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Lehren und Lernen online

Ilse Aichinger Das Fenster-Theater

Verschiedene Materialien und Arbeitsblätter

Gert Egle

Konstanz 2005/2014 – Version 3.1 – www.teachsam.de

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Inhaltsverzeichnis

TEXTERFASSUNG MIT INTERPRETATIONSHINWEISEN 3

ARBEITSANREGUNGEN FÜR DIE PRODUKTIVE TEXTARBEIT 5

FRAGEN UND ARBEITSANWEISUNGEN 6

INHALTLICHE GLIEDERUNG NACH SINNABSCHNITTEN 7

ERZÄHLTECHNISCHE MITTEL 8

SPRACHLICHE MITTEL 9

DIE TITEL-METAPHER 10

MOTIVGEGENSÄTZE 11

MOTIVGEGENSÄTZE 12

FIGURENKONSTELLATION 13

FIGURENCHARAKTERISIERUNG 18

TEXTPUZZLE 21

TEXTVARIANTEN 23

INHALTSANGABE 23

LITERATURVERFILMUNG 24

ARBEITSTECHNIK: ZITIEREN 27

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Texterfassung mit Interpretationshinweisen Ilse Aichinger, Das Fenster-Theater

Die Frau lehnte am Fenster und sah hin-

über. Der Wind [...] brachte nichts Neues.

Die Frau hatte den starren Blick neugie-

riger Leute, die unersättlich sind. Es

hatte ihr noch niemand den Gefallen ge-

tan, vor ihrem Haus niedergefahren zu

werden. Außerdem wohnte sie im vor-

letzten Stock, die Straße lag zu tief un-

ten. Der Lärm rauschte nur mehr leicht

herauf. Alles lag zu tief unten. [...] der

Alte gegenüber Licht angedreht hatte.

Da es noch ganz hell war, blieb dieses

Licht für sich und machte den merkwür-

digen Eindruck, [...] Die Frau blieb am

Fenster.

I. Vorstellung von Ort, Zeit und Per-

sonen (Exposition)

Grundmotiv: Theater (ein Fenster Bühne,

zwei Fenster Zuschauerraum)

- Frau (Rolle der Zuschauerin)

Wohnung im vorletzten Stock

verbringt Zeit am Fenster

Neugierde, sensationsgierig

- alter Mann im gegenüberliegenden

Häuserblock (Rolle des Schauspielers,

Narrs)

hat am helllichten Tag Licht angeknipst

erleuchtetes Fenster

Der Alte öffnete und nickte herüber.

Meint er mich? dachte die Frau. Die

Wohnung über ihr stand leer [...] Sie be-

wegte leicht den Kopf. Der Alte nickte

wieder. Er griff sich an die Stirne [...] und

verschwand im Inneren des Zimmers.

II. Missverständnis

Frau nimmt an, dass der Mann mit ihr

kommuniziert

Gleich darauf [...] in Hut und Mantel [...]

zog den Hut und lächelte. Dann [...]

weißes Tuch aus der Tasche und begann

zu winken. [...] Er hing über die Brüs-

tung, dass man Angst bekam, er würde

vornüberfallen. Die Frau trat einen

Schritt zurück, [...] Er [...] löste seinen

Schal [...] und ließ ihn aus dem Fenster

wehen. Dazu lächelte er. Und als sie

noch einen weiteren Schritt zurück-

trat, [...] wand den Schal wie einen

Turban um seinen Kopf. Dann kreuzte er

die Arme über der Brust und verneigte

sich. [...] kniff er das linke Auge zu, als

herrsche zwischen ihnen ein gehei-

mes Einverständnis. Das bereitete ihr

so lange Vergnügen, bis sie plötzlich

[...] seine Beine in dünnen, geflickten

Samthosen in die Luft ragen sah. Er

stand auf dem Kopf. Als sein Gesicht

[...] wieder auftauchte, hatte sie schon

die Polizei verständigt.

III. Beginn der "Theatervorstellung"

Rückkehr des Mannes in "Verkleidung"

(Hut, Mantel)

Mann winkt mit weißem Tuch

distanziertes "man"

zweimalige zaghafte räumliche Distanzie-

rung der Frau vom Geschehen

Gesten des Mannes (lächeln, winken, ver-

neigen, Auge zukneifen) werden von der

Frau als quasi "intime" bzw. Vertrautheit

(Einverständnis) aussagende Gesten ge-

deutet

Frau genießt die Theatervorführung, bis

der Mann auf dem Kopf steht und seine

Beine und die geflickten Hosen einen er-

bärmlichen Eindruck bei ihr hinterlassen

Frau verständigt Polizei

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Und während er, in ein Leintuch gehüllt,

abwechselnd an beiden Fenstern erschien,

unterschied sie [...] das Hupen des

Überfallautos. [...] Der alte Mann lachte

jetzt,[...] schien das Lachen eine Sekunde

lang in der hohlen Hand zu halten und

warf es dann hinüber.

Erst [...] gelang es der Frau, sich von sei-

nem Anblick loszureißen.

IV. Die Theatervorstellung geht weiter

Aufmerksamkeit der Frau ist zweigeteilt:

hört das Näherkommen des Über-

fallautos

blickt gebannt auf die weitere

"Theatervorstellung"

Sie kam atemlos unten an. Eine Men-

schenmenge hatte sich um den Polizei-

wagen gesammelt. [...] die Tür aufbra-

chen. Sie arbeiteten schnell [...]. Es war

inzwischen finster geworden. [...] Die

Frau schlich hinter ihnen her.

V. Auf der Straße

Frau in der sensationsheischenden Men-

schenmenge rückt mit der Polizei bis zur

Wohnung des Mannes vor.

beobachtet das Vorgehen der Polizei

Als die Tür aufflog, [...] alte Mann mit

dem Rücken zu ihnen gewandt noch

immer am Fenster. [...] großes weißes

Kissen auf dem Kopf, [...] Den Teppich,

[...] trug er um die Schultern. Da er

schwerhörig war, wandte er sich auch

nicht um, [...] und die Frau über ihn hin-

weg in ihr eigenes finsteres Fenster

sah.

VI. In der Wohnung des alten Mannes

(neue Blickrichtung!)

Mann spielt immer noch Theater

Blick auf das finstere Fenster der Frau

Die Werkstatt unterhalb war, [...] ge-

schlossen. Aber in die Wohnung ober-

halb musste eine neue Partei eingezogen

sein. An eines der erleuchteten Zimmer

war ein Gitterbett geschoben, in dem

aufrecht ein kleiner Knabe stand. Auch

er trug sein Kissen auf dem Kopf und die

Bettdecke um die Schultern. Er sprang

und winkte herüber und krähte vor Jubel.

