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Nicht nur Lili Marleen Hans Leip und der Esperantologe Richard Schulz in ihren Briefen von 1943 bis 1983 Jörg Deuter

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Nicht nur Lili MarleenHans Leip und der Esperantologe Richard Schulz in ihren Briefen von 1943 bis 1983

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Richard Schulz´ Zeitzeugenberichte und Hans Leips eigene Erinnerungen sind ein wesentliches Dokument der litera-rischen Situation und der »Inneren Emigration« in der NS-Zeit in Hamburg, zudem sind sie erlebte Kulturgeschichte der zwanziger bis siebziger Jahre, in der Namen wie Alfred Andersch, Lale Andersen, Horst Antes, Hans Henny Jahnn, Ernst Jünger, Felicitas Kukuck, Martin Luserke, Dirks Pau-lun und Hanna Schygulla eine Rolle spielen.

Die Korrespondenz der beiden Hamburger beginnt mit dem subversiven Einverständnis über ein öffentlich gelesenes Leip-Gedicht »Unter den Sternen. Anno 1939«, sie endet mit der späten Wahrnehmung des Fassbinder-Films »Lili Mar-leen« (1981) durch den Schöpfer des Mythos, Hans Leip.

Verlag Traugott Bautz ISBN 978-3-88309-794-7

bibliothemata 24

Jörg Deuter

„Hans Leip? Der war ein absoluter Pazifist. Deshalb ist er mir ja so sympathisch.“

Elisabeth Hartnagel, Schwester von Hans und Sophie Scholl, am 18. Juli 2012 im Gespräch mit dem Autor.

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Nicht nur Lili Marleen

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bibliothemata

Herausgegeben von

Rainer Hering, Hermann Kühn, Michael Mahn, Johannes Marbach, Harald Weigel, Else Maria Wischermann

Band 24

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Jörg Deuter

Nicht nur Lili Marleen

Hans Leip und der Esperantologe Richard Schulz/ Rikardo Ŝulco in ihren Briefen von 1943 bis 1983

Verlag Traugott Bautz

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Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sindim Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagabbildungen vorne:

Hans Leip, Collage »Hans Leip« aus dem Novemberalmanach derHamburger Guppe, 1928. (Museum für Hamburgische Geschichte)

Hans Leip, Lale Andersen singt Lili Marleen, Federzeichnung, 1942.

Umschlagabbildungen rückseitig:

Hans Leip, Selbstbildnis »Seefahrerspuk«, 1967/73 und »Mit gelbenHimmel«, 1970, beide: Öl/Leinwand. Ehemals im Besitz des Künstlers.

Unterschlagentwurf Dr. Michael Bischoff nach einer Idee des Verfas-sers.

Verlag Traugott Bautz GmbH, Nordhausen 2013

ISBN 978-3-88309-794-7

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Unbekannter Photograph, Hans Leip, 1968.

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Zur Edition der nachfolgenden Briefe und Texte ermächtigte Hans Leipden Herausgeber durch folgende Verfügung an Richard Schulz, die sich anspäter Stelle als Vermächtnis findet: „Briefe von mir geben Sie am bestenJörg Deuter zu etwaiger späterer Auswertung.“1

Die Bildrechte am Werk Hans Leips gewährte für dessen Erben Herr Dr.Titus Küper, Luckau. Alle bildnerischen Arbeiten Hans Leips befandenoder befinden sich, sofern dies nicht anders ausgegeben wird, im Hans-Leip-Archiv oder in Privatbesitz.

Hans Leip an Franziskus R. Schulz am 7. April 1982.1

Für Stephanie

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Inhaltsverzeichnis

Von der Inneren Emigration ins literarische AbseitsHans Leip und Richard Schulz zwischen 1943 und 1983 9Ein Brief von Franziskus R. Schulz von 1943 vornweg 54Über Hans Leips Herkunft 60Wohnort Fruthwilen 67Franziskus' Trennung 76„Franziskus“ und Leip als „Bruder Eulenspiegel“ 78Festgehaltene Jugend in Hamburg – „Aber die Liebe“ 80Hans Leips Beginn als Maler 87Franziskus und Hans Leip nach 1933 89Kadenzen 1942/44 95Lyrik 103„Die 'Lili Marleen' wenigstens ist ein internationales Thema“ 108Innere Emigration 122Die vier Ehen und Kläre Buchmann 126Die Hafenorgel & Fähre VII & Die Klabauterflagge & Jan Himp 129Godekes Knecht 135Esperanto 139Hamburg – Bremen – Minden 146Schaffensprozeß 153Franziskus und Antes: Aus des Kopffüßlers Reich 165Hans Leips „Abyssos“-Lithographien 170Übersetzungen und Nachdichtungen: Rimbaud – Mallarmé – VillonPsalmen und Limericks 174Hans Leips Lithographien zu Shakespeares „The Tempest“ 186

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Das Tanzrad 190Letzte Briefe 200Franziskus' Briefwechsel mit Kathrin Leip 207Ein auch persönliches Postskript 226Personenregister 257Abbildungsnachweise 271Vita 273

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Von der Inneren Emigration ins literarische Abseits –Hans Leip und Richard Schulz zwischen 1943 und 1983

Hans Leip hat von sich gesagt, daß ihm „das Meer das Ur- und Sinnbildalles Irdischen“ sei, daß es für ihn „alle Schönheit, Grausamkeit und Ge-walt dieser Erde“ umfasse. Dieses Urerlebnis des Meeres und der Seefahrtblieb für ihn lebenslang mit seiner Heimatstadt Hamburg verbunden, inder er gut die Hälfte seines Daseins verbracht hat.

