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TECHNIK & ARCHITEKTUR HOCHSCHULE LUZERN STRUKTUR UND MATERIAL FS13 HOLZ | TESTAT - THESE 2 | FLORIAN BOBST 1 SCHICHTEN ERGÄNZEN > Vom einfachen zum dreifachen Strickbau These In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die gebäudetechnischen Ansprüche eines Hauses drastisch verändert. War man zu beginn des letzten Jahrhunderts grundsätzlich darauf angewiesen, ein Dach über dem Kopf zu haben bzw. im Winter Wohn- und Schlafräume heizen zu können, muss ein heutiges Gebäude diesbezüglich einige Standards oder gar Normen erfüllen. Die zunehmende gebäudetechnische Komplexität stellte neue Anforderungen an die Konstruk- tionen, um vorgegebene Werte gewährleisten zu können. So müssen Gebäude, welche heute erstellt werden beispielsweise über eine Wärmedämmung verfü- gen und im Stande sein, Luft- und Winddichtigkeit sowie den Schallschutz zu gewährleisten. Wie auch andere Konstruktionsarten entwickelte sich der Strick- bau weiter, möglichst ohne seine Identität zu verlieren (siehe Abb.1-4). Es gäbe diverse Möglichkeiten, ein Gebäude in einer einfacheren Konstruktion gemäss den erwähnten Aspekten zu bauen, doch der Strickbau hat sich nicht ohne Grund entwickelt und den heutigen Bedürfnissen angepasst. So handelt es sich beim Strickbau um eine ökologische Bauart, welche meist mit einheimischem Massivholz erstellt wird. Die Massivholzkonstruktion gilt tragwerkstechnisch als eine bewährte, also eine in sich tragende Bauweise. Es sind keine weiteren Elemente oder Materialien notwendig. Zuletzt vermittelt der Strickbau einen spezifischen architektonischen Ausdruck sowie Behaglichkeit (siehe These 1). Das ergänzen des bereits bekannten und ausgeführten doppelten Strickbaus (Bsp. Stiva da Morts, Vrin) um eine weitere Schicht ermöglicht es der Konst- ruktion, viel spezifischer den heutigen bau- und gebäudetechnischen Anfor- derungen nachzukommen, zugleich Themen wie der Ökologie und Ökonomie gerecht zu werden ohne den Charme des Strickbaus zu verlieren. Gebäudetechnische Ansprüche Abb.1 Strickbau nicht gedämmt Quelle: Florian Bobst Abb.2 Strickbau Innendämmung Quelle: Florian Bobst Abb.3 Strickbau Aussendämmung Quelle: Florian Bobst Abb.4 Doppelter Strickbau Quelle: Florian Bobst

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TECHNIK & ARCHITEKTURHOCHSCHULE LUZERNSTRUKTUR UND MATERIAL FS13

HOLZ | TESTAT - THESE 2 | FLORIAN BOBST

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SCHICHTEN ERGÄNZEN > Vom einfachen zum dreifachen Strickbau

These

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die gebäudetechnischen Ansprüche eines Hauses drastisch verändert. War man zu beginn des letzten Jahrhunderts grundsätzlich darauf angewiesen, ein Dach über dem Kopf zu haben bzw. im Winter Wohn- und Schlafräume heizen zu können, muss ein heutiges Gebäude diesbezüglich einige Standards oder gar Normen erfüllen. Die zunehmende gebäudetechnische Komplexität stellte neue Anforderungen an die Konstruk-tionen, um vorgegebene Werte gewährleisten zu können. So müssen Gebäude, welche heute erstellt werden beispielsweise über eine Wärmedämmung verfü-gen und im Stande sein, Luft- und Winddichtigkeit sowie den Schallschutz zu gewährleisten. Wie auch andere Konstruktionsarten entwickelte sich der Strick-bau weiter, möglichst ohne seine Identität zu verlieren (siehe Abb.1-4). Es gäbe diverse Möglichkeiten, ein Gebäude in einer einfacheren Konstruktion gemäss den erwähnten Aspekten zu bauen, doch der Strickbau hat sich nicht ohne Grund entwickelt und den heutigen Bedürfnissen angepasst. So handelt es sich beim Strickbau um eine ökologische Bauart, welche meist mit einheimischem Massivholz erstellt wird. Die Massivholzkonstruktion gilt tragwerkstechnisch als eine bewährte, also eine in sich tragende Bauweise. Es sind keine weiteren Elemente oder Materialien notwendig. Zuletzt vermittelt der Strickbau einen spezifischen architektonischen Ausdruck sowie Behaglichkeit (siehe These 1).

Das ergänzen des bereits bekannten und ausgeführten doppelten Strickbaus (Bsp. Stiva da Morts, Vrin) um eine weitere Schicht ermöglicht es der Konst-ruktion, viel spezifischer den heutigen bau- und gebäudetechnischen Anfor-derungen nachzukommen, zugleich Themen wie der Ökologie und Ökonomie gerecht zu werden ohne den Charme des Strickbaus zu verlieren.

