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P.b.b. Verlagspostamt 1010 Wien · Plus.Zeitung 08Z037896 P Einzelpreis 2.90 · März/April 2012 ILLUSTRIERTE GEGRÜNDET 1897 VON THEODOR HERZL Schöne Feiertage unseren Lesern und Inserenten von Redaktion, Verwaltung und Druckerei I sraelische Medien, Analysten und Politiker beschworen bis- her hauptsächlich die Gefah- ren herauf, die die Umwälzungen in der arabischen Welt mit sich brin- gen. Baschar al Assad war lange der Lieblingsfeind der Israelis. Mit Iran galt er als wichtigster Wider- sacher im Nahen Osten. Wie sein Vater machte er Damaskus zum Dreh- und Angelpunkt radikaler palästinensischer Terrororganisa- tionen, die den Friedensprozess aktiv untergraben. Wenn in Israel ein Bus explodiert oder ein Selbst- mordattentäter einen neuen An- schlag begeht, sprechen Geheim- dienste von den „Direktiven, die die Täter von ihrem Hauptquartier in Syrien erhalten“. Der interna- tionale Flughafen Damaskus war der Umschlagplatz für mehr als 50.000 Raketen, die Iran der liba- nesischen Hisbollahmiliz lieferte. In Trainings camps im ganzen Land lernen Aktivisten der Hisbollah, des Palästinensischen Islamischen Dschihads, der Hamas und viele an- dere das Kriegshandwerk. Die Aus- rüstung von Assads Streitkräften ist zwar hoffnungslos veraltet und für Israel keine Gefahr. Assad macht diesen Nachteil jedoch mit dem Ausbau seiner nicht-konven- tionellen Fähigkeiten wett. In Deir a Saur errichtete er insgeheim ei- nen Atomreaktor, der 2007 mit ei- nem israelischen Präventivschlag zerstört wurde. Sein Arsenal an C- Waffen, eines der größten der Welt, bleibt gepaart mit tausenden Kurz- und Mittelstreckenraketen, eine existentielle Bedrohung. Trotzdem freute man sich in Israel nicht recht über Assads Inlandsprobleme seit Ausbruch der Unruhen am 15. März. Die Gefahren, die bei einem Sturz Assads entstehen könnten, sindso erheblich, dass manche den bekannten Feinddem unbekannten vorzogen. Die Waffenstillstandsli- AUS DEM INHALT Immer aktuell – unsere Website www.neuewelt.at Gestaltet von Ditta Rudle Titelbild: Dwora Barzilai, Pessach 2012, Mischtechnik auf Papier, 30x42 cm nie zwischen Israel und Syrien in den Golanhöhen ist Israels ruhigste Grenze. Einen Vorge- schmack darauf, was Israel nach einem Sturz Assads erwar- ten könnte, bot sich im Juni 2011, als tausende Palästinen- ser die Grenze durchbrachen. Hunderte drangen in israeli- sches Gebiet vor, ein beson- ders eifriger Mann fuhr sogar im Taxi bis nach Tel Aviv. In den Schusswechseln kamen da- mals 20 Menschen ums Leben, mehr als 300 wurden verletzt. Seither hat Damaskus ähnliche Versuche unterbunden, doch ohne eine starke Regierung in Damaskus könnte der Golan zu einer gefährlichen Konflikt- zone werden. Wie Syrien nach dem Niedergang Assads ausse- hen wird bleibt ein Rätsel. Schon jetzt haben ethnische Spannungen Städte wie Homs in feindliche Bezirke gespal- ten. Ein Bürgerkrieg wie im Irak wäre eine mögliche, wenn nicht gar wahrscheinliche Fortentwicklung. Dabei könnte Israel in Mitleiden- schaft gezogen werden. Den Mechanismus dafür macht das Modell der Hisbollah deutlich: Nach Ende des libanesischen Bürgerkriegs durfte sie als ein- zige Miliz ihre Waffen behal- ten. So wurde sie zum mächtig- sten Faktor im Land. Ihr Arse- nal dient ihr dazu innenpoliti- sche Gegner einzuschüchtern. Doch sie rechtfertigt ihren Sonderstatus, indem sie sich als Verteidigerin libanesischer Sou verä nität im Kampf gegen I s r a e l darstellt. Rivalisierende Mili- zen in Syrien könnten also versucht sein, ihre Rolle im Bruderkrieg durch Angriffe ge- gen den einzigen gemeinsamen Feind, Israel, zu legitimieren. Gegen ein zersplittertes Syrien NICHT BLOSS ANGST UND SCHRECKEN ohne Zentralmacht in Damas- kus wäre Israels militärisches Abschreckungspotential irrele- vant. Für den Nahen Osten wäre ein Machtvakuum in Syrien verheerend. Wi e die Beispiele Somalias, Afgha- nistans und dem Irak zeigen, werden „failed states“ zum Re- fugium extremistischer Terror- organisationen wie Al Kaida, für die Israel als Vertreter des Wes tens ganz oben auf der Li- ste der Feinde steht. Chaos in Syrien könnte seine Nachbarn destabilisieren. Dabei muss nicht einmal das riesige Arsenal chemischer Waffen in die Hände von Terroristen fallen, wie israeli- sche Militärs inzwischen befürch- ten. Die Konsequenzen reichen von einer Destabilisierung der kurdischen Regionen an der Grenze zur Türkei und dem Irak, über eine Erschütterung des emp- findlichen Equilibriums im Liba- non, bis zu potentiell verheeren- den Konsequenzen für die Stabi- lität des haschemitischen Königs- hauses in Jordanien. Jedes dieser Szenarien bedeutet für Israel Ge- fahr. Dennoch gibt es Stimmen in Israel, die auch eine positive Ein- schätzung über die Unruhen in Sy- rien haben. Minister für strategi- sche Angelegenheiten und ehema- liger Generalstabschef Mosche Yaalon, eher als Falke bekannt, gab eine positive Einschätzung über die Unruhen in Syrien ab. Aspekte eines Sturzes von Assad seien „positiv, wie ein Bruch in der Achse des Bösen Teheran-Da- maskus-Beirut-Hamas, meinte Yaalon. „Ich glaube nicht, dass die Muslimbruderschaft in Syrien die Macht übernehmen wird, sondern eher ein moderates sunnitisches Regime, das sich auf eine intellek- tuelle Mittelklasse stützt.“ Israel sei „niemals an Assads Überleben interessiert“ gewesen und habe sein Regime nie unterstützt, be- Muslimischer Terrorismus 5 Ungarn: Juden unter „Gruppenzwang“? 6 Antisemitismus in akademischem Gewand 7 Olympia-Massaker von München 8 Als Boxen ein jüdischer Sport war 10 Der letzte Jude von Drohobytsch 23

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P.b.b. Verlagspostamt 1010 Wien · Plus.Zeitung 08Z037896 P Einzelpreis € 2.90 · März/April 2012

ILLUSTRIERTE

G E G R Ü N D E T 1 8 9 7 V O N T H E O D O R H E R Z L

Schöne Feiertage unseren Lesern und Inserenten von Redaktion, Verwaltung und Druckerei

I sraelische�Medien,�Analystenund�Politiker�beschworen�bis-her� hauptsächlich� die�Gefah-

ren�herauf, �die�die�Umwälzungen�inder�arabischen�Welt�mit�sich�brin-gen.�Baschar�al�Assad�war�lange�derLieblingsfeind� der� Israelis. �MitIran�galt�er�als�wichtigster�Wider-sacher� im�Nahen�Osten.�Wie� seinVater� machte� er� Damaskus� zumDreh-� und�Angelpunkt� radikalerpalästinensischer�Terrororganisa-tionen, � die� den� Friedensprozessaktiv�untergraben.�Wenn�in�Israelein�Bus�explodiert�oder�ein�Selbst-mordattentäter� einen� neuen�An-schlag� begeht, � sprechen�Geheim-dienste� von�den� „Direktiven, � diedie�Täter� von� ihrem�Hauptquartier

in�Syrien� erhalten“. �Der� interna-tionale�Flughafen�Damaskus�warder� Umschlagplatz� für� mehr� als50.000�Raketen,�die�Iran�der�liba-nesischen�Hisbollahmiliz�lieferte.In�Trainings�camps�im�ganzen�Landlernen�Aktivisten� der�Hisbollah,des�Palästinensischen�IslamischenDschihads,�der�Hamas�und�viele�an-dere�das�Kriegshandwerk.�Die�Aus-rüstung�von�Assads�Streitkräftenist�zwar�hoffnungslos�veraltet�undfür� Israel� keine� Gefahr. � Assadmacht�diesen�Nachteil� jedoch�mitdem�Ausbau� seiner� nicht-konven-tionellen�Fähigkeiten�wett. �In�Deir

a�Saur� errichtete� er� insgeheim�ei-nen�Atomreaktor, �der�2007�mit�ei-nem�israelischen�Präventivschlagzerstört�wurde.�Sein�Arsenal�an�C-Waffen,�eines�der�größten�der�Welt,bleibt�gepaart�mit�tausenden�Kurz-und�Mittelstreckenraketen, � eineexistentielle�Bedrohung.�Trotzdemfreute� man� sich� in� Israel� nichtrecht�über�Assads�Inlandsproblemeseit�Ausbruch�der�Unruhen�am�15.März.�Die�Gefahren,�die�bei�einemSturz�Assads� entstehen�könnten,sind�so�erheblich,�dass�manche�denbekannten�Feind�dem�unbekanntenvorzogen.�Die�Waffenstillstandsli-

AUS DEM INHALT

Immer aktuell – unsere Website

www.neuewelt.atGestaltet von Ditta Rudle

Titelbild: Dwora Barzilai, Pessach 2012,Mischtechnik auf Papier, 30x42 cm

nie�zwischen�Israel�und�Syrienin�den�Golanhöhen� ist� Israelsruhigste�Grenze.�Einen�Vorge-schmack� darauf, � was� Israelnach�einem�Sturz�Assads�erwar-ten� könnte, � bot� sich� im� Juni2011,�als�tausende�Palästinen-ser� die�Grenze� durchbrachen.Hunderte� drangen� in� israeli-sches�Gebiet� vor, � ein� beson-ders� eifriger�Mann� fuhr� sogarim�Taxi� bis� nach�Tel�Aviv. � Inden�Schusswechseln�kamen�da-mals�20�Menschen�ums�Leben,mehr� als� 300�wurden�verletzt.Seither�hat�Damaskus�ähnlicheVersuche� unterbunden, � dochohne�eine�starke�Regierung�inDamaskus�könnte�der�Golan�zueiner� gefährlichen�Konflikt-zone�werden.�Wie�Syrien�nachdem�Niedergang�Assads� ausse-hen� wird� bleibt� ein� Rätsel.Schon� jetzt� haben� ethnischeSpannungen�Städte�wie�Homsin� feindliche�Bezirke� gespal-ten. � Ein� Bürgerkrieg� wie� imIrak�wäre�eine�mögliche,�wennnicht� gar� wahrscheinlicheFortentwicklung. � Dabeikönnte� Israel� in� Mitleiden-schaft � gezogen� werden. � DenMechanismus�dafür�macht� dasModell�der�Hisbollah�deutlich:Nach�Ende�des� libanesischenBürgerkriegs�durfte�sie�als�ein-zige�Miliz� ihre�Waffen�behal-ten.�So�wurde�sie�zum�mächtig-sten�Faktor�im�Land.�Ihr�Arse-nal�dient�ihr�dazu�innenpoliti-sche�Gegner� einzuschüchtern.Doch� sie� rechtfertigt � ihrenSonderstatus, � indem� sie� sichals�Verteidigerin� libanesischerSou�verä�nität� im�Kampf� gegenI s r a e ldarstellt. �Rivalisierende�Mili-zen� in� Syrien� könnten� alsoversucht� sein, � ihre�Rolle� imBruderkrieg�durch�Angriffe�ge-gen�den�einzigen�gemeinsamenFeind,� Israel, � zu� legitimieren.Gegen�ein�zersplittertes�Syrien

NICHT BLOSS ANGST UND SCHRECKENohne�Zentralmacht� in�Damas-kus�wäre� Israels�militärischesAbschreckungspotential�irrele-vant. �Für�den�Nahen�Osten�wäreein� Machtvakuumin� Syrien� verheerend. � Wiedie�Beispiele�Somalias, �Afgha-nistans� und�dem� Irak� zeigen,werden�„failed�states“�zum�Re-fugium�extremistischer�Terror-organisationen�wie�Al�Kaida,für� die� Israel� als�Vertreter� desWes�tens�ganz�oben�auf�der�Li-ste�der�Feinde�steht. �Chaos� inSyrien�könnte�seine�Nachbarndestabilisieren. � Dabei� muss

nicht� einmal� das� riesige�Arsenalchemischer�Waffen� in� die�Händevon�Terroristen�fallen,�wie�israeli-sche�Militärs�inzwischen�befürch-ten. � Die� Konsequenzen� reichenvon� einer� Destabilisierung� derkurdischen� Regionen� an� derGrenze� zur�Türkei� und�dem� Irak,über�eine�Erschütterung�des�emp-findlichen�Equilibriums� im�Liba-non,�bis�zu�potentiell�verheeren-den�Konsequenzen� für� die�Stabi-lität�des�haschemitischen�Königs-hauses� in� Jordanien.� Jedes�dieserSzenarien� bedeutet� für� Israel�Ge-fahr. �Dennoch��gibt�es�Stimmen�inIsrael, �die�auch�eine�positive�Ein-schätzung�über�die�Unruhen�in�Sy-rien�haben.�Minister�für�strategi-sche�Angelegenheiten�und�ehema-liger� Generalstabschef� Mosche

Yaalon, � eher� als�Falke� bekannt,gab� eine� positive�Einschätzungüber� die�Unruhen� in� Syrien� ab.Aspekte� eines�Sturzes� von�Assadseien� „positiv, �wie� ein�Bruch� inder�Achse�des�Bösen�Teheran-Da-maskus-Beirut-Hamas, � meinteYaalon.�„Ich�glaube�nicht, �dass�dieMuslimbruderschaft�in�Syrien�dieMacht�übernehmen�wird,�sonderneher� ein�moderates� sunnitischesRegime,�das�sich�auf�eine�intellek-tuelle�Mittelklasse� stützt.“� Israelsei�„niemals�an�Assads�Überlebeninteressiert“� gewesen� und� habesein�Regime�nie� unterstützt, � be-

MuslimischerTerrorismus 5Ungarn:�Juden�unter„Gruppenzwang“? 6Antisemitismus�inakademischem�Gewand 7Olympia-Massakervon�München 8Als�Boxen�einjüdischer�Sport�war 10Der�letzte�Jude�vonDrohobytsch 23

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��� ��� März/April 2012

Dr. Maria FekterFinanzministerin

Anlässlich des bevorstehenden jüdischenNeujahrsfestes Rosch Haschana möchte ich

allen Leserinnen und Lesern der IllustriertenNeuen Welt und allen jüdischen Mitbürgerinnenund Mitbürgern meine besten Wünsche für einschönes, friedliches und erfülltes neues Jahrübermitteln.

Alles Gute!

Karlheinz Kopf

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Copyright: ÖVP-Klub · Fotograf: Christian Jungwirth

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Dr. Claudia Schmied

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur

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��Sehr geehrte Leserinnen und Leser!

Herzlichen Dank allen, die ihr Abonnement beglichen haben. Jenen, die sich dazu nochnicht entschließen konnten ihr Abo zu zahlen, rufen wir kurz unseren Vergleich inErinnerung: ca. 32 Euro, soviel wie ein nicht allzu üppiges Essen zu zweit, kostet dasAbonnement der ILLUSTRIERTEN NEUEN WELT. Sie helfen damit der ältesten undtraditionsreichsten jüdischen Zeitung des deutschsprachigen Raumes, auch in Zukunftein breitgefächertes Publikum zu informieren.

Mit bestem DankDie Redaktion

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Seite�4 März/April 2012

har� Hamenuhot"� –� der„Berg� der� Ruhe"� an� derwestlichen�Einfahrt� von

Jerusalem,�ist�wohl�einer�der�trau-rigsten�Orte� der�Heiligen�Stadt.Nur�wenige�Bäume�spenden�Schat-ten� zwischen�den� tausenden�Grä-bern� des� städtischen�Friedhofs,durch� den� täglich� die� Beerdi-gungsprozessionen� ziehen. �Grä-ber�türmen�sich�hier�über�einanderauf�mehreren�Etagen, � es� gibt� zuwenig�Platz�für�all�die�Toten.�Aufdem�Berg�spielten�sich�vor�weni-gen� Jahren� immer�wieder� tragi-sche� Szenen� ab:� Während� derZweiten�Intifada�wurden�hier�mehrals� 200�Opfer� palästinensischerSelbstmordattentate� begraben,ganze�Familien�zusammen�beige-setzt , � nachdem� sie�Anschlägenzum�Opfer� fielen. � Doch� für� diemehr�als�1000�Besucher, �die�her-gekommen� waren, � um� den� vierOpfern�des�Anschlags�auf�die�jüdi-sche�Schule�in�Toulouse�die�letzteEhre�zu�erweisen,�der� tragischsteMoment� in� der� Geschichte� desTrauerhügels. � Familien, �Rabbi-ner, � Polizisten� schluchzten�mittränenden�Augen,� selbst� erfahre-nen�Politikern�versagte�bei�ihrenGrabesreden�die�Stimme.�„Ich�ar-beite� hier� seit� zwanzig� Jahren",sagte� der� Totengräber� MichaelGutwein� der� israelischen�Nach-richtenseite�Ynet. � „Wenn� es� umermordete�Kinder� geht, � kann� ichnie� aufhören� zuweinen. �Aber� diesmal� ist� es� be-sonders�schlimm:�Sie�wurden�nur

umgebracht, � weil � sie� jüdischeKinder�sind."�Die�vier�Leichen�–�Rabbiner�Jo-

nathan�Sandler� (30), � seine� zweiSöhne�Arieh� (6)� und�Gavriel� (3)und�Miriam�Monsonego�(8)�warenin�den�Morgenstunden�in�Tel�Avivin�Begleitung�des� französischenAußenministers�Alain� Juppe�undeiner�Delegation�von�Vertreternder� jüdischen� Gemeinde� Frank-reichs�mit�dem�El�Al�Flug�LY�326aus�Paris�eingetroffen.�Danni�Aya-lon� empfing�die�Trauergäste, � undstand�wie�ganz�Israel�noch�immerunter�Schock. � „Es� ist� unfassbar,drei�so�kleine�Särge�zu�sehen.�Siemussten� eigens� angefertigt�wer-den,�weil�sie�so�kleine�Särge�nichtparat�hatten", �sagte�der�hörbar�er-schütterte�Ayalon�im�Radio.�Dabeiwäre�es�fast�zum�Eklat�gekommen:Anfangs�weigerten�sich�die�Behör-den,� die�Überführung�und�die�Be-stattung�von�Jonathans�Leiche�zufinanzieren,�weil�er�im�Gegensatzzu� seinen� Söhnen� und� seinerschwangeren�Witwe�kein� israeli-scher�Staatsbürger� ist. �Doch� einöffentlicher� Aufschrei� kipptediese�Entscheidung�innerhalb�vonStunden:�Längst�gelten�die�Opferdes�Attentats�in�Frankreich�als�is-raelische�Nationalhelden.�Es�war� ein� bezeichnender�Au-

genblick, � der� Israels� Interpreta-tion� des�Attentats� spiegelt:�Umzehn�Uhr�morgens, � als� auf� demBerg�der�Ruhe� in� Jerusalem�dreikleine, � von� Gebetsschals� be-deckte�Kinderleichen� auf�Liegen

aufgebahrt�wurden�und� sie� kaumzur�Hälfte�füllten, �tes�tete�die�StadtTel�Aviv� ihre�Luftschutzsirenen.Der�Anschlag� in�Frankreich�wirdhier�als�Teil�einer�globalen�Hetz-Kampagne� wahrgenommen, � ge-gen� Juden� und� Israel� zugleich:„Wir� stehen� vor� winzigen� Grä-bern",�sagte�Knessetsprecher�Reu-ben�Rivling, � und� reihte� den�An-schlag� in�Toulouse� in� eine�Kettevon�Attentaten� ein. � In�Bombay,wo�2008�ein�jüdisches�Gemeinde-zentrum�angegriffen�wurde,�in�Sde-rot, � das� regelmäßig� von�palästi-nensischen�Terrororganisationenmit�Raketen�beschossen�wird,� inder� Siedlung� Itamar, � eine� Sied-lung, � in� der�Palästinenser� 2011eine�Familie� in� ihren�Betten� tö-tete, � und� in� Buenos� Aires, � wo1994� ein�Attentat � auf� ein� jüdi-sches�Gemeindezentrum�85�Men-schen� tötete, � und� diesmal� inToulouse,�stehe�man�vor�Feindenund�Mördern,�die�das�Blut�unsererKinder� ohne� Reue� vergießen,sagte� Rivlin� mit� stockenderStimme.�Trauer� ist� das�dominierende�Ge-

fühl� in� Israel, � von�Rache� sprachman�nur� im� theologischen�Sinn.Der� häufigste�Abschlusssatz� derRedner:� „Möge�Gott� das�Blut� derKinder�rächen",�gehört�traditionellzum�Begräbnis� eines� ermordetenjüdischen�Kindes, �egal�welcher�Re-ligion�der�Täter�angehört. �Doch�dasAttentat�in�Toulouse�bestärkt�vieleIsraelis�darin, �dass�die�Feindschaftzu� ihrem�Staat� nichts�mit� dessen

Außenpolitik�zu�tun�hat. �„In�jederGeneration�von�Juden�gibt�es�Men-schen, � die� nur� ein� einziges�Zielverfolgen, � uns� aus-zulöschen", � sagte� OberrabbinerSchlomo�Amar�bei�der�Beerdigung.„Es�wird� uns� nicht� helfen, � uns� zuassimilieren, �Esau�hasste� Jakobschon� immer", �sagte�Amar.�Knes-setsprecher�Rivlin� spiegelte� dasGefühl�der�Belagerung�noch�deutli-cher� wider: � „Die� Mörder� unter-scheiden�nicht� zwischen�Siedlerund�Friedensaktivist", � sagte�Riv-lin: � „Dieser� Hass� hat� keine� Be-gründung,�es�gibt�keine�Rechtferti-gung� für� solche�Verbrechen, � siesind�das� pure�Böse."�Staatspräsi-dent�Shimon�Peres�verknüpfte�dasAttentat�in�Toulouse�mit�der�aktuel-len�Angriffsgefahr� aus� dem� Iran,auf�die�Tel�Aviv�sich�mit�der�Luft-schutzübung� einstellte. �Nach�demAttentat�in�Toulouse�gelte�es, �wei-teres�Blutvergießen�zu�verhindern,und�Kinder�zu�schützen,�egal�ob�jü-disch,�christlich,�oder�muslimisch,sagte�Peres�bei�einem�Empfang�fürFrankreichs�Außenminister�AlainJuppe.Juppe�war�eigens�angereist, �um

das�Mitgefühl� der� französischenRegierung�zu�übermitteln. �„Ich�binhergekommen�um�unsere�Solida-rität � mit� dem� gesamten� israeli-schen�Volk�zum�Ausdruck�zu�brin-gen",�sagte�Juppe.�„Euer�Schmerzist� unser�Schmerz."�Die� heftigenVerurteilungen� in�Paris�wurden� inIsrael�mit�großer�Genugtuung�auf-genommen. � „Ihr�Besuch� ist�Aus-

MÄNNERTRÄNEN IN JERUSALEMPOLITIK

wer� sagt, �Diktaturen� haben� keineVorteile?� Ihre�Prognosen� sind� zu-mindest� sehr� exakt:� Irans�Staats-

führung�hatte� für� die�Parlamentswahlen�An-fang�März� eine�Wahlbeteiligung�von�65%vorhergesagt, � und� damit� genauins�Schwarze�getroffen.�Laut�An-gaben�des�Innenministeriums�ga-ben� am�Stichtag� 64,2%�der� rund48�Millionen�Wahlberechtigtenihre� Stimme� ab. � Nicht� nur� dieWahlbeteiligung,�auch�das�Ergeb-nis� der�Wahl�war� beruhigend� ab-sehbar:�Vorsorglich� hatte� das�Regime� allenEventualitäten�vorgebeugt.Nur�handverlesene�ausländische�Zuschauer

wurden�ins�Land�gelassen,�damit�niemand�imLand�auf�die�Idee�käme,�wie�2009�vor�laufen-den�Kameras, �den�Augen�der�ganzen�Welt, �re-gimefeindliche�Demonstrationen�abzuhalten.Die�wenigen�zugelassenen�Beobachter�wurden

später� unter�Aufsicht� von�Geheimdienstlernan�ausgesuchte�Wahlurnen�gekarrt. �Vorsichts-halber�ersparte�das�Regime�den�rund�48�Mil-lionen� „Wahlberechtigten"� ernsthafte� undzeitraubende�Dilemmas.�Unter�den�rund�3500

Kandidaten� gab� es� diesmal� keine�Reformer.Die�waren�bereits�im�Vorfeld�vom�Regime�aus-geschlossen�worden. �Wählen�konnte�mandiesmal� zwischen� rund� 60� verschiedenenSchattierungen�von�islamisch-grün.�Dennoch�war�es�spannend.�Die�Aufmerksam-

keit� galt� dem�ungleichen�Machtkampf� zwi-schen�Präsident�Mahmoud�Ahmadinejad� und

dem� Staatschef� und� „Oberstem� Führer"�AliKhamenei. �Seit�seinem�umstrittenen�Wahlsieg2009�versucht�Ahmadinejad, � die�Alleinherr-schaft�Khameneis�zu�untergraben.�Das�scheintnun�seinen�Untergang�einzuläuten.�Khameneis

Anhänger�errangen�im�ersten�Wahl-gang� rund�75%�der� 290�Sitze� imMajlis. � Damit� ist � dem� OberstenFührer� das� gelungen, �was� selbstseinem�legendären�Vorgänger�Aya-tollah� Khomeini� vorenthaltenblieb:� Er� hat� alle� alternativenMachtzentren� ausgeschaltet. �Die

regimetreue�Basij�Miliz�–�eine�wichtige�Stützedes�Regimes�–�schwor�ihm�ihre�Treue.�Die�Re-volutionswächter�–�die�wichtigste�Eliteeinheitder�Armee�und�größtes�Monopol� der�Staats-wirtschaft� –� stehen�geschlossen�hinter� ihm.Khamenei�ist�es�gelungen,�die�geistliche�Elitedes� Gottesstaates� von� ihmabhängig�zu�machen.�Nach�der�Wahlniederlage

von� Ahmadinejad� Fraktion� entscheidetKhamenei� als�Personalunion�der� geistlichenund�politischen�Staatsführung�nun� endgültigdie�Geschicke�der�Islamischen�Republik�ganzallein.Für� Irans�Außenpolitik�bedeutet�das�wahr-

scheinlich� die�Fortsetzung�des� bisherigenkonfrontativen�Kurses. �Das�Parlament�hattein�Sachen�Außen-�und�Sicherheitspolitik�oh-nehin�kein�Mitspracherecht, �Präsident�Ahma-dinejad�war�in�vergangenen�Monaten�immermehr�ins�Abseits�gedrängt�worden.�Das�kon-servative�Establishment� hält� die�Zügel� nununangefochten�in�Händen.�Staatliche�Interes-sen�und�das� Interesse� des�Regimes� sind� ausdessen�Sicht�jetzt�deckungsgleich.�Die�eska-lierenden�Drohungen�aus�Israel�und�den�USAdürften�Khamenei, �der�sich�nun�nur�noch�ge-gen�Bedrohungen�von�außen�absichern�muss,überzeugen,�dass�nur�der�Besitz�einer�Atom-bombe� sein�Überleben�garantiert. �Ohnehinwar�Atomprogramm�im�Iran�nationaler�Kon-sens,�der�auch�von�reformorientierten�Kräftengetragen�wurde.�Auch�nach�der�Wahl�wird�der�Iran�an�der�di-

plomatischen,�finanziellen,�logistischen�undmilitärischen�Unterstützung�radikaler�Terror-organisationen�wie� der�Hisbollah� im�Liba-non,�dem�Palästinensischen�Islamischen�Ji-had,�den�Houthi�Rebellen�in�Jemen�oder�schi-itischen�Fraktionen� im� Irak� festhalten. �Esbleibt�sein�Interesse�Instabilität�in�Nahost�zusäen.�Laut�Berichten�aus�den�USA�hat�Teheranin�vergangenen�Wochen�diese�Unterstützungtrotz� eskalierender�Wirtschaftssanktionengar� noch� intensiviert. �Dafür� sprechen� auchdie�Ereignisse�der�letzten�Zeit, �die�darauf�hin-weisen, � dass� der� Iran� seine� Gangart � ver-schärft:�Die�misslungenen�Attentate�auf�israe-lische�Einrichtungen�in�Georgien,�Indien�undThailand�müssen�auf�Khameneis�Befehl�aus-geführt�worden�sein. �Teherans�neuer�Alleinherrscher�verwandelt

IRAN NACH DEN WAHLEN

Für Irans Außenpolitik bedeutet daswahrscheinlich die Fortsetzung desbisherigen konfrontativen Kurses.

