Jelisejewski-Kaufhaus am Putin eröffnet Werke von Typisch ... · PDF fileDie Ortschaft...

7
Das 200-Jahre-Ju- biläum der Deutschen Kolonie Strelna ging mit einem Festtag am Schauplatz zu Ende. Mit einer traurigen und gleichzeitig festlichen Note begann der Tag: die Einweihung des Denkmals an die Grün- der der Kolonie beim lutherischen Friedhof unweit des Dorfs Gor- bunki, das gleichzeitig Geburt und Untergang der Kolonie symboli- siert. Von Eugen von Arb Aman, Brenner, Kraubner, Eidemüller, Schäfer, … so hiessen die Pionier-Fami- lien, die in den Stein gemeis- selt wurden. Für manche Abkömmlinge, die extra für das Jubiläum aus dem Ausland angereist waren, begann an diesem Tag eine Ahnensuche zwischen den Grabsteinen. Wege und Marmorplatten wurden freigewischt, Namen und Jahreszahlen entziffert. Noch sind bei weitem nicht alle Schicksale der hier bei- gesetzten Menschen erfor- scht. Die Kolonie selbst gibt es nicht mehr, 1941/42 wurde sie endgültig ausgelöscht – ihre Menschen und ihre Häuser. Nach dem Überfall von Hitlerdeutschland auf die Sowjetunion wurden die letzten Deutschen, die den stalinistischen Terror bis dahin überlebt hatten, nach Sibirien oder nach Kasach- stan deportiert oder flohen ins belagerte Leningrad. Wer hinter die deutsche Front geriet, wurde mehr oder weniger freiwillig als “Volksdeutscher” in den be- setzten polnischen Gebieten angesiedelt oder wurde zur Wehrmacht eingezogen. Die Ortschaſt Strelna lag während der Schlacht um Leningrad in der Kampf- zone, wo kein Stein auf dem anderen blieb. Lediglich die Ruine des Altersheims der Kolonie hat den Krieg über- standen. Trotz der Repressionen von russischer Seite hielten viele Strelna-Deutsche loyal zur Sowjetunion. So leisteten beispielsweise die beiden jungen Männer Andrei Steinmüller und Rumjanzew als Partisanen Widerstand – doch wurden sie schon bald von den Deutschen gefasst und in Strelna gehängt. Ein Alexander Aman brach 1942 aus einem Arbeitslager im “Warthegau” aus, schlug sich über Frankreich nach England durch, woher er 1944 als Soldat nach Hol- land kam und eine Hollän- derin heiratete. Seine Töch- ter nahmen am Juliäumsfest teil. Fortsetzung Seite S.2 >>> Strelna: fröhliches Jubiläum der Russland- deutschen vor tragischem Hintergrund Tanzte auf der Uferpromenade von Strelna: die Folkloregrup- pe “Folklore-Wagen”. Bild: Eugen von Arb/SPB-Herold Stadtnachrichten S. 2 >>> Jelisejewski-Kaufhaus am Newski neu vermietet Stadtnachrichten S. 4 >>> Machtübernahme per Waffengewalt bei Lenta Kultur S. 5 >>> Skandal bei TEFI- Preis-Verleihung Wirtschaſt S.10/11 >>> Putin eröffnet Werke von Hyundai und Magna Vermischtes S. 7 >>> Typisch Russland: Staats- bürokratie teilprivatisiert www.spzeitung.ru Die deutschsprachige Zeitung zum Leben in Piter Nach 14 Jahren Exi- stenz musste das Res- taurant “La Strada” an der Bolschaja Konju- schenaja die “Austrin- kete” ankündigen. mm.- Sein Gründer Jean-Luc Hildebrand kam während der wilden Neunzigerjahre nach St. Petersburg als hier im Geschäſtsleben noch Faustrecht herrschte und es eine echte Pioniertat war, ei- nen Betrieb oder ein Lokal zu eröffnen. Nachdem er zwei Jahre lang bei anderen Gas- tro-Projekten in der Stadt Erfahrungen gesammelt hatte, eröffnete er 1996 das “La Strada”. Die Pizzeria war wegen seiner gleichbleibend guten Küche beliebt beim russischen und beim Schwei- zer Publikum. Praktisch seit der Eröffung trafen sich hier die Auslandschweizer, und schliesslich wurde der regel- mässige monatliche Schwei- zer Treff eingeführt. Der lose Monatstreff erwies sich als beständiger als der offizielle “Schweizer Klub”, der zwei- mal gegründet wurde, aber beide Male nach kurzer Zeit wieder verschwand. Hin und wieder besuchten sogar sehr prominente Schweizer das “La Strada” – zum Beispiel 2006 der SVP-Bundesrat Christoph Blocher. Parallel dazu gründete Hildebrand zusammen mit seinem öster- reichischenGeschäſtspartner Sepp Dendl andere Restau- rantbetriebe. Unter anderem baute er das verrufene “1001 Nacht” zum edlen “Kalif” um und zeigte sich in vielen Dingen als Pionier. Zum Beispiel bot er seinen Gästen als erster Wasserpfeifen an. Neben der ersten Schweizer Generalkonsulin Madeleine Lüthi in St. Petersburg galt Hildebrand dank seiner Er- fahrung und seinem guten Kontaktnetz als Dreh- und Angelpunkt der kleinen Schweizer Wirtschaſt in der Metropole. Neben dem Gas- tro-Bereich stieg Hildebrand vorübergehend ins Bauge- schäſt ein und verkauſte über die Firma “Swiss Construc- tion” Schweizer Chalets an russische Kunden. Die Zei- ten haben sich geändert, die Zahl der Restaurants im Pe- tersburger Zentrum hat sich während der letzten Jahre vervielfacht. Der Umstand, dass das “La Strada” zu ei- nem Teil in einem Innenhof und zum anderen Teil im Gebäude des benachbarten eater “Estrada” unterge- bracht ist, hat zu Problemen mit den Vermietern geführt. Darum haben sich Jean-Luc Hildebrand und seine Frau Natalia dazu entschlossen, das Restaurant zu schliessen und mit der Familie in die Schweiz umzuziehen. Wo der verwaiste Schweizer Treff in Zukunſt stattfinden wird, ist noch nicht bekannt. Das “La Strada” schliesst - ein Schweizer Treffpunkt mit Geschichte Gruppenfoto mit Bundesrat : Christoph Blocher, Jean-Luc und Natalia Hildebrand. Bild: Eugen von Arb/SPB-Herold August/September 2010 (Nr. 19)

Transcript of Jelisejewski-Kaufhaus am Putin eröffnet Werke von Typisch ... · PDF fileDie Ortschaft...

