    "Einen praktischen Diskurs fhren wir, wenn die Geltung von Empfehlungen (oder Warnungen), die sich auf die Annahme (oder Ablehnung) von Standards beziehen, geklrt werden soll. Ein spezieller Fall von praktischem Diskurs wird auf einer Metaebene gefhrt, wenn es um die Frage geht, welches Sprachsystem gewhlt werden soll, damit ein vorlufig bezeichnetes Phnomen angemessen beschrieben, eine bestehendes Problem scharf gefat und in bearbeitbare Form gebracht oder gar ein erkenntnisleitendes Interesse getroffen werden kann." A.a.O. S. 144

    Logik des Diskurses

    Besteht im zwanglosen Zwang des besseren, weil einleuchtenderen Argumentes A.a.O s. 144

    Diskursteilnehmer mssen vernnftig sein, mssen vernnftige, kompetente Urteile abgeben knnen.

    Die Konsenstheorie der Wahrheit bringt zu Bewusstsein, dass ber die Wahrheit von Aussagen nicht ohne Bezugnahme auf die Kompetenz mglicher Beurteiler und ber deren Kompetenz nicht ohne Bewertung der Wahrhaftigkeit ihrer uerungen und der Richtigkeit ihrer Handlungen entschieden werden kann. S. 146

    Wie kann man eine solche Kompetenz feststellen? Wir erwarten, dass er, sagen wir einmal, seiner Sinne mchtig ist, da er zurechnungsfhig ist. Er mu in der ffentlichen Welt einer Sprachgemeinschaft leben und darf kein >>Idiot

  • Handlungsnormen ausschliet. Diese Symmetrie von Berechtigungen und Verpflichtungen kann durch eine chancengleiche Verwendung der Regulative gewhrleistet werden, d.h. durch Gleichverteilung der Chancen, zu befehlen und sich zu widersetzen, zu erlauben und zu verbieten, Versprechen zu geben und abzunehmen, Rechenschaft abzulegen und zu verlangen usw. Zusammen mit der chancengleichen Verwendung der Kommunikativa sichert das zugleich die Mglichkeit, jederzeit aus Zusammenhngen der Interaktion heraus- und in Diskurse, die Geltungsansprche thematisieren, einzutreten. A.a.O. S. 150

    Ideale Sprechsituation sichert eine herrschaftsfreie Diskussion A.a.O. S. 150

    Grenzen diskursiv einlsbarer Geltungsansprche

    Wahrhaftigkeitsansprche knnen nur in Handlungen eingelst werden. Weder Verhre noch analytische Gesprche zwischen Arzt und Patient drfen im Sinne kooperativer Wahrheitssuche als Diskurse gelten. A.a.O. S. 141 f.

    Die anderen drei Geltungsansprche sind diskursiv einlsbar:

    Richtigkeit trifft sich mit Wahrheit darin, dass beide Ansprche allein diskursiv, auf dem Wege der Argumentation und der Erzielung eines vernnftigen Konsensus eingelst werden knnen. A.a.O. S. 141

    Auch der Anspruch auf Verstndlichkeit ist diskursiv einzulsen: Wenn der Hintergrundkonsensus auf dieser Ebene so weit gestrt ist, dass Ad-hoc-Deutungen nicht gengen, empfiehlt sich ein hermeneutischer Diskurs, in dem verschiedene Deutungen geprft werden und die fr richtig gehaltene Interpretation begrndet werden kann. A.a.O. S. 142 so lange allerdings die Kommunikation ungestrt verluft, ist Verstndlichkeit allerdings ein faktisch bereits eingelster Anspruch. Denn die unverstndliche Kommunikation bricht zusammen. A.a.O. S. 142

    Differenz Kommunikatives Handeln / Diskurs

    Vorgngiges Zitat deutet bereits auf diese Differenz hin.

    Habermas unterscheidet kommunikatives Handeln (Interaktion) als Form der Kommunikation von Diskurs. Beim kommunikativen Handeln wird die Geltung von uerungen naiv vorausgesetzt, um Informationen (handlungsbezogene Erfahrungen) auszutauschen A.a.O. S. 151

    Im Diskurs werden problematisierte Geltungsansprche zum Thema gemacht (A.a.O. S. 150)

    In Diskursen machen wir den Versuch, ein problematisiertes Einverstndnis, das im kommunikativen Handeln bestanden hat, wiederherzustellen oder zu ersetzen. In diesem Sinne haben wir von diskursiver Verstndigung gesprochen. Argumentationen haben das Ziel, eine Situation zu berwinden, die durch die hartnckige Problematisierung der in kommunikativem Handeln naiv vorausgesetzten Geltungsansprche entsteht: diese reflexive Verstndigung fhrt zu einem diskursiv herbeigefhrten, begrndeten

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  • Einverstndnis (das sich natrlich zu einem sekundr eingewhnten Einverstndnis auch wieder verfestigen kann). A.a.O. S. 151 f

    Kommunikatives Handeln vollzieht sich in eingelebten und normativ abgesicherten Sprachspielen A.a.O. 152

    Diskurse dienen dem kooperativen Versuch der Wiederherstellung oder Ersetzung eines problematisierten Einverstndnisses, das im kommunikativen Handeln bestanden hat.

    Man kann auch formulieren: Der Diskurs dient als Berufungsinstanz des kommunikativen Handelns ein Diskurs ist eine Art von Reparaturversuch, wenn das mit dem kommunikativen Handeln verfolgte Ziel des Einverstndnisses des Kommunikationsadressaten nicht erreicht wird. Vgl. www.evoeco.forschungsseminar.de

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    http://www.evoeco.forschungsseminar.de