ISRAEL BIETET HUMA-NITÄRE HILFE FÜRSYRISCHE ZIVIL -BEVÖLKERUNG AN

Der� stellvertretende�Generaldirek-tor� für� internationale�Organisationenund� die� Vereinten� Nationen� imAußenminis�terium, � Evyatar�Manor,hat� das� Internationale�Komitee� vomRoten�Kreuz�kontaktiert�und�angebo-ten, � Israel� könne�unter� dem�Patronatdes�Roten�Kreuzes� humanitäre�Hilfenach�Syrien� transferieren. �Dies� hatteAußenminister�Avigdor�Lieberman�an-gewiesen.��Die�Vertreter�des�Komiteesin� Israel� erklärten, � sie�würden� eineAntwort� übermitteln, � sobald� sie� diekonkreten�Bedürfnisse� der�Bevölke-rung�vor�Ort�ermittelt�hätten.�Außen-minister�Lieberman�erklärte:�„Der�jüdi-sche�Staat� kann�nicht� dabei� zusehenund� nichts� tun, � während� in� einemNachbarstaat�diese�Gräueltaten�gesche-hen� und�Menschen� ihre� ganze�Weltverlieren.“�

KOOPERATION MITCHINA UND INDIENGESTARTETFinanzminister�Yuval�Steinitz� und

Erziehungsminister�Gideon�Saar� star-teten�Programme�zur�Förderung�vonForschungskooperationen�mit�Chinaund�Indien.�Die�Programme�sollen�For-scher� und�Studierende� aus� diesen�bei-den� Ländern� an� israelische� For-schungseinrichtungen�bringen. � � ImRahmen�der�Programme�werden�meh-rere�Hundert�Stipendien�für�Studierendeund�Forscher�an�Universitäten�und�demVolcani-Institut� für�Landwirtschafts-forschung� zur�Verfügung� ausgelobt.Für� das�Programm�stehen� insgesamt

Das

Restaurant

FratelliFamIlIeYusupov

wünscht alles Gutezu Den

pessachFeIertaGen

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März/April 2012 Seite�5

s o��die�Sure�5/60�und�5/65,wonach�die� � Strafe� für� dieVerweigerung�des�Glaubens

an�die�Wunder�der�Propheten�darinbestand,� „die� Juden� in�Affen�undSchweine�oder�Anbeter� von�Göt-zen� zu� verwandeln"� � oder� (Sure5:83)�„Du�wirst�finden,�dass�unterallen� Menschen� die� Juden� undGötzen�Diener�den�Gläubigen�ammeisten�Feind��sind."�Vom�Korangenährt�wird�u.a. ��der�Vorwurf, �dieJuden�hätten� alle�Propheten�ver-folgt. �Natürlich�auch�Mohammed,sodass� er� sich� schließlichgenötigt� sah, � zwei� � jüdischeStämme�aus�Medina�zu�vertreibenund� den� drit ten� zuvernichten. � Nachder� mündlichenÜberlieferung, � dienach� islamischerDoktrin� dieselbeVerbindlichkeit� hatwie�der�Wortlaut�desKoran� selbst, � hät-ten�die�Juden,�„ihrerperfiden�Natur� fol-gend", �Mohammeds� langen�undqualvollen�Tod�durch�Vergiftungverursacht. �Mit� soviel�Wirkstoffausgestattet�hatte�es�der�antijüdi-sche�Virus�leicht, �das�gesamte�is-lamische�Denken� von�Heute� zuvergiften.�Das� tritt�klar�zu�Tage�durch�die

Unmenge�der�veröffentlichten�an-tisemitischen�Bücher�und�Artikel,die�Höhe�ihrer�Auflagen,�den�Rangund�das�Ansehen�der�Autoren.�Al-lein� die�Massenauflagen�der� nie-derträchtigen� „Protokolle� derWeisen�von�Zion“,�die�nota�benevon� Herzl� ausgeheckt� wordenseien,�spricht�Bände.��2001�wur-den� sie� in�Ägypten� � um�mehrereMillionen�Dollar�für�eine�30-tei-lige�Serie�dramatisiert, �und�im�No-vember�2002�im�Fernsehen�ausge-strahlt, �wo��die�Sendung��dutzendeMillionen�Araber�erreichte.Von�den�Protokollen�ist�es�nur

ein�Schritt� zu�Ritualmordlegen-den.�„Der� Jude�kann�dich� töten� und

dein�Blut�nehmen,�um�sein�zioni-stisches�Brot� zu�backen."�Oder� :„Unter�Berufung� auf� den�Talmudwird�berichtet, �dass�die�Mazzes�amVersöhnungstag�mit�dem�Blut�vonNichtjuden�geknetet�werden�müs-sen.�Bevorzugt�wird�frisches�Blutvon�jungen�Opfern,�die�zuvor�ver-gewaltigt�wurden."

Halt!�Ist�man�da�versucht�zu�ru-fen, � da� ist�Wistrich� offenbar� einpaar� Jahrhunderte� zurückge-rutscht. �Mitnichten!�Er� bewegtsich�auf�dem�festen�Boden�der�Ge-genwart. �Die� lichtvollen�Aussa-gen�stammen�vom�irakischen�Ver-teidigungsminister�Mustafa�Tlas1983�in�seinem�Buch…�„Die�Maz-zen�von�Zion"�(1983)�und�aus�derägyptischen�RegierungszeitungAl�Akbar�(2001).Indem�Wistrich�vor�Auge� führt,

wie dies� alles� auf� die� Interpreta-tion�des�Koran�und�der�Überliefe-rung,� der�Hadithe, � durch� � islami-sche�Kleriker�zurückzuführen� ist,

wird�offenbar, �wie�tief�verwurzeltder� Judenhass� � in� der� Religionselbst� ist� und�der�Politik�nur�diewillkommene�Rechtfertigung�lie-fert. �Auch�der�Holocaust�wird� nicht

ausgespart. �Zum� ihm� bietet� die� islamische

Welt��Überlegungen,�bei�denen�dasInfame�mit� dem�Grotesken� wett�-eifert. Erstens� � habe� es� ihn� garnicht�gegeben,�zweitens��wurde�ervon�den�Zionisten�bewusst�provo-ziert, �drittens�seien�viel�zu�wenigJuden� ums� Leben� gekommen.Wäre� er� nur� konsequent� durchge-führt �worden, � so� gäbe� es� heute

kein�Israel. ��Ein�Pamphlet�im�Aus-stellungszentrum�der�Konferenzvon�Durban,�wo�die�Gleichsetzungvon� Zionismus� mit� Rassismusdurchgeboxt� wurde, � � zeigte� einBild�von�Hitler�mit�der�Bildunter-schrift:�„Wenn�ich�den�Krieg�ge-wonnen�hätte, �wäre�kein�palästi-

nensisches� Blut� ver-gossen�worden."� !�DerUnterschied, � ein� klei-ner�aber�nicht�unbedeu-tender, �zu�den�Nazis�be-steht�darin, �dass�die�ei-nen, � jedenfalls� in�Eu-ropa, � � vor�Gericht� ge-stellt��werden,�währendein� Muslim� ………?Wir�wissen�schon,�das

wäre�glatte�Islamphobie. ��Heute� ist � die� Holocaustleug-

nung�zu�einem�der�wichtigsten�In-strumente� der� antijüdischen�Pro-paganda� geworden. � Besondershervor� tut � sich� der� iranischeStaatspräsident, � (dem�Trittbrett-fahrer�wie�Hugo�Chavez�aus�Vene-zuela� �dem�Liebkind�der�paranoi-den� Linken, � � willfährige�Assi-stenz� leistet). � Im�Übrigen� zeigtgerade�der�Iran,�wie�sehr�der�anti-jüdische�und�antiisraelische�Hassreligiös�motiviert�ist:�zur�Zeit�desSchah�gab��es�zwischen�dem�Iranund� Israel� nicht� die� geringsteKonfrontation.

Wenn�man�die�Reichweite� undIntensität � der� antisemitischenPropaganda�evaluiert, �so�dürfte�dieAnzahl� der� antijüdisch� indoktri-nierten�Muslime�weltweit, � aberauch�heute�und�hier�bei�uns�der�An-zahl� der� indoktrinierten�Alt-� undNeo�Nazi� nicht� nur� gleichkom-men, � sondern� übertreffen. � � Eslässt�sich��nicht�leugnen,�dass�die-ses�Gedankengut�Europa� erreichthat, � denn�die� koranischen�Surenhaben� � in�Malmö�und�Wien�den-selben�Wortlaut�wie� in� �Riad�undPakistan.In�den�Niederlanden�sehen�viele

Juden�keine�Zukunft�in�einem�vonaggressiven�Muslimen�bestimm-ten�Land,�und�ähnliches�wird�ausSchweden�berichtet. �Wistrich�scheut�sich�nicht, �vor

der�Gefahr�zu�warnen,��die�aufgrundder�islamistischen�Kehrtwende�derTürkei�von�den�in�Deutschland�le-benden��und�durch�antisemitischeReden�der�Politiker� indoktrinier-ten� Türken� ausgeht. � � Und� werdenkt� da� nicht� unwillkürlich� � andie� Demonstration� zur� � „GhazaFlotille"�in�Wien?�Nun�bedient�sich�die�islamische

Welt��einer�Tricktaste, �auf�die�derWesten, � vor� allem�das� deutscheFeuilleton, � begeistert� einrastet.Die�Muslime�erklären:�wir�habenja�nichts�gegen�die�Juden,�sind�wir

MUSLIMISCHER�TERRORISMUS

al-ayyam, 4. märz 2008 (Bahrain), „recycling history“

al-Watan, 4. märz 2008 (Qatar)

Islam�ist�Frieden,�so�dekretiert�es�die�politische�Korrekt-heit.��wer�zweifel�äußert,�wer��gar�hasserfüllte�passagenund�tötungsgebote�aus�dem�Koran�zu�zitieren�wagt,�derkann�von�Glück�reden,�wenn�er��nur�wegen�Islamphobie,polarisierung,� Fremdenfeindlichkeit� die� rote� Karte� er-hält�und�nicht�staatsanwälte/innen�und�richter/innen�indie�Fänge�gerät,�die��wohl�bei�ehrenmorden�ein�bisschendie�augen� zudrücken,� aber� bei� der�wahrheit,� � wenndurch�sie�muslime�gekränkt�werden�könnten,�kein�par-don�kennen.��und�da�wagt��es�ein�herr��professor��robertwistrich� von� einem�muslimischen�antisemitismus,� voneinem� � Islamfaschismus� zu� sprechen!� nicht� etwa� vomterrorismus��einiger�weniger�irregeleiteter�Fanatiker,�diezufälligerweise�auch�eine,��am�besten�eine�nicht�näher�zubenennende�religion,�praktizieren,��und�er�hat�die�stirn,stellen�im��Koran�zu�zitieren,��in�denen���expressis�verbisder�hass�gegen�die�Juden�gepredigt�wird.

doch�alle�Kinder�Abrahams.�Abernatürlich,�die�Zionisten,�die�unserheiliges�Land�besetzen,�gegen�diesind�wir, �und�natürlich�auch�gegendie�Juden,�die�Israel�unterstützen,die� überhaupt� die�Weltherrschaftanstreben,�denn�Israel�wurde�ja�nurzu�diesem�Zweck�geschaffen!��Sichdagegen��zu�wehren,�das�muss�dochlegitim�sein?�Alles�kulminiert�imVernichtungshass� gegen� Israel.Für�den�Ägypter�Quutb,�einem�derEvangelis�ten� des�modernen� Isla-mismus, � hatten� bereits� die� heili-gen�Texte� des�Koran�das� heutigefürchterliche�Szenario�antizipiert:nämlich�den�jüdisch-zionistischenund� westlich-imperialist ischenGroßangriff�auf�die�gesamte�musli-mische�Welt!� („Unser�Kampf�mitden� Juden� "�1950), �dem� �nur� �diewahren� islamischen�Werte, � �wiesie� in� der�Scharia� � den�Hadithenfestgelegt�sind,��Einhalt�gebietenk ö n n t e n .Der� Hass� gegen� die� Juden� undihren� Staat, � den� Judenstaat, � istalso� ein� religiöses, � ein� unwider-legbares�Gebot. �Wistrich�sieht�weit�über�das�hin-

aus, �was�man�gern�auf�ein�arabischpalästinensisches� � israelischesProblem�eingrenzen�möchte, �Ererkennt�und�fürchtet�vielmehr�dieuniverselle� �Bedrohung.�Denn� inletzter� Konsequenz� � handelt � essich�darum,�dass�der��gesamte��un-gläubige�Wes�ten, � nicht� nur� dasWeltjudentum,��Israel�und�die�USA,unter�Allahs� � persönlichem�Auf-trag�durch�einen�niemals�endendenHeiligen� Krieg� niedergerungenwird, � denn�der�Wes�ten� ist, � –� dashaben�wir�ja�schon�vor�langer�Zeiteinmal�erklärt�bekommen�–��totalverjudet. ���Das� � �propagieren� � �die� islami-

schen�Autoritäten,�die�Theologenund� Imame,� die� die�Richtung�be-stimmen, � � die� ja� angestellt� sinddie�Botschaft� den�Koran� authen-tisch� zu� interpretieren� und� siesprechen�nicht�im�Geheimen,�son-dern� in� aller�Öffentlichkeit � undniemand�in�der�islamischen�Welt,Politiker, � Journalisten, �Wissen-schaftler, � andere�Kleriker�wider-sprechen�ihnen,�und�keine�der�is-lamischen�Vereinigungen� in�Eu-ropa, � keiner� der� Imame� Öster-reichs� oder�Deutschlands� erhebtein�Wort. �Anklagend� fragt�Wis�-trich:�„Wo�sind�internationale�Ge-meinschaft, � die� christlichen�Kir-chen,�die�Intellektuellen,�die�Wis-senschaft, �die�Vereinten�Nationen,Europa, �Deutschland, �Menschen-rechtsorganisationen?� Sie� sindalle� auf� atemberaubende� Weisestumm!"Er�diagnostiziert�auf�der�modera-

ten�Linken�und�der� liberaldemo-kratischen�Mitte�eine�erstaunlicheUnfähigkeit, �die�Ideologie�des�mi-litanten� Islam�ernst� zu� nehmen.Die� polit ische� Korrektheit � er-stickt� jeden�Versuch,� � sobald� einWissenschaftler� oder� Journalistversucht, �sich�mit�einem�beliebi-gen�Aspekt�des�Islam�zu�befassen.Mag�man�den�Muslimen�noch

die�Verblendung�der� Indoktrinie-rung� zugute� halten, � so� fragt�mansich,�ob�nicht��bei�denen,�denen�inder�Art�pawlowscher� �Reflexe�so-fort� Schaum�vor� dem�Mund� tritt,wenn�man�nur�das�Wort�Islam�aus-spricht, � am�Ende�der� alte� latenteJudenhass� durchbricht?�Denn�werheute�nicht�hören�will, �obwohl�er

Allein die Massenauflagen derniederträchtigen Protokolle derWeisen von Zion“, die nota bene

von Herzl ausgeheckt wordenseien, spricht Bände.

Der Konflikt um das iranische Atompro-gramm spitzt sich gefährlich zu. Teherandroht vor dem Hintergrund der Sanktionendes Westens mit einer Blockade derStraße von Hormus. Die Meerenge ist eineder strategisch wichtigsten Handelswege.Die USA reagierten bereits und sandtenFlugzeugträger in die Region. Israel siehtsich auf Grund des bisherigen Verhaltensdes Westens genötigt, über einen Präven-tivschlag gegen Irans Nuklearanlagennachzudenken, denn das iranische Re-

gime, das den Holocaust leugnet, hat demjüdischen Staat mehrfach unverhohlen mitder Vernichtung gedroht. Vor diesem Hin-tergrund stellt sich die Frage, inwiefern dieneuen Sanktionsbeschlüsse gegen denIran ein adäquates Mittel sind, um das Re-gime in Teheran an der Fortsetzung seinerProjekte zu hindern.Dr. Matthias Küntzel, Politikwissen-

schaftler und Publizist in Hamburg; exter-ner Mitarbeiter des Vidal Sassoon Interna-tional Center for the Study of Antise(pitism

an der Hebrew University in Jerusalem;Beiträge u.a. für DIE ZEIT, Der Tagesspie-gel und Der Standard, Autor von „DieDeutschen und der Iran. Geschichte undGegenwart einer verhängnisvollen Freund-schaft" und Koautor von „Der Iran – Ana-lyse einer islamischen Diktatur und ihrereuropäischen Förderer". Die englischeAusgabe seines Buches „Djihad und Ju-denhass.' Über den neuen antisemitischenKrieg« wurde mit dem Großen Preis desLondon Book Festivals ausgezeichnet.

EskalaTion am PErsischEn GolfVortrag und Diskussion mit Matthias Küntzel.

Moderation: Simone Dinah Hartmann (STOP THE BOMB).Donnerstag, 29. März 2012, 19.00 Uhr

Neues Institutsgebäude, Hörsaal II. Universitätsstraße 7, 1010 Wien

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wer� immer�heutzutage�die�Politikder�ungarischen�Regierung�kriti-siert, �dem�wird�von�ihren�Anhän-

gern�vorgeworfen�ein�Linker�oder�Liberalerzu�sein, �beziehungsweise�im�Auftrag�dieserpolitischen�Kräfte, �der�Banken�oder�sogareiner� „globalen�Herrschaft”, � � zu� agieren.Dabei�genügt�es, �einen�Blick�in�die�Unter-suchung� des� fidesznahen� Meinungsfor-schunginstituts�Tárki�aus�dem�Jahr�2009�zuwerfen, � um� sich� zu� vergewissern, � in�wel-chem�Zustand� sich� die� ungarische�Gesell-schaft�befindet, �die�sich�abkapselt�und�dereine� „verengte�Gedankenwelt”� bestätigtwird. �Die�Art� des�Denkens�wird� als� „weitentfernt�vom�Kern�der�westlichen�Kultur, �inder�Nähe�der� orthodoxen�Kultur”�verortet.Verglichen�mit� den�nicht� postsozialisti-schen�Ländern�des�Westens�werden�die�bür-gerlichen�und�politischen�Freiheitsrechteals�weniger�wichtig�betrachtet, �das�Anders-sein�wird�weniger�toleriert�und�die�Selbst-verwirklichung�spielt�eine�kleinere�Rolle.Immer� wieder� protestieren� ungarische

Funktionäre, �wenn�erwähnt�wird�wie�in�re-gierungsnahen� Medien� Antisemitismustransportiert�wird. �Meist�wird�da�das�WortAntisemitismus�in�Verbindung�mit�der�Be-hauptung�gebracht, �diesen�gäbe�es�nur�amRand�der�Gesellschaft� und�oft� genug�wirdAntisemitismus�durch� „zsidózás”� ersetzt,das� in� dieser�Lesarteinen�gemütlicherenAntisemitismus�dar-stellt, �der�Juden�oderMenschen, � die� alssolche�markiert�wer-den,�nicht�mehr�phy-sisch� vernichten,sondern� „nur”� aus-grenzen�möchte.�Auf-fallend� oft � findetman� auch� das� WortJudenproblem,� aller-dings� ohne� An-führungszeichen.Agnes� Hankiss

(MEP, � Fidesz)� haterst � unlängst� einen„offenen�Brief"�unterdem� Titel � „LiberaleLügen� und� schlei-chende� Anklagen”veröffentlicht, � indem� sie� u.a� behaup-tet:� „Es� ist� schlichtund� einfach� nichtwahr,�dass�irgend�jemand�wegen�seiner�jüdi-schen� Identität � in� Ungarn�Angst� habenmüsste. �Es�ist�aber�leider�eine�traurige�Tat-sache,�dass�die�linksliberale�politische�Ge-meinschaft�seit�langer�Zeit�dazu�neigt, �sichim� Interesse� der�Machterlangung�und�desMachterhaltes�den�Vorwurf�des�Antisemitis-mus�gegenüber�den�mitte-rechts�stehendenKräften�und�Regierungen�als�Waffe�verwen-den.�Und�dabei� immer�den�Eindruck�zu�er-wecken,�dass, �wenn�sie�nicht�an�der�Machtsind,�jede�Minderheit�in�Todesgefahr�gerät.Dies� ist � eine� gemeine� Lüge. � Und� einevergiftende�dazu. �Glauben�Sie�mir, � viele

Menschen�jüdischen�Glaubens�sehen�dieseZusammenhänge� sehr� klar, � sie� schweigenaber, � weil � der� Gruppenzwang� auf� sie� zugroß�ist.”Frau�Hankiss�tut�so, �als�ob�man�zur�Zeit

der�linksliberalen�Regierung�nicht�den�An-tisemitismus�im�sich�konservativ�sehendenLager�kritisiert�hätte. �Es�genügt�ins�Archivder� „Illustrierten�Neuen�Welt“� zu� schauen,um�sich�zu�überzeugen,�dass�dem�nicht�so

ist . � Sie� merkt� gar� nicht, � dass� sie� einerechtsextreme�Argumentation� gebraucht,wenn� sie� behauptet� Juden� stünden� „unterGruppenzwang".Tatsächlich� bringen�wenige� ungarische

Juden�den�Mut�auf�sich�über�den�immer�ag-gressiver�werdenden�Antisemitismus, � dersich� in� der�Mitte� der�Gesellschaft� artiku-

liert, � zu�beschweren.Diejenigen, � die� dastun, � wie� Adam� Fi-scher� oder� GyörgyKonrád, � um� jetzt� nurzwei�zu�nennen,�wer-den�oft� genug� expli-zit� antisemitisch� an-gegriffen. � Die� mei-sten� Juden� habentatsächlich� Angst,aber� nicht�wegen� ei-nem� angeblichenGruppenzwang, � son-dern� sie� fürchten� öf-fentlich� angepran-gert � zu� werden� undschweigen�deswegen.Und�dann�gibt�es�auchwelche,�die, �wie�FrauHankiss, �den�Antise-mitismus�nur� als� einmarginales� Phäno-men�merken�wollen.Es� ist � eine� Verken-nung� der� Realität ,

wenn�man� regelmäßig�konservativen�Me-dien�des�Auslands�unterstellt�„im�Interesseder�Macht�erlangung"� der�Linksliberalen„den�Vorwurf�des�Antisemitismus"�als�Waffezu�verwenden.Am�24.�Februar�2012�publizierte�die�FAZ

einen�Artikel� auf�Seite� drei, � der� sich� kri-tisch�mit�dem�Antisemitismus�in�der�Nähedes� Regierungschefs� auseinandersetzt:„Bayers�Artikel�in�der�Zeitung�„Magyar�Hir-lap", �in�denen�er�eine�gewisse�Vorliebe�fürKörperausscheidungen�und�Hautkrankhei-ten�zeigt, �haben�in�den�vergangenen�Jahreneine�ganze�Reihe�von�Skandalen�mit�inter-

nationaler�Resonanz�hervorgerufen� […]Den�Auftakt�machte�im�Frühjahr�2008�einBeitrag,�in�dem�er�sich�über�die�Kritik�jüdi-scher�Budapester�Intellektueller�an�Orbánsdamals�noch�oppositioneller�nationalkon-servativer� Partei � Fidesz� erregte. � Bayerschrieb, � diese� Leute� „pissen� in� dasSchwimmbecken�der�Nation", � und�wennman�das�kritisiere, �werde�einem�Antisemi-tismus�vorgeworfen:� „Sie� fallen� über� unsalle�her, �denn�sie�hassen�uns�mehr, �als�wirsie�hassen�können.�Sie�sind�unsere�Recht-fertigungsjuden, �was� bedeutet:� Ihr� bloßesDasein� rechtfertigt� den�Antisemitismus."

Auf�dem�Höhepunkt�des�Streits�zwischender�EU�und�der�ungarischen�Regierung�überderen�Mediengesetz�Anfang�vorigen�Jahresbezeichnete�er�den�britischen�JournalistenNick�Cohen�wegen�Orbán-kritischer�Kom-mentare� als� „stinkendes�Exkrement"� undbedauerte, �dass�bei�einem�Massaker�weißerTruppen�nach�Niederschlagung�der�kommu-nistischen�Räterepublik�1919�nicht�genugFeinde�Ungarns� „bis� zum�Hals"� im�Wald

verscharrt�worden� seien. �Die�Aufzählungließe� sich� fast� beliebig� lange� fortsetzen.Der�jüngs�te�Vorfall�ist�erst�einige�Tage�alt:In� einer�Fernsehdiskussion�über� eine�An-hörung�des�EU-Parlaments� zu�den�von�derEuropäischen�Kommission�beanstandetenungarischen�Gesetzen�bezeichnete�Bayerdie�österreichische�Grünen-Politikerin�Ul-rike�Lunacek�Mitte�Februar�als�„gehirnam-putierte, � an�Krätze� leidende� Idiotin"� und,ganz� nachsichtig, � die� EU-KommissarinNelly�Kroes� als� „bemitleidenswerte� Idio-tin".Dass�Bayers�Äußerungen�solche�Aufmerk-

samkeit� finden, � liegt� nicht� nur� an� seinerWortwahl� –� bei� anderen�würden� ähnlicheFormulierungen�wohl�wirkungslos� verpuf-fen.�Doch�die�Zeitung�„Magyar�Hirlap"�und

ihr�Eigentümer�Gábor�Széles�stehen�OrbánsFidesz� nahe�–� und�Bayer� selbst� ist� aus� Ju-gendtagen�mit� dem�ungarischen�Minister-präsidenten�befreundet. �[…]�Die�Beziehungist�bis�heute�nicht�abgerissen:�Es�gibt�auchaus�neuer�Zeit� zahlreiche Bilder, �die�Orbánund�Bayer�Seite�an�Seite�zeigen.�Diese�Nähewirkt�wie�ein�Verstärker�für�die�Worte�Bay-ers.

Zsolt�Bayer�war�einer�der�Initiatoren�desBudapester� pro-Orbán� „Friedensmarsches”am�21.�Januar�und�weil�die�grüne�Abgeord-nete�Ulrike�Lunacek�dort�mitgetragene�anti-semitische�Poster�im�EU-Parlament�thema-tisierte, �wurde�sie�von�Bayer�unflätig�ange-griffen.�Eine�offen� rechtsextreme�Websitemachte�aus�Frau�Lunacek�eine�Jüdin:�„Mitdiesem�Namen�und�diesem�Gesicht�Haß�zuverbreiten,�führt�nur�zum�Erstarken�des�eu-ropäischen�Antisemitismus”. �Diese�Pfeil-kreuzler�können�sich�gar�nicht�vorstellen,dass� eine�Nichtjüdin�wie�Ulrike�Lunacekden�Antisemitismus�anprangert�und�wieder-holen�das�Mantra�aller�Antisemiten,�die�Op-fer-Täter-Umkehr,�wonach�Juden�die�Verant-wortung�für�den�weit�verbreiteten�Antisemi-tismus�tragen.

2009�führte�die�ungarische�Akademie�derWissenschaften�eine�grundlegende�Untersu-chung�des�Antisemitismusspiegels� in� derungarischen�Gesellschaft� durch�und�kamzum�Ergebnis, �dass�22�Prozent�der�Bevöl-kerung�extrem�vorurteilsbeladen�gegen�Ju-den� sind, � d.h. � sie�wenden�viele� negativeStereotypen� in� Bezug� auf� Juden� an� undfühlen�starke�Emotionen�gegen�Juden�undwären�auch�bereit�Juden�zu�diskriminieren.

Es�gibt�auch�neuere�Untersuchungen,�dieebenfalls�ein�alarmierendes�Bild�zeigen,�28Prozent�der�erwachsenen�Bevölkerung�ver-binden�den�Begriff�Jude�mit�der�wirtschaft-lichen-gesellschaftlichen�Krise, �mit� derVerarmung,�dem�Verlust�des�Arbeitsplatzesund�anderen�ungünstigen�Änderungen.�Ver-hältnismässig� viele� bringen� die� Ver-schlechterung�ihrer�Lebensumstände�in�Ver-bindung�mit�Juden,�obwohl�objektiv�kein-erlei�Zusammenhang� zwischen�beiden�be-steht.

Der�Antisemitismus� ist� in� der�Spracheund�der�Kultur�der�Gesellschaft�beweisbar.Die� auf� historische�Traditionen� aufbau-ende,�die�Juden�pejorativ, �in�vielen�Fällenals�Missetäter�zeigende,�stigmatisierende,verachtete�Sprache�ist�ein�Bestandteil�derIdentität. �Wer� diese�Sprache� spricht, � dergehört� „zu� uns”, �wer� das� nicht� tut , � der

März/April�2012

UNGARN: JUDEN UNTER „GRUPPENZWANG”?

