INHALTSVERZEICHNIS Seite Reformiertes März 2014 … · Das Gesche-hen am Kreuz und auch die...

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E s gibt folgende Lesart des christ- lichen Glaubens: Er ist vernünf- tig und logisch und leicht zu er- klären. Das Osterereignis illustriert diese Einfachheit in besonderem Maße: Jesus ist von unverständigen Menschen verurteilt worden. Er wur- de gekreuzigt, er ist gestorben. Jesus ist für unsere Sünden gestorben. Wir werden durch diesen Akt gerettet. Al- les ist Gnade, und Gott ist mit dem Sünder gnädig. Wir brauchen weder ein schlechtes Gewissen zu haben, noch uns besonders anzustrengen. Für den protestantischen Christen ist das Leben noch einfacher. Er kann sich nichts verdienen, er muss nur an das Erlösungswerk Christi glauben. Billige Gnade Schon der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer hat vor der billi- gen Gnade gewarnt. Er meinte damit jenes Gnadenverständnis, das den Menschen davon enthebt, überhaupt für jemanden oder für etwas Verant- wortung zu übernehmen und in dieser Welt zu handeln. Oft leben Menschen ihr Leben, und parallel dazu haben sie eine Religion und praktizieren diese mehr oder weniger. Aber wie kommt die Religion zum Leben der Men- schen? Ein anderer evangelischer Theologe, Walter Kreck, hat über das Bekennt- nis des Heidelberger Katechismus ein- mal gesagt: „Das Bekenntnis ist wie ein Streichholz, das an die Reibfläche der Gegenwart gebracht werden muss, dann entzündet es sich, dann beginnt es zu brennen.“ Das gilt umso mehr für die Evange- lientexte, für die Leidensgeschichte Jesu und für seine Auferstehung. Man kann das alles betrachten wie aus einer fernen Welt, oder man lässt sich mit- ten in den Strudel der Frohbotschaft hineinziehen. Das Geheimnis bleibt Wir können alle möglichen und un- möglichen Konstruktionen erdenken, mit der Logik allein werden wir nicht weit kommen. Das Christusgesche- INHALTSVERZEICHNIS Seite Gegen einen Christus light 1 Søren Kierkegaard – ein wahrhaft protestantischer Theologe 2–3 dorothea 3 Calvin: Friedensethiker und Vorkämpfer der Friedensbewegung? Teil 2 4–5 Gottesdienste und Veranstaltungen 6–7 Religion im Radio ... im Fernsehen 8 Entartete Kunst – Kunst als Propagandamittel 9 Buchrezensionen 10–11 Andacht 12 Reformiertes Kirchenblatt Wien/Österreich 92. Jg März 2014 Heft 3/2014 Euro 1,10 Gegen ein Christentum light © Christie’s, LotFinder: entry 371316 Alexej von Jawlensky, Heilandsgesicht, Auferstehung oder Das Neue Leben II

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Es gibt folgende Lesart des christ-lichen Glaubens: Er ist vernünf-tig und logisch und leicht zu er-

klären. Das Osterereignis illustriertdiese Einfachheit in besonderemMaße: Jesus ist von unverständigen

Menschen verurteilt worden. Er wur-de gekreuzigt, er ist gestorben. Jesusist für unsere Sünden gestorben. Wirwerden durch diesen Akt gerettet. Al-les ist Gnade, und Gott ist mit demSünder gnädig. Wir brauchen weder

ein schlechtes Gewissen zu haben,noch uns besonders anzustrengen.Für den protestantischen Christen istdas Leben noch einfacher. Er kannsich nichts verdienen, er muss nur andas Erlösungswerk Christi glauben.

Billige GnadeSchon der evangelische TheologeDietrich Bonhoeffer hat vor der billi-gen Gnade gewarnt. Er meinte damitjenes Gnadenverständnis, das denMenschen davon enthebt, überhauptfür jemanden oder für etwas Verant-wortung zu übernehmen und in dieserWelt zu handeln. Oft leben Menschenihr Leben, und parallel dazu haben sieeine Religion und praktizieren diesemehr oder weniger. Aber wie kommtdie Religion zum Leben der Men-schen?Ein anderer evangelischer Theologe,Walter Kreck, hat über das Bekennt-nis des Heidelberger Katechismus ein-mal gesagt: „Das Bekenntnis ist wieein Streichholz, das an die Reibflächeder Gegenwart gebracht werden muss,dann entzündet es sich, dann beginntes zu brennen.“Das gilt umso mehr für die Evange-lientexte, für die LeidensgeschichteJesu und für seine Auferstehung. Mankann das alles betrachten wie aus einerfernen Welt, oder man lässt sich mit-ten in den Strudel der Frohbotschafthineinziehen.

Das Geheimnis bleibtWir können alle möglichen und un-möglichen Konstruktionen erdenken,mit der Logik allein werden wir nichtweit kommen. Das Christusgesche-

I N H A L T S V E R Z E I C H N I S Seite

Gegen einen Christus light 1

Søren Kierkegaard – ein wahrhaftprotestantischer Theologe 2–3

dorothea 3

Calvin: Friedensethiker und Vorkämpfer derFriedensbewegung? Teil 2 4–5

Gottesdienste und Veranstaltungen 6–7

Religion im Radio ... im Fernsehen 8

Entartete Kunst – Kunst als Propagandamittel 9

Buchrezensionen 10–11

Andacht 12

ReformiertesK i r chenb la t t

Wien/Österreich 92. Jg März 2014Heft 3/2014Euro 1,10

Gegen ein Christentum light

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Alexej von Jawlensky, Heilandsgesicht, Auferstehung oder Das Neue Leben II

THEMA

Søren Kierkegaard – ein wahrhaftprotestantischer TheologeIm Jahr 2013 wurde an den 200. Geburts-tag des dänischen Schriftstellers, Theologenund Philosophen Søren Kierkegaard er-innert, ein moderner Prophet, der seinereigenen Kirche einen Spiegel vorhielt, aufbiblischem Fundament unerschrocken derWahrheit verpflichtet war, auch um denPreis gesellschaftlicher Isolation und per-sönlicher Depression.

Søren Kierkegaard wurde am 5. Mai1813 in Kopenhagen geboren, imselben Jahr, als „so mancher ande-

re falsche Geldschein in Umlauf kam“,wie er es selber ausdrückte. In der Tatwar 1813 das Jahr des dänischen Staats-bankrotts, das die größte Wirtschafts-und Armutskrise in der GeschichteDänemarks zur Folge hatte. Die vomIroniker, der Kierkegaard zeitlebenswar, leicht dahingeworfene Selbstbe-zeichnung, er sei Falschgeld, macht dasnegative Selbstbild deutlich, von demKierkegaard sich dauerhaft nicht hat lö-sen können. Zeitlebens litt er unter De-pressionen.Ein Gutteil dazu hat wohl die belasteteBeziehung zum Vater beigetragen. Weildieser als Jugendlicher Gott verfluchthatte, war Kierkegaard der festen Über-zeugung, dass die Schuld für dies Ver-gehen als Erbsündenlast auf seinem ei-genen Leben ruhte und dass er vor Voll-endung des 34. Lebensjahres sterbenwürde. Grausame Bestätigung sah er indiesem vermeintlichen Verhängnis,nachdem fünf seiner sechs Geschwisterin jungen Jahren verstorben waren.Wegen seiner Schwermut sah er sichauch nicht in der Lage, eine dauerhafteBeziehung zu Regine Olsen, der Frau,in die er sich im Alter von 27 Jahrenverliebt hatte, einzugehen. Er stieß sievielmehr schroff unter Kränkungenund Demütigungen zurück und provo-zierte den Bruch des Verlöbnisses, ob-wohl er mitansehen musste, wie sehrsie, die ihn aufrichtig liebte, darunterlitt.

