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10 «ICH TRÄUME DAVON, MIT DEM PFERD HOHE SPRÜNGE ZU MACHEN.» Lili, 10 « ICH TRÄUMTE DAVON, REDEN ZU DÜRFEN.» Trudi, 91 Kindheit damals und heute: Urgrosseltern und ihre Urenkel erzählen.

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« ICH TRÄUME DAVON, MIT DEM PFERD HOHE SPRÜNGE ZU MACHEN.» Lili, 10

« ICH TRÄUMTE DAVON, REDEN ZU DÜRFEN.» Trudi, 91

Kindheit damals und heute: Urgrosseltern und ihre Urenkel erzählen.

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Trudi Schwyn wurde 1921 in Schaffhausen geboren, ihre Urenke-lin Lili Siriwetchaphan 2003 in Zürich. Trudi Schwyns Vater war Fabrikarbeiter, ihre Mutter Hausfrau. Nach der KV-Ausbildung arbeitete sie bei Orell Füssli in der Annoncenabteilung, später bei der Emil Frey AG. Lilis thailändischer Vater hat in Zürich die Cateringfirma thaiKo gegründet, ihre Mutter arbeitet bei einer Marketingfirma. Lili kommt in die vierte Primarklasse in Zürich.

Was siehst du auf deinem Schulweg?Lili: Ich sehe nicht viel, weil ich mit dem Trotti in die Schule düse. Okay, ich sehe Strassen, Autos, Menschen. Ich fahre am Schul-haus meines Bruders vorbei. Es hat Gebüsche.Was haben Sie auf Ihrem Schulweg gesehen?Trudi Schwyn: Ich hatte keinen Schulweg. Zur Schule waren es nicht mal hundert Meter. Wir lebten mitten in der Schaffhauser Altstadt.Wer war Ihre beste Freundin, als Sie ein Kind waren?Trudi Schwyn: Ein Bauernmädchen, Hedi Bolli. Sie lebt noch. Wir haben immer zusammen die Hausaufgaben gemacht. Sie möchte, dass ich sie einmal besuche, aber ich komme einfach nicht dazu.Hast du eine beste Freundin, Lili?Lili: Ich habe mehrere Freundinnen, keine ist die beste.Welches Haustier hast du?Lili: Zwei Meerschweinchen. Ich muss ausmisten, die Goodies muss ich selber bezahlen, das normale Futter kaufen meine Eltern.Welches Haustier hatten Sie in Ihrer Kindheit?Trudi Schwyn: Wir hatten Hasen. Die Hasen waren Nutztiere. Man hat sie getötet und gegessen, das störte mich nicht. Es war normal. Futter kauften wir nicht. Ich musste auf den Wiesen Gras ausreissen, damit die Hasen zu fressen hatten.Sind Sie noch daheim auf die Welt gekommen?Trudi Schwyn: Ja. Mehr weiss ich nicht. Man sprach nicht dar-über. Mein Mann hat, als er in der dritten Klasse war, zu seinen Eltern gesagt: «Das stimmt gar nicht mit dem Storch. Die Kinder wachsen im Bauch der Frau.» Da hat er links und rechts ein paar an die Ohren gekriegt. In der dritten Klasse! Heute müssen Sie mal einen Drittklässler fragen, der weiss schon fast zu viel.Wie war es, als du auf die Welt gekommen bist?Lili: Ich war im Spital, man hat mich gebadet. So haben die Eltern es mir erzählt.Warum haben deine Eltern deinen Namen ausgesucht?

Lili: Zuerst wollten sie mich Mina nennen, mit der Betonung auf der zweiten Silbe, wie im Thailändischen. Aber sie wussten, dass alle Mina sagen würden, wie man es hier sagt. So kamen sie auf Lili. Das ist ein alter Name, es gibt ihn nicht mehr so häufig.Warum haben Ihre Eltern Ihren Namen ausgesucht?Trudi Schwyn: Ich heisse Marie-Gertrud. Gertrud war der Wunschname meines Vaters, meine Mutter fand, es müsse eine Marie her. Sie hiess selber Marie. Gertrud war damals ein ganz moderner Name. Heute muss man lachen, wenn man ihn hört.Was konnte Ihr Vater besonders gut?Trudi Schwyn: Im Winter war unsere Stube eine Werkstatt, der Vater hat gesägt, gehobelt, geschraubt. Früher rief man nicht den Handwerker – ein Mann musste alles können. Mein Vater konnte gut schreinern.Was kann dein Vater besonders gut?Lili: Zwei Sachen. Megafein kochen. Und er kann flicken. Er flickt alles, Spielsachen, Autos, auch von anderen Kindern.Was kannst du besser als deine Eltern?Lili: Reiten.Was konnten Sie besser als Ihre Eltern?Trudi Schwyn: Ich hatte einen guten Kopf, konnte fehlerfrei schreiben. Wenn etwas geschrieben werden musste, sagten die Eltern zu mir: Mach du das!Haben Sie in Ihrer Kindheit im Haushalt mitgeholfen?Trudi Schwyn: Ich musste abstauben. Das hasste ich. Ich fand es sinnlos, ich hatte nichts gegen Staub. Aber ein Klafter Holz spalten, die Hasenställe ausmisten – die groben Sachen habe ich immer gern gemacht.Hilfst du im Haushalt mit?Lili: Ein bisschen. Manchmal räume ich das Zimmer meines Bru-ders auf. Das eigene nicht. Das eigene Zimmer aufräumen ist, als würde man etwas kaputtmachen. Das begreifen die Eltern nie.Hast du ein Geheimnis?Lili: Nein. Das heisst: doch. Aber ich möchte es nicht sagen.Hatten Sie als Kind ein Geheimnis?Trudi Schwyn: Ich hatte viele Geheimnisse. Ich konnte nicht alles den Eltern sagen. Wir Kinder hatten oft den Bauch nicht voll. Schlank blieb man früher von allein. Bin dann herumgestrichen, in den Feldern, Gärten, habe Erdbeeren geklaut, Tomaten, Äpfel. Wir Kinder wussten immer, wo etwas reif war. Diese Räubertou-ren waren ein Abenteuer, ein richtiges Vergnügen. So was reibt man den Eltern nicht unter die Nase.

