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E ndlich bist du wieder da. Wir haben dich vermisst“, sagen die serbischen Mädchen Jenny und Zlatja zu mir, als ich nach ein paar Tagen Krankenstand Montagmorgen das Klassenzimmer der 4a betrete. Sie umarmen mich herzlich und weichen, so wie einige andere Kin- der, an diesem Tag kaum von meiner Sei- te. „Oje, 15. Bezirk“, meinen oder den- ken jetzt manche. „Da sind ja hauptsäch- lich Ausländer!“ Womit sie auch Recht haben: Kroaten, Serben, Bosnier, Maze- donier, Albaner, Ungarn, Roma, Polen, Bulgaren, Rumänen, Tschechen, Slowa- ken, Türken, Afghanen, Iraker, Iraner, Ägypter, Nigerianer, Somalier, Philippi- nos, Chinesen und noch einige weitere Kinder anderer Nationalitäten (insgesamt rund 30) besuchen unsere Schule – sozu- sagen eine „Multi-Kulti-Schule!“ Wie funktioniert das Miteinander? Vor allem, wie lehrt man nun als Lehrerin 6-jährigen Tafelklasslern Lesen, Schrei- ben, Rechnen und erklärt Sachunter- richtsthemen verständlich, wenn sie doch kaum die deutsche Sprache beherrschen? Vor 30 Jahren gab es, im Vergleich zu heute, wenige Migranten oder Kinder so- genannter „Gastarbeiter“ bei uns in der Schule, die keine Deutschkenntnisse hat- ten. Wenn ich das letzte Schuljahr (2010 / 2011) betrachte, zählte ich in meiner Klasse nur mehr drei österreichische Kin- der, die restlichen 18 kamen aus sieben anderen Ländern. Oft ist es mittlerweile die zweite oder dritte Generation von nichtdeutschsprachigen Kindern, deren Eltern ebenfalls schon in Österreich auf- gewachsen und hier zur Schule gegangen sind. Dementsprechend gut war ihr Deutsch schon zu Beginn der ersten Klas- se. Nur zwei Schüler konnten 2007 noch kein einziges Wort Deutsch – genau diese zwei aber gehörten am Ende der vierten Klasse, im Juni 2011, zu den acht zu- künftigen Gymnasiumsgängern der 4a. Demnach ist offensichtlich die sprachli- che Barriere kein Hindernis für einen gu- ten, informativen und lustbetonten Un- terricht und schon gar kein Grund für schlechte Noten. Viele der „Zuwanderer- Kids“ sind sehr lernwillig und, wie ich persönlich oft empfunden habe, sehr so- zial, hilfsbereit und dankbar. Schulen zum Wohlfühlen Einer der wichtigsten Dinge für die Lehr- kräfte an einer „schwierigen“ Schule ist das Wohlfühlen am Arbeitsplatz. Dazu gehören Teamfähigkeit und Vertrautheit unter den Kollegen. Vier Lehrerinnen un- serer Schule waren früher selbst Migran- „Hallo, meine Name ist Ahmed“ … Eindrücke aus einer „Multi-Kulti-Schule“ INHALTSVERZEICHNIS Seite Eindrücke aus einer „Multi-Kulti-Schule“ 1–2 Vom Protestantenpatent 1861 zum Protestantengesetz 1961 – Teil 1 3–5 Religionen im Radio 5 Gottesdienste und Veranstaltungen 6–7 dorothea 8 EAPPI – Von Graz und Linz in die Westbank 8–9 „Wozu Reli?“ von Gisela Ebmer 10 Andacht: Van Gogh malt eine Predigt, von Balasz Nemeth 11–12 Reformiertes Kirchenblatt Wien/Österreich 89. Jg September 2011 Heft 9 Euro 1,10 Sieht man den Ausländeranteil von 90 % an einer Volksschule in Wien als Problem oder als Chance? Und behindern fehlende Deutschkenntnisse einen ertragreichen Unterricht? Tina Hauser ist seit 13 Jahren Lehrerin an der Volksschule Johnstraße im 15. Wiener Gemeindebezirk und schil- dert Erfahrungen aus ihrer „Multi-Kulti- Schule“, die entgegen aller Klischees und Vorurteile eine andere Sprache sprechen. Romatanz beim Jugendsingen mit Romanes Lehrerin Rabie an der Volksschule Johnstraße.

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  • Endlich bist du wieder da. Wir habendich vermisst“, sagen die serbischenMädchen Jenny und Zlatja zu mir,als ich nach ein paar Tagen KrankenstandMontagmorgen das Klassenzimmer der4a betrete. Sie umarmen mich herzlichund weichen, so wie einige andere Kin-der, an diesem Tag kaum von meiner Sei-te. „Oje, 15. Bezirk“, meinen oder den-ken jetzt manche. „Da sind ja hauptsäch-lich Ausländer!“ Womit sie auch Rechthaben: Kroaten, Serben, Bosnier, Maze-donier, Albaner, Ungarn, Roma, Polen,Bulgaren, Rumänen, Tschechen, Slowa-ken, Türken, Afghanen, Iraker, Iraner,Ägypter, Nigerianer, Somalier, Philippi-nos, Chinesen und noch einige weitereKinder anderer Nationalitäten (insgesamtrund 30) besuchen unsere Schule – sozu-sagen eine „Multi-Kulti-Schule!“

    Wie funktioniert das Miteinander? Vor allem, wie lehrt man nun als Lehrerin6-jährigen Tafelklasslern Lesen, Schrei-ben, Rechnen und erklärt Sachunter-richtsthemen verständlich, wenn sie dochkaum die deutsche Sprache beherrschen?Vor 30 Jahren gab es, im Vergleich zuheute, wenige Migranten oder Kinder so-genannter „Gastarbeiter“ bei uns in derSchule, die keine Deutschkenntnisse hat-ten. Wenn ich das letzte Schuljahr (2010/ 2011) betrachte, zählte ich in meinerKlasse nur mehr drei österreichische Kin-der, die restlichen 18 kamen aus siebenanderen Ländern. Oft ist es mittlerweiledie zweite oder dritte Generation vonnichtdeutschsprachigen Kindern, derenEltern ebenfalls schon in Österreich auf-gewachsen und hier zur Schule gegangensind. Dementsprechend gut war ihrDeutsch schon zu Beginn der ersten Klas-se. Nur zwei Schüler konnten 2007 nochkein einziges Wort Deutsch – genau diesezwei aber gehörten am Ende der viertenKlasse, im Juni 2011, zu den acht zu-künftigen Gymnasiumsgängern der 4a.Demnach ist offensichtlich die sprachli-che Barriere kein Hindernis für einen gu-ten, informativen und lustbetonten Un-terricht und schon gar kein Grund fürschlechte Noten. Viele der „Zuwanderer-Kids“ sind sehr lernwillig und, wie ichpersönlich oft empfunden habe, sehr so-zial, hilfsbereit und dankbar.

    Schulen zum WohlfühlenEiner der wichtigsten Dinge für die Lehr-kräfte an einer „schwierigen“ Schule istdas Wohlfühlen am Arbeitsplatz. Dazugehören Teamfähigkeit und Vertrautheitunter den Kollegen. Vier Lehrerinnen un-serer Schule waren früher selbst Migran-

    „Hallo, meine Name ist Ahmed“ … Eindrücke aus einer „Multi-Kulti-Schule“

    I N H A L T S V E R Z E I C H N I S Seite

    Eindrücke aus einer „Multi-Kulti-Schule“ 1–2

    Vom Protestantenpatent 1861 zumProtestantengesetz 1961 – Teil 1 3–5

    Religionen im Radio 5

    Gottesdienste und Veranstaltungen 6–7

    dorothea 8

    EAPPI – Von Graz und Linz in dieWestbank 8–9

    „Wozu Reli?“ von Gisela Ebmer 10

    Andacht: Van Gogh malt eine Predigt, von Balasz Nemeth 11–12

    ReformiertesK i r chenb la t t

    Wien/Österreich 89. Jg September 2011Heft 9Euro 1,10

    Sieht man den Ausländeranteil von 90 %an einer Volksschule in Wien als Problemoder als Chance? Und behindern fehlendeDeutschkenntnisse einen ertragreichenUnterricht? Tina Hauser ist seit 13 JahrenLehrerin an der Volksschule Johnstraßeim 15. Wiener Gemeindebezirk und schil-dert Erfahrungen aus ihrer „Multi-Kulti-Schule“, die entgegen aller Klischees undVorurteile eine andere Sprache sprechen.

    Romatanz beim Jugendsingen mit Romanes Lehrerin Rabie an der Volksschule Johnstraße.

