Kinder und Krebs - Universitätsklinikum Münster · Werde ich nach meinem Beruf gefragt und...
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Weiterbildungsstätte für Intensivpflege & Anästhesie
und Pflege in der Onkologie Universitätsklinik Münster
Schmeddingstrasse 56 48129 Münster
Kinder und Krebs Die Pflege und psychosoziale Betreuung von Kindern mit einer
onkologischen Erkrankung
Janina Velimirovic Facharbeit im Rahmen der Weiterbildung Rathenaustr. 13 Pflege in der Onkologie 44532 Lünen Kurs 2009 bis 2011 Tel. :0177/4919829 Kursleitung: Elke Goldhammer E-Mail: [email protected] Abgabedatum: 21.06.2010
Inhalt
Vorwort…………………………………………………………………………………..2
Kurzfassung……………………………………………………………………………...2
1 Kinder und Krebs - Eine Einführung…………………………………………….3
2 Die Pflege des krebskranken Kindes…………………………………………….5
2.1 Minimierung des Infektionsrisikos………………………………………………5
2.2 Isolation vermeiden………………………………………………………………7
2.3 Erkennen von Blutungen und Blutungsprophylaxe/ Thromboembolien………...8
2.4 Intakte Haut und Schleimhäute erhalten…………………………………………9
2.5 Physiologische Nierenfunktion gewährleisten………………………………….10
2.6 Ausreichende Nährstoffzufuhr gewährleisten…...……………………….….....11
2.7 Wohlbefinden steigern………………………………………………………….12
2.7.1 Übelkeit und Erbrechen………………………………………………………...12
2.7.2 Anämie………………………………………………………………………….13
2.7.3 Schmerzen lindern……………………………………………………………...13
2.8 Anforderungen an das Pflegepersonal………………………………………….14
3 Die Psychosoziale Situation des krebskranken Kindes und seiner Familie…….15
3.1 Die Diagnose……………………………………………………………………15
3.1.1 Belastungen der Eltern………………………………………………………….16
3.1.2 Belastungen des erkrankten Kindes…………………………………………….17
3.1.3 Belastungen der Geschwister…………………………………………………...21
3.2 Intensivtherapie und Remission………………………………………………...22
3.3 Therapieende und Nachsorge…………………………………………………...22
4 Fazit…………………………………………………………...…….………….22
5 Literaturverzeichnis…………………………………………………………….24
6 Abbildungsverzeichnis……………………………………………………….…26
7 Anhang
1
Vorwort
Werde ich nach meinem Beruf gefragt und erzähle, dass ich Kinderkrankenschwester
auf einer onkologischen Station bin, ernte ich oft mitleidige oder erstaunte bis
erschrockene Blicke und höre: „Das könnte ich nicht…!“
Reaktionen dieser Art kann ich teilweise nachvollziehen, erinnere ich mich an den
Moment meines Bewerbertages, als ich vor der Onkologie der Kinderklinik Datteln
stand und dachte: „Mein Gott, hoffentlich muss ich nicht dort arbeiten!“ Dies änderte
sich, als ich in meiner Ausbildung auf der Station 1A eingesetzt wurde. Ich lernte die
Station und die Arbeit mit „kleinen“ und „großen“ onkologischen Patienten ganz anders
kennen und lieben.
Mir ist es ein Anliegen eine andere Seite meiner Arbeit aufzuzeigen, als das allgemein
geläufige Bild von glatzköpfigen, todkranken Kindern. Es ist nicht meine Intention
Krebserkrankungen bei Kindern zu verharmlosen, deutlich werden soll jedoch, dass ich
als Kinderkrankenschwester auf einer onkologischen Station weder abgestumpft, noch
gefühlskalt bin. Im Gegenteil erfordert dieser Beruf sehr viel Einfühlungsvermögen und
Sensibilität. Deshalb habe ich mich im Rahmen dieser Hausarbeit dazu entschlossen
einen Einblick in die Thematik Krebs bei Kindern zu geben. Im Verlauf dieser Arbeit
möchte ich darstellen, was eine Krebserkrankung bei Kindern für die Patienten selbst
und ihre Familien bedeutet und ein Bild der Pflege von krebskranken Kindern und den
Umgang mit deren Angehörigen vermitteln.
Kurzfassung
Zunächst möchte ich einen kurzen Einblick in die Datenlage geben, um anschließend
auf die Pflege von krebskranken Kindern eingehen zu können und diese anhand von
Pflegeproblemen und Zielen beschreiben. Dabei ist es mir wichtig, hervorzuheben,
welche besonderen Maßnahmen erforderlich sind, um Kinder mit einer
Krebserkrankung zu begleiten. Darauf folgend möchte ich die psychosoziale Situation
der krebskranken Kinder und ihren Familien aufzeigen und darstellen, in welchen
Bereichen Pflege Hilfestellung leisten kann. In dieser Arbeit soll deutlich werden, dass
die Aufgabe einer Kinderkrankenschwester auf einer onkologischen Station zu einem
großen Teil in der Unterstützung der gesamten Familie liegt.
Bestimmte Fachtermini werden aufgrund des Erstellungsrahmens vorausgesetzt.
Auf die Thematik „Sterben“ wird aus Komplexitätsgründen nicht eingegangen.
2
1 Kinder und Krebs – Eine Einführung
1800 Kinder und Jugendliche bis zum 15. Lebensjahr erkranken in Deutschland jährlich
neu an Krebs. Das ergibt eine Inzidenz von 13,9 pro 100.000 Kinder. Die Ätiologie
maligner Erkrankungen im Kindesalter ist unklar. Diskutiert werden sowohl exogene
Einflüsse wie Strahlen, Chemikalien, Viren, als auch endogene Faktoren (genet.
Disposition). Die häufigsten malignen Erkrankungen sind die Leukämien (33,8%),
gefolgt von Hirntumoren (20,3%) und Lymphomen (12,5%). Allerdings ist das
Diagnosespektrum in den einzelnen Alterklassen sehr unterschiedlich. Überwiegen z.B.
im Säuglingsalter deutlich die embryonalen Tumoren, wie das Neuroblastom, treten sie
nach dem 5. Lebensjahr nur noch sehr vereinzelt auf [1]. Die Leukämien sind bei den
unter 1- bis 4-jährigen mehr als doppelt so häufig wie in den anderen Altersgruppen
vertreten.
Abb. 1 a-d Relative Häufigkeit der an das deutsche Krebsregister gemeldeten Erkrankungsfälle (1992 – 2001 ) nach den häufigsten Diagnosegruppen für verschiedene Altersgruppen: a unter 1-Jährige, b 1- bis 4-Jährige, c 5- bis 9-Jährige, d 10- bis 14-Jährige
Patienten werden mit der Diagnose Krebs mit einer zuvor kurzen Krankengeschichte
meist aus voller Gesundheit heraus konfrontiert. Im Gegensatz zu Tumoren bei
Erwachsenen, weisen kindliche Malignome fast ausschließlich eine hohe
Proliferationsrate und dadurch ein schnelles, unkontrolliertes Wachstum auf [2].