Wovor hatten Sie in Ihrer Kindheit Angst?Trudi Schwyn: Vor den Schlägen des Vaters. Wenn etwas auskam, sagte die Mutter: Am Abend nimmt dich der Vater dran. Und der hat uns dann zünftig verdroschen.Wovor hast du Angst?Lili: Okay, wie soll ich es sagen? Ich stehe auf einen Jungen. Und muss ihn fragen. Die anderen Mädchen lümmeln um mich herum und sagen: Machs! Hey! Frag ihn! Dabei habe ich eine Megaangst.Welchen Film magst du ganz besonders?Lili: Die Teeniekomödie «Mädchen, Mädchen 2».Welchen Film mochten Sie als Kind?Trudi Schwyn: Der Coop hat ab und zu im Restaurant einen Film gezeigt, gratis. Das waren Landschaftsfilme ohne jede Handlung. Ein Mann, der durch die Berge wandert mit einem Hund. Eigent-lich nur langweilig. Aber für uns Kinder wars trotzdem aufregend. Bilder, die sich bewegten!In wen hätten Sie sich als Kind für einen Tag verwandeln wollen?Trudi Schwyn: In jemanden, der reist. Ich wäre gern jemand gewesen, der zum Beispiel eine Schifffahrt machen kann.In wen möchtest du dich für einen Tag verwandeln?Lili: In meinen Bruder. Und er müsste dann ich sein. Dann würde er mal erleben, wie es ist, wenn man immer nachgeben muss. Ich muss immer nachgeben, wenn wir streiten. Wenn ich er wäre, müsste ich mal nicht nachgeben. Das wärs.Möchtest du einmal Kinder haben?Lili: Ja, aber nur adoptierte. Meine Mutter sagt, Gebären ist anstrengend, du verlierst viel Blut, und es tut megaweh.Wollten Sie Kinder haben?Trudi Schwyn: Als ich aus der Schule kam, wusste ich, dass ich einmal eine Familie mit Kindern haben wollte.Was, dachten Sie als Kind, würden Sie tun, wenn Sie erwachsen sind?Trudi Schwyn: Lehrerin werden! Das war mein grosser Traum. Das ging nicht, weil es jeden Monat dreissig Franken gekostet hätte. Und arme Leute, wie wir es waren, bekamen nur dann ein Stipendium, wenn die Schülerin hochbegabt war. Ich war sehr gut, aber nicht hochbegabt. Dann wollte ich Köchin werden. Aber es hiess: Du bist zu dünn, um die schweren Pfannen zu halten. Dann: Turnlehrerin, das ging auch nicht. Meine Mutter sagte: Du wirst heiraten, du brauchst keine Ausbildung. Aber mein Vater war ganz entschieden: Meine Mädchen lernen etwas! Heute würde ich mich für Innenarchitektin entscheiden, aber ich glaube, es ist definitiv gelaufen.Was machst du, wenn du gross bist?Lili: Unterstufenlehrerin und Bäuerin, beides gleichzeitig. Ich korrigiere gern. Kleine Kinder um mich herum und viele Tiere, das stelle ich mir cool vor.Was macht dich traurig?Lili: Wenn ich nachgeben muss.Was machte Sie traurig?Trudi Schwyn: Traurig machte mich, wenn ich hörte, wie die Eltern sich stritten. Wir lagen im Bett, aber gehört hat man es doch. Ich war traurig, weil ich dachte: Was, wenn es auseinander-geht?Worüber hätten Sie in Ihrer Kindheit gern mehr gewusst?Trudi Schwyn: Ich hätte gern mehr über Sex gewusst. Das Un-wissen war gross. Ich kannte nicht einmal die Tatsachen. Als ich mit zwölf die Periode bekam, sagte ich nach einer Woche zur Mutter: Du, ich habe Durchfall. Sie antwortete, sie müsse mich aufklären. Sie verkündete: Nun darfst du nie etwas mit einem

Mann haben! Das war alles. Das war meine Aufklärung. Ich ver-stand nichts. Ich begriff nicht mal, warum ich es nicht verstehen konnte.Worüber möchtest du gern mehr wissen?Lili: Über Nico. Er geht mit mir in die Klasse. Sie dürfen das ruhig schreiben, er weiss es eh schon.An welchen Traum erinnerst du dich?Lili: Ich habe geträumt, ich bin in der Stadt, alles ist alt, wie vor hundert Jahren, und Katherine ist da, die Stadtführerin. Ich habe eine Vogelspinne dabei … megakomischer Traum! Und ich bin weggerannt, da bin ich erwacht. Ich habe das Licht angemacht und überall nach Spinnen gesucht.An welchen Traum erinnern Sie sich?Trudi Schwyn: Ich habe traumlos geschlafen. In der Schule muss-ten wir mal einen Aufsatz schreiben über einen Traum. Ich hatte nichts. Also erfand ich irgendetwas, und der Lehrer schrieb dar-unter: «Etwas mager». Später, als ich Mutter war, träumte ich, vor allem Angstträume. Zum Beispiel, dass ich auf einem Berg bin und eins der Kinder runterfällt.Was war Ihnen einmal sehr peinlich?Trudi Schwyn: Das, was mir als Kind peinlich war, durfte ich nicht sagen. Von der Heilsarmee hatte ich eine alte Gitarre bekommen, man schickte mich zu einem Mann, der mir zeigen sollte, wie man darauf spielt. Der Mann fasste mich an, ich wollte danach nicht mehr hin. Ich durfte es niemandem sagen. Hätte ich es zu Hause erzählt, hätte man mit mir geschimpft. So war das damals. Das war eine Peinlichkeit, über Peinliches durfte man nicht reden.Was war dir einmal sehr peinlich?Lili: Vor kurzem, in einer Mensch-Umwelt-Prüfung, es war ganz still im Schulzimmer, da habe ich gefurzt. Alle haben gelacht.Was würdest du gern richtig gut können?Lili: Ich träume davon, mit dem Pferd hohe Sprünge zu machen.Was hätten Sie in Ihrer Kindheit gern richtig gut gekonnt?Trudi Schwyn: Reden! Ich träumte davon, reden zu dürfen. Ich hätte gern etwas vorgetragen, ein Gedicht gemacht. Zu Hause musste ich immer schweigen. Am Tisch sowieso. Kinder hatten früher nichts zu sagen. Das war normal. Ich habe erst als Erwach-sene gelernt, mich mitzuteilen. Diese sprachlosen Kinder, die es damals überall gab. Manchmal treffe ich heute Leute, und die loben dann die gute alte Zeit. Was für ein Mist. Es war nicht bes-ser früher, es war schlechter.Welches Schimpfwort gefiel Ihnen?Trudi Schwyn: Alle Schimpfwörter, die für mich neu waren, haben mir gefallen. Rassige, zackige Schimpfwörter. Gopfer-tammi. Herrgottsack. Aber geflucht haben früher nur die Erwach-senen. Für Kinder war das tabu, für Mädchen sowieso. Ich habe den Fluchern immer gern zugehört.Gibt es ein Schimpfwort, das dir gefällt?Lili: Idiot. Das sage ich manchmal zu meinem Bruder. Mehr liegt nicht drin.Wann bist du glücklich?Lili: Beim Reiten.Wann waren Sie als Kind glücklich?Trudi Schwyn: Wenn wir Besuch hatten. Es wurde spät, ich lag im Bett und hörte sie reden und lachen, da war ich glücklich.