  • INTEGRATION / KOOPERATION

    tenkinder, die nun mit perfektemDeutsch bei uns als klassenführendeLehrer angestellt sind. Dass sie nichtnur die oft schwierige Situation vonEinwanderer – Kindern besser verste-hen, sondern sich mit ihnen auch in ih-rer Muttersprache verständigen könnenund oft als Dolmetsch zwischen Elternund Lehrern eingesetzt werden, hat vie-le Vorteile. Auch wegen ihrer sozialenund hilfsbereiten Art werden unsereMigranten – Lehrer/innen von allenKollegen und Kolleginnen sehr ge-schätzt. Und so wie wir Lehrer es denKindern vorleben, ahmen sie uns nach!

    MUZUs und BegleitlehrerDie VS Johnstraße hat auch das Glück,unterstützende Muttersprachenlehrerfür Türkisch, Serbokroatisch, Unga-risch, Polnisch, Arabisch und Romaneszu haben – die sogenannten MUZU(Muttersprachen-Zusatzlehrer). DieZusammenarbeit mit diesen könntenicht besser funktionieren. Auch Be-gleit-, Förder-, Sprachheil-, und Bera-tungslehrer unterstützen bei uns nichtnur die Seiteneinsteiger, d. h. Kinder,die frisch aus dem Ausland kommen,sondern fungieren zusätzlich als Zweit-lehrer im Klassenverband oder helfenKindern mit Lern- und Verhaltens-schwierigkeiten. Sie tragen viel zur gu-ten Integration bei. Nicht zu vergessenist die Hilfe unserer verständnisvollenDirektorin Brigitta Wend. Nur wegenall dieser Umstände und Personen

    klappt ein Miteinander in einer mit fast90% Ausländeranteil definierten Schuleseit Jahren hervorragend. Ebenso dasEngagement unserer Eltern, welche oftzum Helfen in die Schule kommen, obzu Buchstaben-Tagen, Plan- und Freiar-beiten, zur Vorbereitung der gesundenJausen, bei Ausflügen, sowie Weih-nachts-, Faschings-, Oster-, oder sonsti-gen Festen anwesend sind, ist ein wah-rer Gewinn für unsere Schule. DieGastfreundlichkeit und Hilfsbereit-schaft v. a. der südländischen Mütterkommt hierbei der Schule zugute, undoft halten sich die Kontakte mit man-chen sogar, wenn deren Kinder schonlängst aus der Volksschule heraus sind.

    Interkulturalität und Begabungen Kinder machen es richtig, denn dieGrundeinstellung eines jeden Kindes zuanderen Nationalitäten ist eigentlichneutral und wertfrei – außer natürlich,man lebt es ihnen als Erwachsener an-ders vor! Kindern istes egal, woher je-mand kommt, wel-che Sprache erspricht, welcheHautfarbe er hatoder welche Reli-gion. Verständigungund gemeinsamesSpielen funktionie-ren auch non- ver-bal. Wenn man, sowie wir es in der

    Schule praktizieren, durch Gemein-schaftsaktivitäten, wie Gruppen- undProjektarbeiten, Theateraufführungen,musikalischen Darbietungen, länder-übergreifenden Festen, Schullandwo-chen, Ausflügen, Fußball- und Hand-ballturnieren und vielen außerschuli-schen Aktivitäten das Miteinander för-dert, erfahren alle eine besondere Zu-sammengehörigkeit. Wie die diesjähri-gen Wiener Lesetests bewiesen haben,ist die Leseschwäche der 10 bis 14- Jäh-rigen auch kein Problem der „nicht-deutschen Muttersprache“. Mit Stolzkönnen wir sagen, dass unsere viertenKlassen im Durchschnitt gesehen ganzgut abgeschnitten haben. Abgesehenvon Fördermaßnahmen zur deutschenSprache für ausländische Kinder, sowieder Förderung und gezielten Verbesse-rung von Schwächen (Lese/Recht-schreibschwächen, mathematische undsonstige Schwächen) ist unsere Schuleder Meinung, dass vor allem interessier-te und in jeglicher Hinsicht begabteKids zur Förderung ihrer Talente beson-dere Zuwendung und Aufmerksamkeitbrauchen. Jedes Kind und jeder Menschhat Begabungen – sportliche, musikali-sche, sprachliche, technische, soziale.Und was man gut kann, macht maneinfach gern! Jeder kann etwas be-sonders gut und es heißt bei uns:„STÄRKEN stärken und SCHWÄ-CHEN schwächen!“

    TINA HAUSERLehrerin an der Volksschule Johnstraße im 15.

    Wiener Gemeindebezirkfür Interessierte: www.vsjohn.at

    REFORMIERTES KIRCHENBL ATT 9/2011

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    SchülerInnen und LehrerInnen präsentieren ihren „Friedensmantel“.

    Kati aus Bosnien, Alex aus Serbien, Samanthaaus Österreich und Stefan aus Serbien beim ge-meinsamen Trommeln

  • GESCHICHTE

    Vom Protestantenpatent (1861)zum Protestantengesetz (1961)Über die rechtlichen Rahmenbedingungen der Evangelischen Kirche in Österreich – Teil 1

    Auf zwei Urkunden gründen sich die Evange-lischen Kirchen in Österreich. Und beidefeiern in diesem Jahr ihr Jubiläum – das Pro-testantenpatent von 1861 und das Protestan-tengesetz von 1961. MinR Karl Schwarz vomKultusamt schildert in zwei Teilen die Ge-schichte und Bedeutung dieser für uns Evan-gelische in Österreich unschätzbaren Urkun-den.

    Das Protestantenpatent Am 8. April 1861 unterfertigte KaiserFranz Joseph I. das so bezeichnete Pro-testantenpatent (RGBl. Nr. 41/1861).Es hatte zum Ziel, „Angelegenheitender evangelischen Kirche Augsburgi-schen und Helvetischen Bekenntnisses,insbesondere die staatsrechtlichen Be-ziehungen derselben“ zu regeln. Mankönnte auch sagen: die gesetzliche An-erkennung der Evangelischen KircheA.u.H.B. auszusprechen und die nähe-ren rechtlichen Rahmenbedingungenfür deren Wirken zu bestimmen. In die-sem Patent war deutlich von einerMehrzahl gesetzlich anerkannter Kir-chen die Rede. Dieser Plural konntenur so verstanden werden, dass diedurch das Toleranzpatent geduldeten„Akatholiken“ (Nicht-Katholiken)nunmehr als „gesetzlich anerkannt“ zugelten hatten. Das waren die Evangeli-schen des Augsburgischen und des Hel-vetischen Bekenntnisses, die mit Romnicht unierten Griechen, also die Grie-chisch-Orthodoxen, und schließlich dieIsraelitische Religionsgesellschaft, die inHohenems über eine selbständige Kul-tusgemeinde mit ca. 400 Mitgliedernverfügte.

    Interesse an einer GesamtkircheAuf drei Sockeln ruhte die Herrschaftim Reich: auf dem Militär, auf der Be-amtenschaft und auf der „schwarzen

    Gendarmerie“, der römisch-katholi-schen Kirche, mit der 1855 ein Konkor-dat abgeschlossen worden war, das vonden liberalen Kräften massiv bekämpftwurde. Die Protestantenfrage wurdedazu benutzt, um die Herrschaft derHabsburger in Ungarn zu stabilisieren.Es gab ein vitales Interesse, den Protes-tantismus im gesamten Habsburger-reich in einer Gesamtkirche zu konzen-trieren. Denn der Protestantismus hatteseinen Schwerpunkt außerhalb des heu-tigen Österreichs. Von den insgesamt3,5 Millionen Protestanten waren diemeisten 2,1 Millionen magyarische Cal-vinisten und 1,1 Millionen Lutheranerin Ungarn und Siebenbürgen. DieEvangelische Kirche in Cisleithanien,für die das Protestantenpatent galt, setz-te sich aus vier lutherischen und drei re-formierten Superintendenzen und einergemischten Superintendenz zusammen.Insgesamt gab es in den 150 Gemein-den 170.000 Mitglieder A.B. und90.000 Mitglieder H.B., hauptsächlichtschechischer Sprache. Die Schwer-punkte lagen in Österreichisch-Schle-sien A.B. und in Böhmen/Mähren H.B.In den westlichen Kronländern Öster-reichs, in Salzburg, Tirol und Vorarlbergbestanden keine Gemeinden. Für denösterreichischen Protestantismus wäredamals die Bildung einer Gesamtkircheein Vorteil gewesen, weil sie ihm eingrößeres politisches Gewicht verliehenhätte. Aber sie wurde von den Magyarenund auch von den Siebenbürger Sach-sen ausnahmslos abgelehnt, so musstedieses Projekt einer österreichischenReichskirche fallen gelassen werden.

