Interne Kommunikation: Weg von den Hochglanzmagazinen

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Mai 07 2010 Interne Kommunikation: Weg von den Hochglanzmagazinen Kategorie: Allgemein — admin @ 16:22 (MB) „Unternehmen können ihre Innovationsprozesse nur durch kommunikative und aktive Einbindung der Mitarbeiterschaft erfolgreich gestalteten.” Ein markiger Satz, in diesem Falle von Unternehmensberaterin und Management-Trainerin Gisela Hagemann in ihrem neuesten, gerade von der Deutschen Gesellschaft für Qualität herausgegebenen Buch. Der Satz könnte aber von einem x-beliebigen Spitzenmanager aus einem x-beliebigen deutschen Unternehmen stammen – nicht nur Politiker haben ihre Sonntagsredenfloskeln. Die Realität ist: Die meisten Unternehmen kommunizieren überhaupt nur top down mit ihren Mitarbeitern; unbequeme Meinungsäußerungen haben nicht stattzufinden, weder nach innen noch nach außen. Und deshalb findet sich heute schon in manchen Arbeitsverträgen der Passus, dass die Mitarbeiter, wenn sie sich auf sozialen Plattformen bewegen, über ihren Arbeitgeber und ihre Tätigkeit den Mund zu halten haben. Top-Down-Kommunikation: „Über 93 Prozent der in einer Studie befragten deutschen Kommunikationsmanager sehen in einer professionell produzierten Mitarbeiterzeitschrift das wichtigste Instrument der internen Unternehmenskommunikation.” So heißt es auf der Homepage einer Firma, die von der Gestaltung solcher Medien lebt. Und: „Journalistisch und gestalterisch muss die Zeitschrift den Interessen und Erwartungen der Mitarbeiter entsprechen.” Wie schwierig bis unmöglich letzteres ist, weiß jeder Praktiker. Und hinter vorgehaltener Hand ist von Verantwortlichen nicht selten zu hören, wie wenig sie selber von ihrer Aufgabe überzeugt sind. Fragt man gar die Redakteure von Mitarbeiterzeitschriften, kommt das ganze Elend zu Tage: Sie leiden regelrecht (so lange sie jung und engagiert sind) unter dem Spagat, eine professionell gemachte Zeitung, eine Zeitschrift oder ein Magazin machen zu sollen, ohne journalistisch arbeiten zu dürfen. Niemand spürt direkter als sie, was die Kollegen von dem Produkt halten – gar nichts. Dilemma liegt im journalistischen Ansatz. Das Problem liegt nicht in der Hochglanzgestaltung – die ist unnötig, aber nicht schädlich. Schwierigkeiten macht ein hoch gepriesener journalistischer Qualitätsanspruch, den auch ich lange Zeit in Seminaren, Workshops und Kongressen hochgehalten habe. Wir müssen Lesererwartungen befriedigen, dachte ich, die von kommerziellen Medien geprägt sind. Das war zu kurz gedacht – man wird dazulernen dürfen. Der Widerspruch lässt sich nicht idealistisch auflösen: Da hilft keine Überzeugungsarbeit im Unternehmen, Chefs müssten im Sinne der Glaubwürdigkeit auch kritische Töne aushalten, wirklichen Dialog zulassen … und so weiter. Sie müssen nicht, und sie tun es nicht. So bringt die Analyse selbst gut gemachter Mitarbeitermagazine immer das gleiche Ergebnis: Zum Beispiel die seitenlangen Interviews über Unternehmensstrategie in einer unsäglichen Managementsprache. Da geht eben kein Journalist kritisch dazwischen, die Fragen sind erkennbar Formalität, sie liefern die Stichworte für die Antworten. Die Mitarbeiter sind nicht dumm, sie merken, wenn ein Interview eigentlich ein Monolog ist, wenn der Rückblick aufs vergangene Jahr die Probleme ausspart, wenn die Entwicklungsabteilung ihre Arbeit hochjubelt, obwohl die Konkurrenz technisch um Jahre voraus ist. Sie fühlen sich auf den Arm genommen, wenn Reportagen aus der Arbeitswelt Idyllen schildern, denn sie kennen die Wirklichkeit. Sie sehen ja, dass sie selber zwar als bunter Content im Blatt erwünscht sind – von der Fußballmannschaft bis hin zum Literaturzirkel am Feierabend, aber nicht als verantwortlich mitdenkende Mitarbeiter, die auch konstruktive Kritik üben. Die Mitarbeiter wissen durchaus, was Journalismus ist, und sehen, wo Journalismus vorgetäuscht