Unreife Zellen, die keine Funktion für den Organismus übernehmen, vermehren sich
3
und verdrängen dadurch die gesunden Zellen [3]. Die hohe Teilungsrate der bösartigen
Zellen bringt aber auch die Möglichkeit der erfolgreichen Behandlung und Heilung mit
sich. „Die Behandlung der krebserkrankten Kinder in Deutschland erfolgt fast
ausschließlich in den so genannten Therapieoptimierungsstudien der Gesellschaft für
Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH). Die Behandlung aller Patienten in
Therapiestudien mit einem Netzwerk von Referenzzentren und zentralen diagnostischen
Einrichtungen sowie Einbindung des Deutschen Kinderkrebsregisters in Mainz
gewährleistet einerseits die Einhaltung der Therapiestandards, andererseits erlaubt sie
die kontinuierliche Beurteilung und Verbesserung des Therapieerfolges.“ [4] Durch die
langfristige Entwicklung der Behandlungsstrategien in den
Therapieoptimierungsstudien ist die Prognose maligner Erkrankungen bei Kindern
deutlich besser als bei Erwachsenen. Die 5-Jahresüberlebensrate der häufigsten
kindlichen Malignome liegt heute bei über 70%. Obwohl durch die heutigen
Behandlungsmöglichkeiten eine Mehrzahl der Kinder geheilt werden kann, bleiben die
bösartigen Erkrankungen nach Unfällen die zweithäufigste Todesursache im Kindes-
und Jugendalter [5].
Tabelle 1
4
2 Die Pflege des krebskranken Kindes
In diesem Abschnitt soll die Pflege von Kindern mit onkologischen Erkrankungen
anhand häufig auftretender Probleme der Therapie oder des Krankheitsbildes bzw. den
sich daraus ergebenden Pflegezielen beschrieben werden. Es soll deutlich werden, was
die Arbeit mit pädiatrischen onkologischen Patienten und deren Familien ausmacht.
2.1 Minimierung des Infektionsrisikos
Bei onkologischen Patienten liegt sowohl durch die Grunderkrankung, als auch durch
die notwendige Therapie mit Zytostatika ein gestörtes Abwehrsystem vor. Infektionen
gehören weiterhin zu den schwerwiegendsten Komplikationen bei der Behandlung
bösartiger Erkrankungen. Die Mehrzahl der onkologischen Patienten im Kindes- und
Jugendalter wird in kurativer Absicht, also mit Aussicht auf Heilung behandelt.
Infektionen können durch eine Verzögerung der Therapie zu einer verschlechterten
Heilungschance und trotz aller zu Verfügung stehenden Mittel zum Tode führen. Die
Beherrschung der Infektion ist also eine wesentliche Voraussetzung für eine
erfolgreiche Behandlung [6].
Zu den Aufgaben des Pflegepersonals gehört hierbei die Beobachtung des Patienten auf
Infektionszeichen/ die Infektionsprophylaxe. Hierzu zählen:
- regelmäßige Temperatur- und Vitalzeichenkontrollen (ca. alle 4 – 6 Std.), um
Infektionszeichen (u.a. Fieber, Tachycardie) rechtzeitig zu erkennen
- auf Schmerzen achten, Schmerzskala (z.B. Halsschmerzen, Schmerzen beim
Wasserlassen).
Nicht alle jungen Patienten könne ihre Schmerzen anhand einer Skala selbst einstufen.
Es gibt spezielle Skalen wie z.B. die Gesichterskala oder Smiley-Skala für Kinder ab 4
Jahren. Bei jüngeren Kindern müssen die Schmerzen vom Pflegepersonal, unter
Einbeziehung der Eltern, eingeschätzt werden. Erforderlich ist eine aufmerksame
Verhaltensbeobachtung. Weitere Maßnahmen sind:
- Beobachtung der Haut- und Hautfalten, der Schleimhäute und besonders der
Katheteraustrittsstellen und Wunden, sowie regelmäßige Verbandswechsel
- Beobachtung von Ausscheidungen; auf Regelmäßigkeit des Stuhlgangs achten;
Eltern über die Notwendigkeit regelmäßiger Defäkation aufklären
- Blutentnahmen nach ärztlicher Anordnung (Blutbild, Entzündungsparameter)
- einmal täglich Wechsel aller Infusionsleitungen; Zubereitung und Wechsel von
Infusionen und Verbandswechsel unter aseptischen Kautelen
5
- Händedesinfektion und Flächendesinfektion und deren Anleitung; auf korrekte
Durchführung der Händedesinfektion bei Eltern und Besuchern achten;
Besucher müssen zudem infektfrei sein
- auf Körperhygiene der Patienten achten (z.B. Hände waschen nach
Toilettengang und Mundhygiene), hierfür Einmalwaschlappen verwenden.
Im Stationsalltag sind für die Körperpflege der Patienten häufig die Eltern zuständig.
Sowohl den Kindern, als auch den Eltern gibt dieses ein Stück Normalität im Laufe des
Klinikaufenthaltes zurück. Vielen Eltern ist es außerdem wichtig, etwas zum
Wohlbefinden ihrer Kinder beitragen zu können. Die Aufgabe der Pflegeperson ist es,
die Eltern anzuleiten und ihnen die Angst vor Elementen wie z.B. den Broviakkathetern
zu nehmen, um so ihr Kind entsprechend versorgen zu können. Außerdem sollte die
zuständige Schwester/ der zuständige Pfleger erkennen, wenn Eltern Entlastung
benötigen und dann Unterstützung anbieten. Zur Infektionsprophylaxe zählen
zusätzlich:
- die Überwachung der Einnahme bzw. die Verabreichung
infektionsvorbeugender Medikamente
Da selbst dem Alter entsprechend aufgeklärte Patienten häufig Probleme bei der
Einnahme von Tabletten, Kapseln oder Säften haben und die Problematik durch
Übelkeit, Erbrechen, Schleimhautdefekte und Stimmungsschwankungen noch verstärkt
werden könnte, bedarf es zur Motivation und Unterstützung oft der Phantasie des
Pflegepersonals. Dieses sollte hinreichend Kenntnis über verschiedene
Medikamentenformen, Verabreichungsarten, Wirkungen und Nebenwirkungen der
Arzneimittel verfügen, um so verschiedene Einnahmemöglichkeiten anbieten zu können
[7].
- Regeln für Zuhause vermitteln: Menschenmengen meiden, keine Topfpflanzen
im Schlafzimmer, Ernährungsvorschriften (keine Rohmilch, keine
unverarbeiteten Nüsse, Obst und Salate gut abwaschen1)
- bei fiebernden Patienten mit Leukozytenwerten unter 500/mm³
(Klinikabhängig2) erfolgt eine Umkehrisolation (sauberes Einzelzimmer mit
Doppeltüren, Schleusen, Kittelpflege, strenge Händedesinfektion, umlaufende
1 Maßnahme bzw. Vorschriften bei Leukopenie sind von Klinik zu Klinik unterschiedlich; hier aufgeführt sind die Maßnahmen der VKJK Datteln 2 s.o.