    Vorarlberg war andersIn Vorarlberg war es in den Jahren derjosephinischen Toleranz seit 1781 zukeiner evangelischen Gemeindebildung

    gekommen, obwohl sich im Vormärzim Zuge der Industrialisierung zahlrei-che protestantische Unternehmer ange-siedelt hatten. Die Namen Jenny, Dou-glass, Schindler stehen für diese Vorarl-berger Industriegeschichte in der erstenHälfte des 19. Jahrhunderts. Sie förder-ten die Zuwanderung von protestanti-schen Facharbeitern und betrieben eineGemeindegründung, scheiterten aberan der Xenophobie der Behörden, ander Furcht vor dem Freisinn, der mitden Fremden ins Land gekommen warund die Landessitte und die überkom-mene religiöse Tradition in Frage stellte.Nicht einmal die Errichtung eines evan-gelischen Friedhofes wurde möglich ge-macht, wie wir von Grete GulbranssonsFamiliensaga („Geliebte Schatten“) wis-sen. Es ist die Zeit des Vormärz, desBiedermeier, die Furcht vor Umsturzund Revolte, die seit der französischenRevolution das alte Europa im Bannehielt. 1837 werden aus dem Tiroler Zil-lertal an die 400 aufgestöberte Akatho-liken zur Auswanderung nach Schlesiengezwungen. Es war die letzte Deporta-tion aus Gründen der Glaubenseinheit.Dahinter stand die politische Überzeu-gung dieses Zeitalters, dass nur die

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    Am 8. April 1861 erließ die Regierung Kaiser FranzJoseph I. das Protestantenpatent.

  • GESCHICHTE

    „gute Einigkeit in der Religion“ deninnenpolitischen Frieden sicherstelle,dass ein fremdkonfessioneller Untertanwegen seiner Neigung zur Rebellion vielgefährlicher sei als zehn ausländischeFeinde. So waren die Zillertaler als „In-klinanten“ bezeichnet worden, dass siezur Confessio Augustana „hinneigten“.So konnten sie leichter kriminalisiertund abgeschoben werden, das Reichsre-ligionsrecht schützte nur die Augsbur-ger Konfessionsverwandten – und dasToleranzpatent schützte die Akatholi-ken im Zillertal überhaupt nicht, weiles 1781 zum geistlichen FürstentumSalzburg gehört hatte. Ein Vierteljahr-hundert später hatte sich die Situationentscheidend gewandelt. Vorarlbergschickte sich an, ein selbständiges Kron-land zu werden.

    Glaubenseinheitsbewegungen inTirol und VorarlbergIn Tirol hatte die Glaubenseinheitsbe-wegung schon seit 1848 Petitionen anden Wiener Reichstag und an dasFrankfurter Parlament gerichtet und ei-nen konfessionellen Sonderstatus fürdas „heilige Land“ Tirol gefordert. Daswiederholte sich 1861, als sich die er-sten Konturen des Protestantenpatents

    abzeichneten. Der Tiroler Landtag legtemit einem Landesgesetz fest, dass dieöffentliche Religionsübung der rö-misch-katholischen Kirche vorbehaltenblieb und die Bildung nichtkatholischerPfarrgemeinden für unzulässig erklärtwurden. In Vorarlberg kam ein solcherLandtagsbeschluss nicht zustande. Hierwar das politische Gewicht der Libera-len viel zu groß.

    Der liberale Zeitgeist wehte imLager der Protestanten Und der Zeitgeist forderte unerbittlichdie Gleichberechtigung der Nichtkatho-liken im Lande, der Protestanten undder Hohenemser Juden. Noch in dem-selben Jahr kam es in den letzten De-zembertagen zur Konstituierung einerGemeinde in Bregenz. Diese Gemeindeumfasste zunächst ganz Vorarlberg, undsie hatte gegen massiven Druck seitensdes katholischen Klerus zu kämpfen.Der Klerus unterstützte die OelzischePetitionsbewegung. 15.000 Unterschrif-ten kamen zustande, viele Gemeinde-vorstehungen unterschrieben, nur Bre-genz, Feldkirch, Bludenz und Dornbirnverweigerten die Unterstützung. Einrichtiger Kulturkampf zwischen denultramontanen „Römlingen“ und den

    liberalen „Preußenseuchlern“ herrschteim Lande – und mitten drin die kaumvierhundert Protestanten, die selbstbe-wusst um ihre Religionsfreiheit kämpf-ten und am 8. Mai 1864 am Ölrain inBregenz ihre stimmungsvolle neugoti-sche Kreuzkirche einweihten.

    Illegalität des ProtestantenpatentsBeim Protestantenpatent handelt es sichum ein Gesetz. Merkwürdigerweisewurde es aber nicht vom Reichsrat be-schlossen. Deshalb hat in der späterenDiskussion 1865 ein Minister die The-se aufgestellt, dass es eigentlich illegalerlassen wurde. Denn der zur Beschluss-fassung kompetente Reichsrat war be-reits einberufen worden und nahm imMai seine erste Session auf. Es war Eilegeboten. Denn das Interesse des Libera-lismus lag in erster Linie darin, Öster-reichs Stellenwert in Deutschland zuverbessern. Das Protestantenpatent hatdabei wenig bewirkt, um diese Abseits-stellung zu korrigieren, auch wenn esvon der liberalen Kirchengeschichts-schreibung als Magna Charta des hiesi-gen Protestantismus überhöht wurde.„Von der Duldung zur Gleichberechti-gung“, „Von der Toleranz zur Parität“,so lauteten zwei Buchtitel, welche dieerfreuliche Entwicklung (etwas ver-kürzt) auf den Punkt brachten.

    Die Widerhaken imProtestantenpatentDass die Protestanten das Patent dank-bar entgegengenommen haben, verstehtsich nach der langen Wartefrist seit1848/1849 von selbst. Aber es enthieltauch einige Widerhaken, die den kirch-lichen Alltag erheblich einschränkten:Dass die oberste Kirchenbehörde, derEvangelische Oberkirchenrat, in diestaatliche Behördenstruktur eingebun-den war, wurde als durchaus systemim-manent empfunden, es wird sich erst im20. Jahrhundert als fatal herausstellen.Dass staatliche Ernennungs-, Genehmi-gungs- und AusgestaltungsvorbehalteEinschränkungen der kirchlichen Auto-nomie sind, haben die Evangelischensehr bald erfahren, aber auch das wurdeals Ausdruck der staatlichen Kirchenho-heit in Kauf genommen. Und diese

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    Das Protestantenpatent von Kaiser Josef II. von 1861 ermöglichte u.a. die Gründung der EvangelischenGemeinde A. u. H. B. Vorarlberg und die Grundsteinlegung der Kreuzkirche am Ölrain in Bregenz 1862.

  • staatliche Kirchenhoheit war sozusagendie Signatur des 19. Jahrhunderts. Siewurde durch die Kultusabteilung im k.k.Ministerium des Cultus und Unterrichtswahrgenommen und galt als Korrelatzum öffentlich rechtlichen Status derKirche. Vor allem mussten die Beschlüs-se der Synoden und sämtliche Kirchen-gesetze über die Schreibtische der darü-ber zu befindenden Kultusbeamtenwandern. Die Kultusabteilung spielte dieZange der staatlichen Kirchenhoheit. ImProtestantenpatent hat der Kaiserimmerhin seinen evangelischen Unterta-nen einräumen müssen, dass die Agen-den des evangelischen Kultus von einemBeamten ihres Bekenntnisses wahrge-nommen werden. Das gilt bis heute.

    Der Liberalismus als Bündnispartnerder ProtestantenVom Protestantenpatent lässt sich eineLinie zum Staatsgrundgesetz über die all-gemeinen Rechte der Staatsbürger(1867) ziehen. Dessen Grundrechtsarti-kel (Glaubens- und Gewissensfreiheit,Religionsfreiheit, kirchliche Autonomie)zählen noch heute zum aktuellenRechtsbestand der Republik Österreich.Es ist nicht zu übersehen, welchesprunghafte Entwicklung der Protestan-tismus in dieser liberalen Ära genommenhat. Nun schritten die evangelischenGemeinden zum Turmbau und vergrö-ßerten ihre bisherigen Bethäuser. DieZeichen der Öffentlichkeit, der direkteZugang von der Straße, das Glockenge-läute, der Kirchturm – das wollten jetztalle Gemeinden auch realisieren. DieRömisch-katholische Kirche hat dieMaigesetze 1868 massiv bekämpft, derPapst nannte sie verabscheuungswürdigund bestritt deren Geltung. Sie habendas Konkordat wohl weitgehend ausge-höhlt, aber es blieb noch bis 1870 inKraft.