Page 1: Jelisejewski-Kaufhaus am Putin eröffnet Werke von Typisch ... · PDF fileDie Ortschaft Strelna lag während der Schlacht um Leningrad in der Kampf-zone, wo kein Stein auf dem anderen

Das 200-Jahre-Ju-biläum der Deutschen Kolonie Strelna ging mit einem Festtag am Schauplatz zu Ende. Mit einer traurigen und gleichzeitig festlichen Note begann der Tag: die Einweihung des Denkmals an die Grün-der der Kolonie beim lutherischen Friedhof unweit des Dorfs Gor-bunki, das gleichzeitig Geburt und Untergang der Kolonie symboli-siert.

Von Eugen von ArbAman, Brenner, Kraubner, Eidemüller, Schäfer, … so hiessen die Pionier-Fami-lien, die in den Stein gemeis-

selt wurden. Für manche Abkömmlinge, die extra für das Jubiläum aus dem Ausland angereist waren, begann an diesem Tag eine Ahnensuche zwischen den Grabsteinen. Wege und Marmorplatten wurden freigewischt, Namen und Jahreszahlen entziffert. Noch sind bei weitem nicht alle Schicksale der hier bei-gesetzten Menschen erfor-scht.Die Kolonie selbst gibt es nicht mehr, 1941/42 wurde sie endgültig ausgelöscht – ihre Menschen und ihre Häuser. Nach dem Überfall von Hitlerdeutschland auf die Sowjetunion wurden die letzten Deutschen, die den stalinistischen Terror bis dahin überlebt hatten, nach

Sibirien oder nach Kasach-stan deportiert oder flohen ins belagerte Leningrad.Wer hinter die deutsche Front geriet, wurde mehr oder weniger freiwillig als “Volksdeutscher” in den be-setzten polnischen Gebieten angesiedelt oder wurde zur

Wehrmacht eingezogen. Die Ortschaft Strelna lag während der Schlacht um Leningrad in der Kampf-zone, wo kein Stein auf dem anderen blieb. Lediglich die Ruine des Altersheims der Kolonie hat den Krieg über-standen.

Trotz der Repressionen von russischer Seite hielten viele Strelna-Deutsche loyal zur Sowjetunion. So leisteten beispielsweise die beiden jungen Männer Andrei Steinmüller und Rumjanzew als Partisanen Widerstand – doch wurden sie schon bald von den Deutschen gefasst und in Strelna gehängt. Ein Alexander Aman brach 1942 aus einem Arbeitslager im “Warthegau” aus, schlug sich über Frankreich nach England durch, woher er 1944 als Soldat nach Hol-land kam und eine Hollän-derin heiratete. Seine Töch-ter nahmen am Juliäumsfest teil.Fortsetzung Seite S.2 >>>

Strelna: fröhliches Jubiläum der Russland-deutschen vor tragischem Hintergrund

Tanzte auf der Uferpromenade von Strelna: die Folkloregrup-pe “Folklore-Wagen”. Bild: Eugen von Arb/SPB-Herold

Stadtnachrichten S. 2 >>>Jelisejewski-Kaufhaus am Newski neu vermietet

Stadtnachrichten S. 4 >>>Machtübernahme per Waffengewalt bei Lenta

Kultur S. 5 >>>Skandal bei TEFI-Preis-Verleihung

Wirtschaft S.10/11 >>>Putin eröffnet Werke von Hyundai und Magna

Vermischtes S. 7 >>> Typisch Russland: Staats-bürokratie teilprivatisiert

www.spzeitung.ruDie deutschsprachige Zeitung zum Leben in Piter

Nach 14 Jahren Exi-stenz musste das Res-taurant “La Strada” an der Bolschaja Konju-schenaja die “Austrin-kete” ankündigen.

mm.- Sein Gründer Jean-Luc Hildebrand kam während der wilden Neunzigerjahre nach St. Petersburg als hier im Geschäftsleben noch Faustrecht herrschte und es eine echte Pioniertat war, ei-nen Betrieb oder ein Lokal zu eröffnen. Nachdem er zwei Jahre lang bei anderen Gas-tro-Projekten in der Stadt Erfahrungen gesammelt hatte, eröffnete er 1996 das “La Strada”. Die Pizzeria war wegen seiner gleichbleibend guten Küche beliebt beim russischen und beim Schwei-

zer Publikum. Praktisch seit der Eröffung trafen sich hier die Auslandschweizer, und schliesslich wurde der regel-mässige monatliche Schwei-zer Treff eingeführt. Der lose Monatstreff erwies sich als beständiger als der offizielle

“Schweizer Klub”, der zwei-mal gegründet wurde, aber beide Male nach kurzer Zeit wieder verschwand. Hin und wieder besuchten sogar sehr prominente Schweizer das “La Strada” – zum Beispiel 2006 der SVP-Bundesrat

Christoph Blocher. Parallel dazu gründete Hildebrand zusammen mit seinem öster-reichischen Geschäftspartner Sepp Dendl andere Restau-rantbetriebe. Unter anderem baute er das verrufene “1001 Nacht” zum edlen “Kalif” um und zeigte sich in vielen Dingen als Pionier. Zum Beispiel bot er seinen Gästen als erster Wasserpfeifen an.Neben der ersten Schweizer Generalkonsulin Madeleine Lüthi in St. Petersburg galt Hildebrand dank seiner Er-fahrung und seinem guten Kontaktnetz als Dreh- und Angelpunkt der kleinen Schweizer Wirtschaft in der Metropole. Neben dem Gas-tro-Bereich stieg Hildebrand vorübergehend ins Bauge-schäft ein und verkaufte über

die Firma “Swiss Construc-tion” Schweizer Chalets an russische Kunden. Die Zei-ten haben sich geändert, die Zahl der Restaurants im Pe-tersburger Zentrum hat sich während der letzten Jahre vervielfacht. Der Umstand, dass das “La Strada” zu ei-nem Teil in einem Innenhof und zum anderen Teil im Gebäude des benachbarten Theater “Estrada” unterge-bracht ist, hat zu Problemen mit den Vermietern geführt.Darum haben sich Jean-Luc Hildebrand und seine Frau Natalia dazu entschlossen, das Restaurant zu schliessen und mit der Familie in die Schweiz umzuziehen. Wo der verwaiste Schweizer Treff in Zukunft stattfinden wird, ist noch nicht bekannt.

