Hotzenköcherle - Die Sprachlandschaften der deutschen Schweiz - Der Nordwesten
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Rudolf Hotzenkocherle
Die Sprachlandschaften der deutschen Schweiz
Herausgegeben von Niklaus Bigler und Robert Schlapfer unter Mitarbeit von Rolf Borlin
Verlag Sauerlãnder Aarau . Frankfurt am Main· Salzburg
-
4 Der Nordwesten
lVlit (IN ordwesteJ1) bezeichnen wir bewuI3t abstrakt die Sprachlandschaft, die E. STEINER
(IJ urassisch» nennt und die er sprachgeographisch mit den lautgeschichtlichen Kriterien der
Vertretung von altobd. iu durch ie, der Entrundung, der dUl'chgehenden Dehnung alter
Kurzvokale in offener Silbe, der LenisjFortis-N eutralisierung und der Guttura.lisierung ncl >
ng ('!li fixiert.1 Wir lassen die durch die seitherige Entwicklung seIn durchliicherten
Kriterien Entrundung und Gutturalisierung zunachst weg und erweitern darür das
Inventar durch weitere lautgeographische, vor allem aber wortgeogra.phische Kriterien und
kommen damit wie STEINER auf eine Landschaft, welche die beiden Halbkantone
Baselstadt und Baselland, die tra.nsjurassischen Gebiete von Solothurn (das Schwarzbuben
land) UI1d Bern (das Laufental) in von Fali zu Fali wechselnder Teilhabe auch den
cisjurassischen Teil von Solothurn, die Nordwestecke des Aargaus (das Fricktal) und das
Berner Seeland um!'af3t; letzteres wird in anderem Zusammenhang spater noch einma.l in
unser Blick!'eld rücken (s. u. Abschnitt 10.2.1.2).
4.1 DeI' slH'achgeogl'aphiscbc Ta tbestand
(Karte 34)
Wir veranscha,ulichen unsere Spraehlandschaft wie gewohnt dureh Kombinationen von
wort- und lautgeographischen Kriterien a,us dell1 Ka,rtenmaterial des SDS und Hinweise au!'
weitere einschlagige Fa.lIe; in der Anordnung soll zugleich die Stufung von Engst- und
Enger-Nordwestlichell1 zu Weiter- und vVeitest-Nordwestlichell1 zum Ausdruck kOll1men.
a) L i n i e l umschreibt einen engsten N ordwest-Bereich anhand eines ll1orphologisch
semantischen J<riteriums: Innerhalb dieser schmalsten Nordwestlandscha.rt gilt flir das
nhd. Wortpaal' 'sagen' j 'sagen' die Opposition saage j siiiige wie im Nhcl,2 - im Gegensatz zu
normalschwzd. sii(ii)gejsa(a)ge (mit z.T. abweichenden Verhaltnissen in der Nordost
schweiz).3 In annahel'l1d den gleichen R.ahmen fligen sich l'ein la,utgeographische Falle wie
clrug(g)e 'drücken' und cln:l1g(g)e 'trinken' (gegen normalschwzd. -kch-) ,4 der lexikalisierte
1 S'n:INEn, Glicderung: S, 245 rI. 2 Ausnahmcn: -iiii- / -iiii- in SO 1; BE 2-4. 3 Vgl. SDS 11 44, 87 (bos. Legcfl(lc 2). 4 Vgl. SDS 11 95,97: BA 1, 3--8; SO 1-3, 6, 8; BE 1-4. Dcr Anlautrall 'I<ind' SDS 11 94 zcigt BA J allcin mit
bloller Aspirata [(11- gcgeniibcr normalschwzd, eh-,
71
Ablautfall Runde bzw. Hunge '(Batllll-) Hinde' 5 owic dic Wortschatzfülle dis( S) J aar, daas
Joor für norlllalschwzd. !tüiÍl} (Zahn-)Schlugge 'Zahnlücke'.7
Reichcs und rcindirrercnzicrlcs �Ialcrial lautgcograpllischer, rOrJncl1gcograpllischcr und wortgcographisclwr Art ZlI dicscm I'roblcm cincr cngstcn Nordwcstlandschart IJclcgt nnd IJcsprieht SCII I.;iI'FEH, l3asclland: bes. S. 49 rr.: Die l3asler I.alldscllal't IIlld das l3irseck.