    KARL W. SCHWARZUniv.-Prof. Dr. an der Evang. Theol. Faktultät der Universität Wien. Bundesministerium für

    Unterricht, Kunst und Kultur

    Vortrag im Rahmen der vom Evangelischen Gemein-deverband in Vorarlberg veranstalteten Vortragsrei-he in der Evangelischen Pfarrgemeinde H.B. inDornbirn 10.05.2011. Teil 2 behandelt das Protest-antengesetz von 1961 und die Folgen. ■

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    GEDANKEN FÜR DEN TAG

    5.9. – 10.9.2011 6:56„Für welches Leben lernen wir?“von Nikolaus Glattauer, Hauptschullehrer in Wien und Autor „Nicht für die Schule lernen wir, sondern für das Leben“, ist ein oft zitiertes Zitat von Seneca.Doch für welches Leben lernt der Mensch? Ausschließlich für das spätere Berufsleben? Ist Schulealso eine Kaderschmiede für die Wirtschaft? Schule sei im Idealfall auch Menschenbildung, hältder Hauptschullehrer und Autor des Buches „Der engagierte Lehrer und seine Feinde“ NikolausGlattauer dem entgegen. In seinen „Gedanken für den Tag“ spricht er über die heikle Beziehungstriangel zwischen Eltern,Lehrerinnen, Lehrern, Schülerinnen und Schülern, über den vielfach unterschätzten Wert von Re-ligionen- und Ethikunterricht und über die Bedeutung von Eignung, Neigung und Leistung.

    19.9. – 24.9.2011 6:56„Vom Ende der Unschuld“ – Zum 100. Geburtstag des Schriftstellers WilliamGolding von Michael Krassnitzer, Publizist

    Der britische Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger William Golding wäre am 19. September100 Jahre alt geworden. All seinen Werken ist ein pessimistischer Grundtenor eigen, dennochhandelt es sich um Allegorien auf grundlegende menschliche und gesellschaftliche Konflikte, reichan Anleihen aus der christlichen Symbolik und der Mythologie. Sein Hauptwerk „Herr der Flie-gen“ dreht sich um die Gegensätze von Zivilisation und Barbarei, Demokratie und Gewaltherr-schaft, Individuum und Gruppe, Rationalität und Emotionalität – und ist ein Plädoyer für ethi-sches Handeln. Über ein halbes Jahrhundert später hat dieses Werk nichts von seiner Gültigkeiteingebüßt, ist Michael Krassnitzer überzeugt.Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

    LOGOS – Theologie und Leben24. 9.2011 19:04

    „Der große Engel, der neben mir ging“ – Himmelsboten in der Literatur

    Die Engel gehören nicht nur zum Grundbestand der jüdisch-christlichen Tradition und des Islam,sondern spielen auch für viele nichtreligiöse Menschen eine Rolle. Schon Heinrich Heine bemerk-te süffisant, dass er zwar nicht an den Himmel glaube – „doch die Existenz der Engel / Die be-zweifelte ich nie.“ Was mit Dante, Shakespeare und Goethe begann, setzt sich bei Peter Hand-ke, Ilse Aichinger oder Harry Mulisch bis in die Gegenwart fort: In Extremsituationen, in denenMenschen elementare Erfahrungen der Liebe, des Schmerzes oder des Sterbens machen, erschei-nen Engel in Gedichten, Geschichten und Romanen.Gestaltung: Cornelius Hell

    MOTIVE – Glauben und Zweifeln25. 9.2011 19:04

    „Unbequeme Seligkeit“ – Fulbert Steffensky über die Zumutungen der Berg-predigt

    Sie zählt zum Kernbestand der christlichen Lehre, jene Rede, die Jesus im Evangelium nach Mat-thäus auf einem Berg hält. Gleich zu Beginn finden sich die sogenannten "Seligpreisungen". For-mal stehen sie in der Tradition der jüdischen Weisheitsliteratur ("Wohl dem, der …"). Der Text,der vermutlich eine redaktionelle Zusammenfassung einzelner Jesusworte darstellt, verknüpft dieSeligpreisungen mit geistlicher Armut, Trauer, Demut, Sanftmut, Gerechtigkeitssuche, Barmher-zigkeit, reinem Herzen, Friedensstiftung und Leidensbereitschaft in Zeiten der Verfolgung. Werdem christlichen Glauben anhängt und sich auf die Botschaft der Bergpredigt einlässt, der hat da-mit wahrlich kein geistliches "Ruhekissen" an der Hand, sondern unbequeme und fordernde Wor-te, die zum Engagement für sozial Benachteiligte und Schwache drängen. Das macht der deut-sche Theologe Fulbert Steffensky auf sprachlich unnachahmliche Weise eindrücklich klar.Gestaltung: Martin Gross

    Religionim Radio

    Ö1

  • REFORMIERTES KIRCHENBL ATT 9/2011

    Gottesdienste in der Reformierten Kirche September 2011T E R M I N E

    WIEN – Innere StadtReformierte Stadtkirche

    I, Dorotheerg.16

    10:00

    KlugeGD mit AM

    Langhoff / KiGo *)1.Wahlsonntag

    Körtner2.Wahlsonntag

    Kluge

    WIEN – WestZwinglikirche

    XV, Schweglerstr.39

    10:00

    19:00 Hennefeld

    Hennefeld/Langer *)

    Hennefeld

    LangerGD mit AM

    WIEN – SüdErlöserkircheX, Wielandg.9

    10:00

    Rohrmoser / KK

    Boon / KK *)

    J.Wittich / KK

    J.Wittich / KK

    OBERWART7400 OberwartRef.Kircheng.16

    09:30

    zweispr.GD mit AM *)

    ung.spr.GDanschl. Arkadenfest

    dt.spr.GD

    ung.spr.GD

    LINZ4060 Leoding

    Haidfeldstraße 6

    09:30

    Feichtinger

    10:00 Schreiber *)10:30 ung.spr.GD

    LangerAbschieds-GD

    Schreiber

    Datum04.09.

    11.09.

    18.09.

    25.09.

    BREGENZKreuzkirche am Ölrain

    Kosmus-Jenny-Str.1

    09:30

    GD

    Familien-GDzum Schulbeginn *)

    GD mit AM

    GD

    DORNBIRN Heilandskirche

    Rosenstr. 8

    10:00

    GS

    GD mit AMKiGo

    Familien-GDKK

    GD

    FELDKIRCHPauluskirche

    Bergmanng. 2

    09:30

    Predigt-GD

    Familien-GDzum Schulanfang

    Predigt-GDGD mit AM

    gleichz. KiGo

    BLUDENZKirche zum guten Hirten

    Oberfeldweg 13

    10:00

    GD

    Kinder-GDanschl. KK

    GD mit AMgleichz. KiGo

    18:00 Abend-GD

    Datum04.09.

    11.09.

    18.09.

    25.09.

    6

    Bregenz: *) So 11.09. / 09:30 – anschl. KK & WeltladenFeldkirch: Andacht jeden Montag, 19.30 Uhr – Pauluskirche (Gesänge und Zeit der Stille)

    Taizé-Gebet am 2. Dienstag im Monat, 20.00 Uhr – PauluskircheLustenau: So 11.09. / 08:30 – GDHohenems: So 04.09. / 08:30 – GD

    WIEN Innere StadtReform. Stadtkirche

    I , Dorotheerg.16

    VIENNACOMMUNITY

    CHURCHSunday 12:00 a.m.

    Service in English

    GOTTESDIENST INTAIWANESISCHER

    SPRACHEjeden So 14:00

    UNGARISCHERGOTTESDIENST

    jeden So 17:00(außer 1.So im Monat)

    „PingoWien“ Ausstellung in der Reformierten Stadtkirche

    Vernissage am Sonntag, 11. September, 11:30, Finissage am Sonntag, 13. November

    Peter Hasler ist als Schweizer aufgewachsen und hat nach fünf Jahren Wanderzeit an derAkademie der bildenden Künste studiert. Seither lebt und arbeitet er in Wien als „Pingo Wien“,was soviel heißt wie „Ich zeichne – male Wien“!In dieser Ausstellung sind Werke aus „Donaukraftwerk Wien“, „Das PingoWien Bojenballett“ undneueste Zeichnungen wie „Albertina 2011“ zu sehen!

