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Herausgegeben vom Deutschen Akademischen Austauschdienst in Zusammenarbeit mit dem Fachverband Deutsch als Fremdsprache Nr. 4 24. Jahrgang August 1997 Inhalt Artikel Gloria Bosch Sprachenpolitik und Fremdsprachenunterricht im vereinten Europa 459 Werner Roggausch Deutschlehrerausbildung: Thesen zur Curriculum-Planung 470 DaF im Ausland Ulrike Tallowitz und Christian Fandrych Entwicklung eines Fernstudiengangs für DaF-Lehrer an mexika- nischen Universitäten 480 Klaus Eggensperger (K)ein Konzept in Brasilien? Deutschstudien an brasilianischen Universitäten – Eine Replik 493 Didaktik DaF/ Aus der Praxis Roswitha Reinbothe Landeskunde in der Deutschlehrerausbildung 499 Ewa Drewnowska-Vargáné Textfunktion und Textstruktur als Grundlagen für die Entwick- lung der Textkompetenz 514 Franz-Joseph Wehage Einsatz von Videos im DaF-Unterricht aus US-amerikanischer Sicht 523 Jürgen Bolten Das HRK-Zertifikat »Fachsprache Wirtschaft«. Richtlinien, Aus- bildung und Prüfungspraxis 530 (Fortsetzung umseitig)

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Herausgegebenvom DeutschenAkademischen

Austauschdienstin Zusammenarbeit

mit demFachverband

Deutsch als Fremdsprache

Nr. 4 24. Jahrgang August 1997

InhaltArtikel Gloria Bosch

Sprachenpolitik und Fremdsprachenunterricht im vereintenEuropa 459

Werner RoggauschDeutschlehrerausbildung: Thesen zur Curriculum-Planung 470

DaF im Ausland Ulrike Tallowitz und Christian FandrychEntwicklung eines Fernstudiengangs für DaF-Lehrer an mexika-nischen Universitäten 480

Klaus Eggensperger(K)ein Konzept in Brasilien? Deutschstudien an brasilianischenUniversitäten – Eine Replik 493

Didaktik DaF/Aus der Praxis

Roswitha ReinbotheLandeskunde in der Deutschlehrerausbildung 499

Ewa Drewnowska-VargánéTextfunktion und Textstruktur als Grundlagen für die Entwick-lung der Textkompetenz 514

Franz-Joseph WehageEinsatz von Videos im DaF-Unterricht aus US-amerikanischerSicht 523

Jürgen BoltenDas HRK-Zertifikat »Fachsprache Wirtschaft«. Richtlinien, Aus-bildung und Prüfungspraxis 530

(Fortsetzung umseitig)

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Berichte »Deutsch als Fremdsprache in Korea – Tendenzen und Progno-sen«. Bericht über eine Tagung vom 15.–17.11.1996 in Yang-peyong (Thomas Zimmer) 542

Mehrsprachigkeit in Europa – woher kommen die Fremdspra-chenlehrer? Erklärung der 17. Frühjahrskonferenz zur Erfor-schung des Fremdsprachenunterrichts zur Fremdsprachenlehrer-ausbildung und zum Fremdsprachenunterricht an Hochschulen 544

Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaften der Direktoren derStudienkollegs für ausländische Studierende in der Bundesrepu-blik Deutschland 545

Rügener Erklärung zu Rolle und Stellenwert der Studienkollegsfür die Attraktivität des Studienstandorts Deutschland 547

Oybiner Erklärung zu Rolle und Stellenwert der Studienkollegsfür die Attraktivität des Studienstandorts Deutschland 547

Tagungsankündigung »Fremdsprachen lehren lernen. Lehrerausbildung in der Diskus-sion«. 17. Kongreß für Fremdsprachendidaktik der DeutschenGesellschaft für Fremdsprachenforschung, 6.–8. Oktober 1997 inKoblenz, Universität Koblenz-Landau 550

Über die Autoren 552

Abstracts 554

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Sprachenpolitik und Fremdsprachenunterricht imvereinten Europa

Gloria Bosch

Mit dem Inkrafttreten des MaastrichterVertrages am 1. November 1993 begannfür Europa eine neue Etappe im Prozeßder Integration – mit nicht nur politi-schen und ökonomischen, sondern auchsprachenpolitischen Problemstellungenfür die Mitgliedsländer. Denn auf dereinen Seite stehen Sprachen für die kultu-relle Vielfalt Europas, die es zweifellos zupflegen und zu erhalten gilt. Nicht zu-letzt wollen es so auch die Grundsätzeder europäischen Politik bzw. Bildungs-politik1. Auf der anderen Seite müssendie Sprachen als Mittel zur effizientenKommunikation zwischen den europäi-schen Institutionen fungieren. Die Spra-chenpolitik muß sich beiden Ansprüchenstellen: Sie muß dies, gerade weil sichEffizienz und Vielfalt nicht leicht mitein-ander vereinbaren lassen und in einemspannungsvoll-dialektischen Verhältniszueinander stehen. Man steht vor derNotwendigkeit, planmäßig Strategienentwickeln zu müssen, die den antagoni-stischen Ansprüchen Rechnung tragen.Einige Institutionen haben dies erkanntund dazu Stellung genommen. So gerie-ten Fremdsprachen zum Beispiel in denMittelpunkt vielfacher Absichtserklärun-gen, Initiativen und Bestrebungen desEuroparates, des Europäischen Parla-

ments und der Konferenz für Sicherheitund Zusammenarbeit in Europa. In denBeschlüssen dieser Gremien wiederholtesich häufig die Forderung nach einerDiversifizierung des Fremdsprachenun-terrichts, um die Anerkennung derGleichberechtigung und Gleichwertig-keit aller Sprachgruppen zu ermöglichen.Sprachdiversifizierung meinte hier im-mer auch eine überlegte Entwicklung derMehrsprachigkeit bei den Bürgern derMitgliedsstaaten. Denn schließlich stehender anvisierten Mehrsprachigkeit durch-setzungsstarke Effizienzkriterien und he-gemoniale Unifizierungstendenzen imZuge ökonomischer Entwicklungen ent-gegen. Unverkennbar äußern sich derar-tige Imperative in der Vorrangstellungder englischen Sprache, die als LinguaFranca in allen Bereichen der internatio-nalen Kommunikation fungiert. SolchenTendenzen sollen die zuvor genanntenInitiativen begegnen. Es mangelt ihnenjedoch an bindendem Charakter in bezugauf die Mitgliedsländer. Man beschränktsich zu sehr auf Empfehlungen und Auf-forderungen, deren Umsetzung in diePraxis fraglich bleibt. Im Bildungsbereichgilt das Subsidiaritätsprinzip, das besagt,daß die EU nur in den Politikbereichentätig werden muß, in denen ihr die Ver-

1 Am 6. Oktober 1989 entstanden die »Schlußfolgerungen des Europarates und der im Ratvereinigten Minister für das Bildungswesen über die Zusammenarbeit und die Gemein-schaftspolitik im Bildungswesen im Hinblick auf 1993« (Amtsblatt der EuropäischenGemeinschaften 89/C277/04, 5f.).

Info DaF 24, 4 (1997), 459–469

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träge eine Befugnis erteilen. In allen an-deren Bereichen sind die Einzelstaatenallein zuständig; hier darf die EU über-haupt nicht bzw. nur ergänzend oderunterstützend tätig werden.

1. Fremdsprachen im Bildungsbereichals Teil der »vier Freiheiten«Bis auf den Artikel 217 der EuropäischenWirtschaftsgemeinschaft (EWG), der dieSprachenregelung in den europäischenInstitutionen bis heute noch festlegt, wer-den in keinem der Verträge der Europäi-schen Gemeinschaft bzw. Union explizitRegelungen über den Sprachengebrauchgemacht. Am 1.1.1993 trat der gemeinsa-me EG-Binnenmarkt in Kraft, in dem die»vier Freiheiten« – freier Verkehr von Wa-ren, Personen, Dienstleistungen und Kapital– verwirklicht werden sollen. Bei demAnstreben der Wirtschafts- und Wäh-rungsunion sollten die Kompetenzen derMitgliedsstaaten im Kultur- und Bil-dungsbereich unangetastet bleiben. Dochjede Maßnahme, die innerhalb der EUgetroffen wird, hat natürlicherweise Kon-sequenzen für die anderen Bereiche, unddies insbesondere auch für die Bildungs-politik. Denn diese vier Freiheiten könnenohne die Sprachen nicht verwirklichtwerden. Der freie Verkehr von Menschenbetrifft die BürgerInnen, die arbeitsfähigsind und die in ein anderes Mitgliedslandziehen, um dort eine Arbeit zu finden.Dabei soll Sprache keine Person daranhindern, sich im anderen Land um eineStelle zu bewerben und auf diese Weisevon den Vorteilen des gemeinsamenMarktes zu profitieren. Sprache darf keinGrund zur Diskriminierung sein. DieWirklichkeit sieht freilich anders aus.Chancengleichheit ist kein allen vonvornherein zusicherbares Grundrecht,sondern ist vielmehr an Bildung undAusbildung gebunden. Um die freie Be-wegung der Menschen innerhalb der Eu-ropäischen Union unter der Bedingung

der Chancengleichheit zu sichern, reichtnicht eine gesetzliche Regelung, die jedeDiskriminierung ablehnt. Zu sehr hängenAusgangschancen von externen Faktorenwie Bildung bzw. Ausbildung ab. Dasheißt durchaus: je mehr Fremdsprachen-kenntnisse, desto mehr Zukunftschan-cen. Es muß also der Abbau von Markt-barrieren in Zusammenhang mit demAbbau von Sprachbarrieren gebrachtwerden. Eine Aufgabe, bei der sich derFremdsprachenunterricht in der Gesamt-perspektive als geeignetestes Mittel zumZweck erweist: er könnte die Kommuni-kation als Sprachbarrierenabbau fördernund mit dem Ziel der Sprachenvielfaltvereinbaren. Das Europäische Parlamenthat – trotz seiner restringierten Macht –die Notwendigkeit der Förderung vonFremdsprachen im Bildungssystem so-wohl für die Schule als auch für dieErwachsenenbildung betont. Damit be-steht ein gewisser Druck für die Kommis-sion, Aktionsprogramme mit dieser Ziel-setzung durchzuführen. In einer Resolu-tion des Europäischen Parlaments vom 5.April 1982 heißt es:

»[…] die Bewegungsfreiheit der EG-Bürger,die vom Römischen Vertrag garantiertwird, bleibt bedeutungslos, wenn den EG-Bürgern als Folge der Verschiedenheit ihrerBildungssysteme ihre Ausbildungen nichtanerkannt werden und sie somit keinenpositiven Gebrauch von einer Ausbildungoder Weiterbildung in einem andern EG-Land machen können […] darüber hinausist die Ausbildung in Fremdsprachen uner-läßlich, um den EG-Bürgern einen effekti-ven Gebrauch ihrer Rechte auf Bewegungs-freiheit zu ermöglichen und die gegenseiti-ge Verständigung der Völker zu verbes-sern« (Resolution vom 5. April 1982 OJ Doc.Nr. C87/90).

1.1 Das Lingua-ProgrammMit dem Ziel der Förderung und Verbes-serung der sprachlichen Kompetenz derEG-BürgerInnen sowie der Verbreitungder weniger gebrauchten Sprachen in der

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EG wurde 1989 das SprachprogrammLINGUA formuliert. Gegenstand desLINGUA-Programms waren alle Amts-sprachen der Gemeinschaft sowie die Iri-sche Sprache, in der ja auch die Verträgezur Gründung der EG verfaßt sind, unddie Luxemburgische Sprache.Zwischen dem 1. Juli 1991 und dem 31.Dezember 1992 wurden 15 Projekte be-züglich der weniger gebrauchten Spra-chen finanziert. Eines dieser Projekte be-faßte sich mit der Entwicklung didakti-schen Materials für die 11 Sprachen desLingua-Programms, ein weiteres mitLerntechniken für Sprachen allgemeinund eines mit der Entwicklung didakti-schen Materials für das Englische undFranzösische im Primarbereich. Diezwölf restlichen Projekte beschäftigtensich mit der Entwicklung didaktischenMaterials für folgende Sprachen: Dänisch

(1 Projekt), Griechisch (3 Projekte), Hol-ländisch (2 Projekte), Italienisch (1 Pro-jekt), Irisch (1 Projekt), Portugiesisch (3Projekte) und Spanisch (1 Projekt). DieAktion III des Programms bezüglichSprachen in der Wirtschaft, die zwischen1991 und 1992 durchgeführt wurde, hattefolgende Sprachen zum Gegenstand: Dä-nisch (6 mal vertreten), Deutsch (17 malvertreten), Englisch (20 mal), Französisch(24 mal), Griechisch (11 mal), Hollän-disch (9 mal), Irisch (4 mal), Italienisch(14 mal), Letzeburgisch (2 mal), Portugie-sisch (7 mal), Spanisch (12 mal). Franzö-sisch und Englisch bleiben bei dieser undbei den dezentralisierten Aktionen1 be-vorzugte Sprachen. Dies geht auch ausder folgenden Tabelle hervor. Zwischen1991 und 1992 schickten die EG-Länderdie folgende Zahl von Sprachlehrern inseuropäische Ausland:

Die EG-Kommission hatte ursprünglichfür das Lingua-Programm 250 Mio. Ecuveranschlagt, etwa eine halbe MilliardeMark für einen Zeitraum von fünf Jahren.Da die britische Regierung diese Summeablehnte, wurde das Lingua-Programmum 50 Mio. verringert. Dadurch fiel einTeil des ursprünglich geplanten Pro-

gramms fort, der für Schulen ausgegebenwerden sollte. In der Einstellung Eng-lands zum Lingua-Programm wird diemangelnde Bereitschaft offenkundig, dieSprachenvielfalt zu wahren bzw. die Di-versifizierung des Fremdsprachenange-bots zu betreiben. Dies mag kaum ver-wundern, betrachtet man die Stellung

1 Dezentralisierte Aktionen sind solche, die von den Mitgliedsstaaten verwaltet werdenin Zusammenarbeit mit der Kommission der EG. Deren Richtlinien und gesamterHaushalt werden jedoch von der Kommission zusammen mit einem Lingua-Ausschußbeschlossen.

Land schickteLehrer

erhieltLehrer

Land schickteLehrer

erhieltLehrer

Belgien 202 21 Holland 121 29

Dänemark 98 4 Irland 72 114

Deutschland 2312 447 Italien 613 189

Frankreich 480 1416 Luxemburg 19 1

Großbritannien 663 2414 Portugal 144 8

Griechenland 73 35 Spanien 460 57

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des Englischen in den europäischenSchulen und in den EU-Organen.Die folgenden Informationen über denFremdsprachenunterricht beruhen aufvier EURYDICE1-Publikationen, die zwi-schen 1988 und 1990 veröffentlicht wur-den und die in einer erweiterten undaktualisierten Fassung von der Kommis-sion für die Sitzung des Rates der Bil-dungsminister vom 1. Juni 1992 in Auf-trag gegeben wurde. Sie betrifft jedochnur die bis 1994 noch zwölf Mitglieds-staaten. Für Finnland, Österreich undSchweden liegt noch kein Material vor.Um einen differenzierteren Überblicküber den Fremdsprachenunterricht, ins-besondere das Fremdsprachenangebot inden EU-Ländern zu bekommen, bedarfes der Unterscheidung zwischen demPrimar- und dem Sekundarbereich.

1.2 PrimarbereichAllgemein läßt sich über den Primarbe-reich sagen, daß der Fremdsprachenun-terricht an Bedeutung gewinnt. Mit Aus-nahme von Belgien und Luxemburg, diemehr als eine Amtssprache haben, ist dasUnterrichtsangebot zu gering. In Luxem-burg beginnt das Erlernen der erstenFremdsprache mit der Einschulung (6Jahre), in Belgien in der Jahrgangsstufe 3(Alter ca. 8 Jahre). In den Niederlandenund in jenen Ländern, in denen keineUnterscheidung zwischen Primarbereichund Unterstufe des Sekundarbereichs ge-macht wird (z. B. Dänemark, Portugalund Spanien vor den gegenwärtigen Re-formen), ist die erste Fremdsprache ge-gen Ende des Primarbereichs Pflichtfach.In Italien ebenso wie in Spanien wird imRahmen einer Reform des Bildungswe-

sens für Schüler ab 8 Jahren eine Pflicht-fremdsprache eingeführt. In Griechen-land und Frankreich finden landesweitModellversuche zum frühen Fremdspra-chenunterricht für Schüler ab ca. 9 Jahrestatt. In der Bundesrepublik Deutschlandbieten fast alle Länder die Möglichkeitzum Frühbeginn des Unterrichts ab 8Jahren. In Irland sind sowohl Englisch alsauch Irisch im Primarbereich Pflicht,Fremdsprachenunterricht ist nicht ge-plant. Was die Sprachenauswahl betrifft,kann man sagen, daß Englisch im Primar-bereich für fast alle EU-Länder die ersteunterrichtete Fremdsprache ist. Nur inBelgien (Niederländisch, Französischund Deutsch) und Luxemburg (Deutschund Französisch) ist eine der Amtsspra-chen erste Fremdsprache für Primarschü-ler. Französisch dagegen ist in den Pri-marschulen die zweitverbreitetsteFremdsprache. Sie wird in der Bundesre-publik Deutschland, Griechenland, Spa-nien, Italien und Portugal als Alternativeangeboten. In den englischsprachigenLändern ist sie als erste Fremdspracheam weitesten verbreitet.

1.3 SekundarbereichIn allen Mitgliedsstaaten wird minde-stens eine Fremdsprache als Pflicht fürdie Sekundarbildung vorgeschrieben. Ir-land bildet eine Ausnahme insofern, alshier sowohl Englisch als auch IrischPflichtfächer sind. In einigen Mitglieds-staaten ist auch eine zweite Fremdspra-che Pflicht bis zum Abschluß der Se-kundarbildung, so in der flämischen Ge-meinschaft Belgiens und in Luxemburg,sowie bis zum vorletzten Jahr in Däne-mark, in den Niederlanden bis zwei Jahre

1 Im Februar 1976 verabschiedeten der Rat und die Bildungsminister ein Aktionspro-gramm für den Bildungsbereich. Vorgeschlagen wurde die Einrichtung eines Informa-tionsnetzes für den Informationsaustausch über das Bildungswesen. Dieses Informa-tionsnetz trägt den Namen EURYDICE und unterstützt die Zusammenarbeit imBildungsbereich der EU.

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vor dem Abschluß, und in einigen Schul-formen oder Zweigen in der Bundesrepu-blik Deutschland, in Griechenland und inFrankreich. Eine zweite Fremdspracheals Wahl- oder Wahlpflichtfach kann inbestimmten Schulformen der Bundesre-publik Deutschland, in Griechenland,Spanien, Irland, Italien und dem Verei-nigten Königreich erlernt werden. Einedritte Fremdsprache erlernen müssenSchüler in Luxemburg und in den Nie-derlanden, ferner in bestimmten Schul-formen oder Schulzweigen in Dänemark,in der Bundesrepublik und in Frankreich.Bezüglich der Sprachenauswahl ist zubemerken, daß die am weitesten verbrei-tete erste Fremdsprache im Sekundarbe-reich das Englische ist. Es ist in Däne-mark sowie in den Niederlanden Pflicht-sprache, in den anderen Mitgliedsstaatenkann es als erste Fremdsprache angebo-ten werden. Ausnahmen sind Belgien,wo eine Amtssprache vorgeschrieben ist,und Luxemburg, wo Deutsch Pflicht ist.An zweiter Stelle steht Französisch, dasin allen Mitgliedsstaaten außer Däne-mark, Luxemburg und in den Niederlan-den angeboten wird und das in englisch-sprachigen Ländern die erste Fremdspra-che ist. Viel später kommen Deutsch undSpanisch. Andere Sprachen (die häufig-ste ist Italienisch) werden in einigen we-nigen Schulen angeboten.Englisch ist obligatorische dritte Fremd-sprache in Luxemburg, Deutsch in denNiederlanden. In den Ländern, in denendas Studium einer dritten Fremdsprachefakultativ ist, entspricht die Auswahl anSprachen der für die zweite Fremdspra-che. Dazu kommen Spanisch und Italie-nisch in der flämischen GemeinschaftBelgiens und in Dänemark, Russisch inBelgien und Dänemark und Neugrie-chisch als Wahlfach in der Oberstufe inder BRD.Laut dem genannten Bericht werden inden Mitgliedsstaaten Anstrengungen un-

ternommen, um das Fremdsprachenan-gebot zu diversifizieren, die jedoch daranscheitern, daß qualifizierte Lehrer fehlenoder daß manche Sprachen bei den Schü-lern und ihren Eltern sowie bei denSchulbehörden und in der Wirtschaftkein Ansehen genießen. Zusammenfas-send läßt sich also sagen, daß in fast allenMitgliedsländern (außer in den anglo-phonen) Englisch sowohl im Primar- wieauch im Sekundarbereich die am weite-sten verbreitete erste Fremdsprache ist.Wo sie nicht erste Fremdsprache ist, istsie die meist unterrichtete zweite Fremd-sprache. Ausnahmen sind Luxemburgund Belgien, wo eine Amtssprache vorEnglisch gelernt wird. Französisch ist dieverbreitetste Fremdsprache in den EU-Ländern.Bezüglich des Fremdsprachenunterrichtsstellt das Land Luxemburg eine Ausnah-me dar. Es kann als Vorbild gelten, da esam konsequentesten die Ziele der Förde-rung der Mehrsprachigkeit und Diversi-fizierung des Fremdsprachenangebotsim Sinne einer europäischen Bildungspo-litik verfolgt. Englisch ist nicht die ersteFremdsprache, und es werden dreiFremdsprachen als Pflichtsprachen ge-lernt, während in den anderen Mitglieds-ländern i.d.R. nur eine, manchmal zweierlernt werden.

2. Sprachenregelung in den Institutio-nen der EUDie sprachliche Situation der EU-Organeist ein Spiegelbild der Schulsprachenpoli-tik der Mitgliedsländer. Obwohl in dervom Rat erlassenen Verordnung vom 15.April 1958 das Deutsche, Französische,Italienische und Niederländische alsgleichgestellte Amts- und Arbeitsspra-chen der EG aufgenommen wurden (heu-te sind es 11 Amts- und Arbeitsspra-chen1), besteht in der Praxis ein großesUngleichgewicht. Denn nur das Engli-sche und das Französische scheinen von

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der offiziellen Gleichstellung profitiert zuhaben. De facto sieht es so aus, daß diegesamte kommunikative Praxis der Eu-ropäischen Kommission keineswegsdurch den Grundsatz der Gleichheit derelf Sprachen geprägt ist. Seit Gründungder Gemeinschaft ist Französisch im ad-ministrativen Alltag die dominierendeSprache. Mit dem Beitritt von Englandund Irland erwuchs jedoch ein starkerKonkurrent für Frankreich, so daß heuteFranzösisch und Englisch die wichtigstenArbeitssprachen für die interne und ex-terne Kommunikation der Gemeinschaftsind. Das Europäische Parlament sieht inseiner internen Sprachenregelung vor,daß alle Schriftstücke des Parlaments inden Amtssprachen abzufassen sind. Hin-sichtlich der Praxis liegt uns die Untersu-chung von Schloßmacher (1994: 101ff.)vor, die besagt, daß Englisch sowohl immündlichen als auch im schriftlichen Ge-brauch bei den Abgeordneten die meistverwendete Sprache ist. Beim Europäi-schen Gerichtshof ist das Französischedie traditionelle Arbeitssprache.Wir sehen also, daß im sprachenpoliti-schen Status quo Europas Anspruch undWirklichkeit auseinanderklaffen. Die seitJahrzehnten betonte Gleichberechtigungund Gleichwertigkeit aller Amtssprachensowie die Forderung nach einem mehr-sprachigen und multikulturellen Europableibt zwischen den vereinzelten Initiati-ven bzw. Programmen und der Konzept-losigkeit der europäischen Politik stek-ken. Notwendig sind Überlegungen, wieman dieser Situation entgegenwirken

sollte, um eine Europa-gerechte Spra-chenpolitik sowohl auf nationalem alsauch auf supranationalem Niveau zu för-dern.

3. LösungsmodelleEs ist davon auszugehen, daß Sprachenin einem vereinigten Europa Anlaß zuKonflikten geben werden, insbesonderewenn es darum geht, Effizienz mit allge-meinen Wertvorstellungen zu vereinba-ren. Einerseits sind viele Amtssprachenein Hindernis für den reibungslosen undschnellen Ablauf der Konsensfindung impolitischen und ökonomischen Integra-tionsprozeß. Andererseits würde der Ver-zicht auf das Gleichheitsprinzip weitereProbleme mit sich bringen, denn in die-sem Fall würde sich die Frage stellen,welche Sprachen wann und nach wel-chen Kriterien verwendet werden sollen.Eine solche Selektion würde einige Spra-chen in vielerlei Hinsicht benachteiligen,weshalb ein Lösungsvorschlag dieser Artäußerst problematisch ist. Sprachen ent-halten eine sozial-symbolische Dimen-sion, die mit der Identität einer Sprachge-meinschaft eng zusammenhängt. JedeEntscheidung, sei sie pragmatischer Na-tur wie die Wahl einer Arbeitsspracheoder anderer Art, ist eine weitreichendepolitische Entscheidung, die in den mei-sten Fällen politische und ökonomischeMachtverhältnisse reflektiert. In der spra-chenpolitischen Diskussion der letztenJahre ist oft der Versuch unternommenworden, mögliche Lösungen in Erwä-gung zu ziehen, die das Sprachproblem

1 Deutsch, Dänisch, Englisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Italienisch, Niederlän-disch, Portugiesisch, Spanisch und Schwedisch. Irisch und Luxemburgisch werdenerwähnt als Nationalsprachen, genießen jedoch nicht den offiziellen Status. Generellwird unter Amtssprache »die im Rechtsverkehr nach außen zu verwendende Sprache«verstanden (Zit. nach Lwowski 1992, 194).Mit Arbeitssprache ist die Sprache gemeint, die bei der Arbeit verwendet wird, d. h. dieSprache, die in offiziellen Sitzungen und außerhalb derer, bei informellen Gesprächen,internen Besprechungen oder vorbereitenden Arbeiten, verwendet wird.

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im künftigen Europa bewältigen sollten.Dabei handelt es sich um »Modelle«, diez. T. sehr verschiedene Argumentationsli-nien verfolgen.

3.1 Das Lingua Franca-ModellEs sind nicht wenige, die das Englischeals Leitsprache für Europa favorisieren(dazu Coulmas 1992). Diese Lösung ist,wie wir oben gesehen haben, nicht weitentfernt von der heutigen Wirklichkeit inEuropa und weltweit. Dieses Modell ver-stößt gegen das so oft angepriesene Prin-zip der Sprachenvielfalt in Europa undwürde den Fremdsprachenunterricht inden Mitglieds- und Nicht-Mitgliedslän-dern noch mehr auf das Englische redu-zieren. Eine solche Entscheidung würdeden Stellenwert des Englischen noch wei-ter steigen lassen zum Preis der Verdrän-gung anderer Sprachen. Eine Sprachen-verarmung wäre die zwangsläufige Fol-ge.

3.2 Das Plansprache-ModellEin Kontrastmodell zur Leitsprache Eng-lisch ist das Plansprache-Modell, welcheseine »vom Menschen nach gewissen Kri-terien bewußt geschaffene Sprache, dieder internationalen Kommunikation die-nen soll« (Blanke 1985: 11) vorschlägt.Esperanto, die von Zamenhof entwickel-te Plansprache, ist häufig als LinguaFranca vorgeschlagen worden (vgl.Schulz 1979). Diese Empfehlungen basie-ren auf der Überzeugung, daß diese Spra-che neutral und keiner Kultur oder kei-nem Land zuzuordnen ist. Schon hier istfreilich einzuwenden, daß Zamenhof diemeisten Wörter dem Englischen und ver-schiedenen romanischen Sprachen ent-nahm, was die Neutralität dieser Sprachewieder relativiert. Gegen eine Planspra-che spricht generell die geringe Akzep-tanz dieser Sprache. Versuche zur Ein-führung einer künstlichen Universal-sprache wurden bereits im Mittelalter

unternommen und scheiterten. Die be-rühmteste Kunstsprache des lateinischenMittelalters war die Ignota Lingua derHildegard von Bingen, die aber niemalszur praktischen Anwendung gelangte.Eine künstliche Sprache würde m. E. zurVerringerung des Problembewältigungs-vermögens ihrer Sprecher führen, weilnatürliche Sprachen keine bloßen Kom-munikationsmittel, sondern zugleich Trä-ger und Ressource menschlicher Erfah-rungen sind. Der Einsatz einer Planspra-che bzw. des Esperanto als Lingua Francawürde den vollständigen Verzicht auf die-sen Erfahrungshintergrund der natürli-chen Sprachen und somit eine Einschrän-kung unseres Erfahrungshorizonts be-deuten in einer Zeit und in einemsoziopolitischen Kontext (in diesem Falldie EU), in dem wir angesichts zuneh-mend komplexen Handlungsbedarfs aufmobilisierbare Erkenntnispotentiale an-gewiesen sind.

3.3 Das Latein-ModellEs handelt sich hier um eine Empfehlung,die von zwei Abgeordneten des Europäi-schen Parlaments gegeben wurde unddie das Lateinische für die Funktion einesmodernen internationalen Kommunika-tionsmediums vorsieht. Angesichts einessolchen Vorschlags erhebt sich unmittel-bar die Frage, wie eine Sprache, derenBedeutungsgehalte von den Entwicklun-gen der Moderne unberührt blieben, nunderen Aufgaben gewachsen sein könnte.Dieses Modell versetzt uns ins europäi-sche Mittelalter und Spätmittelalter, alsdas Lateinische die allgemeine Spracheder Gelehrten war. Als wären sie vomeuropäischen Humanismus inspiriert,versuchten diese Abgeordneten dem La-tein wieder zum Durchbruch zu verhel-fen, ohne zu berücksichtigen, daß dasLateinische damals die Sprache einerkleinen Bildungselite war, während derRest der Bevölkerung Vulgärsprache(n)

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verwendete. Wegen der elitären Konno-tierung des Lateinischen stellt die Stan-dardisierung der Volkssprachen einwichtiges emanzipatorisches Moment inder Geschichte dar, das eine restaurativeRückwendung ausschließt.

3.4 Das Modell der Rezeptiven Mehr-sprachigkeitDieses Modell beabsichtigt, daß jeder Eu-ropäer eine Sprache, die er für seine akti-ve Kommunikation verwendet, auch ak-tiv beherrscht, während ihm passiv meh-rere Sprachen zur Verfügung stehen sol-len. Dieses Modell ist auch als Modell desPolyglotten-Dialogs bekannt (vgl. Posner1991, 1992 und Dürmüller 1992, 1994).Dürmüller hat anhand der multilingua-len Schweiz gezeigt, daß dieses Modellvon der Qualität und Ausweitung derSprachkenntnisse der Teilnehmer abhän-gig ist. Sogar in der Schweiz, wo ihrerMeinung nach der Schulunterricht diebesten Voraussetzungen für einen Poly-glotten-Dialog anbietet, ist eine Unausge-wogenheit zu bemerken. Nur bei deritalophonen und rätoromanisch-spre-chenden Bevölkerung funktioniert dasModell, ansonsten ist Deutsch die ver-breitetste Kommunikationssprache. Au-ßerdem zeigt sich, daß die Bereitschaftder Sprecher einer Mehrheitssprache,eine kleine Sprache zu lernen, geringer istals die der Sprecher einer Minderheits-sprache im umgekehrten Fall.

3.5 Das Nachbarsprachen-ModellDie Grundidee dieses Lösungsvorschlagsbesteht darin, daß die Mitglieder jederSprachgemeinschaft die Sprache ihrernächsten Nachbarn lernen sollten, umden Kontakt zwischen den Sprachge-meinschaften zu fördern (vgl. Gellert-Novak 1994). Dieses Konzept würdeauch die kleineren Sprachen berücksich-tigen, die sonst nicht gelernt werden, läßtjedoch viele Faktoren außer Betracht. Bei

der Wahl einer Fremdsprache spielenIdeologien, Prestige und ökonomischeFaktoren eine wesentliche Rolle. In die-sem Modell besteht die Gefahr, daß nurdie größeren Nachbarsprachen bevor-zugt werden, weil sie funktionale Vorteilebringen. Es ist anzunehmen, daß zumBeispiel in Spanien nicht das Portugiesi-sche, sondern das Französische gelerntwürde. De facto ist dies der Fall. DiesesModell könnte jedoch eine ernsthafte Al-ternative darstellen, vor allem in Grenz-gebieten.

Gemeinsam ist den obengenannten Mo-dellen ihre ungenügende Berücksichti-gung der verschiedenen Aspekte derKommunikation und der entsprechendenAnforderungen an die sprachlichen Kom-munikationsmedien und deren Vielfalt.Als dem realen Sachverhalt nicht gerechtwerdende Vereinfachungen in der Formvon »Patentrezepten« bieten sie keine Lö-sung der Kommunikationsprobleme Eu-ropas. Fragen danach, worin diese Kom-munikationsprobleme bestehen, auf wel-cher Ebene sie stattfinden, warum siegelöst werden sollen und unter Berück-sichtigung welcher Wertorientierungen,werden nicht gestellt. Unter Lösungsvor-schlägen für »Kommunikationsproble-me« werden unterschiedliche Ziele ver-folgt, so z. B. Bewältigung kommunikativ-pragmatischer Probleme (Lingua franca-Modell), die Förderung der individuellenaktiven und passiven Mehrsprachigkeit(Polyglotter-Dialog) oder die Förderungdes Kontakts zwischen benachbartenSprachgemeinschaften (Nachbarspra-chen-Modell). Daß keiner dieser Vorschlä-ge angenommen worden ist (bis auf dasNachbarsprachen-Modell, das in Grenz-gebieten [Baden-Elsaß z. B.] in den Schu-len durchgeführt wird), zeigt, daß sie kei-nen Beitrag leisten zur Bewältigung desDilemmas Effizienz-Wertorientierung,

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das sich als eigentlicher Zielkonflikt in derSprachenfrage der EU erweist.Konkreter ist jedoch der Vorschlag vonHarald Haarmann (1991: 7ff.), weil erkeine allgemeinen Lösungen anstrebt,sondern ein Konzept für die interneKommunikation der EU-Organe entwik-kelt hat.

3.6 Das Modell des Selektiven Multilin-gualismusDieses Modell verfolgt eine funktionaleDifferenzierung des Sprachgebrauchsund soll das Weltsprachenpotential derEU ausschöpfen. Die Sprachen Englisch,Französisch, Deutsch und Spanisch stel-len Haarmann zufolge dieses Potentialdar. Englisch und Französisch sind ge-mäß Haarmann geeigneter für die Kom-munikation zwischen EU- und Nicht-EU-Ländern. Das Spanische bekommt einenSonderstatus als »externe« Amtsspracheund wäre für die interkontinentale Kom-munikation zwischen EU und Latein-amerika zuständig. Das Russische erhältebenfalls den Status einer »externenAmtssprache.« Dieses Modell bestimmtden Eigenwert einer Sprache nach ihrerFunktion. Das Modell soll das Konflikt-potential reduzieren, das bisher an diesprachpolitische und soziokulturelle Ri-valität konkurrierender Sprachen gebun-den war. Diesem Modell liegt unter-schwellig ein Zentrum-Peripherie-Ge-danke zugrunde, da das kollegiale Prin-zip zu sehr das Gewicht der großenwesteuropäischen Sprachen und gleich-zeitig das politische Gewicht ihrer Län-der betont und in gleichem Maße diekleineren Sprachen der Peripherie ver-nachlässigt.

Besonders in den 70er und 80er Jahrenwurden teilweise ähnliche und weitereLösungsansätze Gegenstand vieler Dis-kussionen und Empfehlungen im Rah-

men einer europäischen Sprachenpolitik,die für eine Gestaltung des schulischenFremdsprachenunterrichts Konsequen-zen hatten. In diesem Zusammenhangwurde besonders für den Ausbau einereuropäischen Dimension des Fremdspra-chenunterrichts in den Schulen plädiert.Fremdsprachendidaktiker und Lingui-sten erkannten die Notwendigkeit einerDifferenzierung und Diversifikation desFremdsprachenangebots, um den neuenVerhältnissen des zusammenwachsen-den Europas Rechnung zu tragen. Nebenstrukturellen (u. a. Frühbeginn) und in-haltlichen Reformen (u. a. interkulturelleAusrichtung der Inhalte) sollte das Ange-bot an fremdsprachlichen Curricula aus-gebaut werden. Einige der wichtigstenBeiträge von Gremien, Verbänden undEinzelnen zu diesem Thema sind dieHomburger Empfehlungen für e ineSprachenteilige Gesellschaft (1980), die Er-klärung von Tours (Conseil de l’Europe1986), das Madrider Manifest (1988), dieKoblenzer Erklärung des Fachverbandes Mo-derne Fremdsprachen (1989) sowie Christ1980, später Seifert 1991 u. a. In allenBeiträgen bestand und besteht Einigkeitdarüber, daß der derzeitige Fremdspra-chenunterricht nicht ausreicht, um dieBedürfnisse der heutigen Gesellschaft zubefriedigen. Ein differenziertes und di-versifiziertes Fremdsprachenangebotsollte erreicht werden. Einige dieser Er-kenntnisse sind auch von der EU formu-liert, insbesondere vom Europarat undvom Europäischen Parlament, und zumTeil auch von den Ländern verwirklichtworden (es wird in allen EU-Ländernmindestens eine Fremdsprache in derSchulbildung angeboten). Die Diversifi-kation des Fremdsprachenunterrichts,d. h. des Fremdsprachenangebots, ist inden meisten Schulen der EU jedoch nichterreicht worden.

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4. ResümeeDer Fremdsprachenunterricht ist ein zen-trales Element in der sprachenpolitischenDiskussion über Europa, da er die Basisdarstellt, auf der aufgebaut werden muß,um ein künftiges sprachlich vielfältigesund demokratischeres Europa zu errei-chen. Er bietet die Chance der Institutio-nalisierung einer individuellen Mehr-sprachigkeit für alle – deshalb ist derEinbezug des Fremdsprachenunterrichtsin den Wirkungsbereich supranationalerbzw. einheitlicher Bildungspolitik bzw.Sprachenpolitik notwendig. Die über-wiegende Tendenz zur Sprachunifizie-rung als Resultat funktionaler und öko-nomischer Kriterien steht der Tendenzzur Sprachendiversifizierung gegenüber.Letztere sollte jedoch als Chance zur Ver-wirklichung der Vielfalt in der Einheitweiterhin stärker betont werden. Die en-gen und komplexen Wirtschaftsverflech-tungen der Länder miteinander erfor-dern auch tiefere Kenntnisse ihrer Spra-chen bzw. Kulturen und Gesellschaften;es reicht nicht mehr aus, nur Englischbzw. Pidgin-Englisch zu sprechen. DerFremdsprachenunterricht ist deshalblangfristig auch unter ökonomischemAspekt für die EU vorteilhaft. Als Teil derBildungspolitik der Staaten kann derFremdsprachenunterricht heute nichtvon den EU-Behörden direkt beeinflußtwerden. Die EU ist auf die Zusammenar-beit der Länder angewiesen, was im Sin-ne des für die EU unerläßlichen Subsidia-ritätsprinzips liegt. Der Fremdsprachen-unterricht und die Sprachenregelung derEU-Instanzen stehen jedoch in einerWechselwirkung. Daß nur zwei Sprachenals Arbeitssprachen in den EU-Verwal-tungsorganen fungieren, liegt an der je-weiligen Schulsprachenpolitik der Län-der. Die Beschränkung auf nur zwei Spra-chen erhöht wiederum den Gebrauchs-wert dieser Sprachen und prägt das

Bewußtsein der Europäer und in der Fol-ge auch den Fremdsprachenunterricht,der wie ein Thermometer auf den prag-matischen Wert und höheren Status derSprachen reagiert. Der Fremdsprachen-unterricht verstärkt und reproduziertSprachdominanztendenzen, weshalbund im Hinblick darauf nicht länger iso-lierte Entscheidungen bzw. Empfehlun-gen, Formulierungen von Kommunikati-onsmodellen und unverbindlichensprachpolitischen Initiativen stattfindendürfen. Statt dessen muß als erster Schrittein Handlungsrahmen geschaffen wer-den, in dem verbindliche Entscheidun-gen aufeinander abgestimmt werden.