b) Linie 2 vereinigt vier 'Wortschatzl'iille: Anggeschiiiirede l'ür den Hückstand beilll
Auslassen von Butter,8 und - Illit genau gleicher V crbreitung - Bluelsdr01J(( e) 'Klelllm nek
ken alll Finger',9 (Winter-) O(rüürscht(t) 'Frostbculc' :owie den lexikalisierten Einzel
Lautfall Zaan 'Zahn' (der allerdings etwas weiter reicht: Zaan auch in SO l2, l3,25, AG
34,38,45, BE 15, FR 1,3; SDS 1V 19).
Weilcrc Wortschatzriillc mit wcnigslcns iihnlieher VcrIJrcitnng: helser(-ig) 'hciscr' (SDS IV (j5: ohnr BA 1-6, 8; SO 2, 3; 131': 1-3, abcr miI AG 1-5, 22-2H); herbsthlr 'Wcinlesc haltcn' (BA; SO I-O; AG 1-7, 18, 19, 21-23,25; 131'; 2-4); slricke 'striekcn' (statt lisllle: 131\ 1-26; SO 1-3, 8 IInd (,junb�) passilll; AG 1-3, 6,7, 21,22 Ilnrl "jllllb�) sporadisch; BE 1-4). (Naeh ullpllblizicrtcm SDS-�Iatcrial).
c) Die Linien 3 und 6 betrefren K.ritericn aus dCIll Bcreich des Vokalismus. L i n i e 3 belegt
mit Oaable 'Gabel' das schweizerdeutsche lVfinimalgebiet der Dehnung von alter Kürze in
(ursprünglich) offener Silbe. Wir beachten besonders die betrachtliche Erstreckung die. es
NIinimal-Dehnungsbereichs nach Südwesten und die (relikthafte?) Dehnungsinsel (3)
südlich des Biclersccs.1O
Zu diescr inllerstrn schwzd. Dchnungslandsehart gehõrcn mit Idcillcn Abll'cichungcn im cinzrlncn aueh dir I<'iillc hllllgle 'hagcln' (SDS 1 1 17), siibe 'sicbcn' (Zahlwort, S DS 11 3n), ehiil/i ' Kinn' (SDS I V 23) sowic dir Ifiillc mit Dchnnng vor r-Gruppc heerl 'lIart' (SDS I 18), JlloorfHle '�Iorgcn' (SDS 1 1 (4). In dcn I<'iillcn l1lit andcrcr Vcrbrcitung dcr Dchnnng in orrcncr Silbc (vgl. SDS 11 J-44) gchort IIIlSCrC Nordwcstlandschart bczcichncndcrwcise immcr zur Dchllungszollc.
Li n i e 6 umgrenzt alll Beispiel von 'tief' den heutigen schweizerdeu tschen Bereich der
<<!üinkischen» Lautung -ie- r -ia- J des sog. oberdeu tschcn iu: Sie geht in diescll1 Fali ostwarts
bis zur Aare, stiif3t südwestwarts abel' wie unserc Wortschéttzfa.lle (Linie 1) selu bald au r die
Grenze gegen den bernisch-hiichstalemannischen Typus -oi- (bzw. oii.). ,,\ ieder ist die
Aussage des Bemer Seelandes wichtig: Die auch in diesell1 Fali erscheinende lnsel
nordwestlicher Forlllen am Bielersee (6) legt wieder die Vermutung früheren kontinuier
lichen Zusall1menhangs von Basel bis Erlach nahe."
fj Unl/fle: 131\ 5-7, SO 1-4, fi-O, 131': 1-4; Rnl/de: BA 10, U, Ii!a; RlIllyede: BA 3; Ilullllllede: SO f) (�Iat. SDS, 1I0eh III1Pllulizicrt.); Z11ll1 lalltgcschichtliehclI Problcl1l s. Id. VI 1039.
