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Das BuchHappy Ends sind Darrells Spezialität. Als Autorin von Liebesromanen hat sie immerhin schon acht davon ge­schrieben und eines selbst erlebt, als sie ihren Mann Tom heiratete. Darrell weiß, dass mit dem Happy End der span­nendste Teil eigentlich erst beginnt. Aber was macht man, wenn es danach nicht weitergeht, sondern tragisch endet, so wie in ihrem Fall? Fünfzehn Monate nach dem Tod ih­res Mannes hat Darrell die Nase voll davon, sich Happy Ends auszudenken. Sie beschließt, sich noch einmal auf die Suche zu machen und geht nach London, in die un­romantischste Stadt der Welt. Hier mietet sie sich ein klei­nes Gartenhaus und verbringt von nun an ihre Tage in dem kleinen Café an der Ecke, wo sie schnell eine Ersatz­familie findet. Doch genau hier, wo sie es nicht erwartet, lockt plötzlich die Versuchung in Gestalt von Markus. Er scheint einem ihrer Bücher entsprungen zu sein und ist zu schön, um wahr zu sein ist. Darrell weiß, dass ihr Leben kein Roman ist. Aber es kann ja auch nichts schaden, eine Weile so zu tun, als sei es das doch.

Die AutorinCatherine Robertson wurde 1966 in Wellington gebo­ren und studierte englische Literatur. Nach Stationen in San Francisco und London lebt sie nun mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen wieder in Neuseeland. Wo bleibt denn nun mein Happy End? ist ihr erster Ro­man. www.catherinerobertson.net

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Catherine Robertson

Wo bleibt denn nun mein

Happy End?Roman

Aus dem Englischen von Bettina Seifried

WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN

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Die Ori gi nal aus ga be THE SWEET SE COND LIFE OF DARR ELL KINC AID er schien 2011 bei Ran dom House New Zea land Ltd.

Verlagsgruppe Random House FSC­DEu­0100Das für dieses Buch verwendete

FSC®­zertifizierte Papier Holmen Book Cream liefert Holmen Paper, Hallstavik, Schweden.

Voll stän di ge deut sche Erst aus ga be 04/2012

Co py right © 2011 by Cath erine Ro bert sonCo py right © 2012 der deut schen Aus ga be by

Wil helm Hey ne Ver lag, Mün chen in derVer lags grup pe Ran dom House GmbH

www.hey ne.dePrin ted in Germ any 2012

um schlag ge stal tung: Eis ele Gra fik De sign, Mün chenSatz: Buch­Werk statt GmbH, Bad Aib ling

Druck und Bin dung: GGP Me dia GmbH, Pöß neck

ISBN: 978­3­453­58049­7

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1Ich habe Hap py Ends im mer ge liebt – bis etwa ein ein halb Mi nu ten nach dem ich mein neun tes ge schrie ben hat te. Als ich den Schluss punkt ge setzt hat te und den üb li chen An­flug von Trau rig keit er war te te, der mich stets über kam, wenn ich die Welt mei ner Fi gu ren end gül tig ver las sen muss te, än der te sich plötz lich al les. Denn dies mal folg te kein Ab schieds schmerz, son dern ich fing an, vor Wut zu be ben – min des tens Stär ke zehn auf der nach oben of fe­nen Rich ter ska la.

Die Hef tig keit raub te mir fast den Atem, und wie be­nom men starr te ich auf die letz te Sei te. Sonst fühl te ich mich am Ende mei ner Ge schich ten meis tens so, als müss te ich lieb ge won ne nen Freun den, die an ei nem an de ren Fleck der Welt ein neu es Le ben be gin nen, Le be wohl sa gen. Das soll jetzt nicht me lo dra ma tisch klin gen, aber bis her war es im mer so. Die Fi gu ren wuch sen mir ans Herz, ich leb te mit ih nen in den Fan ta sie wel ten der stein rei chen Män ner mit Pri vat jets und Bin dungs prob le men und der jun gen Frau­en mit un ta de li gem Le bens wan del und per fek ten Bei nen.

um es gleich zu sa gen: Die Frau en be we gung hat im Be­reich der Lie bes ro ma ne kei ne nach hal ti gen Spu ren hin ter­las sen. Wir be vor zu gen männ li che Al pha tie re und ge fü gi ge Frau en – de nen al ler dings stets eine ge wis se Wi der spens­tig keit im Vor feld zu ge stan den wird. So ist das eben in

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mei nem Kos mos, ich wer de mich da für nicht ent schul di­gen.

Im Grun de führ ten mei ne Fan ta sie ge schöp fe ein Ei gen­le ben, doch ich muss ge ste hen, beim Aus se hen hat te ich im mer das letz te Wort. Die Män ner wa ren um die vier zig, welt ge wandt und häu fig von ei nem schwe ren Schick sals­schlag in der Ver gan gen heit ge zeich net. Manch mal wa ren sie erst Mit te drei ßig, dann um gab sie ein Hauch von Ge­fahr. Die Frau en wa ren aus nahms los Mit te zwan zig, hat­ten brau nes Haar und gro ße Reh au gen. In mei nem neun­ten Ro man (Für die Pri vat samm lung des Mil li ar därs, falls Sie der Ti tel in te res siert) war sie der Typ Na ta lie Port man, und er hat te star ke Ähn lich keit mit Pier ce Bros nan; in dem Ro man da vor: er = Clive Owen, sie = Anne Hath away (Die er stei ger te Ge lieb te des Sma ragd mag na ten). Über blon de Frau en habe ich bis her aus ir gend ei nem Grund nie ge­schrie ben. Wahr schein lich aus Ab nei gung.