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Deutschlehrerausbildung: Thesen zur Curriculum-Planung1

Werner Roggausch

VorbemerkungMit den hier vorgelegten Thesen kannund soll kein einzelner Ausbildungsgangfür Deutschlehrer beschrieben werden.Vielmehr möchte ich auf allgemeinererEbene Kriterien für die Planung von Stu-diengängen zur Diskussion stellen. Zu-nächst ist an Studiengänge außerhalb derdeutschsprachigen Länder gedacht, Stu-diengänge also, in denen Deutsch Fremd-sprache ist. Ich denke freilich, daß dieKriterien, die sich nicht speziell aufDeutsch als Fremdsprache beziehen,auch für Studiengangsplanungen inDeutschland orientierend sein könnten.Nach eher allgemein gehaltenen Thesenim Teil A und B ist im Teil C im einzelnenvon Deutschlehrerausbildung die Rede.Ich will hier betonen, daß Germanistik (inDeutschland und im Ausland) durchausnicht nur vor der Aufgabe steht, Deutsch-lehrer auszubilden. Nicht weniger Auf-merksamkeit verdient die Ausbildungvon Dolmetschern und Übersetzern, vonKulturmittlern, Verlagslektoren sowiedes wissenschaftlichen Nachwuchses.Daß mancher Studiengang gleich allenZielsetzungen gerecht werden soll, stelltgerade eines der Planungsprobleme dar.

A) Planungsvoraussetzungen

These 1:Curriculumplanung setzt definierte Zielset-zungen voraus. Dabei sind drei Ebenen zuunterscheiden: allgemeinpolitische/bildungs-politische Vorgaben, Berufsbezug, Fachsyste-matik.Die Planung von Studiengängen (undvon anderen Ausbildungsabschnitten)reflektiert immer die gesellschaftlichenBedingungen. Wer Studiengänge plant,muß die bildungspolitischen Zielsetzun-gen klären und diese wiederum im ge-samtgesellschaftlichen Rahmen beden-ken. Die eine Gesellschaft integrierendenund das gesellschaftliche Bewußtseinprägenden Kategorien und Interessensetzen sich immer auch in den Bildungs-institutionen durch, können jedenfallsnicht durch Bildungsplanung außer Kraftgesetzt werden. Daher folgen auf großegesellschaftliche Umbrüche zwingend ingeringem zeitlichem Abstand Umbrücheim Bildungssystem.Eine von Religion geprägte (nicht nurunverbindlich überwölbte) Gesellschaftsetzt für das Bildungswesen vom Kinder-garten bis zur Hochschule spezifische, ander Religion orientierte, sehr wirkmächti-

1 Dieser Beitrag war Grundlage eines Vortrages im Rahmen der 24. Jahrestagung Deutschals Fremdsprache vom 29. bis 31. 5. 1996 an der Georg-August-Universität Göttingenund wird auch in der Dokumentation zu dieser Tagung in der Reihe Materialien Deutschals Fremdsprache (MatDaF) abgedruckt.

Info DaF 24, 4 (1997), 470–479

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ge Orientierungen. Dies ist in allen isla-mischen Ländern zu beobachten.Eine sozialistische, besser wohl: sich so-zialistisch nennende Gesellschaft prägttiefgehend und konsequenzenreich alleStufen des Bildungssystems. In einerVielzahl von Ländern konnten wir beob-achten, wie die explizite oder impliziteIdeologie, nämlich »Aufbau einer soziali-stischen Gesellschaft und Erziehung dessozialistischen Menschen«, auf allen Ebe-nen Lernziele, Inhalte, Lehrerverhalten inSchule und Hochschule prägte. Ein plu-ralistischer Wissenschaftsbegriff war insolchen Gesellschaften ebensowenigmöglich wie eine konsequente Orientie-rung von Unterrichtsarbeit an den Ler-nerinteressen.Nicht weniger eng ist der Zusammen-hang in den liberalen Demokratien desWestens: Die zentralen Leitbilder, die ichhier verkürzt »Freiheit und Reichtum«nenne, sind durchaus nicht belangloseoder kosmetische Begriffe, sondern, ver-bunden mit Institutionen und politischerMacht, sehr prägekräftige und orientie-rende Vorgaben. Ein daraus resultieren-des Bildungsziel wie etwa »Erziehungvon autonomen Persönlichkeiten, dieihre Rechte erkennen und die demokrati-schen Durchsetzungsmöglichkeiten nut-zen können« (so oder ähnlich in Rahmen-richtlinien zu lesen), hat Konsequenzenfür Studienziele, Inhalte, Verhalten vonLehrenden und Lernenden, auch für diewissenschaftlichen Konventionen (Plura-lismus, Kritik…) oder für Prüfungsver-fahren.Wer Studiengänge plant, sollte sich alsostets das gesellschaftliche Bedingungsge-füge klar machen. Sofern sich Bildungs-planung mit den gesamtgesellschaftli-chen Zielsetzungen einverstanden weiß,stellt deren Umsetzung in den Studien-gängen auch kein großes Problem dar,jedenfalls kein politisches oder morali-sches. Konflikte entstehen, wenn sich die

Planer nicht mit Leitbildern oder Institu-tionen identifizieren können und konträ-re, gesellschaftlich also minoritäre oderdisfunktionale Ziele befördern wollen.Dann ist die Gefahr groß, daß Zielsetzun-gen verfolgt werden, die nicht durchset-zungsfähig sind oder die reine Deklamati-on bleiben und von den Institutionen per-manent unterlaufen werden. EinScheitern solcher Art illusionärer Planungließ sich auch im Westen vielfach beob-achten.Unterhalb der gesellschaftlichen Ebeneergeben sich Orientierungen für die Stu-diengangsplanung aus der späteren Be-rufspraxis der Absolventen: Dies sehrkonkret, wenn diese Berufspraxis be-kannt oder doch realistisch prognosti-zierbar ist; eher abstrakt, wenn für ver-schiedene oder schnell sich wandelndePraxisfelder ausgebildet wird. Daraufkomme ich zurück.Wenn sich die Berufsbilder immer schnel-ler verändern, wenn Studenten ohne Be-zug auf eine konkrete Tätigkeit ausgebil-det werden, dann werden die sogenann-ten »Schlüsselqualifikationen« immerwichtiger. Auch darauf wird zurückzu-kommen sein.Unbestritten zählt die Systematik derakademischen Disziplin zu den Orientie-rungen bei der Studiengangsplanung.Die Fachsystematik wird auch in allerRegel in den Studiengängen reflektiert.Dies muß gar nicht besonders betontwerden; häufig ist nämlich die innereSystematik des Faches das leitende Prin-zip bei der Studiengangsplanung. SolchePlanung folgt dann zwar einer fachlichenSystematik, bleibt aber die Antwortschuldig, wenn nach den Kriterien für dieAuswahl der Themen, wenn nach Berufs-bezug oder nach bildungspolitischenZielsetzungen gefragt wird. Aus derFachlogik ist die Systematik der wissen-schaftlichen Themen ableitbar, nicht je-doch der Aufbau eines Studienganges.

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These 2:Curriculumplanung muß die institutionellenRahmenbedingungen beachten: VorhandeneStudiengänge und Nachbardisziplinen, Stu-dienstruktur, personelle und materielle Kapa-zitäten.Studiengangsplanung ist nie auf ein ein-zelnes Fach beschränkt, sondern findetimmer im Rahmen einer bestehendenUniversitätssituation und mit Bezug aufbenachbarte Fächer statt. Wer einen phi-lologischen Studiengang plant, z. B. Ger-manistik als Fremdsprachenphilologieoder Deutschlehrerausbildung, muß dieStudienstruktur benachbarter Philologi-en berücksichtigen: Studiendauer, innereOrganisation des Faches und fachlicheNiveaus, die Form der Prüfungen undAbschlüsse.Ein einzelnes Fach darf in einer solchenLandschaft kein Fremdkörper werden.Wenn alle Philologien ein Nebenfach vor-schreiben, kann nicht eine einzelne davonabsehen. Wenn Nachbarphilologien eingesellschaftsbezogenes Grundstudiumvorschreiben, kann nicht eine einzelne an-ders verfahren. Wenn die anderen Philo-logien einen Auslandsaufenthalt vor-schreiben, kann nicht eine einzelne davonfreistellen usw. Wichtig ist also bei derPlanung die Bereitschaft und die Fähig-keit der Planer, mit Nachbardisziplinenzusammenzuarbeiten und Vergleichbar-keit mit benachbarten Studiengängen si-cherzustellen.Schließlich sind die personellen und ma-teriellen Kapazitäten keine für den Pla-nungsprozeß äußerlichen Gesichtspunk-te. Das Maß der thematischen Ausdiffe-renzierung ist von der Größe desLehrkörpers abhängig. Für verschiedenethematische Studienschwerpunkte mußauch Lehrkapazität vorhanden sein.Räumlich sehr beengte oder materiellschlecht ausgestattete Institute solltendies in realistischer Weise in Rechnungstellen und nicht Kleingruppenarbeit oder

Bildschirmarbeit als vorherrschende Ar-beitsform vorsehen. Ein Institut, welchesständig sehr große Studentenzahlen aus-bildet, wird dies didaktisch und plane-risch angemessen berücksichtigen müs-sen usw.

These 3:Curricula sind nie fertig. Sie sind »Kinderihrer Zeit« und fortwährend veränderbar.Nur in statischen Gesellschaften könnendie Ausbildungsinstitutionen über länge-re Zeit unverändert bleiben. Das Tempoder gesellschaftlichen Wandlungsprozes-se nimmt jedoch, wie wir alle erfahren,ständig zu, und dies durchaus nicht nur inden kapitalistischen Industrieländern, de-ren inneres Gesetz geradezu »Innovation«ist, sondern auch in bisher eher traditionalverfaßten vorindustriellen Gesellschaften(die dann mental und moralisch von derGeschwindigkeit der Veränderungenüberfordert sein können).Die Definition von Ausbildungszielenfolgt den gesellschaftlichen Wandlungs-prozessen. Es kann freilich auch wün-schenswert sein, Wandlungsprozessenach besten Kräften aufzuhalten. Innova-tion ist nicht per se ein positives Kriteri-um.Jedenfalls werden die Zeiträume, fürwelche eine definierte Studienstrukturund definierte Lernziele Gültigkeit ha-ben, immer kürzer. Vom Wissenszu-wachs des Faches und von den Änderun-gen in den Berufsfeldern ebenso wie vonden Wandlungen der großen gesell-schaftlichen Institutionen geht ein ständi-ger Veränderungsanspruch aus. Studien-gangsplanung kann heute nicht mehrFestlegung für lange Zeiträume treffen.Sie wird mehr und mehr zu einem ständi-gen Prozeß. Sinnvoll ist, in den Studien-und Prüfungsordnungen die Möglichkeitneuerlicher Veränderungen bereits vor-zusehen. Zu starre Studienordnungenwerden allzuleicht disfunktional.

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These 4:Die Gefahren erkennen: Zuerst wird einePrüfung entworfen, daraus folgt dann dasCurriculum/das Curriculum folgt den Kom-petenzen oder den Forschungsinteressen derHochschullehrer.In der Alltagspraxis werden auch diebesten und wohlbegründeten Planungs-prozesse immer wieder unterlaufen, weilZeit fehlt, weil der Praxisdruck rascheEntscheidungen erzwingt, weil institu-tionelle Vorgaben den Planungszielenentgegenstehen und mächtiger sind alsdie Planer, aber auch, weil Traditionenunbefragt fortgeschrieben werden, oderauch, weil starke Interessengruppen ihrePartikularinteressen verteidigen unddurchsetzen.So gilt z. B.: Wer die Prüfung definiert,definiert auch das Curriculum. Studen-ten wollen so ausgebildet werden, daß siesich auf die Prüfungen vorbereitet füh-len. Wenn die Prüfungsinhalte definiertsind, dann sind automatisch die Studien-inhalte mitdefiniert. Studienangebote,die nicht prüfungsrelevant sind, werdenbekanntlich kaum angenommen oder alsHobby betrachtet, von dem die Studen-ten rasch Abschied nehmen, wenn derPrüfungsdruck zunimmt.Vorab definierte Prüfungsinhalte könnenjede weitere Überlegung zur Studien-gangsplanung überflüssig machen, weildie Prüfung selbst sich als Curriculumdurchsetzt. Jede begründete Planungmuß die Prüfungen als letztes in denBlick nehmen und dann sicherstellen,daß das geprüft wird, was begründetgelehrt wird.Prüfungen müssen aber auch in ihrerForm den definierten Zielen des Studi-ums entsprechen. Wenn z. B. im ganzenStudium in Gruppen gearbeitet wird,dann muß es auch Formen der Gruppen-prüfung geben. Wenn Studienziel eher»Verständnis« als »Pensum« ist, danndarf die Prüfung keine reine Wissensprü-

fung sein. Wenn Studierende Kreativitätund Eigenständigkeit erwerben sollen,dann darf die Prüfung nicht Konformitätund Orientierung an sakrosankten Lehr-meinungen durchsetzen.In vielen Fächern sehen sich die Studien-gänge an deutschen Hochschulen demVorwurf ausgesetzt, sie seien unstruktu-riert und unübersichtlich, sie hätten keineinnere Logik und auch keine konsistentefachliche Methodik. Ich kann diesem Vor-wurf die Berechtigung nicht absprechen.Die Hochschulautonomie und die garan-tierte Freiheit von Forschung und Lehredefinieren außerordentlich weite Spiel-räume, die auch durch Curriculumpla-nung nicht oder nicht weitreichend ein-geschränkt werden können. Ergebniskann dann durchaus sein, daß das Aus-bildungsangebot eher die Schwerpunkteund die Forschungsinteressen der Hoch-schullehrer abbildet, als daß es definier-ten Schritten folgt oder an späterer Be-rufspraxis sich orientiert.

B) Zum Aufbau der StudiengängeNach meiner Meinung kann es nicht ge-lingen, einen Modellstudiengang für einphilologisches Fach zu entwerfen. Zu un-terschiedlich sind von Land zu Land dieBedingungen, die Zielsetzungen, auchder Entwicklungsstand der einzelnenakademischen Disziplinen. Freilich sindOrientierungen für die Planung möglich,die auf einer Ebene oberhalb der Einzel-studiengänge beschreibbar sind. Ich ver-suche, sechs solcher Orientierungen zuformulieren:

These 1:Praxisbezug ist unverzichtbar und kein Ge-gensatz zur WissenschaftlichkeitIch vertrete mit Nachdruck, daß Studie-rende, wenn denn bekannt ist, in wel-chem Berufsfeld sie tätig werden, einRecht darauf haben, auch mit Blick aufdieses Berufsfeld ausgebildet zu werden.

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Es zeichnet die Länder des Westens aus,daß wir große Zahlen von Studierendenfür die Arbeitslosigkeit ausbilden oderfür Tätigkeiten, die mit den Studieninhal-ten nur wenig zu tun haben. In vielenLändern der Dritten Welt oder auch inMittel- und Osteuropa werden die Absol-venten aber dringend gebraucht, undzwar als Lehrer, Übersetzer, Dolmetscher,als Fachleute für internationale wirt-schaftliche und kulturelle Zusammenar-beit. In diesen Fällen kann man über diespätere Berufspraxis sehr konkrete Aus-sagen machen und entsprechend zielge-richtet ausbilden.Ich will den oft formulierten kritischenEinwand gegen den Anspruch auf Praxis-bezug nicht gelten lassen, universitäreAusbildung sei wissenschaftliche Ausbil-dung und eben keine praxisbezogene Be-rufsausbildung. Ich vermag den Gegen-satz nicht zu sehen. Praxisbezug und Wis-senschaftlichkeit schließen sich keines-wegs aus. Mein Ideal wäre ein Ausbil-dungsgang, der im Grundstudium, relativeng geführt, zentrale Wissensbeständedes Faches und Methodenbewußtseinvermittelt, im Hauptstudium einzelneSchwerpunkte vertieft und für diejenigenStudenten, die in Forschung und Wissen-schaft ihre berufliche Perspektive sehen,Heranführung an die Forschung ermög-licht. Bei der Auswahl von Themen, beipädagogischem oder gesellschaftswissen-schaftlichem Begleitstudium, bei Praktika(die für Lehrerstudenten und auch fürDolmetscher und Übersetzer obligat seinsollten) gerät zwingend spätere Praxis inden Blick.Wer in dieser Weise den Praxisbezug vonakademischer Ausbildung vertritt, siehtsich auch oft dem Vorwurf ausgesetzt, ervertrete ein technokratisches, kurzsichti-ges, nicht akademischen Zielsetzungenunterworfenes Modell. Dieser Vorwurfist nur dann berechtigt, wenn die Univer-sität sich darauf beschränkt, unmittelbar

an Berufspraxis orientiert gut funktionie-rende, aber unkritische Absolventen aus-zubilden. Der Vorwurf ist aber ganz un-berechtigt, wenn in den Studiengängendie gesellschaftlichen Bedingungen re-flektiert werden, wenn Eigenständigkeitund Kritikfähigkeit zu den Ausbildungs-zielen zählen.In meinem Verständnis gehört es auch zueinem recht verstandenen Praxisbezug,unter gesellschaftspolitischen Gesichts-punkten dringend nötige Qualifikationenwie Geschichtsbewußtsein, soziale Phan-tasie, ökologisches Bewußtsein und dieFähigkeit, institutionellem Normierungs-druck und der Verdummungsmacht derMassenmedien entgegenzutreten, auszu-bilden.Es kann, in einer definierten Situation,auch eine wohlbegründete Zielsetzungsein, im Rahmen der Kulturwissenschaf-ten die Ausbildung einer nationalenIdentität durch die Universitäten mitzu-tragen; oder, dies ist gewiß die zugespitz-teste Situation, mit den der Universitätzur Verfügung stehenden Möglichkeitengegen inhumane Verhältnisse einzutre-ten.

These 2:Umgekehrt gilt freilich: WissenschaftlicherAnspruch ist kein Gegensatz zu Praxisbezug.Ein Studium vermittelt Methodik und Wis-sensbestände einer akademischen Disziplin.Nach den zuletzt ausgeführten Argu-menten möchte ich nun betonen: Univer-sitäre Ausbildung ist wissenschaftlicheAusbildung! Sie kann sich nicht in Be-rufsvorbereitung erschöpfen. ZentraleWissensbestände eines akademischen Fa-ches sind zu vermitteln; die Studentenmüssen die fachspezifischen Methodenkennenlernen und auch bewerten kön-nen. Studenten sollten auch die Chancehaben, einen ersten Eindruck von denForschungsproblemen, vor denen ihrFach aktuell steht, zu gewinnen. Nur so

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besteht die Möglichkeit, einzelne Studen-ten an die Forschung heranzuführen, miteventueller Promotion zur akademischenQualifikation zu führen und geeignetenwissenschaftlichen Nachwuchs auszubil-den.Es ist in aller Regel bei Studiengangspla-nern nicht kontrovers, daß wissenschaft-liche Ansprüche ebenso wie Praxisbezugje ihre Berechtigung haben und keinekonträren Zielsetzungen darstellen. DieSchwierigkeit besteht darin, beiden Ziel-setzungen gerecht zu werden, Praxisbe-zug konkret zu definieren und die wis-senschaftlichen Fragestellungen so zuverfolgen, daß den Studenten nicht nurdeutlich wird, was sie lernen, sondernauch, warum sie das lernen.

These 3:Berufsunabhängige Qualifikationen sind er-forderlich!Universitäre Ausbildungsgänge vermit-teln fachwissenschaftliche Inhalte undMethoden, und sie bereiten, entwedereng angelehnt oder vermittelt, auf späte-re Praxis vor; davon war bereits die Rede.Sie statten jedoch, wie jede Bildungsinsti-tution, die Studenten auch mit berufsun-abhängigen Prägungen und Qualifikatio-nen aus, oder sie verstärken bereits er-worbene. Dies geschieht übrigens unab-hängig davon, ob die Planer oder dieHochschullehrer das wissen und wollen.Eine Planung, die den Ausbildungspro-zeß in allen seinen Aspekten in den Blicknimmt, sollte sich jedenfalls auch Re-chenschaft über die nicht berufsbezoge-nen und nicht fachbezogenen Qualifika-tionen geben und sie soweit wie möglichexplizit machen und begründen.In den westlichen Demokratien umfaßtder aktuelle »Tugendkatalog«, der gesell-schaftlich erwünschte Eigenschaften be-schreibt und für die Personen, die dieseTugenden aufweisen, verbesserte Berufs-chancen suggeriert (nicht garantiert), Be-

griffe wie »Flexibilität, Eigenständigkeit,Innovationsfähigkeit, Kritikfähigkeit,Phantasie, Problemlösungsvermögen,Fähigkeit zur Zusammenarbeit«; in denletzten Jahren wird immer häufiger auch»interkulturelle Sensibilität« genannt.Es ist leicht zu sehen, daß diese Begriffedas liberal-demokratische Individuumbeschreiben, das auf die kapitalistischenIndustrienationen zugeschnitten ist. Die-se in einer Gesellschaft wünschbaren undfunktionalen Qualifikationen sind in ho-hem Maße kulturspezifisch und nichtvon einem Zusammenhang in einen an-deren übertragbar. In anderen Gesell-schaften sind andere Leitbilder wirk-mächtig und durch sozialen Konsensebenso wie durch implizite Strafandro-hung abgesichert, z. B. Patriotismus, An-erkennung staatlicher und institutionel-ler Autorität, religiöses Bekenntnis, Ver-zicht auf die Durchsetzung individuellerInteressen.Bildungsplaner und Lehrer müssen sichsolcher Leitbilder bewußt sein. Sie habenimmer Wirkungsmacht, ganz unabhängigvon den Absichten einzelner Individuen.Und sie müssen sich sehr genau überle-gen, ob sie diese Leitbilder verstärkenoder ihnen entgegentreten wollen. Undwer solche gesellschaftlichen Normenmit Lehrautorität in Frage stellt oder kri-tisiert, muß sich der weitreichenden Fol-gen bewußt sein: Er kann Weltbild undIdentität seiner Studenten gefährden, so-zialen Konsens untergraben, im Extrem-fall seine Studenten der Gefahr gesell-schaftlicher oder familiärer Desintegra-tion, innerer Zerrissenheit oder sogarpsychischer Erkrankung aussetzen.In fremdphilologischen Studiengängen,in denen »Kulturkontrast« auch Studien-thema ist, in denen die Fähigkeit, Kultur-kontraste zu bewältigen, zu den Studien-zielen gehört, müssen die Lehrenden unddie Studenten von der Dynamik undauch den Gefahren dieses Prozesses ein

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Bewußtsein gewinnen. Die Bewältigungdarf nicht den Individuen überlassenbleiben, sie muß im Ausbildungsgangthematisiert werden.

These 4:Obligate Studienbestandteile sind keine Ent-mündigung!Diese These könnte eine Selbstverständ-lichkeit sein. Ich will sie dennoch ausfüh-ren, weil ich immer wieder Studiengängesehe, in denen den Studenten ein sehrhohes Maß an Wahlfreiheit eingeräumtwird, und dies vom 1. Semester an. Ichmeine hingegen, daß sich ein Studienver-lauf nicht, auch nicht überwiegend, ausWahlthemen zusammensetzen sollte. Esgibt unverzichtbare Kernbestände einesakademischen Faches, es gibt eine inner-fachliche Systematik, es gibt auch histori-sche Entwicklungslinien, die von jederjungen akademischen Generation erlerntund verarbeitet werden müssen. Verant-wortliche Planer sollen und dürfen sichzutrauen, solche Kernbestände zu defi-nieren und das entsprechende Studiumobligat vorzuschreiben.Sowohl die Lehrfreiheit der Dozenten alsauch die Wahlfreiheit der Studierendendürfen nicht beliebig ausgeweitet wer-den. Ergebnis könnte sonst sein (und inDeutschland besteht diese Gefahr ganzreal), daß Studierende absolvieren, ohneim Zentrum ihres Faches kompetent zusein, daß auch Studiengänge des gleichenFaches von Hochschule zu Hochschulenicht mehr vergleichbar sind. In dieserSituation sind dann auch Studienanfän-ger kaum noch zu beraten und auch nichtmehr verantwortlich zu lenken.

These 5:Wahlfreie Studienbestandteile sind kein Lu-xus!Nach der vorhergehenden These soll nundie notwendige Ergänzung betont wer-den. Studenten sollten das Recht und

auch die reale Möglichkeit haben, nebenden obligaten Kernbeständen Einzelthe-men oder Schwerpunkte frei zu wählen.Dadurch entsteht Eigenständigkeit, da-durch entsteht die Möglichkeit, langeund vertiefend Einzelthemen zu bearbei-ten und schließlich eigene Forschung zubeginnen. Auch Themen, die zeitweisekeine »Konjunktur« haben, müssen fürStudenten wählbar sein. Studenten müs-sen auch oft erst herausfinden, wo ihrestärksten Begabungen liegen. Dazu mußein vielfältiges Lehrangebot Wahlchan-cen einräumen. Dies erhöht schließlichauch Engagement und Studierfreude derStudenten, Zielsetzungen, die leider einwenig unmodern geworden sind.

These 6:Der Blick über den Tellerrand ist nötig: Inter-disziplinär studieren!Von Hans Eisler ist der bedenkenswerteSatz: »Wer nur etwas von Musik versteht,versteht auch von Musik nichts.« Eislerwar der Meinung, daß Musikwissen-schaftler sich auch über Entwicklungenin anderen Kunstgattungen informierenund darüber hinaus den gesellschaftli-chen Prozeß, in den die Künste eingebet-tet sind, studieren sollten. Für alle akade-mischen Disziplinen, insbesondere je-doch für kulturwissenschaftliche, gilt,daß die Erkenntnisgegenstände nicht aussich heraus verstanden werden können.Sie sind zu vielschichtig, sie sind imInnersten geprägt durch Gesellschaft, Ge-schichte, Religion, Politik, wirkmächtigeInteressen oder auch psychologischeKonstellationen. Erst ein Blick in Nach-bardisziplinen weitet das Erkenntnis-und Erklärungsvermögen in der notwen-digen Weise.Wir stehen in den Kulturwissenschaftenund in der Pädagogik auch zunehmendvor Fragestellungen, vor denen das In-strumentarium einer eng definierten Ein-zelwissenschaft unzureichend ist.

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Fremdsprachenlehrer und Kulturmittler,Dolmetscher und Übersetzer, die die Kon-trastkultur mehr als oberflächlich kennen-lernen und selbst eine möglichst weitrei-chende Doppelkompetenz erwerben sol-len, sind nur dann zureichend qualifiziert,wenn sie von Geschichte und aktuellenKonflikten, von Mentalität (oder Mentali-täten) und Psychologie sowohl der Eigen-wie der Fremdkultur etwas wissen undein entsprechendes begriffliches Instru-mentarium erworben haben.

C) Zur Ausbildung von Lehrern fürDeutsch als Fremdsprache

These 1:Der Sprachstand der Studenten ist nie gutgenug. Sprachliche Qualifizierung gehört insZentrum der Studiengänge!Fremdsprachenlehrer werden von ihrenSchülern als kompetente Sprecher derZielsprache wahrgenommen. Sie werdenauch, bewußt oder unbewußt, daran ge-messen, ob ihre Kompetenzen in der Ziel-sprache überzeugend und tragfähig sind.Schließlich hängt auch ihr Selbstbewußt-sein und die Art, wie sie die Lehrerrolleausfüllen, in hohem Maße davon ab, obsie selbst souverän in der Zielsprachesind.Ich meine daher, daß die sprachlicheQualifizierung der Studenten eine derwichtigen Aufgaben der Studiengängeist. Es sollte nicht der Eigeninitiative derStudenten anheim gestellt werden, sichneben dem Studium bei außeruniversitä-ren Sprachschulen oder durch selbst or-ganisierten Auslandsaufenthalt sprach-lich zu qualifizieren. Dies alles kann ger-ne hinzukommen. Aber im Studiengangsollte nicht mit der Schwerpunktsetzungauf »Wissenschaft« die Sprachausbil-dung auf unzureichende Zeitanteile re-duziert werden.Viele Studiengänge im Ausland leisten indieser Hinsicht Vorbildliches. Die deut-

sche Seite hätte allen Grund, dies anzuer-kennen und die Gewichte in den eigenenStudiengängen zu überdenken. Mankann in Deutschland Fremdsprachenphi-lologien studieren und mit einem Sprach-stand absolvieren, den ich nur als völligunzureichend ansehen kann.Übrigens werden durchaus nicht nurFremdsprachenlehrer, sondern alle Ab-solventen fremdsprachlicher Studienfä-cher in erster Linie danach beurteilt, wietragfähig ihre Sprachkenntnisse sind.Dies gilt selbstverständlich für Dolmet-scher und Übersetzer, aber es gilt nichtminder für wissenschaftlichen Nach-wuchs und für Reisebegleiter, für Diplo-maten und für Kaufleute, für Verlagslek-toren oder Mitarbeiter in Verwaltungen.Die Qualität der fremdsprachlichen Aus-bildung ist, wenn denn zweisprachigeSituationen zu meistern sind, das ersteKriterium für die Beurteilung der Personund für die berufliche Anerkennung.

These 2:Lehrer müssen die Fremdsprache nicht nurbeherrschen, sondern auch beschreiben kön-nen!Fremdsprachenlehrer sind bekanntlichdoppelt gefordert. Nicht nur müssen siemöglichst weitreichend kompetente Spre-cher der Fremdsprache sein, sie müssenauch ein Verständnis der Sprachstrukturund der inneren Regularitäten erwerbenund eine entsprechende metasprachlicheTerminologie beherrschen. Ich kann hiernicht die umfangreichen Theorien zumSpracherwerb einbeziehen. Aber in ver-kürzter Weise gilt: Studierende als er-wachsene Lerner lernen auch anteilig imi-tativ und durch Automatisierung, abereben anteilig auch kognitiv und begriff-lich. Sie wollen den eigenen Sprachlern-prozeß durch Regelwissen abstützen,wollen zur Eigenkontrolle durch Über-prüfung an Regeln befähigt werden, undsie wollen als zukünftige Lehrer in der

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Lage sein, ihrerseits die Fremdspracheauch als Regelsystem erklären zu können.Bekanntlich stellen Lerner, denen Regelnnicht vermittelt werden, diese selbst her,dann freilich mit großen Fehleranteilenund ungenügender Reichweite.Als die Sprachebenen, die begrifflich-re-gelhaft beschrieben werden sollen, habensich weitgehend durchgesetzt: Morpho-logie, Syntax, Lexik, Pragmatik und Pho-netik.Wenn ich hier in traditioneller Weise denbegrifflich-kognitiven Anteil des Sprach-lernprozesses unterstreiche, dann soll da-mit nicht implizit spielerischen und alter-nativen Arbeitsformen entgegengetretenwerden. Sie haben sich, in unterschiedli-chem Ausmaß, als eigenständige Arbeits-formen bewährt und sollten ihren festenPlatz im Sprachlernprozeß haben. Mansollte aber immer genau überprüfen, wiesie in die örtlichen Studiengänge passen,ob sie mit den vorhandenen Lerntraditio-nen zusammengehen und schließlichauch, ob sie von den Studenten ange-nommen werden, was durchaus nichtselbstverständlich ist. Jedenfalls bleibtdie Notwendigkeit bestehen, auch einenan Kommunikation und realer Sprach-verwendung ausgerichteten Sprachun-terricht durch begriffliches Regelwissenzu unterlegen.Kontrovers ist gelegentlich, wie weit derbegrifflich-theoretische Anspruch bei derSprachbeschreibung gehen soll. Ich plä-diere für eine unterrichtsbezogene prakti-sche Sprachbeschreibung ohne größerentheoretischen Anspruch. Wir haben heutehochkomplexe linguistische Modelle, diegewiß ein hohes Maß an Wissenschaftlich-keit für sich beanspruchen können, für dieZielsetzungen von Sprachlernern jedochungeeignet und überfordernd sind. Nachmeinem Dafürhalten hat sich noch immeram besten eine an herkömmlicher lateini-scher Begrifflichkeit orientierte Termino-logie bewährt.

These 3:Lehren muß man lernen und üben!Dies ist heute kaum noch kontrovers.Nur selten noch finden sich Ausbil-dungsgänge, in denen Methodik und Di-daktik keinen Ort haben, die aber dieAbsolventen dennoch in den Lehrerberufentlassen. Die Unterstellung, ein hoherSprachstand sei ausreichend für denLehrberuf, ist widerlegt. Zukünftige Leh-rer müssen wissen, wie ihre Schüler ler-nen, sie müssen ein Bewußtsein vonLernzielen auf verschiedenen Ebenen ha-ben und ihre Unterrichtsmethode reflek-tieren und begründen können. Sie solltenauch rechtzeitig praktische Erfahrungmachen, um zu erproben, ob sie für dieLehrerrolle geeignet sind und ob das Un-terrichten ihnen Spaß macht. Es ist einevermeidbare Tragödie, wenn Studentenerst nach dem Studium in der Klasseerkennen müssen, daß sie als Lehrer un-geeignet sind, dann aber keinen anderenWeg mehr wählen können.

These 4:Sprache dient nicht nur der Alltagskommu-nikation. Akademische Lerner haben einRecht auf Literatur!Diese These ist möglicherweise wenigzeitgemäß. Wir haben in vielen Fällen dieAusrichtung von Lehrerstudiengängenentlang von Sprachpraxis, Landeskunde,Didaktik und Methodik beobachtet undwir hören heute, man müsse einer einset-zenden Rephilologisierung entgegentre-ten. Mir scheint, die Nuancen sind ent-scheidend: Lehrer werden gewiß nichtphilologische Nachwuchswissenschaft-ler. Man mag Segmente einer überkom-plexen Theoriebildung oder das Erfor-schen älterer Sprachstufen als überflüssigfür angehende Lehrer ansehen. Ich sehedas auch so!Ich möchte aber mit Nachdruck die Ziel-setzung verteidigen, zukünftige Lehrernicht auf das Erlernen und Erklären der

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Alltagssprache einzugrenzen. Welch einVerlust wäre das! Für die eigene Entwick-lung, für ein erweitertes Verständnis dereigenen und der fremdkulturellen Ge-schichte ist Literatur als ästhetisches Me-dium nicht nur bereichernd, sondern ge-radezu unverzichtbar. Und auch für diespätere Tätigkeit als Lehrer: Es genügtdoch auch dem Lehrer selbst nicht, seineSchüler zu alltagssprachlicher Kommuni-kation zu befähigen. Er will doch auchkulturelle Überlieferung vermitteln undzur Ausbildung eines ästhetischen Erfah-rungsvermögens beitragen (Wer, wennnicht Schule, kann das leisten?).

These 5:Jeder Unterricht ist Landeskunde!Ich räume ein, daß niemand gültig defi-nieren kann, was eigentlich Landeskundeist. Man mag zuerst an die politischenVerhältnisse und die wichtigen Institutio-nen denken; oder an die Kultur, die Ge-schichte, den Alltag, die Mentalitäten, dieVorurteile…Ich helfe mir leicht und skrupellos ausder Definitionsnot und erkläre einfachalles, was genannt ist, zur Landeskunde.Dann entsteht freilich das Problem, auseiner unendlichen Zahl von Themen und

Aspekten auswählen zu müssen. Aberdas traue ich auch jedem Lehrer zu. Ersollte freilich begründen können, warumer mit seinen Schülern Alltagskultur oderFernsehnachrichten anschaut, das politi-sche System erklärt oder Gegenwartslite-ratur liest. Alle Themen tragen, in über-legter Weise und auf die Eigenkulturbezogen, zum erweiterten Verständnisder Zielkultur und zu erhöhter Verhal-tenssicherheit bei.Für die universitären Studiengängeheißt das, zukünftige Lehrer für die um-fassende Bedeutsamkeit der Landeskun-de zu sensibilisieren, einen möglichstweiten Begriff, der sich auf keinen Fall inPolitik, Ökonomie und Institutionen-kunde erschöpft, zu vermitteln. Zukünf-tige Lehrer müssen in besonderer Weisedie Kontraste zwischen Eigenkultur undFremdkultur, den Humor und die Re-geln der Höflichkeit nicht weniger alsdie aktuellen politischen Konflikte oderdie Funktionsweise der Medienöffent-lichkeit verstehen, weil sie nur in diesemGesamtzusammenhang ihren Schülernmehr als trockene Sprache, nämlich einlebendiges, konkretes und vielfältigesBild des Partnerlandes vermitteln kön-nen.

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Entwicklung eines Fernstudiengangs fürDaF-Lehrer an mexikanischen Universitäten

Ulrike Tallowitz und Christian Fandrych

1.0 BegründungSeit etwa fünfzehn Jahren bietet das »Cen-tro de Enseñanza de Lenguas Extranjeras«(CELE) der Universidad NacionalAutónoma de México (UNAM) in Mexi-ko-Stadt eine einjährige Fremdsprachen-lehrerausbildung an, die mit einem Zerti-fikat abgeschlossen wird. Dieses berech-tigt zur Erteilung von Sprachunterricht ander UNAM und wird darüber hinaus inden letzten Jahren an vielen weiteren öf-fentlichen Bildungsinstitutionen alsNachweis der Lehrbefähigung akzeptiert.An den Universitäten außerhalb derHauptstadt hingegen basiert der Sprach-unterricht häufig noch eher auf der Unter-richtserfahrung des jeweiligen Lehrers, dakeine institutionalisierte Lehrerausbil-dung existiert und im Deutsch-Bereichpro Universitätsstandort dafür auch nichtgenügend Kandidaten und ausreichendepersonelle Kapazitäten zur Verfügungstehen. An vielen Universitäten gibt es inden Deutschabteilungen nur ein bis zweiLehrer. Durch die großen räumlichen Ent-fernungen verbietet sich für diese Kolle-

gen in der Regel eine Vollzeit-Teilnahmean der Ausbildung des CELE. Daß füreine solch umfassende Ausbildung lan-desweit dennoch Bedarf besteht, zeigtsich immer wieder bei periodisch stattfin-denden themenorientierten Fortbildungs-seminaren.Aufgrund dieser Situation, und im Ein-klang mit einem Projekt des Rektorats derUNAM, in verstärktem Maße Fernstudi-engänge einzurichten, entwickeln wir einauf die Bedürfnisse der oben erwähntenZielgruppe zugeschnittenes Fernstudien-programm, dessen Konzeption sowie Tei-le einer ersten Modell-Lektion im folgen-den beschrieben werden sollen.1

2.0 Merkmale des Programms

2.1 Ziele, Voraussetzungen und Inhalte

2.1.1 Ziele des ProgrammsDas Ziel dieses Programms ist die Ausbil-dung von Deutschlehrern an mexikani-schen akademischen Institutionen außer-halb der Hauptstadt. Abschließende Qua-

1 Am Projekt ist außerdem unsere Kollegin Esther Elorduy beteiligt, die den Baustein»Pädagogische Grammatik« erarbeitet. Einige der Überlegungen dieses Beitrages habenwir bereits in einer kürzeren Fassung auf dem Regionaltreffen des IDV im August 1995in Stanford, USA, vorgestellt. Vgl. Sonderband Unterrichtspraxis/Teaching German 29, 1,(1996).