Er lachte, [...] Dann warf er es mit aller

Kraft den Wachleuten ins Gesicht.

VII. Blick auf das Fenster unterhalb

der Wohnung der Frau

Fenster-Theater des kleinen Jungen im

Gitterbett

macht die Handlungen des alten Mannes

nach

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Arbeitsanregungen für die produktive Textarbeit

Ilse Aichingers Kurzgeschichte "Das Fenster-Theater" eignet sich sehr gut für die produk-

tive Textarbeit.

1. Textproduktive Gestaltungen: Wiederherstellen und Transformieren

1.1. Verfassen Sie einen Zeitungsbericht, der das Geschehen aus Sicht eines zugrunde

liegenden Polizeiberichts wiedergibt.

1.2. Verfassen Sie einen Zeitungsbericht im Leadstil.

1.3. Verfassen Sie ein Drehbuch für die Verfilmung der Kurzgeschichte.

1.4. Textpuzzle ohne Titel und Schluss

1.5. Verfassen Sie einen inneren Monolog, in dem Sie die Gedanken niederschreiben,

die die alte Frau während des Geschehens hat. (Einbauen von Denkblasen in den

Text)

1.6. Charakterisieren Sie eine der beiden Figuren (alter Mann oder Frau), indem Sie

sie in Ich-Form vorstellen.

2. Visuelle Gestaltungen

2.1. Gestalten Sie eine Bildcollage zum Thema der Geschichte.

2.2. Zeichnen Sie ein Bild zur Illustration des Textes. Überlegen Sie, welche Szene Sie

dafür auswählen wollen.

3. Szenische Gestaltungen

3.1. Stellen Sie in einem kurzen Rollenspiel dar, wie Frau und Polizisten auf der Stra-

ße zusammentreffen.

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Fragen und Arbeitsanweisungen

Die folgende Zusammenstellung von Fragen und Arbeitanweisungen zu Ilse Aichinger

»Das Fenster-Theater« könnte als Hilfe zur Texterfassung, Analyse der Erzählstrukturen

und Textinterpretation eingesetzt werden. (vgl. Ansätze zur produktiven Textarbeit)

1) Texterfassung

a) Teilen Sie die Geschichte in Sinnabschnitte/Erzählschritte ein.

b) Orientieren Sie sich zunächst an der vom Text vorgegebenen typographischen Ge-

stalt, indem Sie den Inhalt der von der Autorin gemachten Absätze wiedergeben.

c) Welche Begründungen gibt es für die von der Verfasserin vorgenommene Absatz-

gestaltung?

d) Nehmen Sie eine eigenständige Gliederung des Textes nach Sinnabschnitten vor.

e) In welchem Raum, an welchen Orten spielt sich das Geschehen ab?

f) Geben Sie den Text in Form einer Inhaltsangabe wieder.

2) Erzählstrukturen

a) Aus welcher Perspektive wird die Handlung erzählt?

b) Welche verschiedenen Darbietungsformen des Erzählens können Sie feststellen?

3) Interpretationsansätze

a) Untersuchen Sie das Verhalten der Frau:

Wie verhält sie sich?

Welche Motive für ihr Verhalten lassen sich dem Text entnehmen?

b) Untersuchen Sie das Verhalten des Mannes:

Wie verhält er sich?

Inwiefern zeigt die Autorin mit der Figur des Mannes eine realisierbare Hand-

lungsalternative zu dem Alltagsverhalten und der Alltagslage der Frau auf?

c) Inwiefern wird die Destruktion eines Vorurteils unmittelbare Leseerfahrung?

d) Halten Sie die dargestellte Problematik für zeitgemäß?

e) Worauf kann man Ihrer Ansicht nach die Aussage der Geschichte übertragen?

f) Zeigt die Verfasserin im Verhalten ihrer Figuren Handlungsalternativen auf, um

aus der Isolation herauszukommen?

g) Sammeln Sie sprachliche Beobachtungen unter folgenden Gesichtspunkten:

h) Welche sprachlichen Merkmale zeigt der Text im Hinblick auf Satzbau und Wort-

wahl?

i) Inwiefern spiegeln sich die Aussagen des Textes in Satzbau und Wortwahl wieder?

j) Welche rhetorischen Mittel werden zur Gestaltung der Aussage des Textes einge-

setzt?

k) Was bedeutet in diesem Zusammenhang der Titel der Geschichte?

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Inhaltliche Gliederung nach Sinnabschnitten

Der Text »Das Fenster-Theater« von Ilse Aichinger ist durch sieben Absätze geglie-

dert.

Diese sieben Absätze können bei der inhaltlichen Gliederung des Textes nach Sinn-

abschnitten auf vier Sinnabschnitte reduziert werden.

Inhaltliche Gliederung des Textes

1 Die Beobachtung des alten Mannes und die Fehldeutung seines Verhal-tens durch die Frau am Fenster hoch über der Straße

2 Das Fenster-Theater des alten Mannes und seine Wirkungen auf die Frau

3 Die Polizeiaktion und die sensati-onslüsterne Menschenmenge

4 Das Kind als nachahmender Zuschauer

Kriterium der Einteilung in diese Sinnabschnitte sind die Handlungen der Figuren.

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Erzähltechnische Mittel

Die wichtigsten erzähltechnischen Mittel, die Ilse Aichinger in ihrer Kurzgeschichte »Das

Fenster-Theater« verwendet, lassen sich in Form der nachfolgenden Übersicht darstellen.

Darbietungsformen:

Im Allgemeinen reiner Erzählerbericht, im ersten Absatz telling und showing, da-

nach meist showing, Ausnahme Gedanke der Frau: "Meint er mich? dachte die

Frau." (mglw. Signal für die nachfolgende personale Erzählperspektive)

Erlebte Rede: "Sobald man die Leute zu verscheuchen suchte,..."; "Aber in die

Wohnung oberhalb musste eine neue Partei eingezogen sein"

Innerer Monolog: "Meint er mich?"

Zeitgestaltung:

lineares Erzählen (Es wird allmählich dunkel) ohne Vorausdeutungen und Rückwen-

dungen

z. T. zeitdeckendes, zeitraffendes (Sprungraffung, z.B. "Sie kam ... unten an", zeit-

dehnendes Erzählen (z.B. in den beiden letzten Absätzen)

Raumgestaltung:

Handlungsraum: vorletzte Etage, in dem die alte Frau lebt, dient zur Motivierung

ihrer Sensationslust ("Alles lag zu tief unten.")