6
Flächendesinfektion, täglicher Bettwäschewechsel, nicht mehr als zwei
Besucher gleichzeitig im Patientenzimmer)
Bei fiebernden Patienten in Neutropenie muss grundsätzlich von einer Infektion
ausgegangen werden und standardgerecht eine schnelle und breite bakterielle
Behandlung vor Erhalt der mikrobiologischen Ergebnisse erfolgen [8].
Pflegemaßnahmen bei Fieber sind:
- Antipyretika nach ärztlicher Anordnung
- physikalische Maßnahmen wie Wadenwickel
- Bettwäsche/ Wäschewechsel und Teilwäsche nach Bedarf
- Kind mit leichter Baumwollkleidung ankleiden; mit leichtem Tuch zudecken
- regelmäßig lüften, dabei Zugluft vermeiden
- kühle Getränke (Tees, Säfte) anbieten und auf genügend Flüssigkeitszufuhr
achten
- leicht verdauliche Speisen anbieten
Erfahrungsgemäß wird das Fieber von Kindern viel besser vertragen, als von
Erwachsenen. Maßnahmen und Medikamente zur Fiebersenkung sollten also in jedem
Fall von der Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes des Kindes abhängig gemacht
werden.
2.2 Isolation vermeiden
Es ist nicht selten, dass sich Kinder durch infektionsprophylaktische Maßnahmen
isoliert und ausgeschlossen fühlen. Die Aufgabe der Pflegeperson ist es, das Kind
altersgemäß über Sinn und Zweck dieser Maßnahmen aufzuklären, um eine bessere
Complience zu erwirken. Die Mitaufnahme der Bezugsperson und Besuche von
Freunden und Geschwistern sollten ermöglicht werden. Des Weiteren können dem Kind
sinnvolle Beschäftigungen angeboten werden, wie Bilderbücher anschauen und
vorlesen, mit Bausteinen spielen, singen und musizieren mit dem Musiktherapeuten,
Gesellschaftsspiele spielen, Hörspiele hören, Videofilme anschauen, zusammen basteln
(Türschilder, Namensschilder, Fensterbilder) etc. [9]. Das Kind sollte ermutigt werden
Kontakt zu Freunden und Mitschülern aufzunehmen indem es Telefonate führt oder
Briefe schreibt. Der Kliniklehrer erstellt mit schulpflichtigen Kindern zusammen einen
Stundenplan, der dem Gesundheitszustand angepasst ist. An das mitaufgenommene
Elternteil kann zur Entlastung das Angebot gemacht werden zeitweise ihren „Platz“ in
der Betreuung einzunehmen. Hilfreich ist, gerade am Beginn der Therapie, den Kindern
7
feste Bezugspersonen aus dem Pflegeteam zuzuteilen, die die erforderlichen
Pflegemaßnahmen durchführen und die Kinder zu den Untersuchungen begleiten. So
können Kinder und Jugendliche schneller Vertrauen zur zuständigen Pflegeperson
gewinnen und Ängste leichter äußern. Die Pflegepersonen sollte aus diesem Grund
immer wieder Zeit für Gespräche aufbringen.
Ein weiterer Grund für Kinder und Jugendliche sich isoliert, ausgeschlossen oder
„anders“ zu fühlen, kann der Haarausfall sein. Es ist wichtig die Kinder und Eltern
frühzeitig über den Haarausfall und die Möglichkeiten der Kopfbedeckung aufzuklären.
Besonders die Information, dass die Haare nach Beendigung der Therapie in der Regel
wieder wachsen, ist von großer Bedeutung. Hilfreich ist es bei längeren Haaren vor
Beginn des Haarausfalls einen Kurzhaarschnitt anzufertigen. Ferner die Haare bei stark
einsetzendem Haarausfall zu rasieren, da die Veränderung dann nicht mehr so drastisch
wahrgenommen wird. Ausfallende Haare verursachen zudem einen starken Juckreiz und
können verschluckt werden. Wird von den Kindern eine Perücke gewünscht, muss diese
frühzeitig beantragt werden. Alternativ gibt es tolle Mützen, Käppis und Tücher die bei
vielen Kindern gut ankommen. Jüngere Mädchen tragen erfahrungsgemäß gern
Kopftuch passend zum Broviakbeutel, am liebsten in Farben wie Pink oder Rosa.
Jungen bevorzugen meist Fußball- oder Automuster. Den Eltern kann vorgeschlagen
werden Kopftücher, sowie Beutel selbst zu nähen oder jemanden aus dem
Bekanntenkreis zu beauftragen.
2.3 Erkennen von Blutungen und Blutungsprophylaxe/Thromboembolien
Prävention, Diagnostik und Therapie von Komplikationen wie Blutungen und
Thrombosen, machen einen beachtlichen Teil der Arbeit auf einer onkologischen
Station aus. Durch die Thrombozytopenie ist die Blutungsneigung des Patienten erhöht.
Der Pflege kommen hier folgende Aufgaben zu:
- regelmäßige Blutbildkontrollen nach ärztlicher Anordnung
- Beobachtung des Patienten auf Blutungszeichen wie Petechien, Hämatome,
Schleimhautblutungen (in Mund und Nase); Beobachten der Art und Farbe von
Erbrochenem, Stuhl und Urin
- auf regelmäßige Stuhlentleerung achten /Obstipation vermeiden, ggf. Gabe von
Laxantien
- Vermeidung von s.c. und i.m. Injektionen, Suppositorien, Klistieren und rektalen
Temperaturmessungen
8
- Überwachung bei Thrombozytensubstitution
- bei Nasenbluten: Eiskrawatte anlegen, Nasentropfen verabreichen,
Hämostatikum lokal verabreichen z.B. in Form einer Nasentamponade mit
Anvitoff oder Lysostypt
Die Eltern müssen über die verstärkte Blutungsneigung ihres Kindes aufgeklärt sein.
Die Kinder müssen vor Verletzungen und Stößen geschützt, übermäßige Anstrengung
und einschnürende Kleidung sollte vermieden werden. Eltern werden angeleitet
Blutungszeichen zu erkennen und weiterzugeben. Häufig benötigen Kind und Eltern bei
auftretenden Blutungen ebenfalls emotionale Unterstützung, da diese Ängste auslösen
können [10].
Pädiatrische Patienten mit onkologischen Erkrankungen können, im Rahmen von
infektiösen Komplikationen oder bei liegendem zentralem Venekatheter, ein erhöhtes
Risiko für thromboembolische Ereignisse haben. Das Auftreten solcher Ereignisse ist
im Kindesalter jedoch selten. Wichtig ist eine Eigen- und Familienanamnese bezüglich
aufgetretener Thrombosen durch den aufnehmenden Arzt. Das Pflegepersonal sollte im
Verlauf bei folgenden Dingen aufmerksam werden:
- Schmerzen, livide Hautverfärbungen, verstärkte Venenzeichnung,
Schwellungen oder Umfangsdifferenzen von Extremitäten,
Kopfschmerzen und neurologische Auffälligkeiten [11].