DaF im Ausland

Info DaF 24, 4 (1997), 480–492

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l i f ikat ion sol l ebenso wie beimPräsenz-Studium das »Examen de Forma-ción de Profesores del CELE de laUNAM« sein. Das Programm des CELEist in erster Linie eine praxisorientierteAusbildung, die jedoch einen relativ ho-hen Theorieanteil aufweist (siehe Fächer-kanon weiter unten). Grundsätzlich mußdie Praxis noch erweisen, inwieweit eineAusbildung zum Lehrer, bei der es vorallem auf Lehr-Fertigkeiten ankommt,durch ein Fernstudium zu bewältigen ist.Diese Fertigkeiten werden ja in der Regelim Klassenraum selbst, durch Beobach-tungen in und Diskussionen über die Pra-xis erworben. Es ist eine der Aufgabendieses Forschungsprojektes herauszufin-den, ob und wie dies adäquat »aus derFerne« bzw. in den relativ wenigen prakti-schen Präsenzphasen erfolgen kann. DasCELE-Projekt ist zur Zeit das einzigeFernstudienprogramm, das Deutschleh-rer tatsächlich ausbilden und zu einer anUniversitäten anerkannten Lehrbefähi-gung führen wird. Alle uns bekanntenvergleichbaren Programme streben in er-ster Linie eine Fortbildung an.1

2.1.2 Dauer des Programms:Im Gegensatz zum einjährigen Präsenz-studium des CELE mit insgesamt 16 Wo-chenstunden plus etwa 10 Stunden Vor-und Nachbereitung, halten wir eine Aus-bildungszeit von mindestens zwei Jahrenfür erforderlich. Dies ergibt sich zumeinen aus den verlangsamten Kommuni-kationsformen, zum anderen aus der Er-fahrung, daß bereits jetzt die Zeit für einesorgfältige Bearbeitung der Inhalte sehrknapp ist. Außerdem schlagen wir ineinigen Punkten eine Erweiterung der

Fächer vor. Auch aufgrund von Erfah-rungen in anderen Fernstudien-Program-men scheint eine Verlängerung des Pro-gramms wünschenswert zu sein. Im Bri-tish Council zum Beispiel geht man da-von aus, daß einem Jahr Präsenz-Studi-um rund zweieinhalb Jahre Fernstudiumentsprechen.

2.1.3 ZulassungsbedingungenVorausgesetzt werden das Abitur und einMindestalter von 21 Jahren, außerdemUnterrichtserfahrung und Zugang zuDeutschunterricht an Universitäten, letz-teres wegen der erforderlichen Teilnah-me an Unterrichtsbeobachtung und -ver-suchen. Die Deutschkenntnisse sollenetwa vergleichbar mit dem Abschlußtestder Mittelstufe des Goethe-Instituts sein.Hierzu wurde am CELE ein Eingangstestentwickelt, der sowohl Verstehens- alsauch Produktionsleistungen verlangtund außerdem eine starke Grammatik-komponente enthält. Hier wird vor allemdie grammatische Analysefähigkeit gete-stet, ohne bereits grammatische Meta-sprache vorauszusetzen. Darüber hinaussind sehr gute Spanischkenntnisse erfor-derlich, denn einige Fächer, wie z. B. Psy-cholinguistik und Soziolinguistik, wer-den auf Spanisch durchgeführt. Außer-dem soll dort, wo es angebracht er-scheint , e twa in PädagogischerGrammatik, kontrastiv deutsch – spa-nisch gearbeitet werden.

2.1.4 BedarfsüberprüfungOb sich diese Forderungen aufrecht erhal-ten lassen, soll eine Bedarfsanalyse erge-ben, die im Moment durchgeführt wird.Gerade in einem Fernstudienmodus, wo

1 Zur Darstellung anderer Programme vgl. etwa die Berichte von Ruipérez über dasGermanistikfernstudium in Spanien; Kirina über ein Fernstudium zur Weiterbildungvon Deutschlehrern in Moskau, beide in Neuner (1993); sowie die Fernstudieneinheitendes Goethe-Instituts (GI), des Deutschen Instituts für Fernstudien (DIFF) und derGesamthochschule Kassel (GHK).

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auftauchende Probleme nicht sofort mitdem Dozenten besprochen werden kön-nen, ist eine sehr feindefinierte Ausrich-tung auf die spezielle Adressatengruppenötig. Daher ist es auch nicht ohne weite-res möglich, Materialien, die in Deutsch-land für die ganze Welt erarbeitet wurden,überall adäquat einzusetzen.1

Unsere Umfrage soll unter anderem Auf-schluß über folgende Bereiche geben:– Die akademische Ausbildung und

Deutschkenntnisse der Kandidaten;ihre Lern- und Arbeitsgewohnheiten,besonders was die Fähigkeiten des Le-sens und Textproduzierens betrifft;

– Themenbereiche, an denen sie beson-ders interessiert sind;

– die Bildungsstufe, auf der sie unter-richten;

– die Ziele ihrer Deutschlerner, d. h., obsie eher an allgemeinen Deutschkursenoder an Spezialkursen interessiert sind;

– das bisher im Unterricht benutzteLehrwerk.

Diese Informationen haben einen direk-ten Einfluß auf die Auswahl der Texteund die Form der Aufgabenstellungen.Andere Informationen, z. B. die zeitlicheBelastbarkeit der Kandidaten, sind eherwichtig für die Organisation und Struk-tur des Kurses.

2.1.5 Inhalte des ProgrammsBezüglich der Inhalte orientieren wir unsvorerst an dem Fächerkanon der beste-henden Lehrerausbildung, schon um dasAbschlußdiplom vergleichbar zu machen.Die theoretischen Fächer umfassen:– Einführung in die Linguistik– Linguistik für den Fremdsprachenunter-

richt: Phonetik, Syntax, Semantik, Prag-matik, Textlinguistik, Soziolinguistik

– Psycholinguistik und Psychopädago-gik

– Methodik des Fremdsprachenunter-richts

– Pädagogische Grammatik– Vermittlung der Fertigkeiten Hörver-

ständnis, Leseverständnis, Mündlicheund Schriftliche Produktion

– Testen und PrüfenUnterrichtspraktische Fächer sind:– Unterrichtsbeobachtung– Unterrichtsplanung und -versuche.Zusätzlich halten wir gerade für denFernstudiengang die Fächer Landeskundesowie Literatur und Literaturkdidaktik fürnotwendig. Im ersten Fach sollen z. B. dieInstitutionen in Deutschland und dieneuere Geschichte kennengelernt, vor al-lem aber ein Einblick in die Alltagskulturder deutschsprachigen Länder gegebenwerden, da viele der Kandidaten dieseentweder noch gar nicht kennengelernthaben oder bereits seit vielen Jahren fernvon ihrem Heimatland leben. Durch dieLiteratur und Literaturdidaktik soll einGegengewicht geschaffen werden zu derbei vielen Deutschlernern vorhandenenOrientierung an Technik und Wirtschaftder deutschsprachigen Länder. Außer-dem kann man wahrscheinlich zu Rechtmit Gerhard Neuner sagen, daß ein guterDeutschlehrer zumindest Grundkennt-nisse im Bereich der deutschen Literatur(und ihrer Didaktik) haben sollte (1993:26; vgl. dazu auch Weinrich 1979).

2.2 Struktur und Organisation des KursesDie Ausbildung gliedert sich in Präsenz-und Distanz-Phasen. Letztere haben eherden theoretischen Teil der Ausbildungzum Inhalt und erfordern die selbständi-ge Bearbeitung der Materialien und Auf-

1 Selbst die Autoren und Anwender der Fernstudieneinheiten des GI, DIFF und der GHKkommen in entsprechenden Erfahrungsberichten zu diesem Ergebnis und schlagen vor,zusätzliche regionale Arbeitshefte zu entwickeln, die der speziellen Situation jedesLandes besser gerecht werden (Asche/Manns 1993: 9 und Lehners 1993: 49).

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gaben durch die Studierenden an ihremHeimatort. Daneben sind insbesonderefür die unterrichtspraktischen Fächer re-gelmäßige Präsenz-Phasen geplant. Jenach Möglichkeit der Teilnehmendenkönnen sich die Präsenz-Phasen in zwei-mal ca. 10 Tage pro Semester oder eineBlockphase von ca. drei Wochen pro Se-mester gliedern. Anhand der oben er-wähnten Umfrage soll herausgefundenwerden, welche der Lösungen realisti-scher ist. Obwohl das Programm im Prin-zip ohne Tutoren auskommen soll, wärees von großem Vorteil, wenn es im Einzel-fall doch zur Betreuung oder Beratungdurch Tutoren oder auch zur Bildung vonArbeitsgruppen kommen könnte.

2.2.1 Präsenz-PhasenDas Fernstudium beginnt mit einer Prä-senz-Phase von mindestens einer Woche.Ein Zweck der Phase ist die Durchfüh-rung des oben bereits erwähnten sprachli-chen Eingangstests. Daneben soll sie dazudienen, sich persönlich kennenzulernenund ein gewisses Gruppengefühl zu ent-wickeln, den Studierenden eine Einfüh-rung in die Studienform und das Studien-programm zu geben, in die Arbeitsweiseund Grundbegriffe der jeweiligen Fächereinzuführen sowie die exemplarische Ar-beit mit den Fernmaterialien gemeinsamzu erproben. Eine weitere wichtige Funk-tion dieser Phase ist die Einführung in diePrinzipien der Unterrichtsbeobachtung,-analyse und -planung. Dabei werdenauch gemeinsame Unterrichtshospitatio-nen mit Vor- und Nachbesprechungendurchgeführt. Abschließend erhalten dieKandidaten ein Materialpaket mit den»Basismaterialien« und dem »Kursbuch«(siehe unten).In der nächsten Präsenz-Phase (etwa inder Mitte oder am Ende des Semesters)steht vor allem ein intensives unterrichts-praktisches Seminar mit Hospitationen,eigenen Unterrichtsversuchen, Auswer-

tung und methodisch-didaktischer Ana-lyse im Mittelpunkt. Daneben dient diePhase der Klärung offener Fragen in denjeweiligen Fächern und der gezielten Wie-derholung und Vertiefung bestimmterfachlicher Aspekte. Während der Di-stanz-Phase erstellte schriftliche Arbeits-aufgaben zu bestimmten Themen, dieschon vorher an alle Teilnehmer zur Lek-türe und Kommentierung verteilt wur-den, werden diskutiert und kommentiert.Natürlich wird die gemeinschaftlicheKurskritik und -evaluation in den jeweili-gen Fächern und am Kurs allgemein einwichtiger Bestandteil der Präsenz-Phasesein. Durch dieses »Feedback« könnenProgramm, Materialien, Kommunika-tions- und Arbeitsformen in der folgen-den Distanz-Phase gegebenenfalls modi-fiziert und verbessert werden. Nicht zu-letzt werden in den Präsenz-Phasen auchTests in den jeweiligen Fächern durchge-führt. Sie bilden einen Teil der Evaluationder Studienleistungen.

2.2.2 Distanz-PhasenEin großer Teil der Lehrmaterialien wird ingedruckter Form vorliegen. Insbesonderesind vorgesehen:Kursbuch: Das Kursbuch stellt eine allge-meine Anleitung zur Arbeit mit den Stu-dienmaterialien dar. Die Art und derZweck der verschiedenen Materialienwerden ebenso ausführlich erklärt wieihre Struktur, die wichtigsten Arbeitswei-sen mit ihnen, die Kommunikationsfor-men und der Semesterkalender. Danebenwerden allgemeine Anleitungen zu Ar-beitstechniken und zum Erstellen vonLerntagebüchern gegeben.Bausteine: Die Bausteine enthalten Ein-führungen in das jeweilige Thema, Texteund Aufgabenstellungen (vgl. dazu un-ter Punkt 3.3). Ein weiterer wichtiger Teildes Materials besteht in dem Angebotvon Wahlpflichtschwerpunkten; hier sollendie Studierenden vertiefend mit Fachlite-

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ratur arbeiten; diese wird im Materialmitgeliefert. Daneben enthält das Materi-al auch Probetests zur Selbstevaluierungmit beigefügten Lösungsvorschlägen.Vor allem für die unterrichtspraktischenFächer, aber auch für Anwendungs-aspekte der anderen Fächer, etwa Phone-tik, werden Videobänder erstellt; hierfürnehmen wir im CELE Unterrichtseinhei-ten zu bestimmten Aspekten auf. Bei vor-handener technischer Ausstattung an derjeweiligen Institution können auch dorterste unterrichtspraktische Versuche derStudierenden dokumentiert und gemein-sam analysiert und besprochen werdenbzw. die Studierenden erhalten die Auf-gabe, fremden Unterricht aufzunehmenund zu analysieren; bei fehlender Video-ausstattung ist ersatzweise natürlichauch die Arbeit mit Kassettenaufnahmenmöglich.Als Kommunikationsmedien sind zunächst(bis alle Universitäten mit E-Mail ausge-stattet sind) Fax, private und öffentlichePostdienste und Telefon vorgesehen. DieLösungen zu den Einsendeaufgaben soll-ten aus Effizienzgründen per Fax oderprivatem Postdienst eingesandt werden.Das Fax ist auch das Kommunikations-medium für eventuell auftretende Rück-fragen und ad-hoc-Kommunikation.Es ist geplant, einmal in der Woche eineArt »Fernsprechstunde« der Dozenteneinzurichten, zu der diese angerufenwerden können oder ihnen ein Fax zuge-sandt werden kann. So lassen sich auftre-tende Probleme und Fragen dann kurz-fristig beantworten oder lösen.

2.2.3 EvaluierungDie Evaluierung der Studierenden erfolgtanhand der Einsendeaufgaben, der Pa-pers und der Präsenz-Prüfungen. Dane-ben wird auch die konstante Teilnahmeberücksichtigt. In den unterrichtsprakti-schen Fächern wird außerdem eine Lehr-probe abgehalten.

3.0 Methodologie des ProjektesZunächst sollen drei Fächer exemplarischentwickelt und getestet werden: Methodikdes Fremdsprachenunterrichts, Einführungin die Linguistik und Pädagogische Gram-matik. Orientiert an diesen Modelleinhei-ten werden dann weitere Bausteine zuanderen Themen erarbeitet.

3.1 Erste Ergebnisse der UmfrageAufgrund der ersten Rückmeldungen,die auf unseren Fragebogen eingetroffensind, ergibt sich folgendes Bild: Die Inter-essenten haben in der Mehrheit der Fälleeinen Universitätsabschluß, jedoch istdieser nicht immer fachbezogen. Es gibteinige Übersetzer, die sich für eine Zu-satzausbildung zum Lehrer interessieren,aber etwa auch Tourismus- oder Verwal-tungsangestellte, Ärzte und Hausfrauen.Aus dieser Heterogenität sowie der Tat-sache, daß es sich hier um eine Universi-tätsausbildung handelt, ergibt sich fürunseren Kurs als weiteres Hauptziel dieEinführung in wissenschaftliches Arbei-ten. Hiermit ist vor allem das Lesen undVerarbeiten von Fachtexten gemeint,Umgang mit fachbezogener Bibliogra-phie, das Verfassen von theoretischenund anwendungsbezogenen Texten so-wie das selbständige Erstellen von eige-nem Unterrichtsmaterial. Die Erfahrungmit früheren Generationen der Lehrer-ausbildung am CELE hat gezeigt, daß dieLehrerkandidaten zwar oft schon eigeneLehrerfahrungen gesammelt hatten, daßdiese aber noch der Systematisierung be-dürfen. Das Inbeziehungsetzen der eige-nen Erfahrung mit Fachliteratur, selb-ständiges Weiterlernen und Umgang mitverschiedenen Textsorten, die auf einemmittleren Abstraktionsniveau angesie-delt sind – dies sind Fähigkeiten, die imLaufe der Ausbildung oft noch erworbenwerden müssen.In Bezug auf die Deutschkenntnisse siehtdie Situation auch nicht so aus, wie man

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sie sich wünschen würde: Einige Kandi-daten haben nur das »Zertifikat Deutschals Fremdsprache« und waren noch nie inDeutschland. Nach unserer Erfahrungmit der Präsenz-Ausbildung erreichenLehrerkandidaten mit diesem Eingangs-niveau auch im Laufe der Ausbildungnicht die sprachliche Befähigung, im Un-terricht sicher und korrekt die deutscheSprache zu vermitteln; zum anderen fälltes solchen Studierenden sehr schwer,deutsche Fachtexte zu lesen oder eigeneArbeiten in dieser Sprache abzufassen.Die fehlende Sprachfähigkeit wirkt sichso auch ungünstig auf das Aufnehmenund Verarbeiten von Information aus.Für das Präsenz-Studium können Kandi-daten, die lediglich Grundkenntnisse ha-ben, also nicht akzeptiert werden. Auspädagogischen und sprachpolitischenGründen wäre allerdings zu überlegen,ob im Fernstudienmodus, der ja seinemWesen nach mehr Freiheit bietet undnicht auf homogene Diskussions-Grup-pen angewiesen ist, den Kandidaten mitfehlenden Deutschkenntnissen trotzdemdie Gelegenheit geboten werden könnte,an einzelnen Fächern teilzunehmen. Die-se würden dann jedoch nicht zur Ab-schlußqualifikation führen, sondern nurals Fortbildung anerkannt werden. Beidiesen Überlegungen ist der speziellenSituation in Mexiko Rechnung zu tragen,die vielen Interessierten sonst eine Wei-terbildung gar nicht erlauben würde.Gleichzeitig wäre sicher ein zum Studi-um paralleler Fernstudienaufbaukurs inDeutsch (Grammatik, Lesen, Texte ver-fassen) wünschenswert.Was die zur Verfügung stehende Zeit an-belangt, so hat sich bisher ergeben, daßdie Lehrerkandidaten eher weniger Zeitals die zugrunde gelegten 12–14 Stundenwöchentlich haben. Oft wurden nur Zah-len von 6–8 Stunden genannt. Dies hättezur Folge, daß der Kurs sogar noch deut-lich länger als die vorgesehenen 2 Jahre

dauern müßte. Motivationspsychologischkönnte dies jedoch problematisch sein.Als Hauptgrund des Interesses an derAusbildung wurden die in den letztenJahren an mexikanischen Universitätengestiegenen Anforderungen an berufli-che Qualifikationen für feste Anstellun-gen genannt.

3.2 »Action Research« zur Analyse vonLehr- und LernprozessenDie günstige Situation, daß wir als Ent-wickler des Programms gleichzeitig Do-zenten des Präsenz-Studiums sind, er-laubt uns im laufenden Ausbildungsjahreine besondere Forschungsanordnung.Jeweils ein Dozent/eine Dozentin leitetdie Sitzungen im Fach »Methodik«, wäh-rend der/die andere als »teilnehmenderBeobachter« das Geschehen in Notizen,Tonband- oder Videoaufzeichnungenfesthält. Hiervon versprechen wir unseinen genaueren Aufschluß über die tat-sächlichen Fragestellungen, die die Stu-dierenden haben, sowie über Schwierig-keiten beim Verständnis bestimmter Tex-te und Aufgabenstellungen. Im Sinne derMethodologie des »Action Research«(vgl. dazu Erickson 1982 und Nunan1993) kann außerdem die Dynamik imAusbildungsseminar selbst beobachtetwerden. Kommunikationsformen zwi-schen Dozenten und Studierenden kön-nen beschrieben sowie diejenigen Stellenanalysiert werden, an denen Unklarhei-ten und Unsicherheiten auftauchen oderwo die Kommunikation gestört ist. Fer-ner kann beobachtet werden, durch wel-che Art von Hilfen diese Störungen besei-tigt werden können. Diese Analysen so-wie anschließende Gespräche mit denStudierenden über ihre Erfahrungen imSeminar können wertvolle Informationenzur »Didaktik der Universitätsausbil-dung« liefern, ein Gebiet, das allgemeinvon der pädagogischen Forschung bishereher vernachlässigt wurde.

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3.3 Elemente jedes BausteinesJedes Fach, z. B. Methodik des Fremdspra-chenunterrichts oder Pädagogische Gram-matik, beginnt mit einer Einführung, dieeine Definition des Faches, die wichtig-sten Fragestellungen, seine Stellung in-nerhalb der Angewandten Linguistikund seine Relevanz für die Lehrerausbil-dung beinhaltet. Sodann wird das Fach inThemen aufgeteilt, die als »Bausteine«des Materials präsentiert werden. Es istgünstig, wenn diese Lehr-Einheiten for-mal gleich oder ähnlich aufgebaut sind,denn dies erleichtert die selbständige Ar-beit mit ihnen. Im einzelnen werden siefolgende Teile haben:1

– Zu jedem Thema werden konkreteLernziele angegeben.

– Eine Einleitung, die kurz erklärt, wel-ches die Funktion des folgenden Mate-rials, z. B. der Texte, Kassetten- oderVideoaufnahmen ist, wie sie sich einer-seits in den Themenbereich des jeweili-gen Fachs eingliedern und welche Stel-lung sie andererseits innerhalb desAusbildungskurses haben.

– Textarbeit: Da das Lesen und Verarbei-ten von gedruckten Texten zentral fürdie Ausbildung ist und auch einenTransfer-Effekt für das Weiterlernender Studierenden haben soll, wird dieArbeit mit ihnen besonders gründlichsein. Sie werden möglichst durch »Ad-vance Organizers« vorentlastet. Diesestehen an der Stelle des einführendenGesprächs der Studierenden mit demDozenten im Präsenz-Unterricht.Gleichzeitig werden mit solchen Fra-gen und Überlegungen, die das Vor-wissen aktivieren sollen, nach psycho-linguistischer Sicht bessere kognitiveGrundbedingungen für die Aufnahmevon neuer Information geschaffen

(Westhoff 1987: 65ff.). Dieselbe Funkti-on der Orientierung können zum Bei-spiel auch Schlüsselwörter zum Textübernehmen, die gleichzeitig auf denUmgang mit ihnen in »Abstracts« oderwissenschaftlichen Artikeln vorberei-ten. Sehr lange und komplexe Textewerden in kleinere Texteinheiten zer-gliedert, mit Aufgaben zur Aufberei-tung des Inhalts. Da der Studierendesich allein mit dem Text auseinander-setzen muß und keine psychologischeHilfe durch die Gruppendynamik ineiner Klasse hat, soll diese Aufgliede-rung das Lesen, Verstehen und Struk-turieren der Information erleichtern.Allerdings ist auch hier an eine Pro-gression der Fähigkeiten gedacht, d. h.die zu bewältigenden Textausschnittesollten immer länger werden undschließlich zum selbständigen Erarbei-ten vollständiger Texte hinführen.

– Weiterführende Aufgaben, die auf eineaktive Verarbeitung des Gelesenen ab-zielen, z. B. das Einordnen in bereitsvorher Gelesenes, das Umstrukturierender Information, Reflexion in Bezugauf die eigene Situation etc. Auch prak-tische Anwendungsaufgaben, die anden jeweiligen Kursleiter eingeschicktund von diesem kommentiert werden,sind hier eine sinnvolle Aufgabenstel-lung: Wenn z. B. das Thema »Wort-schatzvermittlung« in einem theoreti-schen Aufsatz diskutiert wurde, könn-te eine Aufgabe lauten, die soeben ken-n e n g e l e r n t e nVokabelvermittlungsmethoden auf dasVokabular einer Lektion im vom Stu-dierenden benutzten Sprachbuch an-zuwenden oder eine Unterrichtsphasezur Einführung von neuem Wortschatzzu entwerfen.

1 Vergleiche zum folgenden Abschnitt den sehr anregenden Sammelband von MichaelMoore (1990).

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– Kontrollaufgaben und Antwortschlüsselzur selbständigen Überprüfung desTextverständnisses.

– Textkritik: Hier soll der Studierende un-ter Anleitung den Standpunkt und dieIntention eines Autors erkennen sowiedarüber reflektieren, welche Aspekteeines Themas noch fehlen oder nichtvollständig dargestellt wurden, undden Text in kritische Beziehung zu an-deren Ansätzen und Modellen setzen.

3.4 TextauswahlWir halten eine breite Fächerung von Ori-ginaltexten für wichtig, die zum Umgangmit verschiedenen Textsorten hinführen.So kann man Aufsätze aus Fachzeitschrif-ten, einzelne Kapitel aus didaktischenWerken, auch zum Beispiel aus Lehrer-handbüchern, Lexikonartikel, Ausschnit-te aus Grammatiken etc. zur Behandlungeines Themenbereichs auswählen.1

Wie Davis (1990: 243ff.) anmerkt, mußman besonders für die Arbeit mit Fern-studienmaterial Texte auch sprachlich soauswählen, daß sie ohne besondereMühe selbständig erarbeitet werden kön-nen. In diesem Zusammenhang ist dar-auf zu achten, daß das Vokabular, aberauch syntaktische Komplexität, dem The-ma, besonders aber den Lesern angemes-sen sind. Texte sollen inhaltlich gut struk-turiert sein und durch Zwischenüber-schriften und Graphiken das Verstehenerleichtern. Unser Ziel des Heranführensan wissenschaftliches Arbeiten verlangtandererseits den Einsatz von verschiede-nen Textsorten sowie von für das jeweili-ge Themengebiet repräsentativen Texten.Beide Kriterien, Erleichterung des Text-verstehens und die Befähigung zum Um-gang mit authentischen – auch manchmal

anspruchsvolleren – Texten, müssen un-ter pädagogischen Ge-sichtspunkten ge-geneinander abgewogen werden.

3.5 Prinzipien der GestaltungRandglossar: Bei selbst erstellten Textenwie z. B. Einführungen wird jeder neueFachbegriff beim ersten Auftreten klardefiniert und typographisch hervorgeho-ben. Zur Verbesserung der Leserfreund-lichkeit werden zusätzlich schwierige Be-griffe, die nicht im aktuellen Text erklärtwerden, in einem Randglossar definiert.Dies gilt besonders für authentische Tex-te. Daneben ermöglicht ein alphabetischgeordnetes Gesamt-Glossar das Nach-schlagen aller eingeführten Begriffe.Graphische Darstellungen erleichtern dasVerständnis eines Textes. Wenn diesenicht schon im Text vorhanden sind,kann man sie in einigen Fällen selbstentwerfen oder von den Studierendenentwerfen lassen.Hauptideen, sowie alle generalisierendeInformation, die nach lernpsychologi-schen Studien besonders gut im Gedächt-nis haften bleibt (Rohrer 1985: 606), wirddrucktechnisch hervorgehoben, etwa mitKursivschrift, Fettdruck, Unterstreichung,Kästen und großzügig bemessenem»white space«.

4.0 Beispiel für die Arbeit mit einemauthentischen TextFür den Baustein »Wortschatzdidaktik«innerhalb des Faches Methodik desFremdsprachenunterrichts planen wirdie Arbeit mit den folgenden authenti-schen Texten: Rohrer (1985); Quetz/Bol-ton/Lauerbach (1981: 92–103); Scherfer(1985); Müller (1994) sowie Handbuchar-tikel aus Bausch et al. (1995).

1 In diesem Punkt unterscheidet sich unsere Konzeption deutlich von den Fernstudie-neinheiten von GI, DIFF und GHK, in denen die informierenden Texte von den Autorenselbst verfaßt sind, vgl. die Darstellung bei Neuner (1993).

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Abschließend stellen wir exemplarischdie Arbeit mit einem Teil des Artikels vonJ. Rohrer vor.

Thema: WortschatzdidaktikText: Rohrer, Josef (1985): »Lernpsycholo-gische Aspekte der Wortschatzarbeit«,Die Neueren Sprachen 84, 6, 595–612.

I. Vorüberlegungen:Legen Sie sich bitte Papier und Stift bereit.Überlegen Sie:

a. Wie wichtig ist Vokabellernen Ihrer Mei-nung nach beim Fremdsprachenlernen?Tragen Sie Ihr Ergebnis auf eine Skala von1 (unwichtig) bis 10 (sehr wichtig) ein:

(unwichtig)|– 1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7– 8 – 9 – 10 –| (sehr wichtig)

b. Mit welchen Aktivitäten kann man imUnterricht das Vokabellernen fördern?________________________________________________________________________________________________________________________________________

c. Was meinen Sie: Welche Hauptproblemegibt es beim Vokabellernen?________________________________________________________________________________________________________________________________________

d. Wie haben Sie selbst Vokabeln einer Fremd-sprache gelernt? Beschreiben Sie möglichstgenau die Schritte:1.2.3.4.…

e. Überlegen Sie, welche Vorteile und welcheNachteile Ihre Art(en) des Vokabellernenshatten; notieren Sie die Ergebnisse in einerListe (bitte mit Begründungen)!Vorteile: Nachteile:

f. Halten Sie sich für eine(n) gute(n) oderschlechte(n) Vokabellerner(in)?_________________________________

g. Gibt es Vokabeln, die Sie leichter ge-lernt haben als andere? Welche?_________________________________

II. TextarbeitII.a. Textverstehen

VorüberlegungMan kann Wortschatzarbeit unter ver-schiedenen Aspekten betrachten. EinAspekt dabei ist, wie Sprachenlerner Vo-kabular am besten lernen: Wie verarbei-tet, speichert etc. das Gehirn (und hier dasGedächtnis) komplexe Einheiten wie»Wörter«? Welche Beziehungen bestehenzwischen den Wörtern und Begriffen imGedächtnis? Wie ist Vokabular im Ge-dächtnis normalerweise strukturiert? Waspassiert, wenn man neue (etwa fremd-sprachliche) Wörter dazulernt? Wie »ruft«man gespeichertes Vokabular »ab« – undwelche Probleme treten dabei eventuellauf? Diese lernpsychologischen und ko-gnitiven* Aspekte der Wortschatzarbeitsind wichtig, wenn man herausfindenwill, wie man am besten Vokabular lernenund lehren kann. Der Artikel von Rohrer(1985) [hier: S. 490–491] behandelt einigewichtige lernpsychologische Aspekte desVokabellernens, die für den Unterrichtrelevant sein können.

* kognitiv: die mentalen Prozesse bei Er-werb und Verwendung von Sprache be-treffend (diese können unbewußt oderbewußt sein)

Aufgaben1. Lesen Sie den Artikel zunächst ganz durch.

Beachten Sie die Randglossen. Legen Sie sicheine Kommentarliste an [hier: S. 491].

2. Versuchen Sie, die Hauptidee des Textes inein bis zwei Sätzen zu formulieren.__________________________________________________________________

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3. »Paarassoziationslernen« ist »sinnfreiund ungeordnet » (S. 596, Zeile 2).Zeigen Sie an einem Beispiel, wie Paarasso-ziationslernen funktioniert.____________________________________________________________________

4. Warum wird beim Paarassoziationslernen»sinnfrei und ungeordnet« gelernt? Wel-che Ordnung des Vokabulars könnte esgeben?____________________________________________________________________

5. Geben Sie bitte in eigenen Worten die zweiim Text beschriebenen Ergebnisse der Ge-dächtnisforschung wieder (Zeile 7–12):1. ________________________________2. ________________________________

6. »Solche alternativen Lernarten sinddem Leser bekannt…« (Zeile 19):Stimmt das? Sind Ihnen alternative Lern-arten bisher bekannt (gewesen)? Welche?____________________________________________________________________

7. Ein »Begriff« kommt laut Rohrer zu-stande, indem man für verschiedenar-tige Gegebenheiten/Dinge gemeinsa-me Merkmale findet (denken sie an dieBeispiele Schutz im Verhältnis zu Dach,Schirm, Hut bzw. hart, Härte im Verhält-nis zu Stahl, Stein, Zahn). Finden Siehierfür bitte drei eigene Beispiele.____________________________________________________________________(…)

8. Auf Seite 598 zeigt Rohrer, wie »taxo-nomisches Denken« für die Vokabelar-beit genutzt werden kann. WichtigeBegriffe sind »Überordnung«, »Neben-ordnung« und »Unterordnung«. SehenSie sich bitte Beispiel 3.1 an und versuchenSie, diese Aufgabe zu lösen: Gewichtsabnahme________________________________________________ _____________________________ _____________________________ _______________(…)

9. »Cloze-Technik«: Auch wenn Sie nichtalle Termini, die Rohrer (Seite 608) ver-wendet, genau verstanden haben, kön-nen Sie aus den Beispielen schließen,was gemeint ist: Ein Schema (z. B.»Heute morgen ging alles schief«) gibteine typische Situation unserer Erfah-rungswelt wieder. Wenn nun Teile derSituationsbeschreibung fehlen, könnenwir sie normalerweise aufgrund unse-res Schemawissens relativ leicht ergän-zen – jedenfalls in unserer Mutterspra-che. Oft haben sich solche Schemataauch schon sprachlich verfestigt, z. B.bei 7.1 (Seite 609):»Sie _________ gern Verantwortung«fordert geradezu das Verb übernehmen.Dies bezeichnet man als »Kollokatio-nen«: relativ feste Verbindungen vonWörtern im Text.Suchen Sie bitte nun selbst ein solchesSchema, in dem die Handlung bzw. dieSituationselemente sehr gut voraussagbarsind! Geben Sie auch ein paar Beispiele fürdie möglichen »Subschemata«:___________________________________________________________________________________________________

(…)

II.b TextkritikBei dem Abschnitt »Textkritik« ist grund-sätzlich Ihre Meinung gefragt. Sie sollen(anhand von Fragen und Anregungen)überlegen, ob Sie dem Autor/der Auto-rin in allen Punkten zustimmen können,ob alle Argumente im Text logisch sind,ob nicht einige Aspekte vergessen wur-den, ob Argumentation und Vorschläge/Schlußfolgerungen konsequent sind, obIhre persönliche Erfahrung gegen deneinen oder anderen Punkt spricht. Wich-tig: Begründen Sie Ihre Kritik so ausführlichwie möglich!1. Schreiben Sie zunächst alles auf, was Ih-

nen kritisch aufgefallen ist, wo Ihnen dieArgumentation (oder die Beispiele) unver-

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ständlich, unlogisch, unrichtig etc. vor-kam:(…)

Im folgenden finden Sie einige Anregun-gen zur kritischen Betrachtung. MachenSie sich bitte Notizen zu den jeweiligenPunkten.2. »Paarassoziationslernen«: Paarassozia-

tionslernen ist »sinnfrei« und »unge-ordnet«, schreibt Rohrer (S. 596). Mußdas so sein? Gibt es Ihrer Ansicht nachauch Vorteile des Paarassoziationslernensim Vergleich zu den von Rohrer vorgeschla-genen Techniken des Vokabellernens?__________________________________(…)

3. Sind die Vorzüge des »begrifflichen Den-kens« und des »assoziativen Denkens« (imSinne eines einzelsprachlichen Assoziie-rens, Rohrer S. 604ff) gegenüber demPaarassoziationslernen wissenschaftlicherwiesen?__________________________________(…)

4. Suchen Sie sich bitte zwei Vokabelübungenaus, die Rohrer beschreibt, und diskutieren Sie, ob Sie sie im Unterricht einsetzenwürden. Begründen Sie ihre Meinung!__________________________________(…)

Josef Rohrer

Lernpsychologische Aspekte der Wort-schatzarbeit

The author makes use of considerations andfindings in the field of the cognitive psycho-logy of memory in order to develop andexplain retention-promoting vocabularyexercises. He suggests that thought is inten-ded, among other things, to process infor-mation in such a way that the memory canstore and retain it for a long time. Thus,primarily verbal modes of thinking, e.g.conceptual, taxonomical, associative, anddeductive thinking, are employed as thebasis for devising vocabulary-buildingtechniques which may prove to be moreeffective than the time-worn forms oflearning by pair association.

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Naiv, wie der exemplarische Sprachen-lernende nun einmal ist, macht er sich andie Arbeit und tut das für ihn Selbstver-ständliche: er lernt die Vokabeln der an-deren Sprache und dazu die Regeln, nachdenen dieselben aneinandergereiht wer-den. Schließlich sind für ihn die Wörterdiejenigen Elemente des Sprachbaus, dieals einzige sichtbar und hörbar sind.Nach dem Vorbild der meisten Wörter-verzeichnisse in Lehrbüchern lernt er dieWörter in Form von Listen, zweisprachi-gen in der Regel, einsprachigen aus-nahmsweise.Hätte der Lernende sich mit Gedächtnis-psychologie befaßt, wüßte er, daß er mitdieser Art des Vokabellernens das soge-nannte Paarassoziationslernen treibt,eine Lernart, die, wenngleich uralt, derbesonderen Natur der menschlichen In-telligenz nicht angemessen sein soll.Beim Paarassoziationslernen ist der Ler-nende nämlich versucht, sinnfrei undungeordnet zu lernen; sinnfrei, weil ervielleicht L1-Wort und L2-Wort lediglichassoziativ verknüpft, ohne an die ge-meinte Sache zu denken (denken zumüssen); ungeordnet, weil er vielleichtnicht an andere Sachen denkt (zu denkenbraucht), mit denen die gemeinte Sacheein aus Erfahrung gewachsenes Bezie-hungsgeflecht bildet.Nun sagt die Gedächtnisforschung, daßder lernerwachsene Mensch sprachlichaufgenommene Informationen in derWeise behält, daß er einer Äußerung vorallem das vermeintlich Gemeinte ent-nimmt und auch eher das Ungesagte alsdas Gesagte, und daß er Erkanntes inschon vorhandene stabile Beziehungsge-flechte oder Schemata (falsch oder rich-tig) einordnet, indem er also versteht.Unser Gedächtnis ist somit als Lernorgananscheinend eher an Inhalt, als an Forminteressiert; es scheint vorwiegend se-mantisch orientiert, daß heißt auf Bedeu-tungsgewinn aus zu sein.Wenn dem so ist – Versuchsergebnisse,individuelle Erfahrung und Plausibilitätder Argumentation sprechen zumindestnicht dagegen –, könnten für das Voka-bellernen Alternativen zum hergebrach-ten Paarassoziationslernen genutzt wer-den, die sinnvolles und geordnetes Ler-nen nicht nur erlauben, sondern

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alternativen Lernar-ekannt, und er wirdel halten, da sie be- menschlichen Den-

Ob sie schon alleinrassoziationslernente sich erst erweisen.r Wahrscheinlichkeitenn Lehrer und Ler-

berlegenheit über-

ten, daß unser Den-ilfe sprachlicher Zei- ordnenden Mustern zu ihnen führt. Ord-tehen zum Beispiel,einsamen Merkma-

ten suchen. In der Tatlichen Merkmale des von Merkmalen, dieemeinsam besitzen.

Sachen Dach, Schirm fällt uns schnell ein,Funktion Schutz ge-n Sachen Stahl, Stein wir schnell darauf,haft hart oder Härte.art und Härte nennenn mit Hilfe solcher

n nennen wir begriff-

n entspricht anschei-unseres Gedächtnis-verhalte durch Aus-Merkmale auf eine

tufe zu bringen und zu behalten. Es liegtelübungen zu ma-es Denken als eine

rens realisieren.

erzwingen. Solche ten sind dem Leser bsie auch für plausibstimmten Arten deskens entsprechen. deshalb dem Paaüberlegen sind, müßSie sind es mit großezumindest dann, wnende von ihrer Üzeugt sind.Wir können beobachken, wenn es mit Hchen geschieht, vonbestimmt wird odernende Muster entswenn wir nach gemlen von Gegebenheiist eines der wesentOrdnens das Findenbestimmte Sachen gWenn wird die dreiund Hut betrachten,daß allen drei die meinsam ist. Bei deund Zahn kommendaß sie die Eigenscgemeinsam besitzenDie Wörter Schutz, hwir Begriffe, Denkesprachlichen Zeicheliches Denken.Begriffliches Denkenend der Neigung ses, komplexe Sachwahl wesentlicher hohe Abstraktionssnur die Abstraktiondaher nahe, Vokabchen, die begrifflichForm des Abstrahie

(Die Neueren Sprachen 84, 6 (1985), 595–612)

L1 = Language 1: MutterspracheL2 = Language 2: Fremdsprache, Zweit-

sprache

das vermeintlich Gemeinte: der vermutli-che Inhalt/die vermutliche Bedeutung ei-ner Äußerung und ihr Bezug auf Dinge,Gegenstände, Ideen

semantisch: auf die Bedeutung von sprach-lichen Ausdrücken bezogen

Merkmal (engl.: feature, marker): linguistischrelevante Eigenschaft (z. B. auf der Ebeneder Bedeutung eines Wortes);Bsp.: Junge, Mann, Großvater etc. habenalle das Merkmal [männlich]

Begriff: gedankliches Konzept, durch dasGegenstände oder Sachverhalte klassifi-ziert werden, etwa nach bestimmten Ei-genschaften oder Beziehungen;Bsp.: Stahl, Stein und Zahn sind hart, siehaben alle die Eigenschaft Härte

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(K)ein Konzept in Brasilien?