Die Fi gu ren führ ten auch dau ernd Ge sprä che in mei nem Kopf, und zu Toms gro ßem Ver druss weck ten sie mich da durch nachts oft auf. Ne ben mei nem Bett la gen stets No tiz block und Stift griff be reit, denn die Er fah rung hat­te mich ge lehrt, so fort al les auf zu schrei ben, sonst wuss te ich am nächs ten Mor gen nur noch, dass ihre Brust hef­tig wog te, und mal ehr lich: Wann war das nicht der Fall? Dann er wach te ich mor gens mit dem quä len den Ge fühl, mei nen bis lang bes ten Ro man di a log – viel leicht den ge ni­als ten al ler Zei ten – er dacht zu ha ben, an den ich mich nun al ler dings lei der nicht mehr er in nern konn te. Nach sol chen Näch ten war ich ta ge lang un aus steh lich. Manch mal hat te ich Glück, und in der nächs ten Nacht um drei uhr in der Früh war plötz lich al les wie der da. Ker zen ge ra de fuhr ich

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dann im Bett hoch, knips te das Licht an und schrieb al les em sig auf, um dann mit ge reck ter Faust »Ja woll!« zu ru­fen und mich wie der schla fen zu le gen.

Der letz te – lau te – Teil führ te im mer dazu, dass Tom eben falls hoch schreck te und rief: »um Him mels wil len! Sorg end lich da für, dass dei ne ima gi nä re Sipp schaft in un­se re Zeit zo ne um zieht!«

Beim Le sen am nächs ten Tag war der Di a log dann doch nie so be gna det, wie ich mir ein ge bil det hat te, als ich mich an nichts er in nern konn te. Doch meis tens über wog die Freu de, dass er mir wie der ein ge fal len war, und es war mir schnup pe.

Pom pös an ge leg te Schau plät ze und Ku lis sen wa ren mein Spe zi al ge biet. Ich lieb te es, mir die lu xu ri ö sen Häu ser, teu­ren Au tos und gla mou rö sen Klei der vor zu stel len, die für klei ne Land po me ran zen wie mich un er reich bar blie ben. Soll te ich ei nes Ta ges auf hö ren zu schrei ben, wird das Zeit­schrif ten im pe ri um von Con dé Nast wahr schein lich Plei te ge hen. Für je den Ro man be sorg te ich mir ein neu es Skiz­zen buch, am liebs ten aus hoch wer ti gem Pa pier mit kunst­vol lem Ein band. Ich gebe je doch zu, ich habe auch schon ei nes mit der Se sam stra ße auf dem Ein band ge kauft, wenn der Schreib wa ren la den ge ra de kein an de res vor rä tig hat­te. In die ses Skiz zen buch kleb te ich al les hi nein, was ich in den Mo de ma ga zi nen fand: Hoch glanz bil der von kalk wei­ßen Vil len auf grie chi schen In seln un ter azur blau em Him­mel, ge sto chen schar fe Auf nah men von mi nim alis ti schen Pent hou ses über den Dä chern von New York, schick ver­blas sen de Belle­Epo que­Räu me in alt ehr wür di gen Pa ri ser Woh nun gen, herr schaft li che An we sen mit Ra sen flä chen so groß wie eine gan ze Graf schaft in Eng land, rote Ferr aris,

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sil ber ne Bent leys und Yach ten mit creme far be nen Le der­gar ni tu ren und edel glän zen der Holz ver klei dung. Auch Bil­der von Lu xus uh ren von Pa tek Phi lip pe oder Sma ragd ohr­rin ge von Car tier fan den ih ren Weg in mei ne Samm lung; nicht zu ver ges sen all die Fo to stre cken über Film stars aus der Va nity Fair, de ren Ge sich ter, Fri su ren, Klei dungs sti le und Make­up ich für mei ne Fi gu ren scham los ab kup fer te. um et wa i gen Pla gi ats vor wür fen zu ent ge hen, ver än der te ich vor sorg lich ein cha rak te ris ti sches Merk mal der le ben­den Vor bil der, zum Bei spiel Au gen­ oder Haar far be. (Al ler­dings ist mir auf ge fal len, wie schnell aus Clive Owen Da­ni el Craig wird, wenn man Clive blaue Au gen und blon de Haa re an dich tet. Die Me tho de ist also nicht ganz was ser­dicht.) Die Ge fahr, von ei ner be rühm ten Per sön lich keit we­gen Nach ah mung be langt zu wer den, hal te ich al ler dings für ziem lich ge ring. Als Star möch te man sich von Pa pa­razzi schließ lich lie ber mit Eine kur ze Ge schich te der Zeit in der Hand als mit dem Ro man Die wi der spens ti ge Jung­frau des si zi li a ni schen Her zogs er wi schen las sen.

