Interview mit Rainer Link zu „Erfolgsfaktoren des IT-Lösungs- und Servicegeschäfts“

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Zur Person Als Mitglied des Vorstandes leitet Rainer Link, Jahrgang 1958, das branchenu ¨ber- greifende Gescha ¨ftsfeld „Application Ser- vices & Solutions“ der CSC Ploenzke AG, Wiesbaden. Sein Verantwortungsbereich umfasst u. a. die Durchfu ¨hrung von komple- xen IT-Großprojekten, die Entwicklung neu- er Lo ¨sungen und Produkte, die Beratung und die Systemintegration fu ¨r SAP-Finanz- dienstleistungen sowie E-Business. Rainer Link ist seit 1985 in der IT-Beratung ta ¨tig, zuna ¨chst freiberuflich vor allem fu ¨r Kunden aus dem Finanzdienstleistungssek- tor in Deutschland, Șsterreich und der Schweiz. 1989 kam er zum damaligen Stammunternehmen Ploenzke AG. WI: Welchen Profilierungsanforderungen sehen sich IT-Dienstleister gegenu ¨ berge- stellt? Link: Die Kunden mu ¨ ssen und wollen sich wesentlich sta ¨rker als in der Vergangenheit auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren und beno ¨ tigen daher von externen Spezia- listen qualita ¨tsgesicherte Services, um wie z. B. in der Automobilindustrie ihre Fertigungstiefe zu reduzieren und durch die Konzentration auf ihre eigenen Kern- prozesse erheblich leistungsfa ¨higer zu wer- den. Zur Befriedigung dieser Anspru ¨ che mu ¨ ssen wir ein Service-Portfolio mit um- fassenden, ganzheitlichen und integrierten IT-Dienstleistungen anbieten inklusive Outsourcing und Managed Services. Unter letzterem verstehen wir z. B. die intensive Betreuung von mehr oder weniger frei ver- wendbaren Diensten, etwa bei Datensiche- rungsaufgaben. Unter anderem suchen die Nachfrager spezielle Softwarelo ¨ sungen und -werkzeu- ge in ausgewa ¨hlten Marktsegmenten, z. B. bei Banken, Versicherungen und im Șffent- lichen Sektor. So erga ¨nzen wir beispielswei- se die SAP-Module um fachliche Kom- ponenten und Erga ¨nzungen, die im Standardfunktionsumfang nicht abgedeckt sind. Bei beiden Komponenten IT-Lo ¨ sun- gen und IT-Services erwarten unsere in- ternational ausgerichteten Kunden eine globale, ganzheitliche und professionelle Betreuung in allen La ¨ndern, in denen sie ta ¨tig sind. WI: Kaufen Sie selbst Vorprodukte und Leistungen in substanziellem Umfang ein? WIRTSCHAFTSINFORMATIK 45 (2003) 2, S. 127 130 Rainer Link CSC Ploenzke AG, Abraham-Lincoln-Park 1, 65189 Wiesbaden Interviewt von Wolfgang Ko ¨nig Prof. Dr. Wolfgang Ko ¨nig, Universita ¨t Frankfurt, Institut fu ¨r Wirtschaftsinformatik, Mertonstr. 17, 60054 Frankfurt am Main, E-Mail: [email protected] Interview mit Rainer Link zu „Erfolgsfaktoren des IT-Lo ¨sungs- und Servicegescha ¨fts“ WI – Interview

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Zur Person

Als Mitglied des Vorstandes leitet RainerLink, Jahrgang 1958, das branchenuber-greifende Geschaftsfeld „Application Ser-vices & Solutions“ der CSC Ploenzke AG,Wiesbaden. Sein Verantwortungsbereichumfasst u. a. die Durchfuhrung von komple-xen IT-Großprojekten, die Entwicklung neu-er Losungen und Produkte, die Beratungund die Systemintegration fur SAP-Finanz-dienstleistungen sowie E-Business.

Rainer Link ist seit 1985 in der IT-Beratungtatig, zunachst freiberuflich vor allem furKunden aus dem Finanzdienstleistungssek-tor in Deutschland, �sterreich und derSchweiz. 1989 kam er zum damaligenStammunternehmen Ploenzke AG.