Deutschstudien an brasilianischen Universitäten – Eine Replik

Klaus Eggensperger

1. VorbemerkungIn ihrem Beitrag zu Info DaF 23, 5 (1996)präsentieren Kathrin Sartingen undHenrick Stahr Überlegungen zur Lageder Deutschstudien an den Universitä-ten Brasiliens und zu den DAAD-Lekto-raten in diesem Land. Der Aufsatz ist vordem Hintergrund einer möglichen»Konzeption Sprache Brasilien« ge-schrieben worden, einer gemeinsamenPlattform von Goethe-Instituten, DAADund ZfA für die Spracharbeit. Die Auto-ren stellen eine Reihe von Fragen zu denAufgaben der Lektorate und Deutschab-teilungen und zeigen einige Tendenzenauf, was die Nachfrage nach Deutschsowie Entwicklung von Studiengängenbetrifft. Insgesamt erscheint ihnen dieLage unübersichtlich. Jede Deutschab-teilung habe ihre spezifischen Probleme,die Zielgruppen der universitärenSpracharbeit und ihre Bedürfnisse seiennicht klar zu fassen, verläßliche Markt-befragungen gebe es offensichtlich nicht.Die Frage, ob man an den Universitäteneher Sprachunterricht betreiben oderbesser Germanisten ausbilden solle, las-sen sie deshalb unbeantwortet; aberohne ein klares Ziel könne es auch keineKonzeption universitärer Deutschstudi-

en in Brasilien geben. Schließlich konsta-tieren sie:»Das Anforderungsprofil der Lektoratewird durch die Ausrichtung der Deutsch-studien an der jeweiligen Universität be-stimmt. Es kann daher keine Gesamtstrate-gie für den Lektoren-Einsatz geben, ebenso-wenig wie eine generelle Konzeption fürdie Deutschstudien in Brasilien«. (Sartin-gen/Stahr 1996: 598)

Dazu möchte ich im folgenden kontro-vers Stellung beziehen, wobei es mirnicht auf einzelne eventuell (un-)zutref-fende Beobachtungen in diesem Aufsatzankommt, sondern auf den Blickwinkel,aus dem die Autoren das Problem erör-tern.

2. Gemeinsamer Markt, gemeinsameProblemeDeutsch befindet sich in Brasilien gegen-wärtig sicherlich nicht im Aufwind.Wenn man eine Prognose für die näch-sten Jahre wagt, so sprechen alle Anzei-chen dafür, daß der Markt stagnierenoder die Entwicklung sogar rückläufigsein wird. An vielen Hochschulen sinddie Deutschkurse klein, mit bescheide-nen Teilnehmerzahlen, und eine Trend-wende scheint nicht in Sicht. Der Spiel-raum für neue Kursarten ist also sehr

Info DaF 24, 4 (1997), 493–498

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begrenzt. Worauf begründet sich die Ver-mutung, es werde sich »eine spezifischeNachfrage nach Deutschangeboten ent-wickeln, z. B. nach differenzierten Fach-sprachen- oder Lesekursen« (Sartingen/Stahr 1996: 600)? Deutsch als Fachspra-che in Naturwissenschaft und Technikspielt aus naheliegenden Gründen keinenennenswerte Rolle; Kurse zur Ausbil-dung von FremdsprachensekretärInnenoder ÜbersetzerInnen werden entwederwieder abgeschafft oder in andere schonbestehende integriert (Beispiel: die ge-plante Umstrukturierung an der Bun-desuniversität in Florianopolis, SantaCatarina). Am aussichtsreichsten schei-nen noch Lesekurse für Geisteswissen-schaftler. Wer Literatur oder Philosophiestudiert, für den sind, neben dem Fran-zösischen, Deutschkenntnisse nach wievor wichtig.Die Gründe für diese Entwicklung sindvielfältig. Sicherlich befindet sichDeutsch seit einiger Zeit zusammen mitanderen europäischen Fremdsprachen ingrößerer Konkurrenz zu Spanisch. Im-mer mehr Studierende, die nach Eng-lisch eine zweite Fremdsprache lernenwollen, entscheiden sich aufgrund derverstärkten wirtschaftlichen Zusam-menarbeit Brasiliens mit den lateiname-rikanischen Nachbarländern (Mercosul)für das Spanische. Ein weiterer wichtigerFaktor ist die mangelnde Attraktivitätder Deutschlehrerstudiengänge, daraufweisen Sartingen/Stahr auch hin. Stellenfür Deutschlehrer an öffentlichen Schu-len, die z. B. die Landesregierung vonParaná ausschreibt, können mangels In-teressenten kaum besetzt werden. DerHintergrund dafür ist eindeutig in derUnterbezahlung der Lehrerinnen undLehrer zu sehen. Solange der Lehrerbe-ruf nicht finanziell aufgewertet wird,bleibt er für die Studierenden, die ja ausder brasilianischen Mittel- und Ober-klasse stammen, uninteressant; insofern

nützen eventuelle »starke Anstrengun-gen zur Verbesserung der Attraktivitätder licentiatura« (Sartingen/Stahr 1996:601) unsererseits recht wenig.Was die Goethe-Institute betrifft, so gibt esin letzter Zeit eine deutlich rückläufigeTendenz. Sinkende Schülerzahlen in Bra-silien lassen zusammen mit dem bekann-ten starken finanziellen Druck ausDeutschland für die Zukunft der brasilia-nischen Institute nichts Gutes erhoffen.Das GI Belo Horizonte mußte bereitsEnde 1996 schließen. Inzwischen beherr-schen, wenn man mit Goethe-KollegIn-nen spricht, Vokabeln wie »Sparzwang«,»Synergie-Effekte«, »einschrumpfen« etc.die Diskussion. Weitere Schließungen inden nächsten Jahren sind zu befürchten.An den Universitäten ist die Lage durch-aus vergleichbar. Die brasilianische Re-gierung will eine Universitätsreform, dieden Bundesuniversitäten wesentlichmehr finanzielle Autonomie zugesteht.Es gibt Befürchtungen, daß der öffentli-che Hochschulsektor auf diese Weiseweiter finanziell ausgetrocknet und stär-ker zur Zusammenarbeit mit privatemKapital gezwungen werden soll. In jedemFall werden die kleinen, »unrentablen«Abteilungen in Zukunft unter Druck ge-raten, und dazu gehört an so mancherUniversität auch das Deutsche.Die genannten Faktoren sind von Lekto-rInnen und anderen Sprachmittlernkaum beeinflußbar. Unsere zentrale Auf-gabe kann nur sein, für einen so attrakti-ven Sprachunterricht zu sorgen, daßmöglichst wenig Interessenten wiederabspringen. Zu Recht verweisen Sartin-gen/Stahr auf die hohe Ausfallquote inuniversitären Deutschkursen und die ge-ringe Zahl von Abschlüssen. Im Mittel-punkt aller konzeptionellen Überlegun-gen zu Deutschstudien in Brasilien solltedaher die Qualität des Unterrichts ste-hen.

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3. Aspekte des Unterrichts

3.1 SpracheWer in Deutschland ausländische Studie-rende oder Studienbewerber in Deutschunterrichtet, weiß, wie schwierig es ist,die Sprachprobleme von Lernenden mitverschiedener Muttersprache in einemKurs angemessen zu berücksichtigen. EinGrund dafür ist, daß neben den Persön-lichkeitsmerkmalen der Studierenden,neben deren Lernerfahrungen, der Inter-aktion im Klassenraum etc. auch die sy-stemhaften Merkmale der jeweiligenAusgangssprache beim Spracherwerbeine wichtige Rolle spielen. An einer aus-ländischen Schule oder Universität ha-ben wir den großen Vorteil, daß nicht nurdie Ziel-, sondern auch die Ausgangs-sprache der Teilnehmerinnen und Teil-nehmer in der Regel identisch ist. Wirhaben als DaF-Praktiker in einer solchenSituation die Möglichkeit zu einer kon-frontativen und empirischen Analyse,die aufzeigt, wo die Lernenden zu Feh-lern neigen. Das gilt für die Phonetik, aufden einzelnen Satz bezogen für die Mor-phosyntax und ebenso für Probleme, diedie Lernenden mit Textproduktion und-rezeption haben. Hilfreich dabei undauch für jegliche Übersetzertätigkeitnützlich wäre eine genaue und kontrasti-ve Analyse der Ausgangssprache.Sieht man sich in diesem Zusammenhangdie Realität des universitären wie au-ßeruniversitären Deutschunterrichts inBrasilien an, so stellt man fest, daß hiernoch sehr oft vom Ansatz her wie inDeutschland unterrichtet wird, d. h. dieStrukturen der Ausgangssprache derTeilnehmer nur sporadisch und unsyste-matisch behandelt werden. Diese Situati-on kann auch nicht verwundern. Es gibtkeine Lehrbücher, die für den Einsatz in

Brasilien erstellt worden wären. Wederfindet der Interessierte eine linguistischeFehleranalyse, wie sie etwa für einigebegrenzte Bereiche bei italienischenDeutschlernern durchgeführt wurde(vgl. Putzger 1994), noch eine kontrastiveBeschreibung des Portugiesischen ausdeutscher Sicht (vgl. aber die Arbeit vonAlmeida/de Silva 1977 zum Portugiesi-schen Portugals). Ja, es gibt für den deut-schen Sprachraum bis heute (Ende 1996)keine ernstzunehmende portugiesischeGrammatik1. Nicht einmal ein größeresmodernes zweisprachiges Wörterbuchsteht uns zur Verfügung. Portugiesischist eine Weltsprache, die an deutschenUniversitäten ein Mauerblümchendaseinfristet.Selbstverständlich kann es nicht die Auf-gabe der LektorInnen in Brasilien sein,die Forschungslücken der deutschen Ro-manistik zu schließen, doch könnten wiruns stärker als bisher um einen wissen-schaftlichen Austausch auf diesem Ge-biet zwischen Deutschland und Brasilienbemühen. Darüber hinaus hat derSprachunterricht noch einen anderenwichtigen Aspekt. Schüler wie Lehrer inBrasilien kennen ja die Schwierigkeitenbeim Erwerb der deutschen Sprachemeist recht gut. Dieses intuitive Wissenzu reflektieren, zu systematisieren undunterrichtspraktische Konsequenzendaraus zu ziehen, wäre eine wichtigeAufgabe. Marlene Rall weist darauf hin,

»daß ein von Deutschsprachigen erarbeite-tes Grammatikmodell den kognitiven, af-fektiven und soziokulturellen Eigenheitenvon spanischsprachigen Lernenden nichtgenügend Rechnung trägt, so daß die Er-klär-, Übungs-, Anwendungs- und Trans-fertechniken dementsprechend ergänztoder modifiziert werden müssen« (Rall1996: 443).

1 Vgl. aber Vorarbeiten dazu von E. Gärtner, z. B. in Holtus 1994.

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So etwas wird für den spanischsprachi-gen Raum in dem Forschungsprojekt»Pädagogische Grammatik« an der Uni-versidad Nacional Autónoma de Méxicoversucht; für Brasilien gibt es nicht ein-mal Ansätze dazu.

3.2 LandeskundeBrasilianische Stipendiaten haben es inDeutschland nicht leicht. Das liegt nebenProblemen wie dem der Ausländerfeind-lichkeit auch an einem weitverbreitetenBrasilienbild, das sich auf tropischenStrand, Samba, Mulattinnen und einigeandere exotische Zutaten beschränkt. EinStipendiat aus dem europäisch geprägtenSüdbrasilien (ohne Samba und Karneval)hat sich in Deutschland nach dem drittenBier einmal bitter bei mir darüber be-klagt, daß er mit seinem mitteleuropäi-schen Aussehen von den Deutschen imGrunde nicht als Brasilianer akzeptiertwird. Tradierte und massenmedial tran-portierte Fremdbilder haben aber geradedeshalb eine so enorme Wirkungsmacht,weil sie eine wichtige Funktion für dieeinzelnen Subjekte erfüllen. Danach fra-gen neuere Ansätze in der Landeskunde-diskussion, etwa das bekannte »TübingerModell« (vgl. Mog/Althaus 1992). Lan-deskunde, die über bloße Faktenhubereihinausgeht, bereitet dann auf denDeutschlandaufenthalt vor und wird fürbrasilianische Lernende wirklich span-nend, wenn sie die in Deutschland ver-breiteten Brasilienbilder wie umgekehrtdie in Brasilien tradierten Deutschland-bilder thematisiert. Das leisten weder diebekannten deutschen Lehrwerke nochandere in Deutschland produzierte lan-deskundliche Hilfsmittel und Arbeitsbü-cher. Eigentlich wäre es eine originäreAufgabe der Sprachmittler in Brasilien,diese wichtige Lücke zu füllen und brasi-lienspezifische Materialien zu entwik-keln. Ein erster Schritt könnte sein, einenReader mit interkulturellen Texten zu

diesem Thema zu erstellen. Für das spa-nischsprachige Lateinamerika gibt es be-reits eine entsprechende Anthologie (vgl.Barth u. a. 1992), an der im übrigenDAAD-LektorInnen in Lateinamerikaentscheidend mitgewirkt haben.

3.3 ComputereinsatzOhne Anspruch auf eine vollständige Be-nennung der Probleme, mit denen wir imUnterricht bzw. bei der Ausbildung vonDeutschlehrern konfrontiert sind, sei hiernoch ein wichtiger Punkt erwähnt. Trotzaller finanziellen Restriktionen und Spar-maßnahmen investiert die Regierung ge-genwärtig in erheblichem Maße, was dieAusstattung der Universitäten mit Com-putern betrifft. So wird z. B. die Abtei-lung für moderne Fremdsprachen derUniversidade Federal do Paraná zur Zeitmit modernster Hard- und Software zumUnterrichtseinsatz ausgestattet (obwohlGeld für Fotokopien oder Kreide kaumzur Verfügung steht). Es gibt im Univer-sitäts- wie im Schulbereich zumindest inSüdbrasilien eine deutliche Tendenz hinzu einem computergestützten Fremd-sprachenunterricht, die sich sicherlich inden nächsten Jahren noch verstärkenwird. Darauf sind wir persönlich wie alsDozenten, die Lehrer und andere Sprach-mittler ausbilden, nicht genügend vorbe-reitet. Wir müssen uns darüber im klarensein, daß sich durch den verstärkten PC-Einsatz im Sprachunterricht ganz neueLernerfahrungen ergeben und sich derbis heute in Brasilien verbreitete Lehr-und Lernstil, der stark durch traditionel-len Frontalunterricht geprägt ist (daraufweisen Sartingen/Stahr auch zu Rechthin), ändern wird. Ob dies im Sinne einerweitgehenden Lernerautonomie, wieetwa von Wolff (1996) propagiert, gesche-hen wird, hängt natürlich davon ab, wiewir mit dem PC im Unterricht umgehenund welche Programme uns in Zukunftzur Verfügung stehen.

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4. (K)eine Konzeption?Anstatt das Trennende in den Vorder-grund zu stellen, sollten Überlegungenzu einer Konzeption für die Deutschstu-dien in Brasilien von den gemeinsamenProblemen ausgehen, mit denen dieSprachmittler heutzutage in Brasilienkonfrontiert sind. Die hier erwähntenProblembereiche Sprache, Landeskundeund Computereinsatz gelten meines Er-achtens für die Spracharbeit an den Uni-versitäten ebenso wie für die germanisti-sche Ausbildung an der USP, die ja vomSprachunterricht zumindest in den An-fangssemestern nicht zu trennen ist.1 Siesind aber auch weitgehend für die Goe-the-Institute von Bedeutung (mit Aus-nahme vielleicht des PC-gestützten Ler-nens). Die Klientel der brasilianischenGoethe-Institute hat nicht selten schonStudienerfahrungen an einer Hochschulegesammelt. Außerdem läuft der Unter-richt mit Themen, Deutsch Aktiv oderSprachbrücke an den Universitäten nichtanders als an den Goethe-Instituten, dar-auf verweisen Sartingen/Stahr ebenfalls.Aber auch in einem ganz grundsätzli-chen Sinn befinden wir uns, indem wirmit der Aufgabe befaßt sind, denDeutschunterricht in Brasilien weiterzu-entwickeln, in der gleichen Situationund sollten dazu eine brasilienspezifi-sche Strategie entwickeln. Beim Lesender Überlegungen von Sartingen/Stahrdrängt sich mir der Eindruck auf, daßwir, umgeben von vielen einzelnen undverschiedenen Bäumen, manchmal denWald, in dem wir uns befinden, nichtmehr wahrnehmen.Egal, ob man von einer umfassendenKonzeption oder von konzeptionellenÜberlegungen sprechen möchte, es sollte

in ihnen jedenfalls die inhaltliche Aus-einandersetzung mit den hier genanntenPunkten erfolgen. Wir sollten uns umeine Spracharbeit bemühen, die syste-matischer als bisher konfrontativ ange-legt ist. Unterricht in Brasilien kannlangfristig nur dann erfolgreich sein,wenn er die lerntheoretischen und lin-guistischen Faktoren berücksichtigt, dieden Spracherwerb unserer Schüler be-einflussen. Analoges gilt für den BereichLandeskunde, in dem endlich die Wendevon einem deutschlandbezogenen An-satz hin zu einem interkulturellen unddeutlich brasilienzentrierten Unterrichtauf der Tagesordnung steht. Hier sindviele inhaltliche wie didaktisch-metho-dische Fragen mit den Goethe-Institutenzusammen zu erarbeiten.Unsere spezifische Aufgabe als LektorIn-nen ist es außerdem, den Bedarf an wis-senschaftlich qualifizierten Lehrkräftensichern zu helfen und den wissenschaftli-chen Austausch zu unterstützen, nichtzuletzt denjenigen zwischen brasiliani-schen Sprachwissenschaftlern und deut-schen Romanisten.Abschließend noch ein besondererPunkt. Die Frage »Läßt sich notfalls dieVermittlung eines Lektors auch aus-schließlich zur Leitung eines (universitä-ren) Sprach- und Kulturinstituts rechtfer-tigen?« (Sartingen/Stahr 1996: 601f.) hatin den letzten Monaten in Brasilien er-heblich an Aktualität gewonnen und soll-te von uns nicht nur gestellt, sondernauch beantwortet werden. Die Sparvor-stellungen, die der eigentliche Grund fürsolche Überlegungen sind, greifen ein-deutig zu kurz. Ein Lektorat, das ist letzt-lich ein Ein-Mann/Ein Frau-Betrieb. Ihngenau aus diesem Grund als preiswerten

1 Die Ausbildung an den drei Bundesuniversitäten in Südbrasilien ist zwischen diesenbeiden Polen angesiedelt: Sie beschränkt sich nicht auf bloße Sprachvermittlung,erreicht aber auch nicht das Niveau des Germanistikstudiengangs in São Paulo.

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Ersatz für ein Goethe-Institut anzusehen,das zeugt eigentlich von Unkenntnisoder, schlimmer noch, Desinteresse anden Aufgaben der DAAD-LektorInnenwie an denen der Goethe-Institute in Bra-silien.

LiteraturAlmeido, Antonio; da Silva, Jaime: Sprach-

vergleich Portugiesisch-Deutsch. Düssel-dorf: Schwann, 1977 (Publikation Alfa).

Barth, Michael u. a. (Hrsg.): Einmal Eldoradound zurück. Interkulturelle Texte spanisch-sprachiges Amerika – deutschsprachiges Eu-ropa. München: iudicium, 1992.

Holtus, Günter; Metzelin, Michael; Schmitt,Christian (Hrsg): Lexikon der Romanisti-schen Linguistik. Band VI, 2: Galegisch,Portugiesisch. Tübingen: Niemeyer, 1994.

Mog, Paul; Althaus, Hans-Joachim (Hrsg.):Die Deutschen in ihrer Welt. Tübinger Mo-dell einer integrativen Landeskunde. Berlin:Langenscheidt, 1992.

Putzger, Oskar: Fehleranalyse und Sprachver-gleich. Linguistische Methoden im Fremd-sprachenunterricht am Beispiel Italienisch –Deutsch. Ismaning: Hueber, 1994.

Rall, Marlene: »Das Forschungsprojekt›Pädagogische Grammatik‹«. In: Actas delVIII Congreso Latinoamericano de EstudiosGermanísticos. Hrsg. von Dietrich Rall u.Marlene Rall. Mexiko 1996, 442–444.

Sartingen, Kathrin; Stahr, Henrick: »Kon-zeptionelle Überlegungen zu Deutsch-studien in Brasilien (aus der Sicht derDAAD-LektorInnen in Brasilien)«, InfoDaF 23, 5 (1996), 596–602.

Wolff, Dieter: »KognitionspsychologischeGrundlagen neuer Ansätze in der Fremd-sprachendidaktik«, Info DaF 23, 5 (1996),541–560.

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Landeskunde in der Deutschlehrerausbildung

Roswitha Reinbothe

In Landeskunde geht es um die Kenntnisund das Verständnis für ein fremdesLand. Ausländischen Schülern und Stu-denten, die Deutsch als Fremdsprachelernen, sind die Verhältnisse in Deutsch-land weitgehend fremd. Wollen sie diedeutsche Sprache nicht als abstraktes Re-gelsystem lernen, sondern in ihrem Be-zug auf die Gesellschaft, in der sie ge-sprochen wird, wollen sie nicht nursprachliche Fertigkeiten erwerben, son-dern auch die Bedeutungen verstehen,die der Sprache in ihrem gesellschaftli-chen Verwendungszusammenhang zu-gewiesen sind, dann stellt sich für einenDeutschlehrer die Frage, wie er diesegesellschaftlichen Verhältnisse ausländi-schen Lernenden nahebringen kann –nicht als Modell, sondern als konkrete,durchaus widersprüchliche Realität. Die-se Frage stellt sich um so mehr, wenn derUnterricht nicht in Deutschland, sondernim Ausland stattfindet und die Lernen-den Deutschland nicht aus eigener An-schauung kennen.Da sich die Ausbildung von Lehrern fürDeutsch als Fremdsprache noch vielmehr als bisher an der Unterrichtspraxis

orientieren muß1, will dieser Beitrag zurAuseinandersetzung damit anregen, wiein der Deutschlehrerausbildung an deut-schen Universitäten Studenten auf einelandeskundliche Vermittlungsarbeit imDeutschunterricht sinnvoll vorbereitetwerden können.Der Sprachwissenschaftler Harald Wein-rich bezeichnet in seinem Aufsatz »For-schungsaufgaben des Faches Deutsch alsFremdsprache« Landeskunde neben Lin-guistik und Literaturwissenschaft als diedritte Komponente des Faches. Er weistzwar der Linguistik die Hauptrolle zu,verzichtet jedoch nicht darauf, auch andie Landeskunde wissenschaftliche An-sprüche zu stellen, wenngleich er einräu-men muß, daß es »keine glatte und wis-senschaftstheoretisch rundum befriedi-gende Lösung« für das »Problem Landes-kunde« gibt (Weinrich 1980: 42). Andiesem Problem hat sich bis heute freilichwenig geändert. Während an einigen aus-ländischen Universitäten Landeskundeim Rahmen von »German Studies«(Großbritannien, USA) oder »CivilisationAllemande« (Frankreich) längst institu-tionell etabliert ist, ist sie an deutschen

1 Dies wurde auch auf der Fachtagung, die der Fachverband Deutsch als Fremdsprache1993 zum Thema »Fort- und Weiterbildung von DaF-Lehrern« durchführte, nachdrück-lich gefordert (Albers 1995: 2).

Didaktik DaF / Praxis

Info DaF 24, 4 (1997), 499–513

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Universitäten in allen Studiengängen»Deutsch als Fremdsprache« zwar vertre-ten, aber, so stellt der FachverbandDeutsch als Fremdsprache auf seiner Jah-restagung 1995 fest, eine »dominant lan-deskundliche Ausrichtung« ist unter ande-rem »wegen der ungeklärten wissen-schaftssystematischen Position der Lan-deskunde« nicht zu finden (Info DaF1995: 691).Diese ungeklärte Position der Landeskun-de an deutschen Universitäten ist auf ver-schiedene Gründe zurückzuführen. EinGrund mag sicherlich darin liegen, daßLandeskunde nicht einfach aus denSprach- und Literaturwissenschaften her-aus entwickelt werden kann, sondern sichauch auf andere Disziplinen, nämlich dieSozial-, Politik- und Geschichtswissen-schaften, stützen muß. Aus dieser »Kom-plexität« der Landeskunde – welche Wis-senschaft ist nicht komplex? – kann jedochnicht gleich der Schluß gezogen werden,Landeskunde sei eben nicht wissenschaft-lich zu begründen (vgl. dagegen Picht1994: 333f.). Dennoch ist zu beobachten,wie das interdisziplinäre Verständnis derLandeskunde und das Bemühen um de-ren theoretische Fundierung häufig da-durch unterlaufen werden, daß einigeSprach- und Literaturwissenschaftler, diesich auf das neue Fach Deutsch als Fremd-sprache eingelassen haben, sich in diesemZusammenhang auch über Landeskundeäußern, ohne über eine zusätzliche sozial-,politik- oder geschichtswissenschaftlicheQualifikation zu verfügen oder diese we-nigstens für erforderlich zu halten. So istes wohl auch zu erklären, daß bis heuteder Schrecken vor einem »(Un)-Fach«Landeskunde (Schmidt 1980: 289), einem»Alptraum« (Krusche 1989: 13) oder ei-nem »hemmungslosen Dilettantismus«(Delmas/Vorderwülbecke 1989: 176) her-umgeistert, während man auf der ande-ren Seite einfach auf die »Bezugswissen-schaften« verweist oder aber Landeskun-

de auf ein »Sammelsurium von Alltags-und Bildungswissen« (Glück 1989: 71) zu-sammenstreicht.Eine derartige Reduktion der Landes-kunde zeigt sich insbesondere dort, woman darüber befindet, daß Landeskundenicht als eigenständiges Fachgebiet zugelten habe, sondern lediglich als »Kon-textwissen« (Schmidt 1980: 289) zumSprach- oder Literaturunterricht zuzulas-sen sei, wobei allerdings die Vorstellun-gen über Art und Umfang dieses »Kon-textwissens« auch noch weit auseinan-dergehen.So wird im Rahmen eines eher pragma-tisch und kommunikativ orientiertenSprachunterrichts, der sich in erster Liniean Ausländer in Deutschland richtet,Landeskunde vor allem als Vermittlungvon »Alltagswissen« verstanden undvorwiegend in den Dienst der Überwin-dung von Verständnis- und Verständi-gungsschwierigkeiten bei der sprachli-chen »Bewältigung von Alltagssituatio-nen« gestellt. Auf diese Funktion redu-ziert, dienen die in den Sprachunterrichtintegrierten landeskundlichen Informa-tionen zuallererst dem Zweck, den Ler-nenden »situationsbezogenes Handeln«in der fremden Gesellschaft zu erleich-tern und dazu ihre »Kommunikationsfä-higkeit« zu fördern und »Selbstbehaup-tungstechniken« zu entwickeln (Delmas/Vorderwülbecke 1989: 177f., 188) oder,anders ausgedrückt, ihnen die »soziokul-turellen Normen« transparent zu machenund dadurch eine »erfolgreiche verbaleInteraktion im fremdkulturellen Kon-text« zu ermöglichen (Latour 1989: 86).Bernd Latour, der darin die »Hauptauf-gabe« der Landeskunde im Fremdspra-chenunterricht erblickt, scheint dagegengeographische und politische Kenntnissefür eher nebensächlich oder gar überflüs-sig zu halten. Denn, so argumentiert er,»die Flüsse und Mittelgebirge vonDeutschland sowie die Rolle des Präsi-

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denten der Bundesrepublik (im Gegen-satz etwa zu dem Frankreichs und derUSA) tragen weniger zur Bewältigungvon Alltagssituationen bei als die Kennt-nis der Tagesabläufe von Bewohnerndeutschsprachiger Länder und die Rolle,die Essen und Trinken für sie spielen«(Latour 1989: 86). Eine derart auf alltägli-che Verrichtungen und Konventionen zu-sammengeschrumpfte Landeskunde hatauch in viele Sprachlehrwerke Einganggefunden, und es ist wohl bezeichnend,daß Latours Ausführungen zur Landes-kunde in diesem Zusammenhang stehen.So wichtig es zweifellos ist, im Deutsch-unterricht für Ausländer auf bestimmteSituationen und Kommunikationsfor-men des Alltagslebens einzugehen, ins-besondere dann, wenn es darum geht, dieAnpassung an deutsche Lebensverhält-nisse zu erleichtern1, so ist jedoch einerLandeskunde, die darauf verzichtet, re-flektierte Kenntnisse über gesellschaftli-che und politische Zusammenhänge, indie alltägliche Erfahrungen eingebettetsind, zu vermitteln und zur kritischenAuseinandersetzung damit anzuregen,eine wesentliche Grundlage entzogen.Darin, daß häufig die Vermittlung weiter-reichender landeskundlicher Kenntnissevernachlässigt wird, scheint mir aucheine Geringschätzung der Informations-bedürfnisse und Bildungsinteressen vonAusländern zu liegen, denen nicht nurdaran gelegen ist, sich im deutschen All-tag zurechtzufinden. Außerdem solltebedacht werden, daß eine Aneinanderrei-hung nur oberflächlich beschriebenerSachverhalte und Banalitäten in intellek-tueller Hinsicht eben auch gähnendeLangeweile erzeugen kann. Eine wissen-schaftliche Begründung der Landeskun-de ist aus der bloßen Beobachtung und

Beschreibung einer Vielzahl von Kom-munikationssituationen jedenfalls nichtabzuleiten.Eine weitere, ebenfalls zu diskutierendeLandeskundeversion findet sich in den»ABCD-Thesen zur Rolle der Landeskun-de im Deutschunterricht«, die 1988/90von Vertretern der Deutschlehrerverbän-de aus Österreich, der BRD, der Schweizund der damals noch bestehenden DDRgemeinsam formuliert wurden. Auch hierwird Landeskunde vor allem als »integra-ler Bestandteil des Sprachunterrichts« (61)definiert und ihre fachliche Eigenständig-keit bestritten, wobei allerdings unklar ist,was mit der Formulierung »Landeskundeim Fremdsprachenunterricht ist ein Prin-zip« eigentlich gemeint ist. Ohnehin ge-winnt man den Eindruck, daß diese The-sen – offensichtlich ein ausgehandelterKompromiß – ungenau und widersprüch-lich formuliert sind. Einerseits wird mehr-fach auf die Bedeutung landeskundlicherInformationen hingewiesen, andererseitsaber wird ausdrücklich betont, daß esnicht primär um Informationen gehe, son-dern allgemein um »Sensibilisierung«und die »Entwicklung von Fähigkeiten,Strategien und Fertigkeiten im Umgangmit fremden Kulturen« (60), ohne näherauszuführen, was eigentlich darunter zuverstehen ist, und auf den Zusammen-hang der verschiedenen Komponenteneinzugehen. Inhalte oder Themen werdenohnehin so gut wie gar nicht erwähnt.Was jedoch das »Problem Landeskunde«zusätzlich kompliziert, ist die Vorstellung,nach der Landeskunde – ausgehend vonder gemeinsamen deutschen Sprache –auf alle deutschsprachigen Länder, densogenannten »deutschsprachigen Raum«,ausgedehnt werden soll. Doch auch hierwird nichts dazu gesagt, wie denn in einer

1 Hier spielt die Diskussion über die Integration von Arbeitsimmigranten und ihrenFamilien eine wichtige Rolle.

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derart ausgedehnten Länderkunde dierecht unterschiedlichen Verhältnisse inden einzelnen Ländern und deren Ge-schichte zu behandeln und von Lernen-den überhaupt zu erfassen sind. Sicher-lich muß man sich vergegenwärtigen, daßes vermutlich das vorrangige (politische)Ziel dieser Thesen war, über die Grenzender damals noch existierenden unter-schiedlichen Gesellschaftssysteme hin-weg auch in der landeskundlichen Arbeitauf eine gewisse Öffnung und gegenseiti-ge Berücksichtigung der verschiedenenGesellschaften hinzuwirken. Auf der an-deren Seite hat aber eine solche Erweite-rung der Landeskunde gerade auch dazubeigetragen, deren systematische Begrün-dung eher zu erschweren. Angesichts dessowieso schon weiten Feldes der Landes-kunde, auf dem auch die unterschiedli-chen Entwicklungen in einem Land zuberücksichtigen sind – wie z. B. inDeutschland die Geschichte der BRD undder DDR oder in der Schweiz die ver-schiedenen Sprachgebiete –, ist demge-genüber zu überlegen, ob es nicht reali-stisch und zweckmäßig ist, Landeskundeexemplarisch auf ein Land zu konzentrierenund die jeweilige Auswahl nach dem Stu-dien- oder Unterrichtsort, den besonderenInteressen der Lernenden, der Qualifikati-on der Lehrenden und dem jeweiligenhistorisch-gesellschaftlichen Kontext lite-rarischer Texte und thematischer Frage-stellungen zu richten. Natürlich heißt dasnicht, daß nicht auch auf die anderendeutschsprachigen Länder eingegangen,Verbindungen, Unterschiede und Ge-meinsamkeiten herausgearbeitet sowieInformationen und Erfahrungen ausge-tauscht werden sollten. Doch abgesehendavon, daß hier auch der europäischeZusammenhang eine wichtige Rollespielt, sollte man darüber hinaus nicht ausden Augen verlieren, daß für den Lehrergerade im Landeskundeunterricht die zu-sätzliche Kenntnis desjenigen Landes, aus

dem die Deutschlernenden kommen, vongrundlegender Bedeutung ist.Ein anderer Aspekt der Verbindung vonLandeskunde und Spracherwerb zeigtsich in Projekten einer »erlebten« oder»entdeckenden« Landeskunde. DieserForm der Landeskunde, die freilich ambesten »vor Ort«, in dem Land der Spra-che, die man lernt, realisiert werden kann,haben sich in den letzten Jahren unteranderem das Goethe-Institut, insbesonde-re in Fortbildungsveranstaltungen fürausländische Deutschlehrer, sowie einzel-ne Volkshochschulen zugewandt (vgl.Müller 1996; Szarmach-Skaza/Kotowska1988; Entdeckende Landeskunde 1989). Eini-ge dieser »Projekte« erwecken jedoch denAnschein, als ginge es hauptsächlich nurdarum, unter dem neuen Etikett der »er-lebten Landeskunde« auf allseits bekann-te Erfahrungen zurückzugreifen: daß mannämlich die fremde Sprache am bestenlernen kann, wenn man neben demSprachunterricht sich in dem betreffendenAusland, in dem die Sprache gesprochenwird, aufhält und sich dort so oft wiemöglich mit Muttersprachlern trifft, ummit ihnen in ihrer Sprache zu sprechenund dabei auch mehr über ihr Land zuerfahren. Während es naheliegt, daß einvielseitiges Begegnungs- und Besichti-gungsprogramm solche Erfahrungen sehrbereichern kann, ist jedoch in manchen»Projekten« festzustellen, daß bei solchenUnternehmungen gerade die mühsamelandeskundliche und sprachliche (Vor-und Nach-) Arbeit, deren es bedarf, umdie gesellschaftlichen Verhältnisse einesfremden Landes dabei tatsächlich besserkennenzulernen und zu verstehen, allzuleicht aus dem Blickfeld gerät. So scheintes nach einem Landeskundebuch desDeutschen Volkshochschulverbandes, dasausdrücklich für eine Alternative zur Ver-mittlung von Faktenwissen im Fremd-sprachenunterricht wirbt und einer »neu-en Erlebnisdimension« das Wort redet, in

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der sich Landeskunde »ereignet«, sehreinfach zu sein, ein fremdes Land kennen-zulernen: Man braucht nur in eine be-stimmte Stadt dieses Landes zu reisen.Eine Stadt, so heißt es, ist »eine über-schaubare soziale Einheit«, die jedemFremden durch die Begegnung mit »Men-schen« vertraut werden kann:

»In diesen Städten beginnen die Entdek-kungsreisen ins andere Land, auf denen dieReisenden inzwischen Vertrautes wieder-finden, Übertragbares, vielleicht nach undnach als für das gesamte Land gültig Er-kanntes, aber auch bei jeder Reise – hoffent-lich – wieder Neues, anderes, Fremdes, undganz langsam wächst ein differenziertesVerständnis für das jeweilige Land« (Ent-deckende Landeskunde 1989: 11, 40).1

Sind Städte denn »überschaubare sozialeEinheiten«? Braucht man nur darauf zuwarten, daß schon wie von selbst, ohnebesondere Anstrengung, bei dem Aufent-halt in einer fremden Stadt langsam »eindifferenziertes Verständnis für das jewei-lige Land« heranwächst? Wozu brauchtman dann noch Landeskunde?Eine Überbewertung unreflektierterWahrnehmung scheint mir auch das »ler-nerorientierte, interkulturelle Konzeptder Landeskundedidaktik« aufzuweisen,das Gerhard Neuner 1993 auf einer vonihm geleiteten Tagung »Fremde Welt undeigene Wahrnehmung. Konzepte vonLandeskunde im fremdsprachlichenDeutschunterricht« vorgetragen hat.Auch hier wird – bezogen auf denDeutschunterricht in Ländern Mittel-und Osteuropas – das Studium der realenVerhältnisse Deutschlands sowie desLandes, aus dem die Lernenden kom-men, eher geringgeschätzt, während diesubjektiven Erlebnisse alles dominieren»dürfen«. Schon die Formulierung desTagungsthemas gibt die Richtung der

Überlegungen an: Neuner, der hier Lan-deskunde auf eine »alltagsorientierteLeutekunde« beschränkt (Neuner 1994:33), geht es im Landeskundeunterrichtausdrücklich »nicht um die Vermittlungeines ›objektiven Sachverhalts‹«. Viel-mehr legt er Wert auf das »Reden überWahrnehmungen« und »Bilder« (34f.),ohne ausreichend zu berücksichtigen,daß Wahrnehmungsweisen und Bildernicht nur (subjektiv) individuell, sondernauch (objektiv) historisch und gesell-schaftlich geprägt sind – durchaus wider-sprüchlich und nicht auf eine »kollektiveMentalität« (29) fixiert, wie Neuner meint– und in ihrem Bezug auf die »objektivenSachverhalte« von den Lernenden geradezu reflektieren und von einem Lehrerreflektierend zu vermitteln sind. Statt-dessen aber wird diese intellektuelle Lei-stung sowohl des Lernenden als auch desLehrers hier weitgehend ausgeblendet; eswird mehr oder weniger dem Deutsch-lernenden selbst überlassen, sein subjek-tiv gefärbtes »Bild«, die »bewußte Entfal-tung des inneren Erlebnisses der fremdenWelt« in das »Mosaik« »übergreifende(r)Welterfahrung« aufzulösen, ohne zu be-denken, daß solche Bilder und »innerenErlebnisse« allerdings mit allerlei Vorur-teilen behaftet und verzerrt sein können,und das um so mehr, je weniger sie an derobjektiven Realität, an sachlichen Inhal-ten sich orientieren und abarbeiten kön-nen. Doch indem Neuner von den kon-kreten Tatsachen gerade abschweift,kann ihm als allgemeines, aber auchnichtssagendes Ziel des Landeskundeun-terrichts »die Ausweitung und Differen-zierung vorhandener Strukturen vonWeltwissen und Welterfahrung in der Be-gegnung mit der fremden Welt« (Neuner1994: 34f.) vorschweben. Allerdings ver-