In der zweiten Lebenshälfte wurde Leips Korrespondenz mit dem Espe-rantologen, Graphiker und Lyriker Richard Schulz (1906 Hamburg – 1997Minden) zu einer der tragenden Verbindungen in den Norden, in der Er-innertes, Literarisches und erlebtes Hamburg eine wesentliche Rolle spie-len. Die Korrespondenz Hans Leips mit Richard Schulz ist nach Gehaltund Umfang der wichtigste Briefwechsel Leips aus dessen späteren Jah-ren, so jedenfalls klassifizierte ihn dessen Witwe Kathrin Leip. Hier machtder Maler und Dichter grundlegende Aussagen zu seiner Weltsicht undseinem Werk, die so ausführlich und begründet ansonsten bei ihm nichtzu finden sind. Wir gewinnen Einblick in seine Arbeitsweise, sein Selbst-verständnis, seine ablehnende Haltung dem sogenannten „Dritten Reich“gegenüber und in seinen Zivilisations-Pessimismus. Dies geschieht im Zu-spruch und manchmal auch im Widerspruch zum Philologen RichardSchulz, der in den 1970er Jahren zu seiner eigentlichen späten Lebensauf-gabe, der literarischen und publizistischen Verbreitung des Esperanto fin-det. Beide Korrespondenzpartner, wie auch Kathrin Leip, gewinnen in derKorrespondenz Gestalt, die zugleich aber auch ein Zeitdokument jahr-zehntelanger gemeinsam erlebter Kunst- und Kulturgeschichte ist. Derbriefliche Austausch der beiden so unterschiedlichen Charaktere beginntnach Lesung eines subversiven Leip-Gedichts 1940, er endet mit Leipsspätem Ruhm durch den Fassbinder-Film „Lili Marleen“. Durch die Fort-dauer der Korrespondenz mit Kathrin Leip gewinnt diese als Persönlich-keit hier erstmals Profil.

Mit den Versen von „Lili Marleen“ hatte sich der 22Jährige 1915, zunächstohne es ahnen zu können, späteren Weltruhm erschrieben. Einen Welt-ruhm, den sein gesamtes vielgestaltiges Werk als Dichter, Sachbuchautor

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Hans Leip, Tanz, Feder und Farbkreide, 1925.

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Joe Seong Lee, Inspiration bei Thomas Mann. „Die zweite Verhüllung“ als der lite -rarische Zwang zum Verschweigen und zum Weiterschreiben. Würzburg 2009.

Dieses und die folgenden Zitate: Hans Leip an Franziskus R. Schulz am 11. März1971. Vgl. S. 154-55.

Friedrich Nietzsche, Die Geburt der Tragödie, in: ders., Werke hg. Friedrich Schlech-ta. München 1980. Bd. 1. S. 81.

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und bildender Künstler lebenslang nicht mehr übertreffen konnte, ja, hin-ter dem es heute versunken ist.

Kurz nach der Niederschrift jenes „kleinen Gesangs“ (Hans Leip) kam esim Sommer 1915 in einem Lazarett in der Oberlausitz zu einem Leseer-lebnis, das man als die geistige Erweckung des Hans Leip bezeichnenkann. Durch einen Leipziger Schulmann wurden ihm Nietzsches Schrif-ten nahegebracht. Der Graphiker und Dichter hat noch in spätesten Jah-ren die große Bedeutung dieser Tat für seine geistige Entwicklung be-schworen, und so kann es nicht verwundern, daß ein großer und wesent-licher Teil seiner Altersreflexionen, die neben anderem hier vorgelegt wer-den, der Frage nach dem Schaffensantrieb, dem Schöpferischen und derInspiration des Künstlers gelten.

Dies mag erstaunen, da Leip an sich theoretischen Erörterungen ausge-sprochen abgeneigt war, zumal, wenn er persönlich-offenbarend seine ei-genen schöpferischen Grundsätze darlegen sollte. Diese Preisgabe hat erin den Briefen an Richard Schulz, der sich Franziskus nannte, durchausgewagt. Anders als Thomas Mann,2 der den Moment der Inspiration leug-nete und nur an eine ganze Kette von notwendigen willentlichen Annähe-rungen an ein neues Werk glaubte, hat Leip dieses Ereignis hier als ein ge-radezu religiöses Erlebnis beschrieben, das zur Voraussetzung seinesSchaffens wurde. Der Befindlichkeit einer „gepreßten Stimmung, in derdie Furcht vorm Versagen lauert“,3 folgt als Vorstufe die Inspiration, fürdie Hans Leip den alten Begriff der „Einhauchung“ wählt, also den des inder antiken Dichtungstheorie geläufigen in numine afflatus. Dieser Anhauchwird abgelöst von „Erleuchtung, Eingebung, Entäußerung, Ergriffenheit,Entrückung, Herausforderung, Offenbarung, Umfangung, Entschleie-rung,“ oder „wie man es nennen soll“. Dies sind Schritte der Werk -entstehung, die die schon vor Sokrates aufkommende „antidionysischeTendenz“ (Nietzsche) als Vorgang der Inspiration charakterisiert hatte.4

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Hans Leip, Zwischen Palette und Schreibtisch, in: Hans Leip. Eingeleitet von WilhelmDuwe Hamburg 1968 S 30 – 42, hier: S.. 40/41. (Hamburgische Bibliographien 1)

Friedrich Nietzsche, Die Geburt der Tragödie, in: ders., Werke hg. Friedrich Schlech-ta. München 1980. Bd. 1. S. 21.

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Ganz offensichtlich von sich selber sprechend, heißt es weiter: „Mancherkann bekunden, so wenigstens mit einem Engel oder einer angenehmenHeiligengestalt übereingekommen zu sein. Ist doch das Göttliche seit Ur-Äonen eine über alle Vernunft erhabene Vorstellung. […] Diese Bemer-kung enthält allerdings keine Verbindlichkeit zu dem landläufigen An-spruch der Tempel, Kirchen und Moscheen, das Göttliche zu erkennen,zu verwalten und zu vermitteln […]. Das Übersinnliche wird ewig fraglichbleiben.“ Allenfalls durch die Kunst könne, so sieht es Hans Leip, einHauch davon zu uns gelangen. Hiermit ist in Umrissen die Weltanschau-ung eines Dichters und Malers gegeben, der von sich gern zu sagen pfleg-te, er halte nichts von privatem Philosophieren in der Öffentlichkeit undpflege seine Lebenseinsichten lieber privatim. („Verlor mich auch gern inphilosophierende Anwandlungen, dafür bin ich Deutscher, behalte derleiaber für mich.“5)

Ob sein eigener Werkimpuls von früh an so vor sich ging, wie er ihn hierbeschreibt, bleibt fraglich. Jedenfalls hat Hans Leip als Maler und alsDichter ihn theoretisch so postuliert. Ihm war wichtig, an diesem Wegfestzuhalten, denn nicht der Schaffensrausch und die Ekstase sind für denspäten Hans Leip Voraussetzungen zu künstlerischer Gestaltung und Be-wältigung, der gradus ad parnassum will bewußt durchlaufen, – und wohlauch durchlitten sein.

