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Ratgeber Biogas 185 Konzentriert hält Ingenieur Hagen Marx eine Gassuch- kamera auf den Durchgang des Rührwerks in den Fer- menter. Gespannt schaut er auf den kleinen Monitor der Kamera und findet, was er sucht: ausströmendes Gas, auf dem Kameradisplay als Rauchwolke sichtbar. „Gerochen hat es hier schon eine Weile“, berichtet Bi- ogasanlagenbetreiber Uwe Schmidt. Stand der Wind ungünstig, ist das auch den Nachbarn aufgefallen. Die Ursache dafür ist einfach. Die Rührwerksdichtung ist mit der Zeit durchlässig geworden. „Wenn es nach Biogas riecht, ist das ein sicheres Zeichen für eine Leckage“, bestätigt Marx. Bei ande- ren Anlagen sinkt hingegen die Leistung des Blockheiz- kraftwerkes oder der Gasdruck ab. Ein Leck zu finden, ist schwierig. Schmidt hat deshalb einen Fachmann beauftragt, das Ingenieurbüro Marx. Er hat es im Inter- net gefunden und angerufen. „Im ersten Telefonge- spräch habe ich ihm versichert, dass er selbst entschei- det, wie er mit seinen Messergebnissen umgeht“, erklärt Marx. Danach ging es um technische Details, was Schmidt für eine Biogasanlage hat und wie diese aufgebaut ist. So kann der Prüfer schätzen, wie viel Zeit er für die Gasleckortung braucht. „Rund ein bis zwei Stunden für eine Biogasanlage mit 250 bis 500 kWel.“, sagt er. Währenddessen muss das Wetter stim- men, denn Regen, starker Wind oder Kälte beeinträch- tigen das Messergebnis. Deshalb vereinbart er mit sei- nen Kunden flexible Termine und passt sie gegebenenfalls dem Wetterbericht an. Auf Lecksuche Marx weiß, wo am häufigsten undichte Stellen an Bio- gasanlagen vorkommen. „Oft sind Fermenterabdich- tungen, Durchführungen von Rührwerken, Gaslei- tungen und die Gasregelstrecke betroffen“, sagt er. Meistens ist es eine kleine Ursache, die eine große Menge Biogas ungenutzt in die Luft bläst. Immer wie- der sind Verschraubungen locker, die sich über die Jah- re durch Vibrationen des Blockheizkraftwerkes gelöst haben. Der Betreiber kann sie noch während der Be- In Luft aufgelöst Gaslecks kommen häufig vor an Biogasanlagen, sind schwer aufzuspüren und verursachen finanzielle Verluste. Eine Spezialkamera hilft, undichte Stellen schnell zu finden. Praxisbeispiel

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Ratgeber Biogas 185

Konzentriert hält Ingenieur Hagen Marx eine Gassuch-kamera auf den Durchgang des Rührwerks in den Fer-menter. Gespannt schaut er auf den kleinen Monitor der Kamera und findet, was er sucht: ausströmendes Gas, auf dem Kameradisplay als Rauchwolke sichtbar. „Gerochen hat es hier schon eine Weile“, berichtet Bi-ogasanlagenbetreiber Uwe Schmidt. Stand der Wind ungünstig, ist das auch den Nachbarn aufgefallen. Die Ursache dafür ist einfach. Die Rührwerksdichtung ist mit der Zeit durchlässig geworden.

„Wenn es nach Biogas riecht, ist das ein sicheres Zeichen für eine Leckage“, bestätigt Marx. Bei ande-ren Anlagen sinkt hingegen die Leistung des Blockheiz-kraftwerkes oder der Gasdruck ab. Ein Leck zu finden, ist schwierig. Schmidt hat deshalb einen Fachmann beauftragt, das Ingenieurbüro Marx. Er hat es im Inter-net gefunden und angerufen. „Im ersten Telefonge-spräch habe ich ihm versichert, dass er selbst entschei-det, wie er mit seinen Messergebnissen umgeht“, erklärt Marx. Danach ging es um technische Details,

was Schmidt für eine Biogasanlage hat und wie diese aufgebaut ist. So kann der Prüfer schätzen, wie viel Zeit er für die Gasleckortung braucht. „Rund ein bis zwei Stunden für eine Biogasanlage mit 250 bis 500 kWel.“, sagt er. Währenddessen muss das Wetter stim-men, denn Regen, starker Wind oder Kälte beeinträch-tigen das Messergebnis. Deshalb vereinbart er mit sei-nen Kunden flexible Termine und passt sie gegebenenfalls dem Wetterbericht an.