1 Dieses Buch wurde für Leiter von Kursen im sogenannten »Nachzertifikatsbereich«Englisch und Französisch erstellt.

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schwinden in dieser recht verschwom-menen und inhaltsleeren Vorstellung dierealen Gegensätze und Konflikte in undzwischen unterschiedlichen Gesellschaf-ten und die damit verbundenen Denk-und Wahrnehmungsweisen; so kann dievon Neuner anvisierte »Lernerzentriert-heit« probemlos zu vielfältiger Beliebig-keit und beliebiger Vielfalt ausufern.Über die mühevolle Arbeit des Lehrers,die mit den kulturellen Differenzen ver-knüpften Verstehens- und Vermittlungs-probleme aufzuspüren und die Lernen-den an ein Verständnis des für sie frem-den Landes heranzuführen, braucht mansich dann allerdings keine Gedankenmehr zu machen. Hier aber müßte einernstgemeintes »lernerorientiertes, inter-kulturelles Konzept der Landeskundedi-daktik« eigentlich ansetzen.Doch statt die Vermittlung von Fakten-wissen, Bedeutungen, Erfahrungen undReflexionen unter vergleichenden kultur-soziologischen und historischen Frage-stellungen zu diskutieren, scheint sich inletzter Zeit eher die Tendenz zu verstär-ken, Erlebnisse und Bilder, Fremdheitser-fahrungen, Empathie und »Wahrneh-mungstraining« (Krumm 1994: 122) so-wie allgemein Sensibilisierung für frem-de Kulturen und Toleranz in den Vorder-grund der Überlegungen zu stellen. Dieinhaltliche Auseinandersetzung mit dentatsächlichen kulturellen Unterschiedenund Konflikten und die damit verbunde-nen Probleme und Möglichkeiten derVerständigung und des Verstehens rük-ken dadurch eher in den Hintergrund.Im übrigen spielt nicht zufällig in denbisher diskutierten Vorstellungen überLandeskunde, in denen der Reflexion ge-sellschaftlicher Zusammenhänge wenigBedeutung beigemessen wird, Literaturso gut wie keine Rolle. Das Verhältnis

von Literatur und Landeskunde und dieIntegration der Landeskunde in den Lite-raturunterricht ist dagegen separat ananderer Stelle kontrovers diskutiert wor-den. So hat Siegfried J. Schmidt (1980) dasKonzept einer »instrumentalen« Unter-ordnung der Landeskunde unter Lingui-stik und Literaturwissenschaft sowie denSprach- und Literaturunterricht vertretenund dabei Landeskunde auf eine »Men-ge« zusammenhanglosen enzyklopädi-schen »Kontextwissens« reduziert, daseben, je nachdem, um welchen Text undwelche Textarbeit es sich gerade handelt,ad hoc abgerufen werden kann. Infolge-dessen lehnt Schmidt auch die fachlicheEigenständigkeit der Landeskunde striktab und läßt sich auf eine Diskussionlandeskundlicher Inhalte und Methodenerst gar nicht ein. Robert Picht (1980)und, in Anlehnung an diesen, Rainer Epp(1992) haben Schmidts Position überzeu-gend kritisiert und dieser eine sozialwis-senschaftlich orientierte Landeskundeentgegengesetzt, die den historisch-ge-sellschaftlichen Zusammenhang, in demein literarischer Text steht, auf den er sichbezieht und den er zugleich erhellt, erstverständlich machen kann.1 Allerdingsist für Picht eine solche mit literarischenTexten verbundene Landeskunde nur un-ter wechselnden Fragestellungen undThemen, dem jeweiligen Untersuchungs-gegenstand entsprechend, in einzelneninterdisziplinären »Projekten« zu reali-sieren, während er eine »allgemeinver-bindliche Definition von Landeskunde,sei es nun als Kontextwissen oder alsdogmatische Festlegung eines sozialwis-senschaftlichen Themenkanons«, zurück-weist (Picht 1980: 285). Angesichts dieservon Picht vertretenen Position ist jedochzu fragen, ob es nicht erforderlich ist, aufeiner umfassenderen Grundlage, als

1 Zum Verhältnis von Landeskunde und Literatur vgl. auch Gerald Stieg 1980.

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Picht sie hier vorschwebt, Landeskundewissenschaftlich zu definieren, zumal sienicht bloß auf »Kontextwissen« zu be-grenzen ist und eine Erörterung der Kri-terien für die Auswahl und Behandlunglandeskundlicher Themen nicht zwangs-läufig in einen »dogmatisch festgelegtenKanon« münden muß. Während Pichtzwar betont, daß es notwendig unddurchaus möglich ist, sich als Sprach-und Literaturwissenschaftler in die je-weils relevanten methodischen Ansätzeder »Nachbarwissenschaften« einzuar-beiten, scheint für ihn jedoch eine wissen-schaftliche Bestimmung der Landeskun-de überhaupt erst dann in Betracht zukommen, wenn ausgewählte Landeskun-de-Projekte, die auch die Perspektive desAuslands berücksichtigen, exemplarischdurchgeführt und so »die wichtigstenThemenfelder und Forschungsergebnissenach und nach für die Projektarbeit er-schlossen werden könnten« (Picht 1980:286). Hier fragt sich allerdings, wie dennsolche Projekte, noch dazu »in einer ge-zielten Strategie«, wie Picht vorschlägt(ebd.), konzipiert, durchgeführt und aus-gewertet werden können, ohne doch we-nigstens bestimmte – wenn auch vorläu-fige und ständig zu überprüfende – theo-retische Vorstellungen davon zu haben,unter welchen Fragestellungen und nachwelchen Methoden man dabei überhauptvorgehen will.Grundsätzlich ist jedenfalls davon auszu-gehen, daß sich Landeskunde nicht nurauf Kontextwissen im Sprach- und Lite-raturunterricht beschränkt und dieKenntnis und das Verständnis für einfremdes Land sich nicht allein in sprach-licher Verständigung erschöpfen. Viel-mehr handelt es sich um eine enge wech-selseitige Beziehung zwischen Sprache,Literatur und Landeskunde. Da Spracheals »soziales Faktum« (Saussure) mit denanderen sozialen Tatsachen aufs engsteverknüpft ist, sich also auf die Realität

des Landes bezieht, in dem sie gespro-chen wird, dient Landeskunde immerauch der Förderung des Sprachverständ-nisses und, darauf aufbauend, auch desLiteraturverständnisses, wie umgekehrtdie Kenntnis der Sprache und Literaturdes jeweiligen Landes dessen Verständ-nis fördert. Schon bei den Wortbedeutun-gen fängt im Sprach- und Literaturunter-richt landeskundliches Lernen und imLandeskundeunterricht sprachliches Ler-nen an. Dieser enge Zusammenhang zwi-schen Sprache, Literatur und Landeskun-de muß im Fremdsprachenunterrichtständig beachtet werden, ohne die Eigen-ständigkeit eines dieser Bereiche aufzu-heben.Im folgenden sollen vier grundlegende,miteinander verknüpfte Aspekte der Lan-deskunde in der Deutschlehrerausbil-dung – bezogen auf Deutschland – skiz-ziert werden:

1.Gegenstand der Landeskunde sind diegeographischen, ökonomischen, sozia-len, politischen und kulturellen Verhält-nisse in Deutschland, deren Geschichteund Begriffe. Während man davon aus-gehen muß, daß ausländische Schülerund Studenten im allgemeinen nicht aufdas Wissen und die Erfahrungen zurück-greifen können, die deutsche Schüler auf-grund ihrer Sozialisation und währendihrer Schulzeit angesammelt haben, kannes nun jedoch keineswegs darum gehen,diese umfangreichen Wissensbeständefür den Landeskundeunterricht etwavollständig aufzuarbeiten. Auf der ande-ren Seite aber sollte man sich nicht daraufbeschränken, die Komplexität der deut-schen Gesellschaft einfach auf ein »Mo-dell Deutschland« zu verkürzen oder gar»die« typische deutsche Mentalität zukonstruieren. Angehende Deutschlehrersollten es vielmehr lernen, sich überDeutschland unter sozialwissenschaftli-

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chen Fragestellungen ein fundiertes Fak-tenwissen anzueignen, sich mit gesell-schaftskritischen Analysen auseinander-zusetzen und ein entsprechendes Pro-blembewußtsein zu entwickeln, so daßsie später im Unterricht in der Lage sind,dem jeweiligen Sprach- und Bildungsni-veau der Lernenden entsprechend, re-flektierte Kenntnisse über eine hochindu-strialisierte Gesellschaft zu vermitteln.Erst auf dieser Grundlage werden sieauch in der Lage sein, die durch verschie-dene Medien verbreiteten Deutschland-bilder zu beurteilen und klischeehafteVorstellungen zu entkräften.Allerdings stellt sich die Frage, wie derumfangreiche Stoff einzugrenzen und zustrukturieren ist, wo die zentrale Thema-tik liegt, wie grundlegende Zusammen-hänge durchschaubar gemacht und ineinen interkulturellen Bezugsrahmen ge-stellt werden können, in dem sowohl die»Außenperspektive« der Lernenden alsauch die internationalen Entwicklungen,insbesondere auch die weltweiten Aus-einandersetzungen zwischen Industrie-ländern und »Entwicklungsländern«, be-rücksichtigt werden. Unter diesem Blick-winkel erscheint es nun sinnvoll, die Ge-schichte des Industrialisierungs- undDemokratisierungsprozesses in Deutsch-land (als Teil der westlichen Moderne)und der damit verbundenen Errungen-schaften und Deformationen ins Zen-trum des Landeskundestudiums zu rük-ken. Um auch im Hinblick auf den späte-ren Unterricht den Stoff inhaltlich undsprachlich zu konzentrieren sowie Me-thoden der Untersuchung und Vermitt-lung an Beispielen zu erörtern, empfiehltes sich, neben der Behandlung einzelnerAbschnitte der neueren Geschichte, in

der die Zeit des Kolonialismus, des Na-tionalsozialismus und der Bundesrepu-blik Deutschland von besonderer Bedeu-tung sind, exemplarisch an einzelnenThemen wie: Bildungssystem, Öffentli-che Meinung/Medien, politisches Sy-stem, Sozialpolitik (Sozialstaat), Justiz(Rechtsstaat), Wirtschaftssystem, Arbeitund Arbeitslosigkeit, Wohnverhältnisse,Familienstrukturen, Situation der Frau-en, der Ausländer und Migranten, Natio-nalismus, Antisemitismus und Rassis-mus ein kritisches Verständnis der Situa-tion in Deutschland zu erarbeiten.1 DieThemen sollten in ihrem historischenund gesellschaftlichen Zusammenhangbetrachtet werden, in dem auch verschie-dene Wertvorstellungen und Szenen desAlltagslebens einzubeziehen sowie dieunterschiedlichen Entwicklungen in Ost-und West-Deutschland zu berücksichti-gen sind. Grundsätzlich ist zu überlegen,ob eine Erarbeitung solcher Themen fürdie interkulturelle Verständigung heutenicht wesentlich wichtiger ist als die Er-örterung allgemeiner »Kulturthemen«oder »Universalthemen« wie »Essen«,»Höflichkeit«, »Fremdheit« und »Tole-ranz«, die von Vertretern einer »interkul-turellen Germanistik« bevorzugt wird.2

Die Arbeit kann sich auf sozial-, politik-und geschichtswissenschaftliche Metho-den und Untersuchungen stützen sowieMaterialien, die für den Geschichts-, So-zialkunde- und Politikunterricht anSchulen und für die politische Bildung,unter anderem von der Bundeszentraleund den Landeszentralen für politischeBildung3, erstellt worden sind, und aufliterarische Texte, die die jeweilige Pro-blematik reflektieren.

1 Eine detaillierte Zusammenstellung landeskundlicher Themen und Bereiche findet sichauch in: Bleicher/Kracke/Linsmayer/Menzel 1989.

2 Zur Kritik an solchen »Kulturthemen« und »Universalthemen« vgl. Epp 1989.3 Diese Materialien werden in der Regel kostenlos verteilt.

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2.Die Kenntnis und das Verständnis desLandes und der Kulturen, durch die aus-ländische Schüler und Studenten jeweilsgeprägt sind, sind für die Methode derlandeskundlichen Vermittlungsarbeit imDeutschunterricht von fundamentalerBedeutung.Da ausländische Lernende sich mit derfremden Sprache und Kultur, in diesemFalle der deutschen, immer vor demHintergrund ihrer Muttersprache undihrer eigenen spezifischen Sozialisationbeschäftigen, kann man in der Regeldavon ausgehen, daß sie die ihnen frem-den Verhältnisse entweder nicht verste-hen, nur unklare oder klischeehafte Vor-stellungen damit verbinden oder siemißverstehen, wenn sie die durch dieeigene Gesellschaft geprägten Vorstel-lungen auf die fremde Gesellschaft ein-fach übertragen. Um solchen Verständ-nisschwierigkeiten entgegenzuwirken,verlangt ein »lernerzentrierter« und in-terkulturell orientierter Deutschunter-richt vom Lehrer, die kulturellen Prä-gungen der Lernenden von Anfang an inseinen Unterricht miteinzubeziehen undes den Lernenden zu erleichtern, dieneuen Inhalte zu ihren eigenen Vorstel-lungen und Erfahrungen in Beziehungzu setzen und dadurch in ihrer Anders-artigkeit wahrzunehmen und zu begrei-fen. Dabei ist es hilfreich, von den Erfah-rungen der Lernenden, ihren Selbstver-ständlichkeiten und al l tägl ichenLebensverhältnissen auszugehen; zu-gleich ist zu berücksichtigen, daß es vomVorverständnis der Lernenden, ihrer Bil-dung und Neugier, ihrem Abstraktions-vermögen und ihrer Fähigkeit, zur eige-nen Erfahrungswelt eine gewisse Di-stanz zu gewinnen, abhängt, inwieweitsie die neuen Informationen aufnehmenund verarbeiten können.Ein Lehrer muß sich deshalb auf dieSprache und Vorstellungswelt der Ler-

nenden einlassen, sich Kenntnisse überdie Verhältnisse des Landes, in dem erunterrichtet oder aus dem seine Schülerund Studenten kommen, verschaffen undaneignen und sich grundlegender Unter-schiede und Gemeinsamkeiten bewußtwerden, die zwischen den gesellschaftli-chen, politischen und intellektuellen Ver-hältnissen des Landes der Lernendenund Deutschlands bestehen. So ist esnicht nur wichtig zu wissen, welche Lehr-und Lernbedingungen, Informations-und Erfahrungsmöglichkeiten in einemLand gegeben sind – sowohl für die ein-heimischen Schüler, Studenten und Leh-rer als auch die ausländischen Lehrer –,sondern auch, welche Rolle traditionale,autoritäre oder demokratische Gesell-schaftsstrukturen sowie politische, reli-giöse, nationalistische oder ethnozentri-sche Ideologien spielen. In Verbindungdamit ist von Bedeutung, welche Gren-zen der Freiheit des Einzelnen durch kol-lektive Bindungen an Familie, ethnischeGruppe, Staat oder Religion sowie hierar-chische Ordnungen gezogen sind, wieFrauen oder kritische Intellektuelle be-handelt werden oder wie verpönt es ist,Zweifel zu äußern und Kritik zu üben –Begriffe, die beispielsweise in der Türkeioder China vorwiegend negativ besetztsind –, statt vorgegebene Einteilungen ingut-schlecht, richtig-falsch, gläubig-un-gläubig einfach zu akzeptieren. Die Ein-stellung zum Ausland und zu fremdenSprachen und Kulturen ist auch vor die-sem Hintergrund zu sehen. In diesemZusammenhang sollte Wert darauf gelegtwerden, daß angehende Deutschlehrersich auch mit den spezifischen Bedingun-gen in nichteuropäischen Kulturkreisenbefassen, um die besonderen Anforde-rungen an die Lehrtätigkeit sich bewußtzu machen, die aufgrund weitreichendergesellschaftlicher und kultureller Diffe-renzen bestehen. Ein deutscher Lehrerkann sich zum Beispiel in »Entwick-

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lungsländern« nicht auf Vorkenntnisseund Selbstverständlichkeiten stützen wiein einem europäischen Land. Vielmehrmuß er sich mit den ganz verschiedenenErfahrungswelten, Lebens- und Denkge-wohnheiten auseinandersetzen, die mitden kulturellen Unterschieden zwischeneinem hochentwickelten Industrielandund Ländern, die noch vorwiegend vonagrargesellschaftlichen Strukturen ge-prägt sind, zusammenhängen. Währenddie Einsicht in diese Abstände und Un-terschiede ihn in die Lage versetzenkann, Verständnisschwierigkeiten undkulturelle Konflikte der Lernenden, diezwischen traditionalen Bindungen undWerten auf der einen Seite und modernen»westlichen« Denkweisen und Lebens-formen auf der anderen Seite existieren,eher nachzuvollziehen und darauf einzu-gehen, wird es ihm gleichzeitig ermög-licht, zu den Selbstverständlichkeiten sei-ner eigenen Kultur eine kritische Distanzzu gewinnen und eigene Wahrneh-mungs- und Verhaltensweisen zu relati-vieren. Solche Einsichten und Fähigkei-ten sind im übrigen nicht nur für denUnterricht in Deutsch als Fremdspracheim Ausland oder in Deutschland rele-vant, sondern auch im Hinblick auf denUnterricht in multikulturell zusammen-gesetzten Klassen an deutschen Schulen.Diese »Doppelkompetenz« (Ihekweazu1984: 102; Epp 1990), die vom Lehrerreflektierte landeskundliche und sprach-liche Kenntnisse in der eigenen und derfremden Kultur verlangt, kann nur durchintensive Studien erworben werden. ImMittelpunkt solcher interkulturellen Stu-dien stehen Fragen der Wahrnehmung,Analyse und Vermittlung von Faktenwis-sen, Erfahrungen und Reflexionen überdie gesellschaftlichen, politischen und in-tellektuellen Verhältnisse des jeweils fürden Lehrenden und den Lernenden frem-den Landes unter kulturvergleichendenPerspektiven. In diesem Zusammenhang

ist grundsätzlich davon auszugehen, daßes Ungleichheit und Dominanz im Ver-hältnis der Kulturen zueinander gibt unddaß durch ständige Interaktionen, dieeine lange Geschichte haben, weder kul-turelle Homogenität noch statische Ab-grenzungen zwischen den verschiedenenKulturen gegeben sind. Allerdings stelltsich die Frage, wie die Asymmetrien un-gleich entwickelter Kulturen und die da-mit verknüpften Probleme kulturellerVerständigung zu behandeln sowie euro-zentrische Sichtweisen und Praktikenkritisch zu beleuchten sind. Diesen Fra-gestellungen sollte ein soziologischer Be-griff von Kultur und ein kritisches, nichtaffirmatives Kulturverständnis zugrundegelegt werden. Die Begriffe »eigene Kul-tur« und »fremde Kultur« können dieallgemeine Unterscheidung bezeichnenzwischen derjenigen Kultur, in der mansozialisiert wurde und die einem – mehroder weniger unbewußt – vertraut ist,und allen anderen Kulturen, zu denendiese enge Beziehung nicht besteht. DieProbleme interkulturellen Verstehens be-ruhen auf diesen Unterschieden. Gren-zen sind dem gegenseitigen Verstehenimmer gezogen, diese Grenzen kann manjedoch verschieben und Annäherungenerzielen, insbesondere dann, wenn An-strengungen unternommen werden, dieeigene wie die fremde Kultur im histo-risch-gesellschaftlichen Zusammenhangkritisch zu reflektieren.Während man zwar »regionale« Lehr-werke fordert (u. a. Krusche 1983) undeinen »adressatenorientierten« und län-derspezifischen Deutschunterricht »vorOrt« durchzuführen versucht, wird je-doch in der Deutschlehrerausbildung andeutschen Universitäten die Aufgabe,Studenten an fremde Länder und Kultu-ren, die sie nicht aus eigener Anschauungkennen und mit denen sie sich auch sonstnoch nicht beschäftigt haben, metho-disch-wissenschaftlich heranzuführen,

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noch weitgehend vernachlässigt, obwohlsie gerade hier – wenn auch auf andereWeise und in umgekehrter Richtung – dieErfahrung, der die Deutschlernendenausgesetzt sind, machen könnten, näm-lich die Erfahrung, was es heißt, sich aufeine vollkommen fremde Kultur einzu-lassen.Auch in Konzepten einer »interkulturel-len Germanistik« wird diese grundlegen-de Komponente landeskundlicher Studi-en höchstens am Rande erwähnt. »Ausder Not des Nichtwissens um die frem-de(n) Kultur(en) macht er die Tugendeines neuen theoretischen Ansatzes«, be-merkt Rainer Epp (1990: 26) zu den Aus-führungen Alois Wierlachers, der »dasFremde« oder die »Fremdheit« allgemeinzum Thema erhebt, während er das Pro-blem, wie Deutschlehrer zu den realenVerhältnissen fremder Länder und Kultu-ren einen wissenschaftlichen Zugang fin-den können, stillschweigend übergeht.Auch Jochen Pleines bemängelt in die-sem Zusammenhang, daß »die politische,gesellschaftliche, pädagogische, sprachli-che usw. Wirklichkeit der Empfänger desdeutschen Sprach- und Kulturexports sogut wie gar nicht ins Blickfeld gerät«(Pleines 1989: 117).Freilich empfiehlt es sich, bei einemsolch weiten Spektrum der Kulturen,durch die Deutschlernende jeweils ge-prägt sind, in der Deutschlehrerausbil-dung ebenfalls exemplarisch vorzuge-hen und anhand einzelner Themen, wiesie oben vorgeschlagen wurden, charak-teristische Merkmale der Realität einesbestimmten Landes zu untersuchen undmit derjenigen in Deutschland zu ver-gleichen. Die Auswahl des jeweiligenLandes hängt zwangsläufig auch davonab, inwieweit ein Dozent auf gründlicheLandes- und Sprachkenntnisse undlangjährige Unterrichtserfahrungen,möglichst in mehreren Ländern, zurück-greifen kann. Die Arbeit kann sich dabei

auf diejenige Wissenschaftsdisziplinstützen, die sich mit dem jeweiligenLand und der jeweiligen Kultur befaßt,auf Erfahrungsberichte sowie auf dieeinheimische Literatur.

3.Die Unterrichtspraxis im Ausland, insbe-sondere die landeskundliche Vermittlungunter unterschiedlichen Bedingungenkultureller Distanz zwischen Lehrendenund Lernenden und die damit verbunde-nen Probleme des Verstehens oder Nicht-verstehens müssen im Deutschlehrerstu-dium thematisiert werden. Denn im Un-terricht treffen die verschiedenen Erfah-rungswelten und Vorstellungsweisen so-wie Lehr- und Lernmethoden aufeinan-der, die mit den unterschiedlichen Kul-turtraditionen und Gesellschaftsstruktu-ren zusammenhängen. In zahlreichenLändern sind zum Beispiel deutsche Leh-rer mit der Situation konfrontiert, daßdort das Studium völlig verschult ist undsowohl Schüler als auch Studenten antraditionelle Lehr- und Lernmethodengewöhnt sind, die auf dem Vortragenund Abfragen, dem Auswendiglernenund Reproduzieren vorgegebener Texteberuhen, was im übrigen häufig nicht nurauf das Festhalten an überkommenenTraditionen, sondern auch auf autoritäreStrukturen sowie eine mangelhafte Aus-bildung der Lehrkräfte zurückzuführenist. Es ist nur allzu naheliegend, daß dieLernenden infolgedessen große Schwie-rigkeiten gegenüber Denkweisen undMethoden der Wissensaneignung haben,die selbständiges Denken, Abstraktions-vermögen, Analyse- und Kritikfähigkeiterfordern – Fähigkeiten, die Schüler inDeutschland auf dem Gymnasium nurunter Aufwendung erheblicher Energieerwerben können und welche die Vor-aussetzung für das Studium an einerdeutschen Universität bilden.1 Lehrermüssen also überlegen, wie sie im Unter-

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richt sinnvoll mit solchen Schwierigkei-ten umgehen, zumal auch die Möglich-keiten, eine fremde Kultur zu verstehen,durch diese Schwierigkeiten beträchtlicheingeschränkt werden. Auf der anderenSeite aber werden solche Fähigkeiten ge-rade gebraucht, um angesichts der welt-weiten Durchsetzung technisch-industri-eller Wirtschaftsformen und damit ver-knüpfter Denk- und Lebensweisen diekomplexen Zusammenhänge durch-schauen und sich selbständig behauptenzu können. Unter diesem Blickwinkelmuß auch die Frage der »angepaßtenUnterrichtsformen«, die im »Werkstatt-gespräch« des Goethe-Instituts im Hin-blick auf die Anpassung an traditionelleLehr- und Lernmethoden in »Entwick-lungsländern« kontrovers diskutiertwurde (Gerighausen/Seel 1986), kritischbetrachtet werden.Anhand von einschlägiger wissenschaft-licher Literatur sowie Erfahrungsberich-ten von Lektoren und Dozenten über dieUnterrichtspraxis in einem bestimmtenLand können die Studenten in derDeutschlehrerausbildung dazu angeregtwerden, interkulturelle Studien mit derErarbeitung von Unterrichtskonzeptenzu verbinden, in denen es um die Ver-mittlung landeskundlicher Themen un-ter spezifischen Unterrichtsbedingun-gen geht. Ausgehend vom Stellenwertder Landeskunde in den jeweiligen Cur-ricula und Lehrbüchern können sie un-tersuchen, welche Aspekte der deut-schen Gesellschaft vor dem Hintergrundder gesellschaftlichen Verhältnisse desLandes der Lernenden für den Unter-richt relevant sind und wie – je nachSprachstand und Vorkenntnissen derLernenden – die landeskundliche mitder sprachlichen Arbeit verknüpft wer-

den kann. Hier stellt sich auch die Auf-gabe, mögliche Verständnisschwierig-keiten zu ermitteln und Vorschläge zumachen, wie anschauliche Lehrmateria-lien verwendet und die Lernenden befä-higt werden können, sich mit Tatsachenund Meinungen auseinanderzusetzen,Fragen zu stellen sowie auf Fragen prä-zise zu antworten. Da in manchen Län-dern festgelegte Wertordnungen undSprachregelungen wirksam sind, mußim Hinblick darauf überlegt werden, wiewichtig, aber auch heikel es ist, die Rea-lität gerade in ihrer Widersprüchlichkeitzu zeigen, verschiedene Seiten einesThemas und unterschiedliche Auffas-sungen dazu gegenüberzustellen undnach den Ursachen gesellschaftlicherKonflikte zu fragen sowie Sprache alsMittel individueller Ausdrucksweiseund Argumentation, der Kritik und De-batte zu verwenden. Es ist jedoch daraufzu achten, daß Lernende im Unterrichts-raum nicht in jedem Fall zu individuel-len Meinungsäußerungen herausgefor-dert werden sollten, da ihnen das ineinigen Ländern auch angesichts derdortigen Kontrolle schaden kann. Ohne-hin sollte ein Lehrer die Verhältnisse desLandes der Lernenden nicht unter allenUmständen explizit zum Vergleich her-anziehen – Kontraste können auch im-plizit herausgearbeitet werden; denn dieLernenden sind schließlich von sich ausdazu in der Lage, anhand gut ausge-wählter Informationen – darauf kommtes an – die Verbindung zu ihrem eigenenLand herzustellen. So ist es zum Beispielmöglich, im Unterricht in der Türkeiüber die vier Landessprachen und dieliberale Sprachenpolitik in der Schweizzu sprechen, ohne auf die repressiveSprachenpolitik in der Türkei gegenüber

1 Leider werden diese Voraussetzungen auch von deutschen Studenten nicht immererfüllt.

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den Kurden ausdrücklich Bezug zu neh-men, was dort ohnehin nicht erwünschtwäre.Vor allem im Hinblick auf den Landes-kundeunterricht in »Entwicklungslän-dern« ist auch die Problematik einer Un-terrichtssituation zu bedenken, in der eindeutscher Lehrer als Vertreter einer do-minanten Kultur nicht nur Kenntnisseüber diese vermitteln will, sondern dar-über hinaus auch als Autoritätspersonangesehen wird. Vor diesem Hintergrundmuß deutlich gemacht werden, wie wich-tig es ist, daß ein Lehrer jeglichen Überle-genheitsdünkel und missionarischen Ei-fer ablegt, während er auch damit rech-nen muß, daß ihm Ablehnung oder Miß-trauen entgegenschlagen können, weil ernicht der »richtigen« Weltanschauung,dem »richtigen« Glauben oder der »rich-tigen« Kultur angehört. Es ist wohl nichtzufällig, daß in Ländern wie der VRChina und der Türkei Landeskunde imDeutschunterricht nur eine marginaleRolle spielt oder im Lehrplan der Hoch-schulen erst gar nicht zu finden ist.Deutschlehrerstudenten sollten jeden-falls in ihrer Ausbildung mit derartigenFragen der Unterrichtspraxis unbedingtkonfrontiert werden, so daß sie sich einentsprechendes Wissen und Problembe-wußtsein aneignen und auf dieserGrundlage selbst Unterrichtsvorschlägezu verschiedenen Fragen und Themenerarbeiten können. Unter solchen Ge-sichtspunkten haben zum Beispiel Stu-denten in einem Seminar1, das sich mitder Unterrichtspraxis an chinesischenund türkischen Hochschulen beschäftig-te, Seminararbeiten zu Themen wie»›Wohnen‹ als Thema des Landeskunde-unterrichts in China«, »LandeskundlicheKenntnisse zur Arbeitswelt in der Bun-

desrepublik Deutschland als Vorausset-zung für das Verständnis des Textes ›AmFließband‹ von Günter Wallraff« (bezo-gen auf den Unterricht in China), »ZurUnterrichtspraxis an türkischen Hoch-schulen«, »Das Thema ›Studium‹ im Lan-deskundeunterricht in der Türkei« oder»Die Frau in der türkischen Gesellschaft«angefertigt. Solche Seminare können, ab-gesehen vom Nutzen für die spätere Be-rufspraxis, auch der Vorbereitung derStudenten auf Auslandspraktika dienen.

4.Die Geschichte der kulturellen Beziehun-gen zwischen Deutschland und anderenLändern sowie der auswärtigen Sprach-und Kulturarbeit und -politik muß aufge-arbeitet werden, um die heutige sprachli-che und landeskundliche Vermittlungs-arbeit auch in den historischen Zusam-menhang einordnen und bereits gemach-te Erfahrungen auswerten zu können.Die Bedeutung dieser historischen Per-spektive betont Manfred Koch auch füreine interkulturelle Literaturwissen-schaft: »Eine Geschichte der Interaktionzweier Kulturen würde […] die wirkli-chen Voraussetzungen des Verstehens,die vergangenen Hindernisse und Erfol-ge, den schon erfolgten Austausch kultu-reller Elemente und die zukünftigen Aus-sichten des interkulturellen Dialogs prä-sentieren« (Koch 1992: 28). Um auch dieProbleme der Macht- und Abhängig-keitsverhältnisse sowie des kulturellenEurozentrismus kritisch zu überdenken,sollte die Kulturkonfrontation, wie sie imZuge von Kolonialismus und Imperialis-mus anderen Ländern aufgezwungenwurde und heute immer noch nachwirkt,gründlich untersucht werden, zumalauch die Geschichte des Fachs »Deutsch

1 Dieses Seminar wurde von mir im Zusatzstudium Deutsch als Fremdsprache amFachbereich Germanistik der Freien Universität Berlin durchgeführt.

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als Fremdsprache« sowie des Bildungs-wesens in diesen Ländern eng damit ver-flochten ist. Während hier auf der einenSeite die nationalistische Verzerrung lan-deskundlicher Inhalte und die imperiali-stischen Bestrebungen der Sprach- undKulturarbeit kritisch zu durchleuchtensind, muß auf der anderen Seite unter-sucht werden, welche Zerstörungen, aberauch Anstöße und Bereicherungen durchdas Aufeinandertreffen unterschiedlicherKulturen gerade ausgelöst worden sind.Vor diesem Hintergrund kann auch dieambivalente Haltung besser begriffenwerden, die in zahlreichen Ländern sicht-bar wird in der Auseinandersetzung zwi-schen den der europäischen Kultur auf-geschlossen gegenüberstehenden Schich-ten und traditionalistischen Kreisen, wel-che die westliche Kultur weitgehendablehnen. Diese kulturelle Ambivalenzdurchdringt in vielen Ländern auch denBildungsbereich, in dem ohnehin seitJahrzehnten europäisch-US-amerikani-sche Einflüsse wirksam sind. Hier öffnetsich der Forschung ein weites Feld, da inverschiedenen Archiven umfangreichesQuellenmaterial lagert, das die deutscheKulturarbeit im Ausland oder mit Aus-ländern und die damit verknüpften Pro-bleme umfassend dokumentiert (vgl.Reinbothe 1992).

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Textfunktion und Textstruktur als Grundlagen fürdie Entwicklung der Textkompetenz

Ewa Drewnowska-Vargáné

0. VorbemerkungDaß Lesen und Schreiben im Unterrichtständig an Bedeutung gewinnen, ist inder heutigen Didaktik eine allgemein be-kannte Tatsache. Eine klare Bestätigungfür die Wichtigkeit dieser zwei Fertigkei-ten finden wir im Werk des schweizeri-schen Psychologen und DidaktikersHans Aebli: Zwölf Grundformen des Leh-rens (1983), der die schon im Jahre 1963erschienenen Grundformen des Lehrens umzwei neue, und zwar um Lesen undSchreiben, erweitert hat.

»Lesen ist im Unterricht und im Leben einegrundlegende Form der Erfahrungsbildungund des Lernens; Schreiben eine ebensowichtige Form der Kommunikation. Unterpsychologischen Gesichtspunkten begin-nen wir erst heute zu verstehen, was Lesenund Schreiben bedeutet.« (Aebli 1983: 11f.)

Aebli stellt in seinem Buch Lesen undSchreiben als Grundformen in sowohlhumanen als auch in Realfächern unterpsychologischen, linguistischen und di-daktischen Gesichtspunkten dar.

1. Textlinguistisches InstrumentariumIm vorliegenden Aufsatz beschäftige ichmich mit den beiden letztgenanntenAspekten, d. h. mit dem linguistischenund dem didaktischen, bezogen auf denUnterricht Deutsch als Fremdsprache.Wenn man den Begriff »Lernen« auf denFremdsprachenunterricht bezieht,kommt man gleich einem seiner wichtig-sten aktuellen Schwerpunkte nahe, näm-

lich der Textkompetenz, also dem, wasman heute unter Lese- und Schreibkompe-tenz versteht.Den Zusammenhang zwischen der Ten-denz zur Entwicklung der Textkompe-tenz in der modernen Didaktik desFremdsprachenunterrichts und der prag-matischen Wende in der Linguistik zuBeginn der 70er Jahre, ihrem Einfluß aufdie Entwicklung der Textlinguistik undwiederum deren Einfluß auf den Sprach-unterricht erörtere ich hier nicht, weil erin der einschlägigen Literatur vielerortsbehandelt wird (vgl. Beisbart et al. 1976;Aebli 1983; Sowinski 1983; Brinker 1988;Portmann 1991; Blüml 1992).Als Lehrkraft an einem Universitätslehr-stuhl für deutsche Sprache und Literaturin Ungarn, an dem zukünftige Germani-sten ausgebildet werden, halte ich viel-mehr die Erörterung folgender Frage fürbesonders wichtig: Wie kann man dieneuesten textlinguistischen Forschungs-ergebnisse im Lese- und Schreibunter-richt mit Germanistikstudenten erfolg-reich anwenden?Während der letzten Jahre hatte ich näm-lich die Möglichkeit, mit Hilfe eines vonmir zusammengestellten textlinguisti-schen Instrumentariums ein Unterrichts-konzept in den Sprech- und Sprachübun-gen durchzuführen. Das Ziel des Kon-zeptes war, Defizite an schriftlicher Aus-drucksfähigkeit in den Aufsätzen der ander Untersuchung teilnehmenden Stu-dierenden festzustellen und zu analysie-

Info DaF 24, 4 (1997), 514–522

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ren. Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigendie größten Defizite in folgenden Berei-chen:– Medio- und Makrostruktur des Textes– Grundformen der Themenentfaltung– Rolle der Absätze in der thematischen

Entfaltung– Funktionen von bestimmten Wortarten

in der grammatischen Kohärenz– Modi bei der sachbetonten bzw. mei-

nungsbetonten Realisierungsform derThemenentfaltung

– Gebrauch der TemporaDiese Defizite sind nicht nur mit man-gelnden theoretischen Kenntnissen derhier genannten textlinguistischen Kate-gorien zu erklären, sondern – wie ichwährend der Analyse der Aufsätze fest-gestellt habe – vielmehr mit mangelndenKenntnissen von entsprechenden sprach-lichen Realisierungsformen dieser Kate-gorien im Deutschen.Die Befunde meiner Arbeit also legennahe, daß der Aufsatzunterricht in zweiPhasen verlaufen sollte: in einer Vorpha-se, in der authentische deutsche Texte mitAnwendung von textlinguistischen For-schungsergebnissen analysiert werdenund die auf das selbständige Schreibenvorbereitet, und danach in einer zweitenPhase, in der die eigentlichen Aufsätzegeschrieben werden.Den Ausgangspunkt bei jeder Rezeptionin dem oben beschriebenen Sinne solltem. E. die Bestimmung der kommunikati-ven Textfunktion sein. Jedes Textexemplarunterscheidet sich dadurch von Nichttex-ten, daß es eine kommunikative Funktionaufweist.Laut Klaus Brinker ist diese Funktion inkommunikativ-funktionaler Hinsicht»die im Text mit bestimmten, konventio-nell geltenden Mitteln ausgedrückte do-minierende Kommunikationsabsicht desEmittenten, d. h. seine Intention, die er zuerkennen gibt, indem er sich auf be-stimmte Regeln (Konventionen) sprachli-

cher und kommunikativer Art bezieht«(Brinker 1988: 7). Er unterscheidet fünfTypen der Textfunktion: Informations-,Appell-, Obligations-, Kontakt- und De-klarationsfunktion.Anhand der Arbeit mit den Studentenhatte ich den Eindruck, daß die obenge-nannten fünf Typen der Textfunktionnicht immer präzise genug die Kommuni-kationsabsicht des zu schreibenden Textesausdrücken. Deswegen habe ich bei derBestimmung der Kommunikationsab-sicht von jedem neuen Text nicht nur dieTextfunktion, sondern auch das Globalzieldes Textes in Anlehnung an Ulrich Engel(Informieren, Veranlassen, Überzeugen,Belehren, Kontaktpflege und Emphase-Abbau) berücksichtigt (vgl. Engel 1988:118ff.).Auf diese Weise konnten die an der Un-tersuchung teilnehmenden Studierendenihre Schreibabsicht viel genauer bestim-men: Bei einem Privatbrief z. B. kann dieSchreibabsicht »Informieren« sein (hierstimmt die Textfunktion mit dem Global-ziel überein) und außerdem noch »Über-zeugen«, »Kontaktpflege« oder vielleichtsogar »Emphase-Abbau«.Die Textfunktion, das Globalziel und häufigauch der sach- bzw. meinungsbetonte Cha-rakter des Textes werden in der Textstruk-tur, d. h. in der thematischen und gram-matischen Kohärenz, durch entsprechen-de sprachliche Mittel realisiert (vgl. Brin-ker 1985: 20).Daher ist es sehr wichtig, daß die Studie-renden nach der Rezeption des Textesversuchen, seine kommunikative Funkti-on und sein Globalziel zu bestimmen unddanach den Text unter dem Gesichts-punkt zu analysieren, wie die Funktionund das Globalziel in der Textstrukturausgedrückt werden.Natürlich hängt die Bestimmung derTextfunktion immer in einem gewissenGrade von dem subjektiven Eindruck desRezipienten ab. Es ist aber wichtig, daß

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die Studierenden den Zusammenhangder Textfunktion mit der Textstruktur er-kennen.Die hier dargestellten Aufgaben (Unter-richtsvorschläge) bilden nur einen gerin-gen Teil der oben erwähnten Vorphasezum eigentlichen Aufsatzunterricht, d. h.eine Phase, in der die frisch erworbenentextlinguistischen Kenntnisse in der Ana-lyse an authentischen deutschen Texten(Rezeption und ggf. Umschreiben vonbestimmten Textfragmenten) geübt undgefestigt werden sollen.Den Studierenden werden die einzelnenKategorien und Merkmale der Textstruk-tur während der Analyse von authenti-schen Texten in Form eines textlinguisti-schen Instrumentariums beigebracht.Die untenstehende Einteilung der Text-struktur in thematische und grammati-sche Kohärenz stammt von Klaus Brinker(1988: 10):thematische Kohärenz:

Thema (Arten: Gegenstand, Ereignis,These usw.)Themenentfaltung (Grundformen: de-skriptiv, narrativ, explikativ, argumen-tativ)

grammatische Kohärenz:Wiederaufnahme (explizit, implizit)Konjunktionale Verknüpfung u. a.