Das “La Strada” schliesst - ein Schweizer Treffpunkt mit Geschichte

Gruppenfoto mit Bundesrat : Christoph Blocher, Jean-Luc und Natalia Hildebrand. Bild: Eugen von Arb/SPB-Herold

August/September 2010 (Nr. 19)

Page 2: Jelisejewski-Kaufhaus am Putin eröffnet Werke von Typisch ... · PDF fileDie Ortschaft Strelna lag während der Schlacht um Leningrad in der Kampf-zone, wo kein Stein auf dem anderen

Stadtnachrichten Seite 2

eva.- In Petersburg ist der Herbst eingezogen - eine schöne Ausgabe der goldenen Jahreszeit mit niedrigen Temperaturen, aber stabilem und klarem Wetter, das Lust auf einen Spaziergang im nächtgelegenen Park oder auf eine Fahrt zu einer der Zarenresidenzen um Petersburg macht: Puschkin, Pawslowsk oder Peterhof. Der frühe Kälteinbruch hat nicht nur die vielversprechende Pilzsaison abgekürzt, sondern auch den Fernheizungsfahrplan durcheinander gebracht. Statt mitte Oktober wurde der Einschalttermin der Heizungssysteme auf die ersten Tage des Monats vorgezogen. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold

Ein strahlend goldener Herbst - kühl und klar

>>> Fortsetzung von Seite 1 - Strelnaeva.- Doch die Loyalität gegenüber dem Sowjetre-gime, die viele Russland-deutsche schon vor dem Krieg bewiesen hatten, wurde von russischer Seite wenig geschätzt. Wer als “Deutscher” nach dem Krieg zurückkam, geriet in die Mühlen des NKWD und danach ins Lager oder in die Verban-nung. Noch bis 1956 war es den Russlanddeutschen verboten, an ihre ange-stammten Gebiete in der Sowjetunion zurückzu-kehren.

Woher kommen wir?So verschieden ihre Schicksale auch waren – ihre Nachkommen inte-

ressieren heute dieselben Fragen: Woher kommen wir und zu wem gehören wir? Diese Entwurzelung kann jetzt wieder ein bis-schen gut gemacht werden – und das Fest war ein Auftakt dazu, die reiche Geschichte der Kolonie neu zu entdecken und zu schreiben. In bescheide-ner Auflage sind drei Pu-blikationen erschienen:

- “Der lutherische Friedhof der deutschen Kolonisten” (Irina Archiptschenko-Ei-demüller, herausgegeben vom Deutsch-Russischen Begegnungszentrum an der Petrikirche)

- “Die deutsche Kolonie in Strelna bei St. Petersburg” (Marina Lewitzkaja, eine

erweiterte Neuauflage des 2006 erschienen Buches)

- “Die Strelnaer Deutschen-Kolonie – Ausstellungska-talog zum 200-Jahre-Ju-biläum” (Elena Lebedewa und Irina Tscherkasjanowa)

Entdeckung des ge-meinsamen UrsprungsDas Fest war in erster Linie ein Treffen von Menschen gleichen Ursprungs, deren Vorfahren einst in direk-ter Nachbarschaft gelebt oder gearbeitet hatten.Gemeinsam freuten sie sich über Tänze und Ge-sänge der Folklore-En-semble “Folklore-Wagen” und “Nemezkaja Sloboda” aus Petrosawodsk und über die Ausstellung, die zum Jubiläum entstanden

war. Gemeinsam entdeck-te man seine Vorfahren auf alten Bildern aus dem Strelnaer Dorfleben.An der Feier, die vom Deutsch-Russischen Be-gegnungszentrum St. Petersburg koordiniert wurde, nahmen auch jene russlanddeutschen Nachkommen teil, die Ende Neunzigerjahre aus Kasachstan in die Sied-lung Neudorf Strelna um-gezogen waren.Ihre Häuser stehen in un-mittelbarer Nähe zur Son-derwirtschaftszone Strel-na, wo in den vergangenen Jahren Siemens-Bosch eine Fabrik für Haushalt-geräte eröffnet hat – auf andere Weise sind Deut-sche nach Strelna zurück gekehrt.

Jelisejewski-Kauf-haus am Newski

neu vermietet

eva.- Nach langer Zeit der Ungewissenheit wurde das Gebäude des populären Jelisejewski – Kaufhauses am Newski-Prospekt an die zum Baukonzern “Ada-mant” gehörende Firma OOO “Paritet” verpachtet. Für 21 Millionen Rubel (umgerechnet rund 518.000 Euro) wurde das denkmal-geschützte Gebäude, beste-hend aus drei Räumen mit einer Gesamtfläche von 996,6 Quadratmetern auf drei Etagen, für die kom-menden zehn Jahre an den neuen Nutzer vermietet.Die neue Mieterin wird das Lokal voraussichtlich als Restaurant nutzen, hat sich jedoch bei der Um-nutzung an strenge denk-malschützerische Auflagen zu halten. Die ursprünglich als Delikatessen-Geschäft gegründete Liegenschaft war 2007 für eine Renova-tion geschlossen worden.