WI: Welchen Profilierungsanforderungensehen sich IT-Dienstleister gegenuberge-stellt?

Link: Die Kunden mussen und wollen sichwesentlich starker als in der Vergangenheitauf ihre Kernkompetenzen konzentrierenund benotigen daher von externen Spezia-listen qualitatsgesicherte Services, um –wie z. B. in der Automobilindustrie – ihreFertigungstiefe zu reduzieren und durchdie Konzentration auf ihre eigenen Kern-prozesse erheblich leistungsfahiger zu wer-den. Zur Befriedigung dieser Anspruchemussen wir ein Service-Portfolio mit um-fassenden, ganzheitlichen und integriertenIT-Dienstleistungen anbieten – inklusiveOutsourcing und Managed Services. Unterletzterem verstehen wir z. B. die intensiveBetreuung von mehr oder weniger frei ver-wendbaren Diensten, etwa bei Datensiche-rungsaufgaben.Unter anderem suchen die Nachfrager

spezielle Softwarelosungen und -werkzeu-ge in ausgewahlten Marktsegmenten, z. B.bei Banken, Versicherungen und im�ffent-lichen Sektor. So erganzen wir beispielswei-se die SAP-Module um fachliche Kom-ponenten und Erganzungen, die imStandardfunktionsumfang nicht abgedecktsind.Bei beiden Komponenten – IT-Losun-

gen und IT-Services – erwarten unsere in-ternational ausgerichteten Kunden eineglobale, ganzheitliche und professionelleBetreuung in allen Landern, in denen sietatig sind.

WI: Kaufen Sie selbst Vorprodukte undLeistungen in substanziellem Umfang ein?

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 45 (2003) 2, S. 127–130

Rainer Link

CSC Ploenzke AG,Abraham-Lincoln-Park 1,65189 Wiesbaden

Interviewt von

Wolfgang Konig

Prof. Dr. Wolfgang Konig,Universitat Frankfurt,Institut fur Wirtschaftsinformatik,Mertonstr. 17,60054 Frankfurt am Main,E-Mail: [email protected]

Interview mit Rainer Link zu„Erfolgsfaktoren desIT-Losungs- und Servicegeschafts“

WI – Interview

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Link: Naturlich. Das ist notwendig, damitwir uns als weltweit agierendes Unterneh-men bezuglich Leistung und Preis hervor-ragend positionieren konnen, wobei wir al-lerdings sehr genau auf die Qualitat derLieferanten achten.Zum einen arbeiten wir sehr eng mit den

wichtigsten Herstellern von ERP-Syste-men und Hardware- sowie Software-Platt-formen zusammen. Hinzu kommt, dasswir in Projekten oft auch andere IT-Diensteister einbinden, die sich auf einenbestimmten Bereich spezialisiert haben unddort uber hervorragende Tiefenkenntnisseverfugen.Auch unsere Unternehmensentwicklung

– von Ploenzke uber CSC Ploenzke nun-mehr zu CSC – ist in diesem Zusammen-hang zu sehen. Die Internationalisierungunseres Hauses und damit verbunden derAufbau eines nun weltweit gespannten Lo-sungs- und Serviceportfolios erfolgte ubermehrere Jahre, verbunden mit entsprechen-den Investitionen. Umgekehrt waren dieseSchritte fur uns als vorher rein im deutsch-sprachigen Raum erfolgreiches Unterneh-men nur moglich, indem wir uns CSC an-geschlossen haben und deren weltweitvorhandene Kompetenz nun konsequentnutzen.

WI: Wird fur große internationale Kon-trakte seitens des Marktes eine Zusammen-arbeit mehrerer Outsourcingdienstleistergefordert?