GebäudetechnischeAnsprüche

Abb.1 Strickbau nicht gedämmtQuelle: Florian Bobst

Abb.2 Strickbau InnendämmungQuelle: Florian Bobst

Abb.3 Strickbau AussendämmungQuelle: Florian Bobst

Abb.4 Doppelter StrickbauQuelle: Florian Bobst

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Eine einzige tragende Schicht im Strickbau reicht aus, um ein Gebäude sta-tisch funktionieren zu lassen. Die Eckverbindungen geben der Konstruktion die nötige Steifheit, um in sich geschlossen Lasten abtragen zu können. Wie bereits erwähnt nahmen die Anforderungen an die Gebäudetechnik, vor allem an die Dämmung stetig zu und erreichten in den 80er Jahren mit der Ölkrise ihren Höhepunkt. So wurden Strickbauten innen, aussen oder wie beim dop-pelten Strickbau (Bsp. Stiva da Morts, Vrin) zwischen den beiden tragenden Strickebenen gedämmt. Durch eine kontinuierliche Recherche des traditionellen Strickbaus sowie den heutigen, modernen Strickbauten, verbunden mit eigenen Überlegungen und grössteinteils mit Tests an Modellen habe ich den Strickbau um eine weitere Schicht ergänzt (siehe Abb.7).

Optimierter Wandaufbau

Abb.5 Einfacher “traditioneller“ StrickbauQuelle: Florian Bobst

Abb.7 Dreifacher StrickbauQuelle: Florian Bobst

Abb.6 Doppelter Strickbau (Stiva da Morts)Quelle: Florian Bobst

Diese erweiterte, dritte konstruktive Schicht lässt noch spezifischere und op-timiertere Wandaufbauten zu. Man kann auf die jeweiligen Anforderungen angepasst eingehen. Die drei Konstruktionsschichten erzeugen zwei Zwischen-schichten, welche nach den Bedürfnissen der Wand (Aussen- und Innenwand) genutzt werden können. Sie dies durch eine Dämmung (Aussenwand) oder als Installationsschicht.

Die dreischichtige Strickwand lässt sich nach der vorhandenen Anforderung anpassen, in dem man die Schichten splitten kann. Die Dreischichtigkeit ent-spricht somit der maximalen statischen und dämmtechnischen Beanspruchung, welche die Wand in einem Gebäude erfüllen muss. Diese drei Schichten müs-sen sich infolgedessen nicht stur resp. als Gesetz verhalten, sondern lassen sich nach Bedürfnis oder Nutzung eines Raumes aufsplitten, was ökologische wie

Grundkonzept der dreischichtigen Wand

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Abb.8 Mögliche Aufsplittungen der Strickbau-SchichtenQuelle: Florian Bobst

Mögliche Aufgabenbereiche von Schichten:3 Schichten - AussenwandBautechnik: hoher AnspruchGebäudetechnik: hoher Anspruch

2 Schichten (äussere Schichten) - AussenwandBautechnik: geringe bis hohe Ansprüche (je nach Entwurf) Gebäudetechnik: geringe Ansprüche (kalter Raum)

2 Schichten (innere Schichten) - Aussen-/InnenwandBautechnik: hohe Ansprüche (voll belastbar) Gebäudetechnik: geringe Ansprüche (evtl. Installationsebene)

1 Schicht - InnenwandBautechnik: keine Ansprüche (nicht tragend) Gebäudetechnik: keine Ansprüche

auch ökonomische Vorteile mit sich bringt (siehe Abb.8). So kann einerseits der Holzverbrauch optimiert werden. Andererseits hat man die Möglichkeit, einen kalten Raum (Bsp. Reduit für Gartenwerkzeug) als homogenen Bestandteil in ein Gebäude eingliedern, in dem man lediglich die zwei äussersten Schichten verwendet, um die Raumzelle zu umschliessen. Diese beiden Schichten decken die im Verhältnis minimierten konstruktiven und gebäudetechnischen Bedürf-nisse.

Abb.9 Modell Ecke dreischichtiger BlockbauQuelle: Florian Bobst

Abb.10 Modell Ecke dreischichtiger BlockbauQuelle: Florian Bobst

Abb.11 Modell Ecke dreischichtiger BlockbauQuelle: Florian Bobst

Abb.12 Modell Ecke dreischichtiger BlockbauQuelle: Florian Bobst

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Die tragenden Strickbauwände (zwingend zweischichtig) laufen jeweils in einer Ecke zusammen. Eine solche Ecke zieht, dem System geschuldet, eine 4-fache Verstrickung mit sich (siehe Abb.16 und Abb.17). Diese 4-fache Verschränkung steift die Wand extrem aus, so dass eine Art Stütze mit quadratischem Quer-schnitt entsteht. Diese Eckstütze nimmt sämtliche ständige und veränderliche Lasten in ihrer Längsrichtung auf und leitet sie weiter. Somit übernimmt die Konstruktion sowohl die Aufgabe der senkrechten Lastabtragung sowie der Aussenwände, welche sowohl als tragendes wie auch als nichttragedes Bauteil ausgebildet sein könne. Der einzige einzuhaltende Parameter um ein solches, freies Stützenraster zu erhalten ist, dass sich die Wandschichten jeweils im 90° Winkel treffen (siehe Abb.18) . Je mehr Knotenpunkte, desto steifer ist die Konst-ruktion.