    Wien-Innere Stadt: *) So 11.09. / 10:00 – anschließend an den GD – Eröffnungs- und Schokofest, ÖkumenobrassWien-West: *) So 11.09. / 10:00 – Begrüßungsgottesdienst für Pfarramtskandidatin Irmi LangerWien-Süd *) So 11.09. / 10:00 – GD mit AM und KiGo, Segen für die SchulanfängerInnen

    *) So 25.09. / 10:00 – GD mit Gospelchor, Begrüßung der neuen KonfirmandInnenOberwart: ab 11.09. – KiGo zeitgleich mit dem Erwachsenen-GD im Alten Pfarrhaus (außer in den Ferien)

    *) So 04.09. / 09:30 – GD zu Erntedankfest, anschließend ARKADENFESTLinz *) So 11.09. / 10:00 – GD in St. Martin, Neusiedler Straßenfest

    KiGo = Kinder-GD GD = Gottesdienst AM = Abendmahl KK = Kirchenkaffee

  • REFORMIERTES KIRCHENBL ATT 9/2011

    7Gemeindeveranstaltungen September 2011 T E R M I N E

    LINZ Tel.Nr. 0732 / 38 08 03Jugendclub Fr *) 20:00Chor Di *) 19:30Handarbeitskreis Mo 12.09. 14:30Seniorentanz Mo 05./26.09. 14:30Café für Pensionisten Do 29.09. 14:00Offener Kreis Mi 28.09. 19:00

    BREGENZ im Clubraum Tel.Nr. 05574 / 42 3 96Talenteforum im Clubraum Mo 12.09. 19:30Frauenkreis im Clubraum Fr 09.09. 14:00Kontaktgruppe Do 08.09. 13:00Hopfenmuseum Tettnang – Treffpunkt: Busbahnhof BregenzFahrpreis Euro 12,–/Bus der Fa. WeißAnmeldung erbeten bei Fr. Evi Vonmetz, Tel. 05574/72839

    DORNBIRN im Jugendraum Tel.Nr. 05572 / 22 0 56Historischer Spaziergang in Dornbirn Sa 17.09. 14:30Treffpunkt: Stadtarchiv / Marktplatz, Dornbirn – ca. 1,5-2 Std.Referent: Mag. Werner MattTag des Denkmals So 25.09. 10 – 17:00GD anschl. KK im Gemeindesaal 10:00 – 11:00Architekturführung mit Dr. Martina Hladik 15:00Die Kirche kling /Rieger-Orgel mit St.Hladik 16:00 – 17:00Ausstellung/Bau d.Kirche (Kirchen-Archiv) 10:00 – 17:00Evang.Frauenverein Mi 07.09. 14:00Herbstausflug auf den Karren/Treffpunkt: KarrenbahntalstationClub 18/81 – Jugendraum jeden 1. Fr. im MonatSeniorennachmittag – Jugendraum jeden 1. Mi.im Monat

    FELDKIRCH Tel.Nr. 05522/77914Seniorennachmittag – Gemeindesaal jeden 2. Mi.im Monat

    Bludenz Tel.Nr. 05522/63290Historischer Spaziergang Sa 24.09. 14:30 „150 Jahre Evangelische Gemeinde in Vorarlberg“Treffpunkt: Evangelische Kirche

    MOTIVEaus dem

    evangelischen Leben

    jeden Sonntag Ö1

    19.05 bis 19.30 Uhr

    ZWISCHENRUFfrüher

    Das Evangelische Wort

    jeden Sonntag Ö1

    06.55 bis 07.00 Uhr

    Evangel ischeMorgengedanken

    Öreg

    Mo–Sa 05.40 bis 05.42 Uhr

    So 06.05 bis 06.07 Uhr

    08.04.1861 – 150 Jahre Protestantenpatent | 29.12.1861 – 150Jahre Gründung „Evangelische Gemeinde A.u.H.B. Vorarlberg“

    PROGRAMM: 150 Jahre nach Gründung der Vorarlberger Gemeinden(1861) und Einführung des Protestantenpatents ist im Rückblick zu erin-nern an das, was Menschen bewegte, die als bedeutende Reformatorenin die Geschichte eingingen. Jubiläen der Evangelischen Kirche in Vorarlberg 2011Historischer Spaziergang in DornbirnSa 17. September 2011, ab Stadtarchiv / Markplatz, 14:30

    Historischer Spaziergang in BludenzSa 24. September 2011, 6700 Bludenz, Oberfeldweg 13, ab Evangeli-sche Kirche „Zum Guten Hirten“, 14:30

    „Bartning in Europa, ein europäischer Kirchen – Architekt“ Ausstel-lung (8. Oktober bis 20. November 2011), So 9. Oktober, 11:00, Eröff-nung, 6850 Dornbirn, Rosenstraße 8, Evangelischer Gemeindesaal. Erbaute europaweit Kirchen, zählt zu den wichtigsten Kirchenbaumeisterndes 20. Jahrhunderts, war Ehrendoktor der Theologie und ein bedeuten-der Architekt der Klassischen Moderne. Er gilt neben Walter Gropius alsVater der Gründungsidee für das „Bauhaus“.

    WIEN – INNERE STADT Tel.Nr. 01 / 512 83 93Thomas-Treff Di 13. + 27.09. 19:00Senioren-Club Do 29.09. 15:00SeniorenInnen / Reise Termin: 20. bis 26.09.„Die Waldenser in den Tälern des Piemont (Italien)“Information Schwester Elisabeth – Tel.Nr. 0699/18877067Gemeindevertretungswahl So, 11. und 18. September

    WIEN – West Tel.Nr. 01 / 982 13 37Chor Mo 05. / 19.09. 19:00Schachklub Do 08.09. 19:00Frauentreff Mo 12.09. 19:00Taizégebet Mi 28.09. 19:30Aktive Senioren Plauderrunde Di 13.09. 10:00Flughafen Wien / Bus ab WBH – Abfahrt erfragen / Di 27.09.Aufführung vom teatro caprile Fr 30.09. 19:30Von Wassertrompetern u.Dienstfischern“ /Fritz v.Herzmanovsky-Orl.Herbst-Flohmarkt Fr 7.10./ 9-17:00, Sa 08.10./ 9-15:00Wahl der Gemeindevertretung 2011 Freitag, 07.10. / 11-14:00Sa, 08.10. / 11-14:00 Sonntag, 09.10. / 18-19:00

    WIEN – SÜD Tel.Nr. 01 / 604 22 86 Bibelkreis Do 22.09. 19:00Besuchskreis im Gemeindesaal Do 08.09. 14:00Jugendcafé Tretbootfahren Alte Donau Fr 02.09. 15:00Jugendcafé Fr 09./23.09. 19:00Ökumenischer Bibelkreis Favoriten Di 20.09. 19:30in der r.k.Pfarrgemeinde „Zur Allerh.Dreifaltigkeit“, 1100, Alxingerg. 2

    OBERWART im Jugendraum Tel.Nr. 03352 / 32 416Schulanfangsgottesdienste: für Volksschulkinder in der ref. Kirche Mo 05.09. 07:45für das ZBG O in der ref.Kirche (Ökum.GD) Mi 07.09. 07:50für die NMS O in der Aula der Hptsch.(Öku.) Do 08.09. 08:00Termine für Männerkreis, Altes Pfarrhaus aktiv und Kinderfreff ArcheNoah nicht festgelegt.

    Diese Angaben sind nicht vollständig, da bis Redaktionsschluß nochnicht alle Termine vorlagen.Bitte beim zuständigen Pfarramt Auskünfte einholen.

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    Tempora mutantur – die Zeiten än-dern sich. Manches, was in derBibel steht, passt einfach nichtmehr in die Zeit des Neoliberalismus.Da steht im Evangelium des Matthäus(6, 14): „Ihr könnt nicht Gott dienenund dem Mammon.“ Falsch! Wer demMammon dient, dient der Wirtschaft.Und „geht’s der Wirtschaft gut, geht’suns allen gut“. Eine Neubearbeitungder Heiligen Schrift wäre dringend!Leider hat dies Professor Hayek, Chef-ideologe des Neoliberalismus (inWahrheit der alte Manchester-Libera-lismus, verschärft durch Globalisie-rung), versäumt. Auch die erste Ar-beitszeitregulierung (am siebentenTage aber sollst du ruh’n) hält demDeregulierungsbestreben der alleinselig machenden Marktwirtschaftnicht mehr stand. Und da zumUnterschied von der Welt die Lug-ner-City nicht in sechs Tagen erbautwurde, war es nur eine Frage derZeit, bis nachdenklichen Menschenwie dem Baumeister und einigen an-deren „Bibelforschern“ Zweifel an die-ser Regelung kommen mussten.