6 BA 1-8; SO l-O; BI� 1-4 (Nach SDS-Matcrial, das ill Bei. V I pllblizicrt wird). 7 SDS IV 42: BA 3; O l-i!; BE 1, 2, 4. 8 Vgl. HOTZENI(OCIII':IU.E, Halll1lstruktur: Abb. 17. 9 Dcr Typlls ist allcrdillgs I'rrcillzclt allch auLlcrhalb III1SCr<'S Nordwrst-Bcrciehs bclcgt (ZH 3, 7, 18, 20).
10 Zu dcn gcographischrn IIl1d historischen Aspcl!lell der DchllulIg al1l Biclcrsec und SOl1st im I3cmcr Sccland s. u. S. 205.
11 ZUI1l lalltgcschichtlichclI Hilltcrgrulld s. I3HAuNE: I �IITzI(A (I!lG I), Ahd. Grllml1l. §47; ZII don schwzd. GcsamtverhültllissclI s. SDS I 134-137 ulld HOTZI·:NI(OCIII·:IU.E, Altobd. ill; zur Proulcl1latik dcs I3cmur
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d) In den Bereieh de' Konsona.ntismlls gehõren dieLinien 4 und 5. Linie411mrei13t den
Bereieh, innerhalb dessen in vVõrtern wie 'Garbe', 'Bürde', 'Morgen' der inlêwtende
Konsonant hinter r zlIr entspl'cehcnden Fortis versehii.rI't wird: Gaarpe, Bwwrti, Jl!loorgge.
L i n i e 5 stellt unter Zusa.mmen I'assung der beiden sns- Ka.rten 'Tag' und 'Dcekcl' da.r, wic
weit im Sehweizerdcutsehen die Anlalltsehwtiehung bzw. der Zusammenfa.1I von altem t;
und a.ltem d- in Lenis d- reicht: Daag, Declcel.
lVic wirl<saJ1l dic Tcnrlcnz ZlIr i\nlalltlcllisierllng iJ1l rraglichen Gcbiet iSI, zcigl dic Talsachc, dal3 sic sogar die
doch weilheruJ1l runktiollsrelcvanlc AssiJ1lilalionsrorlis in Fiillcn wie 'gcbrochcn', 'getlürrt', 'gegangcn' und
sogar in 'gelragen', 'getruni<cn' erra13l: broche, deerl, yrmye, driiil, dnmke; I'gl. SDS 1 1 1 3,4,9. - I�in ganz iihnliches
Verbreilllngsbild bielcl iibrigcns die Inlallllenisirrullg in Fiillen wie Riichele IIntl iihnlichen I(olleklil'bildllngcn
aur -ele, s. SDS IT L81; nur scheinl das Beruer Sceland hier nichl (J1Iehr) lI1ilwlI1achen. - In den oben
besproehcncn Leilwõrlcrn 'licr' und JII/yypschiiiiredc hüuren sich im Dchnllngsbereieh der Linien 4 IInd 5 bzw. 2 und fJ dic ('jurassi8Chell» l<ritcrien: !lier, -schiiiirede. Im lctzlgrnannlen Fali kOJ1lJ1ll sogar noch ein drilles �Ierl{lllal
des Nordweslcns ZUIl1 ZlIg: die Niehll'ersehiebung und teilwcise Lenisierung des allcn 1<: AI/yye-, AI/ye-; I'gl.
SDS 11 !J7rr.
e) L in ie 7 mit dem Kriterium cheigle 'kegeln' ist ein Grenzl'a.lI: ner Geltungsbel'eieh der
Lautung -ei- geht hier so weit na.eh Osten und na.eh Süden, da13 wil' lIns mit. ihm schon fast im
Spannungsfeld der grol3en West/Ost-Gegenstitze befinden; das Verbreitungsbild erinnert
sowohl in seiner Ost- als in seiner Süda.usdehnung sta,rk a.n Linie l von Ka.rte 20: gine
'gtihnen'.