Dieser Bruch war für Kierkegaard derAnfang einer immensen schriftstelleri-schen Produktion. Von ihm stammt derSatz: „Verstehen kann man das Lebennur rückwärts – leben muss man es vor-wärts.“ In diesem Sinn hat er in zahlrei-chen Schriften rückblickend versucht,sein Leben zu verstehen, indem er seineLebenserfahrungen aufgriff und sie inphilosophischen, theologischen und re-ligiösen Kontexten reflektierte. Und„vorwärts“ lebte er nun auf der Grund-lage des ansehnlichen, vom Vater ererb-ten Vermögens als freier, unabhängigerSchriftsteller in Kopenhagen. Seine Be-ziehung zu Regine Olsen thematisierteer – ohne Namensnennung und nur inAndeutungen – unter dem Aspekt desuntrennbaren Zusammenhangs vonLiebe und Angst. Nach Kierkegaardgibt es Liebe nicht ohne Angst. Werliebt, hat immer auch Angst, die Ge-liebte, den Geliebten zu verlieren. Gro-ßes Echo hatten seine Bücher schonbald in den Bildungsschichten Kopen-hagens. Auf dem existentiellen Bezugseiner Theorieentwürfe basierte seine

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hen bleibt ein Geheimnis, undGott bleibt unergründlich und imLetzten auch unverständlich. Wirkönnen ihm alle möglichen Ei-genschaften zuschreiben, wir wer-den ihn durch unser Denken nieendgültig erfassen. Was wir aber sehr wohl können,ist, darüber nachzudenken, wasKreuz und Auferstehung für unsund unsere Welt bedeuten. Wennwir ehrlich sind, bleibt dieses Ge-schehen paradox und wider-sprüchlich wie der Mensch undsein Leben.

Glaube als BeziehungWas wir lernen können, wenn wirdas Evangelium an die Reibflächeder Gegenwart halten, ist, dasssich die christliche Religion nichteinfach einfügt in unser Denkenund in unsere Welt. Das Gesche-hen am Kreuz und auch die Auf-erstehung sind Provokationen ge-gen alle von Menschen errichte-ten Ordnungen und Herrschaf-ten. Und so sind es alte und neuePropheten, große Geister undDenker, die sich aufgrund ihresGlaubens gegen menschlicheOrdnungen gestellt haben undstellen. Der Glaube ist kein ferti-ges Rezept, kein Mechanismusund kein Automatismus. Er istBeziehung und als solche immerin Bewegung, unfertig und wun-derbar.

Glaube schafft LebenWer also das Evangelium an dieReibfläche der Gegenwart hält,eine Gegenwart voll sozialer undwirtschaftlicher Ungerechtigkeit,voll Gewalt und Gier, der wirdnicht plötzlich alles verstehen, derwird nicht leichtfüßiger und un-beschwerter leben, aber er kannetwas entzünden, etwas das leuch-tet und brennt und das Leben mitdem Heiligen Geist erfüllt undein Stück weit die Welt auch ver-wandelt im Licht des Ostermor-gens.

THOMAS HENNEFELD ■

© Niels Christian Kierkegaard (1806–1882), SørenKierkegaard (circa 1840)

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Wiederentdeckung und Wir-kung in Theologie und Philoso-phie im deutschsprachigenRaum des 20. Jahrhunderts.In den letzten Lebensjahrenfocht Kierkegaard einen erbit-terten Kampf gegen die eigeneLutherische Kirche in Däne-mark. Kierkegaard, examinier-ter Theologe, hatte nie einkirchliches Amt inne. Sein An-griff auf die sich in der Gesell-schaft organisierende Kirchegalt einzelnen prominenten Re-präsentanten, besonders demweithin bekannten Bischof Ja-cob Peter Mynster, danach des-sen Nachfolger Bischof HansLassen Martensen. Beide mach-te er in einer Artikelserie zumGegenstand sarkastischen Wit-zes und sprach ihnen in verlet-zender Schärfe das Christentumab. Der Kirchenhistoriker Karlvon Hase, ein Zeitgenosse Kier-kegaards, nannte ihn einen„drohenden Meteor“ der „vomStandpunkte eines tiefinner-lichen weltfeindlichen Chris-tenthums aus Blitze schleu-dernd gegen das officielle Chris-tenthum der Weltgeistlichkeitvorüberzog“. Diese Ausein-andersetzung trieb Kierkegaardin die völlige Isolation. Der Restseines Vermögens war aufge-zehrt, als er 42jährig am 11.November 1855 den Folgen ei-nes Schlaganfalls erlag.Was trieb ihn zu dieser Schärfedes Urteils über die Kirche sei-ner Zeit? Kierkegaard war über-zeugt, dass niemand im Ernst

die Forderung des Christen-tums erfüllen könne. Denn imGlauben erfährt der Menschsich zwar als vor Gott verant-wortliches Subjekt. Aber indemer sich als Subjekt erfährt imGegenüber zu Gott, wird er un-weigerlich der Wahrheit inne,dass er aus sich selbst heraus,aus eigener Anstrengung desWillens, der Forderung desChristentums niemals entspre-chen kann. Vielmehr wird ersich dieses Unvermögens be-wusst. Und einzig solch aufrich-tiges Eingeständnis, verbundenmit der Bereitschaft, sich Gottbedingungslos anzuvertrauen,birgt die Möglichkeit der Erlö-sung und Freiheit. Diese Einsicht in das Wesen derchristlichen Glaubens- und Le-bensgestaltung war das Leitmo-tiv seiner Kirchenkritik. Verfas-sung und Lehre der Kirche stell-te Kierkegaard nicht in Frage. Erverlangte lediglich von ihren Re-präsentanten ein an der Bot-schaft Jesu orientiertes glaub-würdiges Zeugnis des Christ-lichen. Mit seinen Grundgedan-ken vom Wesen des Christen-tums bewies Kierkegaard einSensorium für die reformatori-sche Neubestimmung des Glau-bens als rechtfertigendes Han-deln Gottes, das der Einzelne imVertrauen auf das Vergebungs-wort Christi als innere Um-wandlung seines Lebens erfährt.So gesehen kann Søren Kierke-gaard in der Tat als wahrhaft pro-testantischer Theologe gelten.

Dr. theol. BERND JAEGERMitarbeiter der

GEKE-Geschäftsstelle in Wien

In letzter Zeit ist viel von der Hypo-Alpe-Adria die Rede. Davon wird wahrschein-lich lange die Rede sein. Das würde weiter

nichts ausmachen, wenn man nicht dafürzahlen müsste. Die Hypo-Alpe-Adria ist eineBank. Es ist besser, auf einer Bank zu sitzen,als auf ihr sitzen zu bleiben. Und das müssenwir, denn nur gewinnträchtige Banken blei-ben privat, Pleitebanken müssen verstaatlichtwerden, denn das Dogma lautet: Private wirt-schaften besser. Deshalb werden sie auch so-fort wieder privatisiert, wenn die Steuerzahlersie saniert haben. Wie auch immer: Alle spre-chen von der Hypo, wir haben sie!Natürlich ergibt sich die Frage: Wer istschuld an den Milliardenverlusten der Bank?Antwort: Herr Josef Pröll, der die Verstaatli-chung betrieben hat, und die Schotter-Mitzi,weil sie nichts gemacht hat, damit sie es nichtfalsch macht, denn sie ist ja nicht vom Fach.Aber war da nicht auch ein gewisser Herr H.?Ja, sagen seine Parteifreunde und seine Toch-ter, aber der kann sich nicht verteidigen, weiler zu früh gestorben ist. Und außerdem: DeMortuis nil nisi bene, über Tote soll mannichts außer Gutes sagen. Dorothea ist nichtsGutes eingefallen und ließ deshalb das Ver-hörprotokoll aus dem Jenseits kommen:Petrus: „Was hast du dir eigentlich gedacht,als du für die Hypo-Alpe-Adria Haftungen inder Höhe von 10 Kärntner Jahresbudgetsübernommen hast?“ H.: „Gar nichts. Ichhandle immer nur aus dem Bauch heraus.Aber ich habe doch die Seebühne, das Sta-dion und den Zukunftsfonds hinterlassen.“ –Petrus: „Den wollen aber die Kärntner nichthergeben.“ – H.: „Gebt dem Kaiser, was desKaisers ist.“ – Petrus: „Kärnten hat doch garkeinen Kaiser!“ – H.: „Doch, der ist jetztLandeshauptmann und fast so ein Marxistwie der Papst. Im Übrigen gilt für mich dieUnschuldsvermutung!“Hier endet das Protokoll. Es bleibt die Frageoffen, ob die Unschuldsvermutung auch imHimmel gilt. Aber wir kennen viele Leute,die sich nicht darauf verlassen sollten.