Diese Einteilung wurde von mir auf-grund der einschlägigen textlinguisti-schen Literatur und nach der Durchfüh-rung meines Konzeptes im Aufsatzunter-richt zu dem folgenden textlinguistischenInstrumentarium erweitert:Thematische Kohärenz:

Thema (Brinker 1985: 50–55)Themenentfaltung: makrotextlicheProgression, Grundformen: deskriptiv,narrativ, explikativ, argumentativ(Brinker 1985: 56–69)Entwicklung von Absätzen (vgl. Mos-kalskaja 1984: 78–97; vgl. Blüml 1992:52–59)

mikrotextliche Progression: Thema-Rhema-Progression (vgl. Sowinski1983: 98–101)Makro-, Mikro- und Mediostrukturen(vgl. Engel 1988: 103ff.)

Grammatische Kohärenz:Wiederaufnahme (explizit/implizit)(Brinker 1985: 26–36)Konjunktionale Verknüpfungen (Brin-ker 1985: 38f.)Adverbiale Verknüpfungen (vgl. Engel1988: 89–92)Pronominalisierungsketten (vgl. Wein-rich 1993: 372ff.)Rhematische und thematische Prono-mina (vgl. Weinrich 1993: 373ff., 380ff.) Anaphorische und kataphorische Arti-kel (vgl. Weinrich 1993: 404–417)Besprechende und erzählende Tempo-ra (vgl. Weinrich 1993: 198–212)Modi in der Redewiedergabe (vgl. En-gel 1988: 112; 1994: 258ff.; Brinker 1985:100f.; Weinrich 1993: 240–266)Parallelismus (vgl. Dressler 1972: 45,74; Blüml 1992: 86–92).

Dieses Instrumentarium sollte den Stu-dierenden nach meiner Konzeption inder schon besprochenen Vorphase zumeigentlichen Aufsatzunterricht währendder Analyse von authentischen deut-schen Texten beigebracht werden.Im folgenden präsentiere ich einigeMerkmale des Instrumentariums mitAufgaben, die von mir für die Vorphasezum Aufsatzunterricht konzipiert wur-den.

1.1 Argumentative ThemenentfaltungDie Grundformen der Themenentfaltungsind charakteristische Merkmalsausprä-gungen der Kategorie »Thema« im Textund bestimmen grundsätzlich seine the-matische Struktur (vgl. Brinker 1985: 7f.).Wenn, wie oben erwähnt, die »dominie-rende Kommunikationsabsicht des Emit-tenten« mit der Textstruktur in einemengen Zusammenhang steht, dann kann

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man annehmen, daß die einzelnen Kate-gorien der Textstruktur, also vor allemdie Grundform der Themenentfaltung,von der Textfunktion geprägt sind.

Die Kategorien der argumentativen The-menentfaltung werden an folgender Pro-blemerörterung analysiert (»Aufsatz vonGaby N.«. In: Lübke, Diethard: Der deut-sche Aufsatz (DUDEN Abiturhilfen). 1991,74f.; meine Hervorhebungen, E. D.-V.)

Wenn wir nach der Rezeption des vorlie-genden Textes seine kommunikative Funk-tion als Informationsfunktion und zusätz-lich noch sein Globalziel als »Überzeugen«bestimmen, dann finden wir leicht des-sen Widerspiegelung in der rational-überzeugenden Realisationsform derhier argumentativen Grundform der The-menentfaltung.In der Beschreibung der argumentativenThemenentfaltung stütze ich mich auf dieArgumentationsstruktur von StephenToulmin (vgl. Brinker 1985: 68ff.).Hier beschränke ich mich auf die wichtig-sten Kategorien dieser Grundform. Diezentrale Kategorie der Argumentations-struktur bildet eine These, die zugleichdas Textthema repräsentiert. Die These

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»Möchten Sie nach dem Abitur ein Jahrin den USA verbringen?

Ein Highschool-Jahr in den USA halte ich füreine gute Einrichtung. Ich würde sehr gernnach dem Abitur ein Jahr dort verbrin-gen.

Meine Entscheidung möchte ich mit fol-genden Argumenten rechtfertigen:

Ich bin in einer kleinen Stadt aufgewach-sen und habe ein großes Interesse, größe-re Städte und fremde Länder kennenzu-lernen. Ein längerer Aufenthalt in den USAwäre für mich eine gute Einführung in den›American way of life‹. Ich würde dortnicht nur viele Städte, Museen und schö-ne Landschaften sehen, sondern auch vieleFreunde gewinnen, da ich sehr kontakt-freudig bin. Ich könnte die Lebensweiseund die Einstellungen junger Amerika-ner kennenlernen.Das könnte manche Vorurteile abbauen,vielleicht auch solche, die die Amerika-ner uns gegenüber haben. Ich würdeversuchen, das Interesse der Amerikanerfür uns Deutsche zu wecken.

Ich bin sicher, daß das Leben in eineramerikanischen Gastfamilie ein Jahr langeine gewaltige Umstellung für mich be-deuten würde. Ich denke an Essen, Um-gangsformen, Freizeitgestaltung usw.Davor habe ich einerseits Angst, anderer-seits werde ich mich auch im späteren Lebenumstellen und mich anderen Menschen an-passen müssen, in der Arbeitsstelle, in derFamilie meines zukünftigen Mannes.

In dem Jahr in den USA würde ich Selbstän-digkeit und Eigenverantwortlichkeit gewin-nen, die mir im späteren Leben nützlich sind.Das beginnt mit der Einteilung des Ta-

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schengeldes, und ich müßte auch sonstalle Entscheidungen selbst treffen. MeineEltern könnten mich dort nicht beratenoder bevormunden. Ich würde sozusagenals »neuer Mensch« nach Deutschlandzurückkehren.

Ein wichtiges Argument für einen USA-Aufenthalt ist schließlich, daß ich meineEnglischkenntnisse erheblich verbessernwürde. Dies wäre im Berufsleben ein sehrgroßer Vorteil. Fremdsprachenkenntnis-se, besonders Englischkenntnisse, eröff-nen mir zusätzliche Berufschancen.

Leider ist zu berücksichtigen, daß die Reise-veranstalter bis zu 10.000 DM für den Ame-rikaaufenthalt verlangen. Das ist sehr vielGeld, und ich kann von meinem Vater,der nicht reich ist, nicht verlangen, daß erdie Kosten für mich aufbringt. – Trotzdemwerde ich versuchen, nach dem Abiturals Aupair-Mädchen in die USA zu rei-sen. Ich muß dann zwar in einer Familiemithelfen, werde aber trotzdem Land undLeute kennenlernen und meine Sprach-kenntnisse verbessern.

Ich meine, daß meine gegenwärtige Situationfür einen Amerikaaufenthalt besonders gün-stig ist: ich habe die Schule abgeschlossenund habe keine Berufsausbildung begon-nen. Ich bin also ungebunden: Ein Ameri-kaaufenthalt kann mir nur nützen.«

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wird mit den Argumenten begründet. DerSchritt von den Argumenten zu der The-se wird durch eine nächste Kategorie,nämlich die Schlußregel legitimiert. DieFormulierung der These und der Argu-mente im Text ist im Unterschied zurFormulierung der Schlußregel immer obli-gatorisch. Schlußregeln sind meistens inden Texten implizite vorhanden.Folgende Aufgabe und ihre Lösung zei-gen, wie die oben dargestellten Katego-rien der argumentativen Themenentfal-tung von den Studierenden geübt undgefestigt werden können.

Aufgabe:Finden Sie die Hauptthese im Text unddie auf sie bezogenen Argumente! Über-prüfen Sie, ob sich diese Argumentewirklich auf diese These beziehen, d. h.versuchen Sie, Schlußregeln in folgenderForm zu formulieren:»Wenn……… (Inhalt des jeweiligen Ar-guments), dann kann man annehmen,daß die These wahr ist«

Lösung:These:

Ein Highschool-Jahr in den USA isteine gute Einrichtung für mich. (Zeile2)

Argument 1:Ich werde mich im späteren Leben um-stellen und mich anderen Menschenanpassen müssen. (Zeile 29–32)

Schlußregel:Wenn ich mich im späteren Leben um-stellen und mich anderen Menschenanpassen muß, dann ist ein High-school-Jahr in den USA eine gute Ein-richtung für mich.

Argument 2:»In dem Jahr in den USA würde ichSelbständigkeit und Eigenverantwort-lichkeit gewinnen, die mir im späterenLeben nützlich sind«. (Zeile 34–36)

Schlußregel:wie oben

Argument 3:Ich würde meine Englischkenntnisseerheblich verbessern. (Zeile 45–47)

Schlußregel:wie oben

Argument 4:Meine gegenwärtige Situation ist füreinen Amerikaaufenthalt besondersgünstig. (Zeile 63–65)

Schlußregel:wie oben

1.2 Entwicklung von AbsätzenAbsätze haben in Texten eine zweifacheFunktion: Einerseits sind sie ein Mittelmediostruktureller Gliederung (vgl. En-gel 1988: 105ff.), andererseits werden inihnen Mikrothemen entwickelt, die in dergesamten Entfaltung des globalen The-mas des Textes eine wichtige Rolle spie-len.Weitere Übungen im Bereich der The-menentwicklung betreffen die Formulie-rung und Entwicklung von Mikrothemeninnerhalb eines Textes. Nach Moskalskaja(vgl. 1984: 84ff.) wird (vor allem in wis-senschaftlichen, populärwissenschaftli-chen Texten und Lehrtexten) pro Absatzein Mikrothema entwickelt, das mit an-deren Mikrothemen zusammen zur Ent-wicklung des globalen Themas des Tex-tes beiträgt.Innerhalb der einzelnen Absätze nenntdie Autorin zweiteilige oder dreiteiligeAbsatzstrukturen.In der zweiteiligen Absatzstruktur sindzu unterscheiden:1. der Kernsatz (der Hauptgedanke des

Absatzes)2. der kommentierende Teil (in dem der

Kernsatz kommentiert bzw. durch Bei-spiele illustriert wird).

In der dreiteiligen Struktur kommennoch Schlußsätze (Schlußfolgerungen)hinzu.

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Aufgaben:1a)Nennen Sie das globale Thema der

obenstehenden Problemerörterung.1b)Unterstreichen Sie in jedem Absatz

des Textes das Mikrothema (denKernsatz)! In welcher Beziehung ste-hen die Kernsätze zu dem globalenThema?

1c) Überlegen Sie, ob die einzelnen Ab-sätze zwei- oder dreigliedrig sind!Gliedern Sie die Absätze in den Kern-satz, den kommentierenden bzw. illu-strierenden Teil und evtl. in dieSchlußsätze! Gibt es Sätze innerhalbdes Absatzes, die keinem Teil zuzu-schreiben sind? Welche Funktion ha-ben sie?

2a)Überlegen Sie, welche Modelle desKommentierens bzw. Illustrierens inden einzelnen Absätzen vorkom-men!1

2b)Unterstreichen Sie alle Verknüpfun-gen (konjunktionale und adverbialeVerknüpfungen, Partikeln, Wortgrup-pen), die in jedem Absatz im Bereichdes Kommentierens bzw. Illustrierensauftreten, und entscheiden Sie, ob sielinks-, rechts- oder ambikonnex (vgl.Engel 1988: 81–93) sind!

2c) Sondern Sie diejenigen Verknüpfun-gen aus, die für das von Ihnen ge-nannte Modell (z. B. Aufzählen) cha-rakteristisch sind!

Lösung:Es ist in diesem Text sehr deutlich zusehen, in was für einem logischen Zu-sammenhang die argumentative The-menentfaltung mit der Absatzentwick-lung stehen:Das Globalthema: »Ein Highschool-Jahr inden USA halte ich für eine gute Einrich-

tung« (Zeile 1–2) ist nämlich zugleich dieHauptthese und die Kernsätze – Mikrothe-men der Absätze – sind die einzelnenArgumente für diese Hauptthese, d. h. proAbsatz wird ein Argument ausgeführt(im Absatz 5 handelt es sich um einGegenargument).

Struktur und Verknüpfungsmittel in ein-zelnen Absätzen:

Absatz 1 (Zeile 7–23):Zeile 7–10: Einführung (sie ist kein selb-ständiger Teil der Absatzstruktur).Die Struktur des Absatzes ist dreiglied-rig:1. Kernsatz: Zeile 10–12: »Ein längerer

Aufenthalt in den USA wäre für micheine gute Einführung in den ›Americanway of life‹«.

2. Kommentierender Teil: Aufzählung(Zeile 12–18)

3. Schlußsätze: (Zeile 19–23): »Das könntemanche Vorurteile abbauen, vielleichtauch solche, die die Amerikaner unsgegenüber haben. Ich würde versu-chen, das Interesse der Amerikaner füruns Deutsche zu wecken«.

An der Struktur dieses und auch andererAbsätze ist explizit zu sehen, daß derKernsatz nicht unbedingt der erste Satzim Absatz sein muß.Verknüpfungsmittel:

kopulative (addierende) Konjunktion:nicht nur… sondern auch – rechtskonnex(Zeile 13–14),kopulative (addierende) Konjunktion:und – ambikonnex (Zeile 17),kausale Konjunktion: da – rechtskon-nex (Zeile 15)

Für das Modell der »Aufzählung« sindalle hier genannten Mittel außer der kau-salen Konjunktion da charakteristisch.

1 Vgl. Blüml (1992: 53–56): Der Autor schlägt einige Modelle vor, die in diesem Bereichvariabel verwendet werden können, wie z. B.: »Aufzählen«, »Beispiele«, »Vergleich«,»Kontrastierung«, »Raum und Zeit«, »Ablaufbeschreibung«, »Ursache und Wirkung«,»Verallgemeinerung«.

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Absatz 2 (Zeile 24–33):1. Kernsatz: »… andererseits werde ich

mich auch im späteren Leben umstellenund mich anderen Menschen anpassenmüssen, in der Arbeitsstelle, in der Fa-milie meines Mannes.« (Zeile 29–33)

2. Kommentierender Teil: Kontrastierung(Zeile 24–28)

Verknüpfungsmittel:Pronominaladverb davor – linkskonnex(Zeile 29), anreihende Konjunktional-adverbien einerseits … andererseits –rechtskonnex (Zeile 29–30)

Für das Modell der »Kontrastierung« sinddie anreihenden Konjunktionaladverbieneinerseits … andererseits charakteristisch.

Absatz 3 (Zeile 34–43)1. Kernsatz: »In dem Jahr in den USA

würde ich Selbständigkeit und Eigen-verantwortlichkeit gewinnen, die mirim späteren Leben nützlich sind.« (Zei-le 34–36)

2. Kommentierender Teil: Aufzählung(Zeile 37–41)

3. Schlußsatz: »Ich würde sozusagen alsneuer Mensch nach Deutschland zu-rückkehren.« (Zeile 41–43)

Verknüpfungsmittel:Demonstrativpronomen: das – links-konnex (Zeile 37),kopulative (addierende) Konjunktionund – ambikonnex (Zeile 38),Partikel und Konjunktionaladverb auchsonst – rechtskonnex (Zeile 38),kopulativ gebrauchte Konjunktion oder– ambikonnex (Zeile 41)

Außer dem Demonstrativpronomen dassind alle hier genannten Verknüpfungs-mittel für das Modell »Aufzählung« cha-rakteristisch.

Absatz 4 (Zeile 44–50):1. Kernsatz: »…daß ich meine Englisch-

kenntnisse erheblich verbessern wür-de.« (Zeile 45–47)

2. Kommentierender Teil: Beispiel (Zeile47–50)

Verknüpfungsmittel:kopulatives Konjunktionaladverbschließlich – rechtskonnex (Zeile 45),Demonstrativpronomen dies – links-konnex (Zeile 47),Partikel besonders – rechtskonnex (Zeile49)

Für das Modell »Beispiel« ist die Partikelbesonders charakteristisch.

Absatz 5 (Zeile 51–62)1. Kernsatz: »…daß die Reiseveranstalter

bis zu 10.000 DM für den Amerikaauf-enthalt verlangen.« (Zeile 51–53)

2. Kommentierender Teil: Kontrastierungund Aufzählung (Zeile 51–62)

Verknüpfungsmittel:Erweiterter Infinitiv: »Leider ist zu be-rücksichtigen, …« – rechtskonnex (Zei-le 51),Demonstrativpronomen das (Zeile 53) –linkskonnex,konzessive Konjunktion trotzdem –linkskonnex (zweimal: Zeile 56 undZeile 60),Adverb und Partikel dann zwar (spezi-fizierend) – rechtskonnex (Zeile 59),adversative Konjunktion aber – links-konnex (Zeile 60),kopulative Konjunktion und zweimal –ambikonnex (Zeile 60 und 61)

Außer dem Demonstrativpronomen dassind alle Verknüpfungsmittel für die»Kontrastierung« und »Aufzählung«charakteristisch.

Absatz 6 (Zeile 63–68)1. Kernsatz: »Ich meine, daß meine ge-

genwärtige Situation für einen Ameri-kaaufenthalt besonders günstig ist:«(Zeile 63–68)

2. Kommentierender Teil: Verallgemeine-rung (Zeile 65–68)

Verknüpfungsmittel:Kopulative Konjunktion und – ambi-konnex (Zeile 66),Partikel also – linkskonnex (Zeile 67).

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Für das Modell »Verallgemeinerung« istdie Partikel also charakteristisch.

Während der Analyse von Aufsätzenmeiner Studenten habe ich bemerkt, daßvor allem die für die einzelnen Modelledes Kommentierens bzw. Illustrierenscharakteristischen Verknüpfungsmittelzu den Schwächen ihres schriftlichenAusdrucks gehören. Deswegen halte ichdas Sammeln dieser Ausdrucksmittelwährend der Rezeption von verschiede-nen authentischen deutschen Texten fürbesonders empfehlenswert: Sie könnennämlich danach bei der Textproduktionmit Erfolg verwendet werden.

1.3 Positionsmarkierungen als Teil derMediostruktur des TextesUnter Positionsmarkierungen werdenVor- und Nachschaltungen (vgl. Engel 1988:105f.) bzw. andere Gelenkstellen im Textverstanden, die einen kohärenten Über-gang von einem Textteil zu einem anderengarantieren. Vorschaltungen stehen mei-stens vor einem Argumentationsstrang,Nachschaltungen dagegen schließen mei-stens den Argumentationsstrang ab.Wenn sie im Text fehlen, entstehen Lük-ken in der thematischen Kohärenz, washäufig in den Aufsätzen meiner Studen-ten der Fall war. Daher halte ich es fürempfehlenswert, Übungen zu entwickeln,in denen solche Positionsmarkierungenzuerst entdeckt, dann aber von den Stu-denten selbst formuliert werden können.

Aufgabe, Variante 1:Finden Sie die Vor- und Nachschaltung inder obenstehenden Problemerörterung.Lösung:Vorschaltung (Zeile 5–6): »Meine Ent-scheidung möchte ich mit folgenden Ar-gumenten rechtfertigen:«Nachschaltung (Zeile 67): »Ich bin alsoungebunden:«

Aufgabe, Variante 2:Der Text wird den Studenten ohne dieVor- und Nachschaltung zur Rezeptiongegeben. Danach erhalten sie folgendeAnweisungen:1. Formulieren Sie eine entsprechende

Vor- und eine Nachschaltung zu die-sem Text!

2. Vergleichen Sie Ihre Varianten mit denPositionsmarkierungen aus dem Origi-naltext!

2. ZusammenfassungZum Schluß möchte ich betonen, daß sichÜbungen solcher Art m. E. besonders fürden fremdsprachlichen Schreibunterrichteignen, weil Muttersprachler über diedem schriftlichen Ausdruck einer be-stimmten Kommunikationsabsicht die-nenden sprachlichen Mittel meistens be-reits verfügen, Fremdsprachenlerneraber müssen sich diese gesondert aneig-nen. Diese Mittel können ja nicht wäh-rend der fremdsprachlichen Konversa-tion geübt werden, denn in der gespro-chenen Sprache verwendet man andereAusdrücke als in der Schriftsprache.Die hier präsentierten Übungen stellenlediglich einen geringen Teil der Vorpha-se zum Aufsatzunterricht dar. In allerKürze möchte ich nur hinzufügen, wel-che textlinguistischen Begriffe in der Vor-phase vor dem eigentlichen Aufsatz-schreiben noch gelernt, geübt und gefe-stigt werden können:In erster Linie geht es hier um die Er-kenntnis, daß alle vier Grundformen derThemenentfaltung häufig miteinanderverknüpft in den Texten vorkommen. Da-her habe ich Aufgaben konzipiert, in de-nen diese Grundformen erkannt undnach den für sie charakteristischen Kate-gorien beschrieben werden sollten.Manche Aufgaben beruhen darauf, daßexplikative oder argumentative Textab-schnitte den Studenten mit sog. »leerenStellen« gegeben werden. Die Ausfüllung

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dieser Stellen ist nichts anderes als einekontextabhängige Formulierung be-stimmter fehlender Textabschnitte, unddamit wird noch ein Schritt weiter in Rich-tung auf das selbständige Schreiben getan.Viele Aufgaben in der Vorphase zumAufsatzunterricht habe ich in bezug aufden Vergleich von gleichen Strukturen(z. B. argumentativen) in verschiedenenTextsorten konzipiert. Solche Vergleichekönnen auch zur Schulung des Stilge-fühls beitragen.Im Bereich der grammatischen Kohärenzhabe ich Schwerpunkte auf den adäqua-ten Gebrauch der Tempora, der Modiund auf die Erkenntnis der Funktion vonanaphorischen und kataphorischen Arti-keln als voraus- und zurückweisendeMittel im Text gesetzt.Zuletzt möchte ich die Hoffnung äußern,daß das von mir kurz präsentierte Kon-zept der Vorphase zum Aufsatzschreibenmeinen Kollegen an anderen ausländi-schen Universitäten und HochschulenAnregungen für ihren eigenen Unterrichtgeben kann.

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Einsatz von Videos im DaF-Unterricht aus US-amerikanischer Sicht

Franz-Joseph Wehage

1. Video-Materialien für den DaF-Un-terrichtDas Erleben der Authentizität einer Spra-che und ihrer Kultur führte in den achtzi-ger Jahren1 zu ersten didaktischen Ansät-zen, wie man Videos in den Unterrichtintegrieren kann. Das Goethe-Institut so-wie Inter Nationes entwickelten darauf-hin Konzepte, die richtungsweisendwurden, wie z. B. Die Krönung der schön-sten Stunden (1990), Der Falschspieler(1991), Alles Gute (1992), Vis à Vis (1992),Direkt angesprochen (1995). Der Medienka-talog des Goethe-Instituts mit seinen kul-turellen, literarischen und politischen Vi-deomaterialien bereichert Deutsch alsFremdsprache heutzutage ungemein, daer ein differenziertes Spracherlebnis er-möglichtMethodologische Ansätze sowie Didakti-sierungen von Videos liegen bereits vor,aber kein Modell, das sich auf jedes Videoübertragen ließe. Films Incorporated(1989), Houghton Mifflin (1992, 1994,1996), Heinle & Heinle (1994), McGraw-Hill (1995), Harcourt Brace Jovanovich(1995), Prentice Hall (1995), D. C. Heath(1996) sowie SCOLA2 bieten verschiede-ne Videoprogramme an, die teils einem

Lehrbuch zugeordnet sind oder als Zu-satzmaterial eingesetzt werden können.PICS3 (Project for International Commu-nication Studies an der University ofIowa) veröffentlicht jedes Jahr einen Vi-deokatalog, der nicht nur Neuheiten vor-stellt, sondern auch Videos in amerikani-scher NTSC-Norm auflistet.Videos bereichern den Lehrstoff mit au-thentischem Material. Die bei McGraw-Hill (1995) veröffentlichte VideoserieAuthentic German Materials stellt Themenvor wie z. B. »Das Kino heute«, »Urlaubund Reiseziele«, »Wohnungsnot der Stu-denten«, »Finanzen der Studenten«,»Auszubildende (Azubis)«, »Zivil-dienst«, »Interviews mit Frauen«, »Ar-beitslose«, »Neue Geldscheine«, »Ge-sundheit und Fitness« sowie »Umwelt-schutz«. Videos dieser Art wecken beiausländischen Studenten das Interesse aneiner anderen Kultur. Die in Zusammen-arbeit mit Langenscheidt und Inter Na-tiones konzipierte Videoserie Alles Gutevermittelt besonders landeskundlich in-teressante Szenen, die sich als Segmentgut in den Unterricht eingliedern lassen.Das Arbeitsbuch zeigt die grammatischeProblemstellung kurz auf und schließt

1 Die eigentliche Forschungsarbeit begann Mitte der achtziger Jahre, die dann denMedieneinsatz des Goethe-Instituts und von Inter Nationes ermöglichte.

2 SCOLA strahlt TV-Nachrichten in vielen Fremdsprachen über Satellit aus. Die deut-schen Nachrichten erscheinen allerdings mit einer 2–3tägigen Verspätung.

3 PICS wurde 1982 an der Universität Iowa gegründet. Das Projekt bietet authentischeFernsehmaterialien auf Videokassetten und Laserdiscs an.

Info DaF 24, 4 (1997), 523–529

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dann Übungen an, die das Hörverständ-nis vertiefen und die Schriftsprache übensollen. Leider liegt hier eine ausgeprägteTextorientierung vor, so daß weniger dasgesprochene Wort als vielmehr dieSchriftsprache zur Geltung kommt. MitHilfe anderer Methoden ließe sich – wienoch zu sehen sein wird – konkreter aufdie Teilnahme des Lernenden eingehen.Das Videobuch Zielpunkt Deutsch (1995;Begleitmaterial zu Wie Geht's? Lehrbuchfür das erste Jahr Deutsch) vermittelt eben-falls authentische Situationen, die, darge-stellt von einer Gruppe Studenten an derUniversität München, durchaus realitäts-bezogenen Charakter haben. Die Themen»Begrüßungen«, »Auf der Post«, »Sportund Freizeit«, »Essen und Trinken«, »Inder Stadt«, »Arbeitsleben«, »Das Studi-um«, »Einkaufen«, »Krank sein«, »DieMode«, »Verkehrsmittel«, »Auf Reisen«,»Bergwandern«, »Umweltbewußt le-ben«, »Zukunftsaussichten« und »Kul-tur«, sind auf die jeweiligen Kapitel desLehrbuches abgestimmt. Der Hauptak-zent dieser Segmente liegt auf der Ver-mittlung von Landeskunde. Die sprachli-chen Übungen (Zuordnung von Wort-paaren, Dialogarbeit) haben mehr dasErkennen von verwandten Satzstruktu-ren als aktive Sprachproduktion zumZiel.

2. Der Einsatz von Video: Möglichkei-ten und ZieleGrundsätzliche Fragen zum Thema Vi-deo beantwortet Rick Altman (1989) inseinem Werk The Video Connection. Inte-grating Video Into Language Teaching. Alt-mans Kompendium gilt als wichtigesNachschlagewerk, da er für die dreiFremdsprachen Französisch, Deutschund Spanisch nützliche Methoden ent-wickelt, die sich besonders für Wirt-schafts-, Konversations- und Essaykurseeignen. Im einzelnen behandelt er The-men wie Werbung, Wettervorhersage,

Nachrichten, Dokumentationen und ver-mittelt Anleitungen für den Einsatz imUnterricht.»The amount of information carried by vi-deo makes it an especially rich culturalvehicle. The label on a videotape may say itis a murder mystery or an educational pro-gram, but a careful observer notes muchmore: the shops and shopping pattern, themethods of locomotion, the signs and po-sters, the clothing, the eating habits, and soforth. The inhabitant of a culture takes thesefor granted, but for the foreign languagelearner, video’s images and sounds becomean open book made up of chapter uponchapter of cultural information. Even thevideo programs themselves – their con-struction, scription, and cinematography –provide special insight into a nation’s cul-tural specificity.« (Altman 1989: 19)

Altman führt unter anderem auch Infor-mationen über den Erwerb von Videos,gängige Abkürzungen, den Einsatz vonVideos via Satellit sowie rechtliche Erwä-gungen an.Die Stichhaltigkeit seiner Erwägungenkommt in dem in Unterrichtspraxis er-schienenen Beitrag von Charles Lutcava-ge (1992) über Videos auf der Mittelstufezum Ausdruck. Der Autor didaktisierteinen Fernsehbericht über den kurz nachder Wiedervereinigung vorgenommenenAbbau des Checkpoint Charlie. DieserBeitrag informiert darüber, wie sich kul-turelle und politische Aspekte in denUnterricht integrieren lassen bei gleich-zeitiger Berücksichtigung einer diffizilenSpachbarriere, die durch gezielte lexikali-sche Übungen überbrückt wird.Wie kann man nun den Einsatz von Vide-os mit der traditionellen Unterrichts-struktur koordinieren? Videomaterialiensollen ja nicht den Unterricht ersetzen,sondern die Lehr- und Lernerfahrungbereichern.Dazu Wilga Rivers:»With the proliferation of VCRs in thehome, video is a medium with whichteachers and students now feel comfortable,

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and with the increasing emphasis on thecommunicative approach to languagelearning – which has stressed the im-portance of authenticity – video has clearlyimposed itself as a privileged pedagogicaltool for teaching language within an au-thentic visual and cultural context«. (Rivers1992: 119–120)

Die Konfrontation mit der authentischenSprachwelt inklusive realitätsbezogenerBilder geht über das Ziel der TPR Metho-de (Total Physical Response) hinaus undvermittelt »a naturalness of form and anappropriateness of cultural and situatio-nal context that would be found in thelanguage as used by native speakers«(Rogers and Frank 1988: 468). Ferner ver-mitteln Videos kulturelle Information.Ein spanischer Film mit der Skyline vonManhattan ist wohl nur unter Vorbehalteinzusetzen, denn Sprache sollte in ihrereigenen Kultur erlebt werden. Spracheund Kultur sind integrale Bestandteileeines Landes.Der Einsatz von kommerzieller Werbung,Auszügen aus Dokumentationen und Fil-men, Nachrichten und Wettervorhersa-gen verfolgt drei Ziele: Die Erweiterungdes Hörverständnisses, der Sprachfertigkeitund des schriftlichen Ausdruckes.Der Bildschirm (mit Ton und ohne Ton)erhöht die Aufmerksamkeit des Zu-schauers, der, im Gegensatz zu einer nurhörenden Aufnahme von Texten, Situa-tionen wahrnimmt und gleichzeitig ver-sucht, sie sprachlich zu dekodieren.Gruppenarbeit bietet die Möglichkeit,das unmittelbar Erlebte zu konkretisie-ren. Der Schwierigkeitsgrad des Videosbestimmt, ob die Gruppe selbst Fragenerarbeitet und damit die Sprache bewußtin bezug auf Syntax und Semantik ein-setzt oder Antworten zu einer vorbereite-ten Fragenliste erstellt, die zwar auch dieSprachpraxis fördert, aber vielleicht diesprachliche Fähigkeit der Studentenüberfordert.

3. Didaktische ÜberlegungenVor dem Einsatz im Unterricht sollte mansich Gedanken zu einer Didaktisierungdes Videos machen:

I. Video-Vorbereitung1. Was ist der Sinn und Zweck dieses

Videos?2. Wie kann man zusätzliches Material als

Vorbereitung auf das Video verwen-den?

3. Wie läßt sich das Video im Unterrichteinsetzen, um eine optimale Gruppen-arbeit zu gewährleisten?

4. Welche Möglichkeit besteht, das Mate-rial nachzubereiten, eventuell auch alsGruppe?

II. Video-Sensibilisierung1. Das Video wird untersucht auf kultu-

relle Information, schwierige Ausdrük-ke, Vokabular, geeignete Segmente undgrammatisches Niveau.

2. Um den Lernenden den Zugang zueinem Video zu erleichtern, wird eineVokabelliste erstellt.

3. Fragen zum Inhalt verarbeiten neuesVokabular, das in einer schriftlichenInhaltsangabe reaktiviert wird.

4. Eine Zeitungsanzeige sowie die Zu-sammenfassung eines Textes könnenals Vorbereitung auf das Thema einesVideos dienen.

5. Im Sprachlabor wird die Tonspur desVideos auf eine Audiokassette über-spielt.

III. GruppeninteraktionDurch »Brainstorming« wird das Vokabu-lar am nächsten Tag ermittelt und erneutschriftlich fixiert. Eine Rekonstruktion desHörverständnisses bedarf der Interaktionder Unterrichtsteilnehmer. In Gruppenwerden ein komplettes Skript sowie situa-tionsbezogene Dialoge erarbeitet. Fernerlassen sich verschiedene Titel erstellen,die dann diskutiert werden.

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IV. Bildspur-Stumm1. Der Bildschirm allein verdeutlicht eine

Fülle an Information, die sich beson-ders in Standbildern offenbart. Durchlangsames Vortasten in der Zeitlupelassen sich Situationen intensiver be-schreiben. Die Zeitlupe bietet die Mög-lichkeit, Bild für Bild auf landeskundli-che Aspekte einzugehen, die bei nor-maler Geschwindigkeit nicht wahrge-nommen werden. Dies bietet für Grup-penarbeiten vielfältige Möglichkeiten.

2. Eine andere Möglichkeit ist es, nachder Präsentation einer Szene das Videozu stoppen, den Inhalt der nächstenSzene erraten zu lassen, dann das gan-ze Segment zu zeigen, Vokabeln zusammeln und in Gruppenarbeit einenText/Dialog schreiben zu lassen.

3. Studenten erstellen einen Fragebogenin Gruppenarbeit.

4. Für den Tageslicht-Projektor Fragenauf Folien schreiben lassen.

5. Grammatische Wiederholung: Seg-ment in verschiedenen grammatischenZeiten nacherzählen. Üben von starkenund schwachen Adjektiven sowie Prä-positionen.

6. Verarbeitung des neuen Wortschatzesin einem Essay.

V. Bildspur mit Ton1. Interaktion von »hören« und »sehen«.

Auf einer Vokabelliste kreuzen Studen-ten Wörter an, die sie »hören« und»sehen«.

2. Hörverständnisübung durch Auslas-sen wichtiger Wörter im Text.

3. Rollenspiel: Studenten erarbeiten inGruppen Fragen zur Kommunikation.

4. Grammatik: Voraussetzung ist gutesHörverständnis. In Gruppenarbeit las-sen sich Aspekte der Grammatik erar-beiten, die gleichfalls als »review« die-nen; z. B. konzentriert sich eine Gruppeauf Verben, die andere auf Adjektive,die nächste auf Präpositionen etc. Da-

nach werden die Ergebnisse gesam-melt, und in Gruppenarbeit wird derText des Videos neu erstellt. Diese Auf-gabe integriert die Fertigkeiten »Hö-ren« (Listening), »Schreiben« (Writing),und »Sprechen« (Speaking).

5. Gruppenarbeit: Beschreibung des Seg-ments mit dem erarbeiteten Vokabular.

VI. Weitere Übungen1. Schüttelkasten: Die logische Satzfolge

des Videotextes muß wieder hergestelltwerden. In einem Schaubild werdendie Sätze in grammatikalisch richtigerReihenfolge aufgezeichnet.

2. Erarbeitung eines neuen Videotextes.Diese Fassung wird auf die Tonspurdes Videos übertragen.

3. Schwer zugängliche Videos lassen sichdurch eine einfache Tonspur verständ-lich machen oder durch einen Text, derin etwa dem Gehörten entspricht.

4. Erstellung von multiple choice-Fragenzum Ton und zum Bild, denn in beidenFällen existiert eine andere Situation.

5. Schriftliche oder mündliche Beantwor-tung eines Fragebogens. Kursteilneh-mer sollten eigene Fragen außerhalbdes Kurses erarbeiten, die dann wie-derum eine Variante in der Fragestel-lung entstehen lassen und zur Vertie-fung der Sprache beitragen.

6. Bearbeitung eines Lückentextes, dersich auf den Ton oder auf das Videoselbst beziehen kann.

7. Erstellung eines Videos in einem Kon-versationskurs.

VII. Eigenproduktion eines Videos zumZwecke kommerzieller Werbung1.0 Entwicklung der Richtlinien:1.1 Um was für eine Produktion handelt

es sich?1.2 Welcher Titel paßt zu dieser Wer-

bung?1.3 Sollte der Ton aggressiv oder subtil

sein?

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1.4 Wie oft sollte der Imperativ einge-setzt werden?

1.5 Wortwiederholung als Suggerie-rung?

1.6 Wie viele Personen sollen vorkom-men?

1.7 Erstellung eines Dialogs oder einerLiedform?

1.8 Ist das Bild allein wichtig – vielleichtals Stummfilm?

1.9 Sollte die Interaktion von Ton undBild gewährleistet sein?

1.10 Angabe von Preis, Qualität undNützlichkeit des angepriesenen Pro-duktes.

2.0 Vergleich einer Werbung mit einer ähn-lichen Zeitungsannonce:

2.1 Untersuchung der Reaktion des Le-sers oder Zuschauers

2.2 Welches Medium spricht mehr an?

Videos für Fortgeschrittene:Die Auswahl an Videomaterialien fürFortgeschrittene ist ziemlich umfang-reich. In den USA offeriert SCOLA (Satel-lite Communications for Learning) mitaktuellem Nachrichtenprogramm dieMöglichkeit der Integration von Nach-richten in den Deutschunterricht. BeiSCOLA kann man auch eine Kopie derNachrichten durch den »Write-Out-Ser-vice« bestellen, was die Gestaltung desUnterrichts wesentlich erleichtert.Die kulturellen sowie politischen Beiträ-ge der Deutschen Welle, die in Amerikajetzt auch über Satellit zu empfangensind, bereichern den Unterricht alleindurch die Aktualität der Themen. Fernereignen sich Materialien wie Deutschland-spiegel, Fernsehproduktionen wie DasGlücksrad (Wheel of Fortune), Interviews,Gerichtsszenen, Detektivgeschichten wieDer Richter und sein Henker, Der Tatort undDer Kommissar nicht nur für Konversati-ons-, sondern auch Essaykurse. Fernseh-materialien kontrastieren den Unter-

schied zwischen Umgangssprache undHochsprache, der durch gezielte Übun-gen Gegenstand des Unterrichts werdenkann. Ferner ist ein Vergleich zwischender stilisierten Sprache der Lehrbüchermit der authentischen Sprache in denMedien denkbar. Videos auf diesem Ni-veau vermitteln ein neues Sprach- undHörverständniserlebnis.Der Einsatz von Videos auf fortgeschrit-tenem Niveau entfaltet eine ungeahnteDynamik. Ganz spontan werden Fragengestellt, Studenten entfachen von selbsteine Diskussion, wiederholen schwierigeAusdrücke und deuten auf kommendeEreignisse hin.Videomaterialien integrieren eine Grup-pe in ihrer Gesamtheit, aus der sich wie-derum kleinere Gruppen bilden, die dieInteraktion fördern. Das Erlernen vonSprache wird dadurch zu einem neuenLernerlebnis.