Vollends in diesen weitesten Ra.hmen würden wir mit den Rebba.uwortern lii(ii)se
'Weinlese ha.lten' und Trüübel 'Weintraube' geraten: lii(ii)se lImfa.l3t im groben das von
hel'bschle (s. o. S.72) freigelassene Gebiet der J(a.ntone Solothurn, Aa.rga.u, Bern und fast
ga.nz die J(a.ntone l?reiburg und Luzern; 12 Trii:übel reieht bis ins Wa.llis und da.mit bis a.n die
südliehe Sprachgrenze gegen die Roma,nia..13
4.2 Aul.lel'schweizel'ische Zusammenhange
Fast a.lle Erscheinungen, mit denen wir oben die nordwestliehe Spra.chla.ndseha.ft der
Sehweiz eha.mkterisiert haben, finden ilue Fortsetzung im Elsass: sei es in dessen südlicher
Hiilfte, sei es in seinem ganzen Gebiet, sei es soga.r über dieses und damit über das
Oberdeutseh-Alema.nnisehe hinaus ins Frtinkische.14 Teh belege diesen Zusa.mmenha.ng
zunaehst l"ür die in Abschnitt 4.1 zusammengestellten Beispiele mit 'achweisen aus den
einsehliigigen Grundlagenwerken:
Seelandcs S.II. S.205. - In den ZlIsal11J11cnhang dllrehbrochener oder überschichlclcr ('jurassischcl"l)
Spraehlandscharl.en gehõrl auch der oben S. 64 bchandelle, iibrigens allch sprachgeschichtlich bcnachbarlc
Fali 'vcrlicrcn', nllr da13 hier die Sl.õrung niehl von Siiden, sondern I'on Nordostcn kommt.
12 Nach llnpllblizicrlem SDS-Alalerial. - Zur spraehgeographischcn Allseinanderselzllng I'on herbschle und
Iii(ii)se s. �I" LLEH. \Vortgcschichlc: S. 85 rI.
J3 S. I(arle 30, Texl. S. (i(). 14 Vgl. o. S. 65 1'1. sowic sehon l3AclI�I"NN, Gcogr. Lex.: S. 75.
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saagej siiiige
drug( g)e, dring( g)e
Rtmde
diss (daas) J aar
(Zaan-) Schlugge
Allggeschiiiirede
(W inter-) a{rüürscltt( i)
Zaan
herbschte
stric/ce
cheigle
g/m,e
Dehnung i. o. S,: 16
i 111 ga.n zen Elsass
il11 südlichen Elsass
-ie- in 'tief' usw.
Lenisierung IG
ALA r
\ 21,128
154
265
223
66
76
27 109,214,269
31,80,91,143,175,199
318
279 ('ein To/er')
EI.. Wb.
11333 r.
I I 750-752
J1 266
r 40915
11462
11 429
1186
1i 905
1 371
11 629
r 428
1221
I I 657
I�iir dcn besonders engl'n Zusammcnhang dcr iiu13crsten Nordwcslcd(l' (Birscek, Schwarzbubcnland, Laurcnlal) miI dcm Elsass s. ScnL;iI'FEH, Basclland: bcs. S.193rr. (,Dcr spraehliehc Zusarnrnenhang Birscck-�Isass',.
E. E. MÜLLER ha.t in vorbildlicher Zusa.lllll1cnschau von Urkunden-, Wiirtcrbuch- und
Gegenwa.rtsll1ateria.l einc weitraul11ige, über dic Schwciz hina.usreichcnde Stufu ng
solcher ( Jord-)'Westerscheinungen sichtba.r gell1a.chtY
Inl1crhalb des Seh wei zcrdcu I schcn kornmt er aur Gntnd z. T. dcrsclbcn. z. T. wcilcrer Beispicle riir den Weslrand ZlI cincm Bild, das dcrn ul1srigcl1 (J(arlc 34) ill1 Gntndrhylhmus gut cnlsprichl: Bis ZUIlI Jural(all1ll1 siidlich von Bascl reichcn seinc (z. T. hercits nnr noch urlwndlichcn) I�iillc 8rolbeck 'Biickcr', /Jile ' Brctt", LW/llere 'Rcbspalicr'; bis ins Millcl- und Alpcnvorland (noch spurcnwcisc ra13bar) f,'iechle ' Fõhrc', cheirlle
'kcgcln', dic 2. Sg. rnil gcschwundcnclll -I (du bisch, hesch usw.); bis ins Bcntcr Obcrland lI'af/(I)e 'Wicgc'; bis ins Wallis (in kI.) 'I'riibel 'Wcinlraubc'.