Wechselstuben ab1. Oktober verboten

eva.- Ab Oktober müssen gemäss einer Weisung der russischen Zentralbank sämtliche Wechselstuben im Land geschlossen werden. Geld kann nur noch bei Banken gewechselt werden. Damit sollen illegale Geld- geschäfte eingeschränkt werden. Die Wechselstuben waren allem während der turbulenten Neunzigerjahre wichtig als mehr in Dollar gehandelt wurde. Damals existierten in Russland über 11.000 solcher Punkte. Of-fiziell hat sich ihre Zahl bis heute auf rund 600 gesenkt.

Vom Delikatessen-Ge-schäft zum Restaurant: das Jelisejewski-Kaufhaus.

August/September 2010 (Nr. 19)

Page 3: Jelisejewski-Kaufhaus am Putin eröffnet Werke von Typisch ... · PDF fileDie Ortschaft Strelna lag während der Schlacht um Leningrad in der Kampf-zone, wo kein Stein auf dem anderen

Fotogalerie Seite 3

Fest- und Gedenktag zum Jubiläum der Kolonie Strelna

August/September 2010 (Nr. 19)

Page 4: Jelisejewski-Kaufhaus am Putin eröffnet Werke von Typisch ... · PDF fileDie Ortschaft Strelna lag während der Schlacht um Leningrad in der Kampf-zone, wo kein Stein auf dem anderen

Stadtnachrichten Seite 4

Vom Haus Nr. 145 am Ligowsk i-Prospek t ist nur die Aussenfas-sade übrig geblieben. Wegen ungenügender Sicherheitsmassnahen stürzte der Innenbau in sich zusammen - eine Frau wurde schwer verletzt.

Von Eugen von ArbMit einem lauten Krach stürzten am 1. Septem-ber sämtliche Böden des achtstöckigen Hauses mit der Nummer 145 in sich zusammen. Die Fassade hielt, doch auch in den Aussenmauern entstanden deutliche Risse, die auf ei-nen möglichen komplet-ten Einsturz des Gebäudes hinwiesen. Glücklicherweise war das Gebäude im Moment der Katastrophe fast leer – sämtliche Personen wa-ren wegen der Renovati-onsarbeiten am Vortag evakuiert worden. Ledig-lich aus dem Geschäft im

Erdgeschoss mussten vier Personen geborgen wer-den, darunter eine Frau, die mit Rückenverletzun-gen ins Krankenhaus ein-geliefert werden musste, schreibt Fontanka.ru. 37 Personen aus dem Nach-barhaus wurden vorsorg-lich evakuiert.Als Grund für den Einsturz wird der Ausbau von schweren Safes an-gegeben, der am Montag

stattgefunden hatte. In dem Haus, wo früher auch Räume der Polizeiverwal-tung waren, hatten sich mindestens drei schwere Panzerschränke befunden. Schon in den Achtziger-jahren hatte man versucht, einen Panzerschrank aus der Zeit vor der Revolu-tion aus der dritten Etage abzutransportieren. Im Treppenhaus machte sich das tonnenschwere Möbel

jedoch selbstständig und raste in den zweiten Stock, wo es ein Loch in die Wand riss und womöglich schon damals das Gebäude de-stabilisierte.Vorläufig soll der übrige Bau nicht abgerissen wer-den, gab Vizegouverneur Igor Metelski nach einer Besprechung mit Bauex-perten bekannt. Dieser Entscheid könne jedoch geändert werden, falls

sich der Zustand der Aus-senfassade verschlechtere, fügte er hinzu. Bisher sei-en die Aussenmauern sta-bil geblieben, jetzt werde man das Gebäude durch Gegengewichte stabili-sieren und den Innenteil schrittweise vom Schutt befreien.Mittlerweile wurde der Ligowski-Prospekt wieder für den Verkehr freigege-ben, lediglich die Fahr-spur direkt vor dem Haus ist noch durch Krane und Bagger belegt.Gegen die Firma “OOO Wesk Energo”, die für den Umbau des Gebäudes verantwortlich ist, wurde ein Strafverfahren wegen Missachtung der Sicher-heitsvorschriften eingel-eitet. Trotz der Risse, die am 1. September bei der Demontage von Panzer-schränken entstanden waren, war das Haus nicht zusätzlich gesichert und der Laden nicht geräumt worden. (04.09.2010)

Etagen von 8-stöckigem Haus am Ligowski-Prospekt eingestürzt

Durch Sicherheitszone gegen die Strasse hin abgesichert: das Haus Nr. 145 am Ligowski.Bild: Eugen von Arb/SPB-Herold

Der abgelöste Lenta-Generaldirektor Jan Dunning hat seinen Nachfolger vor die Tür gesetzt - die Methode erinnert an die wilden Neunzigerjahre.

Von Eugen von ArbMit Waffengewalt gelang es dem ehemaligen Lenta-Generaldirektor Jan Dun-ning am 13. September sei-nen Platz im Petersburger Hauptquartier zurück zu erobern und seinen Kon-kurrenten Sergei Juschen-ko zu vertreiben.Nachdem der erste “Sturm” des Verwaltungsgebäudes von seinem Konkurrenten Sergei Juschenkos verei-telt werden konnte, traf Dunning am selben Tag mit einem bewaffneten Kommando an der Uliza Sawuschkina 112 ein und

verschaffte sich gewaltsam Eintritt zu seinem frühe-ren Arbeitsplatz.Wie bei einem militäri-schen Kommandounter-nehmen verwendeten die Privatsoldaten Tränengas und Nebelkerzen und drangen in deren Schutz zuerst in die Halle und dann in die Büroräume der Firma ein, deren Tü-ren teilweise aufgebrochen wurden. Nach Aussagen des Korrespondenten von

Fontanka.ru sollen wäh- rend der Übernahme auch Schüsse gefallen sein, und obschon offiziell niemand verletzt wurde, sollen ei-nige Personen mit Blutspu-ren gesehen worden sein.