Kontrastraum: Wohnung im vorletzten Stock (vom pulsierenden Leben entfernt) -

Straße unten (das pulsierende Leben); Helligkeit in den Fenstern des alten Mannes

und des kleinen Jungen (Lebenszugewandtheit, Öffnung des Privaten) und Dunkel-

heit im Fenster der Frau (Lebensabgewandtheit, Abriegelung des Privaten) (inso-

fern auch Tendenz zum Symbolraum)

Figurengestaltung:

Die Frau ist eine statisch angelegte Figur, die keine Veränderung durchmacht (offe-

ner Schluss); als Figur wirkt sie geschlossen, weil ihre Charakterzüge, wenn auch

nur andeutungsweise motiviert erscheinen (Ihre Sensationslust hat einen Grund:

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Isolation) fügt sich unzufrieden zwar, aber passiv in ihr Schicksal der sozialen Isola-

tion

Alter Mann wendet sich bewusst dem Leben zu, kommuniziert, spielt.

Erzählperspektive:

überwiegend personale Erzählperspektive, Blickwinkel der Frau

einzelne auktoriale Textpassagen ("Die Frau hatte den starren Blick neugieriger

Leute, die unersättlich sind.")

Textsorte:

Kurzgeschichte, da wichtige Textsortenmerkmale vorhanden wie:

kurzer, eigentlich belanglos erscheinender Ausschnitt aus dem Alltagsleben

unvermittelter Anfang

offener Schluss

Sprachliche Mittel

Ilse Aichinger setzt in ihrer Kurzgeschichte »Das Fenster-Theater« verschiedene sprach-

liche, stilistische und rhetorische Mittel ein, um die Aussage ihrer Geschichte zu gestal-

ten.

Wortwahl

Alltagssprache ohne Fremdwörter oder fachsprachliche Ausdrücke

Kaum Vergleiche:

"Licht [...] machte den merkwürdigen Eindruck, den aufflammende Straßen-

laternen unter der Sonne machen"

"wand den Schal wie einen Turban um seinen Kopf"

Titelmetapher: Fenster-Theater

ansonsten wenige bildhafte Ausrücke:

"schien das Lachen eine Sekunde lang in der hohlen Hand zu halten" - Wie-

derholung des Bildes am Ende der Geschichte

Motivgegensätze:

hell – dunkel

Licht - Dunkelheit

Satzbau

o meist einfache, kurze Sätze (Parataxe)

o nur einmal Häufung von Attributen (starr neugierig, unersättlich)

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Die Titel-Metapher

Der Titel der Kurzgeschichte "Das Fenster-Theater" von Ilse Aichinger stellt eine Meta-

pher dar.

Merkmale des Theaters:

Szenische Anordnung des Geschehens gleicht einer Guckkasten-Bühne mit ver-

schiedenen Rängen/Logen für die Zuschauer: Fenster des alten Mannes als Bühne,

Fenster der alten Frau und des Kindes als Zuschauerränge

Spiel des Mannes mit Elementen des Theaters: Verkleidung (Hut, Mantel, Schal,

Turban, Leintuch), Clownereien und artistische Einlagen (Mann hängt über die Brüs-

tung, steht auf dem Kopf), Kommunikation mit einem Publikum (zuwinken, vernei-

gen), Pantomime.

Einfache, kleine Gesten

Bild des Theaters als Modell der Welt mit grotesken Zügen

Frau:

kann die Zeichensprache des Mannes nicht verstehen

Beobachtungen lösen bei ihr Angst aus

"Unnormales" bricht in ihre streng gefügtes Wirklichkeitskonzept ein

scheitert mit ihrer vermeintlich klaren Wirklichkeitskonstruktion im Moment des

Perspektivenwechsels (beim Blick durch das Fenster des Mannes auf Kind und eige-

nes Fenster), der ihr eine andere Wahrnehmungsperspektive ermöglicht

Alter Mann:

seine Beziehung zur Wirklichkeit realisiert sich über das Spiel

Kontaktaufnahme ist in der Welt der Erwachsenen mit ihrer gelebten Beziehungslo-

sigkeit nicht mehr möglich

Die Polizei:

in einer beziehungslos gewordenen Welt wird der Polizeieinsatz völlig überdimensi-

oniert vollzogen ("Motivierung" ihres Vorgehens: die nicht sehr klaren Erklärungen"

und die aufgeregte Stimme der Frau bei ihrem Anruf)

Gegensatz zwischen harmlosem Spiel des alten Mannes und der Polizeiaktion

Die metaphorische Weitergabe des Lachens als zentrales Bild

zweimal im Text verwendet (alter Mann, kleiner Junge)

vom Jungen "mit aller Kraft den Wachleuten ins Gesicht" geworfen

Das Theater, das Spiel, das Lachen als zentrales Element des Theaters befreit

von den Zwängen einer grotesk daherkommenden Wirklichkeit.

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Motivgegensätze

Ilse Aichinger verwendet in ihrer Kurzgeschichte »Das Fenster-Theater« verschiedene

Motivgegensätze zur Gestaltung der Aussage.

Motiv des Lichts

hell dunkel

Zimmer des alten Mannes und des kleinen

Jungen Zimmer der Frau

Lebensfreude, Kontaktbereitschaft und -

fähigkeit; menschliche Nähe Kontaktunfähigkeit; Alleinsein, Ausge-

schlossensein

Motiv der Nähe /Ferne

Wohnung im vorletzten Stock Straße "tief unten"

Lebensferne Schnittpunkt und Zentrum des Lebens

Motiv des Spiels

alter Mann Frau

pantomimisches Gebärden- und Verklei-

dungsspiel Spielverweigerung

anthropologische Bedeutung: Leben als

Spiel Selbstkontrolle bis zum Lustverzicht

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Motivgegensätze

Motiv des Lichts

hell dunkel

Zimmer des alten Mannes und des kleinen Jungen

Zimmer der Frau

Lebensfreude, Kontaktbereit-schaft und -fähigkeit; mensch-liche Nähe

Kontaktunfähigkeit; Alleinsein, Ausgeschlossensein

Motiv der Nähe /Ferne

Wohnung im vorletzten Stock Straße "tief unten"