In diesen Fiillen sieht ilIüLLER eine «Fortsetzung der oberrheinischen StalTeln ZUI11 Jura
hina.uf und liber den Jura hina.us nach Sliden ... Der Oberrhein scheint sprachliche
Neuerungen über seinen Bereich hinaus ins schweizerische i\1ittelland und gegen die i\lpen
hin getragen ZlI haben.')18 Die rheinische Stafl'e l landscha.ft selbst liil3t MÜLLER in
einer weiteren Reihe von Beispielen als Basis der we:tschweizerdeutschen erstehen:
15 Vgl. Eis. Wb. I 370 ZlI hiir t. - I�inc Übersieht iibcr dic Vcrhiiltnissc ill1 gcsamlcn dcutsehcn Sprachraum bictct KONIG, AlIas: S. 181, 183.
IG S. auch AL\UHEH, Obcrrhcincr: S. 202 und J<arlc 31. 17 �IÜLLEll, Wortgcschichlc: bcs. S. 123 rr. 18 A. a. O. S. 124.
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-
Schweizcrdeutsche ( Nord-)WestlandschaJten wie herbschte 'Weinlese haJten', La.ndere 'Reb
,palier', l'1'übel "Neintraube', Wag(l)e 'Wiege' reichen nach seiner Darstellung mindestens
bis zur Nordgrenze des Oberrheinisch-Westalemannischen; solche wie lii(ii)se ','Veinlese
halten' bis ins Rheinland; F'iechte 'Fiihre' lInd Schü;ü'I'e (fi.ir sonstiges si.idd. Stadel)
kontinllierlich oder mit - sekllndii,ren? - Li.icken gar bis nach Westralen und Niedersach
sen .19
In solchcm Znsammcnhang stclll i\!ÜI.I.EH (S. 128) crncnl anch rlie (hcnlc nur noch hochslalcmannischr) eiForrn dcr 2)3. Sg. von 'gehen', 'stchen' zur Disi<lIHsion: Sollle unscr hochstalcmannisches [Jeischt(/) Iflei/, s/eisch(/) I s/ei/'o der iibriggebliebenc Siidpfeilrr einer einst vom Siidrhcinfriini<ischcn bis in dic westliche Schwciz sich crsLrcci<elldcn Morphcmlandschaft sein, dic tcilwcisc durch jiingcrc l<'ormcn iibcrschichlel wordcn wiirc: 21 zucrst durch normalalcmallnischcs gaas/I (JiW/, s/aas/I s/aat (In\\". -00-), dann wenigstrns im I':lsiissischclI dnrch [Jeesll flee/, slees/I s/eei ?22
Fi.ir die meisten der im Vorangehenden besprochenen Fiille gilt in bezug au f die Schweiz
die Einschriinkung a,uf einen bald engeren balel breiteren Weststreifen, welcher den
Zusammenhang mit dem Oberrheinischen, bes. dem EIsiissischen, evident erscheinen liiI3t.