Ich freu te mich im mer, wenn ich mei nen Na men auf ei­nem Buch um schlag las. Mei ne El tern ga ben mir den Vor­na men Darr ell, der, so weit ich weiß, kein Mäd chen na me ist. Be reits im Sand kas ten muss te ich ihn sehr ener gisch ver tei di gen, al lein des halb bin ich ihm in nig ver bun den. Mein an ge hei ra te ter Name ist Kinc aid, und das hat te zur Fol ge, dass ich – im un ter schied zu den meis ten Kol le­gin nen in der Lie bes ro man schrei ben den Zunft – nie ein Pseu do nym er fin den muss te. Sie tun das nicht, weil sie sich für den ei ge nen Na men schä men, son dern weil es er nüch­ternd ist, für all die er lauch ten Lord Va len tin Rip leys, Lady Al eth eas und Du chess of Bos cast les am Ende mit ei nem

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pro fa nen Susan Mil ler als Au to rin zu zeich nen. Susan nah Mil land und Suz an ne Mull hol land oder pho ne tisch und or tho gra fisch ähn lich an spruchs vol le Va ri an ten ma chen ein fach mehr her. Darr ell Kinc aid hat je doch schon ei nen ge wis sen Schwung und Rhyth mus. Au ßer dem stößt ein nach Mann klin gen der Au tor in der frau enl as ti gen Welt der Lie bes ro ma ne auf gro ßes In te res se.

Nun zu rück zu dem Teil, den ich wirk lich am schöns ten fin de – bes ser ge sagt, fand. Wenn al les gut wird, weil Held und Hel din schließ lich be grei fen, dass sie für ei nan der be­stimmt sind. Das Hap py End.

Doch die ses Mal war al les an ders. Als ich den Schluss­punkt ge setzt hat te und die letz ten Sei ten noch ein mal über flog, pack te mich die Wut. Am liebs ten wäre ich auf die Stra ße ge rannt, um ei nen arg lo sen Pas san ten zu ei ner Be lei di gung zu pro vo zie ren, da mit ich ei nen Vor wand hat­te, ihm an die Gur gel zu ge hen.

Zu erst dach te ich: Wahn sinn! Du bist be stimmt voll kom­men über mü det. und das stimm te auch, ich war da mals ziem lich er schöpft… Aber als ich die Pas sa ge noch ein mal las, in der sich der mil li ar den schwe re Pier ce end lich ein ge­ste hen konn te, dass kein im pres si o nis ti sches Meis ter werk je an die Schön heit sei ner Nath alie he ran rei chen wür de, und dass Mo net al lein sein Le ben nicht wei ter brach te, wur de mir klar: Es war nicht Mü dig keit. Ich lo der te vor Zorn! Es war ein Wun der, dass mein Lap top nicht so fort in Flam men auf ging, ei nen Kra ter in mei nen Schreib tisch seng te und schmau chend mit ei nem nur als »wumm pfff« zu um schrei­ben den Ge räusch in der ein ge brann ten Mul de ver sank.

Wie konn ten mei ne Fi gu ren es wa gen, glück lich zu wer­den? Was er laub ten sie sich? Wie so durf te in der Welt der

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Lie bes ro ma ne al les gut wer den? Das ging so of fen kun dig, so schlicht und er grei fend voll stän dig an der Wirk lich keit vor bei! An ders ge fragt: Wa rum durf ten die Pro ta go nis ten ha ben, was mir in mei nem Le ben ver sagt blieb?

Ich brauch te eine Pau se. In der Kü che setz te ich Tee auf und be strich ein paar Voll korn kek se mit But ter. Fast hät te ich noch ein Stück chen Käse drauf ge legt, ent schied mich dann aber da ge gen. Das war eine Sa che, in der Tom und ich uns nie ei nig wur den. Salz ge bäck mit But ter und Käse. Ich hielt es für stär ken des Ner ven fut ter, so wie Moos bee­ren oder Wei zen gras, nur eben ge nieß bar.

Tom mein te, lie ber wür de er Er bro che nes es sen. »Das kann nicht gut sein«, sag te er im mer. »Es ist ekel haft! Geh und iss das Zeug in ei nem an de ren Zim mer. Oder noch bes ser: in ei nem an de ren Land!«

Wei te re Din ge, über die wir uns nie ei nig wur den:Kate Bush: Tom war der fes ten Über zeu gung, dass Kate

von ei ner obs ku ren Ver ei ni gung er dacht wor den war, in der Ab sicht, klei ne Kin der in Furcht und Schre cken zu ver set­zen. Als Be weis führ te er ihre wir re, he xen haf te Haar tracht an und ihr furcht er re gen des Ge heul am An fang des Songs Wut he ring Heights, das be kannt lich Tote wie der zum Le­ben er weck te. Ich fand die Kri tik über trie ben, zu mal sie von ei nem Mann kam, der auf eine schot ti sche Pi ra ten­Pow er­Me tal­Band stand mit ei nem tä to wier ten Zwerg am Bass na mens Ale storm. (Die Pi ra ten band heißt so, nicht der Zwerg bas sist.) Aber viel leicht hat te er Recht. Trotz dem gab es Mo men te, in de nen ich bei Kate Trost fand.

Lau fen: Oh Gott, wie an stren gend. Da nach tut mir al­les weh. Au ßer dem bin ich über zeugt, dass es nicht gut ist für die weib li che Brust. Des halb ren nen ver nünf ti ge Frau­

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en nicht wie die Ir ren durch die Ge gend. Sie ha ben näm­lich kei ne Lust, dass ihr Bu sen ir gend wann so wind schief da her kommt wie das be rüch tig te Lay out der Dop pel sei ten des Na ti o nal Geo gra phic. Tom (der, das will ich klar stel­len, kei nen Bu sen hat te) rann te je den Tag ki lo me ter weit. Er fand das wun der bar…