dorothea

dorothea

De Mortuis nil nisi bene

Frue Kirche in Kopenha-gen, aufgenommen umdie Mitte des 19. Jahr-hunderts

THEMA

Calvin: Friedensethiker und Vorkämpferder Friedensbewegung? Teil 2

Peter Brockhaus: Die evangelischenLandsleute Calvins in Frankreich, dieHugenotten, liegen ihm Zeit seines Lebenssehr am Herzen. Wie reagiert Calvin aufdas Bestreben dieser Landsleute, zum ak-tiven, gewaltsamen Widerstand zu schrei-ten? Wann und wie ist für Calvin Wider-stand möglich?MH: Calvin beobachtete bereits 1560– wie er es in einem Brief an Vermigliin Zürich ausdrückt – mit Schmerz,„die unbedachte Leidenschaft unsererGlaubensgenossen, die glaubten, mitGewalt die Freiheit erringen zu kön-nen, die auf ganz andere Art zu su-chen war“. Wenn Calvin hugenotti-schen Gemeinden lieber das Marty-rium als den bewaffneten Kampfempfiehlt, muss man wiederum dieZwei-Reiche-Lehre berücksichtigen:Auf ihrer Grundlage kann Calvingegenüber der verfolgten Gemeinde,die dem geistlichen Reich zuzurech-nen ist, anders argumentieren alsgegenüber den zum weltlichen Reichgehörenden Vertretern der Stände.Auf sie richteten sich Calvins Hoff-nungen angesichts der Verfolgungenseiner französischen Glaubensgenos-sen. In dem einen Fall spricht er zuamtlosen Leuten, im anderen Fall zuAmtsinhabern. Zwischen beiden dif-ferenziert Calvin, der übrigens um dieVerschwörung von Amboise wusste,bei der der junge französische KönigFranz II. durch den protestantischenAdel der Gewalt der Guisen entrissenwerden sollte.

PB: Wie stellt sich angesichts anderer poli-tischer, demokratischer Rahmenbedingun-gen die Frage des Widerstandes heute?

MH: Beim Widerstand geht es um dieGrenzen staatsbürgerlicher Loyalität.Die Frage des Widerstandes stellt sichuns heute im Kontext einer rechts-staatlichen Demokratie. Insofern kannes beim Widerstand nicht um eine ge-waltsame Handlung wie die des „Ty-rannenmords“ gehen, sondern primärum jene Alltagstugend, die man Zivil-courage nennt. Diese wurzelt beichristlicher Motivation im Glaubens-gehorsam. Dieser schließt aus theolo-gischer Perspektive auch Akte zivilenUngehorsams keineswegs aus. Auchhier gilt nämlich: „Man muss Gottmehr gehorchen als den Menschen“(Apg 5,29). Solche Akte zivilen Unge-horsams haben zumeist Symbol- undZeichencharakter. Sie werden – unddies lässt sich durchaus von CalvinsGeduldspredigt an die hugenottischenGemeinden lernen – gewaltfrei erfol-gen und sind von der Bereitschaft ge-tragen, für die rechtlichen Folgen ei-ner illegalen Handlung einzustehen,in der Gewissheit, dass – wie Calvinam Schluss der „Institutio“ sagt –„Gott nicht auf sein Recht verzichtethat“. Daran ist das Gewissen desChristenmenschen gebunden.

PB: Als Kind seiner Zeit redet Calvin vom„gerechten Krieg“. Was sind für CalvinKriterien für einen legitimen Krieg, undwas bezweckt er mit der so umstrittenenRede vom gerechten Krieg?MH: Calvin berücksichtigt die klassi-schen Kriterien von causa iusta (ge-rechter Grund), legitima potestas /auctoritas (legitimierte Autorität),recta intentio (richtige Absicht) undultima ratio (letztes geeignetes Mittel)

sowie des debitus modus (Verhältnis-mäßigkeit der Mittel). Ich sagte ja be-reits, dass es Calvin darum geht, zuprüfen, was der Wille Gottes ist (Röm12,2). Calvin versteht die Kriterien alsein heuristisches Hilfsmittel, um denWillen Gottes zu erfragen. Die Krite-rien des gerechten Krieges ermög-lichen als ein kritisch und restriktiv zugebrauchendes Instrumentarium inBezug auf einen konkreten Konfliktdas Urteil: Dieser Krieg ist nicht ge-boten. Die Kriterien des gerechtenKrieges sind nach Calvin im Blick aufdie Erkenntnis des Willens Gottes un-verzichtbar. Calvin zufolge sind dieKriterien aber nicht der gleichsam inBlei gegossene und in den Buchstabenhinein gebannte Wille Gottes. Dennsie verhalten sich nicht deckungs-gleich, jedoch widerspruchsfrei zumWillen Gottes.

PB: Können wir heute noch angesichtsvon gänzlich anderen politischen undrechtlichen Rahmenbedingungen von ei-nem gerechten Krieg reden?MH: Ich denke, dass wir heute vonrechtmäßigen statt gerechten Kriegensprechen sollten. Die Rede vom ge-rechten Krieg ist problematisch. Sielegt das Missverständnis nahe, als gin-ge es darum, Gewalt und Krieg per sezu einer gerechten Sache zu erklären.Nein, Krieg ist und bleibt ungerecht.Es gibt keinen gerechten Krieg, wohlaber den Einsatz rechtmäßiger Ge-walt. Das ist ein himmelweiter Unter-schied! Warum? Weil beim Einsatzrechtmäßiger Gewalt der bahnbre-chenden Idee eines Friedens durchRecht Rechnung getragen wird, weilmit anderen Worten der rechtlicheRahmen, in dem Gewalt gebrauchtwird, Beachtung findet. In unsererZeit ist dies der völkerrechtliche Rah-men der UN-Charta. In ihr wird einprinzipielles Verbot militärischer Ge-walt festgeschrieben.

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100 Jahre sind seit Ausbruch des Ersten und 75 Jahre seit Ausbruch des Zweiten Welt-krieges vergangen. Es ist an der Zeit Johannes Calvins friedensethische Ausrichtung zuentdecken, meint Marco Hofheinz und gab uns dazu folgendes Interview. Den erstenTeil konnten Sie in der Märzausgabe lesen. Peter Brockhaus hat die Fragen gestellt.

THEMA

PB: Welche Rolle spielt generell das Rechtin Calvins Friedensethik?MH: Eine zentrale Rolle. Die bibli-sche Friedens- und Gerechtigkeitsbot-schaft bleibt nach Calvin unter Aus-klammerung der rechtlichen Dimen-sion unverständlich: Für Calvin bildetdie Gerechtigkeit die Grundlage allenRechts. Recht ist für Calvin ebennicht das Recht der Stärkeren, wiedies nach sozialdarwinistischer Lesartder Fall sein mag, sondern das Rechtgilt – unabhängig vom Ansehen derPerson – auch den „kleinen Leuten“.Da der Frieden auf Erden nach Cal-vin, der hier genuin rechtsethisch ar-gumentiert, zumindest ansatzweisenur durch das Recht hergestellt bzw.erhalten werden kann, das Recht aberwiederum von Calvin auf die Gerech-tigkeitsvorstellung bezogen wird, liegtdas Paradigma eines „gerechten Frie-dens“ dem Calvinschen Denkendurchaus nahe. Ohne das Recht istpolitischer Frieden nach Calvin nichtdenkbar. Politischer Frieden wird vonCalvin – mit anderen Worten – alsRechtsfrieden verstanden. DieserRechtsfrieden schließt nach Calvin inextremis den rechtserhaltenden Ge-waltgebrauch ein.

PB: Wo ist Ihrer Meinung nach heute derrechtsethische Aspekt in der friedensethi-schen Diskussion stärker hervorzuheben?MH: Nicht einfach nur an der einenoder anderen Stelle, sondern grund-

sätzlich. Freilich sollte man beachten:In den Gegenstandsbereich einertheologischen Friedensethik, wie Cal-vin sie vertritt, fällt nicht nur dasRecht, sondern auch die Kirche. Die-se doppelte Bereichs- bzw. Aufgaben-bestimmung resultiert letztlich aus ei-ner recht verstandenen Zwei-Reiche-Lehre, die beide Bereiche in den Blicknimmt.