Neben diesen augenfiilligen Beispielen oberrheinisch-(nord)westschweizerdeutschen Zu
sammenhanges gibt es eine H.eihe von Ifiillen, wo ein Zusammenhang mit dem Oberrhein
wissenschaftlich zwar ebenfalls nachweisbar ist, dem schweizerischen Verbreitungsbild
nach aber weniger in die i\ugen fiillt: Das sind die Fiille, derell Geltungsbereich si.idlich des
H.heins mehI' oder weniger weit na.ch Osten allsschwingt, damit unsere WestjOst-Schranke
einholt oder ga,r i.iberholt und die mit ihrer Existenz eine der vVurzeln dieser Sehranke selbst
bloI3legen. Ein Beispiel hiefLir haben wir mit Linie 7 unserer ordwestkarte bereits beri.ihrt:
die Form cheigle 'kegeln' mit ihrem diphthongischen Stamlllvokal oder (im lVlittelberni
schen) des 'en sekundiir monophthongierten Abkiimmlingen, Weitere - lInd weiter
ausholende - Bei piele aus z. T. schon beri.ihrten ZlIsammenhiingen wiiren: die Extremver
dumpfungã > {j, fi.ir die wir au der helltigen Verbreitung und Helikten ein Ausschwingen bis
an den Südostrand von Ziirich lInd dari.iber hinau, bis an den Walensee und ins Seeztal
feststellen zu kiinnen glallbten; 23 die Dehnllng alter KlIrzvokale in offener Silbe, welche
19 i\, a. O. S.125, 20 Vgl. u. S, 154 nud «arte 57. 21 Übcr dcn allfiilligcn direklen Znsammcnhang mit dem in ahd. Zeil dnrch Otfrid bezcuglen siidrheinfrlinki
schcn, illl Mhd. fiir das Siidfriinkische, rfiilzischc, �Iosclfriinl<ische und Ripuarische belcgten ei-ParadiO'IIl<l s. auch BOESCII, rl<llndcnsprachc: S. 200. \\Tie �lüLLEH rcchnel auch er lIlil zcitwcisc stliri<crcr (urkundcnsprachlich Illcisl «I'crschwicgcncp.) Vcrbrcilung der ei-Formcn auch rhcinilllfwiirls und ihrrr nachlriiglichcn \Viedcrl'crdriingung im Elsass und illl schwriz. Nordwcslcn, wiihrcnd sic in Bcrn nnd illl \Vallis bcwahrl gcblicbcn wiircn. \Vichtig in dieselll Zusallllllenhang sind besonders die I'on 130Es(;n namhal"l gClllachtcn UrlOlndcnbelcge allS l3asel llnd Collllar.
22 Unt.er vorliiufigelll Vorbehalt sei in dicsclll ZlIsallllllcnhang 1IIIch die Übcrcinstil1ll1lllng dcr wcilcn wcslschwzd. Forl1lcnlandschaft lliir, dier 'ihr' (SDS 111 204) l1lit. dcm vom aargcbicl bis ZIII1l Rll!'in sich erslrcclwnden dir-l3ereich gcstclll: s. I3I1IJCII, Hobrrl (1%-1). i\ chcl'al sllr la fronlicrc lingnisliqllc: lin circllit franciqllc en Europe occidenlalc. In: Orbis 3.34--12, bes. 42 so\\'ie I(arlr 13 Linie 1\.
23 S. o. Abschn. 1.2.1 und I(artc D,
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nach den Kartcn SDS I [ 1-44 in manchen Füllen o ·twiirts den ganzen Aargau und die
Si.idhall'te von Zi.irich, südostwarts die Jord-, gelegentlich <tlIch dic Südhalfte von Luzern
und wechselnde Teile der Tnnerschweiz (l'ast immer mit Uri, meist ohne Glarus) über
deckt;24 die Wort.clIatzfiille Wâii�je '(Früchte-, Zwiebel-, Kase-) Kuchen'25 und, lIach
Osten wie Süden wcit ausstrahlelld, Laub{Wclce 'Soml1lersprossen'.2G Besonders kiar i·t die
Plattfol'm- und Vermittlcrfunktion des basleri ' ch-solothurnischen Nordwc
stens in den drei erstgenanllten Fa.llen. i'lIit cinigem Zogern stcllt E. E. M" LI,EH auch die
v\ einbauwol'ter <Hebackel', -gal'tell, -berg>, l'roUe 'Keltel", zwii(g)e 'pfl'opfen' hichel', bei
denen die ostlichen ](onkurrenten <Weingarten/'l\ illgcrt>, <Tol'keh an dcn àul3cl'sten
Ostrand gedriingt, illl Fali 'pfropfen' sogar ganz aus dCIll Südalemannischen verdriingt
worden sincl.27 Bei dcn umgelauteten Formen der 2./3. Sg. von 'haben' rckonstruiert
MÜLLER ga,r einc zweistufige Entwicklung: zunàch t (für die Prima.rumlautformen
hesch(t) 1 het) dell bekanllt'ell Vorstol3 aus delll oberrheillischen Gebiet ins Westschweizer
deutsche bis an (und leiclIt über) die Aare-Rcuss-Linic; dann über diese hinaus ills ostliche
Schweizerdeutsche, sofern dessen Sekullda.rullllautl'orlllen hi:isch.(t) 1 hiit wirklich als
Kontaminationsprodukt eines ursprünglichen - Illit dCIll Schwa.bischen übereinstimmen
den! - hãstl hãt-Pa.radigmas mit dem VOIll Westschwcizerdeutschen übernomlllenen
Primarumlautparadigllla aufzufassen sind.28 Auch der ei-Plural von 'haben' (hei) schcillt
im Schweizerdeutschen einst weiter nach Osten gereicht und i.iber die West/Ost-Schranke
hinalls tief in die eigcntliche Ostschweiz gedrungen Zll sein.29
Mit Recht wirft 11'1 Ü I,LEH 30 alll Bande die Frage au f, ob nicht wenigstens in Einzel füllen
statt mit oberrheinischen Nordsüdentwicklungen mit (nord)westschweizerdeutschen Süd
nordentwicklungen zu rechncn sei im Sinne von sich nordwii.rts ausbreitenden (und z. T.