Le sen: Ohne ein Buch in der Hand füh le ich mich nackt. Ich lese im mer und über all, so gar beim Ko chen und manch mal auch am Steu er. Soll te es ir gend wann ein mal tech nisch mög lich sein, un ter der Du sche zu le sen, wer de ich mein per sön li ches Nir wa na er rei chen. Tom las Läu fer­zeit schrif ten und ge le gent lich die Fern seh zei tung. Trotz­dem war er kein geist lo ser Ba nau se, wie man da raus viel­leicht schlie ßen könn te. Er wuss te wirk lich eine Men ge. Kei ne Ah nung, wo her. Manch mal hät te ich gern eine ge­pfleg te un ter hal tung über Kunst oder ei nen Film mit ihm ge führt – im mer hin habe ich Li te ra tur wis sen schaft stu­diert, aber was heißt das schon! Wir schaff ten es im mer­hin, ein mal ge mein sam den Film Wie der se hen in Brides­head an zu se hen, und Tom rief plötz lich: »Hey, der Typ hat doch den Bö se wicht in Kö nig der Lö wen ge spro chen!«

Er hat te Recht. Aber wa rum spei chert das mensch li che Hirn sol che Ba na li tä ten ab?

Tom ist tot. Es hat kei nen Sinn, die se trau ri ge Tat sa che in scho nen de re Wort zu ver pa cken. Er starb vor über ei nem Jahr – vor neun zehn Mo na ten und fünf zehn Ta gen, um scho nungs los ge nau zu sein. Er fiel ein fach tot um. Buch­stäb lich. Nach ei nem Halb ma ra thon, der als Spaß lauf an­ge kün digt war. (Kein Kom men tar. Die gan ze Ge schich te trieft vor Iro nie des Schick sals.) Tom lief über die Ziel li nie

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(Mer ken Sie was?), schau te auf sei ne Stopp uhr und brach zu sam men. Ers te Hil fe war um ge hend zur Stel le, und un­ver züg lich wur de er mit ei nem Ret tungs wa gen ins Hos pi­tal ge fah ren, wo er dann so fort für tot er klärt wur de. Mein durch trai nier ter, ge sun der, jun ger Ehe mann war ge ra de ein und zwan zig Ki lo me ter in sei ner per sön li chen Best zeit von ei ner Stun de und zwei und zwan zig Mi nu ten ge lau fen. und er brauch te nur knapp zehn Mi nu ten zum Ster ben.

Der me di zi ni sche Fach aus druck lau tet »Plötz li cher Herz tod«. Es war kein In farkt, er hat te eine Herz funk ti­ons stö rung. Bei äl te ren Men schen wird das häu fig di ag­nos ti ziert, weil sich über vie le Jahr zehn te hin weg Fet te und an de re ge fähr li che Din ge, vor de nen uns die Fern seh kö­che im mer war nen, um den Herz kranz an la gern. Bei jün­ge ren Men schen spie len nicht er kann te funk ti o na le Ano­ma li en eine ur säch li che Rol le – Herz rhyth mus stö run gen oder Herz klap pen schwä che. »Nicht er kannt« heißt, dass die ers ten An zei chen ei ner Stö rung ei nen konk re ten Aus lö­ser be nö ti gen, zum Bei spiel star ke Ad re na lin aus schüt tun­gen bei ho her kör per li cher Be las tung. Dann ist es so, als wür de ein fach ein Schal ter um ge legt wer den – das Herz wird aus ge knipst. Manch mal kann man es wie der an knip­sen, aber bei Tom ging das nicht mehr. Sein Herz war vor die Hun de ge gan gen, und nie mand hat te es be merkt. Kei­ner hat te auch nur die ge rings te Ah nung ge habt.

und ich war da mals nicht da bei, an der Ziel li nie …Als Tom und ich uns ken nen lern ten, war ich drei und­

zwan zig und er vier und zwan zig. Ein Jahr spä ter fand die Hoch zeit statt, und als er starb, wa ren wir seit über zehn Jah ren ver hei ra tet.

Das ist der sprin gen de Punkt. In der eu pho ri schen An­

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fangs pha se quäl te man sich noch be geis tert ge mein sam in al ler Herr gotts frü he aus dem Bett, um dem Liebs ten in mit­ten ei ner ver bis se nen, schwit zen den Men schen meu te stun­den lang beim Tra ben zu zu se hen und di rekt an der Ziel­li nie um den Hals zu fal len. Ganz gleich, ob der Schweiß in Strö men floss und man das un ter nor ma len um stän den ei gent lich un ap pe tit lich fand. Aber nach zehn Jah ren blieb man lie ber zu Hau se, las ein gu tes Buch und fiel ihm erst um den Hals, wenn er frisch ge duscht und um ge zo gen war. Ich war also nicht bei ihm, als er starb. Ich war zu Hau se und las Bar ba ra Pym.

Mit dem Buch in der Hand lief ich zur Tür, um zwei blut­jun gen, un glück lich drein schau en den Po li zis ten zu öff nen. Ich weiß nicht mehr, was sie sag ten. Wäh rend sie mich ins Wohn zim mer führ ten und be hut sam auf ei nen Ses sel setz­ten, um mir die schlim me Nach richt zu er öff nen, dach­te ich nur, wie schwer die ser Mo ment doch für sie sein muss te. Der eine sprach, und der an de re nahm an dau ernd sei ne Müt ze ab, senk te den Kopf und fuhr sich ner vös durchs Haar. Der arme Kerl, dach te ich. Wie furcht bar, die­se Auf ga be zu er le di gen. Da nach fuh ren sie mich ins Kran­ken haus, aber ich habe kaum eine Er in ne rung da ran. Ich weiß nur noch, dass Toms Ge sicht über haupt nicht fried­lich wirk te. Er sah ein fach nur tot aus, zu sam men ge fal len, grau und merk wür dig aus drucks los. Wie die Hül le ei nes Alien. Nicht wie mein Tom.