Wolf mit Payaot Usa – EU go home

Tatsächlich bringenwenige ungarische

Juden den Mut auf sichüber den immer

aggressiver werdendenAntisemitismus, der sichin der Mitte der Gesell-

schaft artikuliert, zubeschweren. Diejenigen,

die das tun, wie AdamFischer oder GyörgyKonrád, um jetzt nur

zwei zu nennen, werdenoft genug explizit anti-semitisch angegriffen.

heute� konkurrieren� hauptsächlichzwei�Parteien� in�Ungarn�miteinan-der, � die� pfeilkreuzlerische� Jobbik

Partei, � die� offen� antisemitisch, � rassistischund�homophob�ist�und�die�RegierungsparteiFidesz, � die� sich� selbst� als� eine�Partei� desZentrums� sieht, � doch�brachiale� antisemiti-sche�Persönlichkeiten�in�ihren�Reihen�dul-det�und�protegiert. �All�dies�ist�keine�Neuig-keit�und�diese�Entwicklung,�die�Antisemitis-mus� in�Ungarn�salonfähig�machte, �begannknapp�nach�der�Wende�1989.Redefreiheit�wurde� in�Ungarn� viel� zu� oft

zur�Redefreiheit� für�Nazireden. �Die�manch-mal�von�den�selben�Personen�verteidigt�wer-den,�welche�die�Nazi�angreifen�und�vernich-ten�wollen�–�wie�uns�das�auch�die�Geschichtevon�Miklós�Gáspár�Tamás��zeigt. ��Tamás�be-gann� als�Marxist, �wurde� liberal� und�Parla-mentsabgeordneter�der�liberalen�SZDSZ�Par-tei�von�1990�bis�1994.�Vor�ein�paar�Jahrenkehrte�er�zurück�zum�Marxismus.�Am�17.�Februar�2012�kritisierte�Tamás�in

der� linksliberalen�Wochenzeitung�Élet� ésIrodalom�u.a. �die�Moderatoren�der�linken�und

liberalen�Websites, �weil�diese�nicht�nur�dieZuschriften� der�Holocaustleugner, � sondernauch�die� der� offenen�Befürworter� des�Holo-causts�nicht�streichen,�„offensichtlich,�weilsie�ermüdet�sind,�es�gibt�zuviel�davon”.Es�gab�eine�Zeit, �in�der�Tamás�als�ein�lei-

denschaftlicher,�manche�sagen�sogar�dogma-tischer� Gläubiger� der� Redefreiheit , � dieseauch�für�Nazi�befürwortete. �1992�war�er�Vor-sitzender� des�SZDSZ�Landesausschuss� undals�solcher�wurde�er�einige�Mal�von�GyörgyGadó,�damals�SZDSZ-Abgeordneter�im�Parla-men,t�gebeten,�dafür�zu�sorgen,�dass�die�Ge-setze, � die� rassistische� und� antisemitischeHetze�verbieten,�nicht� abgeschafft�werden.Die� einzige�Antwort, � die�Gadó� erhielt, �wareine� öffentliche�Distanzierung�von�Tamásvom�„nicht�akzeptierbaren”�Ton�von�Gadó,der�sich�im�Parlament�kritisch�über�die�Tole-ranz� für�Rechtsextremisten, �Rassisten� undAntisemiten�äußerte. �Allerdings, �als�die�Propagandisten�der�Re-

gierungspartei�MDF�seine�Partei�mit�den�Eti-ketten�„jüdisch"�und�„kosmopolitisch"�be-legten, � hatte�Tamás, � der�Sohn� einer� jüdi-

DER�DOPPELTE�STANDARD�VONMIKLóS�GáSPáR�TAMáS

t

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J eder�israelische�Student�an�einer�ame-rikanischen� Universität � lerntschnell, �dass�die�wirklich�wichtigen

akademischen�Veranstaltungen�in�den�Mit-tagspausen� stattfinden, � wo� man� einen„Non-Pizza�Lunch"� erhält . � So�bekommtman�ein�kostenloses�Mittagessen�und�kannnebenbei�auch�noch�seinen�Horizont�erwei-tern. �Eine�solche�Veranstaltung�fand�kürz-lich� in� der� Har-vard�Law�School� statt, � esging� um� den� Fall � KhaderAdnan�und�die�Administra-tivhaft�in�Israel. �Anders�alsbei�vorherigen�Events�hin-terließ� dieses�Mittagessenbei� mir� einen� bitterenNachgeschmack. � Eineganze�Stunde� lang�präsen-tierten� die�Organisatorenvor� vollem�Saal� den�StaatIsrael�in�düsterem�Licht�undließen�sich�dabei�von�Fak-ten� nicht� beirren. � Ich� binmir�sicher, �dass�ein�zufälli-ger� Zuhörer, � der� sich�mitden�Details� des� israelisch-palästinensi-schen�Konflikts�nicht�auskennt, �nun�davonüberzeugt� ist , � dass� Israel� nur� zum� SpaßPalästinenser� in�Verwaltungshaft� steckt.Nicht�ein�Wort�fiel�über�den�palästinensi-schen�Terrorismus�oder� die�Tatsache,� dasskein�anderer�Staat�der�Welt�es�administrati-ven�Gefangenen�gestattet, � sich� direkt� andas�Oberste�Gericht� zu�wenden,� so�wie� esbeispielsweise�im�Fall�von�Adnan�gesche-hen�ist. �Auch�wurde�ganz�selbstverständlichmit�zweierlei�Maß�gemessen�–�schließlichsetzt� nur�wenige�Dutzend�Kilometer� vomKrankenbett�Adnans�in�Israel�der�syrischePräsident�Bashar�al-Assad�das�Massaker�anseinem�Volk�fort. �Doch�die�israelische�Poli-tik�ist�natürlich�die�schwerwiegendste�Ver-letzung�der�Menschenrechte�in�der�Region

und�fordert�eine�unverzügliche�akademischeDebatte. �Das�Recht� eines� jeden, � Israel� zukritisieren�–�und�in�einem�Teil�der�Fälle�si-cher�zu�Recht�–�liegt�im�Wesen�der�Demo-kratie� begründet. �Doch�die� vergangenenTage�hier�in�Harvard�geben�mir�das�Gefühl,dass�sich�unter�dem�Deckmantel�des�akade-mischen�Diskurses�noch�etwas�anderes�ver-birgt. �Dieses�Gefühl�verstärkte�sich�noch,als�ich�mich�an�die�Organisatoren�der�Veran-

staltung� wandte� undmich� vorstell te: � DiePalästinenserin,�die�dieKonferenz� organisierthatte, � hörte� sofort� aufzu� lächeln, � und� ihreEmpfindungen� ange-sichts� meines� Satzes„Ich�bin�Israeli"�warennicht� zu� übersehen.Und� diese� Veranstal-tung� war� nur� der� An-fang. � Die� jährlichstattfindende�Diskussi-onsveranstaltung� derHarvard� Law� School

beschäftigte� sich�mit�der�Frage�„Kann� Is-rael�ein�jüdischer�und�demokratischer�Staatsein?"�Auch�bei�dieser, �noch�relativ�ausge-glichenen,�Veranstaltung�waren�Positionenzu�hören,�die�das�Existenzrecht�des�StaatesIsrael�in�Frage�stellten. �Der�Vergleich�mitDeutschland�in�den�1930er�Jahren�lag�nichtmehr� fern. �Doch� der�Höhepunkt�war� dieKonferenz� „Die� Einstaatenlösung". � DieKonferenz, � die� von� Studenten� unter� derSchirmherrschaft� der�Universität� organi-siert�worden�war, � versuchte, � der�Delegiti-mierung�des�Staates� Israel�einen�akademi-schen�Anstrich� zu� verleihen. �Auf� dieserKonferenz�wurde� Israel� bereits� in� einemAtemzug�mit� dem�Wort� „Apartheid"� ge-nannt. �Die�israelische�Position�wurde�durchsolche� „Unterstützer"� Israels� und�des�Zio-

nismus�repräsentiert�wie�den�anti-zionisti-schen� Historiker� Dr. � Ilan� Pappé. � (AlanDershowitz�hat�richtig�angemerkt, �es�wäreinteressant�zu�sehen,�wie�Harvard�reagierthätte, �wenn� eine�Gruppe� von�Studenteneine�Konferenz�unter�dem�Titel�„Gibt�es�einpalästinensisches�Volk?"� hätte� abhaltenwollen�und�nur�Wissenschaftler�eingeladenhätte, �die�diese�Frage�mit�„Nein"�beantwor-ten.)�Das�ist�kein�echter�akademischer�Dis-kurs� und�keine� legitime�Kritik, � sonderneinfach�ein�Versuch,�eine�Diskussion�überdie�Frage� zu� führen,� ob� das� jüdische�Volkdas�Recht� auf� einen�Staat� hat� –� um�daraufeine� negative�Antwort� zu� geben. �Das� istAntisemitismus�getarnt� als� akademischerDiskurs. �Es�handelt�sich�hier�nicht�um�eineKonferenz�in�einer�unbekannten�Institutionoder�um�Ereignisse�an�Universitäten�in�Eu-ropa, � dort � sind� solche� Vorkommnisseschon�bekannt. �Es�handelt�sich�um�eine�an-tisemitische�Konferenz�an�einer�der�wich-tigsten� akademischen� Insti tutionen� derWelt. � Ich� bin� daher� stolz, �Mitglied� einerGruppe� israelischer�Studenten�zu�sein, �diedie�erste�„Harvard�–�Israel"-Konferenz�orga-nisiert.Diese�Konferenz�wird�die�israelische�In-

novationskraft�und�lebendige�Gründerszenepräsentieren�und�–�wichtiger�noch�–�origi-nelle�Ansätze�und�wirtschaftliche�Lösungenfür�Frieden�und�Koexistenz� zwischen�denVölkern.�Wenn�beide�Seiten�–�Israelis�und

März/April�2012 Seite 7

Er�befürwortete�damals�die�„Meinungsfrei-heit”�der�Antisemiten�und�war�weniger�tole-rant�als�bekannt�wurde,�dass�Ungarns�Ober-rabbiner�György�Landeszmann� anlässlicheines�Interviews,�das�im�Februar�1993�in�ei-ner� regierungsnahen�Wochenzeitung�publi-ziert�wurde,�u.a. �behauptete, �es�würde�ohneJuden�keine�ungarische�Kultur�geben.�Dabeiging�unter�was�er�noch�gesagt�hat:�Journalistin: � �„Ich habe weder gelesen

noch gehört, dass die Juden bei ihren Erinne-

rungen auch die ungarischen Soldaten er-

wähnt hätten, die den Heldentod gestorben

waren (im Kampf gegen die Sowjetunion).

Warum lehnen Sie eine Schicksalsgemein-

schaft mit den Märty rern des ungarischen

Volkes ab?“

Rav�Landeszmann.:�„Das sind keine Mär-

ty rer des ungarischen Volkes. Schade, dass

Ungarn sie als solche betrachtet. . . Denn sie

kämpften im Zweiten Weltk rieg an der Seite

des Faschismus gegen den Bolschewismus,

obwohl damals der Faschismus die größere

Gefahr darstellte."

Alle� diejenigen, � die� Rav� Landeszmannheftig� angriffen, � verschwiegen�diese�Sätzeund�gingen�nur�auf�die�im�Zorn�geäußerte�un-

richtige� Behauptung� Landeszmanns� ein:„Wenn�wir�die�jüdischen�Werte�aus�der�unga-rischen�Kultur�abgezogen�hätten,�dann�wärenichts�geblieben�außer�der�breiten�Hose�unddem�Barackpálinka� (Aprikosenschnaps)."Der�Philosoph�Tamás�nannte�in�einem�Zei-

tungsartikel�Dr. �Landeszmann,�der�jahrelangdas�jüdische�Archiv�leitete, �„einen�dummenund�schädlichen�ungarischen�Staatsbürger",der�„seit�seiner�Matura�nichts�gelesen�hat“.Er� fügte� hinzu:� „Die� Juden� sind� angeblichkluge�Menschen.�(. . . )Wie�konnten�sie�dannLandeszmann�mit�der�Führung�ihrer�Gemein-schaft� beauftragen?�Es� ist � unbegreiflich,vorausgesetzt, �dass�nicht�sie�ihn�beauftrag-ten, � sondern� jemand� anderer, �wer�weiß� es,wer. . ."Nicht�einmal�im�Traum�wäre�dem�liberalen

Tamás�eingefallen,�den�Rücktritt�von�IstvánCsurka� oder� eines� anderen� antisemitischenAbgeordneten� zu� fordern� oder� sie� in� einerderartigen�Tonart�anzugreifen.Sofort � nach� dem� Tod� von� Csurka

(4.2.2012)�hat�Tamás�einen�langen�Nachrufauf�den�von�ihm�als�„Faschist�und�Nazi"�be-zeichneten� ehemaligen�Schriftsteller, � dernach�der�Wende�zum�antisemitischen�Politi-ker�wurde, � in� der� liberalen�WochenzeitungHVG�veröffentlicht. �Gleichzeitig� lobte� erCsurka� als� einen�ungarischen� Intellektuel-len.�Der�sich�Sorge�um�das�ungarische�Volkgemacht�hätte.Nun�haben�sich�auch�die�Nazischriftsteller

im�„Dritten�Reich"�Sorgen�um�das�deutscheVolk� gemacht, � trotzdem� hat� außer� denRechtsextremisten�kein�deutscher� Intellek-tueller�versucht, �diese�Schriftsteller�damit�zuentlasten.Tamás�hat�weder� als�Marxist , � noch� als

Liberaler� und� später� als� wiedergebore-ner�Marxist�begriffen,�dass�der�Antisemitis-

ANTISEMITISMUS�IN�AKADEMISCHEM�GEWAND

ANTISEMITISMUS

Doch die vergange-nen Tage hier in

Harvard geben mirdas Gefühl, dass sichunter dem Deckman-tel des akademischenDiskurses noch etwas

anderes verbirgt.

GRUNDSTEIN FÜR NS-DOKU-MEN TATIONSZENTRUMNach�dem�Motto� „Was� lange�währt, �wird

endlich� gut"� legten� der� MünchnerOberbürgermeis�ter�Christian�Ude� (SPD), � derbayerische�Kultusminister�Ludwig�Spaenle(CSU)�und�der�Kulturstaatsminister�Bernd�Neu-mann�(CDU)�den�Grundstein�für�das�NS-Doku-mentationszentrum�in�München.�Der�Münch-ner�OB�erinnerte�an�das�Oktoberfest-Attentatvon�1980,�das�ein�junger�Rechtsradikaler�ver-übt�hatte, �und�an�die�Mordserie�der�ZwickauerNeonazi-Terrorzelle, �die�seit�2000�ihr�mörde-risches�Unwesen�verübt�hatte. �Die�Stadt�brau-che�„einen�Ort�der�Aufklärung".�2014�soll�dasvon�Stadt, �Land�und�Bund� finanzierte� 28,2Millionen�Euro�teure�Gebäude�an�der�BriennerStraße��im�ehemaligen�„Parteiviertel"��fertigwerden.� �Am�Standort�befand�sich�von�1930bis�1945�das�so�genannte�„Braune�Haus", �dieParteizentrale�der�NSDAP.�Der�Freistaat�Bay-ern�stellte�das�1.450�m2 große�Grundstück�zurVerfügung.Bereits� kurz� nach�dem�Zweiten�Weltkrieg

hatte�es�die�Idee�gegeben,�am�Standort�des�ehe-maligen�Gestapo-Hauptquartiers�im�1950�ab-gerissenenen� „Wittelsbacher�Palais"� einenLernort� zur�Auseinandersetzung�mit� der�NS-Vergangenheit� zu� schaffen. �Stattdessen� ent-stand�dort� aber� die�Dependance�der�Bayeri-schen�Landesbank. �Erst� 2001/� 2002�war� fürStadt�und�Land�die�Zeit� reif, �dieses�Vorhabenerneut�anzugehen.��Der�fünfstöckige�Kubus�ausweißem�Sichtbeton�mit�zwei�Stockwerk�hohenFenstern, �den�die�Architekten�Bettina�Georg,Tobias�Scheel� und�Simon�Wetzel� aus�Berlinentwarfen, � steht� nahe� dem�Königsplatz� imKontrast�zur�teilweise�noch�vorhandenen�mar-tialischen�Architektur�der�1930er�Jahre�rundumund�will� damit� auch�visuell� bewusst�mit� dereinstigen�Täterperspektive�brechen.��Der�Wür-fel�markiert� also� einen�Täterort, � ohne� archi-tektonisch� an� das� „Braune�Haus", � das� nochvon�den�Amerikanern�gesprengt�worden�war,Bezug�zu�nehmen.�Auf�1.200�m2 Fläche�sollenin� 30�Themenkomplexen�Ursachen, �Folgenund�Auswirkungen�des�NS-Regimes� in�Mün-chen�dargestellt�werden.�Hinzu�kommen�unter-irdisch�gelegene�Veranstaltungsräume�und�eineBibliothek. �Man� rechnet� ab� 2014�mit� etwa250.000� Besuchern� jährlich.e. �p.

Tamás lobte Csurka alseinen ungarischen

Intellektuellen, der sichSorge um das ungarische

Volk gemacht hatte.

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Seite�8 März/April 2012

a ls�„Lage�21"�wird�einGeiseldrama� imOlym�pischen� Dorf

vorgestellt. �Ein�Psychologebeschreibt� das�Szenario� ei-nes�Überfalls�auf�das�Wohn-quartier� des� israelischenSportteams.�Der�Polizeiprä-sident�winkt�amüsiert�ab�undwendet�sich�dem�Beispiel�ei-ner�Demo�am�Olympiasee�zu.Der�Satz� des�Psychologen:„Terroristen� sind�bereit� fürihre�Sache� zu� sterben"� gehtim�allgemeinen�Desinteresseunter. � Dies� ist � einer� derstärksten�Momente�in�eineman� bemerkenswerten� Mo-menten�reichen�neuen�Spiel-film�in�der�Regie�des�IsraeliDror�Zahavi. �Die� Idee� eines�Spielfilms

existierte� beim�ZDF� schonlange. � 2005�war� der�Spiel-film�„München"�von�StevenSpielberg� in� die�Kinos� ge-kommen. �Und� es�war� klar,dass�„München�72"�den�Nah-ostkonflikt�mit�israelischenund�palästinensischen�Dar-stellern, � soweit�möglich�anOriginalschauplätzen� undunter�Einbeziehung�neuesterErkenntnisse, � also� alles� inallem� anders� und� trotzdemsehr�spannend�thematisierenmusste. �Uli�Weidenbach,�zu-ständig�für�die�Fachberatung,hatte�nach�seiner�ersten�Do-kumentation� zum� Thema„Der�Olympia-Mord:�Mün-chen�72"� von�2006�weiter-geforscht. � Er� sprach� nichtnur�mit�den�Hinterbliebenender�Opfer�wie�Ankie�Spitzer,

sondern� führte� vor� dessenAbleben�auch�Interviews�mitAbu�Daoud,�einem�der�Draht-zieher� des� Olympia-Atten-tats, � sowie� mit� dem� Vatervon�„Issa", �dem�Anführer�desTerrorkommandos. �Was�der90-minütige�Spielfilm�über21�Stunden�einer�tödlich�en-denden�Geiselnahme�drama-turgisch�zugespitzt�im�März2012� im� ZDF� il lus�trierte,wurde�in�Weidenbachs�ansch-ließend�ausgestrahlter�Doku-mentation� ausdrücklich� be-legt. � Und� immer� neueunnötige�wie�unverzeihlichePannen� werden� offenbart .Der� abgeschmetterte� Ver-such, � einen� Terrorüberfalldurchspielen� zu�wollen, � istebenso� verbürgt� wie� diefalsche� Anzahl� Attentäter,die�beim�Showdown�erwartetwurde. � Im� für� den�vermeint-lich� freien�Abzug�bereitge-stellten�Flugzeug�in�Fürsten-

feldbruck� sollten� deutscheSpezialkräfte�die�Terroristenüberwältigen. �Als� sie� sichihrer� mangelnden�Ausstat-tung� und� Vorbereitung� be-wusst�wurden,�zogen�sie�ab�–ohne�Erlaubnis�und�ohne�In-formation�des�Krisenstabs.Eine� Fülle� von� Planungs-mängeln�im�Vorfeld�und��Feh-lentscheidungen� in� der�Kri-sensituation�führten�also�ge-radewegs� in� eine� kompletteKatastrophe.�Die�Olympischen� Spiele

1972� in�München�waren�–ganz� im�Kontrast� zu� jenenvon�1936�in�Berlin�–�als�hei-ter, �weltoffen� und� tolerantgeplant. � Das� Sicherheits-konzept�war�sträflich�lasch,die�Polizei�vor�Ort�unbewaff-net, � das� Olympische� Dorfunzureichend� überwacht,eine�Antiterroreinheit� nichtvorhanden, � die�Befreiungs-aktion� am�Militärflughafen

in� Fürs�tenfeldbruck� chao-tisch.�Die�Bilanz:�keiner�derEntführten�überlebt, �fünf�Ter-roristen� und� ein� deutscherPolizist�sterben�im�Kugelha-gel. �Ulrich�K.�Wegener, � da-mals�Adjutant�des�deutschenBundesinnenminis�ters�Gen-scher� und� späterer�Chef� derGSG�9-Antiterroreinheit, �er-innert� sich�bis�heute�an�dasstümperhafte�Münchner�Kri-senmanagement:� „Es�warendie� schlimmsten� Stundenmeiner�beruflichen�Laufbahn–� weil � ich� nichts� tunkonnte.“�Im�Film�wird�Wege-ner� von� Benjamin� Sadlerverkörpert . � Heino� Ferchmimt�den�überforderten�Poli-zeipräsidenten�Waldner, �eineder� wenigen� historischenPersönlichkeiten, � die� nichtunter� ihrem� tatsächlichenNamen�firmieren�darf.Für�den�Regisseur�Dror�Za-

havi�war�es�wichtig,�Authen-tizität�in�den�Physionomienund�der�Sprache�der�Darstel-ler��zu�schaffen.�Dass�einigeder� israelischen�Darstellervor�drei�Jahren�noch� in�derisraelischen� Armee� unterWaffen� gestanden� hatten,brachte�eine�besondere�Dy-namik� in� die�Dreharbeiten.Und�mit� dem�SchauspielerShredy�Jabarin,�einem�israe-lischen�Araber, �der�den�An-führer�„Issa"�Lutif�Affif�ver-körpert , � arbeitete� Zahavibereits� in� dem�Drama�übereinen�Selbstmordattentäterin�„Alles� für�meinen�Vater"(2008)� erfolgreich� zusam-men.„Die�Chiffre�‚München�72’

steht", � so�Daniel�Blum�vonder�Redaktion�Fernsehfilm�IIdes�ZDF,� „auch� für�das�Endeder�Unschuld�im�Umgang�mitden�bis�auf�den�heutigen�Tagstetig� wachsenden� Bedro-hungen�durch�den�internatio-nal� agierenden�Terrorismus.Insofern� hat� das�Olympia-Attentat�eine�größere�Verän-derung�in�Staat, �Gesellschaft

EIN�SPIELFILM�UND�ZWEI�DOKUMENTATIONENBELEUCHTEN�OLYMPIA-MASSAKER�VON�MÜNCHEN

VON�ELLEN�PRESSER

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DIE OPFER

vor�bald�vierzig�Jahren�–�am�5.�september�1972�–�überfielen�achtmitglieder�der�palästinensischen�terrororganisation�„schwarzerseptember"� während� der� olympischen� spiele� in�münchen� dasQuartier�der� israelischen�sportler.�Den�Geist�dieser�olympiade,das�Geiseldrama,�die�eskalation�der�missglückten�Befreiungsak-tion�und�die�erinnerungen�überlebender�israelischer�sportler�the-matisiert�ein�spielfilm�und�zwei�Dokumentationen.

Am�7.�Juli�2012�folgt�auf�The�Biography�Chan-nel� eine� weitere� Dokumentation,� „„Das� Gei-seldrama� von� München� 1972".� Der� Produzent,Emanuel�Rotstein,� befragte� dazu� –� in� erstmaligerAusführlichkeit� –� sieben� Überlebende� der� israeli-schen�Sport-Crew:�„Wir�geben�unseren�Protagoni-sten� Zeit� und� Raum,� ihre� persönliche�Geschichtezu�erzählen.“�Das�Trauma,�von�der�Olympiade�mitden�Särgen�der�Kameraden�an�Bord� in� ihre�Heimatzurückzukehren,�haben�die�ehemaligen�Sportler�bisheute�nicht�überwunden.��Bei� dem� Überfall� in� der� Conollystr.� 31� im

Olympiadorf� trafen�die�Attentäter� im�Apartment�1auf�zwölf�Israelis,�darunter�Ringer�und�Gewichthe-ber.� Josef� Romano,� der� heftigen� Widerstand� lei-stete,�und�Mosche�Weinberger�kamen�dort�ums�Le-ben,�Dem�Ringer�Gad�Tsabary�gelingt�die�Flucht.Die�restlichen�Neun�wurden�von�den�Terroristen�inFürstenfeldbruck�niedergemäht,�als�diese�sich�in�derdilettantischen� Falle� ein� annähernd� 40-minütigesGefecht�mit�der�Polizei�gaben.�Rotstein�fragte�DanAlon,� Henry� Hershkovitz,� � Shaul� Paul� Ladany,Avraham� Melamed,� Zelig� Shtorch,� Gad� Tsabaryund�Yehuda�Wainstein.�Seine�Frage�„Ma�nischma�–Wie� geht� es� Dir?"� öffnete� alle� Schleusen.� DanAlon� stammt� aus� einer� Fechter-Familie,� hat� seit1972�kein�Florett�mehr� in�die�Hand�nehmen�kön-nen.� Sichtbare� Sicherheitsvorkehrungen� hatte� esnicht� gegeben.�Aus� einer� für� jedermann� zugängli-chen� Karte� konnte� man� sogar� ersehen,� wo� jedeMannschaft� untergebracht�war.� Shaul�Ladany�hältin� seiner�Altersklasse�noch� immer�den�Weltrekordals�Geher.�Er�war�unbedingt�für�die�Fortsetzung�derSpiele,�weil�ein�„Abbruch�die�Ziele�der�Terroristenerfüllt"� hätte� und� eine�Strafe� für� die�Athleten,� dieso� lange� trainiert� hatten.�Außerdem�wäre� ein�Ab-bruch� ausgerechnet� Israel� zur�Last� gelegt�worden.Seine�Autobiographie�trägt�den�Titel�„Von�Bergen-Belsen� zu� den� Olympischen� Spielen".� ZeligShtorch,� haderte� lange� mit� sich.� Als� 26-jährigerSportschütze,�der�im�Appartment�2�wohnte�und�imTreppenhaus� nicht� als� Israeli� identifiziert� wurde,hatte�den�Anführer�im�Schussfeld:�„Ich�hätte�ihn�er-schießen�können.�Vielleicht�wäre�alles�anders�ver-laufen."�Es� lohnt� sich,� die� ausführliche� Dokumentation

anzuschauen.� Die� überlebenden� Sportler� habenihren� offiziellen� München-Besuch� im� Februar2012�genossen,�aber�es�war�ihnen�in�jeder�Sekundebewusst,�dass�die�Familien�der�Ermordeten�–��JosefRomano�(32),�Mosche�Weinberger�(33),�Josef�Gut-freund�(41),�Kehat�Schorr�(53),�Mark�Slavin�(18),Andre�Spitzer� (27),�Amizur�Shapira� (40),� JaakowSpringer�(51),�Elieser�Halfin�(24),�Seew�Friedman(28)�und�David�Berger�(28)�sowie�des�Polizeiober-meisters� Anton� Fliegenbauer� (32)� –� ganz� andereGefühle�haben.

HAUTNAH AM TOD VORBEI

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Wi e fühl en Si e s i ch al s Is rael i i n

Deut s chl and?

Ich�habe��einen�israelischen�Pass, �lebe�seit1992�in�Berlin. �Ich�fühle�mich�in�meinemBeruf� eigentlich� als� Deutscher, � meineganze�Arbeit�ist�in�Deutschland�entstanden.Bis�auf�einen�Film:�„Alles�für�meinen�Vater"entstand�komplett�in�Israel�und�mit�israeli-schen�Schauspielern. �Er�war�meine�Idee,�al-lerdings�in�deutscher�Koproduktion.Wi e war es mö g l i ch, al s Is rael i –

al s o aus dem s o g enannt en „Land der

Zi o ni s t en" – i n der DDR z u s t udi e-

ren?

Es�gab�die�Chance�für�ausländische�Studen-ten…Ja, aus Kub a, aus der So wj et uni o n,

Vi et nam.

Nein, � bei�mir� im�Seminar� auch� aus�Finn-land,�Schweden�und�Holland.�Ich�war�1982mit�einer�Israelin�verheiratet, �die�in�West-berlin�studierte. �Es�ergab�sich�einfach.� InWestberlin� konnte� ich� das�Studium�nichtbezahlen,�also�ging�ich�mit�Visum�in�denOsten�nach�Babelsberg.Di e Ho chs chul e i n Tel Av i v …

…genießt� einen�hervorragenden�Ruf. �Da-mals�gab�es�aber�noch�keine�Film-Fakultät.Wi e s t and es 1 9 8 2 um Ihre Deut s ch-

k ennt ni s s e?

Ich�hatte�keine. � Ich�bin�ein�Sabre, �meineMutter� ebenso. � Ihr�Vater� kam�aus�Polen,ihre�Mutter� aus� der�Ukraine, �mein�Vaterstammt�aus�Bulgarien.�1941,� �24�Stundenvor� der� deutschen� Invasion, � ging� er�mitdem�Schomer�Hatzair�nach�Palästina. �SeinSchiff�wurde�von�den�Briten�gefasst, �und�ersaß�mit�seinem�Bruder�zwei�Jahre�in�einemInternierungslager�in�Atlit�bei�Haifa. �SeinBruder� starb� dort� an�Typhus. �Nachdem�er

rauskam,� lernte� er�meine�Mutter� kennen.Da es k ei ne Bez üg e z u Deut s chl and

g ab , wel che Ro l l e s p i e l t e Ihr Ge-

b urt s o rt Mi t t e der 1 9 8 0 er Jahre i n

der DDR?

Ich�war�in�Babelsberg�wie�auf�einer�Insel�inder� DDR� und� ich� hatte� kaum� Kontakte,nicht�mal�zur�Jüdischen�Gemeinde� in�Ost-berlin. �Der� ergab� sich� erst� zum�Studien-Ende,�als�ich�für�meine�Diplomarbeit�übereinen� der� größten� israelischen�Dichter,Alexander�Ben,�eine�Drehgenehmigung�fürdie�Synagoge� in�der�Oranienburger�Straßebrauchte� und� sie� als� einziger� bekommenhabe. �Eigentlich� ein� his�torisches�Doku-ment!�Das�war�damals�eine�Ruine,�in�der�wireinen�Großteil � des� Films� drehten, � allesvoller�Sand,�Bäume�wuchsen�aus�den�Wän-den.Gab es i deo l o g i s che Schul ung ?

Bei�mir�nicht. �Jet z t s i nd Si e ei n g es amt deut s cher

R e -

g i s s eur, der v o m Kri mi b i s z um an-

s p ruchs v o l l en Ferns ehf i l m al l e s

macht …

Ja, �aber�als�engagierter, �politisch�denken-der� Mensch� interessieren� mich� gesell-schaftsrelevante�Themen�mehr�als�„roman-tic� comedies". �Obwohl� ich� die� auch� sehrgerne�mache,�wenn�sie�gut�sind.�Ich�konntemir�in�den�letzten�Jahren�–�vielleicht�seitich�ein�paar�Preise�bekam�–��Stoffe�selbstaussuchen�und�die� heißen� � „Zivilcourage"oder�„Kehrtwende"�oder�„Ranicki".Wi e g eht es Ihnen al s Is rael i , der

s i ch der Gefahren b ewus s t i s t b ei ei -

nem Fi l ms t o ff üb er p al äs t i nens i s che

At t ent ät er. Si e v ers uchen j a i n Ihrer

Arb ei t s t et s fai r z u s ei n.

Das� ist� richtig, � das� begleitet�mich�durchmeine� ganze�Arbeit. �Egal, �was� ich�mache,ich� versuche� zu� verstehen. � Ich� versuchewirklich� jeden�Charakter, � den� ich� insze-niere, �zu�verstehen,�auch�wenn�es�um�einenMassenmörder� geht. � Er� handelt � aus� be-stimmten�Motivationen�und� ich� versuchediese�Motivationen�zu�verstehen.�Das�führtauf�keinen�Fall�dazu,�dass�ich�sie�akzeptiereoder�sie�befürworte. �Aber�damit�kein�Propa-gandafilm�entsteht, �muss�ich�diesen�Prozessdurchlaufen.�Bei�„München�72"�spielt�es�inmeinem�Unterbewusstsein�mit�Sicherheiteine�Rolle, ��dass�ich�aus�Israel�komme,�dassich�diese�Zeit�erlebt�habe.Si e waren b ei der Zahal ?

Ja, �aber�viel�später, �1978.�Aber�1972�habeich�als�13-jähriger�sehr�miterlebt. �Auch�inder�Ausstattung�kommt�das�zum�Tragen.�DieZahnpasta�der�israelischen�Sportler, �die�inder�Schublade�liegt, ��ist�die�Zahnpasta�mei-ner�Kindheit, �die�Marke�Fluorid. �Als�Israeliist�mir�natürlich�auch�die�Verantwortung�be-wusst, �welche�Kraft�politische�Aussagen�ineinem�Film�haben�können.Wi e z um Bei s p i el der Anführer der

Pal äs t i nens er s e i ne Ans i ch t der

Di ng e fas t unwi ders p ro chen fo rmu-

l i eren k ann? Man wei ß j a ni cht , wi e

das Pub l i k um auf di e Emo t i o nen ei -

nes Sp i el fi l ms reag i ert , wo ei n Do -

k ument arf i l m Ko mment i erung l i e -

fern k ann….