„Solche Einstrahlungen sind nicht mit dem von Außenstehenden gernvermuteten Rausch des Schaffens zu verwechseln,“ schreibt Leip nämlichan Richard Schulz weiter. Damit folgt er der von Nietzsche beschriebenengroßen Trennung: „Um uns jene Triebe näherzubringen, denken wir sieuns zunächst als die getrennten Kunstwelten des Traumes und des Rau-sches; zwischen welchen physiologischen Erscheinungen ein entsprechen-der Gegensatz wie zwischen dem Apollinischen und dem Dionysischenzu bemerken ist.“6 Leip – zumindest der Hans Leip der späteren Jahre –resümiert auf das rauschhafte Erleben des früheren bezogen: „Das Er-gebnis hält selten, was das Großgefühl versprach.“ Eine Äußerung, dieaus seinem Mund, der als Ekstatiker mit einem apokalyptischen Inflati-

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Hans Leips Anteil am Hamburger Spätexpressionismus wird zuletzt angeschnitten, in:Rüdiger Schütt, Riding on the Crest of the Expressionist Wave. The Hamburg ArtistFeasts 1914 – 24, in: Ralf Beil/Claudia Dillmann (Eds.), The Total Artwork in Ex-pressionism. Art, Film, Literature, Theatre, Dance and Architecture 1905 – 1925.Darmstadt 2011. S. 427 – 35. Abbildungen des Hauses Wilkens befinden sich auf S.448 – 51, ohne daß hier Leips Anteil an der Ausstattung nennenswert ins Bild tritt.Vgl. auch: Dirk Hempel/Friederike Weimar (Hgg.), Himmel auf Zeit. Die Kultur der1920er Jahre in Hamburg. Neumünster 2010, Mathias Mainholz/RüdigerSchütt/Sabine Walter (Hgg.), Hamburger Künstlerfeste 1914 – 1933. Hamburg 1994,Rüdiger Schütt, Formen, Farben, Explosionen. Die Hamburger Künstlerfeste 1914 -1926, in: Rüdiger Joppien (Hg.), Entfesselt. Expressionismus in Hamburg. Hamburg2006. S. 71-91, und Roland Jaeger, Hamburgs Künstlerfeste der zwanziger Jahre. Ham-burg 1985. Ungedruckte Dissertation. Ferner ist für den frühen Hans Leip wesentlich: Rüdiger Schütt (Hg.), Hans Leip,Tage- und Nächtebuch der Hamburger Puppenspiele. Expressionistisches Marionet-tentheater in Hamburg. Hamburg 2005.

Hans Leip an Franziskus R. Schulz am 23. September 1971.

Hans Leip an Franziskus R. Schulz am 30. Juli 1979.

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onsroman wie „Der Pfuhl“ und mit der Inszenierung expressionistischerKünstlerfeste7 seine Laufbahn glorios begann, erstaunlich klingt. Scheinthier doch ein Künstler die Quelle, aus der sein Frühwerk zu wesentlichenTeilen entsprungen war, letztendlich zu widerrufen. Aber dies stimmtnicht, denn hier hat Leip selbst eingewandt, daß er aus späterer Sicht dasEntstehen des Frühwerks nicht mehr nachzuvollziehen, schon gar nichtzu beurteilen wisse, was auch gar nicht anders sein könne. Er schreibt anRichard Schulz: „Und im Übrigen ist das `Ich weiß es nicht mehr´ der ge-gebene Hinweis auf die unerforschlichen Dickichte des Schöpferischenüberhaupt.“8

Leips lebenslange ununterbrochene Produktivität (selbst in Krankheits-phasen mußte er sich gedanklich immer „etwas aufbauen“) läßt ihn bis zu-letzt über die Frage des Schöpferischen reflektieren und auch schaffen:„Es gibt ja noch lichtere Einschübe, die sozusagen bis zum Innersten,vielleicht sogar darüber hinaus zur äußeren Arbeit aufschwingen,“9

schreibt noch der 87jährige an Richard Schulz, (und er schreibt um dieseZeit eines seiner besten Bücher: „Das Tanzrad“). Die Äußerung mag wi-dersprüchlich klingen, die Abfolge umkehrend, aber anhaltend ist gerade:Leip ging von der Inspiration als Voraussetzung zum Gestalten aus. Die-se blieb bis zuletzt der Antrieb des Schaffensprozesses.

Im letzten und unabhängig von Unterschieden in Temperament und Ter-minologie berührt sich das, was Hans Leip von den Impulsen seines Wir-

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So z.B. Gottfried Benn, Probleme der Lyrik, in: ders., Gesammelte Werke hg. DieterWellershoff. München 1975. S. 1058 – 96, hier: S. 1071.

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kens aussagt, mit Selbstzeugnissen Gottfried Benns. Wenngleich bei Leipein Hinüberneigen zur Romantik die Analyse des Geschehens überwölbt.Das Geschehen selbst, das sich für Leip in drei Stufen vollzieht, aber be-kunden beide Dichter in gleicher Weise…10

Hans Leip hat das Gestaltannehmen oder das „Wachsen des Werkes in dasGreifbare hinein“ interessanterweise nicht am sprachlichen Kunstwerkexemplarisch dargestellt, sondern an einem Werk der bildenden Kunst.Und er verdeutlichte es – noch erstaunlicher – nicht an einer eigenenSchöpfung, sondern am Werk eines anderen, noch dazu längst Vergange-nen, – an Heinrich Friedrich Fügers Bildnis des Lord Nelson (1800, Na-tional Portrait Gallery London, Abbildung S. 163), dessen Entstehungs-prozeß er nachzeichnet, besser gesagt, dessen Entstehungsprozeß er dasBild nachschaffend neu erfindet. Sicherlich spielt hier die Nähe zu demPorträtierten eine Rolle, noch deutlicher aber wird an dieser Schilderungdas Interesse des Malers Leip, dem Entstehen vom Handwerklichen herauf die Spur zu kommen, selber nachzuvollziehen, was er sieht: ein Vor-gang, der dem Maler Hans Leip erst zu bewältigen erlaubt wird durch denSchriftsteller Hans Leip.