2.4 Intakte Haut und Schleimhäute erhalten
Gesunde Haut ist für Bakterien schwieriger zu durchdringen. Verletzungen bergen
deshalb besonders bei immunsuppremierten Patienten die erhöhte Gefahr einer
Entzündung.
Nach einer Chemotherapie neigen Kinder zu trockener Haut. Nicht selten beginnen sie
sich zu kratzen, zu knibbeln oder Hautfetzen von den rissigen Lippen zu reißen. Des
Weiteren werden durch die Zytostatika nicht nur Tumorzellen, sondern auch andere,
sich in Zellteilung befindliche Zellen zerstört. Durch die hohe Teilungsrate der
Schleimhautzellen ist diese besonders empfindlich. Eben genanntes kann folglich eine
Eintrittspforte für Erreger sein. Wichtig ist, wie zuvor erwähnt, eine gute Körperhygiene
und Hautpflege. Die Eltern sollten auch hier angeleitet werden auf Haut- oder
Schleimhautveränderungen und -verletzungen zu achten. Speziell bei Säuglingen und
Kleinkindern, die Windeln benötigen, ist eine intensive Hautpflege des
Anogenitalbereiches sinnvoll [12]. Auch wenn das Wickeln der Kinder durch die Eltern
9
übernommen wird, sollte der Windelbereich einmal täglich von der zuständigen
Pflegeperson inspiziert werden. Weitere Pflegemaßnahmen in diesem Zusammenhang
sind:
- Hautpflege mit fetthaltigen Cremes/Salben
- Pflege der Nasenschleimhaut mit Nasensalben/Nasenöl
- Lippen geschmeidig halten (z.B. Bepanthen® Lippen-/Nasensalbe)
- Fingernägel kurz schneiden und feilen
- bei Rötungen im Anogenitalbereich kann eine Popflege mit schwarzem Tee oder
3er Tee Gemisch erfolgen (Schwarztee, Kamille; Frauenmantel)
- Mundspülung mit Salbeitee (wirkt entzündungshemmend und desinfizierend);
regelmäßige Zahnpflege mit weicher Zahnbürste (mindestens drei mal täglich,
solange Leukozytenwert über >500mm³)
Da die Mukositis eine der häufigsten Nebenwirkungen der Chemotherapie darstellt, ist
es wichtig, die Kinder von Beginn an die Mundpflege und die tägliche Inspektion der
Mundhöhle zu gewöhnen. Bei jüngeren Kindern kann dies oft spielerisch unter
Zuhilfenahme von Taschenlampe und Stieltupfer erfolgen. Ältere Patienten werden
instruiert und müssen häufig immer wieder motiviert werden. Beliebt sind das
Einfrieren von Salbeitee oder Ananas3, um dies zum Lutschen anzubieten [13]. Ebenso
sollten die Ausscheidungen der Patienten beobachtet werden, um auftretende Diarrhöen
und damit eine Beteiligung des Magen-Darm Traktes frühzeitig zu erkennen.
Leider ist das Auftreten einer therapiebedingten oralen Mukositis durch präventive
Maßnahmen kaum zu beeinflussen, dennoch können eben diese sicherlich Einfluss auf
das Ausmaß der Schleimhautschädigung haben. Behandlungsziele sind eine effiziente
Schmerzlinderung, eine rasche Abheilung und die Vermeidung einer Superinfektion
[14]. Stellen die Patienten die Nahrungsaufnahme aufgrund von Schmerzen bei
Mukositis ein, wird die Nährstoffaufnahme durch parenterale Ernährung über den
zentralen Katheter (Broviak, Port) sichergestellt.
2.5 Physiologische Nierenfunktion gewährleisten
Durch die Zytostatikatherapie kommt es besonders bei Kindern mit großer Tumorlast
oder Leukämien zu einem massiven Zellzerfall und somit einem Freiwerden der
intrazellulären Substanzen mit Anstieg von Kalium, Phosphat und Harnsäure. Letztere
3 wirkt schmerzlindernd durch Kältereiz verkürzt Erkrankungsdauer und – schwere durch direkte Enzymwirkung
10
kann, wenn sie plötzlich in großen Mengen gebildet wird, nicht mehr ausreichend
ausgeschieden werden und so im Bereich der Nieren auskristallisieren. Um
Nierenschäden vorzubeugen, sollte während der Chemotherapie eine ausreichende
Flüssigkeitszufuhr gewährleistet sein, die den Urinfluss aufrechterhält. Die Zugabe von
Natriumbikarbonat erfolgt nach ärztlicher Anordnung und sorgt für einen alkalischen
Urin-pH, durch welchen die Ausscheidung der Harnsäure verbessert wird.
Unterstützend erhalten die Patienten Urostatika (Allopurinol) oder Rasburicase, die ein
Absinken des Harnsäurespiegels im Blut bewirken. Die Pflegeperson kontrolliert den
Urin pH-Wert mittels Urinstix (angestrebter Urin pH > 7) bei jeder Miktion. Des
Weiteren erfolgt eine genaue Ein- und Ausfuhrbilanz zu festgelegten Zeiten und die
tägliche Gewichtskontrolle, um einer Über- oder Unterwässerung rechtzeitig
entgegenwirken zu können [15]. Die Aufgabe der Kinder oder je nach Alter deren
Eltern, ist es, die Trinkmengen zu notieren. Beliebt bei jüngeren Kindern ist ein
Becherplan, in welchem sie für jede getrunkene Tasse einen Becher auf einem Blatt
Papier ausmalen dürfen. Außerdem muss der Urin in Urinflaschen aufgefangen werden,
damit er vom Pflegepersonal abgelesen und gestixt werden kann. Im weiteren Verlauf
der Therapie ist häufig eine Ein- und Ausfuhrbilanzierung unter Zytostatikagabe
notwendig. Urin-pH Wert Kontrollen erfolgen ebenfalls bei Methotrexat-Gabe. Andere
Chemotherapeutika (Ifosfamid, Cyclophosphamid) erfordern, dass der Urin auf
Erythrozyten gestixt wird, um eine Hämaturie und damit eine hämorrhagische Zystitis
frühzeitig zu erkennen.
2.6. Ausreichende Nährstoffzufuhr gewährleisten
Durch Übelkeit und Erbrechen, Mukositis und Appetitlosigkeit, ist bei vielen Kindern in
Therapie die Nahrungsaufnahme gestört. Den Kindern kann in solchen Phasen
Wunschkost angeboten werden. Diese kann in der Krankenhausküche bestellt oder von
den Eltern mitgebracht und in der Elternküche der Station zubereitet werden. Bei
Entzündungen der Mundschleimhaut, Diarrhöe oder Emesis können ausgewählte,
reizarme Speisen und viele kleine Mahlzeiten empfohlen werden. Speisen können
darüber hinaus kalorisch angereichert werden. Trotzdem benötigen viele Patienten
temporär eine zusätzliche Ernährung über Infusionen.