Link: Das kommt nicht allzu haufig vor.Aber wenn es stattfindet, ist dies wegen desdamit zusammenhangenden Auftragsvolu-mens in der Regel wichtig und naturlichauch publikumswirksam. Generell unter-scheiden wir zwischen mehreren Formender Zusammenarbeit. So verlangt zum Bei-spiel das Pentagon als einer unserer zentra-len Kunden in den USA in einzelnen Pro-jekten, dass bestimmte Teile des Auftragsvon spezifischen Anbietern erbracht wer-den sollen, die in diesem Bereich ihreKernkompetenz haben. Ein anderes Bei-spiel ist, dass große Industrieunternehmenbewusst das Risiko zwischen zwei oder garmehreren Anbietern aufteilen oder aber diespezifischen Starken verschiedener Kon-sortialpartner gezielt ausnutzen wollen.Daruber hinaus kommen derartige Koope-rationen in Betracht, um bei sehr großenAuftragsvolumen die geforderte Leistungs-fahigkeit mit den entsprechenden Ressour-cen auch tatsachlich zu stemmen. Beispiels-weise haben wir mit zwei weiterenOutsourcinganbietern zur Bedienung eines

Kunden eine gemeinsame Alliance Groupgebildet.

WI: Ein moglicher Erfolgsfaktor beim Out-sourcing ist die �bernahme von Personalund Systemen des Kunden, damit dieserzum Beispiel seine Kostensenkungsziele er-reichen kann. Welche Erfahrungen habenSie mit Blick auf dieses Personal in IhremHaus machen konnen?

Link: Das Thema Personal ist bei jedemOutsourcinggeschaft sehr sensibel und ver-langt daher eine hohe Aufmerksamkeit.Wir haben einen eigenstandigen Vorstands-bereich etabliert, der die Verantwortungfur Outsourcing in Zentraleuropa wahr-nimmt. Grundsatzlich ist es von hoherWichtigkeit, dass die Mitarbeiter, die wirubernehmen, uns akzeptieren und bereitsind, sich voll in CSC und unsere Kulturzu integrieren. Diese Prozesse, die nichtvon heute auf morgen zu realisieren sind,kosten naturlich Geld und Zeit – und dasunter dem Druck, dass wir den Nutzen desKunden durch das Outsourcing sehrschnell heben mussen und dies aus eigenemInteresse naturlich auch wollen. Aufgrunddieses Zielkonflikts kann es durchaus vor-kommen, dass in fruhen Phasen des Out-sourcingprozesses die verschiedenen Inte-ressen nicht immer in Einklang stehen.Nach unseren Erfahrungen ist aber

durch differenzierte Personalmaßnahmenein Ausgleich schnell moglich. Tatsachlichbeginnen wir bereits in der Angebotsphase– gleichwertig zu den fachlichen, tech-nischen und betriebswirtschaftlichen Ana-lysen – mit dem so genannten Transitions-prozess fur die Mitarbeiterintegration, wasam Markt und von den Betroffenen sehrgut bewertet wird. Nicht umsonst hat CSCbeispielsweise im Jahr 2001 vom US-Maga-zin Outsourcing Journal den Best Transiti-on Award fur das Outsourcinggeschaft mitBath Iron Works erhalten. Und die Zahlenzeigen, dass de facto 95% der Mitarbeiteraus dem alten Unternehmen zu uns kom-men und die Fluktuationsrate uber den ge-samten Zeitraum nur bei insgesamt zehnbis zwolf Prozent liegt.

WI: Welche Karrierewege schlagen dieubernommenen Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter in Ihrem Haus ein?

Link: Wir haben die Zahlen auch aus Eigen-interesse vor kurzem analysiert. Sie zeigen,dass in CSC Deutschland von den uber-nommenen Mitarbeitern weit uber zehnProzent Karriere gemacht haben. Der etwas

großere Teil dieser Kollegen hat Fuhrungs-positionen im Management erobert, der et-was kleinere Teil hat sich fachlich entspre-chend entwickelt. Auf die globale Ebenesind die Zahlen noch besser. Circa 50%unseres Topmanagements in den USA undEuropa kamen uber Outsourcinggeschafteoder Akquisitionen zu CSC. Fur die Mit-arbeiter bieten sich also vielfaltige Karriere-moglichkeiten, nicht nur auf nationalerEbene, sondern auch weltweit.

WI: Mit welchen Maßnahmen schaffen Siees, die hinzugewonnen Fahigkeiten undFertigkeiten gezielt nutzbar zu machen?