    Unterstützt von einem Verfassungs-rechtler meint diese Gruppe, jeder Ge-schäftsinhaber müsse das Recht haben,selbst zu entscheiden, wann er aufsper-ren dürfe. Den Hauptbetroffenen,nämlich dem Verkaufspersonal, stehtdiese Entscheidung natürlich nicht zu,das wäre ja noch schöner. Die dürfen,zumindest in der Lugner-City, garnicht befragt werden. Tatsächlichspricht alles gegen eine sonntäglicheÖffnung der Geschäfte: Es wäre eineWettbewerbsverzerrung zu Gunstender Handelsketten und Einkaufszen-tren und zu Lasten der kleinen Ge-schäftsleute. Es würde das Familienle-ben vieler Verkäuferinnin beeinträchti-gen, wenn die Familie nicht einmal ei-nen Tag pro Woche gemeinsam ver-bringen könnte, und die Alleinerziehe-rinnen würde es noch härter treffen.Interessanter Weise möchte Lugner so-gar am Muttertag aufsperren. Und eswürde die Kaufkraft nicht vermehren,wenn ein Teil der Kunden Sonntagstatt Samstag einkaufen ginge. DieArgumentation, dass ja Spitäler, Poli-zei, öffentlicher Verkehr auch anSonntagen zur Verfügung stünden,

    geht ins Leere, denn hier besteht ja Be-darf. Aber muss man beispelsweise un-

    bedingt am Sonntag einen Golfschlä-ger kaufen?Von der selbsternannten „Familienpar-tei“ vermisst man bisher eine klareStellungnahme, doch 65 kirchliche,gewerkschaftliche Organisationen undElternverbände starten im Rahmen ei-ner Europäischen Sonntagsallianz einegemeinsame Initiative in Brüssel. Die-se Bewegung wächst in vielen Regio-nen Europas. Verbände aus 14 europä-ischen Ländern bemühen sich um eineVerankerung des Sonntagsschutzes inder neuen EU-Arbeitszeitrichtlinie. InPlanung ist außerdem ein europäischesBürgerbegehren für den freien Sonn-tag. Die von den österreichischen Kir-chen gegründete „Allianz für denfreien Sonntag“ wird nun auf EU-Ebe-ne ausgebaut. Den ersten staatlichenSonntagsschutz hat ja schon 321 Kai-ser Konstantin eingeführt.Der arbeitsfreie Sonntag wäre auch fürdie Besitzer der Einkaufszentren eineChance. Sie könnten ihn nützen, inder Heiligen Schrift nachzulesen, wasüber ein Kamel und das Nadelöhr ge-schrieben steht. Vielleicht ist es dochnicht überholt?

    dorothea ■

    dorotheaDer siebente Tag

    Freiwillige in derWestbankIm Rahmen des Begleitprogrammesdes Ökumenischen Rates der Kirchenfür Palästina und Israel wurde nunnach Christoph Helberger, Student ausLinz, die zweite freiwillige Person nachintensivem Vorbereitungstraining indie Region entsandt. Die Aufgabe derinternationalen Freiwilligen bestehtdarin, in der gespannten Atmosphärezwischen israelischen Soldaten, jüdi-schen Siedlern und der palästinensi-schen Bevölkerung friedensfördernd zuwirken. Die Freiwilligen unterstützendie palästinensische Zivilbevölkerungim Alltag, melden und dokumentierenÜbergriffe von Soldaten und Siedlernund sind bemüht, mit Menschenrechts-

    verletzern Kontakt aufzunehmen unddie Lage, wenn möglich, zu beruhigen.Sie treten ein für das Ende der israeli-schen Besatzung und unterstützen ge-waltfreie Aktionen. Sie können als Au-genzeugen von Zwischenfällen aus er-

    ster Hand berichten. DieFreiwilligen arbeiten zu-sammen mit israelischenFriedens-und Menschen-rechtsorganisationen undbieten allein durch ihrePräsenz der palästinensi-schen Bevölkerung einengewissen Schutz. Die ge-bürtige Grazerin, Betti-na Zangl, ist seit EndeJuni nun in der West-bank, ihr Tätigkeitsfeld

    befindet sich in derRegion Tulkarem. Sie

    hat einen Blog eingerichtet. Wer sichdafür interessiert, kann dort ihre Be-richte lesen.

    http://bettinainthewestbank.wordpress.com/http://w3.khg.jku.at/pax/blog/?cat=420

    Fortsetzung Seite 9

    Christoph Helberger in der Gruppe der Freiwilligen des EAPPI

  • BERICHT

    Christoph Helberger ist der ersteösterreichische Freiwillige imEAPPI-Programm. Der 26jährigeStudent aus Linz war drei Monate inJayyous stationiert. Das Dorf mit 3000Einwohnern liegt im mittleren Teil derWestbank in der Nähe der Stadt Qalqi-lya direkt an der Mauer. Er hat einigesvon den Härten miterlebt, denen dieEinheimischen seit vielen Jahren ausge-setzt sind – und er hat auch ihre seeli-sche Stärke und liebenswerte Mit-menschlichkeit erlebt. Er hat aber aucherfahren, wie viele kleine israelisch-pa-lästinensische Friedensinitiativen esgibt, in denen die Aktivisten unermüd-lich Brücken zwischen den verfeindetenVölkern bauen. „Da Jayyous direkt von der israelischenTrennmauer betroffen ist – ca 75 % desFarmlandes liegen nun auf der „falschenSeite“ – liegt das erste Augenmerk aufder Begleitung der Farmer auf ihremWeg durch die Argicultural Gates. Wirüberwachen die Einhaltung der offiziel-len Öffnungszeiten durch die IDF (Is-rael Defence Force = israelisches Mili-tär) und versuchen durch unsere Anwe-senheit sicherzustellen, dass die Perso-nenkontrollen nicht zu sehr in Willkürund Schikanen ausarten. Außerhalbvon Jayyous sind das Habla Gate undder große Qalqiliya Terminal fester Be-standteil unserer Monitoring-Arbeit. InQalqiliya werden von uns die Zahlender Menschen, die passieren, erfasstund an Organisationen wie UNOCHA

    weitergeleitet. Verlässliche Zahlen sindwichtig, um den ökonomischen Effektder Einschränkung, in Israel arbeiten zukönnen, zu verstehen. An stark frequen-tierten Tagen wurden von uns zwischen3000 und 5000 Menschen gezählt, diein den beiden Stunden zwischen vierund sechs Uhr morgens passieren. Team38 ist es auch gelungen, die Präsenz aufvon Militäraktionen stark betroffenenumliegenden Gemeinden auszuweiten.So war es uns möglich, die Schäden inAzzun – in der schlimmsten Wochedrangen die IDF gewaltsam in 14 Häu-ser ein – zu dokumentieren und dieSchilderungen der Menschen anzuhö-ren. Wir stehen außerdem in engemKontakt zu Bürgermeister und Gemein-devertretern, die uns über Ereignisse amLaufenden halten, bzw. in schwierigenSituationen unsere Anwesenheit erbit-ten. Das kleine Dorf Azzun Atme ist indas Zentrum unserer Aufmerksamkeitgeraten, da während unserer Anwesen-heit eine Hauszerstörung stattfand undeine ganze Reihe weiterer Häuser mitsog. „Demolition Orders“ (= Zerstö-rungsbefehlen) bedroht ist. Es war unsein großes Anliegen, die betroffene Fa-

    milie in den ersten besonders hartenWochen zu begleiten. Von den genannten Gemeinden werdenwir auch über Festnahmen und Verhaf-tungen informiert. Sicher wissen wirvon drei Verhaftungen, die jüngste Per-son war zu dem Zeitpunkt 15 Jahre alt.Wir versuchen unsere Arbeit mit Orga-nisationen wie ICRC (= InternationalesRotes Kreuz) zu koordinieren und Be-troffenen Möglichkeiten aufzuzeigen,an wen sie sich wenden können. DerHauptteil unserer Arbeit liegt klar aufunserer Präsenz in Jayyous und dem Be-mühen, in schweren Zeiten für dieMenschen da zu sein und ihnen das Ge-fühl zu vermitteln, dass sie nicht völligallein und schutzlos den Gefahren derisraelischen Militärbesatzung ausgelie-fert sind. Wir nehmen viele Gelegenhei-ten wahr zu lernen und den Menschenzuzuhören, arbeiten an der Stärkungdes Netzwerkes von interessierten Men-schen und legen auch besonderes Au-genmerk darauf, den Kontakt zu israeli-schen Friedens- und Menschenrechtsor-ganisationen wie B’etselem und Mach-som Watch zu pflegen.