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Mai 07 2010

Interne Kommunikation: Weg von den Hochglanzmagazinen

Kategorie: Allgemein — admin @ 16:22

(MB) „Unternehmen können ihre Innovationsprozesse nur durch kommunikative und aktiveEinbindung der Mitarbeiterschaft erfolgreich gestalteten.” Ein markiger Satz, in diesem Falle vonUnternehmensberaterin und Management-Trainerin Gisela Hagemann in ihrem neuesten, geradevon der Deutschen Gesellschaft für Qualität herausgegebenen Buch.

Der Satz könnte aber von einem x-beliebigen Spitzenmanager aus einem x-beliebigen deutschenUnternehmen stammen – nicht nur Politiker haben ihre Sonntagsredenfloskeln. Die Realität ist: Diemeisten Unternehmen kommunizieren überhaupt nur top down mit ihren Mitarbeitern; unbequemeMeinungsäußerungen haben nicht stattzufinden, weder nach innen noch nach außen. Und deshalbfindet sich heute schon in manchen Arbeitsverträgen der Passus, dass die Mitarbeiter, wenn sie sichauf sozialen Plattformen bewegen, über ihren Arbeitgeber und ihre Tätigkeit den Mund zu haltenhaben.

Top-Down-Kommunikation: „Über 93 Prozent der in einer Studie befragten deutschenKommunikationsmanager sehen in einer professionell produzierten Mitarbeiterzeitschrift daswichtigste Instrument der internen Unternehmenskommunikation.” So heißt es auf der Homepageeiner Firma, die von der Gestaltung solcher Medien lebt. Und: „Journalistisch und gestalterischmuss die Zeitschrift den Interessen und Erwartungen der Mitarbeiter entsprechen.” Wie schwierigbis unmöglich letzteres ist, weiß jeder Praktiker. Und hinter vorgehaltener Hand ist vonVerantwortlichen nicht selten zu hören, wie wenig sie selber von ihrer Aufgabe überzeugt sind.

Fragt man gar die Redakteure von Mitarbeiterzeitschriften, kommt das ganze Elend zu Tage: Sieleiden regelrecht (so lange sie jung und engagiert sind) unter dem Spagat, eine professionellgemachte Zeitung, eine Zeitschrift oder ein Magazin machen zu sollen, ohne journalistisch arbeitenzu dürfen. Niemand spürt direkter als sie, was die Kollegen von dem Produkt halten – gar nichts.

Dilemma liegt im journalistischen Ansatz.

Das Problem liegt nicht in der Hochglanzgestaltung – die ist unnötig, aber nicht schädlich.Schwierigkeiten macht ein hoch gepriesener journalistischer Qualitätsanspruch, den auch ich langeZeit in Seminaren, Workshops und Kongressen hochgehalten habe. Wir müssen Lesererwartungenbefriedigen, dachte ich, die von kommerziellen Medien geprägt sind. Das war zu kurz gedacht –man wird dazulernen dürfen.

Der Widerspruch lässt sich nicht idealistisch auflösen: Da hilft keine Überzeugungsarbeit imUnternehmen, Chefs müssten im Sinne der Glaubwürdigkeit auch kritische Töne aushalten,wirklichen Dialog zulassen … und so weiter. Sie müssen nicht, und sie tun es nicht. So bringt dieAnalyse selbst gut gemachter Mitarbeitermagazine immer das gleiche Ergebnis: Zum Beispiel dieseitenlangen Interviews über Unternehmensstrategie in einer unsäglichen Managementsprache. Dageht eben kein Journalist kritisch dazwischen, die Fragen sind erkennbar Formalität, sie liefern dieStichworte für die Antworten.