Bilder TOM HALLER

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Willi Fischbacher wurde 1925 in dem kleinen Weiler Ebersol im Kanton Sankt Gallen geboren, sein Urenkel Ian Fischbacher 2006 in Kilchberg. Willi Fischbachers Mutter starb kurz nach seiner Geburt. Er wuchs allein mit seinem Vater auf, einem Alpknecht und Tagelöhner, und wurde später Bankmetzger in diversen Grossmetzgereien. Ians Vater ist Informatiker, die Mutter Ver-kaufsberaterin Papeterie. Ian kommt nach den Sommerferien in die zweite Primarklasse in Bachenbülach.

Glaubst du an den Weihnachtsmann?Ian: Natürlich glaube ich an den Weihnachtsmann. Weil ich ihn gesehen habe, als wir in Finnland waren.Haben Sie an den Weihnachtsmann geglaubt?Willi Fischbacher: In der Sonntagsschule haben sie erzählt, dass es ihn gebe. Ich fragte den Pfarrer, ob er es beweisen kann. Da hat er mich geohrfeigt.Glaubten Sie an Gott?Willi Fischbacher: Damals ja. Ich habe ihn mir vorgestellt als einen Geist, irgendwo da oben. Aber fromm war ich nicht, ich war schon immer ein Skeptiker.Glaubst du an Gott?Ian: Ich glaube nicht an Gott, er ist ja gestorben, also kann er keine Wünsche mehr erfüllen.Was isst du am liebsten?Ian: Spaghetti carbonara, so, wie sie mein Mami kocht. Ich esse sie immer nur zu Hause und in diesem einen Restaurant in Finn-land.Was haben Sie als Kind am liebsten gegessen?Willi Fischbacher: So etwas wie ein Lieblingsessen kannte ich nicht. Mein Vater war mit mir allein, ich bin zehn Jahre jünger als die anderen fünf Geschwister, meistens kochte er. Es gab gekochte Kastanien oder Holderzunge, das ist Holundermus mit Butter, das habe ich direkt aus der Schüssel gegessen. Es wurde gegessen, was auf den Tisch kam.Was nervte Sie an Ihrem Vater?Willi Fischbacher: Er arbeitete nicht gern, das fand ich nicht in Ordnung.Was nervt dich an deinem Vater?Ian: Dass er mir manchmal verbietet, Videospiele zu spielen.Wie sieht dein Zimmer aus?Ian: Ich habe ein Zimmer für mich allein, im oberen Stock der Wohnung. Ich habe ein Hochbett, das habe ich mir so ge wünscht. Ich habe zwei Schrägfenster im Dach und ein ganz grosses. Es ist immer hell und warm. Das Bad muss ich aber mit der Schwester teilen.Wie sah Ihr Zimmer aus?Willi Fischbacher: Ich hatte ein Bett mit Laubsäcken als Matratze, es war stockdunkel abends, wir hatten weder Strom noch fliessend Wasser. Wasser gab es draussen im Brunnen, im Winter mussten

wir erst das Eis zerschlagen, ehe wir uns waschen konnten. Es war nicht geheizt im Winter, ich wohnte in einem alten Bauernhaus auf der Alp. Ich habe das Zimmer für mich allein gehabt, weil die anderen alle schon aus dem Haus waren.Hatten Sie ein Ritual vor dem Schlafengehen?Willi Fischbacher: Im Sommer haben wir uns manchmal die Füsse gewaschen vor dem Zubettgehen, draussen, im Brunnen vor dem Haus.Hast du ein Ritual vor dem Schlafengehen?Ian: Ich schaue immer fern, manchmal allein, manchmal mit meiner Schwester oder der Familie. Wir schauen dann Super RTL bis um acht, dann muss ich ins Bett.Bekommst du Sackgeld?Ian: Ja, einen Franken in der Woche. Wenn ich dann in die zweite Klasse komme, bekomme ich zwei Franken in der Woche. Ich gebe nie etwas davon aus, ich spare alles für ein Eishockey-Libli. Ich will mir zehn davon kaufen.Bekamen Sie Sackgeld?Willi Fischbacher: Von meinem Vater gab es kein Geld. Aber an einigen Sonntagnachmittagen konnte ich bei der Holzkegelbahn in der Gegend Kegel aufstellen, das brachte mir zwanzig Rappen ein. Damit ging ich in die Bäckerei und kaufte mir eine Creme-schnitte. Ich habe immer alles sofort verbraucht.Ihre schönsten Ferien als Kind?Willi Fischbacher: Wir sind nie in die Ferien gefahren. So etwas gab es früher nicht.Deine bisher schönsten Ferien?Ian: Als wir vor zwei Jahren in Dubai waren, mit der ganzen Familie. Dort konnten wir mit dem Gummiboot durch die Was-serkanäle fahren, das war total cool.Willst du mal heiraten?Ian: Ja, sicher. Warum, weiss ich nicht. Aber ich will auch mal Kinder haben. Zwei. So wie wir.Wollten Sie heiraten?Willi Fischbacher: Davon wusste ich damals noch nichts. Auch von Mädchen nicht. Ich bin erst nach der Lehre so richtig aufge-wacht.Was haben Sie am liebsten gelesen?Willi Fischbacher: Wir hatten einen Appenzeller Kalender, für jeden Tag im Jahr. Sonst hatten wir keine Bücher, und Kinder-bücher kannte man sowieso nicht.Was liest du am liebsten?Ian: Mein Lieblingsbuch ist «Globi und die Pirateninsel», das habe ich zusammen mit der CD geschenkt bekommen. Ich weiss aber nicht mehr, von wem.Das beste Geburtstagsgeschenk, das du je bekommen hast?Ian: Mein Eishockey-Goal, das ist über einen Meter hoch. Das steht in meinem Zimmer, so kann ich immer Hockey spielen.Das beste Geburtstagsgeschenk, das Sie als Kind bekamen?