Link: Personen haben unterschiedlicheVorlieben bezuglich Arbeitszeiteinteilungund Arbeitsstil. Diesen Profilen tragen wirim Einklang mit den ProjektanforderungenRechnung.Wir bilden die Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter – wenn es notwendig ist – zu-satzlich aus und versuchen, dem Einzelnenin unserem großen Netzwerk kunden- undauch Back-Office-bezogen ein attraktivesArbeitsgebiet zu eroffnen. Aber im We-sentlichen mochten wir das Know-how derubernommenen Mitarbeiter voll nutzen.Zu diesem Zweck bundeln wir verschiede-ne Anwendungsplattformen unserer Out-sourcingkunden und -kontrakte in Appli-cation Delivery Centers, um dort dieFahigkeiten der Mitarbeiter fur unter-schiedliche Kunden zur Verfugung zu stel-len und so die Produktivitat in der Leis-tungserbringung zu optimieren. Damitsenken wir auch die Kosten.In diesem Zusammenhang ist unser eige-

nes Unternehmenswachstum ein wichtigesArgument. Von den 65.000 Mitarbeiterin-nen und Mitarbeitern von CSC weltweithaben wir etwa ein Drittel durch Outsour-cingkontrakte gewonnen. Sie sind ein we-sentlicher Bestandteil unserer Wachstums-strategie.

WI: Wollen Sie in den nachsten funf Jahrenweiterhin mit 5% p. a. wachsen?

Link: Grundsatzlich ja, auch wenn wir ver-schiedene Wachstumsarten unterscheidenmussen. Im Bereich Consulting and SystemIntegration (C þ SI) sprechen wir von ei-nem handverlesenen, kontrollierten, wennSie so wollen: qualitativen Wachstum.Experten-Know-how werden wir auchweiterhin an Bord nehmen. Fur die Out-sourcing-Application-Services und Infra-struktur-Services werden wir das quantita-tive Wachstum durch die Akquisition von

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Outsourcingkontrakten verfolgen. Natur-lich ubernehmen wir aus diesem Bereichauch Leute in das C þ SI-Geschaft.

WI: Bei einem solchen Wachstum entstehenlaufend Aufgaben, neues Personal einzu-gliedern und zu produktivieren. Wie be-waltigen Sie diese?

Link: Wir mussen, um das große Synergie-potenzial im CSC-Verbund zu realisieren,viel Aufwand in die Harmonisierung inves-tieren. Wir konnen nicht das, was wirdurch Akquisitionen gewonnen haben,einfach nebeneinander stehen lassen. Viel-mehr brauchen wir – vereinfacht aus-gedruckt – eine gemeinsame Sprache undeine gemeinsame Unternehmens- und Leis-tungskultur. Global gultige Regeln undMethoden helfen beispielsweise im BereichC þ SI, dass unsere amerikanischen, eng-lischen und deutschen Einheiten bei gewis-sen Begriffen und Bezeichnungen das Glei-che verstehen. Diesen Weg gehen wir, auchwenn er manchmal aufwandig ist.

WI: Unabhangig von Wachstum und Per-sonalintegration besteht eine Aufgabe wohldarin, bei den hauseigenen Prozessen Sy-nergien zu heben, um zu geringeren Stuck-kosten zu kommen. Realisieren Sie hierzueine Integration von Applikationen uberverschiedene Klienten?

Link: Nein, wir integrieren nicht in die-ser Form, sondern wir bundeln dasKnow-how fur die Wartung und Ent-wicklung von gleichartigen Applikationenin den eben schon erwahnten ApplicationDelivery Centers. �ber sie bedienen wirmehrere Kunden, fur die fachlich undtechnisch gleichartige Leistungen zu er-bringen sind. Gleichzeitig haben wir da-mit eine einheitliche Schnittstelle zu denjeweiligen Softwarelieferanten, weil derverantwortliche Application Delivery Ma-nager die technisch-wirtschaftlichen De-tails wieder fur unsere einzelnen Kundenzusammenfuhrt. So erzielen wir den an-gestrebten Produktivitats- und Kostenein-sparungseffekt, indem wir die Kompeten-zen unserer Mitarbeiterinnen undMitarbeiter mehrfach verwenden, sie da-mit im Unternehmen halten und ihreKarriere aufbauen.