Lebensferne Schnittpunkt und Zentrum des Lebens

Motiv des Spiels

alter Mann Frau

pantomimisches Gebärden- und Verkleidungsspiel

Spielverweigerung

anthropologische Bedeutung: Leben als Spiel

Selbstkontrolle bis zum Lust-verzicht

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Figurenkonstellation

Personenkonstellation

Frau

Kind

LeerstehendeWerkstatt

Alter Mann

Menge

Polizei

Spiel - Kommunikation

beobachtet

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Figurencharakterisierung

Alter Mann Frau

Kind

unbewohnte Werkstatt

Polizei Menge

schwerhörig

dennoch zu

Kommunikation

bereit

Gesten der

Kontaktauf-

nahme

(lächeln, winken

...)

wirkt freundlich,

dem Leben

zugewandt

phantasievolle

Aktivitäten

Symbol des Lichts

isoliert

sensations-

hungrig

ich-bezogene

Kontaktlosigkeit

wirkt reserviert,

unsicher, dem

Leben

abgewandt

Mangel an

Phantasie,

Denken in

Stereotypen

Symbol der Dunkelheit

Perspektive 1

Perspektive 2

Wechsel der Beobachtungsperspektive verändert Wahrnehmungsperspektive

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Figurencharakterisierung

Alter Mann Frau

Kind

unbewohnte Werkstatt

Polizei Menge

Perspektive 1

Perspektive 2

Charakter-eigenschaften

Charakter-eigenschaften

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Figurencharakterisierung

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Figurencharakterisierung

Alter Mann Frau

Kind

unbewohnte Werkstatt

Polizei Menge

schwerhörig

dennoch zu

Kommunikation

bereit

Gesten der

Kontaktauf-

nahme

(lächeln, winken

...)

wirkt freundlich,

dem Leben

zugewandt

phantasievolle

Aktivitäten

Symbol des Lichts

isoliert

sensations-

hungrig

ich-bezogene

Kontaktlosigkeit

wirkt reserviert,

unsicher, dem

Leben

abgewandt

Mangel an

Phantasie,

Denken in

Stereotypen

Symbol der Dunkelheit

Perspektive 1

Perspektive 2

Wechsel der Beobachtungsperspektive verändert Wahrnehmungsperspektive

Alter Mann Frau

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Figurencharakterisierung

Die Figurencharakterisierung in Ilse Aichingers Kurzgeschichte »Das Fenster-Theater«

erfolgt im Text mit wenigen Ausnahmen, bei denen der Erzähler direkt charakterisiert

(z.B. "hatte den starren Blick neugieriger Leute, die unersättlich sind") in Form der indi-

rekten Charakterisierung durch das erzählte Verhalten der Figuren.

In einer tabellarischen Gegenüberstellung lassen sich die beiden Hauptfiguren wie folgt

darstellen:

Alter Mann Frau

schwerhörig

dennoch bereit zur Kommunikation

Gesten der Kontaktauf-nahme (lächeln, win-ken...)

wirkt freundlich

dem Leben zugewandt

phantasievolle Aktivität

isoliert

sensationshungrig

Ich-bezogene Kontaktlo-sigkeit und -unfähigkeit (geht in der Menge un-ter!)

wirkt reserviert und ver-schlossen

unsicher

dem Leben abgewandt

Mangel an Phantasie

Denken in Stereotypen

Symbol des Lichts Symbol der Dunkelheit

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19

....

Ilse Aichinger

Sie kam atemlos unten an. Eine Menschenmenge hatte sich um den Poli-

zeiwagen gesammelt. Die Polizisten waren abgesprungen, und die Men-

ge kam hinter ihnen und der Frau her. Sobald man die Leute zu ver-

scheuchen suchte, erklärten sie einstimmig, in diesem Hause zu woh-

nen. Einige davon kamen bis zum letzten Stock mit. Von den Stufen be-5

obachteten sie, wie die Männer, nachdem ihr Klopfen vergeblich blieb

und die Glocke allem Anschein nach nicht funktionierte, die Tür aufbra-

chen. Sie arbeiteten schnell und mit einer Sicherheit, von der jeder Ein-

brecher lernen konnte. Auch in dem Vorraum, dessen Fenster auf den

Hof sahen, zögerten sie nicht eine Sekunde. Zwei von ihnen zogen die 10

Stiefel aus und schlichen um die Ecke. Es war inzwischen finster gewor-

den. Sie stießen an einen Kleiderständer, gewahrten den Lichtschein am

Ende des schmalen Ganges und gingen ihm nach. Die Frau schlich hinter

ihnen her.

Und während er, in ein Leintuch gehüllt, abwechselnd an beiden Fens-15

tern erschien, unterschied sie schon drei Gassen weiter über dem Ge-

klingel der Straßenbahnen und dem gedämpften Lärm der Stadt das Hu-

pen des Überfallautos. Denn ihre Erklärung hatte nicht sehr klar und ihre

Stimme erregt geklungen. Der alte Mann lachte jetzt, so dass sich sein

Gesicht in tiefe Falten legte, streifte dann mit einer vagen Gebärde dar-20

über, wurde ernst, schien das Lachen eine Sekunde lang in der hohlen

Hand zu halten und warf es dann hinüber. Erst als der Wagen schon um

die Ecke bog, gelang es der Frau, sich von seinem Anblick loszureißen.

Die Frau lehnte am Fenster und sah hinüber. Der Wind trieb in leichten

Stößen vom Fluss herauf und brachte nichts Neues. Die Frau hatte den 25

starren Blick neugieriger Leute, die unersättlich sind. Es hatte ihr noch

niemand den Gefallen getan, vor ihrem Haus niedergefahren zu werden.

Außerdem wohnte sie im vorletzten Stock, die Straße lag zu tief unten.

Der Lärm rauschte nur mehr leicht herauf. Alles lag zu tief unten. Als sie

sich eben vom Fenster abwenden wollte, bemerkte sie, dass der Alte 30

gegenüber Licht angedreht hatte. Da es noch ganz hell war, blieb dieses

Licht für sich und machte den merkwürdigen Eindruck, den aufflammen-

de Straßenlaternen unter der Sonne machen. Als hätte einer an seinen

Fenstern die Kerzen angesteckt, noch ehe die Prozession die Kirche ver-

lassen hat. Die Frau blieb am Fenster. 35

Der Alte öffnete und nickte herüber. Meint er mich? dachte die Frau. Die

Wohnung über ihr stand leer und unterhalb lag eine Werkstatt, die um

diese Zeit schon geschlossen war. Sie bewegte leicht den Kopf. Der Alte

nickte wieder. Er griff sich an die Stirne, entdeckte, dass er keinen Hut

aufhatte, und verschwand im Inneren des Zimmers. 40

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Als die Tür aufflog, stand der alte Mann mit dem Rücken zu ihnen ge-

wandt noch immer am Fenster. Er hielt ein großes weißes Kissen auf

dem Kopf, das er immer wieder abnahm, als bedeutete er jemandem,

dass er schlafen wolle. Den Teppich, den er vom Boden genommen hat-

te, trug er um die Schultern. Da er schwerhörig war, wandte er sich 45

auch nicht um, als die Männer auch schon knapp hinter ihm standen und

die Frau über ihn hinweg in ihr eigenes finsteres Fenster sah.