PB: Calvins Friedensethik ist also in be-sonderer Weise auch kirchliche Ethik. Inwelchen kirchlichen Bereichen zeigen sichdie friedensethischen Akzente bei Calvin?MH: Im gesamten Raum der Kirchekann und soll sich Calvin zufolge einEthos des Friedens ausbilden. Das be-trifft die verschiedenen kirchlichenHandlungsfelder, nämlich Gottes-dienst und Verkündigung, Bildungund Erziehung, Beratung der Gewis-sen, Diakonie etc. Kein Bereich isthier auszuschließen. Überall will einEthos des Friedens erlernt sowie ein-und ausgeübt werden.

PB: Was gäbe es diesbezüglich besondersfür unser kirchliches Tun konkret zu ent-decken?MH: Es ist spannend zu entdecken,dass bereits der Gottesdienst in seinenverschiedenen liturgischen Stückenelementare Friedensvollzüge christ-licher Existenz beinhaltet. Man denkehier nur an die Kollekte und den Zu-

sammenhang von Frieden und Ge-rechtigkeit, der auch im Abendmahlsichtbar wird. Oder man denke an dieSegensbitte, die den Frieden zumGegenstand hat. Im Sinne einer „Phä-nomenologie des Gottesdienstes“wäre manches neu zu entdecken undwürde helfen, dass Kirche ihre zentra-len Aufgaben bewusst wahrnimmt.Und dazu rechne ich primär und vorallem das Gebet für den Frieden. Vonihm ausgehend, kann etwa das Be-wusstsein für Schuld und Vergebunggeschärft werden, kann neu die Kom-munikation und der Austausch zwi-schen den Kirchengliedern gepflegtwerden – und zwar durchaus auchweltweit. Die ökumenischen Kontak-te und Netzwerke der miteinanderund füreinander und für die Welt be-tenden Christinnen und Christen ver-deutlichen, dass die Kirche ein welt-weiter Akteur in der Zivilgesellschaftist, geradezu ein „global player“. WasKirche tut, ist friedenspolitisch vonGewicht.

PB: Wo kommt Ihnen die friedensethischeDimension auf Gemeindeebene heute zukurz?MH: Zu kurz kommt und zu wenigausgeprägt scheint mir das Bewusst-sein und die Gewissheit, dass Kirche,indem sie ihre Kernpraktiken ausübt,bereits friedensstiftend tätig ist. Frie-denspolitische Appelle, die unkonkretbleiben, helfen nicht weiter. Sie blei-ben oft leere Friedensrhetorik. Es giltm.E. neu wahrzunehmen: Kirche istbereits eine eigene Polis bzw. Politeia,die mit ihren Kernpraktiken, mit ih-rer Botschaft und Ordnung Zeichensetzt und Zeugnis in der Welt gibt.Das macht sie bereits zu einem ge-wichtigen, ja einzigartigen politischenFaktor.

Prof. Dr. Marco Hofheinz lehrt Systematische Theo-logie an der Leibniz Universität Hannover undbrachte 2013 das Buch Johannes Calvins theologi-sche Friedensethik, Kohlhammer Verlag, heraus.

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Geb

er

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Gottesdienste & Veranstaltungen April/Vorschau Mai 2014T E R M I N E

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OBERWARTTheateraufführung im Gemeindefestsaal

Sa 5.4. 19:00/So 06.4. 15:00/Sa 12.4. 19:00/So 13.4. 18:00Lustspiel von Móricz Zsigmond: Sári bíró (ung. Spr.)

LINZChorausflug Regensburg

Sa 26.04.

Tag der StadtdiakonieSo 04.05.

WIEN – Innere StadtReformierte Stadtkirche

I, Dorotheerg. 16

10:00 Langhoff/AM

ButzerlGDKluge/AM

Goldene Konfirmation

10:00 Langhoff/AM17:00 Kluge/AM

Kluge/AM+Empfang

Langhoff

Kluge/AM

Langhoff

WIEN – WestZwinglikirche

XV, Schweglerstr. 39

10:00Hennefeld+Team

FaGD zu Ostern

19:00 Németh

10:00 Hennefeld/AM17:00 Hennefeld/AM/Chor

Juhász, AM

Németh/Predigtnachgespräch

19:00 Hennefeld

Miklas

WIEN – SüdErlöserkirche

X, Wielandg. 9

10:00Juhász

WittichKiGo

WittichAMu. Erlöserkirche Gospel Choir

U. Wittich/AM

Friedl

Wittich/Jugend

Wittich/Juhász/AMGenerationenGD

OBERWART7400 Oberwart

Ref. Kircheng. 16

09:30Gúthy

(dt.spr.) Gúthy

(ung.spr.)Gúthy/AM (zweispr.)GúthyAM(ung.spr.)

Gúthy (ung.spr.)

Gúthy (dt.spr.)

Gúthy/KiGo-Team*(zweispr.)

LINZ4060 Leoding

Haidfeldstraße 6

09:30Schreiber

KKSchreiber

Schreiber/AM KiGo

Schreiber/AM

Benz

ZinggKiGo

Schreiber

Datum06.04.

13.04.Karfreitag

18.04.

20.04.

27.04.

04.05.

11.05.

WIEN-WESTAktive Senioren und Diakonium

Di 08.04. 15:00 „Glück im Vergessen“ – ein Film über Altersdemenz und Alzheimer.

Anschließend Gespräch mit der Krankenhaus- und GeriatrieseelsorgerinGabriele Menzl.

Di 22.04. 14:30Spaziergang durch das evangelische Wien. Mit Führung.

Treffpunkt beim Hauptportal des Stefansdoms Di 06. 05. 14:30

„Let’s move“ – Bewegungsübungen 2. Teil

Großer Sommer-FlohmarktFr 16. 05. 9:00–17:00

WIEN-SÜD

Formel 1 Grand Prix, Favoriten-CUP auf der Carrera Bahn

Sa 26.04. 11:00

GD = Gottesdienst KiGo = KinderGD FaGD = FamilienGD AM = Abendmahl KK = Kirchenkaffee TeeGo = TeeGD TeeniGo = TeenagerGD

Evangelischer Gottesdienst auf Ö1Fr 18.04. um 10:05 (Karfreitag)

„Stellvertretend leiden?“ Evangelischer Karfreitagsgottesdienst aus Salzburg

Ö1 überträgt den Gottesdienst aus der Christuskirche in Salzburg.

Mit der Gemeinde feiern die Salzburger Pfarrerin Barbara Wiedermannund Pfarrer Tilmann Knopf, es predigt der Leiter der evangelisch-luthe-rischen Diözese Salzburg/Tirol, Superintendent Olivier Dantine. Er re-flektiert die Frage nach dem stellvertretenden Leiden. Was heißt es,wenn von Gott geredet wird als dem, der Jesus stellvertretend für alleMenschen leiden lässt? Was ist das für ein Gott, der Leid offenbar nichtnur zulässt, sondern – in dem Fall – sogar will? Und was kann das heu-te heißen für Menschen, die ebenfalls unschuldig und vielleicht sogarstellvertretend für andere leiden?

Auflage kontrolliert – Normalprüfung, Veröffentlichung

im Pressehandbuch

Verband Österreichischer Zeitungsherausgeber undZeitungsverleger

WIEN-INNERE STADT: 10.04. 19:00 Kluge/Langhoff/AM Empfang/Palmdonnerstag19.04. 23:00 Langhoff

WIEN-WEST: 17.04. 19:00 Agape am GründonnerstagOBERWART: 21.04. 9:30 Gúthy (dt.spr.) Ostermontag GD/AM,

*) Muttertag mit kinderoffenem Abendmahl

WIEN – INNERE STADT„Die Wehrkirchenstraße in der Buckligen Welt“

Tagesausflug des Senioren-Clubs Sa 10. 05.