WI: Inwieweit ist Sicherheit ein Erfolgs-faktor im Outsourcing?

Link: Dies hangt von den Kunden ab.Grundlage ist das funfstufige Prozess-Le-

vel-Modell gemaß SEI/CMM. Aufgrundunserer militarischen und staatlich-hoheit-lichen Aufgabenfelder vor allem in denUSA haben wir die Zertifizierung fur Levelfunf, also die hochsten Sicherheits- undVerfugbarkeitsanforderungen, die bei-spielsweise von der NATO verlangt wer-den.Fur rein wirtschaftlich orientierte Unter-

nehmen reicht erfahrungsgemaß die Stufedrei oder vier aus. Hier spielen auch dieKosten eine Rolle, denn je hoher die Si-cherheitsstufe bzw. der Service-Level ge-wahrleistet wird, umso teuerer ist derBetrieb, was wiederum die Kosteneinspa-rungsziele negativ beeinflusst. Deswegenmuss man den aktuell richtigen Service-Level auswahlen und bei steigenden Kun-denanforderungen jederzeit in der Lagesein, die Sicherheit nach oben zu skalieren.Dadurch, dass wir alle Prozesse fur diehochste Sicherheitsstufe verfugbar haben,konnen wir diese bei Bedarf sehr schnelleinsetzen und an die aktuellen Kunden-wunsche anpassen.

WI: Welchen Stellenwert nimmt aus IhrerSicht die Verfugbarkeit und der Betriebvon weltweit vernetzten Rechenzentrenein?

Link: Der Multi-Rechenzentrumsbetriebist ein ganz wesentlicher Erfolgsfaktor,weil die großen internationalen Unterneh-men in der Regel uber mehrere Haupt-rechenzentren in verschiedenen Erdteilenoder auch in Europa verfugen. Das Ma-nagement eines solchen Netzwerks stelltsubstanziell andere Anforderungen an dieBetreiber als der Betrieb eines einzelnengroßen Rechenzentrums. Neben Fragender gegenseitigen Ausfallsicherung ist zumBeispiel zu klaren, an welchem Ort ichsinnvollerweise welche Applikation fahreund wie dies mit den Wartungszyklen zukoordinieren ist.

WI: Sie ubernehmen Rechenzentrumsinfra-strukturen von Ihren Kunden. Die dort be-obachtbare – und auch fur die wirtschaftli-che Beurteilung des Vertrags sehrerwunschte – sofortige Verbesserung derBilanz fuhrt bei Ihnen zu hohen Finanzie-rungsbedarfen. Wie losen Sie dieses Pro-blem?

Link: Im Kern gibt es hierzu zwei An-satzpunkte: Zum einen sind Outsourcing-vertrage in der Regel uber lange Zeitrau-me angelegt, mindestens funf, haufig zehnund bisweilen sogar zwanzig Jahre, wobei

auf dem hart umkampften Markt meist abdem dritten oder vierten Jahr erstmals ein�berschuss erzielt wird. Insofern spre-chen wir von einer Zwischenfinanzierungder zu ubernehmenden Rechenzentrums-infrastruktur. Aber klar ist: Auch dieskostet Geld und angesichts der im Ver-gleich zum C þ SI-Geschaft geringerenMargen ist eine umfassende Kalkulationeinschließlich der Berucksichtigung ziel-fuhrender Finanzierungsmodelle umsowichtiger. CSC-weit sind entsprechendeGenehmigungsprozesse definiert, die inte-graler Bestandteil der Angebots- und Ver-einbarungsphase sind. Deshalb haben wirin jungster Vergangenheit auch einigeOutsourcinggelegenheiten nicht weiter-verfolgt, da sie sich fur uns nicht gerech-net hatten.

WI: Bezogen auf die gesamte Laufzeit desOutsourcingvertrags?

Link: Ja, bezogen auf die gesamte Lauf-zeit. Alle uber die Jahre anfallenden Kos-ten- und Ertragsbestandteile eines Vertragssind sehr genau zu kalkulieren und vor al-lem im Zeitablauf zu kontrollieren. Derhier zu Grunde liegende Due-Diligence-Prozess muss sehr sorgfaltig durchgefuhrtwerden.