Gleich darauf kam er in Hut und Mantel wieder. Er zog den Hut und lä-

chelte. Dann nahm er ein weißes Tuch aus der Tasche und begann zu

winken. Erst leicht und dann immer eifriger. Es hing über die Brüstung, 50

dass man Angst bekam, er würde vornüberfallen. Die Frau trat einen

Schritt zurück, aber das schien ihn zu bestärken. Er ließ das Tuch fallen,

löste seinen Schal vom Hals - einen großen bunten Schal - und ließ ihn

aus dem Fenster wehen. Dazu lächelte er. Und als sie noch einen weite-

ren Schritt zurücktrat, warf er den Hut mit einer heftigen Bewegung ab 55

und wand den Schal wie einen Turban um seinen Kopf. Dann kreuzte er

die Arme über der Brust und verneigte sich. Sooft er aufsah, kniff er das

linke Auge zu, als herrsche zwischen ihnen ein geheimes Einverständnis.

Das bereitete ihr so lange Vergnügen, bis sie plötzlich nur mehr seine

Beine in dünnen, geflickten Samthosen in die Luft ragen sah. Er stand 60

auf dem Kopf. Als sein Gesicht gerötet, erhitzt und freundlich wieder

auftauchte, hatte sie schon die Polizei verständigt.

...

(aus: Aichinger, Ilse: Der Gefesselte. Erzählungen, Frankfurt/M.: S. Fi-

scher Verlag 1963, S.61ff.)

Arbeitsanregungen zur produktiven Textarbeit:

Der Text ist durcheinander geraten. Außerdem ist der Schluss und der Titel weggelassen

worden.

1) Stellen Sie die Reihenfolge wieder her.

2) Schreiben Sie danach einen Schluss für die Geschichte.

3) Im Anschluss daran geben Sie der Geschichte einen passenden Titel.

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Textpuzzle Lösung

....

Ilse Aichinger

Sie kam atemlos unten an. Eine Menschenmenge hatte sich um den Poli-

zeiwagen gesammelt. Die Polizisten waren abgesprungen, und die Men-

ge kam hinter ihnen und der Frau her. Sobald man die Leute zu ver-

scheuchen suchte, erklärten sie einstimmig, in diesem Hause zu woh-

nen. Einige davon kamen bis zum letzten Stock mit. Von den Stufen be-

obachteten sie, wie die Männer, nachdem ihr Klopfen vergeblich blieb

und die Glocke allem Anschein nach nicht funktionierte, die Tür aufbra-

chen. Sie arbeiteten schnell und mit einer Sicherheit, von der jeder Ein-

brecher lernen konnte. Auch in dem Vorraum, dessen Fenster auf den

Hof sahen, zögerten sie nicht eine Sekunde. Zwei von ihnen zogen die

Stiefel aus und schlichen um die Ecke. Es war inzwischen finster gewor-

den. Sie stießen an einen Kleiderständer, gewahrten den Lichtschein am

Ende des schmalen Ganges und gingen ihm nach. Die Frau schlich hinter

ihnen her.

Und während er, in ein Leintuch gehüllt, abwechselnd an beiden Fens-

tern erschien, unterschied sie schon drei Gassen weiter über dem Ge-

klingel der Straßenbahnen und dem gedämpften Lärm der Stadt das Hu-

pen des Überfallautos. Denn ihre Erklärung hatte nicht sehr klar und ihre

Stimme erregt geklungen. Der alte Mann lachte jetzt, so dass sich sein

Gesicht in tiefe Falten legte, streifte dann mit einer vagen Gebärde dar-

über, wurde ernst, schien das Lachen eine Sekunde lang in der hohlen

Hand zu halten und warf es dann hinüber. Erst als der Wagen schon um

die Ecke bog, gelang es der Frau, sich von seinem Anblick loszureißen.

Die Frau lehnte am Fenster und sah hinüber. Der Wind trieb in leichten

Stößen vom Fluss herauf und brachte nichts Neues. Die Frau hatte den

starren Blick neugieriger Leute, die unersättlich sind. Es hatte ihr noch

niemand den Gefallen getan, vor ihrem Haus niedergefahren zu werden.

Außerdem wohnte sie im vorletzten Stock, die Straße lag zu tief unten.

Der Lärm rauschte nur mehr leicht herauf. Alles lag zu tief unten. Als sie

sich eben vom Fenster abwenden wollte, bemerkte sie, dass der Alte

gegenüber Licht angedreht hatte. Da es noch ganz hell war, blieb dieses

Licht für sich und machte den merkwürdigen Eindruck, den aufflammen-

de Straßenlaternen unter der Sonne machen. Als hätte einer an seinen

Fenstern die Kerzen angesteckt, noch ehe die Prozession die Kirche ver-

lassen hat. Die Frau blieb am Fenster.

Der Alte öffnete und nickte herüber. Meint er mich? dachte die Frau. Die

Wohnung über ihr stand leer und unterhalb lag eine Werkstatt, die um

diese Zeit schon geschlossen war. Sie bewegte leicht den Kopf. Der Alte

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nickte wieder. Er griff sich an die Stirne, entdeckte, dass er keinen Hut

aufhatte, und verschwand im Inneren des Zimmers.

Als die Tür aufflog, stand der alte Mann mit dem Rücken zu ihnen ge-

wandt noch immer am Fenster. Er hielt ein großes weißes Kissen auf

dem Kopf, das er immer wieder abnahm, als bedeutete er jemandem,

dass er schlafen wolle. Den Teppich, den er vom Boden genommen hat-

te, trug er um die Schultern. Da er schwerhörig war, wandte er sich

auch nicht um, als die Männer auch schon knapp hinter ihm standen und

die Frau über ihn hinweg in ihr eigenes finsteres Fenster sah.