Stützen

Die einzelnen Konstruktionsschichten sind mittels der in der Schweiz gängigen Technik der Verschränkung ineinander verstrickt. Das Verschränken ist eine der einfachsten und effektivsten Strickbauverbindung. Im Bereich der Verschrän-kung (Überkreuzung der Hölzer) wird im oberen und unteren Bereich des Balkens jeweils 1/4 der Gesamtstärke ausgefräst, um zwei Hölzer miteinander zu verstricken. Da die Konstruktion bis zu drei parallele Hölzer hat, welche verstrickt resp. verschränkt werden müssen, macht eine komplexere Holzver-bindung keinen Sinn. Bei einer solch hohen Anzahl von Verbindungen wäre der Aufwand, die Hölzer beispielsweise mit verschiedenen Winkeln zu fräsen immens. Die Verschränkung ist eine in sich sehr aussteifende Holzverbindung, welche den Wandelementen die nötige Steifigkeit gibt. Ein weiterer, jedoch nicht konstruktiver Aspekt der Verschränkung, sind die mit einem Strickbau assoziierten, überlappenden Ecken, welche der Konstruktion Charme und Wie-dererkennungswert vermitteln.

Holzbauverbindungen(Strickbau)

Abb.14 Verkämmung in der PraxisQuelle: Blockverbindungen - Jan-Ove Jansson

Abb.13 Schema VerschränkungQuelle: Florian Bobst

Abb.15 Verkämmung in der PraxisQuelle: Picasa Web Albums - Jasen

Abb.16 4-fache VerstrickungQuelle: Florian Bobst

Abb.17 EckstützeQuelle: Florian Bobst

Abb.18 Möglicher StützenrasterQuelle: Florian Bobst

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Reflexion/Fazit Ein zweischichtiger Strickbau funktioniert als Konstruktion betrachtet bereits gut, da die sich ergebende Zwischenschicht als Dämmebene ausgebildet wer-den kann. Ebenfalls muss man weder auf der Innen- noch auf der Aussenseite auf die Strickbau-Charakteristik verzichten, da man keine lästige Innen- resp. Aussendämmung anbringen und verkleiden muss.Der dreischichtige Strickbau kann noch gezielter auf die bau- und gebäude-technischen Aspekte eingehen, da man Schichten nach bedarf trennen kann. Dies funktioniert lediglich, da mehr als bloss eine Dämmschicht vorhanden ist. Durch das Aufsplitten der Schichten kann man räumlichen Ansprüchen vari-abel nachkommen und auf diese optimal eingehen. Die drei Schichten lassen ebenfalls eine 4-fache Verstrickung an den Ecken zu, da keine der inneren beiden Hölzer bis nach aussen laufen, was der vertikalen Lastabtragung zugute kommt. Das Tragwerk funktioniert wie eine Stützenkonstruktion.

Die Hölzer eines traditionellen Strickbaus weisen meist die Dimensionen 120mm x 180mm auf. Bei diesen Massen handelt es sich nicht um Normmasse, d.h. sie können gering variieren. Jedoch sind die Hölzer in dieser Abmessung für einen traditionellen, einschichtigen Strickbau einerseits optimal für die Statik (die Kräfte können aufgenommen und abgeleitet werden), andererseits eignen sie sich gut um zu bearbeiten. Bei einem dreifachen Strickbau kann man die Dimensionierung auf ein Minimum zurückfahren, da die zusätzlichen Ver-strickungen die Konstruktion aussteifen. Mit einer dreifachen Ausführung des Strickbaus sollte es, wie bei der Sandwich-Konstruktion von Bearth & Deplazes Architekten AG, möglich sein, mehrere Aspekte vereint zu lösen und somit den Schichtenaufbau zu vereinfachen, sprich zu reduzieren. Das Grundelement des Hauses Bearth-Candinas in Sumvitg besteht aus einer dünnwandigen Rippenplatte, einer Blockholztafel mit Schichtenstärke 3,5cm. Die aufgeleimten, 20cm tiefen Querrippen aus demselben Material, deren Zwischenraum die Wärmedämmung ausfüllt, dienen der Knickstabilisierung. Dieses Grundelement, mit der flächigen Seite warmseits angeordnet, funktio-niert als tragende Scheibe (Tragen, Aussteifen, Stabilisieren), als Fassung für die Wärmedämmung und als Dampfbremse (die innere Verleimung verleiht der Blockholztafel diese Eigenschaft).

Holzdimension

Abb.19 Modell EckpfostenQuelle: Florian Bobst

Abb.20 Modell EckpfostenQuelle: Florian Bobst

Abb.21 Modell EckpfostenQuelle: Florian Bobst