„München�72"� zeigt� ziemlich� brutal, � vorallem,�was�der�Rädelsführer�tut. �Man�siehtden� �verblutenden�Romano�am�Boden� lie-gen. � Ich� glaube�nicht, � dass� irgendjemandSympathie� für�diese�Tat� entwickeln�kann.Gleichzeitig�ist�es�wichtig�zu�zeigen,�dassdie�Palästinenser� 1972�–� vorher� und�wienachher� –� für� eine�Sache�–� egal�was�mandarüber�denkt�–�kämpften.�Und�dass�dieserKampf� unterschiedliche� Aktionen� hat.Manche�Gruppierungen�wählen�den�Weg�desTerrorismus,� andere� den�Weg�der�Verhand-

lungen. � Ich� binIsraeli�–�meine�Mutter�schmuggelte�Waffennach� Jerusalem�gegen�die�Briten. �Es� gab„Etzel"�und�„Lechi"�in�Israel. �Das�waren�inden�Augen�der�Briten�Terrororganisationen.Dass� Terror� benutzt� wird� im� Kampf� fürVolksbefreiungen,�das�ist�nicht�neu�in�derWelt. �Es�war�mir�wichtig, �auch�das�zu�zei-gen.�Ohne�die�Brutalität�der�Tat�zu�beschö-nigen.�Wi e o ft i m Jahr s i nd Si e i n Is rael ?

Mein�Vater�ist�Jahrgang�1922�und�wird�im-mer�vergesslicher. �Ich�versuche�alle�zwei,drei�Monate�da�zu�sein. �In wel cher Sp rache t räumen und rech-

nen Si e?

Rechnen�in�Hebräisch,�träumen,�das�zu�be-antworten�fällt�mir�schwerer.Ich�glaube�halb-halb. � Ich�habe�zwei�wun-derbare�Kinder, �mit�denen�ich�nur�Hebräischgesprochen�habe.�Wenn�sie�nach�Israel�ge-hen,�kommen�sie�zurecht.Bei�München� 1972� hatten� wir� das� Rie-senglück�–�den�authentischen�Ort�besuchen

März/April 2012

„ICH�VERSUCHE� ZU�VERSTEHEN"FRAGEN�AN�DROR�ZAHAVI

MÜNCHEN 1972

Informationen�über�denregisseur�Dror�zahavi

1959��in�Tel�Aviv�geboren.Studium�an�der�Hochschule�für�Film�und�Fern-sehen�in�Potsdam.1988� �Abschlussfilm� „Alexander� Penn� –� ichwill�sein�in�allem"�war�für�den�Studenten-Os-car�nominiert.2008��Publikumspreis�auf�dem�Moskau�Inter-national�Film�Festival�als�bester�Wettbewerbs-beitrag�für�„Alles�für�meinen�Vater".2010�Nominierung�Emmy�Award�für�„MarcelReich�Ranicki�–�Mein�Leben"�von�2009.2010� � Goldene� Kamera� und� 2011� Grimme-Preis�für�„Zivilcourage".

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März/April 2012

a ls � die� New� York� State� Assembly1920�das� von�Senator� James� John„Jimmy“�Walker� initiierte� „Walker

Law“�beschloss, �was�den�Berufsboxsport�aufeine� neue� rechtliche�Grundlage� stellte, � diemächtige, � bald�weltweit � anerkannte�NewYork�State�Athletic�Commission�ein�für�diegesamte� Zunft� verbindliches� Regelwerkschuf�und�ein�Jahr�später�17�US-Bundesstaa-ten�in�Rhode�Island�die�National�Boxing�As-sociation� (NBA)�gründeten, � brach� in� denUSA�das�erste, �bis�in�die�40er�Jahre�währende„Golden�Age�of�Boxing“�an.�New�York,�woder� boxverrückte� „Jimmy“� Walker, � auch„Beau� James“� oder� „Jazz�Mayor“� genannt,der�einzige�Politiker, �der�je�in�die�„BoxingHall� of�Fame“� aufgenommen�wurde, � 1925John�Hylan,�den�„Roten�Mike“,�als�Bürger-meister�ablöste, �wurde�zum�Mekka�der�Pugi-listen,�und�jüdische�Boxer, �jüdische�Trainer,jüdische�Manager, �Veranstalterund� Journalisten� hatten� einenmaßgeblichen� Anteil � daran.Gegen�Ende�der�„Roaring�Twen-ties"�war�ein�gutes�Drittel�allerin�den�USA�lizenzierten�Berufs-boxer�jüdischer�Provenienz�undnicht�weniger�als�23�jüdischenUS-Boxern� der� Zwi-schenkriegszeit� gelang� es, � ei-nen�Weltmeistertitel� zu� errin-gen.�Ihre�Erfolge�widerlegten�nicht�nur�anti-jüdische�Stereotype,�sondern�trugen�–�geradein�den�Jahren�nach�1933�–�auch�zur�Schaf-fung�eines� jüdisch-amerikanischen�Wir-Ge-fühls�bei.Aber�Hand� aufs�Herz� –�wer� kennt� heute

noch�einen�jüdischen�Boxer?Die�Kornkammer� jüdischer�Boxkunst�be-

fand�sich�in�den�bitterarmen�großstädtischenGettos, �wo�man� Jiddisch, � vielleicht� auchnoch� Polnisch, � Russisch� oder� Deutsch,kaum�aber�Englisch�sprach�und�ein�Heer�per-spektivloser� Jugendlicher� –� „mit� aschken-asischem� Migrationshintergrund"� würdeman�heute�sagen,�davon�träumte,�als�Preis-boxer�zu�Geld,�Ruhm�und�sozialer�Anerken-nung�zu�gelangen.�Hunderte, �Tausende�such-ten�um�eine�Profilizenz�an,�und�gelang�es�ei-nem,� in�einer�der�wie�Pilze�aus�dem�Bodenwachsenden�Berufsbox-Arenen, � den� so� ge-nannten�„Fight�Clubs"�–�allein�in�New�Yorkgab�es�90�davon�–�zu�reüssieren,�war�er�einHeld�im�Ghetto.Gespannt�lauschte�man�den�Übertragungen

im�Radio, � und� schickte� einer, � der� sich� denKampfnamen�„The�Ghetto�Wizard“,�„The�Je-wel�of�the�Ghetto“�oder�„The�Little�Hebrew“gegeben�hatte, �irgendeinen�irischen,�italie-nischen�oder� gar� deutschen� „Goi"� auf� dieBretter, �war�alles, �was�jüdisch�war, �stolz�aufihn.�Benny�„The�Ghetto�Wizard“�Leonard,�der

populärste� jüdische� US-Boxer� der� Zwi-schenkriegszeit, �wurde� 1896� als�BenjaminLeiner�in�der�New�Yorker�Lower�East�Side�ge-boren. �Bereits�mit� 15� Jahren�wurde� er�Be-rufsboxer, �bestritt�bis�zu�24,�zum�Teil�nochüber� 15�Runden� ausgetragene�Kämpfe� proJahr�und�wurde�1917�–�21jährig�–�Weltmeis�-ter� im�Leichtgewicht. �Er� behielt� den�Titel

fast� 8� Jahre� lang�und�beendete� 1925� seineKarriere�als�ungeschlagener�Champion�undreicher�Mann.�Benny�Leonard,�von�Box-Ex-perten�als�„the�brainiest�of�all�boxers"�be-schrieben, � verkörperte� einen�Boxstil, �wieihn�„Mendoza�the�Jew“,�der�erste�Box-Theo-retiker, �wenn�man�so�will, �bereits�in�seiner1789�veröffentlichten�Schrift� „The�Art� ofBoxing“�propagierte:�er�vertraute�nicht�nurauf�seine�Schlagkraft, �seine�Physis�und�sei-nen�Siegeswillen,� sondern�verstand�Boxenals�Kunstform,�bei�der�es�ebenso�auf�Kreati-vität, �Esprit�und�intellektuelle�Fähigkeitenankam.�Kurzum,�Benny�„The�Ghetto�Wizard"Leonard� zählte� zur� seltenen� Spezies� der„kompletten"�Boxer:� er�war� schlagstark� –fast�die�Hälfte�seiner�bis�1925�ausgetragenenKämpfe�gewann�er�durch�K.o.�–�pfeilschnellund�technisch�perfekt, �aber�er�war�eben�auchein� intelligenter�Boxer, � ein�Showman�undbrillanter�Ringstratege. �Obwohl� „nur"� einLeichtgewicht, �war� er�US-weit� ein�Publi-kumsmagnet, �zu�dessen�Kämpfen�–�etwa�ge-gen�Lew�„Leftie"�Tendler, � den�gefürchtetenRechtsausleger�aus�dem�Getto�von�Philadel-phia� –� bis� zu� 60.000� zahlende�Zuschauerströmten.

Nach�dem�Börsencrash�1929,�der�alles�ver-nichtete, �was�er�sich�in�mehr�als�200�Profi-kämpfen�zwischen�1911�–�1925�zusammen-geboxt�hatte, �war�Benny�Leonard�wieder�einarmer�Mann.�Obwohl� ein�wenig� pummelig

geworden� und� bei� weitem� nicht� mehr� soschnell�wie�zu�seiner�besten�Zeit, �startete�erdaher�1931�ein�Comeback�–�immerhin,�mankannte�ihn�noch.. .

Binnen� eineinhalb� Jahren� gewann� dermittlerweile�36jährige�Ex-�Champion�–�ge-gen� mittelmäßige� Gegnerschaft � –� 20Kämpfe� en� suite, �was� ihm� im�New�YorkerMadison�Square�Garden�noch� einmal� einenZahltag�bescherte. �Gegner:�der�Weltmeisterin�spe,�der�11�Jahre�jüngere�Ire�Jimmy�„BabyFace“�Mc�Larnin, �auch�„Belfast�Spider"�ge-nannt, �ein�gefürchteter�Schläger, �der�den�Alt-meister�erbarmungslos�verprügelte, �ehe�derRingrichter�den�Kampf� in�der�6. �Runde�ab-brach.�Die�großartige�Karriere�des�vielleichtbesten�Leichtgewichtlers�aller�Zeiten�hatteein�wenig� versöhnliches�Ende� gefunden.Während�des� 2. �Weltkriegs� diente�BennyLeonard�als�„boxing�instructor"�bei�den�Ma-rines, �danach�wurde�er�Ringrichter. �Am�18.April� 1947� erlitt� er� in� der�New�Yorker�St.Nicholas�Arena�während�der�Leitung� einesBoxkampfs�einen�Herzinfarkt�und�verstarb�–noch�im�Ring.Nicht�minder�populär�wurde�Barnie�Ross,

„The�Pride�of� the�Ghetto“, �der� zur�Melodievon�„My�Yiddishe�Momme“�in�den�Ring�zutänzeln�pflegte�und�es�als�erster�Berufsboxerschaffte, �Weltmeister� in� gleich� drei� ver-schiedenen�Gewichtsklassen�zu�werden.Dov�Ber�Rasofsky,�1909�als�Sohn�der�aus

Brest-Litowsk�eingewanderten�Eheleute�Isi-dore�„Itzik“�Rasofsky�und�dessen�Gattin�Sa-rah�Epstein�Rasofsky�in�der�Lower�East�Sidegeboren,�wollte�eigentlich�den�Talmud�stu-dieren� und�Hebräisch-Lehrer�werden. �Dochdann, � die� achtköpfige�Familie�war� inzwi-schen�von�New�York�nach�Chicago�übersie-delt, �wo�sie�unweit�der�Maxwell�Street�einen

kleinen� Gemüseladen� betrieb, � kam� allesganz�anders. �Der�Vater�wurde�bei�einem�Über-fall�erschossen,�die�Familie�zerfiel. �Die�Mut-ter, �die�einen�Nervenzusammenbruch�erlittenhatte, �musste� zu�Verwandten� in�Pflege, � diedrei� Jüngsten� kamen� in�Waisenhäuser� undDov-Ber, �gerade�mal�vierzehn,�sowie�seinezwei�älteren�Brüder�blieben�sich�selbst�über-lassen.�Sie�glitten�in�das�kriminelle�Milieuab, �wurden�Raufbolde, �Diebe� und� „Money-Runner"�–�Botengänger�–�für�Al�Capone�undseine�Gang.�Dov-Ber� schloss�Freundschaftmit� Jack� „Sparky"�Rubenstein� alias� JackRuby,�der�später�als�Mörder�von�Lee�HarveyOswald�in�Zusammenhang�mit�dem�Kennedy-Attentat � traurige� Berühmtheit � erlangensollte;�und�glaubt�man�den�Chronisten,�warer�auch�mit�Leuten�wie�Frank�Nitty, �„Tough"Tony�Capezio�oder�„Machine�Gun"�Sam�Huntbestens�bekannt.Die�völlig�aus�der�Bahn�geworfenen�Raso-

fsky�Brüder�verfolgten�ein�einziges�Ziel:�siewollten� –� egal�wie� –� schnell� zu�Geld� kom-men,�um�die�in�alle�Himmelsrichtungen�zer-streute�Familie�unter�einem�eigenen�Dach�zuvereinen.�Dov-Ber�entdeckte�bald�auch�Boxenals�mögliche�Einnahmequelle. �Nach�mehr�als200�Amateurkämpfen�wurde�er�1929�Profi�undnannte� sich� fortan�Barnie�Ross. �Trainiertvom�legendären�Ray�Arcel, �der�auch�die�Welt-meister� Frankie� Genaro, � Benny� Leonard,Jackie�„Kid"�Berg,�James�J. �Braddock�oder�–

in� den�70er� Jahren�–�LarryHolmes�unter� seinen�Fitti-chen�hatte, �entwickelte�sichder� elegante, � nicht� sehrschlagstarke, � aber� tech-nisch�brillante�Ross�bald�zueinem�Publikumsliebling.Seine�WM-Schlachten� ge-gen�Tony�Canzoneri, �JimmyMcLarnin� oder�Henry�Arm-strong� elektrisierten� die

Massen�und�zogen�bis� zu�70.000�Zuschaueran,�und�als�er�am�31.�Mai�1938�im�MadisonSquare�Garden�in�einem�mitreißenden�Kampfgegen�Henry�Armstrong�seine�Abschiedvor-stellung�gab, � hatten� tausende�Fans� in� derHalle�und�noch�mehr�zu�Hause�vor�den�Rund-funkgeräten�Tränen�in�den�Augen.Barny�Ross, �der�nie�ein�Heiliger�war, �oft�in

einer� einzigen�Nacht� seine�gesamte�Kampf-börse�–�30.000�Dollar�oder�auch�mehr�–�ver-spielte, �Schulden�machte�und�dann�und�wannauch�einen�über�den�Durst�zu�trinken�pflegte,bestritt� insgesamt�81�Profikämpfe,�von�de-nen�er�nur�vier�verlor. �Was�ihn�mit�besonde-rem�Stolz�erfüllte:�keinem�Gegner�war�es� jegelungen, � ihn, � den� „Jiddnbengl"� K.o. � zuschlagen.Nach�1933� exponierte� er� sich�wie� kaum

ein� anderer�Sportler� gegen�Nazi-Deutsch-land,�und�als�die�Japaner�Pearl�Harbour�über-fielen,�zählte�er�zu�den�ersten,�die�sich�an�dieFront�meldeten.�Als�hochdekorierter�Kriegs-held�kehrte�er�zurück,�bekam�den�Silver�Starwegen�besonderer�Tapferkeit�vor�dem�Feindund�wurde�von�Präsident�Franklin�D.�Roose-velt�höchstpersönlich�mit�dem�Distinguis-hed�Service�Cross�und�der�Presidential�UnitCitation�ausgezeichnet.Danach�begann� sein� schwerster�Kampf.

Barney�Ross, � der�wegen� seiner� schwerenKriegsverletzungen�und�der�damit�verbunde-nen,� kaum�erträglichen�Schmerzen� ständigmit�allerlei�Morphinen�und�Opiaten�behan-delt�worden�war,�wurde�rauschgiftsüchtig.�Alte„Freunde"� aus�Chicago�versorgten� ihn� jetztmit�Heroin,�seine�Ehe�zerbrach�und�dem�ebennoch� gefeierten� Box-� und�Weltkriegshelddrohte�das�endgültige�Aus.�Doch�„The�Pride�ofthe�Ghetto“�ging�auch�jetzt�nicht�K.o.�Er�be-gab�sich�freiwillig�in�ein�Militärkrankenhaus

ALS�BOxEN�EIN�JÜDISCHERSPORT�WAR„THE GHETTO WIZARD“ UND ANDERE HELDEN

ZEITGESCHICHTE

VON HANS PUSCH –�1.TEIL

AUSSTELLUNG IN BETH HATEFUSOT

„A MENTSCH“NACHRUF AUFTOWJE KLEINER s. A.Anfang�des� Jahres� starb� 63-jährig,

völlig� überraschend, � der�SchauspielerTowje� (eigentlich�Wolfi)�Kleiner. �Zwi-schen�einem�„Tatort"�1973�und�der�Pu-muckl-Kinderserie�Ende�der� 90er� Jahrespannte� sich� eine� 30-jährige�Karriereals�Film�original. �Ob� als�LuftmenschAchmed� in� den� „Münchener�Geschich-ten"�(1973), �ob�als�Salomon�Tauber�in„Die�Akte� Odessa"� (1974)� nach� demgleichnamigen�Roman�von�FrederickForsythe,�ob�als�geschieden-frisch-ver-liebter�Journalistin� der�Serie� „Derganz� normaleWahnsinn", � obals� spillerigerAutor� in� „DerSonne�entgegen"oder� als�Traumh-ausgewinner� in„Wenn� das� dieNachbarn� wüß-ten", � eigentlichverkörperte�Klei-ner� immer� sichselbst:�quirlig, �nervös, �chaotisch,�hek-tisch, � schlagfertig, �warmherzig, � vollabsurdem�Humor.�Er�war�„a�Mentsch"�imbesten�Sinne�des�Wortes, � sein�Sprach-witz�und�seine�Freundlichkeit�waren�le-gendär. �Wen� wundert‘s, � dass� Kleinersich�seit�dem�Aufkommen�schriller�Co-medy-Shows, � für� die�man� ihn�vergeb-lich� umwarb, � zurückzog. �Sein�Lachenwar�andernorts�geschliffen.�Am� 4. � April � 1948� geboren, � ver-

brachte�Kleiner� seine� frühen� Jahre� imDP-Lager� Föhrenwald. �Als� Kind� vonShoah-Überlebenden�waren�Umzüge�daseinzig�konstante. �Er�wuchs�in� �Schwe-den,�Kanada,�England,�Argentinien��undDeutschland�auf. �Sein�Bühnendebüt�gaber� 1967� im�Yiddish�Theatre� in� Israel.Anfang� der� 1970er� Jahre�warb� er� für„Campari"�in�Österreich�mit�der�zum�ge-flügelten�Wort� gewordenen�Frage� „Woist�der�Campari?". �Unvergessen�ist�auchseine�Mitwirkung� in� dem� Film� „DasSchweigen�des�Dichters"�von�Peter�Lili-enthal�(1986)�nach�dem�Roman�von�A.B. � Yehoshua� und� seine� Auftri t te� alsKoch�Odessi� in� den�Kinderfilmen�überden�Kobold�„Pumuckl�und�der�blaue�Kla-bauter"��(1991-1994)�–�echte�Kontrast-programme. � Viel� Zeitverbrachte� der� leidenschaftl iche� Uh-rensammler� Towje� Kleiner� immer

Die Kornkammer jüdischer Boxkunst befandsich in den bitterarmen großstädtischen Gettos,wo ein Heer perspektivloser Jugendlicher davon

träumte als Preisboxer zu Geld, Ruhm undsozialer Anerkennung zu gelangen.

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März/April 2012 Seite�11

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Seite�12 März/April 2012

m an�kann�wirklich�nie�genug�überden�Auszug�aus�Ägypten�berich-ten.�Abrahams�Stamm�–�die�He-

bräer�–�wurde�in�der�ägyptischen�Sklavereiein�Volk. �Der� harten�Knechtschaft� unterden�Pharaonen�verdanken�es�die�Nachfah-ren�Abrahams,�Isaaks�und�Jakobs,�sich�inder�Not�ständig�vermehrt�und�immer�stärkerzusammengeschlossen�zu�haben.�Aus�denzwölf�Stämmen� Jakobs�wurden� sie� in� derFremde� zu� einer� bewussten� Nation, � dienach�Freiheit� und�Rückkehr� in� die� ange-stammte�Heimat�strebte. �Die�Juden�warenbereit, �jeden�Preis�für�die�Rückgewinnungihrer�Freiheit�und�ihres�Landes�zu�zahlen.Jedes�Jahr�lesen�wir�seit�Jahrtausenden�inder�Pessach�Hagadda�über�die�großen�Nöteder�Hebräer� in�Ägypten,� über� ihren� uner-schütterlichen� Glauben� in� Gott , � wasschließlich�mit�Mo-ses� belohnt� wurde,den�großen�Visionär,Kämpfer� und�Führer,der� nicht� nur�Mittelund�Wege�fand,�um�dieKinder�Israels�aus�derKnechtschaft � in� ihrangestammtes� Landzurückzuführen, � son-dern� aus� einem�Hau-fen�Sklaven� ein�Volk� zu�machen. � In� denJahren�der�Rückwanderung�durch�die�Wüstein�die�Heimat�organisierte�er�ihr�Leben�füralle�Zukunft. �Nach�diesen�Regeln�und�Ge-setzen,�die�Gott�Moses�auf�dem�Berg�Sinaiübergab�und�die�er�die�Seinen�lehrte, � täg-lich�in�die�Tat�umzusetzen,�lebt�und�orien-tiert � sich� das� jüdische� Volk� bis� heute.Heute�hat�es�wieder�ein�Zentrum,�einen�An-haltspunkt� in� seiner� angestammten�Hei-mat� Israel, � nachdem�es� über� 2000� Jahredieses�Zentrum�und�die� damit� verbundeneUnabhängigkeit�und�Freiheit�durch�die�Ver-treibung�verloren�hatte. �In�der�Vertreibunghat�das�jüdische�Volk�gelernt, �zu�leiden�undzu�beharren,�wie�in�Ägypten�–�die�Gola�alseine�neue�Form�der�Sklaverei. �Die�Rückge-winnung�unseres�Landes�hat�nach�den�Lei-den�der�Gola�eine�neue�Welt�für�das�Juden-tum�eröffnet. �Heute�muss� kein� Jude�mehrSklave�der�Fremden�sein. �Dort, �wo�es�nochimmer�oder�schon�wieder�Verfolgungen�undDiskriminierungen�gibt, �hat�jeder�Jude�dieMöglichkeit, � sich� selbst� zu�befreien,� in-dem�er�den�Weg� in�sein�eigenes�Land�an-tritt. �Nach�den�Ungeheuerlichkeiten� derShoah�sollte�kein�Jude�auf�der�Welt�wiederwegen� seinesGlaubens�und�seiner�Herkunft�leiden�müs-sen.�Das�gebietet�unser�Stolz, �das�gebietendie�Leiden�von�sechs�Millionen�geschun�-dener�Toten.Wir�wissen�–� auch�wenn�wir� es� nicht

wahrnehmen�wollen�–, �dass�ausgerechnet

wieder�in�Europa�in�vielen�Ländern�die�Ju-den� es� sehr� schwer�haben,� sich�mit� ihrerHerkunft�zu�identifizieren.�Es�gibt�Staaten,die�nicht�mehr�Herr�über�sich�selbst�sind�–wo�Haman�regiert�und�nicht�die�Demokra-tie. �Und�wo�man� Juden�nicht� schätzt� undnicht�will, �weil� der�Halbmond� scheinbarstärker�und�wichtiger�geworden�ist�als�dasSchild�Davids. �Die�Nachfahren�der�Opferder�Shoah�sind�gezwungen,�ihre�Religionund�ihre�Herkunft�zu�verleugnen,�ihre�Sym-pathie� und�Solidarität�mit� Israel� zu� ver-stecken.�Wie�fühlt�man�sich�als�Jude,�woauch� immer, �wenn�man�nur�wenige� Jahr-zehnte�nach�Vernichtung�des�europäischenJudentums�wahrnehmen�muss, �was�für�Ani-mosität�Juden�in�vielen�europäischen�Län-dern�ausgesetzt�sind�und�sie�für�ihre�Sicher-heit � notgedrungen� ihre� Identität � ver-

stecken� müssen?Das� ist � ungeheuer-lich.�Und�wenn�manheute� über� die� Zu-kunft� des� Konti-nents� sinniert � undWege� der� Integra-tion� erkundet, � dieschließlich�à�la�lon-gue�das�judeo-christ-liche�Europa� auslö-

schen�werden,�wollen�und�können�wir�nachallem,�was�uns�schon�geschah,�an�diesenEntwicklungen� nur� halbherzig� teilneh-men.Wir�müssen�uns�mehr�um�die�Juden�küm-

mern,�die�besonders�in�Ländern�wie�Frank-reich,�Holland,�Schweden,�Dänemark,�Nor-wegen� schon� fast� in�Anonymität� lebenmüssen�–�um�überleben�zu�können,�und�sieüberzeugen,� dass� sie� das� nicht�mehr� not-wendig�haben�–�denn�heute�gibt�es�für�unsalle�wieder�den�sicheren�Hafen�der�Freiheitund�der�Würde,�den�wir�durch�den�Auszug�ausÄgypten�gewonnen�haben�–� für� alle�Zei-ten.Der�Auszug�aus�Ägypten�ist�nicht�nur�mit

der�Befreiung�der�Juden�und�ihrer�Volkwer-dung�verbunden,�sondern�vor�allem�mit�derThora. �Die�Formulierung�und�Kodifizie-rung�und�Verewigung�des�Monotheismus,d.h. �des�jüdischen�religiösen�Erkenntnis-ses�und�Bekenntnisses.Jahrhunderte� mussten� die� Juden� als

„Dhimmis", �ungläubige�geduldete�Fremde,in�den�Ländern�ihrer�Herkunft�in�Spanien,Portugal, �Afrika�und�Vorderasien�leben,�wosie�tausende�Jahre�vor�dem�Islam�zu�Hausewaren,�das�erleiden,�so�wie�wir�heute�wiederin�Europa.�Der�Auszug�aus�Ägypten,�die�Er-langung�der�Freiheit�müsste� uns� endlichauch� erlauben, � der�willkürlichen�Umdeu-tung�unserer�Religion�und�Geschichte�einEnde�zu�bereiten.�Die�Sklaverei, �die�Unterwerfung,�das�Lü-

TORAT HAKALKALA

JUDENTUM

VON DER KNECHTSCHAFTIN DIE FREIHEIT

Die Rückgewinnungunseres Landes hat nach

den Leiden der Golaeine neue Welt für das

Judentum eröffnet.

VEREIN ZUR FÖRDERUNGANGEWANDTER JÜDISCHERWIRTSCHAFTS- UND SOZIALETHIK

ende� vergangenen� Jahres� wurde� inFrankfurt�der�Verein�Jorat�Hakalkala-�Verein�zur�Förderung�angewandter

jüdischer�Wirtschafts-�und�Sozialethik"�ge-gründet. �Torat�Hakalkala� (Hebräisch� für„Wirtschaftlehre"� oder� „Wirtschaftstora")will � eine� jüdische�Perspektive� auf�wirt-schaftspolitische�Herausforderungen�vonheute�formulieren�und�Stellung�zu�aktuellenEntwicklungen�und�Tendenzen�beziehen.Der�Verein�besteht�aus�Rechts-, �Religions-

, Finanz-�und�Wirtschaftsexperten,�die�dieÜberzeugung�eint, �dass�sich�in�der�Jahrtau-sende� alten�Tradition� jüdischen�DenkensÜberlegungen, � Ideen, �Konzepte� und�Mo-delle�finden�lassen,�die�auch�heute�zur�Ori-entierung� inspirieren.So� hatten� bereits� dieRabbinen�des�Talmudsanknüpfend� an� dieThora� Vorstellungenvon�einer�Wirtschafts-gemeinschaft � ent-wickelt , � deren�Grund-züge� sich� in� der� jüdi-schen� Überlieferungvon�der�Antike�über�dasMittelalter� bis� in� dieNeuzeit�hinein�bewahrthaben� und� teilweiseauch� in� säkularen�Be-wegungen� Ausdruckfanden.Wesentlich�an�der�jü-

dischen� Wirtschafts-und� Sozialethik� ist ,dass�sie�grundsätzlich�wirtschaftsfreundlichund�dabei�zugleich�sozial�eingestellt�ist. �ImJudentum�wird�die�materielle�Welt�nicht�ver-worfen,�sondern�soll�durch�einen�bewusstenUmgang�mit�ihr�zur�Heiligung�des�Lebenserschlossen�werden. �Der�Mensch�wird� alsKo-Schöpfer�Gottes�angesehen.�Dies�beför-dert� einen� religiösen�Realismus,� der� kon-krete, �wirtschaftliche�Tätigkeit�miteinsch-ließt.Ein� symbolisches�Zeichen� setzten� die

Vereinsgründer� damit, � dass� sie� die�Grün-dungsveranstaltung�in�den�Räumen�des�Wal-ter-Eucken-Archivs�in�Frankfurt�abhielten.Eucken�(1891-1950)�gilt�als�einer�der�be-

deutendsten�Theoretiker� der�Polit ischenÖkonomie.�Seine�Politische�Ökonomie�ist„angewandte�Wirtschaftsethik, � die� auf� derKritik� ökonomischer�Machtverhältnisseaufbaut. �Der�Eucken'schen�Ordnungspolitikgeht�es�darum,�Institutionen�und�Regeln�zuschaffen, � die� jeden�Menschen� in� die�Lageversetzen,�wirtschaftlich�selbstständig�undzugleich� sozial�verantwortlich�zu�handeln.Der�wissenschaftl iche� Leiter� des�Walter-Eucken-Archivs, �Walter�Oswalt, �sieht�darineine�wesentliche�Überschneidung�mit�der�jü-dischen�Tradition.Zu�den�geplanten�Aktivitäten�des�Vereins

gehört� zunächst� die� Erarbeitung� vonGrundlagenwissen.�Geleitet�wird� das�Stu-dium�der�Quellen�von�der�Frankfurter�Rab-binerin� Elisa� Klapheck, � die� für� einenneuen�Dialog�zwischen�der�religiösen�undder�säkularen�Wirklichkeit�eintritt�und�in

diesem� Sinne� gesell-schaftspolltische�Fra-gen� von� heute� imLichte� der� jüdisch-rab-binischen�Tradition�in-terpretiert. �Vorgesehensind� außerdem� Bil-dungs-� und� Diskussi-onsveranstaltungen�mitWissenschaftlern,�Poli-t ikern� und� Vertreternaus� dem� Wirtschafts-und�Finanzleben.�DieseVerbindung�repräsentie-ren� der� Unternehmerund� Finanzmarktana-lyst� Joachim�Goldbergund� der� Unternehmerund�WirtschaftsanwaltAbraham�de�Wolf.