Zuruck zu der Frage nach Losungsansat-zen fur das Finanzierungsproblem: Wir ar-beiten zum zweiten mit Finanzierungs-unternehmen zusammen. Ein Beispiel istdas in der �ffentlichkeit vielfach diskutier-te Bundeswehrprojekt Herkules: Solltenwir den Zuschlag erhalten, werden wir miteiner deutschen Großbank die Finanzie-rung der zu ubernehmenden Assets regeln.Wir wollen auch weiterhin ein exzellentesKreditrating haben – dies ist fur den Out-sourcingmarkt einer der entscheidendenWettbewerbsfaktoren.

WI: Demgegenuber scheint das C þ SI-Geschaft weniger riskant zu sein, oder?

Link: Vordergrundig gesehen ja, tatsachlichnein. Als risikoarm wird verschiedentlichhochstens das aufwandsbasierte Unterneh-mensberatungsgeschaft angesehen, aberauch hier hatte eine Schlechtleistung erheb-liche negative Auswirkung auf das Imageder Firma am Markt.

Bei Systemintegrationsprojekten, dieprimar uber Werkvertrag und festpreisori-entiert abgewickelt werden, ubernimmt derSystemintegrator die Verantwortung undauch das wirtschaftliche Projektrisiko.Hinzu kommt, dass der Wettbewerb sich

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deutlich verscharft hat. Das Leistungsange-bot muss daher qualitativ und wirtschaft-lich sehr attraktiv sein, um am Markt beste-hen zu konnen. Entsprechend sind wirverpflichtet, „mit spitzem Bleistift“ zu kal-kulieren. Die Marge ist geschmolzen undbei Fehlkalkulationen ist der geringe Pufferschnell aufgezehrt.

WI: Fuhren Sie Mischkalkulationen durch,um uber prospektive C þ SI-Auftrage einOutsourcingprojekt mitzufinanzieren?

Link: Nein, das Outsourcing muss sich al-leine rechnen. Naturlich gibt es bei derschlussendlichen Entscheidung uber dieAngebotsabgabe neben den hart kalkulier-ten Fakten erganzende qualitative Ziele, diewir anstreben, etwa die intensive Partner-schaft zum Kunden und zu seinem Ge-schaftsnetzwerk sowie sich eroffnende Op-

tionen, wie z. B. additives Geschaft imC þ SI-Bereich. Aber das Outsourcingmuss sich isoliert betrachtet rechnen.

WI: Wie entwickelt sich der Outsourcing-markt im deutschsprachigen Raum in dennachsten Jahren?

Link: Im Outsourcingbereich werden wiruns in den nachsten Jahren in Zentraleuro-pa etwa bei funf bis zehn Prozent Wachs-tum p. a. bewegen. Die Unternehmen ste-hen unter einem derart hohen Kosten- undAbsatzdruck, dass die uber viele Jahre ge-pflegte emotionale Schwelle in SachenOutsourcing Schritt fur Schritt abgebautwird und eine zunehmende Gewohnung inRichtung Vergabe des Betriebs der IT-In-frastruktur und von Applikationen an ei-nen Lieferanten stattfindet. Wenn Unter-nehmen gedanklich noch nicht so weit

sind, besteht auch die Moglichkeit, im ers-ten Schritt Application-Outsourcing zubetreiben, also erst einmal die Wartungund den Betrieb bestimmter Anwendungs-systeme aus der Hand zu geben, um sichauf diese Art dem kompletten Outsourcingschrittweise zu nahern und dennoch deutli-che Kosteneinsparungseffekte zu erzielen,bei gleichzeitiger Reduktion der eigenenRessourcenbindung. Und sicher werdenUnternehmen als nachsten konsequentenSchritt in den kommenden Jahren nichtnur IT und Anwendungen auslagern, son-dern ganze Geschaftsprozesse, die nichtzum Kerngeschaft gehoren. Dieses Busi-ness-Process-Outsourcing findet in denUSA und Großbritannien bereits verstarktstatt.

WI: Herzlichen Dank fur das Gesprach.

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