« ICH ESSE AM LIEBSTEN SPAGHETTI CARBONARA. ICH ESSE SIE NUR ZU HAUSE UND IN DIESEM EINEN RESTAURANT IN FINNLAND.» Ian, 7

« ES GAB GEKOCHTE KASTANIEN ODER HOLUNDERMUS MIT BUTTER. ES WURDE GEGESSEN, WAS AUF DEN TISCH KAM.» Willi, 87

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Heidi Berli lebt in Egliswil, ihr Urenkel Linus Kneubühl in Burgdorf. Aufgewachsen ist Heidi Berli in Kröschenbrunnen im Emmental, ihr Vater war Zimmermann. Mit ihrem Mann hatte sie einen Kleinbauernhof, er arbeitete daneben als Forstwart. Berlis Urenkel Linus kommt nach den Sommerferien in die zweite Klasse. Sein Vater ist typografischer Gestalter, seine Mutter, eine gelernte Hochbauzeichnerin, Hausfrau.

Wo versteckst du dich am liebsten?Linus: Hinter dem grossen Busch im Garten, dort ist mein Geheimversteck. Wo haben Sie sich am liebsten versteckt?Heidi Berli: Wir hatten viele Verstecke. Wir wohnten in einem grossen Haus, einer ehemaligen Gerberei. Im Stall im Erdge-schoss hielt der Hausmeister ein paar Kühe. Da gab es einen Schopf, Winkel unter Treppen oder bei den drei Plumpsklos. Aber mein liebstes Versteck war mein Bett.Was haben Sie als Kind am liebsten gespielt?Heidi Berli: Bällelet auf der Hauptstrasse zwischen Bern und Luzern, die an unserem Haus vorbeiführte. Heute wäre die zu stark befahren. Oft mussten wir dem Ball hinterherspringen, wenn er in die Ilfis, den Bach, rollte. Wir spielten auch gern Lumpen-legis oder Fangis. Ich habe mir immer ein Bäbi ge wünscht, aber dafür hatten wir kein Geld. So nahm ich halt ein schönes Holz-scheit zum Bäbele, das ich dann gebettet habe.Was spielst du am liebsten?Linus: Mit meinen kleinen Lego, den Lego Technic. Ich habe gerade einen Helikopter und einen Bagger gebaut. Wie heisst deine Lehrerin?Linus: Frau Pia Rieben.Wie hiess Ihre Lehrerin?Heidi Berli: Frölein Joss. Anna zum Vornamen. Sie hat mit Albert Schweitzer korrespondiert, dem Tropenarzt in Afrika. Sie schickte

ihm gedörrte Bohnen oder nähte weisse Höschen, schön muss-ten die nicht sein, hat sie gesagt, nur praktisch. Er kam sie sogar einmal besuchen bei uns in Kröschenbrunnen im Emmental.Hatten Sie ein Zimmer für sich allein?Heidi Berli: Nie. Wir waren sechzehn Kinder, zehn Knaben und sechs Mädchen. Eigentlich siebzehn, das erste Mädchen starb als Kleinkind, warum, das wusste meine Mutter nicht mehr recht. Sogar im Elternschlafzimmer standen zwei weitere Betten für uns Kinder. Wir schliefen zu zweit oder zu dritt in einem Bett, jemand legte sich noch quer unten zu den Füssen.Hast du ein Zimmer für dich allein?Linus: Ja. Meine Brüder Noel und Aamon müssen sich eines tei-len. Meines ist dafür auch das Spielzimmer, aber ich möchte das Spielzimmer abgeben. Es ist mühsam, wenn ich am Morgen aufstehe und auf Lego trete oder auf einer Fahne am Boden aus-rutsche. Auch Aamons Nuscheli im Bett habe ich nicht so gern. Ich gehe manchmal in Mamas und Papas Schlafzimmer spielen, die Legokiste hat gäbig Platz auf ihrem Bett.Hast du ein Haustier?Linus: Nein. Mama möchte Schildkröten, Papa ist dagegen.Hatten Sie Haustiere?Heidi Berli: Wir hielten Kaninchen, zum Essen. Und Katzen hatten wir immer viele, wegen der Mäuse. Ich erinnere mich, wie eine Katze jeweils an die Ilfis Fische fangen ging. Da sagte mein Vater: Wir brauchen keine Katze, die fischt. Die Katze musste darauf ihr Leben lassen, die Arme.Haben Sie Ihrer Mutter im Haushalt geholfen?Heidi Berli: Ja. Kochen, abwaschen, abtrocknen. Ich habe mich oft mit meiner Schwester gestritten, weil keines der Kinder gern abtrocknete. Einmal stellte sie die Teller, die ich abtrocknen sollte, nicht umgekehrt hin, so versorgte ich sie nass im Schrank. Das gab ein Donnerwetter. Wir Älteren mussten natürlich auch die Kleinen hüten.