Auf Lecksuche Marx weiß, wo am häufigsten undichte Stellen an Bio-gasanlagen vorkommen. „Oft sind Fermenterabdich-tungen, Durchführungen von Rührwerken, Gaslei-tungen und die Gasregelstrecke betroffen“, sagt er. Meistens ist es eine kleine Ursache, die eine große Menge Biogas ungenutzt in die Luft bläst. Immer wie-der sind Verschraubungen locker, die sich über die Jah-re durch Vibrationen des Blockheizkraftwerkes gelöst haben. Der Betreiber kann sie noch während der Be-

In Luft aufgelöstGaslecks kommen häufig vor an Biogasanlagen, sind schwer

aufzuspüren und ver ursachen finanzielle Verluste. Eine Spezialkamera hilft, undichte Stellen schnell zu finden.

Praxisbeispiel

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sichtigung festziehen und das Problem so schnell be-heben.

Die Gaskamera ist neu in Deutschland; es gab sie bisher nur in den USA. Sie spürt Gaslecks in Echtzeit auf. „Bis vor Kurzem war das unmöglich“, erklärt Marx und erzählt, dass bislang höchstens petrochemische Industrieanlagen und Gasfernleitungen mit ähnlichen Kameras z.B. aus der Luft mit Hubschraubern über-wacht wurden. Auch sie zeigen von Methan und an-dere flüchtige organische Gase sofort an. „ Meine Kun-den sind oft überrascht, wenn sie die Lecks als Rauchwolke auf der Kamera sehen. Sie hätten nicht gedacht, dass diese Technologie wirklich funktioniert“, beschreibt er die Reaktion von Anlagenbetreibern. Doch wie funktioniert die Kamera genau?

Gas schluckt WärmeEs handelt sich um eine extrem hoch auflösende Wär-mebildkamera, die durch optische Filter und spezielle Algorithmen modifiziert wurde. Algorithmen sind cle-

vere Rechenverfahren, die Probleme verschiedenster Art effizient lösen. Für die Gassuche nutzt man einen besonderen physikalischen Effekt aus. Methan und an-dere flüchtige organische Gase lassen in einem be-stimmten Wellenbereich nahezu keine infrarote Wär-mestrahlung durch, wie sie Gegenstände abgeben. Der Zufall will es, dass eine bestimmte Art von Wärmebild-kameras (Mittelwellenkameras) genau in diesem Be-reich arbeiten. Befindet sich also zwischen einem in-frarot strahlenden Gegenstand und dieser Kamera Methan, so schwächt das Gas die vom Gegenstand ausgehende Wärmestrahlung ab. Dadurch wird das ausströmende Gas sichtbar und sieht im Kamerabild wie eine Rauchwolke aus. Diesen Effekt kann man als Video dokumentieren.

Leichter argumentieren„Diese Dokumentation kann beispielsweise als Anlage zum Explosionsschutzdokument verwendet werden“, erklärt der Prüfer. Der Gesetzgeber verlangt dieses Schriftstück vom Betreiber, weil an Biogasanlagen Gas austreten kann und deshalb Unfälle durch Explosionen oder Verpuffungen drohen (dlz 5/10, Seite 82 „Ohne Dokument knallts“). Aus diesem Grund reagieren Nach-barn argwöhnisch und schauen Behörden genau hin, wenn eine neue Biogasanlage gebaut wird. Sie alle wol-len sichere Anlagen.

Marx nennt einen weiteren Vorteil der Gasleckor-tung: „Konkrete Messergebnisse und Bilder erleichtern es dem Betreiber, sich öffentlichen Widerständen oder Diskussionen um Gewährleistungsansprüche zu stel-len.“ Anhand der Kameradokumentation könne der Bauherr dem Anlagenhersteller leichter konzeptionelle oder bauliche Fehler nachweisen, beispielsweise Un-dichtigkeiten. So lassen sich dahingehende Risiken mi-nimieren.

Alt und jung undichtGaslecks haben nicht nur alte oder selbst gebaute An-lagen, sondern auch ver hältnismäßig neue werden mit

Wind und Wetter setzen der Fermenterplane zu. Sie altert und bekommt Löcher. Mit der Spezialka-mera werden die Lecks in Echtzeit sichtbar.

Für die Lecksuche benutzt Hagen Marx eine spe-zielle Kamera, die für Laien wie eine herkömm-liche Videokamera aussieht, vorne die Linse und an der Seite ein ausklappbarer Monitor, auf dem er das gefilmte Objekt sieht.