»The potential of the visual medium as amotivating factor for language studentscannot be overestimated, and the judicioususe of video material constitutes a worth-while addition to any language program«.(Lutcavage 1992: 39)

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PICS: 270 International Center, The Univer-sity of Iowa 52242. Tel.: (319) 335–235.Fax: (319) 335–0280.373 PICS.

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SCOLA: 2500 California Street, Omaha NE68178–0778. Tel.: (402) 280–4063. Fax:(402) 280–2336.

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Das HRK-Zertifikat »Fachsprache Wirtschaft«.Richtlinien, Ausbildung und Prüfungspraxis

Jürgen Bolten

Mit Ihrem Rundschreiben 5/96 hat dieHochschulrektorenkonferenz (HRK) die»Richtlinien für den Erwerb eines Zertifi-kates ›Fachsprache Wirtschaft‹ an einerHochschule« vorgelegt. Damit existierterstmals ein für alle deutschen Hoch-schulen verbindlicher Rahmen für dieAusbildungs- und Prüfungskonzeptionim Bereich einer fachspezifischen studi-enbegleitenden Fremdsprachenausbil-dung.Daß bei der Ausarbeitung eines Fach-sprachenzertifikats innerhalb des rechtbreiten fachsprachlichen Spektrums zu-nächst auf Wirtschaftsfremdsprachen Be-zug genommen wird, trägt einerseits derrapide zunehmenden Bedeutung wirt-schaftssprachlicher Kenntnisse Rech-nung, andererseits ist es aber auch demUmstand geschuldet, daß studienbeglei-tende Veranstaltungen in Wirtschafts-fremdsprachen im Gegensatz zu Kursenin anderen Fachsprachen inzwischen flä-chendeckend an den meisten deutschenHochschulen – teilweise sogar obligato-risch – durchgeführt werden. Und woAusbildungsangebote existieren, bleibtbekanntlich auch die Frage nach Zertifi-zierungsmöglichkeiten nicht aus. Beant-wortet wurde dieses Anliegen bislang inder Regel mit hochschulinternen Testsoder Prüfungen, auf deren Grundlagedann Testate, »Scheine«, Zeugnisse oderZertifikate erteilt wurden.

Das Problem dieser hochschulinternenArt der Zertifizierung besteht in ihrereingeschränkten Aussagefähigkeit undmangelnden Vergleichbarkeit, was sichfür die Absolventen spätestens in derPhase ihres Berufseinstiegs als Dilemmaerweisen kann. Um diesem Umstand ent-gegenzuwirken, vor allem aber auch, umdie Fachsprachenausbildung insgesamtzu stärken, hatte die Hochschulrektoren-konferenz bereits 1991 – seinerzeit aller-dings fachunspezifisch – »Richtlinien fürden Erwerb eines Zertifikats ›Fachspra-che‹« erlassen. Der Erfolg dieser Koordi-nierungsmaßnahme war indes gering, dabis dato kaum eine Hochschule die Richt-linien in eine Prüfungspraxis umgesetzthat.Die Gründe für die Nicht-Akzeptanz der91er Richtlinien sind zum Teil sicherlichformal bedingt, da die Fachsprachenaus-bildung an den Hochschulen in der Regeleher stiefmütterlich und mit ungünstig-ster personeller Ausstattung betriebenwird. Und daß von Lehrbeauftragten al-lein nicht die Ausgestaltung und Umset-zung von Rahmenrichtlinien erwartetwerden kann, liegt auf der Hand. Ande-rerseits waren die 91er Richtlinien jedochauch in inhaltlicher Sicht nicht unbedingtdazu angetan, Umsetzungsaktivitäten inGang zu setzen. Ein Problem bestandzweifellos in dem fachübergreifendenCharakter der Richtlinien, ein anderes in

Info DaF 24, 4 (1997), 530–541

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ihrer didaktisch eher konservativen Ori-entierung.Vor diesem Hintergrund wurde vom Prä-sidium der Hochschulrektorenkonferenz1994 eine Kommission mit der Ausarbei-tung der jetzt vorliegenden fachspra-chenspezifischen »Richtlinien für den Er-werb eines Zertifikats ›Fachsprache Wirt-schaft‹« beauftragt. Parallell hierzu wur-den an der Universität Jena im Rahmeneines Modellversuches der Bund-Länder-Kommission zum Thema »Wirtschafts-fremdsprachen und Interkulturelle Wirt-schaftskommunikation« für die Wirt-schaftsfremdsprachen Deutsch, Englisch,Französisch und Russisch erste Prüfun-gen sowie Lehrmaterialien zur Prüfungs-vorbereitung ausgearbeitet.Über die neuen Richtlinien und die bis-her vorliegenden Materialien zur Zertifi-katsvorbereitung und -durchführung sol-len die nachstehenden Ausführungen in-formieren.

A. Richtlinien für den Erwerb einesZertifikates »Fachsprache Wirtschaft«Die neuen »Richtlinien für den Erwerbeines Zertifikates ›Fachsprache Wirt-schaft‹« (1996) verdanken sich im we-sentlichen einer kritischen Auseinander-setzung mit den zitierten 91er Richtlini-en. Insbesondere deren fachübergreifen-der Charakter erwies sich als Hemm-schuh für eine Zertifizierungspraxis. Soist die dort vorgeschlagene (und fach-sprachentheoretisch ohnehin fragwürdi-ge) Differenzierung zwischen fach-sprachlichen, berufssprachlichen und all-gemeinsprachlichen Kenntnissen sicher-lich nicht für alle Fächer von gleicherRelevanz. Während in den Naturwissen-schaften wissenschaftssprachliche

Kenntnisse zweifellos primären Stellen-wert besitzen, spielen für Wirtschaftswis-senschaftler eher berufssprachlicheKenntnisse eine tragende Rolle. Gleichesgilt für die im 91er Zertifikat gefordertentraditionellen Übersetzungsaufgaben,mit denen beispielsweise ein Manager inseiner beruflichen Praxis so gut wie niekonfrontiert wird. Wichtig für künftigeBetriebswirte ist hingegen die Fähigkeit,in kulturell fremden Kontexten erfolg-reich kommunizieren bzw. handeln zukönnen. Dazu wiederum sind fremdkul-turelle Kenntnisse und interkulturelleKompetenz unabdingbar, und nicht zu-letzt spielt die mündliche Kommunika-tionsfähigkeit eine mindestens ebensowichtige Rolle wie die schriftliche.Dies sind nur einige der Aspekte, diedafür sprachen, Richtlinien für ein spezifi-sches Zertifikat in Wirtschaftsfremdspra-chen zu entwickeln. Ein weiterer Punkt, indem die neuen Richtlinien von der 91erFassung grundsätzlich abweichen, be-steht in der Differenzierung des Zertifi-katsniveaus: Anstelle einer einzigen Zerti-fikatsstufe auf sehr hohem sprachlichenNiveau gibt es jetzt zwei, von denen eineein mittleres Sprachniveau bescheinigt(»Kleines Zertifikat Fachsprache Wirt-schaft«), während die andere nach wie voreine Bestätigung von guten bis sehr gutenKenntnissen darstellt (»Großes ZertifikatFachsprache Wirtschaft«). Auf diese Wei-se besteht ein Anreiz, auch weniger ver-breitete oder zumindest im Schulunter-richt nicht vermittelte Fremdsprachen zuerlernen und ein entsprechendes Zertifi-kat zu erlangen.Im einzelnen lauten die Richtlinien fürdas neue Zertifikat wie folgt1:

1 Empfehlungen der HRK-Arbeitsgruppe »Fachsprache«. Zustimmend zur Kenntnisgenommen vom 471. Präsidium der HRK am 7.7.1995. Abgedruckt in: Hochschulrekto-renkonferenz, Arbeitsberichte 1995. Bonn: HRK, 169–173.

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VorbemerkungDie zunehmende Internationalisierung, imbesonderen das Zusammenwachsen derverschiedenen Wirtschafts- und Kulturräu-me Europas erfordern mehr denn je fremd-sprachliche Fähigkeiten und Kenntnisseüber die Partnerländer, ihre Kultur, ihreGeschichte und Traditionen, Sitten undBräuche.Da keine der großen Industrienationen der-art auf den Erfolg der Außenwirtschaftsbe-ziehungen angewiesen ist wie Deutschland,müssen gerade die deutschen Hochschulendafür sorgen, daß ihren Studierenden inmindestens einer Fremdsprache eine ent-sprechende Fachsprachen-Ausbildung an-geboten wird. Darüber hinaus ist es ihreAufgabe, die Bereitschaft der Studierendenfür einen grenzüberschreitenden Austauschzu wecken bzw. zu stärken.Mit den hier vorgelegten Richtlinien für denErwerb eines Zertifikates »FachspracheWirtschaft« trägt die Hochschulrektoren-konferenz der internationalen Verflechtungvornehmlich der wirtschaftlichen Bezie-hungen durch eine Spezifizierung der allge-meinen Empfehlungen zu Fremdspra-chenzertifikaten aus dem Jahre 1991 Rech-nung. Den Studierenden soll ein grundle-gendes Wissen zum Verständnis ökonomi-scher Zusammenhänge verbunden mit demWissen über Struktur und Kultur andererLänder sowie einer breit gefächertenFremdsprachenkompetenz vermittelt wer-den.Die Hochschulrektorenkonferenz appelliertan ihre Mitglieder, die fachbezogeneFremdsprachenausbildung auszubauenbzw. einzurichten sowie die Mobilität ihrerStudierenden nachhaltig zu fördern. Sie for-dert Länder und Bund auf, die personellen,räumlichen und sonstigen sächlichen Vor-aussetzungen für entsprechende Lehrange-bote zu schaffen.

I. Allgemeines1. Das Zertifikat »Fachsprache Wirtschaft«

bestätigt auf zwei verschiedenen Niveau-stufen die an einer Hochschule erworbe-nen Kenntnisse und Fähigkeiten in einerWirtschaftsfremdsprache. Unterschiedenwerden dementsprechend das »KleineZertifikat Fachsprache Wirtschaft« unddas »Große Zertifikat Fachsprache Wirt-schaft«.

2. Das »Kleine Zertifikat Fachsprache Wirt-schaft« und das »Große Zertifikat Fach-sprache Wirtschaft« werden aufgrundvon Prüfungen erteilt, die auf verschiede-nen Sprachniveaustufen jeweils einefachspezifische Fremdsprachenausbil-dung abschließen.

3. Zur fachspezifischen Fremdsprachenaus-bildung an einer Hochschule kann nurzugelassen werden, wer bereits einegrundlegende Ausbildung in der betref-fenden Fremdsprache (Stufe A) absol-viert hat. Die Stufe A kann an nichthoch-schulischen und hochschuleigenen Ein-richtungen erworben werden und weistfortgeschrittene Kenntnisse in der ent-sprechenden Fremdsprache im Umfangvon 200 Unterrichtsstunden (etwa 16SWS) nach.

II. ZieleZiel der wirtschaftsfremdsprachlichen Aus-bildung ist die Befähigung, im Rahmenwirtschaftlicher Aufgabenstellungen in ei-ner fremden Sprache unter Berücksichti-gung der verschiedenen Verhaltens- undKulturstandards der Kommunikationspart-ner kompetent handeln zu können.Dabei bestätigt das »Kleine Zertifikat Fach-sprache Wirtschaft« die Befähigung des be-treffenden Studierenden, die Verständi-gungsprobleme, die sich im Zusammen-hang mit einer beruflichen Betätigung odereinem wirtschaftswissenschaftlichen Aus-landsstudium ergeben, zu bewältigen (in-terkulturelle Mobilität). Das dazu erforder-liche Ausbildungsprogramm (Zertifikats-stufe B) enthält auch Veranstaltungen zurVertiefung von Grundkenntnissen der Kul-tur und Landeskunde.Ziel der mit dem »Großen Zertifikat Fach-sprache Wirtschaft« abschließenden Aus-bildung (Zertifikatsstufe C) ist die kompe-tente Bewältigung fremdsprachlicherHandlungssituationen in der jeweiligenZielsprache (interkulturelle Verhandlungs-fähigkeit).

III. Ausbildung1. Die wirtschaftsfremdsprachliche Ausbil-

dung ist – sofern von den Hochschulenkeine anderen Regelungen getroffen wer-den – fakultativ. Sie umfaßt je Zertifikats-stufe in der Regel ein Stundenvolumen

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von 200 Unterrichtsstunden (etwa 16SWS).

2. Über die Zuordnung der Studierendenzu den Kursen der Zertifikatsstufe B oderder Zertifikatsstufe C entscheidet ein Ein-stufungstest zu Beginn der wirtschaftli-chen Ausbildung. Der Einstufungstestwird von der Hochschule durchgeführt.

3. Im Rahmen der wirtschaftsfremdsprach-lichen Ausbildung sollen im einzelnennachfolgend genannte Fähigkeiten undKenntnisse vermittelt werden.

Zertifikatsstufe B (Abschluß: »Kleines Zertifi-kat Fachsprache Wirtschaft«):1. Fähigkeit, fremdsprachlicher Kommuni-

kation in wirtschaftsbezogenen Zusam-menhängen folgen zu können.

2. Fähigkeit, berufssprachliche Situationenin der Zielsprache schriftlich und münd-lich zu bewältigen und fachbezogenenHochschulveranstaltungen in dem Ziel-sprachenraum folgen zu können.

3. Grundkenntnisse der wirtschaftsnahenKultur und Landeskunde des Zielspra-chenraumes.

Zertifikatsstufe C (Abschluß: »Großes ZertifikatFachsprache Wirtschaft«):1. Fähigkeit, fremdsprachliche Kommuni-

kation in wirtschaftbezogenen Kontextenkompetent führen zu können.

2. Vertrautheit mit den kulturspezifischenHandlungsvoraussetzungen und Kom-munikationsgewohnheiten der berufli-chen Verhandlungspartner.

3. Fähigkeit, in internationalen Wirtschafts-kontexten interkulturell kompetent han-deln zu können.Lehrpersonal sollte im Regelfall die fürLektoren üblichen Qualifikationen fürdie Fremdsprachenvermittlung besitzenund Wirtschaftskenntnisse aufgrund ei-ner akademischen Qualifikation oder ei-ner entsprechenden Berufsausbildungnachweisen können.

IV. Prüfung1. Zu der jeweiligen Prüfung wird zugelas-

sen, wer die wirtschaftsfremdsprachlicheAusbildung der entsprechenden Zertifi-katsstufe durchlaufen hat. Zugelassenwerden kann auch jeder Studierende derbetreffenden Fakultät, der die erforderli-chen Fähigkeiten und Kenntnisse auf an-

dere Weise erworben hat und diese nach-weist.

2. Die Prüfung zum Erwerb des »KleinenZertifikats Fachsprache Wirtschaft« dau-ern insgesamt jeweils 90 Minuten. Siebestehen jeweils aus einer mündlichenund einer schriftlichen Teilprüfung. Dieentsprechende Schwerpunktsetzungbleibt den Hochschulen überlassen.

3. Die Prüfungen können folgende Gegen-stände umfassen:Zertifikatsstufe B (Abschluß: »Kleines Zerti-fikat Fachsprache Wirtschaft«)Mündlich: Beschreibung/Interpretationeiner fachbezogenen Graphik oder einesSchaubildes; einfachere berufspraktischeSituationen am Telefon; Verkaufsge-spräch, Produkt- oder Firmenpräsentati-on; Inhaltswiedergabe kurzer Vorträge.Schriftlich: Bearbeitung von Postkorb-Aufgaben; Interpretation von Texten ausFachliteratur, Fachzeitschriften u. ä., Zu-sammenfassung von Pressemeldungenzu einem kurzen Bericht; Interpretationeines fachbezogenen Schaubilds oderDiagramms.Zertifikatsstufe C (Abschluß: »Großes Zerti-fikat Fachsprache Wirtschaft«):Mündlich: Führen eines Verhandlungsge-sprächs oder einer Diskussion über öko-nomische Sachverhalte.Schriftlich: Bearbeitung einer wirtschafts-bezogenen Fallstudie in der Fremdspra-che; Analyse von Texten aus der Fachlite-ratur bzw. Fachzeitung.

4. Für die Benotung der Prüfungsergebnis-se gilt die übliche Notenskala von 1 bis 5.Die Prüfung ist bestanden, wenn jeweilsbeide Prüfungsteile mindestens mit aus-reichend (4,0) bestanden werden.

5. Aufgrund der bestandenen Prüfung ver-leiht die Hochschule das »Kleine Zertifi-kat Fachsprache Wirtschaft« bzw. das»Große Zertifikat Fachsprache Wirt-schaft«. Das Zertifikat weist die Wirt-schafts-Fremdsprache und die Gesamt-note aus

V. ZuständigkeitenEs ist die Aufgabe der jeweiligen Hochschu-le die Zuständigkeiten für die fachspezifi-sche Fremdsprachenausbildung und für dieAbnahme der Prüfungen festzulegen.

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B. Vorbereitung und Durchführung derPrüfungen zum »Zertifikat FachspracheWirtschaft«Im zeitlichen und inhaltlichen Einklangmit der Erstellung der HRK-Richtlinienwurde im Auftrag der Bund-Länder-Kommission am Fachgebiet Interkultu-relle Wirtschaftskommunikation der Uni-versität Jena ein Modellversuch zumThema »Wirtschaftsfremdsprachen undInterkulturelle Wirtschaftskommunika-tion« durchgeführt, dessen Zielsetzungzu großen Teilen darin bestand, das curri-culare Umfeld für das HRK-Zertifikat zuschaffen.Hierzu zählte die Konzeption von studi-enbegleitenden Kursen in den Wirt-schaftsfremdsprachen Deutsch, Englisch,Französisch und Russisch, die Erarbei-tung von Einstufungstests und Lehrma-terialien für diese Kurse sowie die Erstel-lung und Erprobung von Zertifikatsprü-fungen auf den o. g. Niveaustufen. DerModellversuch konnte Ende 1996 abge-schlossen werden, so daß die Ergebnissejetzt abrufbar sind und von anderenHochschulen in die Lehr- und Prüfungs-praxis umgesetzt werden können.Die für die Prüfung »Zertifikat Fachspra-che Wirtschaft« relevanten Arbeitsschrit-te und Ergebnisse seien im folgendenkurz skizziert:

1. Curriculares Rahmenmodell für studienbe-gleitende Kurssysteme in den Wirtschafts-fremdsprachen Deutsch, Englisch, Franzö-sisch und Russisch einschließlich fremdspra-chiger und interkultureller Verhandlungs-trainingsDas curriculare Rahmenmodell für diestudienbegleitende und zertifikatsvor-bereitende Ausbildung in Wirtschafts-fremdsprachen sieht zwei curriculareBlöcke B und C vor, die auf guten allge-meinsprachlichen Grundkenntnissenaufbauen. Block B schließt mit dem»Kleinen Zertifikat Fachsprache Wirt-

schaft« ab, Block C mit dem »GroßenZertifikat Fachsprache Wirtschaft«. Bei-de Blöcke umfassen jeweils vier Stufen(B1 – B4; C1 – C4), von denen jede auf2 x 2 SWS ausgelegt ist. Dies entsprichtbei einem Unterrichtsumfang von 2 SWS8 Semestern pro Ausbildungsblock.Durch eine Erhöhung der Unterrichts-stunden pro Semester (etwa in Intensiv-oder Vorkursen) kann freilich die Ge-samtsemesterzahl entsprechend redu-ziert werden.Für Wirtschaftsdeutsch wird ausschließ-lich die Stufe C angeboten, da die DSH-Prüfung als sprachliche Eingangsvoraus-setzung für ausländische Studienbewer-ber an deutschen Hochschulen niedrige-re Sprachniveaus von vornherein aus-schließt (siehe Seite 535).

2. Die Konzeption des Gesamtcurriculumsfür die vier Zielsprachen und die Auswahlgeeigneter LehrmaterialienAus methodisch-didaktischer Sicht wares erklärtes Ziel des Modellversuchs, dasGesamtcurriculum so weit wie möglichan interaktiv-interkulturellen Fremd-sprachenlehrmethoden zu orientieren.Begründbar ist dies weniger mit der Ak-tualität des Ansatzes als vielmehr mitden Bedürfnissen der Lernergruppe, diesich primär aus Studierenden wirt-schaftswissenschaftlicher Fachrichtun-gen rekrutiert. Daraus resultiert die Not-wendigkeit eines möglichst direkt aufwirtschaftliche Handlungszusammen-hänge bezogenen Fremdsprachenunter-richts, der durch das Aufgreifen interkul-tureller Fragestellungen zudem Aspekteder späteren Berufspraxis integriert.Hierfür sind insbesondere solche Lehr-werke geeignet, die mit Fallstudien arbei-ten und auf diese Weise auch in die Praxisdes fremdkulturellen Wirtschaftsalltagseinführen.Wie bei einer Analyse der 200 gängigstenin Deutschland und den Zielkulturen pu-

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blizierten Lehrwerke für die Wirtschafts-fremdsprachen Deutsch, Englisch, Fran-zösisch und Russisch deutlich wurde1,erfüllen diese Voraussetzung nur relativwenige Materialien. Während sich dieSituation für Wirtschaftsenglisch noch re-lativ gut darstellt, erwies sie sich für dieanderen Wirtschaftsfremdsprachen –und hier insbesondere das Russische – alseher mangelhaft, so daß gerade in diesenSprachen auch erhebliche Desiderateauszugleichen und neue Lehrmaterialienzu erstellen waren.Die nachstehende Übersicht stellt das Ge-samtcurriculum für die Vorbereitung zuden Zertifikatsprüfungen dar, wobei dieschraffierten Lehrmaterialien im Rahmendes Modellversuchs vollkommen neukonzipiert und erstellt wurden (siehe Sei-te 536).

Das Gesamtcurriculum wird seit 1994 ander Universität Jena erprobt. Dies betrifftdie auf dem Lehrmittelmarkt verfügba-ren Lehrmittel ebenso wie die im Rah-men des Modellversuchs erstellten, wo-bei die letztgenannten in der Erpro-bungsphase noch mehrfach verbessertwerden konnten. Sie sind zur Zeit nochüber das Fachgebiet Interkulturelle Wirt-schaftskommunikation der UniversitätJena zu beziehen.

3. Einstufungstests, Detailcurricula undStoffpläne für den studienbegleitenden Un-terricht in den WirtschaftsfremdsprachenEnglisch, Französisch, Russisch und DeutschZu den bereits publizierten Lehrwerkenwurden ebenso wie zu den im Rahmendes Modellversuchs erstellten Lehrmate-rialien insgesamt 17 Curricula erarbeitet,

1 Vgl. J. Bolten (Hrsg.): Lehrmaterialien für die Wirtschaftsfremdsprachen Deutsch, Englisch,Französisch und Russisch. Eine kommentierte Bibliographie. Sternenfels/Berlin: VerlagWissenschaft und Praxis, 1995.

Unterrichtsstunden: 200 400 600

Stufe A

(grundlegendeFremdsprachen-

ausbildung)

KleinesZertifikat

FachspracheWirtschaft

GroßesZertifikat

FachspracheWirtschaft

Stufe B

Wirtschaftsfremd-

(= 16 SWS)

sprachen B1-B4

Stufe C

Wirtschaftsfremd-sprachen C1-C4

(= 16 SWS)

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Sprach-niveau

Wirtschafts-deutsch

Wirtschafts-englisch

Wirtschafts-französisch

Wirtschafts-russisch

B 1ca. 225 U-Std. Vor-kenntn.

– Badger/ Menzies: Macmillan Business English Programme 1. Pre-intermediate. Ismaning 1994

Danilo/ Tauzin: Le français de l'entre-prise. Paris 1990.Thomas/ Sachs: Französisch am Tele-fon. 1992

Dathe: Marktchan-ce Wirtschaftsrus-sisch. Untere Mittel-stufe. Jena 1994

B 2280 U-Std. Vorkenntn.

– Hollett: Business Objectives. 1991

Barlet/ Penndorf: Intercom. Ismaning 1992

dto.

B 3340 U-Std. Vorkenntn.

– Hollett: Business Opportunities. Ox-ford 1994

dto. Dathe: Marktchan-ce Wirtschaftsrus-sisch. Mittelstufe I. Jena 1995

B 4400 U-Std. Vorkenntn.

– Jones/ Alexander: International Busi-ness English. Stutt-gart 1989.

Danilo: Français de la communication professionelle. Paris 1993

dto.

⇓Kleines Zertifikat Fachsprache Wirtschaft (HRK)

Sprach-niveau

Wirtschafts-deutsch

Wirtschafts-englisch

Wirtschafts-französisch

Wirtschafts-russisch

C 1450 U-Std. Vorkenntn.

Klott: Wiss Arbei-ten für ausl. Stud. der WiWi. Jena 1994Klott: Handels-/Te-lefonkorrespond. Jena 1995

Jones/ Alexander: International Busi-ness English. Stutt-gart 1989.

Ziebell-Drabo/ Casasus: Markt-chance Wirtschafts-französisch. Jena 1995

Dathe: Marktchan-ce Wirtschaftsrus-sisch. Mittelstufe II. Jena 1995

C 2510 U-Std. Vorkenntn.

Bolten: Marktchan-ce Wirtschafts-deutsch. Oberstufe. 1996

Howe: Portfolio. 1987.

dto. dto.

C 3560 U-Std. Vorkenntn.

dto.Bolten: Verhand-lungstraining. 1996

Witchalls: Markt-chance Wirt-schaftsenglisch. Jena 1995

Muglioni: L'Ex-pansion. 1992Ninan: Le français des affaires. Paris 1993

Dathe: Marktchan-ce Wirtschaftsrus-sisch. Oberstufe. Jena 1996

C 4620 U-Std. Vorkenntn.

Vater: Prüfungs-kurs Zertifikat Fach-sprache Wirtschafts-deutsch. Jena 1996Bolten u. a.: Inter-kulturelles Verhand-lungstraining. Jena 1995

Witchalls: Prü-fungskurs Zertifikat Fachsprache Wirt-schaftsenglisch. Jena 1996Witchalls/ Roen-nau: Marktchance Wirtschaftseng-lisch. Verhandlungs-training. Jena 1995

Ziebell-Drabo: Prüfungskurs Zerti-fikat Fachsprache Wirtschaftsfranzö-sisch. Jena 1996Ziebell-Drabo/ Taubert: Markt-chance Wirtschafts-französisch. Ver-handlungstraining. Jena 1995

Dathe: Prüfungs-kurs Zertifikat Fach-spracheWirtschafts-russisch. Jena 1996Dathe: Marktchan-ce Wirtschaftsrus-sisch. Verhandeln. Jena 1995

⇓Großes Zertifikat Fachsprache Wirtschaft (HRK)

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die neben Stoffplänen ergänzende Hin-weise für die einzelnen Kursstunden ent-halten. Mit Hilfe dieser Curricula ist eineproblemlose Vorbereitung der Sprach-kurse möglich, und zugleich wird ge-währleistet, daß – z. B. durch die ergän-zenden Hinweise – das methodisch-di-daktische Gesamtkonzept des Curricu-lums realisiert werden kann. Weiterhinwurden je Zielkultursprache mehrereEinstufungstests erstellt und erprobt.Verwendet wurde hierbei der C-Test, mitdem eine sehr zuverlässige Einstufungbei einem relativ geringen zeitlichen Kor-rekturaufwand möglich ist (ca. 5 Minutenpro Test anstelle von ca 30 Minuten beiherkömmlichen Tests). Diese Testformhat sich im wesentlichen gut bewährt,zumal gerade an wirtschaftswissen-schaftlichen Fakultäten bei bis zu 800 zutestenden Studierenden pro Jahr der zeit-liche Rahmen für Korrekturen vertretbarbleiben muß.

4. ZertifikatsprüfungenDie ersten Zertifikatsprüfungen für das»Große Zertifikat Fachsprache Wirt-schaft« in den vier Wirtschaftsfremd-sprachen konnten im Sommersemester1996 durchgeführt werden. Erprobt wur-den hierbei zwei Varianten: Die erstefolgt dem interaktiv-interkulturellen

Ansatz der »Prüfungskurs«-Bände desCurriculums und stellt eine Fallstudien-bearbeitung in den Mittelpunkt, wäh-rend die zweite Variante eher an konven-tionellen Prüfungsformen orientiert istund auch unabhängig von dem curricu-laren Rahmen eingesetzt werden kann.Von der HRK-Kommission vorgeschla-gen, aber letztlich vor dem Hintergrundder hochschulpolitischen Länderautono-mie innerhalb des föderalistischen Sy-stems nicht ohne weiteres realisierbar, istder Gedanke der Einrichtung einer zen-tralen Prüfungsstelle für die HRK-Zertifi-kate. Diese Prüfungsstelle würde zwei-mal jährlich Zertifikatsprüfungen für dieeinzelnen Wirtschaftsfremdsprachen er-stellen und an interessierte Hochschulenzu einem zentralen Prüfungstermin wei-terleiten. Was de iure aus genanntemGrund nicht durchsetzbar ist, wäre frei-lich der Akzeptanz der Zertifikate beiArbeitgebern etc. außerordentlich zu-träglich. Um diesen Effekt dennoch errei-chen zu können, besteht die Möglichkeiteines entsprechenden freiwilligen Ver-bundes interessierter Hochschulen. Dieswird zur Zeit auch über den Kreis derbislang fast 50 an der Realisierung desModellversuchs beteiligten Hochschulenhinaus angestrebt.

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ANHANG

Zur Vermittlung berufsbezogener interkultureller Qualifikation an den Hochschu-len. Empfehlung des 474. Präsidiums der HRK vom 11. Dezember 19951

1. VorbemerkungenDie Europäische Union wird erst danngefestigt sein, wenn die Menschen sichmit ihr identifizieren. Das subsidiärstrukturierte Europa braucht eine euro-patragende Schicht. Die Hochschulensind dazu aufgerufen, ihren Bildungs-und Ausbildungsauftrag auch unter die-sem Aspekt zu sehen.Die schnelle Entwicklung eines einheitli-chen europäischen Marktes führt zu einerschnell steigenden Nachfrage, vor allemnach Ingenieuren, Naturwissenschaftlernund Wirtschaftswissenschaftlern, die inden Partnerländern der EuropäischenUnion beruflich voll einsatzfähig sind. Esentwickelt sich ein europäischer akade-mischer Arbeitsmarkt. Bundes- und Lan-desregierungen müssen ebenso wie dieHochschulen durch zusätzliche Studien-angebote und Studienplätze diesbezügli-che Qualifikationsmöglichkeiten entspre-chend dem Bedarf des Arbeitsmarktesschaffen.Auslandsstudienaufenthalte und mehrnoch praktische Studienphasen in aus-ländischen Unternehmen, vor allem inden nicht-englischsprachigen Ländern,sind heute in vielen Fällen sprachlichnicht ausreichend vorbereitet. Daher istder Ertrag derartiger Studien begrenzt.Selbst in integrierten binationalen Studi-engängen wird vor allem im technischenBereich die für eine erfolgreiche berufli-che Karriere unerläßliche berufsbezoge-ne interkulturelle, insbesondere diefremdsprachliche, Qualifikation nur im

Ausnahmefall erreicht. Insbesondere dieproduktiven Sprachfertigkeiten, Spre-chen und Schreiben, bleiben unzurei-chend. Insgesamt könnten Umfang, Viel-falt und Effizienz der Auslandsstudienerheblich verbessert werden.

2. Bedarf und NachfrageDer akademische Arbeitsmarkt wird zu-künftig nicht mehr so national ausgerich-tet sein wie in der Vergangenheit. Es wirdin Zukunft nicht mehr in gleichem MaßeArbeitsmarktchancen für Hochschulab-solventen ohne interkulturelle Qualifika-tion geben. Die Nachfrage des Beschäfti-gungssystems nach derartiger Qualifika-tion nimmt zu. Erfahrungen aus binatio-nalen Studiengängen zeigen, daß einezusätzliche interkulturelle Qualifikationanspruchsvolle neue Arbeitsmarktchan-cen erschließt.Die internationale Verflechtung der deut-schen Wirtschaft hat zur Folge, daß einbestimmter Anteil der Mitarbeiter fürUnternehmensaktivitäten in jeweils be-stimmten Sprachräumen beruflich hand-lungsfähig sein muß. Dieser Anteil ist ingrenznahen Räumen oder außenhandels-orientierten Branchen höher als in ande-ren Bereichen. Er ist auch unterschiedlichfür verschiedene Sprachräume, je nachAnteilen im Außenhandel. Nach einerAnalyse des Instituts der DeutschenWirtschaft von 1992 melden 67% der denIndustrie- und Handelskammern ange-schlossenen Unternehmen Bedarf an Mit-arbeitern, die für den englischen Sprach-

1 Abgedruckt in: Hochschulrektorenkonferenz Arbeitsbericht 1995. Bonn: HRK 1996, 205–212.

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raum interkulturell qualifiziert sind. Fürden französischen Sprachraum sind es37% der Unternehmen, für den spani-schen 20%, für den italienischen 17%.Die häufige Aussage, daß »überall Eng-lisch genüge«, ist falsch. Bei marktnahenunternehmerischen Aktivitäten in der Fa-brik, auf der Baustelle, bei Ein- und Ver-kauf, bei Verhandlungen, bei der Aus-wertung oder Ausarbeitung von Ver-tragstexten, in Werbung und Marktana-lyse muß jeweils die Kommunikation inder Landessprache gemeistert werden.Zudem ist die Kenntnis nationaler techni-scher Normen und Rechtsvorschriftenbei derartigen Tätigkeiten unerläßlich.

3. ZieleZiel der berufsbezogenen interkulturel-len Qualifikation ist die Befähigung, imRahmen unternehmerischer Aktivitäten,die in einem fremden Sprachraum statt-finden, die berufliche Kommunikation zubewältigen und kompetent verhandelnzu können. Das setzt auch die Beherr-schung von verschiedenen Verhaltens-standards und Kenntnis der kulturellenGegebenheiten voraus.Die Hochschulen sollten zur Vermittlungvon berufsbezogener interkulturellerQualifikation ein gestuftes Angebot ma-chen, das auf definierte Einsatzbereicheund Aufgabenfelder ausgerichtet ist.Einsatzbereiche sind u. a. Studium mitGasthörerstatus, Auslandsstudium mitim Inland anerkannten Prüfungen, prak-tische Studienphase in einem ausländi-schen Unternehmen, Forschungsprojektan einer ausländischen Hochschule, be-rufliche Tätigkeit in einem fremdsprachi-gen Raum.Identifizierbare berufliche Aufgabenfel-der sind u. a. Marketing, Akquisition, Pro-jektierung, Projektdurchführung, Kun-denbetreuung und Kundendienst, For-schung und Entwicklung, Konstruktion,Fertigung, Vertrieb, Sicherheitswesen.

4. Berufsbezogene interkulturelle Qua-lifikationDie berufsbezogene interkulturelle Qua-lifikation umfaßt insbesondere:– allgemeine sprachliche Kommunika-

tionsfähigkeit– nationales Fachwissen mit techni-

schen/ wirtschaftlichen und juristi-schen Inhalten

– Landeskunde, insbesondere Kenntnisder gesellschaftlichen, politischen,wirtschaftlichen und rechtlichen Struk-turen

– soziale Kompetenz.Wichtige Inhalte sind u. a.:Unternehmenskultur mit Führungs- undVerhandlungstechniken, Mentalität,Struktur der Arbeitgeberschaft und derGewerkschaften, Medien und Werbung,Verwaltungsstrukturen, neuere Ge-schichte des Partnerlandes, Finanz- undWirtschaftspolitik, Außenpolitik, Koope-ration mit der Bundesrepublik, Koopera-tion mit der Europäischen Union, Außen-handel.

5. Ausbildung und AufwandDer größte Teil des erforderlichen Auf-wandes entfällt auf die sprachliche Qua-lifikation. Der Aufwand muß unter Be-rücksichtigung der Vorkenntnisse (Ein-stufungstest) definiert werden. Aus prag-matischen Gründen sollten zwei Vor-kenntnisstufen unterschieden werden:a) Ausbaufähige Sprachkenntnisse (et-

wa entsprechend Grundkurs im Abi-tur)

b) Fortgeschrittene Sprachkenntnisse(etwa entsprechend Leistungskurs imAbitur)

Studierende, die nicht zumindest die Vor-kenntnisse entsprechend a) nachweisenkönnen, müssen diese vorweg außerhalbder Hochschule nachholen, bevor sie dashier vorgeschlagene Angebot wahrneh-men können.

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Bezogen auf die Eingangsniveaus solltengestufte Angebote gemäß folgender Ta-

belle gemacht werden (vgl. auch An-lage).

Die Qualifikationsziele sind in der vor-stehenden Tabelle aus Gründen der Prak-tikabilität und der Transparenz operatio-nal formuliert. Von besonderer Wichtig-keit ist es, im Rahmen der sprachlichenVeranstaltungen auch die allgemeinesprachliche Kommunikationsfähigkeitzu vermitteln bzw. auszubauen. Zusätz-lich zu den sprachlichen Veranstaltungensind Angebote für nationales Fachwis-sen, Landeskunde und soziale Kompe-tenz erforderlich. Diese sind im Gesamt-aufwand in der Tabelle berücksichtigt.Die interkulturelle Qualifikation von Be-triebswirten, Ingenieuren und Naturwis-senschaftlern muß außerhalb der fachli-chen Regelstudienzeit erfolgen, da diesedurch Fachveranstaltungen vollständigausgefüllt ist. In die überarbeitete Fas-sung der allgemeinen Bestimmungen fürMagisterprüfungsordnungen soll folgen-de Regelung aufgenommen werden:

»Auf die Regelstudienzeit werden Studien-zeiten bis zu zwei Semestern, in denen diefür ein gewähltes Fach erforderlichen spezi-

ellen Sprachkenntnisse erworben werdenmüssen, nicht angerechnet.«1

Eine entsprechende Regelung muß auchfür die anderen Fächer angestrebt wer-den. Ein Betriebswirt, Naturwissen-schaftler oder Ingenieur, der beabsichtigt,seinen Beruf in einem fremdsprachigenRaum, z. B. Italien, Spanien, China auszu-üben, muß hinsichtlich dieser Regelungmit den Magister-Studierenden gleichge-stellt werden.Es wird empfohlen, Angebote für be-stimmte Sprachräume schwerpunktartigan bestimmten Hochschulen zu realisie-ren.

Anlage:Qualifikationsstufen und Mindestauf-wand für die sprachliche QualifikationDie folgenden Qualifikationsziele sindaus Gründen der Praktikabilität und derTransparenz operational formuliert. Da-bei ist zu berücksichtigen, daß zunächstvorrangig allgemeine Sprachkenntnissevermittelt werden sollten, auf die die

Gesamtaufwand SWS

lfd. Nr. Qualifikationsziel bei a bei b

A.1 Einführendes Fachbuch in der Fremdsprache lesen können 4 0

A.2 Fremdsprachliche Fachliteratur auswerten können 8 4

B.1 An ausländischer Hochschule Lehrveranstaltungen fol-gen und Prüfungen ablegen können 16 12

B.2 Volle berufliche Kommunikationsfähigkeit: fachsprachlich fließend in Wort und Schrift (32**) (24*)

* Das Erreichen der vollen beruflichen Kommunikationsfähigkeit erfordert in der Regeleinen mindestens einjährigen Auslandsaufenthalt. Die hier angegebenen Semesterwo-chenstunden gelten daher nur als Äquivalente bzw. sind für den Fall anzusetzen, in demein Auslandsaufenthalt nicht realisierbar ist.