Auf der Be er di gung hielt ich die Trau er re de, und alle be wun der ten, wie tap fer und ge fasst ich das al les durch­stand. Ich wein te zu kei nem Zeit punkt, so viel weiß ich noch. Ich woll te es auch nicht, denn mei ne Trau er und mei nen Schmerz woll te ich nur mit dem Men schen tei len,

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dem sie galt. Mit Tom. So weit das noch mög lich war. An­geb lich war die Rede ziem lich be we gend. Ich habe kei ne Er in ne rung da ran …

Man könn te nun an neh men, mein Le ben hät te sich von da an dra ma tisch ver än dert. Doch so be fremd lich es klin­gen mag: Mein Le ben ging ganz nor mal wei ter. Ich schrieb Ro ma ne und wohn te wei ter hin in un se rem ge mein sa men Haus. Die Be zie hun gen zu Freun den und Fa mi lie ver lie fen in ge wohn ten Bah nen. Das ein zig Au ßer ge wöhn li che war, dass ich auf ein mal um ei ni ge hun dert tau send neu see län di­sche Dol lar rei cher war we gen Toms Le bens ver si che rung. Al ler dings lag das Geld un an ge tas tet auf der Bank, weil ich es nicht übers Herz brach te, auch nur ei nen Cent da­von ab zu he ben. Mei ne Au to ren ho no ra re reich ten für die Hy po thek und den Le bens un ter halt aus.

Toms Tod hat mein Le ben na tür lich trotz dem ver än dert; es wäre ab surd, das zu leug nen. Ta len tier te re Schrift stel ler als ich ha ben über den Ver lust ei ner ge lieb ten Per son gan ze Bü cher ge schrie ben, über all die selt sa men Din ge, die man dann tut, die von au ßen be trach tet wie Bor der line­Symp­to me er schei nen, doch im Grun de nur Aus wüch se bit te rer Trau er sind. Wie zum Bei spiel, dass man das Ge sicht in ein un ge wa sche nes T­Shirt mit der Auf schrift Mo tör head – No Sleep til Ham mer smith ver grub, um den ver trau ten Ge­ruch zu rie chen. Oder dass man sich im mer wie der alte Vi­de o auf nah men an schau te oder sei ne Stim me auf dem An­ruf be ant wor ter ab hör te, weil man sich nach dem in ni gen Ge fühl der Ver bun den heit sehn te und fürch te te, sich bald we der an sei ne Stim me noch an sein Aus se hen er in nern zu kön nen. Oder dass man sich wei ger te, sei ne Sa chen weg zu­wer fen, ob wohl man ge nau wuss te, dass in der al ten Sport­

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ta sche seit Wo chen eine ran zi ge brau ne Ba na ne vor sich hin rot te te. Oder dass man den Kaf fee am Mor gen im mer noch auf zwei Tas sen ver teil te und die letz ten Trop fen un­be dingt in sei ne Tas se gab, weil er den star ken, ab ge stan­de nen Rest als be son de ren Kick in den Tag brauch te. und dass man den Lon don­Ma ra thon auf nahm, ob wohl er nie mehr er fah ren wür de, wer ihn ge won nen hat te.

Aber – wie soll ich das sa gen? – die Lü cke, die Tom in mei­nem All tag hin ter ließ, war ei gent lich nicht das Schlimms te. Viel schlim mer war, dass mir Tom nun in Zu kunft und bis ans Ende mei ner Tage feh len wür de. Die ser Ge dan ke mach­te mich fer tig. und das war der Grund, wa rum ich bei dem Ende mei nes Ro mans plötz lich so wü tend wur de.

Denn ein Hap py End ist nie das Ende, son dern erst der Be ginn vom Rest ei nes voll kom me nen, glück li chen Le bens. Wir Le se rat ten wis sen das. Vor un se rem geis ti gen Auge ent wi ckelt sich die Lie bes ge schich te nach dem Hap py End leb haft wei ter. Da für brau chen wir kei nen Nach fol ge ro­man. Das wirk lich Ent schei den de ist näm lich nicht, dass sie nun glück lich sind, son dern dass sie es bis ans Ende ih­rer Tage blei ben.

Ich ver miss te Tom mit je der Fa ser mei nes Kör pers, doch sei ne Ab we sen heit hat te kaum Aus wir kun gen auf mein All tags le ben. Die wirk lich dra ma ti schen Ver än de run gen be tra fen die Vor stel lun gen und Ideen für un se re Zu kunft, all das Schö ne, das erst noch kom men soll te.

Ver ste hen Sie mich nicht falsch. Wir ver folg ten nicht stur ei nen zu vor aus ge feil ten, ak tiv ge stal te ten Le bens plan. Die De tails un se rer ge mein sa men Zu kunft wa ren noch nicht aus ge reift. Doch wir hat ten ein be stimm tes Ge fühl, dif fu se Vor stel lun gen, ei nen sü ßen Vor ge schmack auf un ser rest­

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li ches glück li ches Le ben zu zweit. Wir wuss ten, wie sich un se re Zu kunft an füh len wür de und was wir für ei nan der emp fin den wür den. Wir wür den zu sam men ein er füll tes Le ben füh ren und still ver gnügt mit ei nan der alt wer den.