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Das Standbild einer Videoaufnahme mit der Gas-kamera, zeigt die Biogaswolke eines Lecks in einem Kondensatschacht an.

den Jahren undicht. „Ständige Temperatur- und Wet-terwechsel, Korrosion durch Schwefelwasserstoff und Vibrationen sind die häufigsten Gründe“, zählt der Prü-fer auf und erklärt, dass die Sonne nicht nur die menschliche Haut schneller altern lässt, sondern auch die Fermenterplane. Das Material wird spröde und es entstehen Risse, aus denen Gas austritt. Diese undich-ten Stellen kosten Geld. „Selbst wenn nur 1 l Gas pro Stunde ausströmt: Aufs Jahr gesehen sind das hunder-te Kubikmeter Biogas, die sich in Luft statt in Strom und Wärme auflösen“, rechnet Marx vor. Regelmäßige In-spektionen reduzieren diesen Gasverlust. Wird die Bi-ogasanlage dann abgedichtet, sollte auch der Substrat-verbrauch zurückgehen.

Schon bevor die Gaskamera verfügbar war, wur-de nach Gasleckagen gesucht. „Entweder mit den Au-gen, der Nase, mit Gasspürgeräten oder mit Sprays“, zählt Marx auf und ergänzt, dass keine dieser Metho-den so schnell, eindeutig und dokumentierbar den Weg zum Leck zeige. Nur die Gaskamera mache die Größe des Gasverlusts sichtbar.

BrandgefährlichBiogasanlagen sind auch ein sinnvolles Arbeitsfeld für die „klassische“ Thermografie. Die Medien haben in der Vergangenheit zu diesem Thema oft die Untersu-chung von Gebäuden auf Wärmeverluste vorgestellt.

Das Ingenieurbüro Marx verbindet im Rahmen der Anlagenüberwachung die Gasleckortung mit der Elek-tro- und Anlagenthermografie. Dazu setzt der Prüfer eine herkömmliche aber professionelle Wärmebildka-mera ein. Mit dieser überprüft er Strom führende An-lagenteile, Schaltschränke, Lager, Motoren, Getriebe oder Generatoren. Im Wärmebild erkennt er, ob diese bereits überhitzt sind. „Das geht natürlich auch bei Fo-tovoltaikanlagen, die ich so auf defekte Module oder überhitzte Schaltanlagen überprüfe“, nennt er einen weiteren Einsatzbereich. Wie bei Biogasanlagen be-deuten diese Schäden sinkende Effizienz. Zu viel Wär-me lässt die Mechanik oder Elektrik technischer Anla-gen versagen oder setzt sie schlimmstenfalls in Brand. (dlz 8/10, S. 98 „Module in Flammen“). Beide Fälle ko-sten Geld und reduzieren die Rendite. Mit der thermo-grafischen Kamera lassen sich solche Defekte gezielt suchen. Der Eigentümer der Anlage kann der Repara-

turfirma dann konkrete Aufträge erteilen und später leichter kontrollieren.

Die thermografische Überwachung von Biogasan-lagen senkt die Risiken für Brand, Explosionen und Be-triebsausfall, was die Versicherungen freuen dürfte. Es liegt im Geschick des Betreibers, aufgrund seines sicher-heitsorientierten Engagements mit der Versicherung ei-nen Bonus bei der Prämie auszuhandeln oder einen Zu-schuss für die Untersuchungskosten zu bekommen. „Einen pauschalen Preis gibt es dafür nicht“, erklärt Marx. Je nach Größe und Bauart der Anlage sowie dem Prü-fungsumfang variieren die Kosten für die Prüfung im mitt-leren bis oberen dreistelligen Bereich. Jede Anlage sei anders, so dass Pauschalpreise unrealistisch seien, so der Ingenieur. Für seine Anreise kommen weitere Ko-sten hinzu. Um diese zu minimieren, empfiehlt er Anla-genbetreibern in einer Region, sich zusammenzutun und einen gemeinsamen Termin zu vereinbaren.

AusblickIn Zukunft möchte Marx gerne mit seinen Kameras ei-ne Feldstudie an beispielsweise 100 verschiedenen Bi-ogasanlagen durchführen. An diesem Tests könnten sich Berufsgenossenschaften, Versicherungen oder wissenschaftliche Einrichtungen beteiligen. „Ich möch-te gerne herausfinden, wie dicht und elektrisch sicher Deutschlands Biogasanlagen sind“, sagt der Ingenieur.

dlz/Jenny Blumenthal

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