Während der Therapie mit Kortikosteroiden (Induktionsprotokoll ALL) leiden viele
Kinder unter Heißhungerattacken und nehmen sehr schnell viel Gewicht zu. Die Kinder
äußern in dieser Zeit die ungewöhnlichsten Essenswünsche zu den ungewöhnlichsten
11
Essenszeiten. Die Eltern müssen über diese Nebenwirkung informiert sein und erfahren,
dass der Hunger mit dem Ausschleichen der Steroide wieder nachlässt.
2.7 Wohlbefinden steigern
Während einer Chemotherapie leiden die meisten Kinder unter einem gestörten
Wohlbefinden. Ursächlich hierfür sind Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen und andere
krankheitsbedingte Symptome oder Nebenwirkungen der Therapie.
2.7.1 Übelkeit und Erbrechen
Übelkeit und Erbrechen (Nausea und Emesis) sind sehr unangenehme Störungen und
können zu einem stark beeinträchtigten Allgemeinzustand führen. Das Auftreten wird
durch verschiedene endogene (Grunderkrankung, Metabolismus der Medikamente,
Erwartungshaltung) und exogene (Chemo-, Strahlen-, Analgetikatherapie,
Familienkonflikte) Faktoren beeinflusst. Eine Hauptursache für das Auftreten für NE
ist die Chemotherapie, wobei viel von Art, Dosis, Applikation und Kombination des
Zytostatikums abhängt [16]. Für das Behandlungsteam ist es deshalb wichtig, die
einzelnen Zytostatika mit ihrer Wirkung und Nebenwirkung zu kennen, denn eine
adäquate antiemetische Medikation kann Übelkeit und Erbrechen im Rahmen der
onkologischen Therapie bei den meisten Patienten verhindern oder zumindest lindern.
Auch hier ist eine umfassende Information des Patienten und der Eltern über die zu
erwartenden unerwünschten Wirkungen der Chemotherapie und die geplanten
antiemetischen Maßnahmen von Bedeutung. Es ist hilfreich dem Patienten und seinen
Angehörigen sicher und verständnisvoll gegenüberzutreten, denn Unsicherheit oder
Ablehnung seitens der Pflegekraft, kann wiederum Angst und Unsicherheit bei diesen
erzeugen [17].
Zu den Aufgaben der Pflegenden zählt:
- die prophylaktische Gabe von Antiemetika; falls möglich Applikationsart
anpassen, sowie die Kontrolle der Einnahme .
Häufig fehlt den Patienten die Einsicht der Medikamenteneinnahme, wenn es noch nicht
zu Übelkeit oder Erbrechen gekommen ist. Auch hier spielt die Aufklärung eine große
Rolle. Kinder und Jugendliche bevorzugen erfahrungsgemäß die intravenöse
Applikation von Medikamenten. Der Nachteil ist, dass die i.V. Gaben nicht zu Hause
bei Bedarf erfolgen können. Eine gute Möglichkeit sind Sublingualtabletten, die klein
sind und sich schnell im Mund auflösen. Außerdem gilt zu beachten:
12
- Medikamente nicht zu schnell injizieren (z.B. Dexamethason), da diese dann
selbst Übelkeit erzeugen können
- Räume belüften; unangenehme Gerüche vermeiden;
- reizfreie, kühle Getränke anbieten
- Wunschkost; eher kalte Speisen anbieten; Eltern informieren, dass ihr Kind
nichts essen muss, wenn es ihm übel wird
- Nierenschale, Tücher, Wasser bereit stellen; Unterstützung leisten bei
auftretendem Erbrechen
- Häufigkeit, Menge und Beimengungen des Erbrochenen beobachten und
dokumentieren.
2.7.2 Anämie
Blässe, Müdigkeit, Schwäche, Schwindel, Leistungsabfall bis hin zur
Wesensveränderung, Tachycardie und Atemnot können Folge eines abgesunkenen
Hämoglobinwertes sein. Viele Kinder sind an ihre Anämie adaptiert und zeigen erst spät
Symptome. Die Indikation der Transfusion eines Erythrozytenkonzentrates wird deshalb
vom Allgemeinzustand des Kindes abhängig gemacht. Die Pflegeperson beobachtet das
Allgemeinbefinden und das Hautkolorit des Kindes und kontrolliert Puls und Blutdruck.
Hilfreich sind, die Aussagen der Eltern über das Verhalten des Patienten zu Hause, da
diese ihr Kind sehr zuverlässig einschätzen können.
2.7.3 Schmerzen lindern
Während einer Krebserkrankung können Schmerzen durch die Grunderkrankung
hervorgerufen werden oder Therapiefolge sein z.B. postoperativ, durch Chemotherapie
oder medizinisch notwendige Eingriffe. Schmerzen können zu Beeinträchtigungen der
Lebensqualität wie Schlaflosigkeit, Bettlägerigkeit, Lustlosigkeit, Appetitlosigkeit,
Aggression oder Depression führen [18]. Voraussetzung für eine adäquate
Schmerztherapie sind eine ausführliche Schmerzanamnese und die kontinuierliche
Schmerzmessung und Dokumentation. „Der beste Weg der Schmerzmessung ist die
Befragung des Kindes nach dessen eigener Schmerzeinschätzung.“ [19] Es gibt
unterschiedliche Schmerzmesskarten für die verschiedenen Lebensalter (siehe S.5). Bei
Kindern unter 2,5 Jahren wird das Verhalten von Eltern und Pflegepersonen beurteilt.
Die medikamentöse Schmerzbehandlung erfolgt nach dem WHO-Stufenschema, oft mit
starken Opioiden. Kinder sollten keinesfalls von WHO-Stufe zu WHO-Stufe klettern
13
müssen [20]. Erforderlich ist eine gute Zusammenarbeit zwischen dem Pflegepersonal
und dem Ärzteteam. Von großer Bedeutung ist es, die Eltern aufzuklären, dass Opioide
wie häufig angenommen, nicht erst in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium
verabreicht werden, sondern dann, wenn die Schmerzen mit Opioiden am besten
behandelt werden können. Ausschlaggebend ist also nicht das Stadium der Krankheit,
sondern die Stärke der Schmerzen. Ein weiterer Grund, warum Eltern
Morphinpräperaten kritisch gegenüber stehen, ist die Angst vor einer Abhängigkeit.