Anmeldung bei Schwester Elisabeth unter der Tel.Nr. 0699/18877067

7Gottesdienste & Veranstaltungen April/Vorschau Mai 2014 T E R M I N E

BREGENZKreuzkirche am Ölrain

Kosmus-Jenny-Str.1

09:30Jaquemar/AM

Stoffers & PAKin Juhasz*KrabbelGD, KKStoffers/AMbes. Musik

Stoffers/AMbes. MusikOlschbaur

Jaquemar

Stoffers/Hennefeld**Saxos-Quartett & Laguzzen

DORNBIRN Heilandskirche

Rosenstr. 8

10:00 Meyer

Meyer/AMFaGD/anschl. Osterbrunch

10:00 Meyer/AM17:00 Meyer/AM

Meyer/AMKiGo

Meyer/AM

Meyer

Meyer/AMKiGo

FELDKIRCHPauluskirche

Bergmanng. 2

09:30 WedamFaGD

WedamPredigtGD

Wedam/AM

WedamFaGo, anschl. Osterfrühst.

Wedam/AMKiGo*

WedamFaGD, anschl. KK

Wedam

BLUDENZKirche zum guten Hirten

Oberfeldweg 13

10:00Franke

gleichz. KiGoFranke/ökum. m. Altkath.

gleichz. KiGo/anschl. KKFranke/AM Gem-Kelch

gleichz. KiGoFranke/AM Einzelkelch

FaGDFranke

Frankegleichz. KiGo

Frankegleichz. KiGo/KK

Datum06.04.

13.04.Karfreitag

18.04.

20.04.

27.04.

04.05.

11.05.

WIEN Innere StadtReform. Stadtkirche

I , Dorotheerg.16

VIENNACOMMUNITY

CHURCHSunday 12:00 a.m.

Service in English

GOTTESDIENST INTAIWANESISCHER

SPRACHEjeden So 14:00

UNGARISCHERGOTTESDIENST

jeden So 17:00(außer 1. So im Monat)

MOTIVE aus dem evangelischenLeben Ö1

Jeden So 19:05 bis 19:30Erfüllte Zeit

Jeden 1. So/Mo Evang. Predigt/Textauslegung 7:04–8:00

ZWISCHENRUFjeden So Ö1 06:55 bis 07:00

06.04. Christoph Weist13.04. Martin Schenk

20.04. Thomas Hennefeld27.04. Gisela Ebmer

EVANGELISCHE MORGENGEDANKEN

Öreg

Mo–Sa 05:40 bis 05:42

So 06:05 bis 06:07

DORNBIRN

Orgelkonzert mit Helmut BinderHeilandskirche Fr 11.04. 19:00

600 Jahre Konzil von KonstanzSa 14.06. Abfahrt 8:00–9:00

Gemeindeausflug mit Bus zur Landesausstellung nach Konstanz.Anmeldung bitte an das Pfarramt (05572/22056)

FELDKIRCH

Friedensgebet Passionsandachtennoch bis Mo 14.04. 18:00

Kinderbibeltag Sa 3.5. ab 9.30

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BREGENZ

Botanische Wanderung mit B. Schallenmüller u. J. Fritsch (Treffen Kiosk Wocherhafen Bregenz)

Do 10.04. 9:30

KonzerteKonzert der Stadtmusik Bregenz „Vater, vergib ihnen …“

So 13.04. 18.00

Geistliche Gesänge: vbg. Madrigalchor, H. Binder, Stoffers (Text)Fr 18.04 19.00

Vortrag „Europa eine Seele geben“Dr. Klaus Hoffmann (Gelsenkirchen)

Fr 25. 04. 19:30

150 Jahre Evangelische Kreuzkirche am ÖlrainFestvortrag/Ausstellungseröffnung 150 Jahre Kreuzkirche am Ölrain

Do 08.05. 19:30

BREGENZ: *) im Rahmen der Predigtreihe „Feste Steine, lebendiger Glaube – 150 Jahre Evang. Kreuzkirche am Ölrain“

17.04. 19:30 Stoffers/AM nach Zwingli, bes. Musik**) parallel dazu Kinder-Gottesdiens

DAMÜLS: 18.04. 17:00 Stoffers/AMDORNBIRN 17.04. 19:00 Meyer/AMLUSTENAU: 18.04. 15:00 Meyer GD/AM

20.04. 08:30 Meyer GD/AM, 27.04. 08:30 Meyer GD

HOHENEMS: 18.04. 15:00 Neumann GD/AM04.05. 08:30 Meyer GD

FELDKIRCH: 17.04. 19:00 Wedam Gründonnerstag AM18.04. 17:00 Wedam/AM in St. Arbogast* 11:00 Mini-GD

BLUDENZ: 17.04. 19:00 Franke Gründonnerstag AM mit Einzelkelchen

SCHRUNS: 18.04. 08:30 Franke Pfarrheim St. Jodok, SternensaalLECH: : 18.04. 17:00 Franke Alte Kirche St. Nikolaus

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GEDANKEN für den Tag

Mo 14.4. – Sa 19.4. um 6:56 „Nachdenken über (das) Heilige“ vonHubert Gaisbauer, PublizistHubert Gaisbauer geht dem Begriff des „Heili-gen“ nach, der im Judentum wie im Christen-tum eine grundlegende Bedeutung hat, giltdoch das Wort der Bibel beiden: „Seid heilig,denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig.“ „Heilig“ bezeichnet auch „unterschieden seinvon anderen Dingen“. Darum sind Festtage hei-lig, damit sie sich von gewöhnlichen Tagenunterscheiden. Erinnerungen können heilig sein,Gebete, Bücher, Speisen, Rituale und Symbole.Menschen brauchen das „vom Alltag Unterschie-dene“, etwas, das ihnen „heilig ist“, „sonst“, soGaisbauer, „verkümmert ihre Seele“. Gestaltung: Alexandra Mantler

TAO – aus den Religionen der Welt Sa 12.4. um 19:05

„Wiege des Buddha und Haus der HinduGöttinnen“ – Eine Reportage aus NepalGebetsmühlen werden von Touristen und Pilge-rinnen unermüdlich in Schwung gehalten,buddhistische Fahnen flattern im Wind, der dieGebete in den Himmel tragen soll. Nepal ist an vielen Orten stark vom Buddhismusgeprägt. Der Überlieferung nach soll im heuti-gen Nepal, im Ort Lumbini, Buddha zur Weltgekommen sein. Dabei war im Land am Hima-laya der Hinduismus bis zum Jahr 2006 dieStaatsreligion. Seit der Entmachtung des Königs bekennt sichNepal zum Säkularismus. Die meisten Nepale-sinnen und Nepalesen – die Zahlen schwankenzwischen 70 und 90 Prozent – sind Hindus.Doch die Grenzen zwischen den Religionen desHinduismus und Buddhismus sind hier fließend.In den prunkvollen Tempelanlagen werden gött-liche Figuren oftmals von Gläubigen beider Re-ligionen verehrt. Gestaltung: Sandra Szabo

LOGOS – Theologie und LebenSa 19.4. um 19:05

„I am prepared to die“ – Über Leben,Ethos und Spiritualität Nelson MandelasAm 5. Dezember 2013 ist Nelson Mandela ge-storben. Die legendäre Schlüsselfigur in Süd-afrikas Anti-Apartheid-Kampf wird wohl zuRecht in einem Atemzug mit Mahatma Gandhiund Martin Luther King genannt. Sein Beispielinspirierte und inspiriert. Als er 1963 zu lebens-

langer Haft auf Robben Island verurteilt wurde,hielt er zu seiner Verteidigung die berühmteRede „I’m prepared to die“. Der Friedensnobelpreisträger stellte die Weichenfür eine demokratische Neuorientierung in Süd-afrika und wurde 1994 zum ersten schwarzenPräsidenten des Landes gewählt. Auf ihn proji-zierten viele schwarze Südafrikaner messianischeErwartungen – Erwartungen, die Mandela nichteinlösen konnte. Er selbst sah sich als „mittel-mäßigen Menschen im wahrsten Wortsinn“. Aberaus Nelson Mandelas Antrittsrede 1994 sprichteine tiefe Glaubensüberzeugung: „Wir wurdengeboren, um die Herrlichkeit Gottes zu verwirk-lichen, die in uns ist. Sie ist nicht nur in einigenvon uns: Sie ist in jedem Menschen“ Gestaltung: Johannes Kaup