Selten stand eine erste Begegnung unter so stark symbolischen Vorzeichenwie diejenige des 34jährigen Studienrats Richard Schulz mit dem 47jähri-gen Dichter Hans Leip. Die Lesung des Gedichts „Unter den Sternen.Anno 1939“ in seiner Schule, der Walddörfer-Schule in Hamburg, war derAuftakt und zugleich ein am Anfang stehendes geheimes Einverständniszwischen dem Autor und seinem Zuhörer, der ein lebenslanger Leser undKorrespondent werden sollte. Das Gedicht, das Hans Leip nur einmal,nämlich in die erste Nachkriegsausgabe seiner „Hafenorgel“ (1948) auf-nahm und später auch sonst nie veröffentlicht hat, läßt Prognostischesanklingen: Die Gestirne als metaphorische Wegweiser oder Symbole derAblehnung des Regimes dienen als ein Verständigungscode, der gerade imJahr 1940 aufmerken lassen mußte, ja Anlaß zu vorsichtig geoffenbartemMit-Verstehen werden konnte. Die Astrologie bewährte sich als Aus-flucht, politisch Verfängliches öffentlich andeuten zu können. Bereits1935 waren Elisabeth Langgässers „Tierkreisgedichte“ erschienen. Als

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Diese von Franziskus R. Schulz besonders eindringlich erinnerten Eingangsverse deslängeren Gedichts erschienen in: Hans Leip, Die Hafenorgel. Hamburg 1948. S. 200 –202, hier: S. 200. Vgl. auch hier S. 97.

Franziskus R. Schulz an Hans Leip am 28. September 1943.

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Höhepunkt dieser astrologischen Verschlüsselungsliteratur folgte 1941Alexander Lernet-Holenias autobiographischer Roman „Mars im Wid-der“.

Unter den Sternen anno 1939

Herz sei bereit,gekommen sindWolfszeit und Windvon Kummer sind die Herzen blind.

Ist nicht zur Nachtder Sterne Prachtzu großen Zeichen aufgemacht?

Jupiter stelltzuhöchst erhelltsein Szepter fordernd vor die Welt.

Saturn als Knecht,der dient ihm recht,kein Graus und Greul ist im zu schlecht.

So zwiegestaltnimmt die Gewaltzu unsern Häuptern Aufenthalt.Herz sei bereit! […]11

„Haben nicht Jupiter und Saturn sich wieder voneinander entfernt?“12

fragt Richard Schulz den Dichter Hans Leip im Brief nach der Lesung, da-mit die zentrale Verszeile des ihn bewegenden Gedichts aufgreifend. Wasimmer damit konkret gemeint gewesen sei, es bleibt für uns unscharf, viel-leicht war es auch niemals genau definiert. Meinte Leip damit möglicher-weise die seit dem Frühjahr `39 spürbar werdende Distanz zwischen Ruß-land und den USA, die im Hitler-Stalin-Pakt am 23. August 1939 gipfelte?Oder meinte er viel allgemeiner nur den Kontrast, ja Widerspruch zwi-

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Abschriften von Reinhold Schneiders Sonett „Allein den Betern kann es noch gelin-gen“ gingen „von Hand zu Hand in den Konzentrationslagern, lagen auf der Brustder in Kasernenhöfen zur Exekution Schreitenden, steckten in den Taschen derFrontsoldaten. Überall brachten sie Hoffnung, Vertrauen, Mut.“ Josef Rast, EinNachruf auf Reinhold Schneider, in: FAZ vom 10. April 1958. Vgl. auch FriedrichHeer, in: Carsten Peter Thiede (Hg.), Über Reinhold Schneider. Frankfurt/M. 1980. S.143.

Ricarda Huchs Gedicht „An unsere Märtyrer“, das gleichfalls erst nach 1945 gedrucktwurde, kursierte vorher mündlich und in Abschriften, vor allem bei den Angehörigender hingerichteten Opfer des 20. Juli 1944. Vgl. Babette Stadie (Hg.), Die Macht derWahrheit. Reinhold Schneiders „Gedenkworte zum 20. Juli“ in Reaktionen der Hin-terbliebenen des Widerstandes. Berlin 2008. S 89 ff, dort in zahlreichen Briefen anReinhold Schneider belegt.

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schen geistiger Offenheit und Weite in Freiheit und eingeschränktemDenken und Handeln in diktatorischer Fremdbestimmung? Wir wissen esnicht. Soviel aber klingt auch ohne Präzisierung des Inhalts an: Das zwi-schen den Zeilen und aus diesen Zeilen Herausgelesene hat mit bloßerPoesie allein nichts zu tun. Hier werden weitere Bedeutungsschichten vomDichter angesprochen und vom Hörer erfragt. Noch Jahrzehnte später(1974) weiß Richard Schulz diese Zeilen auswendig, ohne das Gedicht jewieder gelesen zu haben. Hatte ein einmaliges Hören genügt? Schlagenderläßt sich der Wert der direkten Weitergabe von Lyrik im NS-Regime nichtbelegen. Reinhold Schneider13 oder Ricarda Huch14 sind biographisch bri-santer, für ihr Engagement einstehen müssende und literarisch höher be-wertete Beispiele, aber auch auf Hans Leip trifft das Wort vom „Einver-nehmen durch Dichtung“ (Dolf Sternberger) zu. Auch Peter Huchel dich-tet in dieser Zeit: „Nicht die Gestirne, weder ihr Stand noch ihr Lauf sindunser […]“, und später: „Unser Gestirn ist vergraben im Staub. Wir Ge-retteten bitten Euch: zeigt uns langsam Eure Sonne.“

Damit hatte Hans Leip sich einer literarischen Tendenz der Verkappungangeschlossen, die mit Lyrik ein bestimmtes allgemeines Verstandenwer-den, eher noch ein Erkanntwerden, bereithielt: Die Mythen waren nun, im„Dritten Reich“, weniger um der Götter- und Titanengenealogien willenwesentlich, denn als gerade noch erreichbare universale Form des ge-meinsamen Verstehens und Verstandenwerdens. Denn die antike Überlie-ferung bildete die letzte große gemeinsame Basis. „Hier finden wir ent-wicklungsgeschichtliche Perspektiven mit Zeitaltern von zunehmender

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Ernst Jünger, An der Zeitmauer. Stuttgart 1959. S. 117.

Vgl. zum Motivkreis: Maximilian Bergengruen/Davide Giurato/Sandro Zanetti, Ge-stirn und Literatur im 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2006. Ergiebig sind auch:Dorothea Henning, Musik und Metaphorik. Interpretationen zur Naturlyrik. Frank-furt/M. 2000 sowie Ulrich Kittstein, Deutsche Naturlyrik. Ihre Geschichte in Einzel-analysen. Darmstadt 2009.