dann sekunda.r rückla.ul'igen) <,Südalemannismerll>; das kitme vor allem in 13etracht für
Fãlle mit beschrànktcr Verbreitung im südlichen Elsass wie Urseli 'Gerstenkorn am
Augenlid'.31
4.3 Auf.lel'spl'achlichc Rin tCl'gl'iinde
a) Auf der Suche na.ch aul3ersprachlichen Hintergründen für die sprachliche Sonderstellung
des Nordwestens wird man zunàchst a,uf die natürl iche Orrenheit dieser LandschaJt
nach der oberrheinischen Ebene gewiesen, wie sie jede topographische Kal'te vergegenwàr-
24 HOT7.ENI(ÔCIIEIlLE, Hallll1strui<tur: Abb. 22, 23.
25 A. a. O. Abb. 20.
26 SDS 1 V 43. Zur allf.lcrschwcizcrisch-obcrrhcinischcn Vcrbrcitllllg dicscs \Vortcs s. ALA 1240.
27 �IÜLLER, Wortgcschichte: S. 127, Kartc 9.
28 A. a. O. S.126 r. Allders I3I,EI\mll, habclI/sein/tun: S. 214 rr.
29 Vgl. allch BI.EII(EIl, habell/scill/tllll: S. 226 rr.
30 MÜLLER, \Vortgeschichte: S. 126.
31 Vgl. SDS rv 53 / ALA 1 247.
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tigt; sie macht sprachliche Bcziehungen unsercs engeren (Ijllrassischcll» Bereichs zu der
Natur-, Geschicht. - und Sprachland chal't niirdlich I'on Basel auf den ersten Blick
vcrstandlich.32
b) Innerhalb dieses Rahmens bietet sich als einziger einigermaf3en bedeutungsvoller,
wahrcnd lüngerer Zeit wirksalller geschichtlicher Trager kultureller Beziehungen das
[<'ürstbistulll Basel an.33 1<:s ulllfRf3tC in wechselnder \usdrhnllng, z.T. zusamlllcn mit
angrenzenden Herrschal'ten, grof3e Tcilc lInserer jUnlssischen lInd einen nicht unbetrachtli
chen Teil der oberrhcinisch-elsassischen Sprachla.ndschaft IInd reichtc . üdwarts au l' jeden
Fali bis an den Bielersee.34
c) Au f die wirtsclml'tliche "\Virkllng Basels a.ls I ittclpunkt der Diiizese hat cindriicklich
wiecler E.E.i\'f"LLI!:n hingewicsen:35 Der Basler i\'fünzkreis , das Gebiet des Basler
Pl'ennig. oder (IStii.blers) (nach dem iVfünzbild des Bischol'stabs) cntspricht im 14. Jahrhun
dert (1l'ast genall dem des BistlllllS i m dell tschen Sprachgebiet): Der (,Rappen münzbund) galt
von Kolmar und Freiburg i. Br. über dic vorderiisterreichischen Gebiete im Elsass, Breisgau
und Fricktal bis in unsere (,jurassischen) Gegenden; er bestimmte das Münzwesen in seinem
Geltungsbereich von 1399-1583.36 Welche wirtschal'tliche und sogar politische Bedeutung
den spatmittel,tlterlichen l\lünzkreiscn zukam, ist in iihnlichem Zusammenhang - alll
Pamllell'all Zürich - oben S.62 eriirterL worden; E. K i\'lü LLEH 31 weist zusatzlich êlll I' die
Rolle des Basler i\Jünzkreise' l'ür die Regelung von 1\[af3 und Gewicht hin. Die neuere
Entwicklung seit 1798 hat I'l'cilich von diesem ganzcn auf3crsprachlichcn Rahmenwerk
nichts übriggelassen; die Sprache ist auch hier seine letzte lebende SpUI'.