Polizei griff nicht einDie Polizei, welche nach der Verhaftung der ersten Welle aus zirka 30 Perso-nen beschäftigt war, griff nicht ein, und umstellte erst nach Abschluss des

Unternehmens das Ge-bäude. Ausserdem liess Dunning den Hauptsitz durch private Wachleute sichern. Dunning, der die Aktionäre TGP Capital und WTB Kapital vertritt, entschuldigte sich gegenü-ber der Öffentlichkeit für das rabiate Vorgehen – er habe jedoch keine andere Wahl gehabt, um an seinen legitimen Posten zurück zu kehren. Der Verlierer die-ser Runde, der von Gros-saktionär August Meyer eingesetzte Sergei Juschen-ko, hat inzwischen eine Klage gegen seinen Kon-kurrenten bei der Staatsan-waltschaft eingereicht.Das Vorgehen Dunnings erinnert an die bewaffne-ten Firmenübernahmen während der Neunziger-jahre – so genannte “Rei-derskie Sachwati”. Der Konflikt zwischen den bei-

den Parteien hatte sich im Oktober 2009 entfacht, als der Aktionär Oleg Sche-rebzow nach Meinungs-verschiedenheiten mit dem Mehrheitsaktionär August Meier (40,6 Prozent) seine Anteile an TGP Capital (24 Prozent) und WTB Kapital (6 Prozent) verkaufte.Jan Dunning war der Kom-promiss-Kandidat nach dem Verkauf, der laut einer Vereinbarung zwischen den Eignern durch Sergei Juschenko abgelöst werden konnte, falls seine Arbeit nicht befriedige. Von die-ser Regelung macht Meier im Juli Gebrauch – doch die Gründe für Dunnings Entlassung waren umstrit-ten. Die Seite von TGP Capital und WTB Kapital klagten Dunnings Abset-zung vor Gericht an, un-terlag jedoch.

Machtübernahme mit Waffengewalt bei Lenta-Supermarktkette

Streiten um die Führung beim Supermarkt-Giganten Lenta: Jan Dunning und Sergei Juschenko.Bild: Lenta

August/September 2010 (Nr. 19)

Page 5: Jelisejewski-Kaufhaus am Putin eröffnet Werke von Typisch ... · PDF fileDie Ortschaft Strelna lag während der Schlacht um Leningrad in der Kampf-zone, wo kein Stein auf dem anderen

Kultur Seite 5

Kultur - Kurz

Dittchenbühne spielt “Sturmgeselle

Sokrates” pd.- Hermann Sudermann nennt sein Stück “Der Sturm- geselle Sokrates” eine Komödie, und tatsächlich gibt es eine Menge komische Situationen, die uns Vergnü-gen bereiten, weil die alten Sturmgesellen liebevoll karikiert werden. 1871 hatte die große Wende stattge-funden, das Deutsche Reich wurde gegründet und damit die feudale Kleinstaaterei abgeschafft. Das änderte an den Klassenunterschieden zunächst so gut wie gar nich-ts. An Stelle der Selbstherr- lichkeit der Fürsten trat die Kontrolle des Staates. Aber weiterhin gab es fürstliche Hoheiten und immer mehr armselige Arbeiterexistenzen. Hermann Sudermanns Stück spielt auf beinahe visionäre Weise bestimmte soziale und politische Entwicklungen an: Antisemitismus und über-steigerten Nationalismus - Themen, die auch heute aktuell sind.Der Regisseur Lars Cegleckiging 1990 nach seiner Schau- spielausbildung in Hamburg ans Altonaer Theater und wurde für zahlreiche Gast-spiel- und Tourneeproduk-tionen engagiert. Als Regis-seur arbeitete er seit 2003 in Hamburg u.a. am Theater an der Marschnerstraße , am Altonaer Theater, am Kleinen Hoftheater . Außer-dem arbeitet er als Autor und unterrichtet Schauspiel und Phonetik.

17. Oktober 18.00 Auf Deutsch. Dom molodjoshi “Rekord”, Sadovaja ul., 75. Eintritt frei.

Aus Protest lehnte der Regisseur Oleg Dor-man die Auszeichung ab und schrieb einen of-fenen Brief an die Jury.

eva.- Bei der Verleihung des “TEFI”-Awards im Peters-burger Michailowski-Theater am 26. September platzte ein Skandal um den Regisseur Oleg Dorman. Dieser boyko-tierte die Veranstaltung und liess stattdessen einen of-fenen Brief durch den Film-produzenten Felix Dekter verlesen, mit dem er die Tefi-Jury scharf kritisierte.Ein Teil des Gremiums, so Dorman, sei direkt dafür verantwortlich, dass die Do-kumentarreihe, für die er die Auszeichnung erhalten soll-te, während zehn Jahren bei sämtlichen russischen Fern-sehkanälen zurück gewiesen worden sei.Die 15-teilige Serie “Litera-rische Übersetzung”, die an-hand der Biografie der Über-setzerin Swetlana Lungina die russische Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts kritisch beleuchtet, war erst

im vergangenen Jahr dank dem Einfluss des Journa-listen Leonid Parfjonow im staatlichen Kanal “Rossia” ausgestrahlt worden und hatte durchwegs gute Kriti-ken erhalten.

“Moralische Katastrophe”Dorman nannte keine Na-men, sondern schrieb in sei-nem Brief, jene Leute in der Jury wüssten selbst, wen es beträfe.Sie, die damals die Aus-strahlung der Filmserie ver-hinderten, hätten nun kein Recht darauf, sie auszuzeich-nen. Sie nähmen ihr Publi-

kum nicht ernst und seien durch ihre TV-Politik mit-verantwortlich an der “mo-ralischen Katastrophe in der russischen Gesellschaft”. Sie hätten kein Recht, die Öffen-tlichkeit einem solchen Grad Vulgarität auszusetzen.Dorman nannte nur eine Person namentlich – Mi-chail Schwydkoi, der ehema-lige russische Kulturminister und jetzige Präsident der Fernseh-Akademie. In einem Artikel in der staat-lichen “Rossiiskaja Gaseta” hatte Schwydkoi die Serie gelobt, obschon er zu jenen gehörte, die das Projekt laut

Dorman früher torpediert hatten.Für weiteren Aufruhr sorg- te die Auszeichnung für die kritische Journalistin Ma-nana Aslamazyan, die den Preis für ihre beispielhafte Ausbildung von Fernsehleu-ten bei russischen Regional-sendern erhielt – jedoch bei der offiziellen Zeremonie totgeschwiegen wurde.Die in Armenien lebende Journalistin zeigte sich zwar enttäuscht über das Manöver, freute sich aber über die Aus-zeichnung und kündigte an, sie demnächst in Russland in Empfang zu nehmen.