Auch hier gilt es aufzuklären. „Wenn Opioide sachgerecht zur Schmerzbehandlung
eingesetzt werden, erleben die Patienten kein Glücksgefühl durch das Opioid und
entwickeln dann auch nicht das Verlangen, dieses Glücksgefühl durch unnötige weitere
Opioid-Gaben wiederherzustellen. Bei einer sachgerecht durchgeführten
Schmerztherapie tritt nie eine Sucht auf .“[21]
Bei der Schmerzlinderung ist es hilfreich Kinder in die Gestaltung der Situation
miteinzubeziehen und sie kleine Entscheidungen treffen (z.B. ob sie lieber sitzen oder
liegen wollen, ob das Kuscheltier dabei sein soll) und mithelfen zu lassen (Einstichstelle
säubern, Tupfer auspacken). So erlangen sie mehr Kontrolle über die Gesamtsituation,
fühlen sich nicht mehr hilflos ausgeliefert und empfinden weniger Schmerzen. Wichtig
ist eine altersentsprechende Aufklärung, eventuell unter Zuhilfenahme von
Kuscheltieren, Puppen oder Bilderbüchern. Es sollte herausgefunden werden, wie viel
das Kind erfahren möchte. In jedem Fall sollten alle beteiligten dem Kind gegenüber
ehrlich sein und schmerzhafte Prozeduren nicht verschweigen. Auch angenehme,
ablenkende Beschäftigungen wie kuscheln, vorlesen, Videos schauen und Musik hören
können helfen das Schmerzempfinden zu verringern [22]. Für eine überstandene
schmerzhafte Behandlung kann das Kind gelobt werden und ein kleines Geschenk
erhalten (z.B. ein Teil aus der „Überraschungskiste“ aussuchen). Pflegerische
Maßnahmen zur Schmerzlinderung sind:
- eine bequeme Lagerung, so können Schmerzen durch Verspannungen und
Druckstellen vermieden werden
- Anwendung von Wärme oder Kälte, je nach Vorliebe des Kindes
- Einreibungen oder Massagen (wirken entspannend und beruhigend)
2.9 Anforderungen an das Pflegepersonal
In den vorangegangen Abschnitten ist die Aufgabenvielfalt einer
Kinderkrankenschwester/ eines Kinderkrankenpflegers auf einer onkologischen Station
14
deutlich geworden. Das Pflegepersonal betreut den Patienten und seine Familie über
einen langen Zeitraum hinweg und in verschiedenen Phasen der Erkrankung. Neben der
somatischen Betreuung wird emotionale und soziale Unterstützung durch
kontinuierliche Pflege und Behandlung, Vermittlung von Informationen, als auch durch
Anleitung gegeben. Unerlässlich sind Fachwissen, Kenntnisse über die
Krankheitsbilder, die Therapie und die Wirkungen und Nebenwirkungen der einzelnen
Medikamente. Gefordert ist ein hohes Maß an Professionalität, um die tägliche Balance
zwischen Nähe und Distanz gegenüber Patienten und Eltern zu finden und einzuhalten.
Zudem ist Einfühlungsvermögen und Verständnis essentiell, wenn es darum geht, die
Familie so wie sie ist, zu akzeptieren und zu begleiten und sich in das erkrankte Kind
einzufühlen. Die Aufgabe der Pflegepersonen ist es, mithilfe des psychosozialen Teams
und der Ärzte, die Kinder und die Familien, gerade in der ersten Zeit der Erkrankung,
aufzufangen und Unterstützung sowie Hilfe anzubieten. Es soll sowohl auf die
körperlichen, seelischen und entwicklungsbedingten Bedürfnisse von Patienten und
ihren Familien eingegangen werden. Dies geschieht, indem Gesprächsbereitschaft und
die Bereitschaft sich mit den Problemen der Familie auseinander zusetzten, signalisiert
werden. Durch Kontinuität in der Versorgung, ist es möglich früh eine vertrauensvolle
Beziehung aufzubauen. Um das Vertrauen nicht zu gefährden, ist es wichtig gegenüber
Kind und Eltern immer aufrichtig zu sein. Ein offenes und echtes Auftreten der
Pflegepersonen, erleichtert den Kindern ebenfalls über Gefühle und Ängste zu sprechen
[23].
3 Die Psychosoziale Situation des krebskranken Kindes und seiner Familie
Aus einer Krebserkrankung im Kindes- und Jugendalter ergeben sich sowohl für den
Betroffenen, als auch für die Familie eine Menge Belastungen. Die häufigsten
Belastungen für das krebserkrankte Kind, für seine Eltern und seine Geschwister sollen
an dieser Stelle dargestellt werden. „Eine Krebserkrankung im Kindesalter ist nicht
unbedingt tödlich, aber immer lebensbedrohlich und verändert die Welt des Kindes und
seiner Familie in einschneidender Weise.“ [24]
3.1 Die Diagnose
„Die Phase der initialen Diagnose, gekennzeichnet durch eine Periode intensiver
Aktivität aufgrund der zahlreichen medizinischen Untersuchungen, stellt eine extreme
15
Stress-Situation dar, die mit der Gewissheit einer lebensbedrohlichen Erkrankung
endet.“[43]
3.1.1 Belastungen der Eltern
Die Diagnose einer Krebserkrankung kann eine gesamte Familie in einen
Schockzustand versetzen [25]. Die ersten beim Kind auftretenden Symptome wie
Fieber, Müdigkeit, blaue Flecken und Schmerzen haben bisher eher auf eine
unbedrohliche Krankheit hingewiesen. Erst mit der Einweisung ins Krankenhaus durch
den Hausarzt entstehen bei den Eltern schrittweise Ängste vor einer ernsten
Erkrankung [26]. Bei der Diagnosemitteilung werden die Vorahnungen der Eltern zur
Wirklichkeit und lösen Gefühle wie Fassungslosigkeit, Verwirrung, Angst, Wut und
Trauer aus. Typische erste Reaktionen von Eltern sind:
- Schockreaktion („Ich habe mich während des Gesprächs mit dem Arzt auf dem
Friedhof das Grab versorgen sehen,…)
- Nicht wahrhaben wollen
- Zorn („Warum hat er die Krankheit nicht vorher erkannt?“)
- Schuldgefühle und Suche nach einer Ursache („Hab ich was falsch gemacht?“)
- Später: Zustimmung, Hoffnung, Vertrauen [27].
Diese extreme Stresssituation hat häufig zur Folge, dass die Aufnahme- und
Verarbeitungsfähigkeit der Eltern beeinträchtigt sind und somit Inhalte des ärztlichen
Diagnosegespräches die zunächst verstanden wurden, kurze Zeit später wieder
vergessen werden [28]. „Deshalb ist es gerade in der Diagnosephase sehr wichtig, dass
zahlreiche ärztliche Gespräche mit den Eltern geführt werden, damit sich diese über die
medizinische Realität des Kindes orientieren können.“ [29] Die Gespräche sollten in
ungestörter Umgebung stattfinden, es sollte ausreichend Zeit zur Verfügung stehen und
es bedarf „[…] einer guten psychologischen Führung, Transparenz und
Verständlichkeit in der Aussage.“ [30]. Informationen sollten auf das Nötigste reduziert,
aber ehrlich und deren Darstellung an den Hintergrund der Familie angepasst werden.
Fachausdrücke sollten vermieden werden [31]. Erfahrungsgemäß müssen auch
Informationen seitens der Schwestern in der Anfangsphase der Therapie häufiger
wiederholt werden. Hilfreich ist es wichtige Informationen schriftlich, in Form von
Elternbrief, Stationsbroschüre, Mundpflegeanleitung etc., auszuhändigen. Es kommt
nicht selten vor, dass sich Eltern weitere Informationen durch Bekannte, andere Ärzte,
Bücher oder das Internet beschaffen. Hier können Empfehlungen für Bücher und
16
besonders für informative Internetadressen ausgesprochen werden. Des Weiteren kann
die Familie aufgefordert werden die mitgeteilten und erworbenen Informationen aus der
Erinnerung zu schildern. So können Missverständnisse ausgeräumt oder nicht
verstandene Sachverhalte korrigiert werden [32]. Außerdem kann das Angebot gemacht
werden auftretende Fragen zu notieren und diese dann an das Ärzte- oder
Schwesternteam zu richten.