    CHRISTOPH HELBERGER ■

    REFORMIERTES KIRCHENBL ATT 9/2011

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    Das Begleitprogramm des ÖRK für Israel und Palästina (EAPPI) erstmals mit österreichischer Beteiligung Ein Erfahrungsbericht

    Verband ÖsterreichischerZeitungsherausgeber und Zeitungsverleger

    Auflage kontrolliertNormalprüfungVeröffentlichung im Pressehandbuch

    Mit Trauer und Bestürzung haben wir vom Tod unserer Oberkirchenrätinund Kuratorin der Gemeinde Oberwart

    Helene Horvath

    erfahren. Sie ist am 27. Juli dieses Jahres in ihrem 57. Lebensjahr unerwartet von uns gegangen.

    Für ihren Dienst in unserer Kirche danken wir Gott und drücken ihrer Familie unsere Anteilnahme aus.

    Ein Nachruf folgt in der Oktober-Ausgabe. Die Redaktion

  • DISKUSSION

    „Die Bibel ist kein Lehrbuch der Optik undAstronomie – widersetzt euch diesem Glauben, ihrTheologen!“ „Ich fühle mich nicht verpflichtet zu glauben,dieser selbe Gott, der uns mit Sinnen, Vernunftund Verstand begabt hat, verlange von uns, dasswir auf ihren Gebrauch verzichten.“ „Weil zwei Wahrheiten sich offenbar niemalswidersprechen können, so ist es die Aufgabe derweisen Ausleger der heiligen Schrift, sich zubemühen, den wahren Sinn der Aussprücheherauszufinden… Sie können einen anderen Sinnin ihren Worten bergen, als gemeinhinangenommen wird.

    Johannes Kepler und Galileo Galilei

    Ich habe im Jahr 1976 maturiert, un-ter anderem auch im Fach Chemie.Meine Maturafragen damals waren:Die Atom- und Wasserstoffbombe, unddie Zusammensetzung und Verwen-dung von Polyäthylen. Chemische Fra-gen ohne ethisches Nachdenken. For-meln und Fakten. Ich habe ein Sehr gutdarauf bekommen. Ich habe perfekt dieFormeln der Atombombe gekannt unddie Erkenntnisse darüber, was man allesaus Erdöl produzieren kann. Vor Kur-zen hat es im Parlament eine große En-quete zum Thema Ethikunterricht und/ oder Religionsunterricht gegeben.Kritisiert wurde diese Veranstaltung vorallem von Menschen, die die Gefahr ei-ner religiösen Unterwanderung unseresSchulsystems wittern. Religion und Na-turwissenschaft werden in deren Stel-lungnahmen als Gegensätze gesehen.Absolute Wertfreiheit der schulischenBildung wird gefordert.

    Wertfreiheit?Gibt es heute noch einen wertfreienChemieunterricht über Atombombenund Polyäthylen? Gibt es einen wert-freien Geographie- und Wirtschafts-kunde-Unterricht über die heutigeWeltwirtschaft, die Millionen Men-schen verhungern lässt? Gibt es einen

    wertfreien Geschichte-Unterricht über die Reforma-tion, Inquisition, Hitler oder Israel-Palästina? Einen Deutsch- oder Fremd-sprachen-Unterricht mit wertfrei ausge-wählter Literatur zu bestimmten The-men? Mythos und Logos: Zwei griechi-sche Vokabeln für den Begriff „Wort“.Logos ist das Wort für Dinge, die manmessen, zählen, beweisen, sehen kann.Mythos ist das Wort für Dinge, die mitunseren Gefühlen zu tun haben, nichtmessbar, zählbar, beweisbar. Liebe istMythos, so wie Heimat, Geborgenheit,Friede, aber auch Hass, Rache, Verzwei-flung. All das ist Wahrheit. – Aber ebeneine andere Art von Wahrheit als dieZusammensetzung der chemischen Ele-mente einer Atombombe oder eine an-dere Art von Wahrheit als die berechne-te Zahl jener Menschen, die in Öster-reich von Armut betroffen sind.

    Leben mit verschiedenenWahrheitenDass unsere Erde schön und gut er-schaffen wurde ist EINE Art von Wahr-heit, die Theorie von Urknall und Evo-lution eine andere. Es gibt die eineWahrheit, die forscht, misst und zählt.Und es gibt die andere, die fühlt, einenSinn sucht und wertet, die Antwortensucht auf die Fragen nach dem Woherund Wohin, auf die Fragen nach Ge-burt und Tod und nach dem Sinn desLebens. Mit dieser Art von Wahrheitbeschäftigt sich Religion. Wie geht esMenschen in dieser Welt? Mit der

    Atomgefahr, mitder ungerechten Ver-

    teilung, mit der Ausbeu-tung der Ressourcen unseres Planeten?Mit dem Leiden, dem Tod, mit demÜberfluss? Was gibt ihnen Sinn, woraufhoffen sie, womit trösten sie sich? Wiegehen sie mit Schuld um? Wer oder waserlöst sie? Im Religionsunterricht erwer-ben Jugendliche die Kompetenz, sichauf solche Fragen einzulassen und siefür sich persönlich zu beantworten. Da-mit sind sie fähig, auch andere Men-schen aus anderen Religionen und Kul-turen zu verstehen, ihnen mit Respektzu begegnen. So wie sie in anderen Fä-chern die logische Wahrheit kennen ler-nen, die forscht, berechnet und misst.Zahlen und Fakten.

    Was bietet das Fach Religion?„Ich gehe in Reli und nicht in Ethik,weil ich da lerne, dass man in der Weltnoch was verändern kann.“ So hat esmir der damals 15-Jährige Simon ohnereligiöses Bekenntnis im evangelischenReligionsunterricht gesagt. Religionbietet eine klar deklarierte Ethik, abernoch mehr: Religion bietet Transzen-denz und Ermutigung: Du bist Gottesgutes Ebenbild, verantwortlich für un-sere Welt und fähig, etwas beizutragenzum Frieden, zur Gerechtigkeit und zurErhaltung der Schöpfung Gottes, sodasses allen Menschen gut geht.

    GISELA EBMERFachinspektorin für Evangelischen

    Religionsunterricht an AHS und BMHS in Wien,ZWISCHENRUF Ö1 ■

    REFORMIERTES KIRCHENBL ATT 9/2011

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    Wozu Reli?„Es ist etwas Großes um das Wort Gottes, gewiss; aber es ist auch etwas Großes um das Werk Gottes.“

    Einladung zur Ordination von Maga. Barbara Wedam

    durch Landessuperintendent Pfr. Mag. Thomas Hennefeld

    Samstag, 1. Oktober, 17 Uhr

    Pauluskirche der Evangelischen Pfarrgemeinde A.u.H.B. Feldkirch

  • REFORMIERTES KIRCHENBL ATT 9/2011

    11Andacht

    Van Gogh malteine Predigt!Das Gleichnis Jesu über den Sämann beschäf-tigte den Künstler Van Gogh ein Leben lang:sieben Gemälde und vier Federzeichnungenhat er diesem Thema gewidmet. Mit Pinselund Farbe hat er versucht, das Gleichnis Jesuzu erklären – er hat damit sozusagen einePredigt gemalt …Im Zentrum dieses hier gezeigten Bildessteht die leuchtend gelbe Sonne, auchwenn sie am Rand des Bildes platziertist. Die Strahlen dieser Sonne überzie-hen alles, was auf dem Bild zu sehen ist.Die Sonne generell symbolisierte fürVan Gogh Kraft, Licht und die Wärmeder Liebe, die göttlichen Ursprungs ist.Ganz entscheidend ist auf diesem Bild,dass die Sonne nicht vor dem Sämann,sondern hinter seinem Rücken leuchtet,d. h. er sieht sie nicht direkt, sondernnur indirekt in ihrer Wirkung. Steckthinter dieser Schilderung nicht ein Zen-trum der biblischen Botschaft, nämlichdass wir Gott von Angesicht zu Ange-sicht nicht sehen können, weil seinWirken im Verborgenen geschieht? VanGogh hat sein Bild ganz gemäß dem 2.Gebot gemalt, das die Abbildung Got-tes verbietet, aber sein Sämann kommtund lebt und arbeitet eindeutig von derLiebe Gottes her. Das Wissen, dass derMensch von Gott geliebt wird, das ersterweckt im Menschen Hoffnung undVertrauen und macht ihn selbst liebes-fähig.