Willi Fischbacher: Ich habe nie eines bekommen. An Weihnach-ten kamen meine Brüder heim, die schon ausgezogen waren, dann gabs ein Fest. Sie brachten meinem Vater wohl Geld mit, aber für mich blieb nichts mehr übrig.An welchen Ort wollten Sie als Kind reisen?Willi Fischbacher: Ich wusste nichts vom Reisen, ich kannte nur den Ort, an dem ich war. Ich sah nur auf der Landkarte in der Schule, dass es ausserhalb noch etwas gab. Unser Weiler war mir genug.An welchen Ort auf der Welt möchtest du reisen?Ian: Ich will nach Spanien, da war ich bisher nur einmal, und ich war zu klein, um mich heute noch zu erinnern. Ich will in Spanien einen Fussballmatch schauen, wo Real Madrid spielt.Hast du einen besten Freund?Ian: Ich habe vier beste Freunde. Mit denen spioniere ich die Mädchen aus, wir schauen dann, was sie machen auf dem Pau-senplatz oder in der Schule. Und manchmal rennen wir dann vor ihnen weg, wenn sie uns fangen wollen.Hatten Sie einen besten Freund?Willi Fischbacher: Ich war oft mit dem Buben des Lehrers zusam-men, der hatte ein Velo, darauf habe ich gelernt zu fahren, in der dritten Klasse. Selbst hatte ich nie eines. Wir haben auch Fische gefangen, im Bächli, obwohl das verboten war.Wie lange war Ihr Schulweg?Willi Fischbacher: Eine Stunde zu Fuss, im Winter sind wir den Weg mit den Skiern gefahren, den steilen Hang runter.Wie lange ist dein Schulweg?Ian: Acht Minuten zu Fuss. Ich habe ein Fahrrad, aber wir dürfen damit nicht zur Schule fahren, weil es zu wenig Veloplätze gibt, das hat die Schulleitung verboten.Was ist dein Lieblingsfach?Ian: Sport, weil ich mich da austoben kann. Basteln mag ich nicht, da muss man immer stundenlang dran rummachen, bis man etwas fertig hat.Was war Ihr Lieblingsfach?Willi Fischbacher: Am liebsten mochte ich die Pause. Und sonst Turnen und Lesen, im Rechnen war ich nicht gut. Ich war sowieso kein guter Schüler.Ihr Traumberuf, damals?

Willi Fischbacher: Ich hatte keinen Berufswunsch, man hat ein-fach gebauert. Man hat gearbeitet, was man halt grad musste.Dein Traumberuf?Ian: Ich will Eishockeyprofi werden, bei den Vancouver Canucks. Ich war schon oft in Kanada, jetzt im Sommer gehen wir wie-der dahin in die Ferien. Das finde ich cool.Gehst du in die Kirche?Ian: Nein, nie, auch nicht in die Sonntagsschule.Gingen Sie in die Kirche?Willi Fischbacher: Ich ging nur, wenn ich musste. Ich bin in die Sonntagsschule gegangen. Es war ein anstrengender Weg hinab zur Kirche, zwei Stunden Fussmarsch waren das. Und als ich dann ankam, wurde mir vom Weihrauchgeruch immer schlecht.Was sind Ihre Stärken?Willi Fischbacher: Ich habe eigentlich alles an mir gemocht. Ich würde sagen, ich konnte gut Ski fahren. Und ich war ein mutiger Bub.Was sind deine Stärken? Ian: Eishockey und Fussball. Und dass ich mutig bin.Warst du mal traurig?Ian: Ich habe einmal geweint, weil meine Schwester mich geschla-gen hat. Aber sonst bin ich nie traurig.Waren Sie mal traurig?Willi Fischbacher: Traurig war ich nie. Ich hatte keinen Grund, traurig zu sein. Ich habe überhaupt nichts vermisst. Und meine Brüder kannte ich kaum, das waren Fremde, die ab und an zu Besuch kamen.Welcher Ort im Haus war Ihr Lieblingsplatz?Willi Fischbacher: Ich war gern bei der Scheune, im Heuboden. Im Winter sass ich allein dort oben und habe Schiitli geschlagen, obwohl ich nicht durfte. Das hat mich gereizt.Welcher Ort in der Wohnung ist dein Lieblingsplatz?Ian: Mein Zimmer. Dort kann ich Unihockey spielen. Obwohl ich nicht oft allein sein will. Ich bin am liebsten bei meiner Familie.

« MANCHMAL HABE ICH GEDACHT: HÄTTE ICH EINE ANDERE MUTTER, HÄTTE ICH ES BESSER. DAS MACHTE MICH TRAURIG.» Heidi, 82

« KÜRZLICH BRACH DIE KUPPLUNG VON EINEM LEGO-ANHÄNGER. DAS MACHTE MICH TRAURIG.» Linus, 7

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Hilfst du manchmal im Haushalt?Linus: Ich helfe den Tisch decken oder abtrocknen. Früher habe ich auch unter dem Tisch aufgewischt, dafür erhielt ich dann pro Mal zehn Rappen. Manchmal schickt mich Mama in den Den-ner Milch kaufen, gibt es Fünferli zurück, darf ich die zum Dank behalten.Kocht dein Papa manchmal?Linus: Papa macht nur Fondue, das kann Mama nicht so gut. Papa kann besser basteln als kochen.Haben Sie manchmal mit Ihrem Vater gekocht?Heidi Berli: Mein Vater schaute in der Küche nur zu, am Sonntag probierte er dann gern die Fleischsuppe. Wenn ich kochte, sagte er: Die Mutter macht es anders. Einmal wurde ich so wütend, dass ich ihm davonlief. Das ertrug ich nicht, er selber konnte es ja nicht besser. Er war sonst aber ein Guter.Was hat Sie an Ihrer Mutter geärgert?Heidi Berli: Eigentlich nichts. Es hat mich nur manchmal be-elendet, wenn ich sah, wie sie sich sorgen musste. Doch: Einmal wollte sie mich nicht in den Ausgang gehen lassen, so mit sech-zehn, als ich mit der Schule fertig war. Ich versuchte es durchzu-stieren, bis sie sagte: Geh nur – und ich sah die Tränen in ihren Augen. Da ging ich nicht. Sie erzog mich damit mehr, als wenn sie gchiflet hätte. Ich wollte ihr nicht wehtun.Was ärgert dich an deiner Mama?Linus: Wenn sie am Abend sagt, ich müsse ins Bett gehen, und ich nicht will. Komisch, dafür will ich am Morgen immer im Bett bleiben.Wohin seid ihr das letzte Mal auf Schulreise gegangen?Linus: In den Tierpark Dählhölzli.Wohin gingen Sie auf Schulreise?Heidi Berli: Es war üblich, in der Unterschule einmal nach Bern, Luzern und in die Beatushöhlen zu gehen. Die schönste zwei-tägige Schulreise in der Oberschule war jene auf die Kleine Scheid-egg, wir übernachteten auf dem Faulhorn.Wie verbrachten Sie die Sommerferien?Heidi Berli: Oft ging ich zu einer Tante, um auf deren Bauernhof zu helfen. So war zu Hause eines weniger am Tisch. Ich war gern dort, ich bekam mehr Beachtung, sie waren nur sechs Kinder, ich wurde mit Essen verwöhnt.Was machst du in den Sommerferien?Linus: Wir waren zweimal nacheinander in Korsika. Dieses Jahr gehen wir ins Tessin und an den Rheinfall, dort möchten wir in einem Schloss übernachten.Was möchtest du mal werden?Linus: Ich bin mir nicht so sicher. Tschütteler vielleicht.Was wollten Sie werden als Kind?Heidi Berli: Bäuerin. Und ich bin es geworden.Was war Ihr Lieblingsgericht?Heidi Berli: Erbsensuppe. Aber ich mochte auch die Rösti, die es zum Zmorge und Znacht gab.Was ist dein Lieblingsgericht?Linus: Lasagne.Was isst du nicht gern?Linus: Linsen. Ich muss sie trotzdem essen.Was haben Sie nicht gern gegessen?Heidi Berli: Wenn die Mutter Apfelschnitze in die Rösti schnet-zelte, dann weinte ich beinahe. Die Mutter schöpfte dann extra vorher einen Teller nur mit Rösti für mich. Chrut und Rüebli, alles durcheinander, das hatte ich nicht gern.Was für Streiche haben Sie gespielt?