MOTIVE – Glauben und ZweifelnSo 13.4. um 19:05

„Totentanz“ – Gedanken und Gesänge überdas SterbenSeit dem 14. Jahrhundert gibt es sie, die Toten-tänze. Allegorische Darstellungen von Gruppen,die die Macht des Todes über alle sozialenSchichten versinnbildlichen. Immer wieder ha-ben sie auch musikalischen Ausdruck gefunden. Hugo Distler (1908 – 1942) ließ sich als Orga-nist der Lübecker Marienkirche von dem dorti-gen (1942 zerstörten) Totentanz-Fresko undTexten von Angelus Silesius zu einer Totentanz-Komposition inspirieren. Der Arnold SchönbergChor hat dieses Werk aufgenommen und prä-sentiert es im Wiener RadioKulturhaus. Mit Re-nate Burtscher, den Schauspielern Peter Maticund Martin Schwab – und Gedanken der evan-gelischen Theologin und ReligionspsychologinSusanne Heine. Gestaltung: Martin Gross

F E R N S E H E NTreffpunkt Medizin ORF III

Mi 16.4 um 21:45 Hildegards Enkel – Das Erbe der Hildegardvon Bingen Hildegard von Bingen – eine der bedeutendstenFrauen des deutschen Mittelalters. Sie gilt heutein verschiedenen Kreisen als die erste deutscheNaturwissenschafterin, die erste schreibende Ärz-tin, als eine bedeutende Politikerin ihrer Zeit undsogar als erste Feministin. Wer aber war Hilde-gard von Bingen wirklich? Und weshalb interes-siert die Benediktinerin und Visionärin des 12.Jahrhunderts heute wieder so sehr? (Wh. im Nachtprogramm, ORFIII)

ORF III – Spezial zu Ostern(eine Auswahl)

Do 17.4. um 17:40 Die Apostel: Thomas Obwohl der Apostel Thomas bei der Auferste-hung Jesu voller Zweifel war, wurde ein Evan-gelium nach ihm benannt, und er trug seinenGlauben weiter bis nach Indien. Wir zeichnenden Weg des Apostels und dessen bedeutendesLeben nach und zeigen, welchen Einfluss er aufdie christliche Gemeinschaft in Indien hatte.

Fr 18.4. um 16:20 Die Apostel: Petrus Unter den Aposteln nahm der aus Galiläa stam-mende Fischhändler Petrus eine besondere Rol-le ein. Wir geben Einblick, welche Rolle Petrusbei der Gründung der Katholischen Kirche spiel-te, und behandeln sein kontroverses Leben unddessen Ende als Märtyrer in Rom.

Fr 18.4. um 16:50 Die Apostel: Judas Judas gilt als Symbol des Verrates und des Bö-sen, doch hat er diesen Ruf auch tatsächlich ver-dient? Da sein Leben und seine schwierigen Ent-scheidungen bis heute Autoren, Schauspieler undKünstler faszinieren, ist es an der Zeit, seinewichtige Rolle im Leben Jesu nachzuzeichnen.

ORF 2

Fr 18.4. um 9:30Evangelischer Karfreitagsgottesdienst

(Vöcklabruck)

Fr 18.4. um 10:30, ORF2Die Bibel – Jesus – Ein Spielfilm in zweiTeilen: Jesus (1) (USA/DEU/ITA 1995)Nach dem Tod seines Ziehvaters Josef besinntsich der gelernte Zimmermann Jesus von Naza-reth auf seine von Gott vorgesehene Aufgabe. Erlässt sich taufen und zieht als Erlöser durchsLand. Zweifel an seinen Lehren stillt Jesus mituntrüglichen Zeichen von göttlicher Gnade.Nicht überall aber stößt sein Auftreten aufWohlgefallen. Mit Argusaugen beobachten diePriester in Jerusalem, wie immer mehr Anhän-ger sich um Jesus scharen.

Mit Jeremy Sisto (Jesus), Jacqueline Bisset(Maria), Armin Mueller-Stahl (Joseph), Christi-an Kohlund (Kaifas), u.a. Regie: Roger Young(Zweiter und letzter Teil am 19. April, ORF2)

Ö1Religionim Radio … … und im Fernsehen Weitere Programmpunkte auf Seite 7

BERICHT

Entartete Kunst –die Kunst als Propagandamittel

Eine Ausstellung in der „NeuenGalerie“ New York

1937waren in Münchenzwei Kunstausstel-lungen gleichzeitig zu

sehen: Am 18. Juli eröffnete AdolfHitler im „Haus der DeutschenKunst“ die „Große Deutsche Kunst-ausstellung“. In seiner Rede erklärteer, dass deutsche Kunst „klar“ zu seinhabe und „gesund“. Der seinem Maß-stab nicht entsprechenden kranken,degenerierten, entarteten Kunst sagteer „einen unerbittlichen Säuberungs-krieg“ an. Einen Tag später begannfast gegenüber, im Münchner Hofgar-ten, die Ausstellung solcher „entarte-ter Kunst“: Wassily Kandinsky, PaulaModerson-Becker, Paul Klee, OttoDix, Käthe Kollwitz, Oskar Kokosch-ka. Das sind einige der großen Na-men der 122 in der Ausstellung ver-tretenen Künstler und Künstlerinnen.Ihr Werk wurde nun systematisch ge-schmäht und an den Pranger gestellt.Einige, unter anderem Ernst LudwigKirchner, trieb dies in den Selbst-mord. Wer das Zunichtemachen dereigenen Kunst noch erlebte und sichnicht preisgeben wollte, floh wennmöglich ins Ausland. Die immer wieder wechselnden Expo-nate der Ausstellung vertraten alleStilrichtungen der Moderne: Expres-sionismus, Kubismus, Dadaismus,Surrealismus, Fauvismus und dieNeue Sachlichkeit. Ab 1938 ging dieAusstellung auf Wanderschaft undwurde bis 1941 in unterschiedlichenStädten Deutschlands sowie in Wienund Salzburg gezeigt.

Krank gemachtKunst als krank oder entartet zu be-zeichnen, korrelierte mit dem Gedan-ken, gewisse Formen von Leben alsentartet zu bezeichnen. Jüdische

Kunst wurde entsprechend mit Argu-menten verworfen, die auf Abstam-mung und Herkunft der Künstlerzielten. Es wurden an den Wändenneben den Bildern Phrasen hinge-schmiert, die Juden in andere Wertka-tegorien stellten. Die ganze Ausstel-lung „entarteter Kunst“ war so konzi-piert, dass die Bilder unvorteilhaft inunvorteilhaften Räumlichkeiten prä-sentiert wurden. Mit Kritzeleien wur-den die Ausstellungsstücke der Lä-cherlichkeit preisgegeben.

Kunst als KonformismusAber es ging nicht alleine um die Ver-unglimpfung der modernen Kunstoder unliebsamer Kunstschaffender.Dem NS-Regime war es wichtig, einereine Deutsche Kunst zu etablieren.Dies hatte eine Kunst zu sein, dienicht hinterfragt, vergleicht oder dieBetrachter verstört. Kunst, die Män-gel und Wirklichkeiten aufdeckt undihren Blickwinkel frei wählt, war un-denkbar. Sollte Kunst dem Regime indie Hände spielen, hatte sie nationa-listische Schönmalerei zu betreibenund allein an der Oberfläche zu blei-ben. Es darf nicht am Lack gekratztund schon gar nicht das Innere nachaußen gekehrt werden. Adolf Ziegler,zuständig für die „Reinigung“ derdeutschen Museen und Leiter derAusstellung „Entartete Kunst“, ließdementsprechend verlautbaren: „ Un-sere Kunst repräsentiert unsere Philo-sophie.“

Hitlers GeschmackAllerdings war Parteiintern langenicht klar, was die Kriterien der Deut-schen Kunst zu sein haben. Der Pro-pagandaminister Joseph Goebbels warein Liebhaber des Expressionismus,den er nur zu gerne in den deutschenKunstkanon aufgenommen hätte. Erbevorzugte besonders die Werke von

Ernst Barlach und Emil Nolde. Goeb-bels rechnete offensichtlich bis zuletztdamit, dass diese Künstler in der Aus-stellung nicht vertreten sein würden.Die letztgültige Entscheidung abertraf Hitler 1937 selbst, und damitwurde der Säuberungskrieg offizielldeklariert – auch gegen die Kunst vonBarlach und Nolde, der selbst Anhän-ger des NS-Regimes war. Für vieleKunstschaffende war die Eröffnungder Ausstellung „Entartete Kunst“ einSchock und zerstörte ihre Laufbahnund ihr Leben in Deutschland undÖsterreich für immer.Die „Neue Galerie New York“ doku-mentiert die Ausstellung „EntarteteKunst“ von 1937 allumfassend mitdamals ausgestellten Bildern, Fotogra-fien, geschichtlichen Hintergrundin-formationen in der Gegenüberstel-lung zur geförderten „DeutschenKunst“. Damit gelingt es, nicht nurein wichtiges Zeitzeugnis abzulegen,sondern den Besuchern auch die Fra-ge nach dem eigenen Anspruch anKunst nahe zu legen.