Es kommen Ernst Redens oder Willy Habermanns Gedichte infrage. Otl Aicher, In-nenseiten des Kriegs. Frankfurt 1998. S. 73/74.

Thomas Hartnagel (Hg.), Sophie Scholl – Fritz Hartnagel. Damit wir uns nicht ver-lieren. Frankfurt/M. 2005. S. 184.

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Kraft.“15 „Gestirn und Literatur“16 hatten einen Grad an höchstmögli-chem Synkretismus erreicht, wie sie ihn zuvor seit der hermetischen Dich-tung des Manierismus kaum besessen haben können, schon deshalb, weiler so existenziell nicht erforderlich gewesen ist.

Den hier zwischen zwei bis dahin Fremden erreichten Grad an Verständi-gung bei relativer Ambivalenz der Aussage belegt dieses Beispiel einer Ge-dichtrezeption in geradezu paradigmatischer Weise. Diese Verständigungvon sich – wie hier im Extremfall – bis dahin völlig unbekannten Men-schen über ein Gedicht ist ein geradezu klassischer Topos der Erkennungder Regimegegnerschaft und so aufzuspüren auch in Briefen und Auto-biographien jener Zeit, so etwa in Otl Aichers Autobiographie „Innensei-ten des Kriegs“, dort bezogen auf die Lektüre der Gedichte eines Freun-des17 mit der ihm befreundeten Sophie Scholl oder im Briefwechsel So-phie Scholls mit Fritz Hartnagel, wobei hier das Goethe-Gedicht „FeigerGedanken“ im Mittelpunkt steht, das das Schollsche Familienmotto birgt.(„Allen Gewalten zum Trutz sich erhalten.“)18 Das Gedicht bekräftigt denKonsens gemeinsamer Ablehnung und gibt die Kraft weiter zu leben. Fürdie Hinterbliebenen der Opfer des 20. Juli wurden einige Sonette Rein-hold Schneiders zur Lebenshilfe, wie jüngst in einem Band mit Briefendieses Kreises an diesen Dichter dokumentiert wurde.

Ob Leips „Unter den Sternen“ oder andere seiner Kadenzen allgemeinverstanden wurden, wenn auch nur als diffuser Ausdruck von Systemkri-tik, kann bezweifelt werden, berichtet Leip selbst doch in den vorliegen-den Briefen von einer Lesung auf dem Hamburger Rathausmarkt, bei derer seine Kadenzen „Der Teufel spricht“, „Die Stillen“ und „Zerbrechen-

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„Der Teufel spricht“ und „Zerbrechendes Jahrhundert“ durften während des NS-Regimes nicht gedruckt werden. Vgl. S. 123 und S. 99/100. Zum Verbot siehe auch:S. 103.

Inzwischen wird diese Seite des Leipschen Schaffens gründlich dokumentiert durch:Sandra Hirsch (u.a.), Hans Leip und die Hamburger Künstlerfeste. Herzberg 1993. (=bibliothemata Band 8) Die grundlegende Untersuchung über Hans Leips Biographieist: Rüdiger Schütt, Dichter gibt es nur im Himmel. Leben und Werk von Hans Leip.Biographie und Briefedition 1893 – 1948. Hamburg 2001. Als neuere Veröf-fentlichungen seien erwähnt: Manfred Bosch, Bohème am Bodensee. Lengwil 1997,ders., Hans Leip am Bodensee. Marbach 2004. (= Spuren 66) In dieser Darstellungwird Kathrin Leip als Persönlichkeit leider nicht greifbar. Ein sehr früh abbrechendesLeip-Bild zeichnet Kai-Uwe Scholz, Literarisches Hamburg. Der Dichter und Denker

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des Jahrhundert“19 gelesen hatte, ohne daß ein nennenswertes Echo er-folgt sei. Die Zuhörerschaft, die er als dumpfe Masse charakterisiert,schien zu abgestumpft, übermüdet, vom Kriegsalltag zermürbt. Immerhinbelegt die Resonanz von Richard Schulz, daß Einzelne die Intention der-artiger Lesungen erfaßten.

„Ich habe noch andere ähnliche Dinge mit Hans Leip erlebt, habe damalsständig gezittert um ihn. Nach meiner Erinnerung war er überhaupt derEinzige in Hamburg weit und breit, der sich unerschrocken äußerte, undich begreife heute noch nicht, wie das so lange gut gehen konnte. Fürmein eigenes Durchstehvermögen in der furchtbaren Zeit waren mirHans Leips Schriften und Gedichte immer wieder Trost und Stärkung,“schreibt Richard Schulz, genannt Franziskus, als Esperantologe unter demNamen Rikardo Ŝulco publizierend, am 17. März 1977 an den Herausge-ber über die Anfänge seiner Bekanntschaft mit dem Dichter, die sich inden siebziger Jahren zu einer Freundschaft entwickelt hatte.

Die Situation des Werkes von Hans Leip war zu Beginn jener siebzigerJahre schwierig. Es gab kaum Neuauflagen seiner früheren Bücher, selbstHaupttitel wie „Godekes Knecht“ (zuletzt 1952) oder „Miss Lind und derMatrose“ (zuletzt unter verändertem Titel, bei dem der Matrose an die er-ste Stelle rückte, 1937) oder „Das Muschelhorn“ (zuletzt 1949) und dasspäte expressionistische einzig dastehende Bilderbuch „Das Zauberschiff“(1947) waren seit Jahrzehnten vergriffen. Die Innovation, die einst, fünf-zig Jahre zuvor, von den Hamburger Künstlerfesten, ihren Kostümen,Dekorationen und Almanachen ausgegangen war, hatte allenfalls bei eini-gen Insidern und Sammlern noch Gewicht behalten.20

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Hans Leip, Tänzer „Dämmerung der Zeitlosen“, Holzschnitt 1919 [nicht 1921],verwendet als Plakat einer Leip-Ausstellung, 1970.