Zusätzlich zur Verarbeitung des Diagnoseschocks und zur Pflege des kranken Kindes,
stehen die Eltern vor der Aufgabe ihr gesamtes Leben umzuorganisieren. Nicht selten
muss eine Bezugsperson zur Betreuung des krebskranken Kindes ständig im
Krankenhaus anwesend sein. Ein Elternteil muss also möglicherweise seinen Beruf
aufgeben, was finanzielle Schwierigkeiten zur Folge haben kann. Weiter muss eine
Betreuung für die gesunden Kinder organisiert werden. Hier kann der Sozialarbeiter der
Station hinzugezogen und der Kontakt zu anderen betroffenen Eltern hergestellt werden.
Der Sozialarbeiter und die Elterninitiative kennen sich mit externen
Unterstützungsangeboten aus und ein Gespräch unter Gleichgesinnten kann sich sehr
positiv auswirken [33]. Auch die Partnerschaft der Eltern wird durch unterschiedliche
Bewältigungsstrategien und eine neue Rollenverteilung auf eine harte Belastungsprobe
gestellt. In einer Zeit, in der Mutter und Vater selbst emotionalen Halt und Gespräche
brauchen, wird die Beziehung und oft auch die sexuellen Bedürfnisse zurück gestellt,
um die mit der Krankheit verbundenen Ängste und Sorgen zu bewältigen. Es entstehen
häufig Schuldzuweisungen, der eine fühlt sich vom anderen allein gelassen [34].
Alleinerziehende Eltern können weit weniger Zeit zur Betreuung aufbringen, da sie die
Doppelbelastung der Sorge um das kranke Kind und ihre berufliche Situation
vereinbaren müssen. Den Eltern kann vorgeschlagen werden sich in der Betreuung des
Kindes abzuwechseln oder die Betreuung stundenweise oder für die Nacht an die
Schwestern abzugeben. Im Elternhaus könnten sie sich eine Auszeit nehmen, wären
aber doch jederzeit erreichbar und schnell wieder auf der Station anwesend.
3.1.2 Belastungen des erkrankten Kindes
Kinder nehmen sehr sensibel Stimmungen aus ihrer Umgebung auf. Sie spüren schon
mit dem Transport ins Krankenhaus, dass etwas nicht in Ordnung ist, bemerken die
Sorge ihrer Eltern und reagieren zumeist mit Angst auf diese Situation.
Die Krebserkrankung bedeutet für das Kind, dass es seine vertraute Umgebung
aufgeben und sich auf eine langwierige medizinische Behandlung einstellen muss. Von
17
den Kindern wird durch die Therapie ein hohes Maß an Einsicht, Geduld, Mitarbeit und
Verständnis erwartet [35]. Gerade die Behandlung hinterlässt tiefe Wunden seelischer
und oftmals auch körperlicher Art. Einige Patienten empfinden beispielsweise
Haarausfall zunächst als unerträglich, gewöhnen sich aber angesichts der Bedrohlichkeit
der Krankheit schnell an diese Nebenwirkung. Andere Betroffene sind mit verlorenen
Beinen und Armen konfrontiert. Diese Kinder und Jugendlichen haben große Angst vor
den Reaktionen der Umwelt.
Die Erkrankung an Krebs ist für Kinder und Jugendliche eine zusätzliche Belastung zu
ihren Entwicklungsaufgaben, die sie je, nach Alter, zu erfüllen haben Die Fähigkeit des
Kindes die Bedeutung einer schweren Krankheit zu verstehen, ist vom jeweiligen
Entwicklungsstand und Alter des Kindes abhängig. Auch ist es individuell verschieden
welche Verhaltensweisen und Bewältigungsstrategien ein Kind aufzeigt, um die
belastende Situation einer Krebserkrankung zu verarbeiten.
Typische Reaktionen/Bewältigungsstrategien sind:
Regression
Das Kind gibt bereits erlernte Fähigkeiten und Fertigkeiten auf, um sich wieder wie
früher zu verhalten. Es kann z.B. nicht mehr ohne seine Mutter sein oder beginnt
plötzlich wieder einzunässen, Rückfall in die Babysprache, Daumenlutschen etc. Mit
dem Kind sollte nach Ursachen gesucht werden und es sollte ermutigt werden, sich
wieder so zu verhalten, wie es seinem Alter entspricht.
Ängste
Zu Unterscheiden sind „reale Ängste“, welche von der realen Angst vor der
bedrohlichen Situation ausgehen z.B. der Krankheit, Blutentnahme im Gegensatz zu
„früheren Ängsten“, wie z. B. Angst vor der Dunkelheit, Trennungsangst.
Das Kind ist zumeist selbst bereit Hilfestellung bei der Bewältigung der Ängste
anzunehmen, da es durch diese sehr verunsichert wird.
Stimmungsschwankungen
Durch die Krankheitsumstände kommt es oft vor, dass Kinder und Jugendliche
stimmungslabil werden. Die Stimmung der Kinder kann von einem zum nächsten
Moment schwanken. Von traurig, zu übertrieben lustig, zu aggressiv oder depressiv.
Medikamente wie Cortison verstärken das Auftreten zusätzlich. Da das Kind diese
Veränderung an sich bemerkt, sollten ihm die Ursachen solcher
Stimmungsschwankungen erläutert werden.
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Rituale
Rituale können von Kindern zur Angstbewältigung eingesetzt werden. Es gibt Rituale
vor einem Krankenhausaufenthalt, vor einer Spritze, Zu-Bett-geh-Rituale etc. Solange
diese Rituale nicht in Zwangshandlungen ausarten, sind sie als normal und
vorübergehend zu betrachten [36].
Unterschiede innerhalb der verschiedenen Alterstufen:
Säuglinge und Kleinkinder (bis 3 Jahre)
- haben keine Einsicht in ihre Krankheit
- erleben aber die Verminderung der Vitalität, des körperlichen Wohlbefindens
und erleben Schmerzen
- reagieren häufig mit Trennungsangst; Angst vor Neuem
- erleben Krankheit evtl. als Bestrafung
- Bewältigungsstrategien: emotionaler Rückzug, Regression
Von großer Bedeutung ist die ständige Anwesenheit einer Bezugsperson und das
kontinuierlich Aufklärung auf einem anschaulichen, einfachen Niveau betrieben wird.
Vorschulkinder (3 bis 7 Jahre)
- erleben körperliche Veränderungen wie Haarausfall, Übelkeit und Erbrechen etc.
bewusster
- spüren die schwerwiegende Bedeutung der Behandlung, durch Angst der Eltern
oder mitgehörte Gespräche
- können Nebenwirkungen der Therapie mit der Notwendigkeit der Behandlung
kombinieren
- erleben Einschränkungen in ihren Sozialkontakten und in ihrer Mobilität
- suchen verstärkt Nähe, meist zur Mutter
- reagieren mit Trennungsangst; Angst vor Verlust der Körperkontrolle und
Selbstständigkeit; Angst vor Schmerzen; Aggression
Wichtig ist Verständnis für das vermehrte Bedürfnis nach Nähe zu zeigen, aber dem
Kind zu helfen bereits erworbene Entwicklungsschritte nicht wieder aufzugeben.