Prämie mit schwindendem Ansehen: der TEFI. Bild: www.tefi.ru

Juri Gorbatschow ist ein “bunter Vogel”. Der ge-borene Russe zeigt Bilder, während 20 Jahren in den USA entstanden sind.

eva.- Bis am 10. November zeigt das städtische Skulp-turenmuseum eine Aus-stellung mit dem in New York lebenden Russen Juri Gorbatschow. Der bei St. Petersburg aufgewachsene Künstler gehört zu jenen Russen, die unmittelbar nach der Öffnung Russlands während den “Perestroika”-Jahren in den Westen aus-wanderten.Wie viele andere russische Künstler beeindruckt Gor-batschow sein Publikum mit der soliden Technik, die in seiner grösstenteils ge-genständliche Kunst erkenn- bar ist und die er sich wä-

hrend seiner Ausbildung am Leningrader Borowitschi-Keramik-Institut angeeig-net hat. Trotz klassischer Züge weicht Gorbatschow aber von herkömmlichen Techniken ab, indem er kostbare Metalle wie Gold

und Kupfer, sowie spezielle Lacke und Email darin ver-wendet.

Viele “Promis”besitzen seine BilderViele prominente Perso-nen, darunter Bill Clinton,

Wladimir Putin, Marcello Mastroiani, Mike Jagger und Brook Wills mögen die bunte und positive Bil-derwelt Gorbatschows und sammeln seine Werke.

80 Werke aus 20 JahrenAuch in die Sammlungen des Louvre, des Weissen Hauses, des Kremls und des Uno-Museums wurden sie aufgenommen.Die Ausstellung im Skulp-turenmuseum zeigt rund 80 Werke, die während der letzten zwanzig Jahre ent-standen sind – einige davon werden zum ersten Mal öf-fentlich ausgestellt.

10. November 16.00 Finis-sage. Ausstellungssaal des städtischen Skulpturenmu-seums, Newski Prospekt 179/2. Eintritt 50 Rubel. Тel. 314-12-14.

Kulturbrücke New York - St. Petersburg: Juri Gorbatschow

“Pfui-TEFI”– Skandal bei Fernsehpreisverleihung

Autor einer bunten und positive Bilderwelt: Juri Gorbat-schow. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold

August/September 2010 (Nr. 19)

Gesellschaftskritik humor-voll verpackt in Sudermanns “Sturmgeselle Sokrates”.

Page 6: Jelisejewski-Kaufhaus am Putin eröffnet Werke von Typisch ... · PDF fileDie Ortschaft Strelna lag während der Schlacht um Leningrad in der Kampf-zone, wo kein Stein auf dem anderen

Wirtschaft Seite 6

Premier Putin weihte zwei neue grosse Wer-ke der Automobilindu-strie ein - sie stehen für den Aufschwung nach der Krise.

rian.- Der südkoreanische Autokonzern Hyundai Mo-tor Company und der öster-reichisch-kanadische Auto-zulieferer Magna haben ihre Werk in St. Petersburg eröff- net. Bei der Hyundai-Fabrik handelt es sich um die erste Vollzyklus-Produktion eines ausländischen Autoherstel-lers in Russland.Bei der feierlichen Zeremo-nie war der russische Minis-terpräsident Wladimir Putin zugegen, der den Hyundai Solaris, ein extra für den rus-sischen Markt entwickeltes Modell, persönlich testete. Gemeinsam mit Hyundai-Chef Chung Mong-Koo fuhr Putin eine Runde durch die Produktionsanlagen des Werkes. Der Solaris wurde im August auf der Moskauer Automesse vorgestellt und soll im Januar 2011 in Serien-produktion gehen.Laut Chung Mong-Koo um-

fasst das Werk eine Fläche von rund zwei Millionen Quadratmetern und wird ungefähr 5.000 Mitarbeiter beschäftigen. Die Zuliefer-teile sollen zum Teil in Rus-sland hergestellt werden. Der Lokalisierungsgrad der Produktion soll bei 50 Pro-zent liegen. Hyundai schließt nicht aus, die in der Stadt an der Newa gefertigten Autos auch in andere Länder zu verkaufen.Der Bau des 500 Millionen Euro teuren Hyundai-Wer-kes in Sankt Petersburg hatte im Juni 2008 begon-nen. Ab 2012 sollen dort

jährlich 150.000 Fahrzeuge vom Band rollen. Dabei will Hyundai seine Lieferungen von fertigen Fahrzeugen nach Russland vorerst nicht beschränken und 2011 den Jahresumsatz auf dem russi-schen Markt Stück steigern. Im Zeitraum von Januar bis August 2010 verkaufte der südkoreanische Autoherstel-ler 53.282 Fahrzeuge in Rus-sland.Am selben Tag weihte Putin eine Produktionsstätte des österreichisch-kanadischen Autozulieferers Magna ein. Das 74 Millionen Euro teu-ere Werk soll Zulieferteile

für Hyundai, Volkswagen, Nissan und General Motors herstellen. Der Jahresumsatz ist mit 100 Millionen Euro geplant. Während der Zere-monie sicherte Putin Magna den weiteren Beistand der russischen Regierung zu.Magna kündigte ebenfalls am Dienstag an, ein weiteres Werk in Russland zu bauen. Die neue Produktionsstätte soll beim westrussischen Kaluga entstehen und Plas-tikteile, vor allem für den Volkswagen, herstellen, wie der Chef von „Magna Sankt Petersburg“, Alexander Na-wolozki, mitteilte.