32 Bcrcits li rgcseh i eh t I i eh c ZlIsal11l11cnhiingc bclcgt Vor;'I', Urgcsehichtliehc Sicdlllngsgrcnzen. 33 Übcr dic - wohl rccht bcsehriinktc - allriillige Wirksal11kcit dcs Zii h ri ngcr \\1 aeh tbcrci e hs in dcr I<lIrzcn
Spannc ihrer HelTsehart (l?rcibllrg i. 131'. / Freibllrg i. Ü., Filiation dcs I,'rcibllrgcr Stadtreehts VOI11 Obcrrhein bis naeh Sll1'oicn) s. �1"I.I.EIl, Wortgcschiehtc: S. 133 r.
34 . ber dic wcehselndcn Grcnwn des Fiirstbistnl11s l3ascl bis 1798 oricnticrcn z. l3. dic ](llrlcn HAS 13 (liin
1300), 29 (1474), 30 (1515), 33 ( 1536-1798). Vgl. allch SCIII. XI'I'EH, l3asclland: Kartc 5; �IAUHEIl,
Obcrrhcincr: ](arten 7, J4, Tcxt S. ü7 (AlIr Hartc 7 bes. dClltlich die A\lsdehn\lng nordwiirts ins 1�lsass). 35 MÜ I.I.EH, Wortgeschichtc: S. 80.
36 A. a. O. S. 39 r. Vgl. allch I"EI.I. EH. Gcsch. I3cl'lls: I 30/37.
37 \\1 ÜI.I. EH, Wortgcschichlc: S. 80.
77
Ka rte 34
'sagen' / 'sagen' : II 87, 44
saage ( 'sagen ' ) / siiá'ge ( 'sagen ' ) 00000000000000000000000000000000000 sii(ii)ge ( 'sagen ' ) / sa(a)ge ( 'sagen ' ) a
2 der Rückstand beim Auslassen von Butter:
Ankcheschiiiirede * * * * * * * * * * * Ankcheruume
der Klemmflecken am Finger :
B/uetstropf(e)
V 1 85
IV 47
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * Toot(e)b/üete(ne), -b/üeter, B/uetb/aatere, -b/iiiiterli, b/uetunterlauffe, Ch/emmb/aatere u .a .
d ie Frostbeule: IV 61
( Winter )gfrü(ü) (r )sch (t), (-)gfrü(ü) (r )schti * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * (Winter )gfro( o) ri, (-)gfro(o)rni
der Zahn :
Zaan * * * * * * * * * * Zaa, Zand, Zang
3 Dehnung von mhd. a in 'Gabel' :
Gaab/e • • • • • • Gab/e
4 Fort is ierung von b in 'Garbe':
Garpe
Garbe
5 Zusammenfall von mhd. d/t i m Anlaut ( 'Deckel', 'Tag ' ) :
Decke/, Daag
Tecke/, Taag
6 aobd. iu in 't ief:
tief
tüüf, toüf
7 kegeln :
cheig/e, cheeg/e ( < ei), cheigg/e
cheg/e
a siiá'ge für 'sagen' in SO 1 , B E 2-4.
IV 1 9
II 4
II 1 70
II 1 64, 1 6 5
I 1 34
V 95
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