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Dafür lebten wichtige Weggefährten und Zeitzeugen jener frühen Jahrenoch, die der Herausgeber kennenlernen konnte, wie etwa der von Leipals Kritiker und Übersetzer gleichermaßen hochgeschätzte Ernst Sander21

(„ […] einer der vielseitigsten und begabtesten unter den schriftstellern-den Zeitgenossen. Sie haben da eine wesentliche Knüpfung begonnen.“22)oder der an den Künstlerfesten beteiligte Maler und Schriftsteller Otto„Tetjus“ Tügel. Gelegentlich bittet Leip selbst um die Übermittlung vonGrüßen an den Maler Franz Radziwill in Dangast, oder er erinnert sich anGerhard Marcks: „Gerhard Marcks schätze ich sehr, z.B. seinen St. Ge-org[s]-Ritter in Bronze zu Hamburg, sein Totenehrenmal in Ohlsdorf undseine Bremer Stadtmusikanten. Kenne ihn noch persönlich (flüchtig) vonder Hamb. Landeskunstschule, die ihn leider nicht zu halten vermoch-te.“23

Zentralfigur für den späten Hans Leip aber war und wurde zunehmendmehr und mehr Richard Schulz als „alter Hamburger“, früher Leip-Leser,Philologe und bald darauf – in eben diesen siebziger Jahren – zu großerForm auflaufender Esperantologe ein spät erst zu seiner eigentlichen Be-rufung Findender. Wir kommen auf Franziskus zurück.

Die schöpferische Arbeit Leips verlagert sich im letzten Lebensjahrzehntin die Graphikzyklen und in das Aquarellschaffen (auch zahlreiche Öl-gemälde entstehen), wovon die hier zitierten Briefe an Richard Schulz de-

Stadtplan. Jena 2002. Nicht einmal der Roman „Godekes Knecht“ wird hier noch alsHöhepunkt und krönender Abschluß des Frühwerks mehr gewürdigt! Für ihn brichtdas Werk Leips, im Sinne einer Verklärung von Frühvollendeten, mit dem „Pfuhl“ab…also 1923!

Die Persönlichkeit Ernst Sanders (1898 – 1976) bedürfte noch einer genaueren Er-forschung. 1937 erscheint er doch, ebenso wie Ludwig Benninghoff, auf der„Prangertafel“ sogenannter „entarteter Kritiker der Systemzeit“, die im Haus derdeutschen Kunst installiert war. Die Namen der „entarteten Kritiker“ waren von Ori -ginalzeichnungen und –graphik Ernst Ludwig Kirchners umgeben. Sanders An-prangerung soll auf seine Publikationstätigkeit im Hamburger Enoch-Verlag zurück-zuführen sein, jedoch scheint sie auch mit Sanders Engagement als Kritiker (z.B. hat-te er noch 1934 einen Nachruf auf Jakob Wassermann veröffentlicht) zusammenzu -hängen. Auch Hans Leip war übrigens nach 1933 mit seiner „Segelanweisung für eineFreundin“ noch Autor des jüdischen Verlegers Kurt Enoch (1894 – 1982), der 1940seinen Verlag an Christian Wegner übertrug und nach New York emigrierte.

Hans Leip an Richard Schulz am 16. September 1975.

Hans Leip an Richard Schulz am 23. Februar 1973.

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tailliert Kunde geben. Vor allem war es die 1968 im Altonaer Museum vonGerhard Wietek arrangierte Ausstellung „Hans Leip als Zeichner und Ma-ler“,24 die das graphische Schaffen ins Bewußtsein und verstärkt wieder inFluß brachte.

Die Neuauflage des Kinderbuches „Das Zauberschiff“, jener Inkunabelexpressionistischer Bilderbuchliteratur, oder Ansätze einer auf Hamburgbezogenen Erforschung des regionalen Expressionismus, die von PaulRaabe ausgingen,25 verstärkten die Beachtung des Malers und Graphikersnoch. Ins Gewicht fallen besonders die 24 Lithographien der Zyklen„Abyssos 1 und 2“ (1970) und die zwölf Lithos zu Shakespeares Lustspiel"The Tempest" (1973).

Späte Graphik Hans Leips wurde nach dessen Tod zum Beispiel von denBrüdern van der Grinten erworben, die Kathrin Leip persönlich aufsuch-ten, um Blätter aus dem Œuvre auszuwählen. Die Witwe des Künstlerswar sich bewußt, daß sie hier von den frühesten Mäzenen und Sammlerndes Joseph Beuys besucht wurde. In gut Leipscher Tradition scheint siedie zum Kauf ausgesuchten Blätter nach Schloß Moyland geschenkt zuhaben, jener Doktrin Hans Leips gemäß, daß Kunstwerke dort, wo sie be-gehrt würden und ohne Handelsabsicht lebenslang aufbewahrt blieben,am besten untergebracht, weil vorerst der geschäftlichen Spekulation ent-zogen seien.26 „Es ist doch gut, wenn sich jemand leisten kann, was zuverschenken, was ggf. zu anderer Zeit zur Fristung des Daseins benötigtsein müßte, was also sozusagen abseits jener vagen Wertsteigerung desKunsthandels bloß ein bißchen Karton und Druckerschwärze ist. Einzigin Form und Inhalt geeignet, einen Blick darauf zu werfen und sich desGebers zu entsinnen. Und der freundlichen Zusammenkünfte,“ schreibter in diesem Sinn am 4. Dezember 1970 auch an Franziskus R. Schulz.

Gerhard Wietek/Christian L. Küster, Hans Leip als Zeichner und Maler. Hamburg1968.

Zuerst wohl in der Biberacher Ausstellung von 1966 „Der späte Expressionismus1918 – 1922“ auf S. 39 des gleichnamigen Kataloges.

In diesem Sinn schenkte Kathrin Leip dem Herausgeber eine einst für Hans Leip vom„Magier von Zwickledt“ geschaffene Kubin-Zeichnung zur Promotion. DieSchenkung wurde jedoch von den Erben nicht realisiert. Dankbares Erinnern ist derGeberin im Namen ihres Gatten dennoch gesichert.

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Unbekannter Photograph, Hans Leip und Gerhard Wietek 1968 im Altonaer Mu-seum in Hamburg.