SONJA BREDEL

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Paul Klee-Der Angler-1921© [email protected] has sent you some files

Die Ausstellung in der „Neuen GalerieNew York“, einem der österreichischenund der deutschen Kunst verpflichtetenMuseum, wird noch bis zum 30. Juni zusehen sein: www.neuegalerie.org

Wer wollte diesen Krieg?Johann Szegö: Von Sarajewo bis BadIschl. Vom Attentat bis zurKriegerklärung, Metroverlag 2013, 224Seiten, Euro 19,90

Es ist allgemein bekannt, dass die Er-mordung des österreichisch-ungari-schen Thronfolgerpaars der Auslöserfür den 1. Weltkrieg war. Aber wiekonnte es so weit kommen, und werwollte diesen Krieg? Diese und weite-re Fragen rund um den Beginn des 1.Weltkriegs versucht der Autor mitgroßer Sachkenntnis zu beantworten. Wie in einem Italo-Western werdenzu Beginn die Akteure und Gegen-spieler vorgestellt. Serbien mit seinemAttentäter, Österreich-Ungarn mitdem Kaiser und dem Thronfolger-paar, Deutschland, Frankreich, Russ-land und die anderen Großmächtemit ihren Herrschern.In der Folge erfährt der Leser tage-buchartig, was sich zwischen dem 28.Juni, dem Tag des Attentats und derKriegserklärung einen Monat später,zugetragen hat. Es ist eine Chronolo-gie der Ereignisse, bei der man einentiefen Einblick gewinnt in das Den-ken und Handeln der führenden Per-sönlichkeiten, der Staatskanzleien undDiplomaten. Spannend und gleichzeitig unterhalt-sam lässt der Verfasser diese entschei-denden 30 Tage Revue passieren,würzt diese Berichte mit launigenKommentaren und erzählt nebenbei,was sich so abseits der großen Weltpo-litik ereignete, wie von der Eröffnungdes ersten Mädchengymnasiums odervon einem Wiener Fußball Derby. Der Bogen wird aber schon gespanntvom 11. Juni, also der Zeit vor demAttentat bis zum Oktober 1914, zu ei-nem Zeitpunkt, an dem der Kriegschon in vollem Gange war. Und esgibt Gelegenheit, sich von denHauptakteuren zu verabschieden undzu erfahren, wie ihr weiteres Schicksalausgesehen hat.Wer sich eine wissenschaftliche Aufar-beitung vor allem des Countdowns

bis zum Ausbruch des Kriegs erwartet,wird enttäuscht sein. Der Autor hatein allgemein verständliches, leichtlesbares Buch geschrieben, dasmanchmal etwas schulmeisterlich er-scheint aber insgesamt durch die lok-kere Art dem Leser eine spannendeLektüre beschert. Dabei ist es im In-halt alles andere als oberflächlich.Man erfährt eine Fülle von Detailsüber die Akteure und Zusammenhän-ge zwischen den einzelnen Mächten.Der Autor präsentiert und analysiertzahlreiche Dokumente und garniertdiese mit Zitaten aus verschiedenenZeitungen, wie z.B. aus der „NeuenFreien Presse.“ In der Analyse istmanchmal eine geradezu detektivi-sche Freude beim Verfasser des Buchesheraus zu spüren, den Dingen auf denGrund zu gehen, Widersprüche auf-zudecken und eigene Schlüsse zu zie-hen. Beim Autor handelt es sich um einenseit über 40 Jahren in Österreich täti-gen Fremdenführer und den langjäh-rigen Präsidenten des Österreichi-schen Fremdenführerverbandes.Der Verfasser fällt kein abschließendesUrteil über die Verteilung der Schuldan diesem Krieg, und doch lässt erkeinen Zweifel daran, dass dieserKrieg, hätte die Vernunft undMenschlichkeit gesiegt, zu verhinderngewesen wäre. Wer am Ausbruch desKrieges die größere Schuld trägt, dasbleibt dem Urteil der Leserin und desLeser überlassen. T.H.

Ausgezeichnete KämpferinnenDer Typus der kämpfenden FrauFrauen schreiben über Frauen in derArbeiter-Zeitung von 1900–1933Mandelbaum Verlag 9/2013, 202 Seiten,englische Broschur, Euro 19.90

Eva Geber, zu unserer Freude auchLayouterin des „Reformierten Kir-chenblattes“ und zeit ihres Lebens po-litisch engagiert in Sachen Frauen-rechte und Frauenfragen, entsprichtselbst dem Typus der kämpfendenFrau. Sie war 35 Jahre lang tätig in derRedaktion der AUF – eine Frauenzeit-schrift. Am 5. März dieses Jahres istsie mit dem Bruno-Kreisky Anerken-nungspreis für ihr neuestes Buch „DerTypus der kämpfenden Frau. Frauenschreiben über Frauen in der Arbeiter-Zeitung von 1900–1933“ ausgezeich-net worden.Es gibt eine Geschichte der Frauen!Eine Geschichte von Frauen, diestark, mutig und unabhängig Ent-scheidungen trafen und danach han-delten. Frauen, die für ihre Rechteund die Rechte aller Frauen einstan-den. Frauen, die Frauen von heuteVorbild, Lehrerin und Heldin seinkönnen, sie beeinflussen, zum Stau-nen bringen und zum Nachdenkenanregen – wenn ihre Geschichte nichtverschwiegen und damit vergessenwird. Eva Geber arbeitet mit ihremBuch für die Weitertradierung weib-licher Vorbilder und für die Erhaltung

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10 BücherBücher

und Bewusstmachung des von FrauenErreichten – ihrer Geschichte.„Frauen schreiben über Frauen“ –Frauen der Arbeiterinnenbewegungsuchen Vorbilder und finden sie:Emma Adler schreibt über Olympe deGouges, die zur Zeit der Französi-schen Revolution als Rednerin auf-trat. Marianne Pollak über GeorgeSand, Therese Schlesinger und LuiseKautsky über Rosa Luxemburg – umeinige der Bekanntesten zu nennen,die Eva Geber porträtiert und zu Wortkommen lässt. Nachgestellt zu denArtikeln, die in der Arbeiterzeitungzwischen 1900 und 1933 veröffent-lich wurden, sind die jeweiligen Kurz-biographien der Frauen.Ein Beitrag von Adelheid Popp„Zwanzig Jahre Arbeiterinnenbewe-gung“ eröffnet die Sammlung. Kaumzu glauben, was Frauen dazumal aufsich genommen haben, um für besse-re Bedingungen zu kämpfen. Span-nend zu lesen, ermutigend in jederHinsicht und ein politischer Aufruf,dass die Arbeit weitergeht.

Eva, wir gratulieren dir herzlichst zudiesem gelungenen Buch! Der Preis istwohlverdient!

RED.