Gleich darauf kam er in Hut und Mantel wieder. Er zog den Hut und lä-

chelte. Dann nahm er ein weißes Tuch aus der Tasche und begann zu

winken. Erst leicht und dann immer eifriger. Es hing über die Brüstung,

dass man Angst bekam, er würde vornüberfallen. Die Frau trat einen

Schritt zurück, aber das schien ihn zu bestärken. Er ließ das Tuch fallen,

löste seinen Schal vom Hals - einen großen bunten Schal - und ließ ihn

aus dem Fenster wehen. Dazu lächelte er. Und als sie noch einen weite-

ren Schritt zurücktrat, warf er den Hut mit einer heftigen Bewegung ab

und wand den Schal wie einen Turban um seinen Kopf. Dann kreuzte er

die Arme über der Brust und verneigte sich. Sooft er aufsah, kniff er das

linke Auge zu, als herrsche zwischen ihnen ein geheimes Einverständnis.

Das bereitete ihr so lange Vergnügen, bis sie plötzlich nur mehr seine

Beine in dünnen, geflickten Samthosen in die Luft ragen sah. Er stand

auf dem Kopf. Als sein Gesicht gerötet, erhitzt und freundlich wieder

auftauchte, hatte sie schon die Polizei verständigt.

...

(aus: Aichinger, Ilse: Der Gefesselte. Erzählungen, Frankfurt/M.: S. Fi-

scher Verlag 1963, S.61ff.)

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Textvarianten Produktive Textarbeit – Schülerarbeiten

Als Ergebnis der produktiven Textarbeit mit dem Lückentext haben Schülerinnen und

Schüler zu der Kurzgeschichte "Das Fenster-Theater" von Ilse Aichinger folgende Varian-

ten für den Titel der Geschichte und den Schluss verfasst.

1. DER MANN HINTER DER MASKE

Als sie die Türe erreicht hatten, sahen sie durch die kleine Öffnung der Tür den alten

Mann, der sich noch weiter herausgelehnt hatte. Man konnte auch die Menge auf der

Straße unten hören, die vor Angst immer aufheulte, wenn der Anschein bestand, er kön-

ne aus dem Fenster fallen. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, und die beiden Polizisten

stürmten herein und nahmen den Mann in Gewahrsam.

Später stellte sich heraus, dass der alte Mann, der immer so nett und freundlich war,

schon seit 3 Jahren tot war und dass an seine Stelle nun ein Verrückter getreten war. Er

bekam eine lebenslängliche Haftstrafe wegen Mord.

2. DER TOD KAM DURCH DAS FENSTER

Plötzlich hörte der alte Mann Geräusche und nahm Anlauf, um zu springen. Er wandte

sich zu den Polizisten und sprach: "Ich werde springen, ihr könnt mich nicht aufhalten!"

Die Frau erwiderte mit leisester Stimme: "Warum wollen Sie springen, wir können doch

in Ruhe reden und alles klären." Er schaute nach unten und sagte: "Ich springe!" Plötz-

lich sah man, wie er sich schmiss und wie er mit seinem Kopf auf die Erde prallte. Die

Frau schrie: "Nein, nein!" - Doch der Schrei war zu spät.

3. ALLEIN AM FENSTER

Am Ende des schmalen Ganges lag ein ebenso schmales und lieblich eingerichtetes

Wohnzimmer. Der Alte saß auf dem Boden und starrte durch das offene Fenster zum ge-

genüberliegenden Haus. Die Beamten gingen langsam auf ihn zu und sprachen ihn an.

Erschreckt drehte er sich um, sah die zwei Beamten und die Frau von nebenan und be-

gann ihnen entgegenzugehen und freundlich zu lachen. Er bot ihr und den Herren der

Polizei einen Sitzplatz an und etwas Gebäck dazu. Verwirrt lehnten alle drei ab. Jetzt be-

gann der Alte lebhaft zu erzählen: dass er schon seit drei Jahren keinen Besuch mehr

gehabt hat, dass seine Frau gestorben war und vieles mehr. Die Frau nutzte eine kleine

Redepause und fragte: "Wieso wollten Sie aus dem Fenster springen?" Darauf antwortet

er: "Das wollte ich nicht, ich wollte Sie fröhlich machen. Sie sahen so traurig aus."

Arbeitsanregungen:

1. Untersuchen Sie, an welchen Elementen des vorgegebenen Erzähltextes die Fortset-

zungen ansetzen.

2. Überlegen Sie, ob und inwieweit die drei Fortsetzungen mit dem Sinn der Geschichte

in Einklang gebracht werden können.

3. Begründen Sie Ihre Kritik an einem Punkt schriftlich, indem Sie auf widersprechende

Textstellen der Erzählung verweisen.

Beachten Sie dabei die nötigen Zitierregeln

Inhaltsangabe

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Ilse Aichingers Kurzgeschichte "Das Fenster-Theater" könnte in Form der nachfolgenden,

kurz gehaltenen Inhaltsangabe, wiedergegeben werden:

In der Kurzgeschichte "Das Fenster-Theater" von Ilse Aichinger, erschienen in

"Der Gefesselte. Erzählungen, Frankfurt a. M. 1963, S. 61 ff., geht es um ver-

schiedene Wirklichkeitswahrnehmungen, die im sozialen Leben der Gesellschaft

die Handlungsweisen der Menschen bestimmen. Erzählt wird, wie eine Frau im 5

Fenster des gegenüberliegenden Hauses die in ihren eigenen Augen seltsamen

Gebärden eines alten Mannes beobachtet. Sie verständigt die Polizei und muss bei

deren Eindringen in die Wohnung des schwerhörigen Mannes feststellen, dass der

Mann nur ein harmloses Spiel für einen kleinen Jungen am Fenster, der über ihr

liegenden Wohnung aufführt. 10

Eine Frau, die allein in der vorletzten Etage eines höheren Hauses wohnt, beo-

bachtet neugierig von ihrem Fenster aus die Geschehnisse auf der Straße. Dabei

fällt ihr ein Mann auf, der ihr gegenüber wohnt. Dieser nickt ihr von seinem Fens-

ter scheinbar zu und scheint Späße zu machen. Sein ausgelassenes Verhalten, das

ihr zunächst durchaus gefällt, irritiert die Frau jedoch mehr und mehr. Daher ver-15

anlasst sie schließlich, dass die Polizei erscheint, um nach dem Rechten zu sehen.

Als die Polizei erscheint, folgt sie den Polizisten, die offenbar von einem Verbre-

chen ausgehen, zur Wohnung des Mannes. Als die Tür von der Polizei aufgebro-

chen wird, werden die gewaltsam eindringenden Personen von dem Mann nicht

wahrgenommen, da er schwerhörig ist. Aber durch das Fenster ist zu erkennen, 20

dass die Späße des alten Mannes an einen kleinen Jungen gerichtet sind, der mit

seiner Familie, ohne dass die Frau davon Kenntnis genommen hat, in der Woh-

nung einen Stock über der Wohnung der alten Frau wohnt. (250 Wörter)

Arbeitsanregungen:

Untersuchen Sie Inhalt und Aufbau der Inhaltsangabe.