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Literarisch ist Leip nach seinem autobiographischen Hamburg-Roman„Aber die Liebe“ (1969), der zugleich ein wesentliches Stück hamburgi-scher Kunstgeschichte aus der Sicht eines Mitlebenden beschreibt undden der bedeutende Südostasien-Experte Klaus Wenk in dem folgendenBriefwechsel als eines der bleibenden Bücher des hanseatischen Kultur-kreises charakterisiert, kaum noch tätig. Immerhin entstehen markanteVorträge Leips über seine Illustratoren-Kollegen beim „Simplicissimus“,über Olaf Gulbransson (1968, ungedruckt) und Eduard Thöny27 (1969).Auch über den Kreuzlinger Coiffeur und Hobby-Maler Adolf Gremlich28

(1970) spricht er im Kunstverein Konstanz, wobei sonst nirgends doku-mentierte persönliche Erinnerungen an Kurt Schwitters heraufbeschwo-ren werden. Hans Leip ist, oft an entlegener Stelle, immer für eine Über-raschung gut, was den Zugriff auf sein Werk nicht erleichtert. Grundsätz-lich und biographisch aufschlußreich heißt es in jenem Vortrag: „Kunstund Künstlertum sind seit Höhlenmalerei alleweil vorerst Privatsache, zu-mal in der bildenden Kunst und im Schrifttum. Die Öffentlichkeit rech-net nur in zweiter Ebene mit.“29

Ein autobiographischer Abriß „Palette und Schreibtisch“30 (1971) und einBeitrag für das Merian-Heft Ostfriesland31 (1971) wären es ebenfallsdurchaus wert, in einem Leip-Essayband aufbewahrt zu werden. („War`ne Knechtarbeit, aus dem zähen Stoff ein paar Miniaturen zu kneten,“schreibt er an Richard Schulz.)

In der Thurgauer Zeitung folgt eine Sonderseite für „Klytämnestra imNordseehauch“,32 die Jugenderinnerungen an Elisabeth Flickenschildt

Die Eröffnungsansprache vom 19. Januar 1969 wurde vom Kunstverein Konstanzgedruckt.

Die Eröffnungsansprache vom 8. März 1970 wurde vom Kunstverein Konstanzgedruckt.

Hans Leip, Vortrag zum Thema Palette und Schreibtisch, gehalten anläßlich einerAusstellung in Kreuzlingen, 1971. Typoskript Blatt 1.

Der Beitrag wurde im März 1971 im Kreuzlinger Rathaus gehalten und scheint nichtediert worden zu sein, mit dem gleich betitelten Text, erschienen in: Wilhelm Duwe(Einl.), Hans Leip. Hamburger Bibliographien Band 1. Hamburg 1968. S. 30 – 42, hater kaum etwas gemeinsam.

Hans Leip, Auf der Nabe des Sonnenrades. Historische Miniaturen, in: Merian Ost-friesland. Hamburg 1971. S. 119 – 123.

Hans Leip, Klytämnestra im Nordseehauch. Begegnungen mit einer Schauspielerin.[Sonderseite über Elisabeth Flickenschildt], in: Thurgauer Zeitung vom 19. Februar1972. Vgl. S. 24.

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Hans Leip, „Klytämnestra im Nordseehauch“, 1972. Faksimile des Geburtstags-grusses mit Leip-Porträt der Elisabeth Flickenschildt.

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festhält und dem erstaunten Leser als Clou ein von der Schauspielerinverfaßtes, längst vergessenes, aber von Gründgens inszeniertes Theater-stück vorführt, das diese in ihrer Autobiographie übergangen hatte.Richard Schulz konnte mit eigenen Jugenderinnerungen kontern: „Ichaber konnte Hans Leip berichten, daß ich wenige Jahre früher, als ichsechzehn war [1922], in dem bei Altonaern gut angesehenen Tanzinsti-

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Richard Schulz, Hans Leip und St. Georg, in: Blätter aus St. Georg. September 1993,S. 7 – 9, hier: S. 8.

Hans Leip, Lale ade. Erinnerungen an Lale Andersen., in Thurgauer Zeitung vom 23.September 1972.

Erschienen in: Hans Leip, Über die Kunst des Erzählens und weitere Vorträge. Ham-burg 1992.

Hans-Joachim Müller (Hrsg.), Hans Leip, in: Butzbacher Autoren-Interviews 1. Darm-stadt 1976. S. 128 – 41, hier: S. 136.

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tut von Samsreiter, gleich hinter dem Nobistor, tanzen gelernt hätte. Da-mals sei Elisabeth Flickenschildt meine bevorzugte Tanzdame gewesen.Mit dem Ende des Tanzkurses aber hatte sich auch meine Beziehung zuder Blankeneser Lotsentochter verflüchtigt.“33

Ein ebenfalls in der Thurgauer Zeitung erschienener Nachruf auf LaleAndersen wird sehr leipisch „Lale Ade“34 betitelt. Es folgen weitere Vor-träge über „Häfen, Schiffe, Kapitäne“ (1973).35 1976 erscheint ein kultur-geschichtlich sehr gesättigtes Konstanz-Buch. Das im engeren Sinn litera-rische Werk kann also, so scheint es, seit „Aber die Liebe“ als abgeschlos-sen gelten, – und dann ein so ungewöhnliches, dichtes und zugleich dich-terisch und dokumentarisch gemeintes allerletztes Werk „Das Tanzradoder: Die Lust und Mühe eines Daseins“ (1979), das Leip bei jüngerenAutoren wieder ins Bewußtsein bringt und dessen Collagecharakter Wal-ter Kempowski als Autor der „Deutschen Chronik“ so sehr gefällt, jawomöglich imponiert, daß er diese Autobiographie in verschiedenen Jah-ren immer wieder vornimmt und liest. Greift das Buch in der Mischungvon Dokumentation und Fiktion doch eine Kempowski selbst eigeneKompositionsform textlich und bildlich auf, wobei Leip auf das Mediumder Photographie prinzipieller Vorbehalte wegen verzichtet hat und aus-schließlich mit eigenen bildnerischen Werken illustriert.

Auf die Frage der hessischen Schüler-AG „Butzbacher Autorenbefra-gung“, ob er persönliche Urteile zur Gegenwartsliteratur abgeben kön-ne, antwortet der über Achtzigjährige 1976 souverän: „Worauf soll dashinauslaufen? Beurteilen kann man im Allgemeinen nur das, was manselber macht, und auch das nur begrenzt.“36 Außerdem findet er es un-kollegial. Ein Literat für Literaten ist Hans Leip sowieso nie gewesen,der Literaturbetrieb der sechziger und siebziger Jahre blieb ihm voll-

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Hans Leip, Wahrheit. Zur Rede von Hans Erich Nossack, in: die horen 21, Heft 3,Herbst 1976. S. 72 – 76. Der Korrespondenz von Franziskus Schulz liegt ein Ty-poskript bei, das jedoch kaum von der gedruckten Fassung abweicht.