Heidi Berli: Als ich klein war, hänselten mich die Kinder meiner Tante mit den Spitzen der Bohnen, die wir rüsten mussten. Sie wollten sie mir in den Mund schieben und sagten, das sei eine Schnecke. Später rächte ich mich bei meinem Cousin, als er auf dem Feld Pfosten einschlug. Ich schlich von hinten heran und stiess ihm eine Schnecke in den Mund, diesmal eine echte.Was für Streiche spielst du?Linus: Wenn ich Noel loshaben will, sage ich ihm: Dort und dort ist ein Schatz versteckt. Dann geht er ihn suchen, und ich gehe in mein Geheimversteck. Oder ich sage ihm: Hinter dir ist eine Blindschleiche. Aber inzwischen weiss er, dass es nicht stimmt, und erschrickt nicht mehr.Wovor fürchtest du dich?Linus: Vor Schlangen, aber ich habe noch nie eine frei gesehen. Manchmal im Traum.Wovor haben Sie sich gefürchtet?Heidi Berli: Vor dem Doktor, ich hatte mal das Schlüsselbein gebrochen und konnte mich gegen den Arztbesuch nicht mehr sperren. Es tat furchtbar weh, als er an meiner Schulter riegelte. Röntgen konnte man damals noch nicht.Was hat Sie traurig gemacht als Kind?Heidi Berli: Wenn ich das Gefühl hatte, viel entbehren zu müs-sen. Manchmal habe ich gedacht: Hätte ich eine andere Mutter, hätte ich es besser. Zum Beispiel eine Lehrerin, dann wäre ich klüger. Das machte mich traurig. Aber ich hätte nicht wirklich eine andere Mutter gewollt. Was meine Mutter geleistet hat, das macht ihr bis heute keine so schnell nach.Was macht dich traurig?Linus: Kürzlich brach die Kupplung von einem Lego-Anhänger, das machte mich traurig. Mama hat darauf gesagt, jetzt müssten wir wirklich endlich ins Legoland gehen, um Ersatzteile zu kaufen.Hast du ein Lieblingslied?Linus: «Bälpmoos» von Patent Ochsner.Hatten Sie ein Lieblingslied?Heidi Berli: Wir sangen die bekannten Berner Lieder, das war damals noch Mode. «Dr Trueberbueb», «Roti Rösli im Garte». Die Frau über uns hatte ein Radio, wir hörten mit, die Decke war nur ein Ladenboden. Manchmal klopften wir an die Decke und riefen: Dreh ein wenig lauter, damit wir auch etwas hören! Ab und zu durften wir sie oben besuchen, etwa wenn ein Hörspiel gesendet wurde.Wissen Sie, warum Ihre Eltern Sie Heidi tauften?Heidi Berli: Meine Mutter gebar alle Kinder zu Hause, beim letz-ten ging sie ins Spital, sie war auch schon 46. Als ich zur Welt kam, musste mein Vater mit dem Velo nach Trub fahren, um mich mit Namen auf der Gemeindekanzlei zu melden. Auf dem Weg hielt er bei meiner Tante und sagte: Wir haben ein Meiteli, und es soll Ida heissen. Da sagte meine Tante, das sei jetzt aber gar kein schö-ner Name. Ob sie denn einen besseren kenne, fragte mein Vater, und sie: Heidi. Er war einverstanden und meldete mich mit die-sem Namen an. Zu Hause erzählte er es dann meiner Mutter, die das gut annehmen konnte. Ich bin ihm ewig dankbar, dass ich nicht Ida heisse.Weisst du, warum dich deine Eltern Linus tauften?Linus: Ich glaube, Mama und Papa kannten einen Film, in dem ein Linus vorkam.

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Juca Magos wurde 1920 in Budapest geboren, Maya Luif 2006 in Zürich. Jucas Eltern waren beide Ärzte jüdischer Abstammung, ihre Mutter gehörte zur ersten Generation Freud’scher Analyti-kerinnen. Nach dem Ungarnaufstand flüchtete Juca mit ihrem Mann und den drei Kindern in die Schweiz. Sie arbeitete als kaufmännische Angestellte und wohnt in Dübendorf. Mayas Mutter ist Psychoanalytikerin, ihr Vater Psychologe. Nach den Ferien kommt Maya in Zürich in die zweite Klasse.