Mit� einer� eigenen�Homepage�mit�Vor-trägen,�Diskussionen,�Kommentaren�undVeröffentlichungen�ebenso�wie�mit�der�Er-stellung�von�Lehrmateralien�möchte�To-rat�Hakalkala�künftig�die�Auseinanderset-zung�mit� der�Wirtschaftspolitik�mitprä-gen.�Um�sich�über�den�deutschen�Kontexthinaus�zu�positionieren,�will�sich�der�Ver-ein�auch�in�Brüssel�als�NGO�registrierenlassen.In� den�Vorstand� von�Torat�Hakalkala

wurden�gewählt:�Abraham�de�Wolf, �ElisaKlapheck,�Joachim�Goldberg,�Walter�Os-walt�und�Barbara�Goldberg.Torat�Hakalkala� steht� als�Verein� offen

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abraham� de�wo l f , �ge-boren�1959, �Rechtsanwaltmit�Schwerpunkt�Software-und� Urheberrecht� und� Ge-schäftsführer� einer� Soft-warefirma,� ist� seit� über� 15Jahren�in�der�Softwareindu-strie�tätig.el i s a�Kl apheck , �gebo-

ren� 1962, � ist � seit � 2009Rabbinerin� des�EgalitärenMinjan� (liberale� Juden)� inder� Jüdischen�Gemeinde� inFrankfurt�am�Main.Jo ach im� Go l dberg ,

geboren�1956, � ist� Finanz-marktanalyst� und� -publi-zist. �Seine�Neugierde�auf�dieFacetten� und�Hintergründedes� Zusammenspiels� vonMensch�und�Markt�konntendie� gängigen� volkswirt-schaftl ichen� Lehrmeinun-gen� jedoch�nicht� befriedi-gen.wal ter� oswal t , � 1959

geboren, � absolviertezunächst� eine�Ausbildungzum�Facharbeiter�im�Garten-bau.�Anschließend�studierteer�Philosophie�in�Wien�beiKarl�Popper. �Von�1981�bis1984�war� er�Abgeordneterder� ersten�Grünen-Fraktion

Elisa klapheck

Page 12: ILLUSTRIERTE · P.b.b. Verlagspostamt 1010 Wien · Plus.Zeitung 08Z037896 P E in ze lprs€ 2.9 0·Mä /A 1 ILLUSTRIERTE GEGRÜNDET 1897 VON THEODOR HERZL Schöne Feiertage unseren

Äußerlich�ist�der�Jerusalemer�Stadt-teil � Talpiot� ein� Ort� wie� jederandre. �Im�Gegensatz�zu�dem�dich-

ten�Gedränge� in� den�Gassen�der�Altstadtzwei�Kilometer� nördlich� sieht�man�hierkeine� christlichen�Pilger� in� den�breitenStraßen.�Zwischen�den� schnöden,�gleichaussehenden�Wohnkasernen�des�Wohn-und�Geschäftsviertels�der�Unterklasse�undder�ultra-orthodoxen�Bewohner�findet�mankeinen�Souvenirladen, � keine�Kirche� undkein�Restaurant. �Das�könnte�sich�bald�än-dern,�zumindest�wenn�sich�die�Anschauun-gen�von�Simcha�Jacobovici, �ein�in�Israelgeborener, � preisgekrönter� kanadischerFilmemacher� und�von�Dr. � JamesTabor, � einem�Theologen� aus� denUSA,� durchsetzen. �Denn� sie� sindsich� sicher, � dass� sich� das�wahreGrab�Jesus�unter�einem�Garten�undacht�Meter� tief� unter� der�Terrasseeines�ganz�normalen�Wohnhausesbefindet.Ihre�Behauptung� ist� nicht� neu,

und�geht�auf�die�Entdeckung�einerGrabhöhle� im� Jahr� 1980� zurück.Damals�fanden�israelische�Archäo-logen� zehn� Ossuarien� –� Stein-behälter, � in� denen� Juden�vor� derZerstörung� Jerusalems� durch� dieRömer�im�Jahr�70�n.Chr. �ihre�An-gehörigen�bestatteten. �Sechs� derOssuarien� waren� mit� bekanntenNamen�beschriftet:� Jesua� -� Sohndes� Joseph", � „Maria", � „Maria",„Matthäus", �„Jofa", �und�„Judah�-�Sohn�desJesua". �Jeder�Name�allein�sei�zu�Jesu�Leb-zeiten�sehr�häufig�gewesen,�aber�die�Wahr-scheinlichkeit, �die�Namen�von�Jesus�Fa-milie�in�einem�Grab�zu�finden,�sei�so�ge-ring,�dass�es�sich�um�das�Grab�Jesu�han-deln�müsse, � argumentierten� Jacoboviciund�Tabor�damals.Nun�wollen� sie� neue�Beweise� für� ihre

These� gefunden�haben. � In� einer�Aktion,die�eher�an�einen�Indiana�Jones�Film�alsan� akademische� Studien� erinnert , � ent-wickelten� sie� eine�Roboterkamera, � umdurch�kleine�Bohrlöcher�ein�zweites�Grabin� der� Nähe� des� vermeintlichen� Jesus-Grabs�zu�erkunden.�Orthodoxe�Juden�hat-ten�ihnen�den�vollen�Zugang�verwehrt, �da-mit�die�Totenruhe�nicht�gestört�würde.�Inder�Gruft� entdeckten� sie�Zeichen,� die� siefür�„die�ältesten�bisher�entdeckten�christ-

lichen�Symbole"�halten,�wie�einen�Fisch,der� einen� Menschen� ausspeit � oderschluckt, �und�eine�griechische� Inschrift,die� von�der�Wiederauferstehung� spricht:Tabor�hält�die�Geschichte�von�Jonas�unddem�Wal�für�eine�der�frühesten�christlichenGleichnisse, � der�Wunsch� der�Wider�auf�-erstehung�deute�auf�ein�christliches�Grabhin. � „Kontext� ist� alles� in� der�Archäolo-gie", �sagte�Tabor�in�eine�Pressekonferenzin�New�York.�„Zwei�Grabstätten,�200�Me-ter� entfernt, � gehörten� zum�selben�Anwe-sen."�Er� glaubt� auch�den�Eigentümer� er-kannt� zu� haben:� Joseph�von�Arimathea,ein�reicher�Jude,�der�sich�laut�den�Evange-

lien� um� Jesus�Bestattung�kümmerte. �Da-mit� sei� die� älteste� christliche�Grabstätteder�Welt� entdeckt, � die� noch�von�Zeitge-nossen� Jesu, � vielleicht� gar� seinen� Jün-gern, � eingerichtet�worden� sein� könnte.Die�meisten�Kollegen�Tabors�sind�skep-

tisch:�Bei�dem�Fisch�könnte�es�sich�auchum�einen�„Seelenturm"�handeln,�ein�häu-fig� vorkommendes� Symbol, � sagt� EricMeyers, �ein�Archäologe�an�der�Duke�Uni-versity, �nach�der�dramatischen�Veröffent-lichung. �Auch� für� den�griechischen�Textgebe�es�verschiedene�Lesarten,�die�nichtunbedingt� jüdischer�Weltauffassung�vondamals�widersprächen.�„Die�Inschrift:�Je-sua�–�Sohn�des�Joesph,�wurde�in�Jerusalembereits� drei�Mal� gefunden", � gibt� der�Ar-chäologe�Professor�Dieter�Vieweger�zu�be-denken:�„Hier�sieht�jemand�nur�das, �was�ersehen�will."

März/April 2012

D as� Nazareth� Academic� Insti tute(NAI)�ist�eine�noch�im�Aufbau�be-findliche�multikulturelle�Univer-

sität� in�Galiläa. �Die� Institution� geht� aufeine� Ini�t iative� des�melkitischen� (grie-chisch-katholischen)�Erzbischofs�el i aschacour zurück:�Aufgewachsen�im�arabi-schen�Dorf�Baram�im�Norden�Galiläas�naheder�libanesischen�Grenze,�war�Chacour�indie� Kriegswirren� 1948� hineingezogenworden. � Sich� seit � Jahrzehnten� für� eineAussöhnung� sowie� die� Gleichberechti-gung�der� arabischen�Minderheit� einset-zend,�schuf�er�vorwiegend�für�die�christli-chen�und�moslemischen�Araber�in�Ibillinbei�Akko�Kindergarten,�Volks-�und�Mittel-schule, �das�alles�unter�den�Sammelnamen„Mar� Elias� Educational� Insti tutions(MEEI)“. �Dazu� trat� schließlich� ein�Col-lege, � das� „Mar� Elias� College� (MEC)“.Diese�Einrichtungen� erfüllen� eine� bedeu-tende�regionale�Aufgabe�und�ermöglichenes� arabischen� Israeli , � die� Berufs-� undHochschulreife�zu�erlangen�und�sich�damitbesser�in�die�israelische�Gesellschaft�undWirtschaft�zu�integrieren;�gleichzeitig�lei-sten�sie�einen�Beitrag�zur�Verbesserung�derschulischen� Ausbildung� muslimischerMädchen,�die�sich�nur�langsam�aus�patriar-chalischen�Strukturen�emanzipieren�kön-nen.�Auch�für�die�wirtschaftliche�Entwick-lung�von�Nordgaliläa, �das�nach�wie�vor�ei-nen�großen�Aufholbedarf�gegenüber�südli-cheren�Regionen� Israels� aufweist, � habendie�MEEI�große�Bedeutung.��Bis� zur� offiziellen�Anerkennung�durch

den�Staat�Israel�(März�2009)�agierte�das��aufdie�Verleihung�des�Bachelor-Grades�gerich-tete�Mar�Elias�College�drei� Jahre� lang� imkleinen�Ort�Ibillin�als�Campus�der�amerika-nischen�„University�of�Indianapolis“. �Dorthaben�223�Studenten� ihren�Abschluss�ge-macht.Mit�1.�November�2010�wurde�das�College

in�Nazareth� unter� dem�neuen�Namen�NAI,als� einzige� arabische� universitäre� nicht-staatliche�Einrichtung�in�Israel, �vom�staat-lichen�Rat�für�Höhere�Studien�(vorerst)�zurVerleihung� von�B.A. -Diplomen� � autori-siert. �Zurzeit�bestehen�zwei�Departments�–eine�Abteilung� für� Chemie� und� eine� fürKommunikationswissenschaft . � � Für� dasStudienjahr� 2012/13�wurde� beim� israeli-schen�Erziehungsministerium�die�Öffnungzweier�weiterer�Departments�beantragt. �Da-mit�werden�Computer-Science�und�Medizi-nische�Hilfswissenschaften�belegt�werdenkönnen. �Weiters� ist� die�Eröffnung� einerFremdenverkehrsschule� inkl. �Fremdenfüh-rerausbildung�geplant. �Der�Bevölkerungs-struktur�Galiläas� entsprechend� sind�über-wiegend�mohammedanische�Studentinnenund�einige�Christen�inskribiert. �Der�Träger-verein�von�NAI�setzt�sich�aus�christlichenArabern� aus�Nazareth� und�Umgebung� zu-

sammen,�dem�ein�internationales�Board�ofTrustees�mit�Vertretern� aus�USA, �Öster-reich,�BRD,�Belgien)�zur�Seite�steht.Ein�weiterer�Campus� für�Agrarstudien

könnte�zukünftig�auch� � in�Miilya, �einemchristlichen�Dorf, �umgeben�von�Orten�mitmoslemischer, � jüdischer� und�drusischerBevölkerung,�östlich�von�Nahariya, �ent-stehen.Eine�große�Herausforderung�für�das�Uni-

versitäts-College� stellt � die�Fi nanz i e -rung dar, � da� die� Studiengebühren� dermeist � aus� bescheidenen� Verhältnissenstammenden�HörerInnen�bei�weitem�nichtdie�Kosten�decken,�die�Institution�jedochderzeit�noch�keine�–�wie��im�Gesetz�gene-rell�vorgesehene��–�staatliche�Subventionerhält. �Politische�Unterstützung�erhielt�und�er-

hält�das�universitäre�Projekt�aus�den�ver-schiedensten� Lagern:� Der� israelischeStaatspräsident�und�Nobelpreisträger�shi -mon�peres , �vormals�u.a. �Minister�für�diewirtschaftliche�Entwicklung�Galiläas, �derdas� College� am� 20. � Februar� 2012� be-suchte, �verspricht�sich�von�seiner�Reali-sierung� einen�wesentlichen�Beitrag� zurfriedlichen�und�gleichberechtigten�Koexi-stenz�von�Juden�und�Arabern�in�Israel;�dieEuropäische�Union� (dazu�Ex-KommissarJan�Fi g el )�betrachtet�das�Projekt�–�auchin�Hinblick�auf�den�laufenden��eu-Is raelacti on�pl an –��als�bedeutsam�für��verein-barte�Ziele� der� bilateralen�Zusammenar-beit:�Regional-� und�Minderheitenförde-rung� sowie� �Förderung�der�Situation�derFrau.�Seitens�der�USA�erklärten�schon�Prä-sident� Bus h und� Außenministerincondo l ez�za� ri ce anlässlich� ihres�Be-suchs� in�Galiläa� im� Jänner� 2008�großesInteresse� an� einer� staatlichen�Anerken-nung� und� Förde-rung� der� Univer-sität. �Auch�kirch-liche� und�privateGönner� in� denUSA� und� Europahelfen� nach�Kräf-ten;� der� WienerErzbischof� Chri-stoph� KardinalSchönborn� sowieWe i h b i s c h o fScharl � zählen� zuden� FreundenChacours� und�dere r z i eh e r i s ch enund�akademischenInstitutionen� inder� Region� Ga-liläa.Doch�sind�noch

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INDIANA�JONES�ODERWISSENSCHAFTLER?seit�Jahrtausenden�pilgern�christen�zur�Grabeskirche�in�Jeru-salem,�dem�ort,�an�dem�der�überlieferung�nach�Jesus�gekreuzigtund�später�begraben�wurde.�Jetzt�sollen�neue�Beweise�entdecktworden� sein,� die� das� Grab� andernorts� platzieren.� Bahnbre-chende�entdeckung�oder�scharlatanerie?

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März/April 2012

MUSIK

lise� Maria� Mayer� wurde� am22.4.1894�in�Wien�geboren.�Sie�wardas�einzige�Kind�von�Stefanie�Mari-

anne�geb.�Konta�und�des�aus�Ungarn�stam-menden� Josef� Rudolf�Mayer. � Sein�Vaterhatte�entschieden,�er�müsse�seine�künstleri-schen�Neigungen� in�den�Hintergrund�stel-len� und�den�Beruf� eines�Kaufmanns� ausü-ben.�Er� leistete�diesem�Wunsch�Folge�undetablierte� sich� in� der�Holzbranche.�Als� erdie� herausragende�mu-sikalische� Begabungseiner� Tochter� er-kannte, � beschloss� ersie�mit�allen�seinen�zurVerfügung� stehendenMitteln�zu�fördern.�Diemusikwissenschaftli-che�Forschung�nenntausgezeichnete�Lehre-rInnen:� Ihren� erstenKlavierunterricht� er-hielt � das� jungeMädchen� bei� Vera(Rosa� ?)� Schapira(1891-1930), � späterbei� Richard� Robert(1861-1924), �Musik-theorie� studierte� sieunter�anderen�bei�JosefB. � Foerster� (1859-1899), � Kontrapunktbei�Franz�Schreker�(1878-1934).�Sie�absol-vierte�ihre�Ausbildung�zur�Kapellmeisterinin�Wien�an�der�Akademie�für�Musik�und�dar-stellende�Kunst� bei�Franz�Schalk� (1863-1931). �Danach�gab� sie� zunächst�Privatunter-

richt. �Von�1926-1933�übernahm�sie�eineKlavierklasse� am�Neuen�Wiener�Konser-vatorium� (eine� privatrechtlich� renom-mierte�Musikschule, �wurde�1909�gegrün-det�und�1938�von�den�Nationalsozialistengeschlossen)�unter�der�Leitung�von�JosefReitler� (1883-1948�Direktor� des�NeuenWiener�Konservatoriums, �Mitbegründerder�Salzburger�Festspiele�1920,�wurde�we-gen� seiner� jüdischen�Herkunft� entlassenund�musste�noch�im�gleichen�Jahr�in�dieUSA�emigrieren). � Ihre�Werke�1914�bis

1925� wurden� vonder� Universaledition� (UE)� gedruckt.Zunächst� erschienen� ihre�Klavierliederop.�5,�9,�11�und�1925�die�Suite�Varieté exo-

tique. �Am� � 2. � 11. � 1929�dirigierte�Lise�Maria

Mayer�mit� den�Berliner�Philharmonikerndie�4. �Symphonie�von�Ludwig�van�Beetho-ven�und�ihr�eigenes�Orchesterwerk�Kokainin�Berlin. �Dieser�künstlerische�Höhepunkt

wurde�auch�von�einemSkandal� –�mehr� oderweniger� durch� einenWerbetrick� ihres�Ehe-mannes�hervorgerufen–�begleitet. �Ein� amü-santes�Detail, �welchesaber�für�die�Künstlerinselbst� nicht� zum�La-chen� gewesen� seinmuss:� Ihr� Gatte, � derKaufmann� Josef�OttoGaberle� (Eheschlie�-ßung� im� Dezember1923, �Tochter�Hilde-gard�wurde�1925�gebo-ren)�wollte� die�Kom-ponistin�mit�seiner�In-itiative�vor�einem�lee-ren�Saal�bewahren;� ineiner�Berliner�Kontak-tanzeige�war� im�Vor-

feld�des�Konzerts�zu�lesen,�dass�eine�schonjunge,�sehr�reiche�verwitwete�Wienerin�inBerlin�einen�Mann�suche,�wodurch�sich�ei-nige�empörte�Männer�um�ihr�Date�betrogenfühlten�und�ein�Tumult�losbrach.�Das�Finaledes�Konzertes� gestaltete� sich� äußerst� dra-matisch,�indem�die�Dirigentin�in�Ohnmachtfiel. �Zu�einem�positiven�Abschluss�kam�estrotzdem,�da�das�Konzert�mit�der�OuvertüreCarl�Maria�von�Webers�Euryanthe�zu�Endegeführt�werden�konnte. �Die�Reaktion�derPresse�war�enorm�und�der�Name�der�Kompo-nistin�war� in�aller�Munde,� jedoch�war�dasihr�erstes�und�letztes�Konzert�in�Berlin.

Lise�Maria�Mayer�wurde� ins�Geburten-buch�der� Israelitischen�Kultusgemeinde� inWien� eingetragen. � 1912�konvertierte� siezur�evangelischen�Kirche�A.�B.�und�später,vor�ihrer�Heirat�mit�dem�Kaufmann�Otto�Ga-berle� (1923), � zur� römisch-katholischenKirche. � Das� Thema� ihrer� Abstammungschien�sich�ihr�Leben�lang�als�Konflikt�dar-zustellen.�Nach�Definition�der�NürnbergerRassegesetze� galt � die� Komponistin� alsVolljüdin, � da� vier� Großeltern� der� Rassenach� „volljüdisch"� waren. � Nach� ihremgroßen�Erfolg�als�Komponistin�bei�ihremDebüt�im�Jahre1914�wurde�sie�ordentlichesMitglied�der�AKM�(Autoren,�Komponisten,Musikverleger), � die� im� Jahre�1938� aufge-löst� �und�von�der�dt. �stagma�übernommenwurde.�Aus�diesem�Anlass�wurden�sämtlicheKünstlerInnen�verpflichtet�einen�Fragebo-

gen� auszufüllen. � GerlindeHaas�und�Eva�Marx�beschrei-ben� den� Umgang� mit� ihrerIdentität�schwankend�–�indemsie� zu�Fragen�nach� ihrer�Ge-burt�angab.�„ich�bin�mosaischgeboren",�hingegen�in�einemBrief� an� die� Redaktion� derösterreichische�Autorenzeitung,�September1961.�AKM-Akt. �angab,�dass� ihre�„ElternChristen", �gewesen�seien.�(Haas, �Gerlinde:Österreichische�Komponistinnen� in�Kon-frontation�mit�dem�NS-Regime�1938-1945.TEIL� einer� laufenden�Untersuchung.�Wien2003). �Dies�erscheint�besonders�tragisch,da� die�Mutter� der�Künstlerin� von�der�Ge-stapo� verschleppt� und� ermordet� wurde.Durch�ihre�Ehe�mit�einem�„Arier"�blieb�LiseMaria�Mayer�auf�der�Straße�von�dem�antise-mitischen�Terror�verschont,�wie�viele�(kon-vertierte)� Jüdinnen, � die� in� so� genannten„Mischehen"� lebten. � Ihre�Verbindung�mitdem�„Arier"� Josef�Otto�Gaberle� galt � als„privilegierte�Mischehe", � da� ihre�TochterHildegard�nicht�im�jüdischen�Glauben�erzo-gen�wurde.�Deshalb�blieben�sie�und�Hilde-gard�auch�von�der�Polizeiverordnung�vom1.�September�1941�verschont, �demzufolgealle�JüdInnen�ab�dem�sechsten�Lebensjahreinen�Judenstern�tragen�mussten.�Der�Aus-schluss�aus�der�Reichsmusikkammer�traf�siehart , � da� dies� ihre� Tätigkeit � als� Musik-pädagogin�und�Komponistin�vorläufig�be-endete. �Sie�wurde�eineinhalb�Jahre�in�eineFabrik� dienstverpflichtet , � bei� der� sieschwere�körperliche�Arbeit�leis�ten�musste,

die�sich�gesundheitlich�negativ�auswirkte.Ihre�Tochter�wurde�17-jährig�aus�der�Mittel-schule� ausgeschlossen, � durfte� nicht�mehrmaturieren.Die� Demütigungen� und� Restriktionen

ließen� eine� künstlerische� und� schöpferi-sche�Arbeit�kaum�zu.�1946�erhielt� sie�einDienstverhältnis� ans�Konservatorium�derStadt�Wien,�welches�aber�1948�wieder�auf-gelöst�wurde. �Seitens� der�Leitung�wurdenals�Gründe� zu� lange�Krankenstände�–� dieKünstlerin� litt�an�starken�Depressionen�–und�private�Umstände�angegeben.�Lise�Ma-ria�Mayer�war�damals�54�Jahre�alt. �Ein�Ge-such,�den�Professorinnentitel�zu�erlangen,wurde�abgelehnt. �Die�musikwissenschaftli-che� Forschung� schätzt � ihr�Werk� auf� 50Nummern�in�einem�zyklisch�zusammenge-fassten�Œuvre, � bestehend� aus�Orchester-und�Kammermusik,�wobei�das�Lied,�insbe-sondere� das�Orchesterlied, � dominiert. �Ge-plant�war�auch,�ihre�Oper�Michelangelo, �ander� der� damalige� Direktorder�Wiener�Staatsoper�Felix�Weingartner,großes�Interesse�zeigte, �aufzuführen.Dazu�kam�es�jedoch�nicht, �da�Weingartner

Wien�1936�verließ. �Bei� der�AKM�wurdennach� Gerlinde� Haas� 1966� zwei� neue

LISE�MARIA�MAYERKOMPONISTIN,�DIRIGENTIN�UND�KLAVIERPÄDAGOGIN�(1894-1968)

wünscht�ein�frohes�Fest

als�Josef�rudolf�mayer�(1866-1932)�die�autodidaktischen�Kompositio-nen�seiner�siebenjährigen�tochter�Gustav�mahler�zur�Beurteilung�vor-legte,� riet� ihm�dieser,�das�mädchen�„der�musik�zu�weihen".�Gerlindehaas� und� eva�marx� weisen� in� ihrem�Komponistinnen-lexikon� (210österreichische�Komponistinnen� vom�16.� Jahrhundert� bis� zur�Gegen-wart.� salzburg�2001)�darauf�hin,�dass�bereits� 1914�das�Blatt�Die Zeitvon�lise�maria�mayers�erstem�Kompositionskonzert� im�Kleinen�mu-sikvereinssaal�berichtete,�bei�der�ihr�streichquartett�und�lieder�aufge-führt�wurden.�Die�aufnahme�von�ihren�liedern�war�äußerst�positiv�unddie�Kritik��zeigte�sich�sehr�beeindruckt�von�der�„natürlichen�art",�vonder�„Frische�und�anmut��der�melodischen�einfälle",�sowie�auch�von�derungekünstelten,�ungesuchten�harmonik�und�dem�„soliden�aufbau�desthematischen�materials"�(Die Zeit,�12.3.1914).�als�ich�mit�meiner�pianis�-tin�asako�hosoki�Fünf Lieder für Gesang und Klavier op.�11�(1914)�vonlise�maria�mayer�für�unsere�Konzertreihe�auswählte,�waren�wir�hinge-rissen.�Die�musikalisch�sehr�anspruchsvollen�werke�zeugen�von�hohemkompositorischen�Können�und�starker�ausdrucksfähigkeit.

Die musik-wissenschaftliche

Forschung schätzt ihrWerk auf 50 Nummern

in einem zyklischzusammengefassten

Œuvre, bestehend ausOrchester- und

Kammermusik, wobeidas Lied, insbesondere

das Orchesterlied,dominiert.

lise maria mayer

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DER HASE MIT DENBERNSTEINAUGEN

Familienchroniken�eignen�sich�im�All-gemeinen�sehr�zur�Illustration�der�Ge-

schichte, � jüdische� aber� eignen� sich� ganzbesonders, �um�das�spezifisch�Jüdische,�dasKosmopolitische,�die�Assimilation,�Glanzund�Elend�der�Diaspora, �den�„nomadenhaf-ten�Mangel�an�Vaterland“,�wie�sich�de�Waalausdrückt, �kurz, �das, �was�jüdische�Identität,jüdisches�Schicksal�ausmacht,�darzustellen.So� auch� die� Geschichte� der� DynastieEphrussi, �die, �ursprünglich�aus�Berditschiw(heute�Ukraine)� stammend, � in�Odessa� im

19.�Jahrhundert�in�Getreidehandel�und�-ex-port�eine�Weltstellung�errang.�Chronist�istEdmund�de�Waal, � ein� bereits� „arisierter"Nachfahre�in�sechster�Generation,�Sohn�ei-nes� anglikanischen�Geistlichen.�Er�wähltals� roten�Faden� seine� detektivischen�Re-cherchen� nach� den� Wanderwegen� einerSammlung�von�264�japanischen�Miniatur-schnitzereien�aus�Elfenbein�und�Holz, �denNetsukes, �die�Charles�Ephrussi�in�Paris�an-gelegt�hatte. �Charles, �geboren� in�Odessa,verbrachte� seine� Jugendjahre� in�Wien,� imPalais�Ephrussi, � heute�Sitz� des�CasinosAustria. �Er� übersiedelte� 1887�nach�Paris,wo�er�ein�großes�Haus�führte, �will�heißenein�Palais, � –� nicht� so� imposant�wie� dasWiener�–�in�dem�tout�Paris�aus�und�einging:eine�Nichte�Napoleon�III, �die�führenden�Li-teraten� des� deuxieme�Empire, �wie�Proust,Maupassant. �Vor�allem�aber�brillierte�Char-les� als�Kunstkenner, � Sammler� und�Mäzender�Impressionisten.�Er�war�Herausgeber�derin� der�Szene� tonangebenden� „Gazette� desBeaux�Arts". �Wer� in� der�Kunstgeschichtebeheimatet�ist, �wird�die�vielen�Details�umdie� zahlreichen� Namen� Manet, � Renoir,Aline�Charico,�seine�Geliebte,�Degas,�Cail-lebotte, �Goncourt, �Paul�Baudry,�der�den�Pla-fond�der�Pariser�Oper�mit�Malereien�versah,mit�mehr�Verständnis�und�mit�mehr�Genussaufnehmen�können,�als�der, �der� in�diesemMetier�weniger�oder�gar�nicht�Beschlagene.Da� Geldbekanntlich� sich� mit� Geld� am� bestenverträgt, �verheirateten�sich�die�GeschwisterCharles�und�des�restlichen�Clans�auch�mitIhresgleichen.So�galten�die�Rothschilds�und�die�Ephrus-

sis� als� eine� einzige� Familie� und� wahr-scheinlich�die�reichste�in�Europa.�Wenn�sie

nicht�an�die�Vermehrung�des�Besitzes�dach-ten� oder� davon� bereits� genug� zu� habenglaubten, �widmeten� sie� sich� der�Vermeh-rung� ihres�Ansehens�und�heirateten� in�diefranzösische�Aris�tokratie, �was� die� natio-nalbewussten�Franzosen� erbitterte. �Waalbeschreibt�ohne�große�Emotionen�den�fran-zösischen�Antisemitismus, � der� ja� in� derDreyfus-Affäre� kulminierte. �Die�Ephrussifocht�das�nicht�allzu�sehr�an.�Charles�durftedie�Queen�Victoria�durch�Paris�begleiten,�zuBeginn� des� Ersten� Weltkrieges� gab� esEphrussi�&�Cie. �in�Paris, �Ephrussi�&�Co�inLondon� und� Ephrussi� in� Petersburg. � Erschenkte� die�Netsukes� als�Hochzeitsgabeder�Frau�seines�Cousins,�Emmy,�einer�gebo-renen�Schrey�von�Koromla.�Natürlich�wa-ren�die�Ephrussis�in�der�Zwischenzeit�baro-niert�worden.�So�lesen�wir�denn�vom�Reich-tum, � den� Soireen, � dem�Verkehr� mit� denösterreichischen�Geisteskoryphäen,�einemBriefwechsel�Emmys�mit�Rilke�und�sind�be-eindruckt� vom�erfolgreichen� „Weg�nachoben”. �Das�Bild�wird� getrübt, �wenn�manweiter�liest, �wie�ausgetüftelt�wurde,�wie�vielGänge�und�wie�viel�Kaviar�zu�einem�Abend-essen� serviert � werden� sollten� oder� dassEmmy� ihre�Toilette� gelegentlich� fünfmalam�Tage�wechselte, �was�jedesmal�bis�zu�ei-ner�Stunde�dauern�konnte. �Da�beschleichtuns� eine� dunkle�Ahnung, �welche�Wurzelnder�Klassenhass� und�Klassenkampf� habenmöchten.�Die�Netsukes�verbleiben� im�Pa-lais�bis�1938.�Obwohl�damals�so�manchesverschwand,�verschwanden�sie, �wie�zu�be-fürchten�gewesen�wäre, �nicht. �Denn�da�warAnna.�Anna�war,�14-jährig,�als�Mädchen�füralles�in�das�Haus�am�Ring�gekommen.�Siedufte� dort � nach� dem� Anschluss� in� derDienstbotenkammer�wohnen�bleiben, � alses�die�Nazis�arisierten.�Während�diese�Gold,Silber, � Porzellan, �Teppiche, �Bargeld� säu-berlich�registrierten�–�man�holte�sich�hier-für�Sachverständige�aus�dem�Dorotheum�–und� beschlag�nahmten, � trug�Anna� –� niekonnte�der�Autor�ihren�Familiennamen�eru-ieren�–�die�Netsukes�Stück�für�Stück�in�ihrerSchürzentasche� in� ihr� Zimmer� und� ver-steckte�sie�unter�der�Matratze.�Dort�überleb-ten�sie�auch�die�nächste, �die�russische�Plün-derung. �Und� so� konnte� sie� � nach�Kriegs-ende,�als�die�„gnädige�Frau�Baronin�Elisa-beth”, � die� Tochter� Fannys, � nach� Wienzurückkehrte, � die�Sammlung�vollständigübergeben. � „Weil� die� Kinder� immer� sogerne� damit� gespielt � haben“. � Eineberührende�Restitution,�die�mit�den�übrigenziemlich�kontrastierte. �Das�kriegsbeschä-digte� Palais� wurde� zwar� zurückgegeben,aber�wer� konnte� schon� in� einer� von�vierMächten�besetzten�Stadt�ein�Palais�in�Standsetzen,�erhalten?�Als�es�verkauft�wurde,�wa-ren�gerade�30�000�Dollar�zu�erzielen.�An-schluss,�Vertreibung,�Krieg,�Nachkrieg�hat-ten� die� ehemals� in�Europa�verteilte, � aberstets� kohärente�Familie� zerrissen, � atomi-siert�und�über�die�ganz�Welt�verstreut. �Wosich�heute�die�vollständige�Sammlung�be-findet, �möge�der�geneigte�Leser�durch�Lek-türe�des�Buches�herausfinden.

heimo �Kel l neredmund�de�waal:�Der�hase�mit�den�Bern�-steinaugen,�szolnay�verlag,�wien�2011

WILFRIED DAIM, DERQUERDENKER

eine�detailreiche�Schilderung�des�Lebensdieses� originellen�Zeitgenossen, � der

sich� nie� ein�Blatt � vor� den�Mund� nahm,wenn�es�galt, �gegen�Nationalsozialismus,Antisemitismus� � und�Rechtsextremismusaufzutreten,� findet�sich� in�dem�im�Vorjahrerschienen�Buch�von�Peter�Diem.�WilfriedDaim�wurde�am�21.�Juli�1923��in�Wien�ge-boren.�Sein�Vater�arbeitete�in�einer�Textil-fabrik, �seine�Mutter�war�Näherin. �Wilfriedund� seine� Schwester� wuchsen� in� einerKüche-Zimmer-Wohnung� im�proletarisch-kleinbürgerlichen�Milieu�von�Hernals�auf.