Volker Wehdeking, Erinnerte Gestalten. Ein unbekannter Alfred Andersch der Jahreim Dritten Reich, in: Sprache im technischen Zeitalter 27, 1986. Heft 112. S. 286 – 95,hier S. 295.

Verknappt hat Hans Leip seine „Weltanschauung“ skizziert in: Zwischen Palette undSchreibtisch, in: Wilhelm Duwe (Bearb.), Hans Leip. Hamburg 1968. (= HamburgerBibliographie 1) S. 30 – 42, besonders S. 41/42. Eine Meditation über die Terroristenum Baader und Meinhof, die Richard Schulz dem stern über dessen ChefredakteurHenry Nannen nahebringen wollte, stieß bei Hans Leip auf Unverständnis. (Briefvom 11. November 1972)

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ends fremd, was das Interesse avantgardistischer Redakteure und Litera-tur-Wiederentdecker nicht ausschließt, unter denen vor allem Kurt Mora-wietz mit seiner Zeitschrift „die horen“ zu nennen ist. Er ist es, der 1976Leips Gegenrede „Wahrheit“37 veröffentlicht, die sich vehement gegenHans Erich Nossacks Dankesrede zum Alexander-Zinn-Preis wendet, ge-nauer gesagt: gegen Nossacks apodictum, daß es zwischen Emigration undAnpassung an das NS-Regime einen dritten Weg nicht gegeben habe. Leips Widerspruch „Wahrheit“ ist das Plädoyer für die deutlichere Zur-kenntnisnahme der literarischen Inneren Emigra tion, vorgetragen von ei-nem ihrer letzten Vertreter, jedenfalls hat Hans Leip sich so gesehen. Esspricht manches dafür, daß er dies zu Recht tat.

Ein Beispiel muß hier genügen: So hat auch die Hamburger Familie An-dersch ihn und vor allem sein „Lied im Schutt“ als Medium gleichgesinn-ter Ablehnung des NS-Systems verstanden, als die Mutter Hedwig ihremSohn Alfred Ende 1943 gerade dieses Gedicht vom zerstörten Hamburgin die Siegener Kaserne sandte, wofür Sohn Alfred Andersch sich mit derviel- und zugleich nichtssagenden Worthülse vom „schönen Leip-Ge-dicht“ bedankte, ein offenbar subversives familiäres Einvernehmen, das„sich aus der Erfahrung der 1943 total ausgebombten Familie erklärt und[für die Anderschs] in Leips Widerstandsgedicht gegen die Mentalität des`Totalen Kriegs´ […] kulminiert […].“38 Das Gedicht als Träger familiärkodierten und also verschlüsselten Einvernehmens?

Großzügigkeit und Gradlinigkeit, ein manchmal auch schroffes Urteil, vorallem aber ein grundlegender Pazifismus39 kennzeichnen die LeipschenAltersgedanken. Diese sind niedergelegt in den späten Briefen. Und die ei-

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Daß Hans Leip selbst diesen Briefwechsel für sehr wesentlich hielt, geht aus schon re -lativ früh einsetzenden Anfragen des Dichters hervor, wohin Richard Schulz seineBriefe post mortem geben wolle. Von den unveröffentlichten Korrespondenzennannt e Kathrin Leip den lebenslangen Briefwechsel Leips mit dessen früher Kolleginund „ältester Freundin“ Anna Jacker(-Pongs) als vergleichbar wesentlich, wobei siedessen Kontinuität hervorhebt. (Er währte von 1914 bis nach Leips Tod, nämlich bis1986!)

Hans Leip (Text) / Heinz Finke (Photos), Das ist Konstanz. Konstanz 1976. S. 68.

Hans Leip an Franziskus R. Schulz am 5. Mai 1977.

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gentliche Alterskorrespondenz, zumindest der an erster Stelle stehendeBriefwechsel, ist derjenige mit Richard Schulz, der zwar schon 1943 ein-setzt, sich aber erst seit Mitte der sechziger Jahre intensiviert.40

War das Leben oberhalb des Untersees mit Blick auf die Reichenau, freinach Mörike, eine „Idylle am Bodensee“? Nachdem Breitbrunn amChiemsee und das Allgäudorf Ollarzried sich als ungeeignet erwiesen hat-ten, den Aufbruch aus Hamburg verschmerzen zu lassen, wurde dasSchwäbische Meer zum Lebensmittelpunkt. Hans Leip war 1953 nachWangen auf der Höri gezogen, während Kathrin Leip in Wengen im Ber-ner Oberland ihre Qualifizierung als Diätassistentin abschloß. (Die Briefevon Wangen nach Wengen gehören zu den persönlichsten und schönstendes Briefschreibers Hans Leip, wie sich Kathrin Leip später erinnerte.)Von hier aus übersiedelten sie nach einem halben Jahr auf das bäuerlicheHerrenhaus „Schloß“ Hub im thurgauischen Dorf Fruth wilen. Zehn Jah-re später, 1964, wurde unweit des Schlößchens ein eigenes Haus gebaut.Hans und Kathrin Leip lebten sehr gesundheitsbewußt, und daß Kon-stanz um 1975 kein einziges vegetarisches Restaurant hatte, wohl aber dreitreffliche Reformkost-Geschäfte, hat er der Einkaufsstadt sogar in denvon ihm mit einem sehr dichten Text eingeleiteten Photoband geschrie-ben.41 So rät er Richard Schulz denn auch, bei dessen Neuansiedlung imbadischen Auggen darauf zu achten, daß keine militärischen Einrichtun-gen und kein Flugplatz, wohl aber Wald und vor allem sauberes Wasser inder Nähe des Umzugsortes sein sollten. Hans Leip war immer ein ausge-sprochener Einsiedler gewesen, „wie ich mich denn seit je geweigert ha-be, fremde Behausungen, selbst die von Freunden, zu betreten, bzw. auf-zusuchen. In Hamburg gab es kaum, in Blankenese einige Ausnahmen.Später keine. So nach 80 schlüpfe ich sowieso schneckenhaft in mein in-neres Glück, begleitet von der lieben Sorglichkeit Kathrins.“42