Die Mitarbeiter sind nicht dumm, sie merken, wenn ein Interview eigentlich ein Monolog ist, wennder Rückblick aufs vergangene Jahr die Probleme ausspart, wenn die Entwicklungsabteilung ihreArbeit hochjubelt, obwohl die Konkurrenz technisch um Jahre voraus ist. Sie fühlen sich auf denArm genommen, wenn Reportagen aus der Arbeitswelt Idyllen schildern, denn sie kennen dieWirklichkeit. Sie sehen ja, dass sie selber zwar als bunter Content im Blatt erwünscht sind – von derFußballmannschaft bis hin zum Literaturzirkel am Feierabend, aber nicht als verantwortlichmitdenkende Mitarbeiter, die auch konstruktive Kritik üben.

Die Mitarbeiter wissen durchaus, was Journalismus ist, und sehen, wo Journalismus vorgetäuscht

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wird. Gerade die Printmedien – das ist der Kern des Problems – stehen ja für eine kulturelleTradition: Sie decken auf, kritisieren, schildern auch Aspekte der Realität, die nicht schön und nichterfreulich sind. Das ist wohlgemerkt nur ein Teil des Themenmixes klassischer Zeitungen undZeitschriften – wo er aber völlig fehlt, ist das Verdikt glasklar: ein Käseblättchen!

Schuld daran haben nicht die Redakteure dieser Blätter – sie wissen am besten um die Achillesverseund sind trotzdem auf ihren Job angewiesen. Den Vorstandsvorsitzenden unterbrechen, um Kürzeund Verständlichkeit anzumahnen, um die kritischen Fragen der Mitarbeiter zu stellen – das machtniemand mehr als einmal. Schuld haben auch nicht immer die Verantwortlichen in denFührungsetagen: Vorstandsvorsitzende, die eine kritisches Mitarbeitermedium aus Überzeugungtolerieren wollten, habe ich selbst kennengelernt. Es hat nicht viel geholfen, in der zweiten oderdritten Managementreihe wollen viele es nicht.

Organisationen in Deutschland (und wohl auch anderswo), wie sie heute beschaffen sind, halteneine Mitarbeiterpublizistik mit selbst kontrollierter Meinungsfreiheit, halten ein ernsthaftdialogorientiertes Medium nicht aus. Womit die Frage nicht geklärt ist, ob ein solches Medium denNutzen bringen könnte, für den das Unternehmen Geld ausgibt: Veränderungsprozesse begleiten,Mitarbeiter motivieren und die Identifikation mit dem Unternehmen fördern. Möglicherweise ja,aber der Beweis steht aus. Die wenigen ernsthaften Versuche waren selten von ausreichender Dauer,um belastbare Aussagen davon ableiten zu können.

Ich empfehle einen anderen Weg, der sich gerade in Hinblick auf die neuen technischenMöglichkeiten geradezu anbietet: den konsequenten Weg ins Netz. Das gedruckteMitarbeitermagazin muss deshalb nicht gleich ganz gestrichen werden. Es hat nach immer nochseine Berechtigung, nicht nur dort, wo größere Belegschaftsteile ihre Arbeitszeit nicht amSchreibtisch oder am Laptop verbringen. Aber es muss in seinen Aufgaben neu definiert und mit dermultimedialen Mitarbeiterkommunikation im Intranet eng verzahnt werden.

Fernsehformate eignen sich besser

Die Betonung liegt auf multimedial. Dass Information im Unternehmensnetz schnell und aktuell ist,ist richtig und wichtig und soll genutzt werden. Mitarbeiter überzeugen, motivieren und an dasUnternehmen binden kann man damit alleine nicht. Für den Transport emotionaler Botschaften sinddie Darstellungsformen des Fernsehens wesentlich besser geeignet als gedruckter Text. BewegtesBild und Ton – die Präsenz und Unmittelbarkeit von Menschen, die für da Unternehmen stehen,lassen sich heute recht unaufwändig nutzen. Video-Streams sinnvoll eingesetzt, sind sehr vielauthentischer – es muss nicht gleich richtiges Unternehmens-TV sein.