Vie les hat ten wir schon ge mein sam er reicht. Mit Toms Hil fe fand ich ei nen Ver lag, der mei ne Ro ma ne ver öf fent­lich te. Als ich Tom ken nen lern te, exis tier ten die Ge schich­ten nur in mei nem Kopf, und bei je der noch so un pas sen­den Ge le gen heit ver lor ich mich da rin und ver gaß al les um mich he rum. Die se fa mo se Ei gen schaft trug er heb lich dazu bei, dass ich stets Ver ab re dun gen ver säum te und mich sel­ten da ran er in nern konn te, wo rü ber ge ra de ge spro chen wur de oder wer die Leu te wa ren, die bei mir am Tisch sa­ßen. Tom über re de te mich, end lich al les nie der zu schrei­ben, und er war es, der mein ers tes Ma nus kript an eine Frau en zeit schrift schick te. Zu mei ner gro ßen Ver wun de­rung nah men sie es tat säch lich an und über wie sen mir so­gar Geld. Ich weiß noch, wie Tom ei nes Ta ges den rie si gen Sta pel Zeit schrif ten durch blät ter te, den ich wie der ein mal für das Skiz zen buch an ge schleppt hat te.

»Okay«, sag te er et was ir ri tiert, »sehe ich das rich tig? Zu erst kom men un men gen von Schlank heits ku ren und im An schluss da ran mas sen haft Ku chen re zep te, dann der neu es te Tratsch aus der Ge rüch te kü che der Stars und Pro­mis mit ih ren wech seln den Bett ge schich ten und am Ende eine Hä kel an lei tung für Topfl ap pen.« Fas sungs los schüt­tel te er den Kopf. »Wa rum kür zen sie die Sa che nicht ein­fach ab und brin gen eine aus führ li che An lei tung für ei nen selbst ge strick ten Brad Pitt, der am liebs ten nu del di cke Bräu te flach legt?«

Aber er er mun ter te mich zum Wei ter schrei ben und bau­

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te mich wie der auf, als ich für mei nen ers ten Ro man zu­nächst rei hen wei se Ab sa gen be kam.

»Das wird schon«, sag te er da mals, »nicht alle Ver la ge be schäf ti gen nur Voll i di o ten.«

Er soll te Recht be hal ten. Als ich mei nen ers ten Ver trag un ter Dach und Fach hat te, ver prass ten wir abends ei nen nicht un er heb li chen Teil un se rer Er spar nis se im edels ten Res tau rant der Stadt. Tom mach te sich ei nen Spaß da raus, den Ober kell ner mit »gu ter Mann« an zu re den, und um ein Haar wä ren wir hin aus ge flo gen, weil wir uns vor La chen bo gen, als der So mme lier ei nen Grau bur gun der mit dem Wort »ver we gen« an pries.

un ser Kon to füll te sich rasch wie der, als Tom be rufl ich ei nen Voll tref fer lan de te und Mar ke ting chef der staat li­chen Be hör de für Mas sen sport ver an stal tun gen wur de, die Ma ra thons und Volks läu fe or ga ni sier te. Kurz da rauf kauf­ten wir ein Haus in un se rer zwi schen Strand und Stadt­wald ge le ge nen Lieb lings ge gend. Schon mor gens weh te uns Kie fern duft und eine Mee res bri se um die Nase. Die neue um ge bung war ge die gen und ru hig, eine Wohl tat für Kör per und Geist, ide al zum Lau fen und zum Schrei ben – kurz um: der per fek te Ort für uns bei de.

Wir wa ren glück lich mit dem Haus und mit uns. Tom und ich wa ren meist ein Herz und eine See le. Klar hat ten wir ge le gent lich Streit, aber nie ging es um grund sätz li che Din ge, und wenn wir eine Nacht da rü ber ge schla fen hat­ten, er schien uns je der Zwist al bern. Wir fühl ten uns wohl in der Ge sell schaft des an de ren, re de ten viel und freu ten uns un se res Le bens, das wir Stück um Stück ge mein sam auf bau ten.

Tom gab ei nem das Ge fühl, dass wirk lich al les mög lich

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war, was da ran lag, dass er selbst fest da ran glaub te. Ohne Toms un er schüt ter li ches Selbst ver trau en und sei ne Ziel­stre big keit wäre ich nie Schrift stel le rin ge wor den, das weiß ich heu te. Ich wür de mich nach wie vor in mei ne Fan ta­sie wel ten flüch ten und ver zwei felt ver su chen, mich an den Na men mei nes Tisch nach barn zu er in nern.

Auf den nächs ten Le bens ab schnitt freu ten wir uns be­son ders. Wir woll ten in den nächs ten Jah ren auf eine Welt­rei se spa ren und dann min des tens sechs Mo na te frei neh­men. Das Haus soll te ver mie tet wer den. Da nach woll ten wir zu rück in den Be ruf, spä ter Kin der krie gen – min des­tens zwei. Wir wä ren dann zwar Spät zün der – ich sie ben­und drei ßig, Tom ach tund drei ßig –, doch wir kann ten eine Men ge Leu te, die sich mit dem Kin der krie gen Zeit lie ßen. Man che frisch ge ba cke nen El tern in un se rem Be kann ten­kreis wa ren noch äl ter. Das schaf fen wir schon, dach ten wir. Auch ei nen Hund woll ten wir uns zu le gen, al ler dings konn ten wir uns nicht auf die Ras se ei ni gen. Ich träum­te von ei nem gro ßen beige far be nen Re tri ever mit di ckem, ku sche li gem Fell, Tom woll te ei nen Chi hu a hua. Von ei­nem Mann, der Luft gi tar re spie len zum Stan dard re per toire ei nes ech ten Kerls zähl te, er war te te man das nicht un be­dingt. Aber Tom be harr te da rauf, dass Chi hu a hu as ab so lut cool sei en. Sie zeig ten Hal tung und hät ten in ne re Wer te, be haup te te er. So wie ganz kör per tä to wier te Zwerg bas sis­ten, nur eben in der Welt der Hun de, und im Ver gleich zu Chi hu a hu as wä ren Gol den Re tri ever bloß das arm se li ge Pen dant zu Bar ry Mani low.