1 Vgl. 175. Plenum der HRK, 21./22. 2. 1995, TOP 15, Drucksache Nr. 1216: Vorlage derGemeinsamen Kommission für die Koordinierung der Ordnung von Studium undPrüfungen vom 23.9.1994, § 2, Abs. 3.

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Vermittlung der Fachsprachenkenntnisseaufbaut. Ziel ist das Erreichen einer min-destens elementaren Verhandlungsfähig-keit.Abhängig von den Vorkenntnissen wirdsich der anzunehmende Aufwand in Se-mesterwochenstunden (SWS) in dem imfolgenden aufgeführten Rahmen bewe-gen. Die angegebenen Zahlen gelten alsMindestwerte. Sie sind durch die bisheri-gen Erfahrungen aus Hochschulkoopera-tionen, Auslandsstudien sowie Befragun-gen von Absolventen, die eine Berufstä-tigkeit im Ausland aufgenommen haben,begründet.Es wird unterstellt, daß in den quantifi-zierten Lehrveranstaltungen über dieFremdsprache hinaus interkulturelle In-halte vermittelt werden.

A.1 Einführendes Fachbuch lesen könnena: 4 SWSb: 0 SWSBei Fremdsprachen, für die Vorkenntnis-se fehlen, hätte ein Angebot von 4 SWSallenfalls den Sinn, die Angst für einespätere beruflich bedingte Teilnahme anIntensivkursen abzubauen.

A.2 Fachliteratur lesen könnena: 8 SWSb: 4 SWSHier ist das Ziel, zusätzlich zu A.1 dieFachterminologie sowie den fachlichenSprachstil zu kennen.

B.1 An ausländischer Hochschule Fachlehr-veranstaltungen folgen und Prüfungen able-gen können, wobei die erbrachten Studi-en- und Prüfungsleistungen im Heimat-land angerechnet werden.a: 16 SWSb: 12 SWSDas Qualifikationsziel ist rezeptiv undproduktiv. Außer Lese- und Hörverste-hen gehört dazu auch in hohem Maße dieFähigkeit des Schreibens und Sprechens.

B. 2 Volle allgemeinsprachliche und professio-nelle Kommunikationsfähigkeit für eine Be-rufsausübung in einem deutschen Unter-nehmen mit grenzüberschreitenden Auf-gaben bzw. als Mitarbeiter in einemausländischen Unternehmen.Um diese zu erreichen, ist in der Regel eineinjähriger Auslandsaufenthalt erforder-lich. Die im folgenden angegebenen SWSkönnen daher nur als Äquivalente ange-sehen werden, bzw. sind in dem Fallanzusetzen, in dem ein Auslandsaufent-halt nicht realisiert werden kann.a: 32 SWSb: 24 SWS

Lehrveranstaltungen für A.1 können er-ster Teil für A.2 sein, ebenso B.1 für B.2. Inbeiden Fällen kann der Aufwand derersten Stufe jeweils bei der zweiten vollangerechnet werden. Dies gilt nicht beimÜbergang von A. nach B., da die produk-tiven Lernziele in B. von Anfang an eineandere Didaktik voraussetzen.

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Berichte

»DaF in Korea – Tendenzen undPrognosen«Yangpeyong, 15.–17.11.1996

(Thomas Zimmer, Shanghai / China)

Den Auftakt der Tagung bildete ein Emp-fang am Vorabend der Tagung in derResidenz des Deutschen Botschafters inKorea. Die Bedeutung des von der Lekto-renvereinigung Korea (LVK) mit Hilfedes DAAD (Büro Tokio) veranstaltetenSeminars zeigte sich nicht nur an denzahlreichen, vor allem koreanischen Gä-sten aus dem Kultur- und Universitätsbe-reich, sondern auch durch ein Grußwortdes koreanischen Erziehungsministers,der, das Primat des Englischen bedau-ernd, die Wichtigkeit anderer Fremdspra-chen betonte; ein Thema, das die Tagungbegleitete.Die über vierzig Teilnehmer waren vor-wiegend deutsche Lektoren an koreani-schen Hochschulen und Spracheinrich-tungen sowie koreanische Hochschulleh-rer, wie z. B. der Präsident des koreani-schen Germanistenverbandes: weiterhinnahmen noch Vertreter aus Deutschland,Japan und China teil. Die koreanischenEinrichtungen waren damit sowohl vonder Topographie wie auch den inhaltli-chen Aspekten vertreten und gaben soein repräsentatives Bild der DaF-Situa-tion in Korea ab.Für die Dauer der drei Tage waren 21Vorträge angesetzt, was zu einem rechtvollen und konzentrierten Programmführte. Den Auftakt bildete der Themen-bereich Germanistik und Deutschunterrichtin Korea – Getrennte Wege?, in dem eineÜbersicht der bestehenden Situation und

der zu erwartenden Veränderungen ge-geben wurde. Das Primat des Englischensowie eine Änderung der Hochschulauf-nahmeprüfung, die keine zweite Fremd-sprache verbindlich vorsieht, stellenebenso eine Gefährdung für den DaF-Unterricht dar, wie das Verblassen histo-rischer Gründe, Deutsch zu lernen, wieetwa die Deutschfreundlichkeit koreani-scher Bildungspolitiker. Es zeigte sichklar, daß die Konzeption des Germani-stikstudiums als Sprachenlernen aufDauer unhaltbar ist und daß die ausgebil-deten Germanisten mittlerweile keine si-cheren Arbeitsplätze mehr in den Univer-sitäten erwarten können. Als Reaktiondarauf wurde vor allem eine Überarbei-tung der Curricula und deren Anpassungan die neue Situation gefordert. Dabeiwar unschwer zu erkennen, daß vondeutscher Seite ein schnelleres Vorgehengefordert wurde, während bei der korea-nischen Seite die Eingebundenheit in dasBildungssystem eine verständlich großeRolle spielt.Den zweiten damit zusammenhängen-den Block bildeten die Curricularen Neu-ansätze, in denen einmal ein Modell desDaF-Unterrichts vorgestellt wurde, dasder entsprechende Lektor in Absprachemit seiner Universität entwickelt hat unddas sich durch einen hohe Bewertung derkommunikativen Kompetenz sowiedurch die Hinwendung zu neuestenLehrwerken auszeichnet. Ein weitererVortrag behandelte die Stellung vonDeutsch als Komplementärsprache.Darauf folgte der Bereich Reformbestrebun-gen in Ostasien. Neben landesspezifischenProblemen zeigten die Beiträge aus Au-

Info DaF 24, 4 (1997), 542–549

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stralien, Japan und China einige gemein-same Probleme auf: Die Übermacht desEnglischen, teilweise unzeitgemäße Cur-ricula, mangelnde Marktorientiertheit derAusbildung und die Verbindung vonSprachausbildung und Germanistikstudi-um sowie eine teilweise unzureichendeQualität des Unterrichts. Die meisten ge-schilderten Reformbestrebungen zieltendabei auf einen pragmatischeren Einsatzdes Mediums Sprache und damit auf ei-nen deutlich zielorientierteren Unterrichtab. Interessant war neben den konkretenInformationen der Lektoren über ihre Tä-tigkeit auch die Einsicht, daß im Prinzipalle geschilderten Probleme, wenn auchmit unterschiedlichem Gewicht und zeit-lichen Verzögerungen, für den gesamtenostasiatischen Raum gelten.Die Kulturellen Aspekte im Sprachunterrichtzeigten einmal mehr, wie wichtig die Ein-beziehung landeskundlicher und kultu-reller Elemente in den Unterricht ist. DieThemen reichten von einer Untersuchungüber Zweitsprachenerwerb und Zweit-kulturenerwerb, über ein landeskundli-ches Projekt wie Heiraten in Deutschlandund Korea bis hin zu Ausspracheübun-gen, die typisch koreanische Gegebenhei-ten und Vorbedingungen berücksichtig-ten. Erstaunlicherweise zeigte sich hiereinmal mehr, daß Projektunterricht einegroße Attraktivität für die Studenten hat,wie auch die Freiheit, mit der einige Lek-toren die inhaltlichen Bereiche ihres Un-terrichts in Korea gestalten können, er-staunlich ist. Gerade bei kontrastiv behan-delten Themen gab es erfreulicheBeispiele für die Zusammenarbeit korea-nischer und deutscher Kollegen, die jagerade im ostasiatischen Raum nicht im-mer selbstverständlich ist.Der Programmpunkt DaF und Medien-nutzung erwies sich als ein Thema, indem wohl die meisten Veränderungenzu erwarten sind. Neben Berichten überden Einsatz von Spielfilmen im Unter-

richt und einer Darstellung des deut-schen Sprachunterrichts im koreani-schen Fernsehen, waren es vor allem dieMöglichkeiten von e-mail und internet,in dem sich neue Lehr- und Lernmög-lichkeiten und Unterrichtsformen ab-zeichnen. Der Bericht aus Japan zeigte,wie stark bereits die sogenannten neuenMedien genutzt werden und wie in derAnwendung vieler Informationstechni-ken auch ein Anreiz für das Erlernen vonSprachen liegt. Als positiver Effekt ergabsich, daß neben dem Bericht über ein e-mail Projekt auch neue zum Teil länder-übergreifende Projekte dieser Art undein Austausch von Erfahrungen untereinigen Lektoren gestartet wurden. Ins-gesamt ließen die Vorträge wenig Zwei-fel, daß neben dem Medium Buch vorallem interaktive Medien einen festenPlatz im Unterricht finden werden,wenn dies zur Zeit auch teilweise nurdurch die Eigeninitiative der Lektorenermöglicht wird.Den Abschluß bildete das Thema Lehr-werkskonzeptionen. Neben dem Vortrag zuneuen Entwicklungen in der Lehrwerks-entwicklung des Vertreters eines bekann-ten deutschen Lehrbuchverlages ging dieDiskussion vor allem um die Frage derProduktion und des Einsatzes einheimi-scher, also koreanischer oder deutscherLehrbücher. Dabei zeigte sich klar, wiestark einheimische Lehrwerke meist ancurriculare Bedingungen gebunden sind,was den Entscheidungsspielraum derVerfasser deutlich einschränkt. Diegrundsätzliche Frage nach dem Sinn re-gionaler und oft nicht von muttersprachli-chen Autoren erstellter Lehrwerke zeigtesich auch hier als eine Frage, die oft dielandesspezifischen Gegebenheiten, Be-weggründe und Notwendigkeit im Landverfaßter Lehrbücher außer acht läßt, dadiese Kriterien nicht allein an den Güte-kriterien für ein Lehrwerk zu messensind.

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Mit ihrem breiten Themenspektrum botdie Tagung einen umfassenden Überblicküber die DaF-Situation nicht nur in Ko-rea, so daß von allen Seiten der Wunschnach einer Fortsetzung laut wurde. Einebessere Information aller in KoreaDeutsch Lehrenden, sowohl der deut-schen wie auch der koreanischen Lekto-ren, war das erreichte Ziel der Tagung,die über die Bestandsaufnahme hinausauch Möglichkeit zur Kontaktaufnahmeund Planung neuer Projekte unter denKollegen bot.

Mehrsprachigkeit in Europa –woher kommen die Fremdspra-chenlehrer?

Erklärung der 17. Frühjahrskonferenzzur Erforschung des Fremdsprachenun-terrichts zur Fremdsprachenlehreraus-bildung und zum Fremdsprachenunter-richt an Hochschulen

AMit Sorge beobachtet die »Frühjahrskon-ferenz zur Erforschung des Fremdspra-chenunterrichts« Versuche, Fremdspra-chen und die Ausbildung von Fremd-sprachenlehrern aus Einsparungsgrün-den aus den Hochschulen hinauszuverla-gern. Der Bedarf an Fremdsprachen wiean gut ausgebildeten Lehrkräften fürFremdsprachenunterricht steigt. Wissen-schaftliche Bemühungen um Ausbil-dung, Unterricht und Lehrmaterialiensind dringend erforderlich. Andernfallsbesteht die Gefahr eines Rückschritts so-wohl für die Internationalität von Wis-senschaften, die sonst ›sprachloser‹ wür-den, als auch im Hinblick auf die gestie-genen Anforderungen an künftigeFremdsprachenlehrer und -lehrerinnen.Interkulturelle Kommunikation, die Ver-

mittlung fachbezogener Fremdsprachen-kenntnisse, die Nutzung neuer Mediensind nur einige der Anforderungen, fürdie eine umfassende wissenschaftlicheAusbildung erforderlich ist.Zwar herrscht generelle Einigkeit dar-über, daß für ein Zusammenwachsen Eu-ropas, für die Globalisierung von Gesell-schaft, Wissenschaft und Wirtschaft, fürdie Völkerverständigung wie auch für dieEntwicklung individueller Mobilität undMitgestaltung unserer Zukunft mehrFremdsprachenkenntnisse erforderlichsind – wir stellen jedoch fest, daß einequalitativ hochwertige Erforschung undVermittlung von Fremdsprachen insbe-sondere im Hochschulbereich unter dengegenwärtigen Bedingungen nur er-schwert möglich ist:– Ein viel zu geringer Teil von Studieren-

den kann im Rahmen des Fachstudi-ums fachbezogene Fremdsprachen-kenntnisse erwerben.

– Sinnvolle Gruppengrößen für die Ver-mittlung von Fremdsprachen könnennicht eingehalten werden.

– Sprachangebote erstrecken sich über-wiegend auf die traditionellen Schul-sprachen, während andere Fremdspra-chen (z. B. asiatische und osteuropäi-sche) weitgehend fehlen.

– Erst recht fehlt es an Forschungskapa-zität, um bessere Möglichkeiten einereffektiven Sprachvermittlung und dieEntwicklung von Mehrsprachigkeit ge-zielt zu untersuchen.

– Schon jetzt leiden viele der internatio-nalen wissenschaftlichen Kooperati-ons- und Mobilitätsprogramme unterunzureichenden Fremdsprachenkennt-nissen der Austauschstudenten.

– Auch wenn Englisch die verbreiteteSprache der Wissenschaften darstellt,bedarf es für den interkulturellen Aus-tausch, für die internationale Zusam-menarbeit wie auch für die Untersu-chung spezifischer Fragestellungen in

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vielen Wissenschaften differenzierterKenntnisse der Einzelsprachen.

– Fachbezogene Fremdsprachenvermitt-lung an Hochschulen ist ein sinnvollesPraxisfeld für künftige Fremdspra-chenlehrer und -lehrerinnen. Bei einerVernachlässigung oder einer Auslage-rung des Sprachlehrangebots wird eineChance für eine effektive praxisbezo-gene Fremdsprachenlehrerausbildunggerade auch im Hinblick auf die Er-wachsenenbildung vertan.

BDie Frühjahrskonferenz zur Erforschungdes Fremdsprachenunterrichts fordertdaher:1. verbesserte Bedingungen für die Aus-

bildung angehender Fremdsprachen-lehrerinnen und -lehrer für Schule undErwachsenenbildung, insbesondere imBereich einer hochwertigen sprachli-chen und fremdsprachendidaktischenAusbildung,

2. die Verstärkung der wissenschaftlichenErforschung des Fremdsprachenleh-rens und -lernens insbesondere imHinblick auf die europäische Mehr-sprachigkeit und die Berücksichtigungweiterer, über den westeuropäischenSprachenbereich hinausgehenderFremdsprachen,

3. eine Verankerung von fachbezogenenFremdsprachenkursen in den Fachstu-dien sowohl naturwissenschaftlich-technischer als auch sozial- und gesell-schaftswissenschaftlicher Fächer.

Dazu bedarf es4. des Erhaltes von Professuren für

Fremdsprachendidaktik und Sprach-lehrforschung, die an manchen Ortenvon Einsparungen bedroht sind;

5. der Schaffung von Stellen und Qualifi-zierungsmöglichkeiten für den wissen-schaftlichen Nachwuchs;

6. der stärkeren Berücksichtigung vonFremdsprachen und Fremdsprachen-didaktik in Studienplänen und Prü-fungsordnungen; eine Auslagerungder Fremdsprachenlehrerausbildungund des Fremdsprachenunterrichts ausden Hochschulen würde eine profes-sionelle, zukunftsfähige Ausbildungunmöglich machen.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der17. Frühjahrskonferenz zur Erforschungdes Fremdsprachenunterrichts 1997 ap-pellieren an die Senate der wissenschaft-lichen Hochschulen wie an die Wissen-schafts- und Kultusministerien, es für dieFremdsprachenausbildung nicht bei ver-balen Bekenntnissen zu belassen, son-dern die konkreten Voraussetzungen zusichern bzw. zu schaffen, die eine qualifi-zierte Fremdsprachenausbildung erstmöglich machen.

Pressemitteilung

der Arbeitsgemeinschaften der Direkto-ren der Studienkollegs für ausländischeStudierende in der BundesrepublikDeutschland

Rolle und Stellenwert der Studienkol-legs für die Attraktivität des Studien-standorts DeutschlandMit der »Gemeinsamen Erklärung derRegierungschefs von Bund und Ländernzur Steigerung der internationalen Wett-bewerbsfähigkeit des StudienstandortsDeutschland« vom 18.12.1996 hat die De-batte über die Frage, durch welche Maß-nahmen die Zahl der ausländischen Stu-dierenden in Deutschland erhöht werdenkann, ihren vorläufigen Höhepunkt er-reicht. Daß die Attraktivität des Studien-standorts Deutschland angesichts des iminternationalen Vergleich deutlich gerin-

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ger gewordenen Interesses von Auslän-dern an einer Hochschulausbildung inDeutschland verbessert werden muß,steht bei allen an der Diskussion Beteilig-ten außer Frage und wird auch in der»Gemeinsamen Erklärung« gebührendhervorgehoben. Offen ist lediglich derWeg, auf dem dieses Ziel erreicht werdenkann.Als ein Faktor, der Ausländer von derWahl des Studienorts Deutschland ab-hält, wird immer wieder die im Vergleichzum Ausland lange Dauer des Studiumsgenannt. Neben den sich aus der wenigstraffen deutschen Studienorganisationergebenden Zeitverlusten werden hierfürauch die langen Vorlaufzeiten verant-wortlich gemacht, die die Studienbewer-ber, die nicht über einen direkten Hoch-schulzugang verfügen, mit Spracherwerbund Ausbildung im Studienkolleg ver-bringen müßten. Rolle und Stellenwertder Studienkollegs für die Attraktivitätdes Studienstandorts Deutschland stan-den deshalb im Mittelpunkt der beidenJahrestagungen der Arbeitsgemeinschaf-ten der Leiterinnen und Leiter der Studi-enkollegs an Universitäten und Fach-hochschulen, die kürzlich auf Rügen(Uni-Kollegs) und in Zittau (FH-Kollegs)abgehalten wurden.Die Diskussionen machten deutlich, daßdie Arbeit der Studienkollegs und ihreBedeutung für das Ausländerstudiumviel zu wenig bekannt sind, und dies,obwohl die Bedingungen, die der auslän-dische Student in dieser Institution vor-findet, die Erfahrungen, die er dortmacht, und die Fähigkeiten, die er dortentwickelt, nicht nur ganz entscheidendfür Erfolg oder Mißerfolg in seinem spä-teren Studium sind, sondern auch seinBild von Deutschland in einem umfas-senden Sinne prägen. Dadurch, daß dieStudienkollegs auch bisher schon immerneben einer hochwertigen Sprachausbil-dung im Deutschen einen fundierten wis-

senschaftspropädeutischen Fachunter-richt je nach dem vom Studierenden ge-wählten Studienfach anbieten, haben siefür viele Ausländer die Studienzeit gera-de nicht verlängert, sondern oft das Stu-dium überhaupt erst möglich gemachtund in den meisten Fällen dazu beigetra-gen, daß die Studiendauer kürzer seinkonnte, als sie ohne diese Vorbereitunggewesen wäre. Darüber hinaus leistendie Studienkollegs auch eine nicht unbe-deutende soziale Betreuung und eine stu-dienfachbezogene Beratung. Letztereführt häufig zu einer Umorientierung derStudierenden vor Aufnahme des eigentli-chen Fachstudiums und verhindert inso-fern zeitaufwendige Fachwechsel wäh-rend des Studiums.Dennoch verkannten die Direktorennicht, daß es notwendig ist, die Studien-zeiten für Ausländer an deutschen Hoch-schulen noch mehr zu verkürzen, damitdas Ausländerstudium in Deutschlandwieder attraktiver wird. Dies bedeutet,daß auch die Studienkollegs ihre Funk-tion kritisch überprüfen und nach Wegensuchen müssen, auf denen ihre Arbeitnoch effizienter als in der Vergangenheitgemacht werden kann. Dieser Herausfor-derung an die eigene Institution stelltensich die Kollegleiterinnen und Kolleglei-ter und machten in den beigefügten Er-klärungen von Oybin und Rügen Vor-schläge zur Modifizierung, Flexibilisie-rung und effizienteren Studienvorberei-tung der ausländischen Studienbewer-ber. Mit ihnen wiesen sie in den von der»Gemeinsamen Erklärung der Regie-rungschefs« benannten Handlungsfel-dern »Erleichterung beim Hochschulzu-gang«, »Gewährleistung einer sozialenund fachlichen Betreuung« und »Abbauvon Sprachbarrieren«, kurz: in den Berei-chen Studienvorbereitung und Studien-begleitung, wichtige Ansatzpunkte füreine Steigerung der Attraktivität des Stu-dienstandorts Deutschland auf.

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Rügener Erklärung zu Rolle undStellenwert der Studienkollegsfür die Attraktivität des Studien-standorts Deutschland

Arbeitsgemeinschaft der Direktoren der Stu-dienkollegs für ausländische Studierende anden Universitäten und ihnen gleichgestelltenHochschulen in der Bundesrepublik Deutsch-land

Die Studienkollegs begrüßen die von denRegierungschefs von Bund und Ländernin ihrer Erklärung vom 18. Dezember1996 vorgeschlagenen Maßnahmen zurErhöhung der Attraktivität des Studien-standorts Deutschland.Auch wir sehen in der Verkürzung derStudienzeiten einen wesentlichen Beitragzur Steigerung der internationalen Wett-bewerbsfähigkeit in diesem Bereich.Schon heute ermöglichen die Studienkol-legs einer bestimmten Zielgruppe durchdie enge Verbindung von hochwertigerSprachausbildung und fachlicher Vorbe-reitung ein effizientes, erfolgreiches undzügiges Studium.Dieses Serviceangebot der Studienkollegs istmodifizierbar und ausbaufähig!Modifizierbar und ausbaufähig sowohlbezüglich der Zielgruppe als auch in Hin-blick auf eine Flexibilisierung mit demZiel einer stärkeren Orientierung an denBedürfnissen des einzelnen Studenten.Konkret bedeutet das:– Die Studienkollegs stellen – in Zusam-

menarbeit mit den Hochschulen –durch Eingangstests fest, welche Vor-aussetzungen für ein Studium inDeutschland der einzelne Bewerber mit-bringt.

– Sie machen bei Bedarf ein auf den einzel-nen zugeschnittenes studienpropädeuti-sches Angebot.

– Sie machen darüber hinaus gezielte stu-dienbegleitende Angebote.

Auf diese Weise tragen die Studienkol-legs stärker als bisher und kostenneutraldazu bei, die Studienzeiten ausländischerStudenten zu verkürzen und die deut-schen Hochschulen attraktiv zu gestal-ten.

Studienkolleg FrankfurtBockenheimer Landstr. 7660323 FrankfurtTelefon ++69 / 72 85 08Telefax ++69 / 729 89 89

Juliusruh/Rügen, den 30.04.1997

Oybiner Erklärung zu Rolle undStellenwert der Studienkollegsfür die Attraktivität des Studien-standorts Deutschland

Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Studien-kollegs für Fachhochschulen in der Bundesre-publik Deutschland

Ausländische Studierende benötigen, umerfolgreich und effizient in Deutschlandstudieren zu können, eine intensive Vorbe-reitung in sprachlicher, interkultureller undstudienpropädeutischer Hinsicht.Die Studienkollegs bieten als einzige flä-chendeckende Einrichtung in der deut-schen Hochschullandschaft ein solchesServiceangebot durch die enge Verzah-nung von fachlicher und sprachlicher Vorbe-reitung. Gleichzeitig vermitteln sie eineEinführung in die Besonderheiten desdeutschen Hochschulsystems gegenüberStudiensystemen in anderen Ländern.Durch eine derartig gezielte Vorbereitungwerden Studierende einiger Länder fürein Studium in Deutschland überhaupterst befähigt; für die meisten bedeutet sieeine feststellbare Verkürzung des Fachstu-diums.

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Stimmen, die – etwa im Vergleich zu denUSA oder Australien – einen Mangel anBetreuung ausländischer Studierenderbeklagen und hier ein Element mangeln-der Konkurrenzfähigkeit des Studien-standorts Deutschland sehen, verkennendie Rolle und die Möglichkeiten der Stu-dienkollegs.Das Service-Angebot der Studienkollegs istausbaubar zu einem noch umfassenderenpropädeutischen und betreuenden Ange-bot für ausländische Studierende, undzwar auch ohne daß zwingend zusätzli-che Kosten entstehen. Die Arbeitsge-meinschaft sieht Möglichkeiten insbeson-derea) in der Öffnung der Studienkollegs für

weitere Zielgruppen;– Neben den ausländischen Studie-

renden, die ihre heimatliche Hoch-schulzugangsberechtigung durchdie Feststellungsprüfung ergänzenmüssen, sollten alle ausländischenStudierenden das Lehrangebot desStudienkollegs in sprachlicher undfachlicher Hinsicht nutzen dürfen.

b) im Ausbau und in der Flexibilisierungihres Angebots;Das derzeitige Angebot ist zu erwei-tern um– auf die DSH vorbereitende Kurse –

soweit nicht bereits vorhanden –– unterstützende Kurse in den einzel-

nen Studienfächern der ersten Fach-semester.

Die Studienkollegs werden so zu ei-nem Angebot für die Gesamtheit derausländischen Studierenden. Sie wür-den nicht nur auf ein Studium vorbe-reiten, sondern auch in den erstenFachsemestern Hilfe bieten in einzel-

nen Kernfächern oder bei allgemei-nen Problemen mit der deutschenStudienstruktur, und zwar auch undinsbesondere denjenigen, die überDSH, also ohne Besuch des Studien-kollegs ins Fachstudium eingetretensind. Die Studienkollegs unterstrei-chen dadurch dann noch stärker ihreBrücken- bzw. Gelenkfunktion zwischender häufig sehr anders geartetenSchul- und Hochschulausbildung imHeimatland und einem Studium inDeutschland.

c) in der intensiven Werbung mit der Insti-tution Studienkolleg im Ausland.In der Konkurrenz der deutschenHochschulen mit anderen Industrie-ländern um begabte Studentinnenund Studenten aus aller Welt sollteintensiv mit der Institution »Studien-kolleg« als einzigem interkulturell aus-gerichteten, qualifizierten und funktionie-renden Einstiegs- und Betreuungsange-bot für ausländische Studierende Wer-b u n g g e m a c h t w e rde n . D i eStudienkollegs dürfen nicht länger als»Studienverlängerer« dargestellt wer-den, wie dies aus Unkenntnis oder garwider besseres Wissen gelegentlichgeschieht1. Für das Marketing jederdeutschen Hochschule muß die positi-ve Betonung des Angebots eines eigenenStudienkollegs eine Selbstverständlich-keit werden.

Stimmen, die meinen, den Studienstand-ort Deutschland durch den Wegfall die-ses Service-Angebots für einzelne Bewer-bergruppen attraktiver zu machen zukönnen [sic!], verkennen nicht nur dieLeistungen, sondern auch die Akzeptanzder Einrichtung Studienkolleg – man befra-

1 man beachte, daß für die Vorbereitung auf die DSH üblicherweise ebenso 2 Semesterangesetzt werden wie für die Ausbildung im Studienkolleg. Die für den Eintritt in eine2 Semester umfassende DSH-Vorbereitung vorausgesetzten Grundkenntnisse sind nurgeringfügig niedriger als die für den Eintritt ins Studienkolleg. In beiden Fällen könnendie Grundkenntnisse im Heimatland erworben werden.

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ge die Absolventen und Diplomierten.Der vermeintlichen Verkürzung des Stu-dienaufenthaltes werden mittel- undlangfristige Schäden gegenüberstehen inForm von Studienschwierigkeiten, über-langen Fachstudienzeiten und Studien-abbrüchen. Nach Jahren erfolglosen oderineffektiven Studiums Zurückgekehrtewerden in ihrem Heimatland nicht dieBotschafter der deutschen Kultur und

zukünftigen Kunden der deutschen Wirt-schaft sein, die der Standort Deutschlandso dringend braucht.

Oybin/Sachsen, im April 1997

Telefon: 0221–8275–2119 oder –2173Telefax: 0221–8275–2173, oder, falls nichtaktiv, –2836e-mail: [email protected]://www.fh-koeln.de/stk/

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»Fremdsprachen lehren lernen.Lehrerausbildung in der Dis-kussion«

17. Kongreß für Fremdsprachendidak-tik der Deutschen Gesellschaft fürFremdsprachenforschung, 6.–8. Oktober1997 in Koblenz, Universität Koblenz-Landau

Organisation:Prof. Dr. Gisela Schmid-SchönbeinAnglistikUniversität KoblenzTel.: 0261/30445/61Fax: 0261/30445/90e-mail: [email protected]

Auskunft und Anmeldung:Kongreßbüro DGFFHarald HarnackRheinau 1D-56075 KoblenzTel.: 0261/30445/66Fax: 0261/30445/90e-mail: [email protected]

Kongreßgebühren:DM 52,– für Mitglieder (bei Anmeldungvor dem 1.6.1997) und VerlagsangehörigeDM 25,– Studierende, Referendarinnen/Referendare, Mitglieder ohne AnstellungDM 70,– für Nichtmitglieder und bei An-meldung nach dem 1.6.1997DM 35,– TageskarteDM 23,– Empfangsbuffet

Bankverbindung:Prof. Dr. Michael Wendt/DGFF Kongreß Koblenz 1997Kto. 60 690 901Volksbank GießenBLZ 513 900 00

Anmeldung von Vorträgen und Ab-stracts (max. 1 Seite) bis 15.04.1997 an dasKongreßbüro sowie die Sektionsleitun-gen

Weitere Informationen:Zeitschrift für Fremdsprachenforschung(ZFF), Bd. 7, Heft 2, Dez. 1996

Sektionen:1. Spezifika fremdsprachendidaktischer

LehreLeitung: Prof. Dr. Claus Gnutzmann,Braunschweig, Prof. Dr. FriederikeKlippel, München

2. Kulturwissenschaften an der Hoch-schuleLeitung: Prof. Dr. H.-J. Lüsebrink,Saarbrücken, Jody Skinner, M. A., Ko-blenz

3. Ausbildung fremdsprachlicher Hand-lungsfähigkeitLeitung: Edward Martin, M. A. Ko-blenz, Prof. Dr. Krista Segermann,Jena

4. Lernersprache und Strategien desfremdsprachlichen HandelnsLeitung: Dr. Wolfgang Tönshoff, Kon-stanz, Prof. Dr. Michael Wendt, Berlin

5. Literaturwissenschaft und Literatur-didaktik in der LehrerausbildungLeitung: Prof. Dr. Jürgen Donnerstag,Köln, Prof. Dr. Liesel Hermes, Ko-blenz

6. Berufs- und fachbezogener Fremd-sprachenunterrichtLeitung: StD Dipl.-Hdl. Walter Christ,Zirndorf, Gilda Rippen, Berlin

7. Fremdsprachen auf der Primarstufe:Konzepte und ihre UmsetzungLeitung: Prof. Dr. Gisela Hermann-

Tagungsankündigung

Info DaF 24, 4 (1997), 550–551

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Brennecke, Halle, Dr. Angelika Kuba-nek-German, Eichstätt

8. Bilingualer SachfachunterrichtLeitung: Dr. Eike Thürmann, Soest,Prof. Dr. Helmut J. Vollmer, Osna-brück

9. Medienpädagogik und -praxis imFremdsprachenunterrichtLeitung: Dr. Jörg Siebold, Rostock,Prof. Dr. Dieter Wolff, Wuppertal

10. Freie SektionLeitung: Prof. Dr. Henning Düwell,Göttingen, Prof. Dr. Frank G. Königs,Leipzig

Arbeitsgruppen1. Lehrerfort- und -weiterbildung

Leitung: Dr. Swantje Ehlers, Berlin,Prof. Dr. Michael Legutke, Gießen

2. Interkulturelles Lernen und interkul-turelle BegegnungLeitung: Prof. Dr. Gerd Egloff, Darm-stadt, Prof. Dr. Jürgen Kramer, Leipzig

3. Sprachpraxis in der LehrerausbildungLeitung: Anne Frances Bulmer, Düs-seldorf, Peter Franklin, M. A., Duis-burg

4. Offenere Formen des Fremdsprachen-unterrichtsLeitung: Dr. Daniela Caspari, Gießen,Dr. Claudia Finkbeiner, Gießen

5. Kreative Formen des Fremdsprachen-unterrichts (Musik, Kunst, Film)Leitung: Dr. habil. Gabriele Blell, Pots-dam, Dr. Sigrid Maruniak, Berlin

6. Fremdsprachenlernen im tertiärenBildungsbereichLeitung: Prof. Dr. Jürgen Quetz,Frankfurt, Prof. Dr. Albert Raasch,Saarbrücken

7. Bilinguale Erziehung auf der Primar-stufeLeitung: Prof. Michael S. Byram, Ph.D., Durham, Prof. Peter Doyé, Braun-schweig

8. Bilingualer SachfachunterrichtLeitung: Reg. Schulrat BernhardBremm, Bad Kreuznach, Reg. Schuldi-rektor Gerhard Hoffmann, Bad Kreuz-nach

9. Telekommunikation und Multimedia-lernen im FremdsprachenunterrichtLeitung: OStR Reinhard Donath, Au-rich, Prof. Dr. Heike Rautenhaus, Ol-denburg

10. Analyse und Evaluation von fremd-sprachlichen LehrwerkenLeitung: Dr. Hermann Funk, Kassel,Prof. Dr. Günter Nold, Dortmund

11. Spracherhalt und zweisprachige Er-ziehungLeitung: Prof. Dr. Rupprecht S. Baur,Essen, Prof. Dr. Csaba Földes, Szeged

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Jürgen BoltenGeb. 1955 in Düsseldorf. Nach der Pro-motion in Germanistik und der Habilita-tion in Deutsch als Fremdsprache seit1992 Professor für Interkulturelle Wirt-schaftskommunikation an der Universi-tät Jena. Forschungsschwerpunkte: Kul-turspezifik kommunikativer Stile, Inter-kulturelle Fachtextpragmatik, Theorieund Praxis interkultureller Wirtschafts-kommunikation, Wirtschaftskommuni-kation und Neue Medien.

Gloria BoschGeb. 1968 in Spanien. Seit 1990 StudiumDeutsch als Fremdsprache, Spanien- undLateinamerikastudien und Wirtschafts-wissenschaften an der Universität Biele-feld. 1995 Magisterarbeit mit dem Titel»Sprachenpolitik in Europa«. SeitdemLehrtätigkeit für Deutsch und Spanischals Fremdsprache an privaten und öffent-lichen Institutionen und freie Mitarbeite-rin des Europäischen Bildungswerkese. V. in Bielefeld. Seit 1996 Promotion imBereich Deutsch als Fremdsprache an derUniversität Bielefeld.

Ewa Drewnowska-VargánéStudium und Abschluß der Germanistikan der Universität Wrocław/Breslau (Po-len). 1986–1990 Deutschlehrerin anSprachschulen in Veszprém (Ungarn)und am Gymnasium mit zweisprachi-gem Unterricht in Balatonalmádi (Un-garn). 1991–1992 Mitarbeiterin des Lekto-rates für Fremdsprachen an der Universi-tät Veszprém. Seit 1992 wissenschaftlicheAssistentin am Lehrstuhl für deutscheSprache und Literatur der UniversitätVeszprém. 1996 Promotion und Ernen-nung zur wissenschaftlichen Oberassi-

stentin am Lehrstuhl für deutsche Spra-che und Literatur der Universität Veszp-rém. Schwerpunkte der Forschungstätig-keit und Publikationen im Bereich derAnwendung der Textlinguistik in derTextrezeption und der Textproduktionvon ausländischen Germanistikstuden-ten.

Klaus EggenspergerGeb. 1957; Studium von Germanistik, So-zial- und Wirtschaftsgeschichte und Por-tugiesisch an der Universität Hamburg,M. A. 1985. DaF-Unterricht. Promotionan der Universität Osnabrück 1995 über»Modale Nebenverben im Jiddischen«.Seit 1996 DAAD-Lektor in Curitiba, Bra-silien.

Christian FandrychDr. phil.; geb. 1961; Studium Deutsch alsFremdsprache, Neuere Deutsche Litera-tur und Neuere Geschichte in München.1991–1993 Mitarbeiter am Institut fürDeutsch als Fremdsprache der Universi-tät München, 1994–1996 DAAD-Lektoram Fremdsprachenzentrum CELE derUniversidad Nacional Autónoma de Mé-xico, Mexiko-Stadt, seit September 1996Lecturer am King’s College, Departmentof German, London. Hauptarbeitsgebietesind Linguistik und Methodik/Didaktikim Bereich des Deutschen als Fremdspra-che.

Roswitha ReinbotheStudium der Germanistik, Politologieund Theaterwissenschaft in Berlin,Staatsexamen, Promotion in Germani-stik, DAAD-Lektorin an der Fremdspra-chenhochschule Shanghai/VR China(1981–85), Lektorin an der Ondokuz

Über die Autoren/Abstracts

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Mayis Universität in Samsun/Türkei(1992–94), Unterricht in Deutsch alsFremdsprache, Lehrauftrag an der FreienUniversität Berlin. Interessenschwer-punkte: Landeskunde, Literatur, inter-kulturelle Studien, Geschichte desDeutschunterrichts im Ausland und derauswärtigen Sprach- und Kulturpolitik.

Werner RoggauschDr. phil.; Studium der Germanistik undKunstgeschichte in Göttingen, Köln undBremen. Von 1983 bis 1987 DAAD-Lektorin China. Seit 1990 Mitarbeiter des Deut-schen Akademischen Austauschdienstes,Bonn.

Ulrike TallowitzM. A.; geb. 1950; Studium der Anglistikund Pädagogik an der Universität zuKöln. 1980 Ausbildung zur Dozentin desGoethe-Instituts; 1983–1988 DAAD-Lek-torin am Fremdsprachenzentrum CELEder Universidad Nacional Autónoma de

México, Mexiko-Stadt. 1989–1990 For-schungsstipendium im Bereich Maschi-nelle Übersetzung an der Universität desSaarlandes, Saarbrücken; seit 1990 Do-zentin für Deutsch als Fremdsprache undAngewandte Linguistik am CELE.Hauptarbeitsgebiete sind Methodik/Di-daktik im Bereich Deutsch als Fremd-sprache und Lehrerausbildung.

Franz-Joseph WehageProfessor für Germanistik und Deutschals Fremdsprache am Muskingum Col-lege in Ohio. Studium an der UniversitätWürzburg und an der State University ofNew York at Albany; lehrte an der Appa-lachian State University in North Caroli-na und am Randolph Macon Woman’sCollege in Virginia. Neben Beiträgen zurdeutschen Exilliteratur, zur inneren Emi-gration und der deutschen Literatur nach1945 befaßt sich der Autor auch mit Päd-agogik, insbesondere mit der Didaktisie-rung von Videos für den DaF-Unterricht.

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