Erste Vollzyklus-Produktion eines ausländischen Autoherstellers in Russland: Hyundai.Bild: Wikimedia Commons

In Russland gibt es nur wenige Beispiele für er-folgreiche Innovations-projekte – die russische Mobilinternetfirma Yota ist eines davon.

rian.- Vor zwei Jahren be-gann Yota mit dem Aufbau des ersten Wimax-Netzes in St. Petersburg, und diese Woche startete sie in Kasan ein Kommunikationsnetz der vierten Generation (LTE-Technologie).Wie die Zeitung „Kom-mersant“ schreibt, eröffnete Yota vor kurzem eine Nie-derlassung in London und erobert allmählich auslän-dische Märkte. Erfolge sind bereits in Nicaragua zu ver-zeichnen. Zudem will Yota 4G-Netze in Weißrussland und Peru aufbauen. Laut der

britischen Zeitschrift „The Economist“ hängt Yotas Durchbruch mit der beson-deren technologischen und Marketing-Strategie zusam-men, weswegen die Firma innerhalb nur eines Jahres zu einer der führenden Kräfte auf dem russischen Markt der Internetkommu-nikation aufsteigen konnte.Die Geschäftsgeschichte

der Firma Yota entwickelt sich tatsächlich in einem für Russland hohen Tempo. Im Oktober 2008 wurde an-gekündigt, dass demnächst ein neuer Anbieter des Breitband-Internetzugangs auf dem Markt erscheint. Im Juni 2009 war es dann soweit. Nur ein Jahr später hatte die Firma bereits 600.000 Kunden. 4G-Netze

(WiMAX-Netze) von Yota gibt es zurzeit in den fünf größten Städten Russlands (Moskau, St. Petersburg, Ufa, Krasnodar und Sotschi) mit der Gesamtbevölkerung von 25 Millionen Menschen. Die Rekordzahlen wurden dank gutem Marketing und dem Akzent auf den unlimi-tierten Breitband-Internet-zugang vierter Generation möglich.Bereits im Oktober 2009 gewann Yota die Gunst von 200.000 Kunden, so dass das Geschäft rentabel wurde. Im ersten Halbjahr 2010 belief sich der Gewinn der Firma schätzungsweise auf 66 Millionen Dollar, wobei die gesamten Investitionen bei 500 Millionen Dollar gele-gen hatten.

Yota schreibt russische Wimax-Erfolgsstory

GM mussGewinnrückgang

wegstecken

rian.- Kurz vor Beginn des Börsengangs hat der US-Au-tohersteller General Motors erstmals seine russischen Finanzzahlen veröffentlicht, schreibt die Zeitung „We-domosti“. Vom 10. Juli 2009 bis Jahresende machte der Gewinn des Autoriesen 246 Millionen US-Dollar aus. Das ist 50 Prozent weniger als im ersten Halbjahr des vergan-genen Jahres (430 Millionen US-Dollar). Der gesamte Er-lös des US-Autokonzerns in Russland stürzte fast um 66,7 Prozent im Vergleich zu 2008 ab – das sind zwei Milliarden US-Dollar.GM verkauft in Russland Chevrolet, Opel, Cadillac und entwickelte eines der größten Vertriebsnetze in Russland. In einer Vorstadt von St. Peters-burg baute GM ein Autowerk. Zudem ist der Autobauer zur Hälfte am Gemeinschaftsun-ternehmen GM-AvtoVAZ beteiligt. Der US-Konzern schätzte sein Grundkapital in Russland am das Ende des vergangenen Jahres auf 118 Millionen US-Dollar.Das Jahr 2008 war das erfolg-reichste für GM: Bei 338.000 (+30 Prozent) verkauften Au-tos konnten die Einnahmen um 33 Prozent gegenüber 2007 gesteigert werden. Russ-land war für GM eines der wenigen Länder gewesen, in denen 2008 ein Wachstum zu erkennen gewesen war.Dennoch gingen die Verkäufe in Russland im vergangenen Jahr um 58,3 Prozent auf 142.000 Autos zurück. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres sind sie um weitere 20,2 Prozent auf 67.000 Autos im Vergleich zum ersten Hal-bjahr des vergangenen Jahres zurückgegangen.Dabei ist der russische Au-tomarkt um drei Prozent ge-wachsen. GM ist in Russland nach wie vor das zweitgrößte Unternehmen nach der Verkaufsmenge. Die Num-mer eins ist der russische Au-tohersteller AvtoVAZ.

Putin weiht Werke von Hyundai und Magna ein

Günstig und schnell: die Wimax-Verbindung von Yota.Bild: Wikimedia Commons

August/September 2010 (Nr. 19)

Page 7: Jelisejewski-Kaufhaus am Putin eröffnet Werke von Typisch ... · PDF fileDie Ortschaft Strelna lag während der Schlacht um Leningrad in der Kampf-zone, wo kein Stein auf dem anderen

Vermischtes Seite 7

mm.- Der St. Petersbur-ger Herold (Online) ist aus dem Bedürfnis ent-standen, ein Internet- und Informationsportal für die deutschsprachige Ge-meinde von St. Petersburg zu betreiben.Um nicht mit der altehr-würdigen St. Petersburgi-schen Zeitung verwechselt zu werden, wurde unsere Online Zeitung “St. Peters-

burger Herold” genannt.Die gleichnamige politi-sche Zeitung wurde 1871 als religiös und politisch unabhängiges Medium von St. Petersburger Bür-gern deutscher Sprache gegründet.Der St. Petersburger Herold wurde in Folge eine bedeutende überregional Zeitung und wurde von den damaligen Leitme-

dien im Westeuropäischen Raum stark beachtet und rege zitiert.In der liberalen, kritischen und politisch akzentuier-ten Tradition des “alten St. Petersburger Herold” fin-den wir unser Leitbild für unsere neue Zeitung.Der St. Petersburger Herold ist auch ein „Mit-mach-Portal“ – sie kön-nen eigene Beiträge online Veröffentlichen.Wir bitten Sie von dieser Möglichkeit rege Gebrau-cht zu machen.Empfehlen sie uns Ihren Freunden und Bekannten weiter, damit der “Herold” zur besseren Vernetzung und Information inner-halb der der Stadt beitra-gen kann.