Wenn wir die Kin der­ und Hun de fra ge ein ver nehm lich ge klärt hat ten, woll te ich end lich eine »rich ti ge« Schrift­stel le rin wer den. Tom war be geis tert und mein te, wenn

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ich es dann auf die Best sel ler lis te ge schafft hät te und die ent spre chen den Ho no ra re he rein kä men, wür de er noch ein mal stu die ren, um Sport leh rer zu wer den. Sein Traum war, noch mög lichst vie len Men schen das Lau fen bei zu­brin gen …

Ver ste hen Sie, was ich mei ne? un se re ge mein sa me Zu­kunft lag vor uns aus ge brei tet, und wir muss ten sie ei gent­lich nur noch an tre ten. un ser rest li ches Le ben zu zweit war für mich ein Teil der Wirk lich keit. Oft glaub te ich, die Zu kunft be reits rie chen und mit den Hän den grei fen zu kön nen.

und plötz lich war al les vor bei. Mein voll kom me nes Le­ben nach dem Hap py End hat te mit Toms Tod ein ab rup­tes Ende ge fun den. Als wäre der Geist zu rück in die Fla­sche ge rauscht, ge reizt, weil man zu lan ge brauch te, um die Wün sche zu äu ßern. Be nom men und ver wun dert starr te man auf den Kor ken, be vor man be griff: Der Geist kam nicht mehr he raus, die Wün sche ver hall ten un ge hört, die Chan ce war ver passt. Der Kum mer da nach stieg ins un­er mess li che.

Ich mach te wei ter wie bis her, blieb in un se rem Haus woh nen, schrieb an mei nem Ro man und mied Be su che bei mei nen El tern – al les wie im mer. Doch ich be gann, mich im Kreis zu dre hen. Mein Halb bru der Si mon schick te mir das Buch ei nes Ty pen, der auf dem Foto aus sah wie die Krö ten, die auf Aust ra li ens Stra ßen mas sen wei se platt ge­fah ren wur den, der an schei nend aber ein Guru war und mahn te, das Le ben im Hier und Jetzt zu le ben. Si mon hat te es gut ge meint, ich weiß, er woll te mir hel fen. Aber ohne Zu kunft gab es kein er füll tes Hier und Jetzt, mei ne Tage wa ren hohl und leer. Als Toms Herz auf hör te zu schla­

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gen, wur de auch mei ne Le bens a der ge kappt, und al les, was mein Le ben le bens wert ge macht hat te – Freu de, Lie­be, ge mein sa mes La chen und un se re Ver bun den heit –, war ab ge schnit ten und re gel recht aus mir he raus ka ta pul tiert wor den. Mein Le bens mo tor – die Hoff nun gen, Träu me, die lang sa me, lie be vol le Pla nung ei ner ge mein sa men Zu­kunft – war jäh aus ge bremst wor den und soff auf hal ber Stre cke jäm mer lich ab.

Ei nes Nachts saß ich wie der ge gen drei uhr früh ker­zen ge ra de im Bett. Doch dies mal reck te ich nicht sie ges­ge wiss die Faust in die Luft. Im Ge gen teil. Ich hat te gro­ße Mühe, über haupt Luft zu be kom men, und mein Herz ras te, als wäre ein Gü ter zug um Haa res brei te an mir vor­bei ge rauscht. Statt die Di a lo ge mei ner Fi gu ren ein zu fan­gen, muss te ich ver zwei felt alle Kraft auf wen den, um die Bruch stü cke mei nes ei ge nen, re a len Le bens zu sam men zu­hal ten, das mir zu ent glei ten droh te.

Lang sam be griff ich: Ich lief nicht im Kreis, ohne Ziel ent wi ckel te ich mich rück wärts! un auf halt sam schlit ter te ich in die Ver gan gen heit und ver fiel in Zu stän de wie vor mei ner Hei rat mit Tom. Ich ließ mich von den um stän den trei ben, war stän dig mit mei nen Ge dan ken wo an ders und fühl te mich für mein Le ben nicht mehr zu stän dig. Dann be kam ich Angst. Ich stell te mir vor, wie ich mit neun und­sieb zig plötz lich merk te, dass au ßer mir nur noch ein al­ter Ka ter na mens Mr Ti dd les üb rig war, mit dem ich mein Le ben und die Sar di nen aus der Büch se teil te.

Ich muss te drin gend et was un ter neh men, muss te fort von hier, ein neu es Le ben an fan gen, be vor es zu spät war. Das Dum me war nur, ich hat te nicht die lei ses te Ah nung, wo ich an fan gen soll te.