Ein Religions-Gen gibt es nichtHans-Martin Barth: Konfessionslosglücklich. Auf dem Weg zu einemreligionstranszendenten Christsein.Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh2013. 272 Seiten, Euro 20,60

Der Autor, Professor für evangelischeTheologie und Religionsphilosophiean der Universität Marburg, geht vonder Tatsache aus, dass die Zahl derer,die aus einer Kirche austreten, starkim Wachsen begriffen ist. Diese Men-schen finden für ihre Einstellung dieverschiedensten Bezeichnungen: reli-gionslos, religionsfern, konfessionslos,gottgläubig, atheistisch, freidenke-risch … Der Autor nimmt sie ernst,denn die Realität zeigt, dass sie auchohne Kirche und Religion ein glückli-ches Leben führen. Man kann heutenicht mehr von der Annahme ausge-hen, formuliert der Autor, dass es einreligiöses „Apriori“ oder ein religiösesGen gäbe. Daher kann die Kirchenicht mehr auf alten Bahnen weiter-gehen, um diese areligiösen Menschenheimzuholen, sondern sie muss neueWege beschreiten, um ihre Botschaftmenschennah zu machen. Es gab be-reits einige evangelische und katholi-sche Theologen, wie z. B. DietrichBonhoeffer, Karl Barth, Paul Tillichund Karl Rahner, die in diese Rich-tung dachten. Auf diesem Weg scheutder Autor sich auch nicht, an unan-tastbaren Glaubenssäulen zu rütteln.So plädiert er für eine allgemeine sä-kularisierte Umschreibung des Apos-tolischen Glaubensbekenntnisses, füreine Trennung der kirchlichen Zuge-hörigkeit von der Taufe, für eine weit-gehende Öffnung des Abendmahlsund für die Praxis einer Gastmitglied-schaft in der Kirche, die auch zeitlichbegrenzt sein kann. Der Schlüssel für

die Zukunft der Kirche heißt reli-gionstranszendiertes Christsein. Dasweist darauf hin, dass der Ort, vondem her die menschliche Existenz be-gründet und gehalten werden kann,jenseits aller religiösen Vorstellungenund Vorurteile liegt. Die Leitfrage fürTheologie und Kirche lautet dahernicht, wie kann ein Mensch christlichbzw. evangelisch werden, sondern wiewird Christus so verkündet, dass erauch unter areligiösen Menschen undunter der Vorgegebenheit einer areli-giös vorbestimmten Kultur Nachfol-ger findet. Dafür bietet der Autormehrere praktische Detaillösungenan, von denen etliche ungewöhnlichund manche auch schockierend er-scheinen. Aber: „Gottes Plan mit derMenschheit ist nicht auf die Ge-schichte der institutionalisierten Kir-chen beschränkt. Gott sei Dank!!“schließt der Autor seine Überlegun-gen. Das Buch ist sicher bedenkens-wert für all jene, die sich Gedankenmachen über die Zukunft des Evange-liums und der Kirche.

B.N.

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11BücherBücher

Eva Geber wird der Bruno-Kreisky-Anerkennungspreisfür das politische Buch von Rudolf Scholten undMichael Ludwig überreicht. © Henisch

DDiiee RReeddaakkttiioonn ddeess RReeffoorrmmiieerrtteenn KKiirrcchheennbbllaatttteess wwüünnsscchhtt aalllleenn LLeesseerriinnnneenn uunndd LLeesseerrnn eeiinn ggeesseeggnneetteess OOsstteerrffeesstt!!

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P.b.b. – Verlagspostamt 1010 Wien – 11Z038962MErscheinungsort Wien

Andacht

Der erste Palmsonntag – mit demtriumphalen Einzug Jesu in Je-rusalem – mit jubelnder Menge,

die Palmzweige auf den Weg streut –beruhte auf einem großen Missver-ständnis. Die Menschen damals glaub-ten, dass Jesus gekommen sei, das alteglorreiche Reich Davids wiederzuer-richten, die römische Besatzung zuvertreiben und ihre korrupten heimi-schen Satrapen zu entmachten. Auchwahrscheinlich alle Jünger Jesu, nichtnur Petrus und Judas, erlagen dieserfalschen Erwartung. So konnte esnicht ausbleiben, dass in den folgen-den Tagen, nachdem klar gewordenwar, dass solch triumphale Vorstellun-gen Jesus fern lagen, die große Enttäu-schung kam, der Verrat des Judas unddie „Kreuzige“-Rufe der Menge.

Selbstgeformtes ChristusbildDieses ursprüngliche Palmsonntags-missverständnis begleitet die Ge-schichte des Christentums bis hin inunsere Tage. Und es erinnert uns dar-an, wie oft wir selbst in unseren Vor-stellungen, Wünschen und Träumenunser eigenes Jesusbild geformt ha-ben! Wie oft ist es vorgekommen, dassanerkannte Persönlichkeiten des öf-fentlichen Lebens, Politiker, aber aucheinfache Bürger und Bürgerinnen, Je-sus Christus plakativ, wie ein Aushän-geschild, vor den Karren ihrer eigenenInteressen gespannt haben! Und sietun das auch noch heute! Das heißtim Klartext: Durch die Berufung aufJesus möchten wir unseren eigenenWünschen und Anliegen Gewichtund Autorität verleihen. Dadurch be-stimmen wir jedoch selbst über dasBild Jesu und seine Botschaft an unsund verletzen das Zweite Gebot, das

da lautet: „Du sollst dir kein Bildnismachen“.

SelbstprüfungWie oft in der Geschichte der Völkerwurden Kriege, Vertreibungen, Verfol-gungen und Grausamkeiten mit demWort „Gott will es!“ begründet. Ein er-schreckendes Beispiel dafür sind dieKriegspredigten aus dem Ersten Welt-krieg, dessen Beginns vor 100 Jahrenwir gerade heuer gedenken. Man istentsetzt, wenn man liest, wie von allenKanzeln – hüben wie drüben – vom„gerechten Krieg“ und von „Gott stehtauf unserer Seite“ gepredigt wurde.Palmsonntag sollte uns daher vor allemzur Buße und zur Selbstprüfung aufru-fen, damit wir nicht in Versuchung ge-raten, mit dem Namen Christi nur un-sere eigenen Interessen zu kaschieren.

Ohne SiegesgewissheitBesinnen wir uns lieber darauf, dassGott sich nicht in lautem Getöse, inDonner und Blitz kund tut, sondernin einem „stillen, sanften Säuseln“, wieder Prophet Elia seine Gottesbegeg-nung erlebte. Die Jünger Jesu wurdeninmitten ihrer stillen Alltagsarbeit,beim Fischfang, vom Herrn angespro-chen, und nach der Himmelfahrt Jesuwurden sie gerade im Moment tiefsterÄngste, Verlassenheit und Verzwei-flung von Gott durch den HeiligenGeist aus der Tiefe geholt. Alle dieseMomente waren von Triumphalismusund Siegesgewissheit weit entfernt.

Er formt unsUnd das ist es, was bis in die Gegen-wart gefordert ist: Sich immer wiederzu fragen, wo unsere Christusbilderselbstgemacht sind. Wo müssen wir

diese aufgeben, gemeinsam mit unse-ren selbstgemachten Vorstellungenvon „christlicher“ Moral, Kultur, Fa-milie, Politik etc.? Das bedeutet danndas Ende eines Christentums, das alsAushängeschild benutzt wird. Statt-dessen sind wir gefordert zu einer er-neuerten Bereitschaft zum vorbehalt-losen Einsatz für Gerechtigkeit undbedingungslose Mitmenschlichkeit.Wenn wir Christus nicht mehr for-men nach unseren Vorstellungen, sowird er uns formen mit seinem Wortund seiner Liebe, die uns Halt, Trostund Mut zum Leben schenken.Sehr einfühlsam bündelte der ungari-sche Dichter Endre Ady (1877–1919)diese Gedanken in seinem Gedicht„Die Ankunft des Herrn“: „Als ich ein-sam war, verlassen von allen / MeineSeele begraben unter Hohn und Spott/ Leise und unerwartet / umarmtemich Gott. / Lautlos kam er – nichtmit Posaunen, / nicht am hellen Tag,nicht im Lichterkranz – / Er kam un-bemerkt, mit wahrer Umarmung / inverzweifelter Nacht.“ BALAZS NÉMETH ■

Einzug des missverstandenen Jesus

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Ikone, Christi Einzug in Jerusalem