Der St. Petersburger Herold

So sah das Original des “St. Petersburger Herold” aus.Bild: Ausstellung “Deutsche in St. Petersburg”.

Visafrei zur Fussball WM 2018/2022 ?

rian – Russland ist laut Minis-terpräsident Wladimir Putin bereit, für die Zeit der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 die Visapflicht für Sportler und Zuschauer aufzuheben, sollte das Land den Zuschlag für die Austragung dieses großen Sportereignisses erhalten. Falls notwendig würde Russ-land zusätzliche Regierungs-garantien gewähren und die Einreisevisa für Teilnehmer und Gäste der Fußball-WM aufheben, wenn es zum Gast-geberland gekürt würde, sagte Putin am Dienstag bei einem Treffen mit Inspektoren des Weltfußballverbandes Fifa. Nach seinen Worten wird Russland seine Sportanlagen modernisieren, unabhängig davon, wie die Entscheid-ung ausfällt. Russland hatte im vergangenen Jahr seine Bewerbung für die Austra-gung der Fußball-Weltmeis-terschaft 2018 oder 2022 eingereicht sowie der Fifa die erforderlichen Regierungs-garantien abgegeben. Am 2. Dezember wird die Fifa die Ausrichter der WM-2018 und WM-2022 bekannt ge-ben. Neben Russland buhlen Großbritannien, die USA, Australien, Japan, Indonesien, Belgien/Niederlande, Span-ien/Portugal sowie Südkorea und Katar um die Austragung der Weltmeisterschaft. FIFA-Experten inspizieren derzeit jene Städte, die als mögliche Austragungsorte der WM bestimmt worden sind: Sankt Petersburg, Moskau, Kasan und Sotschi.

Autodiebe stehen auf BMW

rian.- Das am häufigsten ges-tohlene Auto im ersten Hal-bjahr 2010 in Moskau und St. Petersburg ist der Luxus-Geländewagen BMW X6, berichtet die Versicherung ROSNO. Im vorigen Jahr war der Mitsubishi Lancer noch das begehrteste Fah-rzeug. Dem BMW X6 folgen jetzt Lexus LS, Lexus GS und Lexus LX. Den fünften Platz belegt Toyota Corolla.

ImpressumDer St. Petersburger Herold erscheint einmal monatlich. Der Inhalt besteht aus Be-iträgen der gleichnamigen Internet-Zeitung www.spzei-tung.ru.Redaktion: Markus Müller (mm.), Eugen von Arb (eva.)Redaktionsadresse:[email protected]: 8-921-988-51-19

Der Petersburger Herold wird unterstützt von:

August/September 2010 (Nr. 19)

Von Eugen von Arb

Normalerweise braucht man den Pass für die Ferien und nicht umgekehrt – nur Russ- land mit seiner elefantösen Bürokratie macht das mög-lich. Eine russische Bekan-nte, die in der Schweiz lebt, besuchte uns kürzlich in St. Petersburg – Hauptgrund des Aufenthalts waren nicht wir, sondern ihr Reisepass, den sie erneuern musste. Schon am ersten Tag nach ihrer Ankunft unternahm sie einen ersten Anlauf, und ging auf die Polizei, um sich nach den nötigen Dokumen-ten zu erkundigen. Völlig demoralisiert kam sie zurück – “Ich fürchte, mein ganzer Urlaub wird dabei draufge-hen”, klagte sie.Tatsächlich genügt schon ein Blick in die Schalterhalle ge-wisser Polizeistellen, um eine Depressionen zu kriegen: verschlungene, Warteschlan-gen, Menschen mit gereizten und resignierten Gesichtern, die mit dicken Papierdos-siers in den Händen anste-hen. Dahinter uniformierte Bürokratinnen, die gestresst

die Papierberge durcharbei-ten, die man ihnen über den Tresen reicht. Ab und zu durchschneidet eine resolute Stimme das Gerede, wenn eine Beamtin unter den vor-drängelnden Bittstellern für Ordnung sorgt. Unsere Be-kannte tat uns leid – das Le-ben in der Schweiz hatten sie die Zustände auf Russlands Ämtern vergessen lassen, sie hatte einen Schock.Doch schon am zweiten Tag meldete sie sich erleichtert: Die Unterlagen seien schon

eingereicht, und in einer Wo-che könne sie den Pass ab-holen – was war geschehen? Ganz einfach: Sie hatte das “Zentrum für Dokumente” entdeckt, ein Privatunter-nehmen, das seine Kunden per Gratisbus an der Metro-station abholt und sie ebenso freundlich wie rasch bedient. Die höheren Gebühren für den Pass – ein Vielfaches der offiziellen Kosten – nähme sie gerne in Kauf, wenn sie die Strapazen auf der Polizei nicht ertragen müsse, meinte

sie begeistert. Kurz darauf reiste sie mit dem neuen Pass wieder aus – kein Schwindel, alles echt, alles legal!Etwas später entdeckte ich im Metrozug die Werbung für diesen Service. Von der Aufenthaltsbewilligung bis zur Arbeitserlaubnis kann das Zentrum alles innert normaler Frist beschaffen. “Ein kleines Wunder ist ge-schehen”, dachte ich, ” der gigantische Staatsapparat wurde still und heimlich teilprivatisiert – der sie-benköpfige Drachen nicht besiegt, sondern einfach umgangen.”Dass der Staat dieses “Wun-der” bisher zumindest ig-noriert, erfuhr ich, als ich auf der Rolltreppe nach oben fuhr und es aus dem Lautsprecher dröhnte: “Bür-gerinnen und Bürger! Wir machen Sie darauf aufmerk-sam, dass sämtliche persön-lichen Dokumente, Pass, Aufenthaltsbewilligung, Arbeitserlaubnis ausschlies-slich von staatlichen Stellen ausgestellt werden dürfen – Privatfirmen sind dazu nicht befugt!”

Typisch Russland: Staatsbürokratie - teilprivatisiert

Leere russische Amtsstube nach Schalterschluss.Bild: Eugen von Arb/SPB-Herold