Wissen Sie noch, wie Ihr Kinderzimmer aussah?Juca Magos: Das war in Budapest, wo ich geboren bin. Es war ein grosses Zimmer in einem grossen Haus in einem Aussenquartier, wo meine Eltern, beide waren Ärzte, ein Institut für geistig zurück-gebliebene Kinder leiteten. Meine Mutter hatte das Institut wäh-rend des Ersten Weltkriegs gekauft, als mein Vater noch an der Front war. Ich erinnere mich besonders an den grossen, schönen Garten des Hauses.Wie sieht dein Kinderzimmer aus?Maya: Ich habe einen Schreibtisch und ein Bett. Die Wände in meinem Zimmer darf man leider nicht anmalen. Deshalb habe ich überall Zeichnungen aufgehängt.Wie heissen deine Lehrerinnen?Maya: Frau Fahrni und Frau Peduzzi. Ich habe sie beide gern. Frau Fahrni macht manchmal so Witze. Mal hat eine Freundin ihr Heft nicht mehr gefunden, da hat Frau Fahrni sie Linda Poppenstengel genannt, weil das Mädchen Linda heisst.Erinnern Sie sich an Ihre erste Lehrerin?Juca Magos: Ich ging zwölf Jahre lang in die gleiche Schule, die Reichsdeutsche Schule Budapest. Meine erste Lehrerin war Frau Spalek. Das war eine Altjungfer und ziemlich streng. Ich hatte aber keine Angst vor ihr.Wer war Ihre beste Freundin?Juca Magos: In den ersten Schuljahren hatte ich keine beste Freundin. Dann lernte ich Elisabeth Sodemann kennen. Wir waren beste Freundinnen, bis zur Matura. Schliesslich verloren wir uns aus den Augen. Aber fünfzig Jahre später habe ich sie in Genua wiedergetroffen. Wie das zustande kam, das ist eine kom-plizierte Geschichte.Wer ist deine beste Freundin, Maya?Maya: Ich habe eigentlich keine beste Freundin, ich habe alle sehr gern.Wie sieht es aus, wenn du und deine Eltern gemeinsam essen?Maya: Es gibt einen Tisch in der Mitte der Küche, und ich sitze immer so, dass ich aus dem Fenster schauen kann.Wie sah das damals aus, wenn die Familie am Tisch sass?Juca Magos: Es gab einen riesengrossen Esstisch im Institut. Dort haben alle zusammen gegessen, Patienten, Ärzte, Pflegepersonal, meine Familie. Wenn ein Patient einen epileptischen Anfall hatte oder sonst irgendwie unnahbar war, dann war er natürlich nicht dabei. Meine Mutter war auch nicht dabei. Sie war Psychoanalyti-kerin, und ihre Praxis befand sich im Stadtzentrum von Budapest. Es lohnte sich für sie nicht, über Mittag nach Hause zu kommen.

Wer war strenger: Ihr Vater oder Ihre Mutter?Juca Magos: Schon die Mutter. Meinen Vater hätte man aufs Brot schmieren können, der war so weich und lieb. Allerdings geriet er sehr schnell in Rage, und dann hat er mir manchmal mit dem Teppichklopfer den Hintern versohlt. Meine Mutter dagegen war mit Worten strenger.Wer ist bei dir strenger: der Vater oder die Mutter?Maya: Der Papi. Er ist so streng mit dem Essen. Er weiss, dass ich Fisch nicht gern habe und Hirschfleisch, und dann will er, dass ich es trotzdem esse. Er will eben, dass ich wie ein Räuber esse, also richtig Fleisch und so.Hast du mal etwas Verbotenes gemacht?Maya: Ich habe so einen kleinen Mörser, mit dem man Sachen zerstampfen kann. Einmal habe ich fast alle Sonnenblumenkerne zerstampft, obwohl Mama gesagt hatte, ich solle nicht alle auf-brauchen. Ich wollte eben Mehl machen.Können Sie sich an etwas Verbotenes erinnern, das Sie als Kind mal gemacht haben?Juca Magos: Also gestohlen habe ich nie. Aber einmal habe ich mit einem anderen Kind im Garten hinter dem Institut Feuer gemacht. Wir hatten einen Klub gegründet mit dem absurden Ziel, Feuer zu machen oder so. Auf jeden Fall war das streng ver-boten.Was störte Sie am meisten an Ihren Eltern?Juca Magos: Da muss ich überlegen. Also nachträglich habe ich festgestellt, dass meine Aufklärung viel zu wissenschaftlich war. Meine Mutter hat mir ihre anatomischen Bücher gezeigt, als ich fünf Jahre alt war. Wo der Fötus ist und solche Sachen. Aber wie das zustande kommt, darüber hat sie geschwiegen. Das hat mich schon gestört. Später hat sie mich gebadet, da war ich vielleicht acht Jahre alt, da hat sie mir den Koitus erklärt. Da sagte ich zu ihr: «Machen du und Vater auch diese Sauerei?»Was stört dich am meisten an deinen Eltern?Maya: Meine Mutter stresst mich manchmal. Sie sagt: Jetzt musst du das und das tun. Und kaum bin ich dran, muss ich schon das Nächste tun. Ich kann aber nicht aufräumen und gleichzeitig den Thek packen.Hast du ein Haustier?Maya: Nein.Hatten Sie ein Haustier?Juca Magos: Nein. Eine Weile lang hatte ich Kaninchen, aber die wurden dann alle krank.Was war Ihre Lieblingsfarbe?Juca Magos: Blau, eindeutig Blau. Mein Leben lang.Was ist deine Lieblingsfarbe?Maya: Türkis.Was ist deine früheste Erinnerung?Maya: Als ich dreieinhalb war, habe ich mir in den Ferien mal ein Bein gebrochen. Daran erinnere ich mich noch genau.Was ist Ihre früheste Kindheitserinnerung?Juca Magos: Als ich etwa vier war, erinnere ich mich, hat ein vier Jahre älterer Junge, der bei uns wohnte, weil er aus einer Familie