Welche Angaben enthält der Aussagekern zu Autor, Erscheinungsort und -datum,

Textsorte und Titel?

Was steht im Aussagekern über den Inhalt?

Was erfährt man im Aussagekern über das Thema der Geschichte?

Wodurch unterscheidet sich der Aussagekern von der Inhaltsangabe im engeren

Sinne des zweiten Textabschnitts?

Welche Merkmale der sprachlichen Form können Sie feststelle

Literaturverfilmung Johannes Fluhr

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Die mit dem Friedrich-Wilhelm-Murnau-Filmpreis im Jahr 1994

ausgezeichnete Verfilmung der Kurzgeschichte "Das Fenster-

Theater" von Ilse Aichinger ist ein Kurzspielfilm (Dauer: 3:30

min) des Regisseurs, Drehbuchautors und Produzenten Johan-

nes Fluhr. (ausleihbar bei den verschiedenen Medienzentren) 5

Inhalt:

Nach dem Titelvorspann zeigt die Kamera einen Wohnzimmer-

schrank mit zwei eingebauten Regalen. Während die Kamera

langsam von rechts nach links fährt, sind auf den Regalen zahl-

reiche Fotografien unterschiedlicher Größe sowie verschiedene 10

Dekorationsstücke zu sehen. Gleichzeitig ist das Pfeifen eines

Vogels, sowie, überlaut, das Ticken einer Uhr zu hören. Eine Art

Klatschen kommt dazu und kurz darauf bekommt man von links

zwei Hände zu sehen. Diese halten eine kleine Tischuhr, um sie

im nächsten Moment auf ein kleines Beistelltischchen vor dem 15

Wohnzimmerschrank zu stellen. Danach erscheint eine etwa

sechzig Jahre alte Frau, die zum geöffneten Fenster hinübergeht

und einen prüfenden Blick nach oben wirft. In dem Augenblick,

in dem sie sich abwenden will, erregt offenbar irgend etwas ihre Aufmerksamkeit, so

dass sie innehält und geradeaus hinausschaut. Im Fensterglas spiegelt sich die ganze 20 Zeit über die Fassade des gegenüberliegenden Wohnblocks. Danach erfolgt ein Schnitt.

Zu sehen ist nun (ganz offensichtlich weiterhin aus der Perspektive des Wohnzimmer-

fensters der Frau) der gegenüberliegende Wohnblock mit vier Stockwerken. An einem der Fenster werden die Vorhänge beiseite geschoben und das Fenster geöffnet.

Schnitt: Zu sehen ist die Frau. Sie schließt das Fenster, tritt ein wenig zurück, bleibt 25

aber so stehen, dass sie weiterhin das andere Fenster im Blickfeld hat. An diesem Fens-

ter erscheint nun ein ebenfalls älterer Mann, der ihr freundlich zulächelt. Zunächst

scheint der Frau dies zu gefallen. Jedenfalls lächelt sie zaghaft, streicht sich mit der lin-ken Hand übers Haar, als wollte sie es "zurechtrücken".

Schnitt: Der Mann trägt nun über seinem Hemd einen hellen Morgenmantel sowie einen 30

locker über die Schultern geschwungenen Schal und einen Hut. Wie wenn er sie grüßen

wollte, nimmt er seinen Hut ab und setzt ihn wieder auf. Dann zieht er aus der Mantelta-

sche ein weißes Tuch und schwenkt damit auf und ab.

Schnitt: Auch diese Form des Grußes scheint der Frau durchaus nicht unangenehm zu

sein. Plötzlich aber geht sie etwas näher an das Fenster heran und ihr Blick wird mehr 35

und mehr misstrauisch, weil das Verhalten des Mannes offenbar merkwürdig wird. Der

hat nämlich inzwischen das weiße Tuch abgelegt und schwingt stattdessen seinen Schal

durch die Luft. Doch sein Verhalten wird noch seltsamer. Nach einem kurzen Zwischen-

schnitt auf die nun recht unsicher blickende Frau sieht man, wie der Mann seinen Schal

wie einen Turban auf den Kopf bindet und sich danach mit verschränkten Armen ver-40

beugt. Damit nicht genug. Zwischenschnitt auf die Frau: Man sieht lediglich noch die

Beine des Mannes in die Höhe gestreckt. Nur ein paar wenige Sekunden, dann kippen sie

langsam nach hinten weg. Danach ist zu sehen, wie die Frau einen Telefonhörer auflegt.

Gleich darauf zeigt die Kamera - nach einem kurzen Blick auf das weiterhin leere Fenster

des Mannes - von oben, wie ein Polizeistreifenwagen auf den Innenhof fährt. 45

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Schnitt: Die Frau und zwei Polizisten stehen vor einer Wohnungstür (an der das Schild

"Kehrwoche" hängt). Sie klingeln, doch niemand öffnet. Da schließt einer der beiden Be-amten die Tür mit einem Schlüssel auf (woher er diesen hat, bleibt unbekannt).

Schnitt: Die Kamera zeigt die Rückenansicht des Man-

nes mit Blick zum Fenster hinaus. Hinter dem Rücken 50

trägt er ein Tuch und so schwingt er mit dem Oberkörper

hin und her. Jetzt erst ist zu sehen, dass auf der gegen-

überliegenden Seite ein Junge am Fenster steht, der

dasselbe macht, nur mit einem Kissen auf dem Rücken.

Und erst jetzt wird klar, dass die Frau das Verhalten des 55

Mannes irrtümlicherweise auf sich ausgerichtet verstand,

während es tatsächlich dem Kind in ihrer Nachbarschaft

galt. Hier folgt nun der Abspann. Nachdem dieser vo-rüber ist, zeigt das Schlussbild nochmals das lachende Kind.

(aus dem Beiheft zum Video, verfasst von Klaus Schuker, leicht verändert und gekürzt) 60

Gestaltung:

Der Kurzspielfilm kommt ohne Worte aus und konzentriert die Aufmerksamkeit des Zu-

schauers ganz auf das mimisch-gestische Verhalten der Protagonisten und die Handlung.

Die Wohnblocksiedlung, in der die Geschichte spielt, wirkt trotz ihrer grauen Fassade

nicht gänzlich trostlos. Dies liegt vor allem an der Sonne, die das Ganze in ein mildes 65

Licht taucht.