Das Live-Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden lässt sich viel unangestrengter hören als lesen,und wenn er eine halbwegs charismatische Persönlichkeit ist, wird er mit Mimik und Gestik einigesdavon über den Bildschirm bringen. Die Reportage aus der Arbeitswelt mit Kamera und Mikrofongibt das Gefühl, vor Ort mit dabei zu sein und wird deshalb viel unkritischer gesehen. Und selbstfür die Nachrichtengebung eröffnen sich mit bewährten TV-Formen wie NIF (Nachricht im Film)oder gestalteten Kurzbeiträgen neue Welten.

Das ganze Repertoire der Fernsehformate steht zur Verfügung – vom Magazin bis zur Talkshow.Und – hier schließt sich der Kreis – die Erwartungshaltung der Menschen gegenüber elektronischenMedien und ihre Nutzererfahrungen sind völlig andere als bei den Printmedien. KritischerJournalismus, Enthüllung und Analyse gehört hier viel weniger zum Kerngeschäft, sind zwar nichtausgeschlossen, werden aber auch nicht zwingend erwartet.

Keine Angst vor Web 2.0

Wo der Dialog mit den Mitarbeitern gesucht wird, empfiehlt es sich, über Kommentarfunktionennachzudenken und einen Blick auf Vor- und Nachteile des Mitarbeiter-Blogs oder des CEO-Blogszu werfen. Das alles mag mit Risiken behaftet sein, ist aber auch mit großen Chancen verbunden –und auf jeden Fall im geschlossenen Netz leichter im Griff zu behalten als alle früher oder später

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gescheiterten Versuche, über Printmedien den Dialog zwischen Unternehmensleitung undMitarbeitern zu suchen.

So liegt es auf der Hand, dass das Web mit seinen neuen, vielfältigen Möglichkeiten im Zentrumsteht. Für das gedruckte Magazin erwächst hieraus ein neues Selbstverständnis und eine neueFunktion: Sie wird im Kern zum „Programmheft” für das Angebot des Unternehmens im Netz. Wasaber keineswegs bedeutet, dass sie nur eine Hinweisfunktion hätte und weitgehend frei voneigentlichen Inhalten wäre. Im Gegenteil: Indem sie den Ballast anspruchsvoller journalistischerDarstellung von Inhalten abwirft, gewinnt sie auch Spielraum und Freiheiten. Für das ausführlicheVideo-Interview mit dem höchsten Boss wird sie auf dreißig bis fünfzig Zeilen durch eine knackigeund gute lesbare Zusammenfassung von Kernaussagen werben können. Auf die Reportage aus demMontagewerk macht sie vielleicht Lust mit einem kurzen Porträt einer Mitarbeiterin, die bei denDreharbeiten involviert war und von ihren Eindrücken erzählt. Und zu einem aktuellen Themaeinige originelle Blog-Beiträge zusammenzustellen, kann auch einen lesenswerten Text ergeben.

Um diese Kernfunktion des Programmhefts kann sich einiges an Rubriken ranken: von kurzen,knappen Service-Themen über Foto-Reportagen bis hin zu populären Erläuterung besondersabstrakter oder komplexer Themen, die durch gedruckten Text immer noch am besten undnachhaltigsten zu vermitteln sind. Es kommt eben darauf an, die unterschiedlichen Stärken vonPrint und neuen Online-Möglichkeiten sinnvoll zu nutzen. Näheres muss eine an der Situation eineskonkreten Unternehmens orientierte Konzeption klären.

Wenn Innovation und Veränderung nur gelingen, wenn sie den Mitarbeitern vermittelt werdenkönnen, heißt im Umkehrschluss: Kommunikationsprozesse sind in hohem Maße erfolgskritischund müssten in das Qualitätsmanagement einbezogen werden. In diesem Sinn wäre es interessant,wenn sich eine deutsche Gesellschaft für Qualität ein wenig stärker auch um die Qualität derKommunikationsprozesse in einem Unternehmen kümmern und Leitlinien dafür entwickeln würde.

Tags: Interne Kommunikation, Mitarbeiterzeitschrift, PR