Wilfried�Daim�wurde�in�einer�katholischenJugendgruppe�sozialisiert, �die�durch�einenkulturell � aufgeschlossenen� Kaplan� ausDeutschland,�einem�strikten�Anti-Nazi, �ge-leitet�wurde.�Zusammen�mit�seinen�Freun-den� führte�Wilfried�nach�dem�„Anschluss"an�sich�harmlose,�aber�damals�doch�gefähr-liche�Widerstandsaktionen�durch. �Nur�mitGlück�entkam�er�nach�einer�Vorladung.� Ineinem�150�Seiten�langen�Bericht�über�seineErfahrungen� in� der� deutschen�Wehrmachtauf� polnischem, � ukrainischem�und� russi-schem�Boden�beschreibt�Wilfried�Daim�imDetail , � wie� er� manchen� gewissenlosenHandlungen�von�Landsern� zu�widerstehenversuchte�und�wie�er�russischen�Zivilisten,die� stark� unter� den�Kämpfen� litten, � half.Seine� im�Jahr�1960�verfassten�Erinnerun-gen�kamen�im�Herbst�2011�als�Buch�heraus.Sie�sind�ein�berührendes�Dokument�darüber,wie�ein�einfacher�Soldat�versuchte, �gegenUnmenschlichkeit�und�Hass�aufzutreten

Nach�allgemeinen�Werken�über�Parapsy-chologie� (1949)� und�Graphologie� (1950)schrieb�Daim�1951� sein� erstes� originärwissenschaftliches�Werk,�die�„Umwertungder�Psychoanalyse". �Trotz� strikter�Obser-vanz�Freudschen�Denkens� sucht�Daim� indiesem�Buch�wie� in� dem� folgenden� („Tie-fenpsychologie� und� Erlösung", � 1954)nachzuweisen,�dass�zwischen�Neurose�undder�Entfremdung�von�Gott�ein�enger�Zusam-menhang�besteht. �

Weit�über�die�Grenzen�Österreichs�hinausbekannt� wurde� Wilfried� Daim� im� Jahre1958,�als�er�mit�dem�Werk�„Lanz�von�Lie-benfels� –�Der�Mann, � der�Hitler� die� Ideengab"� den� psychologischen�Einfluss� desWiener�Rassen�ideologen�und� „Tempelrit-ters"�Adolf�Josef�Lanz�alias�Jörg�Lanz�vonLiebenfels�auf�Adolf�Hitler�nachwies. �DasBuch�erlebte�drei�Auflagen;�zuletzt�erschienes� 1994. � Dem� inzwischen� vergriffenenWerk, � das�mittlerweile� in� praktisch� allenAnalysen�des�Proto-Nationalsozialismuszitiert�wird, � steht�der�Satz�von�August�M.Knoll� als�Motto� voran:� „Der�Nationalso-zialismus� ist � jene� Bewegung, � die� daspreußische�Schwert� der� österreichischenNarretei�zur�Verfügung�gestellt�hat."�Es�istzu�hoffen,�dass�der�mittlerweile�88-jährigeAutor�noch�die�Kraft�hat, �für�einen�Neudruckzu�sorgen.

Nach�einer�interessanten�Auseinanderset-zung� mit� dem� Thema� eines� möglichenMenschheitsselbstmords�durch�Massenver-nichtungswaffen� („Totaler� Untergang",1959)�machte� sich�Wilfried�Daim�an� seinHauptwerk.�Auf�der�Basis�hunderter�sorgfäl-tig� protokollierter�Tiefeninterviews� schufer�die�Theorie�von�der�„Kastenlosen�Gesell-schaft"�(1960). �Auf�über�500�Seiten�weistDaim�nach,�dass�Klassengegensätze�unwei-gerlich�mit�Kas�tengegensätzen� einherge-hen.�So�konnte�er�die�Wurzeln�der�wichtig-sten� gesellschaftl ichen�Umbrüche, � aberauch� jene� des�Antisemitismus, � des�Natio-nalsozialismus�und�des�Kommunismus�dar-stellen�und�ihnen�das�christliche�Liebesge-bot�in�der�Form�von��„universeller�Brüder-lichkeit"�als�Lösungsansatz�gegenüberstel-len.�Der�gesamte�Text�dieser�umfassenden

Gesellschaftsphilosophie�findet�sich�mitt-lerweile�im�Internet.Daim�hat� zeitlebens�Kunst� gesammelt.

Dabei�entwickelte�er�ein�großes�Talent, �un-bekannte�Maler�mit�großer�Zukunft�zu�ent-decken.�So�begann�er�1978�mit�Publikatio-nen�über� die� sozialkritischen�Maler�OttoRudolf� Schatz� und� Franz� Probst, � derenWerke�er�eifrig�sammelte�und�interpretierte.Heute�verfügt�Daim,�der�seine�„Kunstaben-teuer"�1997�und�2005�in�zwei�großformati-gen�Bildbänden�publizierte, �über�eine�großeSammlung�von�Gegenwartskunst, �zu�der�auchWerke�von�K.W.�Diefenbach�und�Franz�Mosergehören.�Ein�interessantes�Buch,�das�auch�ei-nen�tiefen�Einlick�auf�das�vorige�Jahrhundertbietet. p. �n.

peter� Diem:�wilfried� Daim,� Querdenkerzwischen� rot� und� schwarz,� edition� stein-bauer,�wien,�2011.��

MIT IRONIE UNDCHARME GEGENHITLERDEUTSCHLAND

rené�Halketts� autobiografisches�Zeit-porträt� „The�Dear�Monster”� ist� über

siebzig�Jahre�nach�der�englischen�Erstver-öffentlichung�unter� dem�Titel� „Der� liebeUnhold"�auf�Deutsch�erschienen.�Der�Autor,1900� in�Weimar� als�Albrecht�Georg�Frie-drich�Freiherr�von�Fritsch�geboren,�schriebdas�Buch�–�eine�aus�autobiografischer�Sichtgeschriebene�Schilderung�Deutschlands� –1937�bis�1939�im�englischen�Exil. �Die�Pu-

blikation� im�Jahre�1939�war�ein�Versuch,die� brit ischen� LeserInnen� vor� Hitler-deutschland� und� dem�Antisemitismus� zuwarnen�bzw.�„den�Engländern�zu�erklären,warum� die� Deutschen� diesem� seltsamenHerrn�Hitler�so�begeistert�zustimmten�undwie�es�dazu�kommen�konnte, �dass�die�Nazi-partei�sich�auf�eine�so�breite�Zustimmungstützen�konnte". �Gemeint� ist � in� diesemSinne�mit�dem�Unhold,�dem�Monster, �nichtder�Autor�selbst, �sondern�Deutschland.�Seine�Lebensgeschichte� beginnt� er�mit

einer�Anekdote:�Die�standesgemäße�Wiegefür� den� erstgeborenen�Sohn�verschwandebenso�wie�die�frisch�gestärkte�Säuglings-wäsche,�und�so�musste�der�Stammhalter�mitServietten� und� einem�normalen�Wäsche-korb�vorlieb�nehmen.�Sehr�detailliert� be-richtet�der�Autor�über�Weimar, �das�sich�fürihn�kulissenhaft�wie�ein�Theaterstück�prä-sentierte. �Ein�prägendes�Erlebnis�in�seinerJugend�war�die�Begegnung�mit�den�Wander-vögeln, � die� unkonventionell�mit� offenenHemden�und�kurzen�Hosen� im�Wald�nahedem� väterlichen�Anwesen� zelteten. �Wieviele�Jugendliche�fühlte�er�sich�zu�der�Grup-pierung�hingezogen.�Um�ihm�diese�Allürenauszutreiben,�steckte� ihn�der�Vater� ins� In-ternat�und�anschließend�in�eine�Kadettenan-

Seite 20 März/April 2012

BUCH ECKE

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März/April 2012 Seite�21

DER PROPHET DESSTAATES ISRAEL

Dr. �Andrea�Livnat� leitende�Redakteurindes� deutsch-jüdischen� Internetportals

haGalil.com hat�ihre�gründliche�und�kriti-sche�Arbeit� über� „Theodor�Herzl� im�kol-lektiven�Gedächtnis� Israels"� publiziert.Sie� beginnt� mit� dem�Ableben� Herzls

1904�und�schildert�wie�der�Begründer�despolitischen�Zionismus�bereits�zu�Lebzei-ten�zur�Legende�wurde.�Und�wie�das�so�pas-siert, �gibt�es�eine�Reihe�von�Israelis, �diedie�Verkitschung�von�Herzl� zum�Anlassnehmen,�den�Zionismus�lächerlich�zu�ma-chen.�Um�das�zu�verdeutlichen,� stellt� sieein�Zitat� von�Tom�Segev� an� den�Beginnihres�Buches�mit�der�Aufnahme�des�„ziem-lich�grotesk"�wirkenden�Herzl.Das�Buch�endet�mit�dem�Foto�eines�Graf-

fiti:� Seit� Sommer� 2007� sind� in�Tel�Avivund� Jerusalem�Graffitis� von�Herzl� zu� se-

hen.�Sie� verweisen�den�Betrachter� einer-seits�auf�das�übliche�Gedenken,�indem�sieseinen�berühmten�Satz�„Wenn�ihr�wollt�istes�kein�Märchen"�aufgreifen,�andererseitsweisen� sie� auf� die� verpassten�Chancendurch�eine�Abwandlung� im�Text�hin:� „Lorozim, � lo� zarich…"�die� sie� so� übersetzt„Wenn� ihr�nicht�wollt, �müsst� ihr�nicht".Die� genauere�Übersetzung� lautet� „wollennicht, � brauchen�nicht". �Diejenigen, � diedas�an�Wände�schmieren,�würden�vielleichtlieber�dhimmi�sein, �d.h. �als�Schutzbefoh-lene� unter� arabischer�Herrschaft� leben,doch�die�Mehrheit�der�Juden�Israels�möchtefesthalten� am� jüdischen�und�demokrati-schen�Staat.Livnat�weist�eine�im�Feuilleton�oft�wie-

derholte�Behauptung�zurück,�Herzl�wäre�le-diglich�wegen�der�Verurteilung�von�Drey-fus� zum�Verfechter� des�Zionismus�gewor-den. �Wer�Herzls�Tagebuch� gelesen� hat,weiß� wie� sehr� er� schockiert � war� vomgroßen�Wahlerfolg� von�Dr. �Karl�Lueger.Theodor�Herzl� hat� den� jüdischen�Staat

vorausgesagt� und� tatsächlich� habenZionis�ten�die�einzig�erfolgreiche�Revolu-tion� des� 20. � Jahrhunderts� durchgeführt.Livnat�erkennt�an,�dass�die�israelische�Ge-sellschaft� „aus� revolutionären� Ideen�undAktivitäten�hervorgegangen�ist"�und�„dienationale� Identität� unter� großen�Schwie-rigkeiten"�geformt�wurde.Die�Autorin�schildert�im�ersten�Teil�ihres

Buches�wie�Herzl� vor� 1948�wahrgenom-men�wurde, �wie� sich� alle� zionistischenRichtungen� auf� ihn� beriefen. � Im� zweitenTeil�wird�Herzls�Platz�im�vielschichtigenkollektiven�Gedächtnis� Israels� im�Detailgeschildert.Der�Schlussfolgerung�des�Buches�stimmt

der�Rezensent�vollinhaltlich�zu:�„Es� liegtan�der�Gesellschaft�selbst, �wohin�sie�sichin� den�Diskussionen�um�die�Zukunft� desStaates� leiten� läßt. �Herzl�kann�dafür�nochimmer�eine�inspirierende�Quelle�sein."Karl �pfei fer

eine�Weltumsegelung�und�lie�sich�zum�Pi-loten�ausbilden.�Halkett�wurde�schon� in�seiner�Schulzeit

mit�Antisemitismus�konfrontiert� und� er-lebte�Deutschlands�Weg�in�den�Faschismusganz�unmittelbar. �Um�dem�Bevorstehendenzu�entgehen,�versuchte�er�nach�dem�Reichs-tagsbrand�auf�Ibiza�Fuß�zu�fassen�und�reiste1936�nach�England�aus. �Dort�war�er�für�dasbritische�Militär�in�der�Propaganda�gegenNazi-Deutschland�tätig�und�1945/47�Über-setzer� bei� den�Kriegsverbrecherprozessenin�Nürnberg.�Anschließend�arbeitete� er� inder�deutschsprachigen�Abteilung�der�BBC.1946�nahm�Halkett�die�britische�Staatsbür-gerschaft�an�und�lebte�in�Cornwall�als�Ma-ler�–�das�Buchcover�zeigt�einen�Ausschnittaus� einem�Gemälde�Halketts. �Das� adeligeMultitalent�aus�Weimar�starb�1983� in�Ca-melford.Ein� detailliertes�Zeit-� sowie�Selbstpor-

trät, �das�nach�viel�zu�langer�Zeit�endlich�derdeutschsprachigen�LeserInnenschaft � zu-gänglich� gemacht�worden� ist. �Ein�Buch,das� trotz� seines�Umfangs�packend� ist� undnicht� so� leicht� aus� der�Hand�gelegt�wird.

petra�m. �spri ng erréné�halkett:�„Der�liebe�unhold".�autobio-grafisches� zeitporträt� von� 1900� bis� 1939.aus�dem�englischen�übersetzt�und�mit�an-merkungen� versehen� von� ursula� c.� Klim-mer.� mit� einem� vorwort� von� DiethartKerbs,� edition�memoria,� hürth� bei� Köln2011,�488�seiten,�36�euro

WAS BLEIBT VON DERSHOAH?

auf� Init iative� von�Amcha�Österreichentstand� ein� interessanter�Sammel-

band, � der� unterschiedliche�Beiträge� zumThema�„Was�bleibt�von�der�Shoah?”�zusam-menfasst. �Amcha�ist�das�Nationale�Zentrumfür�Psychosoziale�Unterstützung�von�Holo-caust-Überlebenden�und�deren�Familien� inIsrael�und�wurde�1987�von�drei�Überleben-den�gegründet. �Als�Selbsthilfeorganisationist�sie�auf�Unterstützungen�angewiesen�undes�fanden�sich�Freunde�von�Amcha�vor�al-lem�in�den�Niederlanden,�in�der�Schweiz, �inDeutschland�und� auch� in�Österreich. � „DieHauptaufgabe�von�Amcha�Österreich�warund� ist �Geld� aufzubringen. �Nicht� immersind�unsere�Bemühungen� erfolgreich. �Esgibt�jedoch�verlässliche�Freunde�mit�offe-nen�Händen”, � so�Maria�Halmer� in� ihremText. �Beiträge�über�Amcha�in�der�Schweiz,

Deutschland, �Österreich� sowie� Israel� und

Esra�in�Österreich�geben�Einsicht�in�derenArbeit. �Es�wird�in�der�Publikation�den�Fra-gen�nachgegangen,�wie�wir�heute�mit�Über-lebenden�des�Holocaust�umgehen�und�wel-che�Bedeutung�die�Shoah�für�die�kommen-den�Generationen�haben�wird.�Noch�gebeneinzelne�Überlebende�des�Holocaust�ein�un-mittelbares�Zeugnis�von�der�Shoah,�aber�es

wird�eine�Zeit�ohne�diese�Zeitzeugen�kom-men. �Ruth�Klüger� schreibt� in� der� abge-druckten�Festansprache, � dass� die�Überle-benden�der� großen� jüdischen�Katastrophedes�Zwanzigsten� Jahrhunderts� sozusagenein�Auslaufmodell�darstellen.�„Nur�ganz�we-nige�von�uns�gibt�es�noch�und�die�wenigen,zu�denen�ich�gehöre, �waren�damals�Kinder.”Was�bleibt, � sind� beispielsweise� die�Ge-denkstätten,� auf� die� auch�näher� eingegan-gen�wird, �wie� z. �B. � in� „Auslandsgedenk-dienst”� von�Martin�Eichtinger, �worin� das12-monatige�Alter�nativ�modell� zum�Zivil-dienst�aufgezeigt�wird, �im�Rahmen�dessenin�Holocaustgedenkstätten�und�Museen�ge-arbeitet�wird.�Ein�ausführliches�Verzeichnislistet�die�diversen�Gedenkdienststellen�imAusland� auf. �Der�Beitrag� „Was�hat� es�mitmir� zu� tun?”� behandelt� das�Vermittlungs-konzept� an� der�Gedenkstätte�Mauthausen.Nathan� Kellermann, � Projektleiter� vonAmcha�Israel, �geht�in�seinem�Beitrag�sehreindringlich� auf� das�Holocaust-Trauma� inIsrael� ein, �während� sich�Martin�Auerbachmit� den� Erfahrungen� von� sehr� altenHolocaust�überlebenden�in�der�Psychothera-pie� auseinandersetzt . � Anton� Pelinkakommt�in�„Die�Wahrnehmung�der�Shoah�inÖsterreich”� zu� einem� österreichspezifi-schen�Resümee�des� „Spät, � aber� doch. . .”:Spät, � aber� doch� wurden� in� GemeindenMahnmale�errichtet, �die�an�die�Shoah�erin-nern;�spät, �aber�doch�ist�die�Mitverantwor-tung�Österreichs�an�der�Shoah�„Bestandteildes�herrschenden�politischen�Narrativs�ge-worden”. . . � Brigitte� Bailer� geht� in� „DieLeugnung�des�Holocaust� –� ein� Instrumentneonazistischer� und� antizionistischer�Po-litik”�auf�Argumentationsweise�sowie�Me-thoden�der�Holocaustleugner�und�präzise�aufdie�Holocaustleugnung� in�Österreich� ein.Ein� sehr� empfehlenswerter� und� viel-

schichtiger�Sammelband� zu� einem�bedeu-tenden�Themenkomplex, � in� dem�versuchtw i r d ,erste�Antworten� zu� init i ieren� und�Wegeaufzuzeigen. hel ene�mai er

maria� halmer,�anton� pelinka,� Karl� sem-

Die� Nachmittagsvorstel-lung"� beinhaltet � neun

Geschichten� über� das�Lebenin� Israel, � Geschichten� vonKindern, � Frauen� und� Män-nern,�denen�Kenaz’�wohlwol-lende, � leicht� ironische�Auf-merksamkeit� eine� besondereEindringlichkeit � verleiht,Geschichten, � bei� denen� derAbgrund� dicht� unter� derscheinbar� harmlosen� Ober-fläche�lauert�und�die�sich�demLeser� nachhaltig� einprägen.Eine� private�Filmvorführungin�der�Vorstadt�kommt�wegenzahlreicher�Hindernisse� undskurriler�Ereignisse� nie� überden�Vorspann�hinaus, �was�derEingeladene�besonders�ärger-lich�findet, �da�es�sich�um�ei-nen� Pornostreifen� handeln

soll. �Ein�Nachbar� beschwertsich�beim�Hausbeirat�über�dieWohnung�mit�Eingang� zumHof, � weil � der� Briefkastenschon�überquillt:�Der�Mieterdort � könnte� verschwundenoder� gar� tot � sein, � da�müsseman� doch� etwas� unterneh-men.�Zu� einem�Fest� in� einerneuen�Wohnung� erscheinenlauter�Leute,�die�sich�unterein-ander�nicht�kennen�und�auf�je-manden�warten,�der�aber�nichtkommt;�stattdessen�liegt�eineLeiche�im�WC�.. .

Jehoschua�Kenaz:�Die�nach-mittagsvorstellung,�luchter-hand� lieteraturverlag,

münchen� 2011,� 272� seiten19,60�euro

Die� Anthologie� versam-melt� Geschichten� rund

um� jüdische�Festtage. �Vieleder�Erzählungen�aus�den�USA,Deutschland, �Kanada, � Israel,Südafrika� und�Osteuropa� er-scheinen� erstmals� in� deut-scher�Übersetzung. �Pessach,Rosch� Haschana� und� JomKippur� -� Geschichten� rundums� jüdische� Jahr, � in� denensich�das�Wunder,�der�\Witz�undAberwitz, �die�Paradoxie�jüdi-schen�Lebens� spiegeln. �Wersich� für� die� ewig� rätselhafteFrage�nach�dem�jüdischen�Wieund� Was� gegenwärtigen(Diaspora-)�Daseins� interes-siert, �wer�sich�fragt, �was�jüdi-sche�Tradition�mit�aufgeklär-tem� Denken� zu� tun� habenkann�und�was�daran�komischist�(oder�auch�nicht), �wird�indiesem�Kompendium�ein�paarüberraschende�Antworten�fin-den.

nicht� ganz� koscher.� storysfür�die�Feiertage.�herausge-geben�und�mit�einer�nachbe-merkung� von� patricia� rei-mann,� Deutscher� taschen-buch�verlag,�münchen�2011,304�seiten,�10,20�euro.

Israel. � Land� der� Heiligen,Kleinod� religiöser�Fanati-ker, �Zentrum�politischer�Dis-kussionen. �Es� ist� ein�Land,das�die�Massen�spaltet�–�undseit�kurzem�das�neue�Zuhause

von� Katharina� Höftmann.Hier�lebt�sie�mit�ihrem�israe-lischen� Freund, � lernt� He-bräisch�und�arbeitet�als�Jour-nalistin. � Und� sie� wundertsich, �wie�man�plötzlich� zurdeutschen� Fußballexpertin

mutiert, �warum� sie� in� Israelvermutlich�den�Kältetod�ster-ben�wird�und�wieso�die�Israe-lis� immer� in�Gruppen�auftre-ten. �Und�natürlich� ringt� sieimmer�wieder�mit�der�israeli-schen�Mischpoke�ihres�„wun-derbaren�Lebensbegleiters“.Ihre�Geschichten� bilden� einbuntes�Potpourri�vom�Alltagim�Holy�Land:�bissig�und�iro-nisch, � süffisant� und�melan-cholisch�–�aber�immer�mit�ei-nem�liebevollen�Blick�auf�dasLand�und�seine�Leute.

LITERATUR

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Seite�22 März/April 2012

ZEITGESCHICHTE

m i t te� 2011� erschien� HedwigsBrenners� neues� Buch� im� Har-tung-Gorre�Verlag, �Konstanz� –

eine� � beachtliche�Sammlung�von�Erinne-rungen, �Gedichten, �Kurzgeschichten� undLebensberichte�aus�ihrer�eigenen�Feder�undLyrik, �Texte� sowie� Interviews�von� ihremvor�12�Jahren�verstorbenen�Mann�GottfriedBrenner�(1913-1998).�Es�ist�das�achte�Buch(seit�1998)�in�einer�rasanten�Folge�von�Pu-blikationen, � die� berührende�persönlicheRückblicke, �Rückblenden�und�kulturkriti-sche�Betrachtungen�einer�osteuropäischenJüdin�aus�Czernowitz�vorlegen,�wobei�diefast�94-jährige�Autorin, �ehem.�Physiothe-rapeutin, �Kunsthis�torikerin, �Netzwerkerinund�Mentorin�anderer�Künstler�und�Wissen-schaftler�bis�heute�weltweit�Lesungen�ver-anstaltet, �ihre�Zeitzeugnisse�mit�einem�he-terogenen�Publikum�diskutiert, �das�von�denGeschichten,�die�sie�zu�erzählen�hat, �wenigweiß;�so�geschehen�zuletzt�in�Berlin, �Des-sau�und�Wien,�wo�sie�u.a. �auch�Station�beiuns� im�Experimentaltheater� „Fleischerei"machte�(Juni�2011).

hedwi g �Brenner�wurde�in�Czernowitz,der�Bukowina, � 1918�geboren, � ihr�Vater,Dr. �Adolf�Langhaus,�war�Rechtsanwalt, �dieMutter�Friederike, �geb.�Feuerstein, �Lehre-rin. �Nach�Abschluss�des�Lyzeums�1936�warsie�zuerst�als�Sekretärin�tätig, �dann�begannsie�ein�Studium�an�der�Juridischen�FakultätCzernowitz, �danach�der�Kunstgeschichte�inWien�und�Genf. � Studienabbruch� im�März1938�und�Rückkehr�nach�Czernowitz. �1939heiratet�sie�den�Ing.�Gottfried�Brenner�undübersiedelt�mit�ihm�nach�Ploiesti. �1940�imUrlaub�in�Czernowitz�durch�die�sowjetischeBesetzung�der�Nordbukowina� festgehaltenund�in�Folge�1941–44�unter�deutsch-rumä-nischer�Herrschaft�gettoisiert. �1945�kehrtsie�mit� dem�Ehemann� zurück� ins� rumäni-sche�Erd�ölgebiet. � 1947�und�1950�Geburtder� beiden�Söhne. �Studium�der�Kranken-pflege,�danach�Ausbildung�zur�Physiothera-peutin� im�Spital�Brincovencsc, �Bukarest.Nach�dem�Diplom�25�Jahre�in�der�2. �Poly-klinik�Ploiesti� tätig. � 1982�Auswanderungder�Familie�nach�Israel, �wohnhaft�in�Haifa.Zahlreiche�Veröffentlichungen� seit� 1998,darunter� Jüdische�Frauen� in� der� bildendenKunst�I-IV,�Konstanz,�Leas�Fluch,�2005�und„Mein�20. � Jahrhundert“, � 2005/2006, � und„Mein�altes�Czernowitz�–�Erinnerungen�ausmehr�als�neun�Jahrzehnten,�1918–2010“,Konstanz�2010,�sowie�Essays�und�Rezen-

sionen�in�deutschsprachigen�Zeitschriften.

Gottfri ed� Brenner kam�1913�in�Czer-nowitz, � damals�Österreich, � als�Sohn�vonDr.�phil. �Ephraim�Brenner�und�Paula�(geb.Kohn)�zur�Welt. �1914/18�Flucht�mit�den�El-tern� nach�Wien, � dann�Lyzeum� in�Czerno-witz. �1930-36�Studium�der�Elektrotechnikin� Prag, � Dipl. � Ing. � summa� cum� laude.Während� des� Studiums� journalistischeTätigkeit�Interview,�Lyrik�und�Feuilletonsin� deutschsprachigen�Zeitschriften� sowieMalunterricht. � 1936-39�Elektroingenieurin� der� Zementfabrik� Putna, � Bukowina.1939�Heirat�mit�Hedwig�Langhaus.�1941–44� in�Czernowitz� unter� rumänischer� unddeutscher�Besatzung,�Getto�und�Zwangsar-beit. �1945�Emigration�nach�Rumänien�undbis�zur�Pensionierung�als�Elektroingenieurin�der�Petroleumindustrie�tätig. �Ausreisege-nehmigung�1982,�Niederlassung�in�Haifa.Zahlreiche�Veröffentlichungen�von�Gedich-ten, �Essays, � Feuilletons� in� Israel, �Öster-reich,�der�Schweiz.