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2LADY MO: Bloß nicht! Hab vol le sechs Mo na te bei

Catch po le in Lon don ge ses sen und um Ver set zung nach Char lot te ge fleht. Lon don ist grau und ab ge ta kelt wie die Dau er wel le mei ner Mut ter. Such dir ei nen ro man ti­sche ren Fle cken! Pa ris zum Bei spiel, Fa brices Hei mat­stadt ist im mer eine Rei se wert.

DARR ELL: Die ein zi gen Bro cken Fran zö sisch, die ich ken ne, stam men aus dem Song Lady Mar ma la de. Will nicht mit In ne rei en auf dem Tel ler en den, ob wohl ich Brot be stellt hab. Lon don ist fa bel haft! Drei ßi ger jah­re­Flair! De bü tan tin nen bäl le! Her ren clubs (alt ehr wür­di ger White’s Club, nicht String fel lows)! Tee im Ritz! In den Miss­Mar ple­Bü chern fah ren sie im mer ge mein sam nach Lon don in die Stadt, um Glä ser tü cher zu kau fen und da nach ge pflegt in ei nem Ly ons Cor ner House Fein­kost zu schna bu lie ren. Auch Fa brice war im mer wie der gern zu Be such in Lon don, wie du weißt. Zwar nicht, um Glä ser tü cher kau fen, aber trotz dem …

LADY MO: Die Tee haus im pe ri en »Ly ons Cor ner House« ge hör ten frü her der Fa mi lie von Nig el la Law son, wuss­test du das?

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DARR ELL: Nig el la wie in TV­Er folgs kochtussi?

LADY MO: Ge nau. Hast du ihr Hüft gold be merkt in letz­ter Zeit? Comme le Mas sif Cen tral! Was für Mo nog lot te wie dich so viel heißt wie: zent ral fran zö si sche Ge birgs­mas sen.

DARR ELL: Wüsst’ ich, was ein Mo nog lott ist, wäre ich be lei digt. Nig el la ist trotz mas si vem Hüft gold ab so lut ge fragt. Zu rück nach Lon don – wo hast du da mals ge­wohnt?

LADY MO: Walt ham stow (schau der). Win di ge Ge gend. Die Woh nung kaum grö ßer als eine Sar di nen büch se, roch nach Gum mi stie feln, die flucht ar tig von ei nem bäu­er li chen Schweiß fuß de ser tiert sind. Es gibt Schö ne res auf der Welt. Wie wär’s mit Prag? Sieht in den Sen dun­gen auf Liv ing Chan nel aus wie aus dem Mär chen buch.

DARR ELL: Prag? War te, ich goo gle es eben… Oha! Sieht fan tas tisch aus, Komp li ment. Aber laut Wet ter sta tis tik ist es da sau kalt! Goo gle zeigt auch ei nen ge wis sen Vàc­lav Ha vel, der sieht aus wie ein ster ben der Gaul. Wenn die Män ner dort alle so ge quält drein bli cken, dann nein dan ke.

LADY MO: Muss ein Mann zwin gend in dei nem neu en Le ben vor kom men?

DARR ELL: un be dingt. Kin der auch. Gro ße Kar ri e re als Best sel ler au to rin auch, und: Gol den Re tri ever.

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LADY MO: Ent spann dich, hol erst mal Luft.

DARR ELL: Darf man nicht mehr ein biss chen träu men? (De zen ter Hin weis: Eine ech te Freun din bringt Sei fen­bla sen nicht zum Plat zen.)

LADY MO: Aber Eng län der sind nicht aus dem Stoff, aus dem Träu me ge macht sind. Eher un ter ent wi ckel te Rum­pel stilz chen mit Schre ckens ge bis sen wie die se Vam pir­zäh ne aus Plas tik zu Hal lo ween.

DARR ELL: Seit du mit dem fa bel haf ten Chad in per fek ter Ehe lebst, hast du gut läs tern! In sei nem Or bit krei sen si cher tau send klei ne Pla ne ten sys te me um ihn.

LADY MO: Wohl wahr. Doch auch Chad ist nicht voll­kom men.

DARR ELL: ???!!!

LADY MO: Har ry ist mein Her zens mann. Chad ist Vize. Ich hab eine Idee: Du kommst hier her! Char lot te ist eine tol le Stadt, nicht so rück stän dig wie der Rest der Süd­staa ten.

DARR ELL: Du hast den Haupt ge winn ge zo gen, schon klar. Aber mit mei nem Glück zie he ich be stimmt nur Män ner an, die kei ne Zäh ne im Mund ha ben, da für aber Ban jo­Shan tys du deln und ein un ter hemd tra gen, auf dem steht: »Wenn ich tot bin, be grabt mich mit dem Kopf nach un ten, da mit die gan ze Welt mich am Arsch

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Catherine Robertson

Wo bleibt denn nun mein Happy End?Roman

DEUTSCHE ERSTAUSGABE

Taschenbuch, Broschur, 496 Seiten, 11,8 x 18,7 cmISBN: 978-3-453-58049-7

Heyne

Erscheinungstermin: März 2012

Happy End gesucht Darrell ist Mitte dreißig, Schriftstellerin – und Witwe. Nach dem Tod ihres Mannes hat sie dasGefühl, dass ihr Happy End irgendwie doch keins war. Also beschließt sie, in London, derunromantischsten Stadt der Welt, ein neues Leben zu beginnen. Sie mietet sich ein kleinesGartenhaus und verbringt ihre Tage im Café an der Ecke. Eigentlich ist sie ganz zufrieden,doch plötzlich erscheint der gut aussehende Markus auf der Bildfläche. Und nicht nur er. Gibt esvielleicht doch noch ein Happy End für Darrell?