« MEIN PAPI IST STRENGER ALS DIE MAMI. ER WILL, DASS ICH WIE EIN RÄUBER ESSE, ALSO RICHTIG FLEISCH UND SO.» Maya, 7

« MEINE MUTTER WAR STRENGER ALS MEIN VATER. ALLERDINGS HAT ER MIR MANCHMAL DEN HINTERN VERSOHLT.» Juca, 93

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mit Problemen stammte, mir erklärt, wie man auf ein fahrendes Tram aufspringen kann. Er zeigte es mir am Geländer der äusse-ren Freitreppe, die an unserem Haus zum Dachboden führte. Man müsse sich mit einer Hand an der Haltestange neben der Tür fest-halten und dann so schnell wie möglich mit dem Tram mitlaufen, bis man aufspringen kann.Wovor fürchteten Sie sich als Kind am meisten?Juca Magos: Wie alle Kinder hatte ich im Dunkeln Angst. Aber der junge Mann, den ich schon erwähnt habe, hat etwas getan, wovor ich schrecklich Angst hatte. Und zwar hat er einem Pup-penkopf die Augen ausgerissen und an deren Stelle ein kleines Licht montiert. Diesen Kopf mit den leuchtenden Augen hat er mir dann im Dunkeln vor das Gesicht gehalten, das hat mich zu Tode erschreckt. Später habe ich mich dann in ihn verliebt.Wovor fürchtest du dich am meisten?Maya: Wenn ich auf einem Schiff bin und ein starker Wind bläst und dann das Schiff wackelt, dann habe ich Angst.Was ist dein Lieblingsspiel nach der Schule?Maya: Verschiedene Spiele. Aber am liebsten übe ich nach der Schule Klavier. Besonders Improvisieren macht mir Spass.Was war Ihr Lieblingsspiel nach der Schule?Juca Magos: Weil es dort auf dem Hügel so viele Kinder hatte, spielten wir meistens Gemeinschaftsspiele hinter dem grossen Haus. Zum Beispiel Blindekuh. Oder ein Spiel, das hiess Natio-nalitäten, das war ein Ballspiel, aber es hat keinen Sinn, wenn ich das jetzt erkläre. Und dann sind wir oft auf die Bäume geklettert. Es gab zum Beispiel einen Nussbaum, da bin ich mit einem Buch raufgeklettert, habe ein Schmalzbrot mitgenommen mit Salz und Paprika und es mir dort oben gemütlich gemacht.

Hatten Sie manchmal das Gefühl, dass andere Kinder ein besseres oder ein schlechteres Leben haben als Sie?Juca Magos: Ich hatte das Gefühl, dass ich das beste Leben aller Kinder gehabt habe. Wir hatten grosse Freiheiten, den Garten. Ich hatte die schönste Kindheit. Zum Geburtstag durfte ich ein-mal die ganze Klasse einladen, das waren 25 Kinder.Bekamen Sie Taschengeld?Juca Magos: Ich habe mein Geld meist selber verdient. An den Sonntagen habe ich Blumen im Garten gepflückt und Sträusse gemacht. Die hab ich den Touristen verkauft, die abends vom Berg heruntergekommen sind und vergessen hatten, Blumen zu pflücken. Sonntagsbesuchern habe ich eiskaltes Wasser serviert.Bekommst du Taschengeld?Maya: Ich kriege zwei Franken in der Woche.Was kannst du besonders gut, worauf du stolz bist?Maya: Einmal war eine Freundin von mir böse zu mir, sie hat mich gehauen. Dann habe ich mit ihr geredet und es geschafft, dass sie mich nicht mehr haut. Darauf bin ich stolz.Was konnten Sie als Kind besonders gut, worauf Sie stolz waren?Juca Magos: War ich überhaupt stolz? Ich war auf meinen Bruder stolz, der war so klug, so gescheit, der hat alles gewusst. Wie Sie vielleicht wissen, wurde Miklós nach dem Ungarnaufstand hin-gerichtet. (Miklós Gimes, 1917–1958, war der Vater des «Magazin»-Reporters Miklós Gimes, Anm. d. Red.)Wissen Sie noch, was Ihren Eltern besonders wichtig war?Juca Magos: Ich durfte immer lesen, was ich wollte. Ich durfte jedes Buch aus der Bibliothek meiner Eltern lesen, egal, ob es für mein Alter passend war oder nicht. Meiner Mutter war später Kleidung wichtig, ich musste mich anständig kleiden. Sie nahm

Was war das traurigste Erlebnis Ihrer Kindheit?Juca Magos: Das war der Tod eines Klassenkameraden. Er war eine ganz besondere Figur, ein Fürst Galitzin. Das war ein rus-sisches Adelsgeschlecht litauischer Abstammung. Er war ein sehr grosser, schöner Junge mit blonden Haaren und roten Wangen. Er war viel grösser als alle anderen. Eine Lungenentzündung hat ihn dahingerafft. Die ganze Klasse war an seiner Beerdigung. Seine Mutter wollte ins Grab springen. Ich werde das nie verges-sen, ich hatte Albträume danach.Was war dein traurigstes Erlebnis?Maya: Als mein Onkel gestorben ist. Er hat zu viel geraucht. Das war traurig. Wo verbringst du deine Ferien?Maya: Wir gehen dieses Jahr nach Italien mit dem Wohnwagen, dann nach Ungarn. Und dann noch nach Dresden.Wo verbrachten Sie Ihre Ferien?Juca Magos: Ferien? Das gab es nicht. Entschuldigung, wir wohn-ten ja fast auf dem Land, da war man immer an der frischen Luft. Ich durfte, als ich älter war, einige Male zu meiner Tante in ein Haus an der Donau. Aber Familienferien gab es nie.Was mochten Sie lieber: Lesen oder Rechnen?Juca Magos: Das habe ich mir gar nie überlegt. Aber ich glaube fast: Rechnen, obwohl ich schon mit vier lesen konnte.Was magst du lieber?Maya: Ich glaube, ich bin besser im Lesen und Schreiben als im Rechnen.Haben die anderen Kinder ein besseres oder ein schlechteres Leben als du? Maya: Nein. Ich weiss das gar nicht.

mich zur Schneiderin, wir wählten die Stoffe aus, ich habe viele Kleider selbst entworfen, weil ich gut zeichnen konnte.Was ist deinen Eltern besonders wichtig?Maya: Dass es mir gut geht. Und dass ich die Leute grüsse. Wer ist bei euch lustiger: der Vater oder die Mutter?Maya: Beide sind gleich lustig.Wer war bei Ihnen lustiger?Juca Magos: Mein Vater. Er konnte wunderbare Witze erzählen, auch schmutzige.Welches Schimpfwort benutzten Sie als Kind häufig?Juca Magos: Scheisse.Welches Schimpfwort benutzt du häufig?Maya: Ich habe keines. Was möchtest du später arbeiten?Maya: Ich möchte Artistin in einem Zirkus sein oder in einem Museum arbeiten, dort schauen, dass alles schön aussieht.Was war Ihr Berufswunsch?Juca Magos: Als kleines Kind wollte ich Schaffnerin werden. Das hat mir Eindruck gemacht, dass der Schaffner Herr über das Tram ist. Vor der Matur habe ich dann in einem Aufsatz geschrieben, dass ich Ärztin werden will, damit ich bessere Chancen auf einen Studienplatz an einer guten Universität bekomme. Ich habe dann Agronomie studiert.

Interviews: MATHIAS NINCK, ANNA MILLER, BIRGIT SCHMID, FINN CANONICA [email protected] Fotograf TOM HALLER lebt in Zürich.www.tomhaller.ch