Freundschaft�mithedi�BrennerIch�lernte�Hedwig�Brenner�zufällig�bei�ei-

ner�ihrer�Lesungen�im�Wiener�Literaturhaus2006�kennen,�kam�auf� sie�zu,�um�das�Ge-spräch�der�beeindruckenden�damals�über�85-jährigen�Dame�und�wurde�von� ihr� kurzer-hand�zu�einem�Gartenfest�in�ihr�damaligesWiener�Domizil�in�Pötzleinsdorf, �das�Hausder�Freundin�Judith�Porr-Kahlbeck,�eingela-den�–�ein�unvergesslicher�Sommernachmit-tag� im�Beisein� von�Freunden, �Künstlern,Wissenschaftlern� und�ZeitzeugInnen. � Ju-dith�Kahlbeck�starb�nur�wenige�Jahre�späterund�Hedwig�Brenner�hat�ihr�in�ihrem�neuenBuch�einen�Text�voll�nachgetragener�Liebezugedacht.In�der�Folge�besuchte�ich�Hedwig�Brenner

zusammen�mit�Peter�Kreisky,�der�sich�eben-falls�mit�ihr�anfreundete, �in�ihrer�beschei-denen� Wohnung� am� Karmel-Berg� überHaifa, � die� von�der�Historikerin�SiglindeBolbecher� liebevoll� als� „Weltfabrik"� aufder�Silverstreet�bezeichnet�wurde.�Hier�lebtund�arbeitet�Hedwig�Brenner�inmitten�einerumfangreichen�Bibliothek�in�vielen�Spra-chen, � hier� empfängt� sie�Gäste� und�korre-spondiert�mit� der�Außenwelt. �Uns� ist� inüber� sechs� Jahren�diese� kleine�Einwande-rer-Wohnung�zum�Zentrum�und�Angelpunktmehrerer�Israelreisen�geworden,�wobei�Hed-wig�Kontakte� legte, � als�Mentorin� unsere

kultur-politischen�Austauschprojekte� un-terstützte� und�uns� im�Gegenzug�mehrmalsin�Wien�besuchte, �wo�sie�einige�Lesungenaus�ihren�Büchern�an�unserem�Experimen-taltheater� „Fleischerei"� präsentierte� (u.a.„Jüdische�Frauen� in� der� bildenden�Kunst“und�„Mein�altes�Czernowitz“). �

zum�andenken�undnachdenkenDas�Buch�ist�einerseits�eine�Hommage�an

den� Elektroingenieur, � Lyriker,Feuilletonis�ten� und�Maler�Gottfried�Bren-ner��–�im�Band�sind�eine�Reihe�seiner�neu-sachlichen�Gemälde� abgebildet, � ergänztvon�Malereien� des� älteren� Sohnes� PaulBrenner,�der�ebenfalls�in�Haifa�lebt�und�sichnach�seiner�Pensionierung�als�Ingenieur�derMalerei�verschrieben�hat. �Es�ist�auch�eineandere�Art� der� biografischen�Geschichts-schreibung�–� eigensinnig� fragmentarischund� assoziativ� reiht� sich� eine� lose�Folgevon�Erinnerungen� aus� ihrer�CzernowitzerZeit, �dem�Getto�und�den� Jahren�der�natio-nalsozialistischen�Verfolgung, � der� beideentkamen, � der�Flucht� und� lang� ersehntenEinwanderung� nach� Israel� –� viele� Jahrehatte�das�Ehepaar�Brenner�auf�die�Emigra-tion� aus�Rumänien� im� Jahr� 1982�wartenmüssen,�ihre�Probleme�mit�der�Integrationin� die� neue�Kultur� und�Gesellschaft� sowieBetrachtungen�der�Entwicklung�Israels�seitden�80er�Jahren.Der�erste�Teil� ist�den�Texten�Hedwigs�ge-

widmet, �im�zweiten�versammelt�sie�sorgsamaufbewahrte�Gedichte�und�Interviews�–�z. �B.das� beeindruckende� Gespräch� mit� demSchriftsteller�Max�Brod� im� Jahr� 1934� inPrag�–�eine�Unterhaltung�über�aktuelle�Poli-tik, � das� Judentum�und�Palästina� von�Gott-fried�Brenner.Während�Hedwigs�humorvoll-erdige�Ge-

dichte�Szenen�des�Alltags, �Aphorismen�undAllegorien, �Erinnerungen� an�Freunde�wieJudith�Kahlbeck�oder�ein�Klassentreffen�ih-rer�Leidensgenossinnen� aus�CzernowitzerTagen�umkreisen,�schlagen�jene�von�Gott-fried� einen�nachdenklich-melancholische-ren�Ton�an,�sind�durchdrungen�von�existen-tiellen�Betrachtungen�über�Liebe, �Leben,Tod, �Alter� und�Landschaften, �wobei� dieseden�vielen�Landschaftsmalereien� gegenü-berstehen,�sie�zu�kommentieren�oder�ergän-zen�scheinen.Der�schmale�Band,�so�disparat�es�in�Be-

zug� auf� seine�Quellen� erscheint, � spanntnicht�nur�den�Bogen�von�über�80� Jahren,

DIE DOYENNE DER CZERNOWITZERDIASPORA-LITERATUR LEGTEIN NEUES BUCH VOR

Aus dem unendlichen, weiten MeerMeiner Erinnerungen,Jahr und Jahr, Tag für Tag,Im Laufe meines langen, langen LebensGesammelt,Wähle ich einen Brocken.Ich rufe ihnUnd warte.[...]

Über Felsen, Flüsse, durch Wälder,über Hindernisse, fast unüberwindliche,von Raum und Zeit des Gedächtnisses,bahnt sich dieser Brocken einesErlebnisses, seinen Weg ins Bewusstsein. Ich nehme ihn in die HandUnd bringe ihn ans Licht...

So entsteht eine Geschichte...hedwig Brenner und ihr sohn michael Brenner, Wien 2011 foto © Eva Brenner

beginnend�mit� der�Czernowitzer�Zeit� vordem�Zweiten�Weltkrieg�bis�zur�unmittelba-ren�Gegenwart� des� heutigen� Israel, � es� ge-lingt�Hedwig�Brenner�ein�Gefühl�der�Zeit�zuvermitteln�ohne�eine�übliche�biografischeGeschichte� zu� schreiben. � Im�Gegenteil :Über�die�fragmentarische�Struktur�wird�frak-tal� gebrochen� erst�Geschichte� lebendig!Die�Textmontage�aus�Liebes-�und�Naturge-dichten, �Erlebnissen, �Lebensweisheitenund�Kurzgeschichten�–�versetzt�mit�Fotos,Bildern�und�Faksimiles�von�Zeitdokumen-ten�–�lädt�den�Leser�ein,�die�Lücken�zu�füllenmit� zu� fantasieren, �Zusammenhänge�undQuerverbindungen�selbst�herzustellen,�sichsomit�sein/ihr�eigenes�Bild�zu�machen.��

ewiger�Frieden?Angesichts�der�Katastrophen�zum�Trotz,

denen�Hedwig�und�Gottfried�Brenner�nur�mitMühe� entgingen, � entwerfen� sie�mosaik-hafte�Lebensbilder� der�Krisen�und�Verwer-fungen�des�20.�Jahrhunderts, �vor�allem�aberdes�Mutes, �der�Zuversicht�und�der�Überwin-dung.� Ihr�Blick� ist� ein� fast�versöhnlicherauf� das� nun� ferne� 20. � Jahrhundert, �wobeiGottfrieds�Erinnerungen� trotz� humanisti-schem�Fundament� eine� deutlich� dunklereFärbung�aufweisen.�Dennoch,�beider�Textesind�getragen�von�Sehnsucht, � �Hoffnung,ja�Zuversicht�auf�das�Anbrechen�einer�baldzu� erwartenden�weltweiten�Friedenszeit� –für�Menschen� aller�Rassen�und�Klassen,auch�für�die�Juden!�Man�ist�versucht, �dieseRückblenden� als� zu� idealis�tisch� und�denBrennerschen�Blick� als� in� ein� allzu� rosa-rotes�Licht� getaucht� zu� empfinden. �Dendunklen�Grundtönen�ungeachtet� übergehtgerade�Gottfried� die�Kriege� und�prekärenEntwicklungen�Israels�in�den�letzten�Jahr-zehnten, � st immt� stattdessen� den� utopi-schen�Gesang�des�Friedens�an�und�zeichnetdamit�ein�Bild, �wie�es�wohl�die�Zeit�der�Ein-wanderung�widerspiegelt, �die�heutige�Rea-lität�aber�wenig�bis�kaum�erfasst.Jedoch�gerade� in�dieser�Hinsicht� ist�das

kleine� aber� feine� Büchlein� von�HedwigBrenner�so�wertvoll, �legt�es�doch�Zeugnisab�vom�Spirit�dessen,�was�der�zionistische„Traum"�einmal�gewesen�sein�muss, �welcheOpfer�viele�Einwanderer�betrachten,�bis�sieins�„Gelobte�Land"�kamen�und�mit�welchenmessianischen� Hoffnungen� sie� dieseBrüche�und�diesen�Wieder/Aufbau�der�„jüdi-schen�Nation"�ausstatteten.�In�diesem�Kon-text� sind� Hedwig� Brenners� gesammelteZeitdokumente�aus�einer�Ära, �die�nun�zwei-fellos�der�Vergangenheit�angehört. �Sind�wirheute�dem�von�Gottfried�Brenner�beschwo-renen��Frieden�näher�gekommen�oder�fernerdenn�je?�. . .Es� ist � zu� hoffen, � dass� sich� in�Hedwig

Brenners�unendlichem�Archiv�weitere�Texteund�Zeitdokumente� finden, � die� demnächstdas�Licht�der�Welt�erblicken.�Ihrer�enormenProduktivität � zufolge� ist � sie� bestimmtschon�an�der�Arbeit�für�ihr�nächstes�Buch�. . .

JahreszeitenDüfte Gan-EdensBlumen, welch‘ PrachtKinder die lachen,Frühling in Israel.

Bleierner Himmel,Glühende Steine,Brühwarmer AtemSommer in Israel.

Heulende Winde,Peitschende Wogen,Feiern und Fasten,Herbst in Israel.

Grünsatte Felder,Wachsende Häuser,Sprießende Wälder,Regen, welch‘ Wunder.Winter in Israel.

Reicht uns die Hände,Alle sind Brüder,Lasset uns bauenIn ewigem Frieden

REPLIK VON EVA BRENNER

Page 17: ILLUSTRIERTE · P.b.b. Verlagspostamt 1010 Wien · Plus.Zeitung 08Z037896 P E in ze lprs€ 2.9 0·Mä /A 1 ILLUSTRIERTE GEGRÜNDET 1897 VON THEODOR HERZL Schöne Feiertage unseren

n ach� demKrieg�zog�erwieder� nach

Drohobytsch, � auchwenn� sein� Eltern-haus�für�ihn�verlorenwar. �Als� die� Natio-nalsozialisten�Polenbesetzten, � begannfür� die� Familie

Schreyer�eine�lange�Odyssee,�die�für�die�El-tern�mit� dem�Tod� endete. � 1944�kam�derjunge�Alfred�Schreyer� in�der�Hölle�an,� imKZ�Krakau-Plaszow,�„doch�diese�Hölle�warnur�die�Vorhölle, �verglichen�mit�dem,�wasnoch�kommen��sollte“. �Dennoch,�nach�al-lem,�was�noch�gekommen�ist, �konnte�undwollte� der� junge�Mann�nach�Kriegsendenicht� nach�Argentinien� auswandern. � „Ichhätte�da�in�einem�La-ger� drei�Monate�war-ten�müssen, �weil� ichdie� Adresse� meinesOnkels, � zu� dem� ichreisen�wollte, � nichtkannte. � Die� Lageraber��hatte�ich�bis�daher. � Nein, � da� bliebich� lieber� da. "Schreyer� blieb� ihnEuropa� und� wurde1946� „repatriiert",ging� zurück� nachDrohobytsch, � inzwi-schen� eine� russischeStadt. � Wo� er� � nochheute� –� inzwischengehört� die� Stadt� zurUkraine� –� lebt, � als„Letzter� Jude� vonDrohobytsch", � dervor�dem�2.�Weltkrieggeboren�war.Die�Geschichte�seines�Lebens�ist�eng�mit

der�wechselhaften�Geschichte�der�Stadt, �diebis� 1918� Teil � des� österreichischenKronlandes�Königreich�Galizien�war, �ver-bunden. �Dass�Alfred�Schreyer� den�Holo-caust�überlebt�hat, �ist�seinem�ungebroche-nen�Optimismus,�seinem�unverwüstlichenHumor�und�auch�der�Liebe�zur�Musik�zu�ver-danken.�Schon�im�Arbeitslager�Taucha,�wo-hin� er� nach� einem� Aufenthalt � in� Bu-chenwald,�wo�er�nach�der�Reise�von�Lagerzu�Lager�landete, �hat�er�am�Abend�den�Män-nern�vorgesungen,�„Wien,�Wien�nur�du�al-lein"� und�manchmal� ein� polnisches�Lie-bes-� oder�Wiegenlied. �Deutsch�hat� er� nierichtig�gelernt, � doch� er� spricht� es� ausge-zeichnet. �Musikalische�Menschen�hörengut� und�Alfred� Schreyer� kann� auch� gutzuhören. �Gut� erzählen, � ohne�Sentiment,dafür�mit�einer�Prise�Humor�und�immer�ge-rade�heraus,�kann�Alfred�Schreyer�auch.�Dashat�Filmregisseur�Paul�Rosdy�genutzt. �Erhat�den�alten�Herrn�in�seiner�Wohnung�inDrohobytsch�besucht,�ist�mit�ihm�durch�dieStadtteile� gewandert, �wo�Schreyer� seineKindheit�und�Jugend�verbracht�hat�und�ließsich� zuletzt � in� den�Wald� von� Bronitzaführen,�wo�mehr�als�11.000�Juden�und�Jüd-innen,�darunter�auch�Alfred�Schreyers�Mut-ter, � ermordet�worden� sind. � „Da�bekommtdie�Hölle�ein�Gesicht“, �sagt�Rosdy�und�dasspürt � man� auch� im� Kino. � Auch� AlfredSchreyer� ist� erschüttert, � doch� er� vergisstniemals, � das�Positive� zu� erwähnen:� „Esgibt�viele�Wälder�im�Osten�Europas,�wo�Ju-den� erschossen� wurden, � aber� in� diesemwird, �wie� kaum� anderswo, � die�Hölle� imHeute� so� eindringlich� sichtbar. �Dies� istWilhelm�Tepper� aus� Israel� zu� verdanken,

der�nach�dem�Zusammenbruch�der�Sowjet-union� dort �Grabplatten� errichten� ließ. "Und�dann�singt�er�das�selbst�komponierteLied, � vom�„Wald�von�Bronitza."�Rosdy,dessen�Frau� Ivanna� ebenfalls� aus�Droho-bytsch�stammt,�wollte�ursprünglich�einenFilm�über�den�Goldrausch,�in�dem�die�Stadt,eine�saubere,�wohlsituierte,�multikulturelleVillenstadt�gegen�Ende�des�19.�Jahrhundertschwelgte, � drehen. � Friedlich� lebten� dieMenschen� allerdings� auch�damals� nichtmiteinander. �Ukrainer�wollten� die�Polennicht, � die�Mehrheit� der�Polen� fühlte� sichüberlegen�und�alle�wollten�die�Juden,�die�inder�harten�Arbeit�in�den�Ölschächten�nach-gingen, � los�werden. � Dieser� Zeit � wollteRosdy�nachspüren, � doch�dann� traf� er� denSohn�eines�Chemikers�und�einer�Pharma-zeutin, �der�den�Weltkrieg�und�den�Völker-

mord�überlebt� hat� und� trotz� allem� immernoch�singt�und�auf�seiner�Geige�spielt, �undvergaß�das�Porträt� einer�Stadt� zugunstendes�Porträts� eines�Menschen. �Schon� alsBub�hatte�Alfred�Freude�am�Cellounterricht.Sein�erstes�Geld�verdiente�er�im�Vokalquar-tett � bei� den�Kulturbrigaden. � Die�Musiksollte�ihn�ein�Leben�lang�begleiten,�ja�amLeben�halten.�Davon�und�von�der�Ermor-dung�seiner�Eltern, �von�Glück�und�Zufall,dem�eigenen�Tod� entkommen�zu� sein�undvon�der�unzerbrechlichen�Treue�und�Liebezur�Heimat� erzählt �Alfred� Schreyer� pla-stisch� und� lebhaft. �Regisseur�Rosdy�hatnichts� abgesprochen, � nichts� inszeniertoder� arrangiert. �Reinhard� Jud� sorgte� für

eine� stringente�Dramaturgie. �Er� ließ� demGespräch�und�den�Wegen�Schreyers� ihrenLauf, � besorgte� den� Schnitt � des� reichenFilmmaterials�selbst. �Rosdys�Film�ist�einelebendige�Erzählung,�die�der�Protagonist,Alfred�Schreyer, �mit�seinem�klaren�Urteilund�seinem�reichen�Erinnerungsschatz, �zueinem�wirklichen�Erlebnis� erhebt. �Er� er-zählt�nicht�nur�von�den�schrecklichen�Zei-ten,�er�erinnert�sich�immer�wieder�auch�angute�Zeiten. �Zum�Beispiel� jene� im�Kino-foyer-Orchester. �Diese�mit�Leidenschaftvorgetragenen�Erinnerungen�haben�Ros-dys�kulturhistorisches� Interesse�geweckt:„Das�war�ein�sowjetisches�Phänomen,�einein� der� Kinokultur� einzigartige� Erschei-nung. � Für� Unterhaltungskonzerte� vorFilmbeginn�wurden�vor�den�Kinosälen�ei-gene�Foyers� gebaut, � in�Lemberg�gab� es

vier, �in�Drohobytsch�zwei. �Das�letzte�Kon-zert�fand�dort�1963�statt."�Alfred�Schreyerscheint�Paul�Rosdy�mit� seiner�Begeiste-rung�für�das�Kinofoyer-Orchester, �wo�er�alsSänger�und�Geiger�Furore�gemacht�hat, �an-gesteckt�zu�haben.�„Für�mich�ist�das�Kino-foyer-Orchester�ein�Traum,�von�dem�ich�nieträumen� konnte, � denn� zum� Beispiel � inWien�gab� es� vor� den�Filmvorführungeneher� langweilige�Modeschauen. � Ich� erin-nere�mich�an�meine�Jugend,�wo�fast�alles,was�man�mit� der�Sowjetunion� in�Verbin-dung�brachte, � schlecht� gemacht�wordenist. �Doch�im�Kinofoyer, �da�gab�es�Roman-tik, �wenn�das�Orchester� spielte. �Davonträumen�heute�noch�viele�ältere�Leute�in�der

ehemaligen� Sowjetunion� und� ich� jetztauch. � Ich� bin�Alfred�Schreyer� dafür� sehrdankbar."Rosdy,�der�schon�mit�Dokumentationen

wie�„Neue�Welt"�(2005)�oder�„Zuflucht�inShanghai"� (1998)� sein� Interesse� an� derunmittelbaren�Vergangenheit�gezeigt�hat,hält�es� für�sehr�wichtig, �durch�den�Blick„auf�das, �was�hier�geschehen�ist, �was�ichaber� nicht� erlebt� habe� und� hoffentlichauch�nie�erleben�muss, �besser�zu�begrei-fen. � Ich� halte� es� auch� für� sehr�wichtig,sich�mit�der�Geschichte�und�den�Menschender�Nachbarländer�zu�beschäftigen,�die�Li-teratur�zu�lesen,�Sprachen�zu�lernen“.�Des-halb�hat�er�(natürlich)�auch�alle�Werke�vonBruno�Schulz�gelesen,�dem�polnisch-jüdi-schen�Dichter�aus�Drohobytsch,�bei�demAlfred�Schreier� im�Werkunterricht�war.

Neugierde� und�Auf-g es ch l o s s en h e i tsind�Hauptantriebs-kräfte� für� RosdysFilme. �Sein�Rezeptfür� den� Zugang� zuden� Menschen� ist„einfach“:� „Ich� in-teressiere� mich.Wenn� Sie� sich� fürMenschen� interes-sieren, � wirklichzuhören, � dann� er-zählen� sie� auchgerne."Paul� Rosdy� ist � inWien� geboren� undaufgewachsen. � SeinVater, �geborener�Un-gar�wie�auch�die�Mut-ter, � war� Historikerund�nach�der�Emigra-tion� Journalist � inÖsterreich. � „Er� hat

aber� sehr� viel� unter� einem�Pseu�donym�ge-schrieben, � denn� wir� hatten� ja� noch�Ver-wandte�in�Ungarn�und�das�hätte�bei�der�kriti-schen�Haltung�meines�Vaters�gefährlich�wer-den�können."�Zunächst�war�Paul�in�der�Tou-rismusbranche� tätig� und� bereiste� in� den1980er� Jahren� für�American� Express� dieWelt:� Sowjetunion, �China, �USA. �Danachübersiedelte�er�nach�Vancouver, �wo�er�einenFilmlehrgang� abgeschlossen� hat. � „YouDon't�Look�for�Street�Signs�When�You're�ina� Jungle"� ist� der�Titel� seines�Debütfilms.Auch�das�Drehbuch� für� einen�Spielfilm� istbereits� fertig. �Doch� für� „Emir�&�Merima",einer�freien�Weitererzählung�einer�mündlichüberlieferten�Ballade�aus�Bosnien�&�Herze-gowina,�hat�Rosdy�noch�kein�Geld�bekom-men.�„So�ein�Spielfilm�kostet�gleich�um�einpaar�Nullen�mehr�als�eine�Doku.�Das�ist�mitEigenmittel � nicht� mehr� zuleisten. � Ideen� allein� sind� in� diesem� Ge-schäft, �wo�der�Markt�überschwemmt�ist, �aberdie�Möglichkeiten� des�Abspielens� immergeringer�werden,�zu�wenig.�Man�muss�nichtnur�Können�und� Interesse� haben, � sondernauch�die�Möglichkeiten. � Ich�muss� ja� auchdavon�leben.”So� ist � die� Rosdy-Film� KG� quasi� ein

Ein-Mann-Betrieb. � Buch, � Regie, � Ton,Schnitt� und�Produktion�des�Films� „Derletzte� Jude�von�Drohobytsch”� lagen� inPaul�Rosdys� schmalen�Händen;�EhefrauIvanna�arbeitete�als�Produktionsassisten-tin�und�Übersetzerin.Vielleicht� sind� es� Alfred� Schreyers

begeis�terte�Berichte� über� seine�Tätigkeitim�Kinofoyer-Orchester, � die�Paul�RosdysInteresse� � am�Kino� und� den�Kinos� ent-flammt�haben.�„Kinos, �die�es�nicht�mehr

März/April 2012

DER�LETZTE�JUDE�VON�DROHOBYTSCHFILM

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Vorkriegs-Drohobytsch alfred und ludmila schreyer

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Der�wiener�Dokumentarfilmer�paul�rosdy�hat�mit�dem�fast�90-jährigen�musiker�alfredschreyer�einen�feinen�Film�gedreht.�schreyer�wurde�aus�seiner�heimatstadt�Drohobytsch,damals�polen,�von�den�nationalsozialisten�vertrieben�und�kam�1942�in�ein�zwangsarbeits-lager.�Da�war�er�gerade�20�Jahre�alt.

Paul rosdy

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Seite�24 März/April 2012

FORUM

nung.�Als�1960�die�erste�Gesamtausgabe�derWerke�Lasker-Schülers�herausgegeben�wer-den�sollte, �entbrannte�Streit�darüber, �ob�dieVeröffentlichung� von� Ichund-

Ich ihrem�Ruf�zuträglich�sei, �oder�ob�es�sichum�ein�Fragment� einer�Dichterin� handle,über�die�die�„geistige�Nacht"�bereits�herein-gebrochen�war.�Besonders�der�Schauspieler,Else-Lasker-Schüler-Freund�und�-Herausge-ber�Ernst�Ginsberg�setzte�sich�damals�ge-gen�eine�Veröffentlichung�ein. �Schließlichbat�Werner�Kraft, �textkritischer�Mitarbeiterder�Gesamtausgabe,�Martin�Buber�um�einenSchlichtungsspruch. �Dieser� empfahl� denText�in�Auszügen�zu�veröffentlichen.�Nach-dem�der� damals� noch�völlig� unbekannteKlaus� Völker, � später� unter� anderem

langjähriger�Lei-ter� des� Stücke-markts�des�Berli-ner� Theatertref-fens� und�Rektorder� Ernst� BuschS c h a u s p i e l -schule, �durch�denAbdruck�der�Aus-züge� im� „Hortu-lus“� auf� Ichund -

Ich aufmerksamwurde, � bewarb� ersich� mit� seinerStudentenbühneA�18�um�die�Auf-führungsrechte,Nachlassverwal-ter� ManfredSturmann�geneh-migte�jedoch�nureine�Lesung.Einer�jener�Men-

schen, � die� sich� am�herausragendsten� umIchundIch bemüht�haben,�ist�Michael�Gru-ner. �Der�Regisseur�der�Erstaufführung�insze-nierte�am�Theater�„Nes�troyhof/Hamakom“das�Werk� � nach� 1990� am� � StaatstheaterStuttgart � und� der�Uraufführung�1979� amDüsseldorfer�Schauspielhaus� � bereits� zumdritten�Mal.Eng�an�den�Goeth'schen�Faust�angelehnt,

führt�die�Dichterin�selbst�durch�das�Stück,beginnend�bei� ihrer�Version�des�Vorspielsauf� dem�Theater. �Das�Publikum�direkt� an-sprechend, �Zurufe� aus� dem�Zuschauerraumdiktierend, � verwischt� sie� behände� dieGrenze� zwischen� Publikum� und� Bühne,ohne�in�die�Gefahr�zu�geraten�sie�zu�verlet-zen.�Denn�sie�spielt�nicht�nur�mit�der�altenIdee�des�Theaters�im�Theater, �sondern�machtdas�Theater� selbst� zum� Inhalt. �Max�Rein-hardt�lässt�sie�zur�Inszenierung�ihres�Wer-kes� aus�Hollywood� einfliegen, �Mephistoseine�Strichvorschläge�ablehnen.

IchundIch ist�nicht�nur�ein�zynisch�bun-tes�Schauspiel. �Es� ist � auch� eine� scharfeAnalyse�der� Ichspaltung.� Ich und Ich, � dassind�Faust�und�Mephisto, �Mord�und�Mord-lust, �Theater�und�Dichtung,�Marte�und�Else,P h a n t a s i eund�Wirklichkeit, �Heinrich�und�Wolfgang,Schwarz�und�Weiß.Wie� Else� Lasker-Schüler� in� Arthur

Aronymus und seine Väter den�Holocaustvorhersah:� � „Der�Hexenglauben� ist� aufer-standen.�Aus�dem�Schutt�der�Jahrhunderte.Die�Flamme�wird�unsere�unschuldigen�jüdi-schen�Schwestern�verzehren"�–, �lässt�sie�inIchundIch das�Dritte�Reich�untergehen.�Vonder�Höllenfahrt� zur�Auferstehung,� zynischund� zuweilen�mit� dem�grauenhaften�Reimdes�Kindes� –� oder� der� alten�Frau� � –, � � ver-spinnt�sie�Goethe�und�eigene�Gedichte�mitKorpsliedern� und�NS-Propaganda.�Mit�Si-cherheit� nicht� der�Text� einer�Verwirrten,sondern� der� einer� großen�Dichterin� undAvantgardistin, �die�in�ihrer�Jugend�den�Ex-pressionismus�vorantrieb� und�mit� ihremspäten�Werk�IchundIch, �wenn�auch�noch�indramatischen�Traditionen�verhaftet, �in�vir-

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„Was�tun�Sie�da�in�…�Wien?"�fragt�ElseLasker-Schüler�Karl�Kraus�in�einem�auf�den20.�April�1912�datierten�Brief. �Fast�auf�denTag�genau�100� Jahre� später, � vom�10.� bis15. �April , � findet� unter� diesem�Titel � dasxVIII. �Else-Lasker-Schüler-Forum�statt. �Indessen�Rahmen�wird� es� bereits� die� zweiteösterreichische�Erstaufführung�der�1945�inJerusalem�verstorbenen�Dichterin� in� die-sem� Jahr� geben:�Eröffnet�wird� das�Forummit�der�szenischen�Lesung�von�Verscheuchtdurch��Topsy�Küppers�und�Dagmar�Schwarz.Unter� der�Schirmherrschaft� seiner�Exzel-lenz,�Botschafter�Aviv�Shir-On,�wird�es�ander� „Freien�Bühne�Wieden“�und� im�Studiodes�„Theater�Akzent“�neben�Vorträgen,�Dis-kussionen�und�Lesungen�auch�Konzerte�undeine�Ausstellungmit�Bildern�Las-ker-Schülers� ge-ben.�Einen� emotio-

nalen�Höhepunktwerden�die�Besu-che� von� GeorgStefan� Troller,Alfred� Grosser,Dr. �Hazel�Rosen-strauch�und�GretaKlingsberg� anihren�ehemaligenSchulen� bilden.Neben� ihnen� re-ferieren� und�dis-kutieren�unter�an-derem�die�Schrift-stellerin�Eva�Me�-nasse, �der�Regis-seur�Dr. �MichaelVerhoeven� undDr.�Wolfgang�Neugebauer, �der�über�zwanzigJahre�Leiter� des� Dok umentationsarchiv s

des österreichischen Widerstandes war.Hajo�Jahn,�Gründer�und�Vorsitzender�der

Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft, �der�Aus-richterin� des�Forums, �war� bereits�AnfangFebruar�in�Wien,�um�im�Rahmenprogrammder� österreichischen�Erstaufführung�vonIchundIch einen�Vortrag�über�Else�Lasker-Schüler�zu�halten.� Ihr� in�den�Jahren�1940bis� '41� im� Jerusalemer�Exil� entstandenesletztes�Bühnenwerk�fand�bisher�vergleichs-weise�wenig�Beachtung.�Überraschen�kanndas�nicht, �war�das�Werk�doch�lange�Zeit�un-ter�Verschluss. �Zwar�organisierte�Else�Las-ker-Schüler�für�eingeladene�Gäste�zwei�Le-sungen�ihrer� theatralischen Tragödie, �ver-öffentlichte�sie�aber�zu�Lebzeiten�nicht. �Ei-ner, �der�zu�diesen�Vorträgen�eingeladen�war,war� der�Publizist�Erich�Gottgetreu. � In� derZeit�Nr.6/Jg.24� schreibt� er, � dass� in� ihrenJerusalemer� Jahren� viele� Else� Lasker-Schüler� für� geis�tesgestört� hielten, � selbstMax�Brod�eine�regelrechte�„Furcht"�vor�ihrempfand. �Dessen� Intimus�Kafka� konnteihre�Werke�nie�leiden,�das�Verhältnis�zu�sei-nem�Protegé�Werfel�war�mal�von�gegensei-tiger�Bewunderung�geprägt,�mal�von�Ableh-

Wien, 10.–15. april 2012

XViii. Else lasker-schüler-forUm„Was tun sie in … Wien?“

(Else lasker-schüler am 20. april 1912 an karl kraus)