    Malen ist wie SäenDie Menschen erliegen oft der Versu-chung, zu Idolen, Gurus, politischenFührern oder – wie in früheren Zeiten –zu den Gestalten der Heiligen aufzu-schauen, die sie alle vor ihren Augen ha-ben. Auch das Fernsehen verlockt dazu,denen nachzueifern, die sich vor unsauf dem Bildschirm zeigen. Das ist aufkeinen Fall das, was Jesus unter Nach-folge versteht! Diese missverstandeneNachfolge kann direkt in den Abgrundführen, wenn wir unsere Freiheit aufdem Altar einer Führerpersönlichkeit

    opfern. Die jüngste Geschichte ist vollmit traurigen Beispielen. Von den Sonnenstrahlen auf van GoghsBild wird besonders der Sämann erhellt.Er ist ein einfacher Arbeiter mitSchirmmütze. Wenn van Gogh auf sei-nen Bildern religiöse Themen streift, sosind seine Gestalten erdgebundeneMenschen, an denen ersichtlich ist, dassihr Leben aus Arbeit besteht. Auch JesuJünger waren einfache Menschen, Fi-scher und Arbeiter, und keine geweih-ten Priester. Auch sich selbst hat vanGogh als Sämann verstanden. In einemseiner Briefe schreibt er: „Malen ist wieSäen, obwohl der Maler nicht erntenkann.“ Ich könnte sagen: Christseinheißt Sämann sein, nämlich nicht fürsich selbst da zu sein, sondern ein Da-sein für andere zu führen – wie DietrichBonhoeffer es ausdrückte – und sichnicht bedienen lassen, sondern den an-deren dienen, wie Jesus selbst sagte.

    Umwege zu sich selbstDer Mensch findet erst zu sich selbstüber den Umweg des Nächsten. Ichbe-zogenheit vereinsamt und führt zu De-pressionen. Der Mensch ohne Näch-stenliebe ist nur ein Schatten seinerselbst. Die Versuchung ist groß, dass derMensch nur nach dem Slogan lebt „Zu-erst schaue ich auf mich“. Das ist dergefährliche Köder einer populistischenPolitik, die mit dem Schlagwort hau-sieren geht: „Unser Geld für unsereLeut’!“ Aber das kennzeichnet aucheine subjektivistische Religiosität, dieüber die Betonung von „mein Heiland“nicht hinausgeht zu den anderen in derWelt. Auf dem Bild sät der Sämann Ge-treidesamen, die ebenfalls von den Son-nenstrahlen überzogen werden. ImGleichnis Jesu ist der Samen das WortGottes, und nach der Interpretation desMalers ist der Inhalt des Wortes Gottesdie Liebe selbst. Das Wort Gottes zu le-ben und zu verkündigen heißt, die an-deren, selbst die Unsympathischen unddie Feinde, vorbehaltlos anzunehmenund in ihnen zuerst und vor allem un-sere Schwestern und Brüder zu erken-nen. Damit wird präzisiert, was Bon-hoeffer mit dem Dasein für andere ge-

    meint hat. Wenn aber Rassismus, Na-tionalismus und Fremdenfeindlichkeitproklamiert werden statt gegenseitigemVerständnis, Solidarität und Mensch-lichkeit, dann wird der Same des Un-krauts ausgestreut, wie Jesus in einemanderen Gleichnis deutlich machte.

    Unfertiger GlaubeEs ist richtungsweisend, dass Jesus dasWort Gottes mit einem Samen undnicht mit einem fertigen Produkt ver-gleicht. Denn Glaube und Liebe kön-nen nie fertiggestellt sein. Sie befindensich stets im Zustand des Werdens unddes Hoffens, und darum sind sie lebens-nah. Unsere Aufgabe ist das Säen undnicht das Ernten. So werden z.B. ausschwierigen Kindern oft besonnene Er-wachsene, und das nicht deshalb, weilihnen „der Knopf aufgegangen ist“,sondern weil der Samen der Liebe derKinderzeit später Früchte getragen hat.Die Versuchung ist groß, nach kurzfris-tigen Erfolgen im Leben Ausschau zuhalten, wie es das Gesetz des Marktesdiktiert, wo man auf raschen Profit aus-gerichtet ist. Bei jeder kurzfristigen Pla-nung werden aber die Schwachen linksliegen gelassen – wie das oft genug beider profitorientierten Entwicklungshil-fe passiert oder bei der einseitigen Be-vorzugung von Eliteschulen. Die Sa-men auf unserem Bild fallen zur Erde indie Ackerfurchen, die ebenfalls die Spu-ren der Sonnenstrahlen zeigen. ImGleichnis Jesu sind mit Ackerfurchendie Menschen gemeint, denn die Bibelbetont von der Schöpfungsgeschichtean die Erdgebundenheit des Menschen.Das ist gemeint, wenn Jesus von den„geistig Armen“ und den „Verlorenen“spricht.

    Überwindung aller TrennungenManch einer erliegt auch der lockendenVersuchung zu glauben, die Schwingendes Heiligen Geist höben ihn vomSchmutz der Erde empor gen Himmelwie die Möwen. Die Distanzierung vonder Welt ist aber Verrat an der univer-sellen Gnade Gottes und an der bedin-gungslosen Liebe Jesu. Sich über diesündige Welt erheben zu wollen, ist

  • nichts anderes als das Leben auf eigeneVerdienste zu gründen, statt auf dieGnade Gottes und seine Liebe. Leiderwerden in unseren Tagen aus Gründeneiner vermeintlichen Sicherheit dieWorte Ausgrenzung, Abgrenzung undGrenzziehung großgeschrieben, obwohlJesus alles, was trennend war, überwun-den hat. Viele Christen gleichen demmythologischen Ikarus, der in denHimmel fliegen wollte, aber in derNähe der Sonne schmolzen seine Flügeldahin, die er mit Wachs an seinem Kör-per befestigt hatte, und er stürzte ab.Man darf nie vergessen, dass es in derBibel Freiheit nicht ohne Nächstenliebegibt. Der knorrige Baum auf unserem Bildstellt sich mit seinen spießartigen Ästenbedrohlich und kämpferisch dem Sä-mann entgegen. Damit hat van Goghdas deutlich gemacht, was Jesus in sei-nem Gleichnis mit Disteln, sengenderHitze, steinigem Boden, hungrigen Vö-geln und gewaltigen Winden gemeinthat, die allesamt die keimenden Samenvernichtet haben. Wollte der Maler da-mit vielleicht auf pessimistische Weiseandeuten, dass das Wort Gottes und dieLiebe zum Tode verurteilt sind, weil sievon Hass, Gewalt und Ichsucht ver-nichtet werden? Ich glaube nicht, dassvan Gogh so gedacht hat, denn auchder bedrohliche Baum und seine dürrenÄste widerspiegeln hoffnungsvoll dieStrahlen der Sonne.

    Unser Leben ist nicht auf RosengebettetVielleicht wollte der Künstler damitsichtbar machen, dass das Leben nichtauf Rosen gebettet ist sondern voll istmit Konflikten, Versagen, Zweifeln undWiderständen. Jesus selbst hat das Le-ben den Jüngern gegenüber so geschil-dert Und dennoch: Auch in der Tiefe,wo die Wahrheit ist, wird der Mensch

    von der Gnade und der Liebe Gottesumhüllt. In der Sprache des Künstlersheißt das, dass der Sämann unverdros-sen weiterschreitet, denn er spürt dieSonnenstrahlen auf seinem Rücken.Das ist für ihn maßgeblich und nichtdie spießartigen Äste vor ihm. Deshalb:„Standhalten und nicht fliehen“ – sodas hoffnungsvolle Wort eines namhaf-ten Psychiaters. Der große reformierteTheologe des 20. Jahrhunderts, KarlBarth, meinte dazu: „Auf scheinbareFinsternis könnte am Ende die Stimmedes guten Hirten zu hören sein.“

    Säen statt SchweigenVerhängnisvoller als fliehen ist jedoch,das Widerwärtige, Störende gewaltsamaus dem Weg zu räumen, wenn es an-ders nicht geht mit kriegerischen Mit-teln, um damit dem Guten und ReinenRaum zu schaffen. Ohrfeigen, strengeStrafen und gewaltsame Polizeimaßnah-men wirken aber nur kurzfristig, lang-fristig sind sie die Keimzellen der Ag-gression, denn aus geschlagenen Kin-dern werden schlagende Erwachsene,und aus gedemütigten Menschen kön-nen gewaltbereite Terroristen werden.

    Darum ist es verhängnisvoll zu glauben,dass Menschenrechte und Demokratiedurch Interventionskriege eingeführtwerden können. Sehr prägnant sprichtin diesem Zusammenhang ein weltbe-kannter Historiker von einem prakti-zierten „Menschenrechtsimperialis-mus“. Van Goghs gemalte Predigt ziehtdie Sonnenstrahlen seines Bildes vomrein Persönlichen bis hin zum Gesell-schaftlichen und Politischen. Denn erhat gewusst, dass man das Politische ausdem Christsein nicht ausklammernkann und dass man über Gott nur dannglaubwürdig sprechen kann, wenn manauch über Gerechtigkeit spricht undüber Ungerechtigkeit nicht schweigt.

    BALÁZS NÉMETH ■

    Andacht

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