Der Zuschauer übernimmt von Anfang an die Perspektive der Frau. Diese lebt ganz of-

fensichtlich in einer Welt der Erinnerungen, die durch die mit Fotografien übersäten Re-

gale des Wohnzimmerschranks symbolisiert wird. Am Ende des langsamen Kamera-

schwenks steht die Uhr, die von der Frau gehalten wird, und als Symbol für die Lebens-70

uhr, die Lebenszeit, verstanden werden kann. Während der Mann als Kommunikations-

partner mit dem Kind handelt und damit aktiv ist, verharrt die Frau in ihrer Vergangen-heit und wird nur in dem Augenblick aktiv, als die die Polizei verständigt.

Besonders auffällig bei dieser Literaturverfilmung ist der Verzicht auf die in der Kurzge-

schichte von Ilse Aichinger erwähnten anderen Personen (Passanten, Hausbewohner und 75

sonstige Schaulustige). Damit fokussiert der Film die Thematik der Geschichte eindeutig

auf das Problem gesellschaftlicher Isolation und Einsamkeit, während die allgemein vor-handene Sensationsgier keine Rolle mehr zu spielen scheint.

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Arbeitstechnik: Zitieren

Beim Zitieren muss man die folgenden Regeln beachten:

1. Anfang und Ende eines Zitates gehören in Anführungszeichen.

2. Zitate müssen selbst bei orthographischen Besonderheiten oder merkwürdiger In-

terpunktion originalgetreu übernommen werden.

3. Wenn man einen zusammenhängenden Text nicht vollständig zitiert, müssen die

Auslassungen mit rechteckigen Klammern und drei Auslassungspunkten […]

gekennzeichnet werden. Bei Aufsätzen in der Schule können Auslassungen aber

auch nur durch drei Auslassungspunkte ... ohne oder mit runden Klammern (...)

kenntlich gemacht werden.

4. Falls bestimmte Teile des Zitates hervorgehoben werden sollen, muss dies als

Veränderung des Zitates ausgewiesen werden. Dies geschieht z.B. durch folgende

Formen: [Hervorhebung durch den Verfasser]. Wenn einmal zum besseren

Verständnis einer Textstelle Erläuterungen eingefügt werden müssen. werden sie

wie folgt kenntlich gemacht. Beispiel: "Sie (die Nachbarin, d. Verf.) war schon

Witwe."

5. Längere Textpassagen können auch in Form indirekter Rede (Konjunktiv) zitiert /

referiert werden. (vgl. S.…)

6. Auch sinngemäßes Zitieren muss kenntlich und damit überprüfbar gemacht wer-

den. Dies geschieht durch die Anfügung eines in runden Klammern gesetzten

Quellennachweises , z.B. (vgl. S.…)

7. Beim Zitieren von Verszeilen kann man diese entweder originalgetreu wiederge-

ben oder den Zeilenwechsel durch Virgel "/" kennzeichnen.

Zeichensetzung beim Zitieren

1. Zitate mit hinweisendem Begleitsatz

Wenn vor, innerhalb oder hinter dem Zitat ein hinweisender Begleitsatz steht, wird ein

Zitat wie bei der wörtlichen Rede gekennzeichnet. Dies gilt besonders, wenn ganze Sätze

zitiert werden.

Beispiel: Das Verhalten des Mannes wird von der Frau gründlich missdeutet. So erscheint

ihr das Augenzwinkern, das der Mann dem Kind schenkt, als ein Zeichen für "ein gehei-

mes Selbstverständnis" zwischen ihr und dem Mann.(Z 23)

2. Eingebaute Zitate

Häufig wirkt es eleganter, wenn Zitate in den jeweils eigenen Satzbau eingefügt werden.

Dabei entfällt dann der Doppelpunkt.

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Wenn man nur den Satzanfang zitiert, wird je nach Wort groß- oder kleinge-

schrieben.

Wird dagegen ein ganzer Satz als Zitat eingefügt wird, bleibt auch die Groß-

schreibung zu Beginn erhalten.

Beispiele:

1. Mit ihrem "starren Blick neugieriger Leute"(Z 2) weist sich die alte Frau bis in ih-

ren Gesichtsausdruck hinein als sensationsgierig aus.

2. Die Handlungen des Mannes beim Eindringen der Polizei in seine Privatsphäre "Er

lachte, strich mit der Hand über das Gesicht, wurde ernst und schien das Lachen

eine Sekunde in der hohlen Hand zu halten." (Z 56f.) zeigen, wie sehr er sein

Spiel genießt und auf welche fröhliche Art sich seine Überraschung über die Ein-

dringlinge entlädt.

Wenn man einzelne Wörter in die eigenen Formulierungen und den eigenen Satzbau

einfügen will, muss häufig die Endung der zitierten Wörter verändert werden. Solche Än-

derungen können vorgenommen werden. Allerdings müssen diese Veränderungen durch

runde Klammern kenntlich gemacht werden.

Beispiel aus dem Drama Maria Stuart von Friedrich Schiller:

Maria scheut sich gegenüber Paulet nicht "de(n) Gram, das lange Kerkerelend"

anzusprechen.

Wenn nur bestimmte Teile eines zitierten Satzes wiedergegeben werden sollen, macht

man die Auslassungen mit eckigen Klammern und drei darin enthaltenen Auslassungs-

punkten kenntlich.

Beispiel:

Maria zeigt sich sehr besorgt um das eigene Leben, als sie erklärt: "Meine Tage

sind / Gezählt [...] und ich achte mich / Gleich einer Sterbenden."

Zeichensetzung bei der wörtlichen Rede

Wenn der Redebegleitsatz vor der wörtlichen Rede steht:

Redebegleitsatz: "Aussagesatz." R: "A."

Redebegleitsatz: "Fragesatz?" R: "F?"

Redebegleitsatz: " Befehlssatz!" R: "B!"

Wenn der Redebegleitsatz hinter der wörtlichen Rede steht:

"Aussagesatz", Redebegleitsatz. "A", R.

"Fragesatz?", Redebegleitsatz. "F?", R.

"Befehlssatz!", Redebegleitsatz. "B!", R.

Wenn der Redebegleitsatz die wörtlichen Rede unterbricht:

"Aussagesatz", Redebegleitsatz, "Aussagesatz." "A", R, "A."

"Fragesatz", Redebegleitsatz, "Fragesatz?" "F," R, "F?" "Befehlssatz", Redebegleitsatz, " Befehlssatz!" "B", R, "B!"