Schirmherr: Aviv Shir-On, Botschafter des Staates Israel in Österreich

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v or�mir� ein� Bücherturm,� 14� Stock-werke,�sprich�Bücher,�hoch.�MeineAuftraggeberin� sagt,� sie� möchte

gerne� Tipps� über� neue� interessante� Bücherveröffentlichen.�Kann� ich,�was�kurz�vor�derLeipziger�Buchmesse� auf�den�Markt�gewor-fen� wurde,� im� Turboverfahren� erfassen� undangemessen�würdigen?��Es�ist�wie�bei�einemüberladenen�Büfett.�Man� sollte�mit�Bedachtauswählen� –� tut� man� aber� meistens� nichtund�lädt�den�Teller�zu�voll.�Ich�könnte�ja�mal�nach�Verlagen�(ist�gleich

Farben�der�Buchrücken)�sortieren:�Weiß�mitmarkantem,�klein�geschriebenen�„d"�für�Dio-genes�(Verlag)�liegen�drei�Bücher�von�JessicaDurlacher� und� Arnon� Grünberg� oben� auf.Mit� ihren� Jahrgängen� 1961� und� 1971� sindsie� noch� Kinder� von� Schoah-Überlebendenund� zählen� gleichzeitig� zu� den� erfolgreich-sten�niederländischen�Autoren�in�ihrem�eige-nen� Land� wie� imAusland.� Jessica� Durlacher� legt� mit� „DerSohn"� ihren� vierten� Roman� vor,� der� Span-nung� und� Aktualität� verheißt.� Es� kann� jaauch�nichts�Gutes�verheißen,�wenn�der�acht-zehnjährige� Mitch� Silverstein,� der� für� einJahr� nach�Amerika� geht,� „um� Filmwissen-schaft�zu�studieren�und�Fußball�zu�spielen",Richtung� Fortbil-dungscamp� für� Af-ghanistan-Kämpferverschwindet.� ImKlappentext� heißtes:� „Das� ist� wohldas� Schlimmste� aufder�Welt:�Wenn�mandie,� die� man� liebt,nicht� beschützenkann."� Wer� mit� soklarer,� empathischerStimme� zu� schrei-ben� weiß,� wie� Jes-sica� Durlacher,� ver-dient�stets�aufs�neueund�aufmerksam�ge-lesen�zu�werden.Arnon� Grünberg

gilt� als� „Spezialistfürs� Skurrile",� dasheißt� es� darf� gelachtwerden,� egal� wiegnadenlos�das�Glückan� seinen� Protago-nisten� vorübergeht.Der� Autor� kenntnicht� nur� Holland,� sondern� auch� New�Yorkwie� seine�Westentasche.� �Also� lohnt� es� sichdie� aktuelle� Taschenbuchausgabe� von� „DerHeilige� des�Unmöglichen"� (2007/� 2012)� fürunterwegs� in� die� Manteltasche� zu� stecken.Und� sich� „Mit� Haut� und� Haaren"� aufdie� gleichnamige� Neuerscheinung� einzulas-sen.� Da� wird� der� Protagonist� offenbar� ver-schlungen�von�seinen�Weibergeschichten,�Ar-beitsanforderungen,� dem� Riesen-Hamsterrad,in�dem� sich�Stadtneurotiker� aller�Art� verfan-gen�haben.�

Weiß-gemustert,� chamois� und� hellgraugeht’s� bei� C.� H.� Beck� weiter.� Die� Ta-schenbuchausgabe�des�György�Dalos-Essays„Ungarn�in�der�Nußschale"�sollte�man�lesen.Wie�sich�ein�mitteleuropäisches�Land�in�un-seren� Tagen� zu� einem� reaktionären,� antide-mokratischen�Unrechtsstaat� verwandelt,� be-legt,� das� Demokratie� kein� selbstverständli-ches� Rechtsgut� ist,� sondern� stetig� geprüft,verbessert� und� verteidigt� gehört.� GüntherAnders�(1902�–�1992)�hat�dies�genau�so�ge-sehen.�Denn� sein� soeben�neu�und�komplet-tiert� aufgelegter� Roman� „Die� molussischeKatakombe“� spielt� in� einem� fiktiven,� voneiner� Diktatur� beherrschten� Land.� Hand-lungsort� sind� die� Gefängniskatakomben.Wen� wundert’s,� dass� Anders� schon� in� den1930er� Jahren�mit� � diesem�Schlüsselromanbegann.�Seine�Frau�Hanna�Arendt�hatte�eine

frühe� Fassung� ins� Exil� nach� Paris� mitge-bracht.�Die�Erstveröffentlichung� fiel� erst� inAnders�Todesjahr�1992.�Nett�anzusehen�sindGünther�Anders�und�Hannah�Arendt�auf�demBuchcover�von�„Die�Kirschenschlacht.�Dia-loge� mit� Hannah� Arendt".� 1937� waren� siegeschieden,�ihre�Verbindung�aber�muss�zeit-weise�eine�sehr�innige�gewesen�sein.�Hellgrau� mit� orangenrotem� Schriftzug

kommt� der� Schweizer� Thomas� Meyer� beiSalis� daher.� „Wolkenbruchs� wunderlicheReise� in� die� Arme� einer� Schickse"� ist� ge-spickt�mit� jiddischem�Sprachschatz.�Verste-hen� werden’s� nur� die� „jiden",� kaufen� wohleher� die� „gojim".� Das� ist� sicher� besser� fürdie�Auflage�und�bedient�vertraute�Klischees.Rot� strahlen� mir� die� Buchrücken� zweier

Hanser-Titel�entgegen.�Nach�Patrick�Modia-nos� „Im� Café� der� verlorenen� Jugend"� undRichard�Swartz’�„Notlügen"�zu�greifen,�kannkein� Fehler� sein.� Modiano� beschwört� einweiteres�Mal�Pariser�Flair,�dieses�Mal�in�den1960er�Jahren.�Swartz,�der�zwischen�Stock-holm,� Wien� und� Sovinjak� in� Istrien� tourtund� als� Korrespondent� für� das� „SvenskaDagbladet"� Osteuropa� erkundete,� schreibtnun� über� die� Liebe� zwischen� Mann� undFrau.�Kann�das�gut�gehen?�Vermutlich�nicht.

Rot� leuchten� auchdie� „Frostbeulen"der� israelischenKünstlerin� undIllus�tratorin� �MeravSolomon� bei� derBüchergilde� Guten-berg.�Wer� auf� Kari-katuren� steht,� wirdhier� nicht� ent-täuscht.Nun� warten� nochvier� grau-blau� ge-musterte�Bücher�aufmich,� die� konzen-trierte�Aufmerksam-keit� verlangen.� Dawäre�„Die�Nachmit-tagsvorstellung"�desPhilosophen� unterden� israelischenSchriftstellern,� Je-hoschua� Kenaz.Luchterhand� verlegteine� Sammlungvon�neun�Erzählun-gen� aus� dem� Leben

in�Israel.�Schon�mit�dem�ersten�Satz�bin�ichgefangen:�„Es�wird�ein�böses�Ende�nehmen,das�weiß�ich."Der� Gedanken� dürfte� einen� auch� bei

Vladimir�Vertlibs�neuem�Roman�„SchimonsSchweigen"�beschleichen.�Er�führt�ebenfallsnach�Israel,�wo�Vertlib� im�Zuge�der�väterli-chen� Odyssee� einst� für� zwei� Jahre� landete.Wie� übel� das� Leben� es� mit� seinen� Prota�-gonisten� meinen� mag,� Vertlibs� Prosa� istvon� großer� Leichtigkeit� und� stets� verhalte-nem�Humor.Bei�Rotbuch�taucht�György�Dalos�mit�ei-

ner�Vater-Sohn-Geschichte�auf,�die�Elementevon�Schelmenroman,�Post-hoah-Geschichteund� Entwicklungsroman� verbindet.� „DerFall�des�Ökonomen"�beschreibt�einen�indivi-duellen�Absturz�und�einen�gesellschaftlichenWerteverfall.�Soviel�steht�schon�beim�erstenDurchblättern� fest.� Ich�möchte�mich� festle-sen.�Doch�noch�wartet�das�blaue�Bändchen�von

David�Malouf,� „Die�Tapfersten� der�Söhne"aus� der� Edition� der� Büchergilde.Er� erzählt� eine� tragische� Passage� ausHomers� Ilias.� Kann� man� dem� Feind,� dereinen�um�das�Teuerste�brachte,�einen�Dienstder� Menschlichkeit� erweisen?Wenn� das� kein� Thema� von� universellerKraft�ist! ellen�presser�

März/April 2012 Seite�25

BÜCHERFRÜHLING�–�EINE�AUSLESE

KULTUR

v ergessen� war� Hermann� Leopoldinie, �dazu�sind�seine�Melodien�vielzu� sehr� allgemeines�Kulturgut� ge-

worden.�Doch�mit�der�Ausstellung�„Die�dreiWien�des�Hermann�Leopoldi"�bis�4. �Okto-ber�2012�im�Bibliotheksfoyer�im�Rathaus,mit� der� aktuellen�Würdigung� „HermannLeopoldi�Hersch�Kohn.�Eine�Biografie"�ausdem�Mandelbaum�Verlag�und�einem�Veran-staltungszyklus� vom� Stadtheater� in� derWalfischgasse� bis� zumJüdischen� Museumwird� an� den� bekann��-t���en�Komponisten�undKlavierhumoristen�er-innert.Zu�verdanken�ist�das

speziell � folgendenMomenten.�Der�1955geborene� Sohn� Ro-nald�aus�Hermann�Leopoldis�Partnerschaftmit�der�Sängerin�Helly�Möslein�hatte�denNachlass� der�Wienbibliothek� im�Rathausgeschenkt. �Bearbeitet�wurde�er�durch�die�Hi-storiker�Georg�Traska�und�Christoph�Lind.Das�Gespann�Leopoldi-Traska-Lind�hatte2011� in� der� Schriftenreihe� des� WienerVolksliedwerks� schon�die� „Leopoldiana.Gesammelte�Werke�von�Hermann�Leopoldiund�11�Lieder�von�Ferdinand�Leopldi"�her-ausgegeben.��Nun�also�folgen�Ausstellungund�Biografie, �die�Hermann�Leopoldis�Le-ben�„entlang�seiner�Lieder"�darstellen.�Alswichtigstes� Einzeldokument� gelten� imSommer� 1949� von� Hermann� Leopoldiselbst�verfasste�„Memoiren". �

Noch� jüdischer� hätte� sein�Geburtsnamenicht�sein�können:�1888�in�Wien�geborenals�Hersch�(Hermann)�Kohn,�setzte�er�1911–�in�Anlehnung�an�den�Vornamen�des�Vaters–�die�offizielle�Änderung�in�Leopoldi�durch.Musik�war� und�blieb� die�Familienprofes-sion. � Hermann� Leopoldi� war� im� ErstenWeltkrieg�als�Kapellmeister�beim�Frontva-rieté� tätig, � gründete� 1922� zusammen�mitden�Conférencier�Fritz�Wiesenthal�ein��Ka-barett�im�ersten�Wiener�Bezierk,�in�dem�alleauftraten,� die�was� zu� sagen�und� zu� singenhatten:� unter� anderem�Max� Hansen� undHans�Moser, �Armin�Berg�und�Karl�Valentin.

Die�Flucht�im�März�1938�unmittelbar�vordem�Anschluss�Österreichs� �misslang.�Ei-nen�Monat� später� trat� der�Gastreisen� er-probte�Künstler�–�der� in�Berlin�und�Buda-pest, �Paris�und�Prag�mit�seinen�Wiener�Lie-dern�und�Chansons�bestens�bekannt�war�–eine�Schreckensreise�nach�Dachau�und�Bu-chenwald� an, � die� seine�Künstler-KollegenFritz� Grünbaum� und� Fritz� Löhner-Bedanicht� überlebten. �Als� „unverbesserlicherOptimist"� ist� es� ihm�gelungen, � bestätigt

der�Biograph�Georg�Traska,�„seine�Kamera-den�zu�unterhalten�und�aufzuheitern". �In�Bu-chenwald�komponierte�Leopoldi�aber�auchdie�Musik� zum�„Buchenwald-Marsch"� aufden�Text�von�Löhner-Beda.Leopoldi�hatte�das�Glück,�dass�seine�da-

malige�Frau�Eugenie, �die�schon�in�den�USAwar,�ihn�„freikaufen"�und�ein�Affidavit�zurAusreise�für� ihn�organisieren�konnte. �Ausseinen�Evergreens�„In�einem�kleinen�Caféin�Hernals"� und� „I’� bin� a� stiller�Zecher"

wurde� nun� „A� Litt leCafé� Down� TheStreet"� und� „I�Am�AQuiet�Drinker". �1947kehrte�Leopoldi�nachWien� zurück,� knüpftemit� Tourneen� durchÖsterreich, �Deutsch-land�und�die�Schweiz

da� an, �wo� er� 1938� abrupt� herausgerissenworden�war. �Der�heimgekehrte�Exilant� ar-rangierte� sich�mit� dem�Klima�der� öster-reichischen�Restauration�und�schwieg.�Dasmag�irritieren�und�abstoßen.�Doch�Leopol-dis�Sache�war�weder� die� politische�Refle-xion�noch�der�offene�Widerstand,�er�wolltebis�an�sein�Lebensende�1959�nur�unterhal-ten,�seinen�Zuhörern�Freude�bereiten.�Dasist�eine�seltene�Gabe.�Darum�passt�das�Mo-tiv� auf�dem�Mandelbaum-Buch� so�gut:� derPianist��spaziert�auf�den�Fingerspitzen�la-chend�und�im�Handstand�über�Klaviertasten.„Wir� wollen� trotzdem� Ja� zum� Leben

sagen, � denn� einmal� kommt� der� Tag, � da

„I BIN A UNVERBESSERLICHEROPTIMIST"

RETROSPEKTIVE AUFLEBEN UND WERK DESKLAVIER-HUMORISTENUND KOMPONISTENHERMANN LEOPOLDI

Wean heanDas Wienerliedfestival,19. April bis 23. Mai 2012,nimmt sich für sein 13.Jahr ein Leitthema vor:Das Wienerliedschaffenjüdischer Komponistenund Textdichter, von Gus -tav Pick, dem Schöpferdes Fiakerliedes, überFritz Löhner-Beda undHermann Leopoldi biszu Georg Kreisler undGerhard Bronner.

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p Einen�bemerkenswerten�Beitrag�zur� in-frastrukturellen� Verbesserung� der� StadtHerzliah�bietet�das�im�Dezember�neu�eröff-nete� und� erweiterte� �Kommunikationszen-trum,�in�dem�sich�verschiedene�Generatio-nen�begegnen,�um�miteinander��zu�kommu-nizieren.�Die� Ini�tiative� zu�diesem�Projektstammt�von�rosa� Javo r, �die�mit�diesemZentrum�ein�Gedenken�an�ihren�verstorbe-nen�Mann�markus , � dessen�Hilfsbereit-schaft�im�Wien�der�Nachkriegszeit�legendärwar, � setzen�wollte. �Nach�dem�Tode� seiner

Mutter�setze�erwin�Javo r die�Intentionenseiner�Eltern�intensiv�fort��und�betrieb�mitviel�Energie�aber�auch�mit�erheblichen�fi-nanziellen�Mitteln� die�Erweiterung�diesesaußerordentlichen�Projekts, �das�vor�allemder�minderbemittelten�Bevölkerung�Heimatund�Halt�bieten�soll. �Außerdem�widmete�erseiner�unter�tragischen�Umständen�gestor-benen�Schwester�Eva� einen� eigenen�Saal.In� seiner� � berührenden�Ansprache� anläss-lich� der� feierlichen�Eröffnung� reflektierteErwin�das�Leben� seiner�Eltern� und� seinerSchwester� und� erinnerte� daran, � dass� diesesowohl�das�schwerste�Leid�erfahren�haben,aber�auch�Zeugen�des�größten�Triumphes�imJudentum�–�die�Errichtung� eines�Staates,wurden.� In�diesem�Sinne�wolle�auch�er�ei-nen�Beitrag� zur�Verbesserung�der�Lebens-qualität� der�Alten� sowie�Zukunfts�chancenfür� die� Jungen�bieten. �Sehr� ergreifend�dieDarbietungen�der�verschiedenen�Generatio-nen,�die�vom�Chor, �der�Reifen,�von�Tanz-

März/April 2012

belauscht &beobachtet

p Die� diesjährige�Generalversammlungvon�Yad�vashem fand�zu�einem�denkwürdi-gen�Datum�–�dem�74.�Jahrestag�von�HitlersEinmarsch�in�Österreich�–�und�an�einem�be-deutungsvollen�Ort� � –� dem�Plenarsaal� desParlaments, � dem�Symbol� der�Demokratie,statt. �Der�12.�März�1938�gehöre�zu�den�ent-scheidenden�Brüchen�der� österreichischenGeschichte. �Doch�der�Antisemitismus�habein�Österreich�nicht�mit�diesem�Datum�be-gonnen, � sondern� lange� davor. � ImNachkriegs�österreich�habe�man�die�Ausein-andersetzung�mit�den�Naziverbrechen� tun-lichst�vermieden.�Aber�über�die�Mitverant-wortung�dürfe�es�keinen�Zweifel�geben,�soPräsidentin�Barbara� prammer. � Sie� er-teilte�der�oft�gehörten�Forderung�nach�ei-nem�„Schlussstrich� unter� die�Vergangen-heit"� erneut� eine� deutliche� Absage:� erkönne�und�dürfe� nicht� gezogen�werden�–weder� jetzt� noch� in�Zukunft. �Der�Vorsit-zende�der�Österreichischen�Freunde�von�YadVashem,�Günther�schus ter, �erinnerte�andie�Mitverantwortung�vieler�Landsleute�fürdie�Verbrechen�des�Nationalsozialismus.�Erhob�aber�auch�die�mutigen�Taten� jener�90Österreicher�Innen�hervor, �die�unter�Einsatzihres�Lebens�jüdische�Mitmenschen�geret-tet�hatten.�Der�Freundeskreis�arbeite�an�ei-ner�Ausstellung�über�diese�Lebensretter, �dievon�Yad�Vashem�als� „Gerechte� unter� denVölkern"�geehrt�werden.�Als�Teil�seiner�Ge-schichte�muss�Österreich� den�Nationalso-zialismus�und�den�Holocaust�annehmen�unddie�Erinnerung�daran�wach�halten,�um�eine

Wiederholung�zu�verhindern,�meinte�vi ze-kanzl er spi ndel eg g er. �Mit�einem�Zitatvon�Elfriede�Gerstl:� „Die�Opfer�haben�alseinzige� das�Recht, � zu� vergessen"� begannBundeskanzl er�werner�Faymann seineRede�und� forderte� einen� aufrichtigen�Um-gang�mit�der�Geschichte. �Er�wies�auch�dar-auf� hin, � dass� Jugendarbeitslosigkeit� undsozialer� Notstand� ein� sehr� gefährlicherNährboden�für�Extremismus�und�Fanatismussind, � daher� gil t � es� densozialen�Zusammenhalt� zu� fördern� und� zuintensivieren.�Botschafter�av i v � shi ronäußerte�seine�Freude�darüber, �dass�die�poli-tische�Führung�des�Landes�an�der�General-versammlung�der�Österreichischen�Freundevon�Yad�Vashem�teilnahm.�Das�sei�ein�Zei-chen�der�Versöhnung�und�der�Verantwor-tung,�ein�Zeichen�an�die�jüngere�Generationund�ein�Zeichen�für�die�Zukunft. �Der�Vorsit-zende�von�Yad�Vashem,�avner� shal ev,unterstrich,�dass, �wenn�auch�die�Mehrheitder�Österreicher� die�Naziherrschaft� befür-wortet, �es�doch�einige�gab,�die�sich�den�Ju-dengesetzen� widersetzten. � Als� Beispielführte�Vorsitzender�Shalev�die�mutige�Ret-tungstat�der�Rosa�Schreiber-Freissmuth�an.Die�Apothekerin�aus�Neuhaus�am�Klausen-bach�rettete�mehreren�jüdischen�Zwangsar-beitern, � die� zum�Teil� an�Typhus� erkranktwaren, � das�Leben.�Die�Österreicherin, � dieihr�Leben�wissentlich� aufs�Spiel� gesetzthatte, �wurde�von�Yad�Vashem�posthum�alsGerechte�unter�den�Völkern�geehrt. �Die�mu-sikalische�Umrahmung�dieser�würdevollen

V.l.n.r.: Ehepaar schuster, Bk faymann, Vk spindelegger, avner shalev, Vors. von Yad Vashem

Erwin Javor und sohn

p Bis�29.�Mai�zeigt�das�Essl-Museum�in�Klos�terneuburg�Arbeiten�des�in�Paris�lebendendeutschen�Künstlers�ans elm� Ki efer. �Zu�sehen�ist�eine�von�Karlheinz�Essl�persönlicheingerichtete�Personale�mit�15�Werken�aus�der�eigenen�Sammlung.�Es�war�für�Essl�„Liebeauf�den�zweiten�Blick”�und�so�erwarb�er�2003�seinen�ersten�Kiefer:�„Horlogium"�(Sternen-fall). �Auch�Arbeiten�aus�der�jüngsten�Schaffensperiode�des�Künstlers�sind�vertreten.�DieWerke�der�Ausstellung�spiegeln�bedeutende�Grundthemen�des�Künstlers, �der�sich�u. �a. �mitder�Mythologie, �der�Kabbala, �Philosophie, �Himmelskunde�und�Literatur�auseinandersetzt,wider. �Die�Bilder�bestehen�aus�unterschiedlichen�Materialien�wie�Sand,�Erde,�Lehm,�Asche,Haare, �Samen,�Draht, �Zweige�im�Gipsmantel�oder�auch�Textilien. �Organische�Materialienwie�auch�das�Krustige, �Zerbröselnde�der�Malerei�versinnbildlichen,�dass�auch�ein�Kunst-werk�vergänglich�ist, �dass�Veränderung�und�Zerfall�ein�immanenter�Bestandteil�des�Lebenssind.�Es�geht�Kiefer�um�den�Gesamtkosmos,�was�sich�auch� in�den�Dimensionen�seinerKunst�spiegelt, �so�misst�„The�Fertile�Crescent”�beispielsweise�330�x�762�cm.�Die�üppigwuchernden�Kunstwerke�haben�aufgrund�ihrer�luftigen�Präsentation�genügend�Raum,�um�auf

p Die� �heurige�Diagonale� in�Graz� �wurde,mit��dem�Spielfilmdebüt�von�anja� sal o -monowi tz „Spanien"�eröffnet. �Der�Autorvon�„Engelszungen",�Dimi tré�Dinev, hatmit�Salomonowitz� das�Drehbuch� zu� derenerstem� Spielfi lm� geschrieben. � Keineleichte� Kost, � kein� Unterhaltungsstück,sondern�Kinokunst�mit� aktuellen� politi-schen�Bezügen:�ein�illegaler�moldawischerImmigrant, �der�in�der�österreichischen�Pro-vinz�strandet�und�sich�in�die�Ex-Frau�einesFremdenpolizisten�verliebt. �Dazu�ein�Fami-lienvater, � der� alles� im�Casino�verspielt.Menschen�voll�Sehnsucht,�Eifersucht. �„Mirist� es� darum�gegangen, �Dimitrés�Welt� –diese�Transzendenz,�die�im�Drehbuch�ist�–einzufangen,“�meint�Salomonowitz.�Zu�zei-gen,�dass�es�auch�Raum�zwischen�den�Bil-dern�gibt. �Dass�da�eine�Welt�ist, �wo�es�realeBegebenheiten�gibt, �aber�wo�es�auch�eineandere�Ebene� gibt. �Wenn�man� den�Filmsieht, �hat�man�einerseits�das�Gefühl, �er�istetwas� sehr�Konkretes� in� seiner� braunenFarblichkeit. �Gleichzeitig� gibt� es� einenRaum, � wo� zum�Beispiel � das�Wunder� derLiebe�stattfinden�kann.�Wo�man�das�Gefühlhat, � dass�man�nichts� sieht, � obwohl�manviel�sieht, �meint�die�talentierte�und�ambi-tionierte�Regisseurin. �Der�Episodenfilm

dreht�sich�um�eine�Kunstrestauratorin�(Tat-jana�Alexander), � einen�Fremdenpolizisten(Cornelius�Obonya)� und� einen�Kranfahrer

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p 1980� schuf�Andy�Warhol� auf�Anregungdes�Kunsthändlers�Ron�Feldman�Porträts�jü-discher�Persönlichkeiten� aus� dem�Kunst-und�Wissenschaftsleben�des� 20. � Jahrhun-derts. �Jüdi s che�Geni es � – �warho l s � Ju-den ist�bis�2. �September�in�der�Dependancedes�Jüdischen�Museums�im�Museum�Juden-platz�zu�sehen.�Aus�einer�Liste�mit�fast�100Namen�aus�der�Feder�Feldmans�wurden�zehnausgewählt:�Albert�Einstein, � Sarah�Bern-hardt, �Louis�Brandeis, �Gertrude�Stein, �Mar-tin�Buber, � Sigmund�Freud, �George�Gers-hwin,�Franz�Kafka, �Golda�Meir� und�MarxBrothers. �Als�Vorlagen� für� die�Siebdruckeverwendete�Warhol�Presse-�und�Archivfoto-grafien.�Er�beschnitt�die�Fotos�und�versahsie�mit� seinen� typischen� zeichnerischenElementen�und�collageartigen�Farbflächen.Die�Schau�beleuchtet�die�Hintergründe�desEntstehens� dieser�Arbeiten� und� stellt�Ro-nald�Feldman�vor, �dessen�Familie�aus�Grazstammt.�Zu�sehen�ist�auch�ein�Warhol-Por-trät�von�André�Heller, �der�den�Pop-Art-Star1981�durch�Wien�führte. �Fotos�von�Gabri-ela�Brandenstein, �die�während�dieses�Wien-Besuchs�entstanden�sind,�werden�ebenfallsgezeigt.

p Das� Jüdischen�Museum�Wien� zeigt� bis29.�April�anlässlich�des�110-jährigen�Be-stehens�von�Keren�Kayemeth�Leisrael� dieAusstellung�Der�wi enerwald� i n� Is rael .KKL�wurde�1901�auf�dem�5.�Zionistenkon-gress�in�Basel�u. �a. �von�Theodor�Herzl�ge-gründet. �Im�Mittelpunkt�der�Tätigkeit�stehtdie�Schaffung�einer�intakten,�lebenswertenUmwelt�für�die�Menschen�Israels. �So�wurdeseit�der�Gründung�der�Organisation�gezielt

Land� erworben�und�dieses�Land�durch�Be-wässerung, �Trockenlegung�von�Sümpfenund�die�Pflanzung�von�Wäldern� urbar� ge-macht. �Symbol�der�Organisation�wurde�eineblaue� Büchse, � die� in� keinem� jüdischenHaushalt�rund�um�den�Globus�fehlen�durfte.Als�erste�Blaue�Büchse�kann�der�Hut�von

Theodor�Herzl�gesehen�werden,�der�diesensofort�nach�der�Abstimmung�zur�Gründungdes�Fonds�im�Saal�herumgehen�ließ.�Bisherwurden� an� die� 240�Millionen�Bäume�ge-pflanzt� und�220�künstliche�Wasserreser-voirs� angelegt. � Heute� ist � KKL� eine� dergrößten�ökologischen�Organisationen�derWelt, � die�Forschungen� zur�Akklimatisie-

rung�der�Bäume� in� der�Wüste� durchführt.2000� wurde� mit� Unterstützung� der� Ge-meinde�Wien�ein�Wald�mit�40.000�Bäumenangelegt�–�ein�Wienerwald�in�Israel. �

p Eine�ebenso�spannende�wie�berührendeTV-Produktion�mit� zwei�Legenden� ihresMetiers� feierte� im�Wiener�Künstlerhaus-Kino� � eine�vielbeachtete�Premiere:�„Di epo rze l l ang as s en-Buben" von�LukasSturm, �Andrea�Zsutty� und�Helfried�Carl.Eric�Ples�kow,�legendärer�Hollywood-Pro-duzent�und�vielfacher�Oscar-Gewinner, �traf2009�in�Wien�auf�Ari�Rath,�den�ehemali-gen�Herausgeber� der� Jerusalem�Post� undPublizisten� von�Weltrang. �Eine�Begeg-nung� zweier� außergewöhnlicher�Persön-lichkeiten, � die� erst� im�hohen�Alter� ent-deckten, � dass� ihre�Biografien� einen�ge-meinsamen�Schnittpunkt�haben:�die�Por-zellangasse�im�9.�Wiener�Gemeindebezirk.Aus�mehr�als�fünf�Stunden�aufgezeichne-

tem�Gespräch� entstand� ein� 52-Minuten-

Film�über�his�torische�Momente�zwischenHollywood�und�Kibbuz,�der�am�5.�Mai�imAbendprogramm�von�ORF� III�Kultur� undInformation� zu� sehen� ist . � Nur� wenigeTüren�voneinander�entfernt�aufgewachsen,spielten�Ari�Rath�und�und�Eric�Pleskow�alsKinder�beide�im�Liechtensteinpark�und�wa-ren� sogar� im� selben�Tennisclub� einge-schrieben.�Doch�bevor�sich� ihre�Lebens-wege�kreuzen�konnten,�zwang�sie�der�Na-tionalsozialismus�dazu, � ihre�Heimat� zuverlassen. �Ari�Rath� floh� nach�Palästina,Eric�Pleskow�nach�New�York.�Der�Film�be-

gleitet�die�„Porzellangassen-Buben",�wiesich�die�beiden�Herren�selbst�bezeichnen,bei� einem�Treffen� in�Wien�und�dokumen-tiert � im� Bruno� Kreisky� Forum� ein� Ge-spräch,�das�zu�einer�gemeinsamen�Reise�indie�Welt� des� jeweils� anderen�wird. �WennAri�Rath�und�Eric�Pleskow�miteinander�re-den, � lachen, � polit isieren, � einanderzuhören�und�nachfragen, �wenn� sie� sichempören�und� echauffieren, � dann� erhaltendie�Zuschauer� kostbare�Einblicke� in� dasLeben�und�Wirken�zweier�ungewöhnlicherMänner, � die� bei� allem�bitteren�Aberwitz

Mario hat die Qual der Wahl: Konzert, Oper, Theater oder doch zum Ball? Vielfältige Kulturangebote für ver-schiedene Ansprüche. Wien schaut drauf, dass in dieser Stadt immer etwas los ist.Mehr Infos auf

www.veranstaltungen.wien.atEigentümer, Herausgeber und Verleger: IllustrierteNeue Welt, Dr. Joanna Nittenberg, Mag. F. C. Bauer.Chef redakteur Dr. Joanna Nittenberg, alle 1010 Wien,Judengasse 1a, Tel. 535 63 01. Konto Bank Austria:109 100 73 200. Druck: Koisser, 1070 Wien, Ziegler-gasse 77, Telefon 523 55 73.