Schulkinder (7 bis 14 Jahre)
- wollen Krankheit verstehen, stellen viele Fragen
- zeigen besonderes Interesse an Laborwerten etc.
- Schulunterricht muss unterbrochen werden
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- Angst vor Kontaktverlust zu Gleichaltrigen, Angst den Anschluss an den
Lernstoff der Klasse zu verpassen; Angst vor Operationen und Narkosen; Angst
vor Tod und Sterben
Die Fragen der Kinder müssen behutsam und ehrlich beantwortet werden. Auf
bevorstehende Eingriffe/Operationen sollten sie frühzeitig vorbereitet werden. Von
Bedeutung ist die Fortführung des Schulunterrichts in Form von Hausunterricht und
Kontakt zu Gleichaltrigen zu ermöglichen.
Jugendliche
- Identitätssuche; strebt nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung; körperlicher
Reifungsprozess; beruflicher Werdegang
- Abnabelungsprozess unterbrochen, wieder Abhängigkeit;
Behandlungsvorschriften werden als Entmündigung empfunden
- soziale Kontakte können schwer aufrecht erhalten werden
- erleben von körperlicher Nicht-Attraktivität aufgrund sichtbarer
Behandlungsfolgen
- reagieren mit Rebellion und Auflehnung oder verlieren im Gegenteil jegliches
Autonomiestreben
Jugendliche sollten als gleichberechtigte Partner in den Mittelpunkt der
Gesprächsführung gestellt werden [37].
„Die vielfältigen emotionalen Reaktionen […] sollten üblicherweise nicht in einem
psychopathologischen Kontext interpretiert werden, […] sondern sollten als
verständliche und normale Reaktion auf eine nicht normale Belastungssituation
aufgefasst werden.“ [38]
Das Pflegepersonal kann mithelfen, die Situation für die Kinder und Jugendlichen
weniger belastend zu gestalten. Viele Maßnahmen sind schon in den vorangegangen
Abschnitten erläutert worden. Allgemeine Hilfen sind eine kindgerechte Ausstattung
der onkologischen Abteilung, mit bunten Wänden, hellen Räumen und einer
freundlichen Atmosphäre. Kinder sollten das Patientenzimmer selbst gestalten dürfen,
mit eigener Bettwäsche, gemalten Bildern und Fotos. Durch die Mitaufnahme der
Bezugsperson und uneingeschränkte Besuchszeiten, werden Belastungen von den
Kindern leichter ertragen und verarbeitet. Unerlässlich ist die ständige,
wahrheitsgemäße Information und Aufklärung über die Erkrankung, Therapie und
Prognose, sowie über die einzelnen pflegerischen, diagnostischen und therapeutischen
20
Maßnahmen. Die Aufklärung sollte dosiert erfolgen, mit Hilfe von Kinderliteratur
(Chemokasper, Prinzessin Luzie), Puppen oder Bildern. Des Weiteren sollte die
Selbstständigkeit des Kindes erhalten werden und sich die Pflege auf aktuelle
Bedürfnisse richten. Beispielsweise kann man das Kind morgens mal länger schlafen
lassen uns die Zeiten der Pflegetätigkeiten variieren. Ein weiterer Grundsatz ist, dem
Kind Hoffnung zu vermitteln und Trost zu spenden. Wichtig für die psychosoziale
Betreuung ist es, als Pflegeperson nicht nur unangenehme Maßnahmen am Kind
durchzuführen, sondern sich Zeit zu nehmen um Gespräche zu führen, Spiele zu spielen
und Geschichten zu erzählen.
3.1.4 Belastungen der Geschwister
Ist ein Geschwisterkind an Krebs erkrankt, heißt es für das gesunde Kind die Eltern an
das kranke Kind abtreten zu müssen [39]. Die Eltern verbringen sehr viel Zeit im
Krankenhaus und auch außerhalb des Krankenhauses sind sie mit ihren Gedanken und
ihrer Sorge beim erkrankten Kind. Zuhause erfährt das krebskranke Kind eine
bevorzugte Behandlung, wird vielleicht nicht für dieselben Dinge bestraft [40]. Hinzu
kommt die eigene Sorge der gesunden Kinder um das krebskranke Geschwisterkind.
„Trotz allem Verständnis für das erkrankte Geschwisterchen gibt es bei den
Geschwisterkindern in der Regel einen Zeitpunkt, an dem sie nicht mehr verstehen
wollen, dass sie selber dauernd zurückstehen müssen und das erkrankte Kind im
Mittelpunkt der Familie steht.“ [41] Reaktionen können Gefühle wie Benachteiligung
und Eifersucht sein. Außerdem können Schuldgefühle bei den gesunden Geschwistern
aufkommen (Schuld am Ausbruch der Krankheit wegen früherer aggressiver Gefühle
oder Taten gegenüber dem kranken Kind). Hilfreich sind hier eine bewusste Zuwendung
seitens der Eltern an die gesunden Kinder und ausführliche Gespräche. „Informierte
Geschwister können sich naheliegenderweise besser in den Krebskranken hineindenken
und fühlen sich von ihren Eltern nicht vernachlässigt.“[42] Mittlerweile werden an
vielen Kliniken spezielle Projekte zur Unterstützung für die gesunden Geschwister von
Kindern mit schweren chronischen Erkrankungen, Krebserkrankungen oder
Behinderungen angeboten (z.B. SisBrojekt vom Vodafone Stiftungsinstitut für
Kinderschmerztherapie und Pädiatrische Palliativmedizin), deren Ziele es sind, die
gesunden Geschwister in den Mittelpunkt zu stellen.
21
3.2 Intensivtherapie und Remission
„Die Einleitung der onkologischen Therapie führt in der Regel zu einem Rückgang im
Erleben der überwältigenden Angst und fokussiert die Aufmerksamkeit aller beteiligten
auf die Bewältigung der konkret anstehenden Therapieerfordernisse.“ Die Therapie
wird zum Alltag. Eltern und Kinder kennen sich aus. Sie wissen wann und wie welche
„Chemo“ stattfindet, welche Nebenwirkungen zu erwarten sind, auf was sie achten
müssen. Kinder werden häufig zu kleinen Experten für ihre Krankheit und interessieren
sie brennend für ihre „Leukos“ und anderen Blutwerte. Sie kennen die Station mit ihren
Räumlichkeiten, dem Stationsteam und Abläufen. Der Umgang untereinander wird
mehr und mehr vertraut. Nach eingetretener Remission der Erkrankung ist allen eine
sichtbare Entspannung anzusehen. Die Patienten und Eltern nehmen wieder soziale
Kontakte auf. Die psychosoziale Unterstützung ist in den ersten Wochen und Monaten
der Therapie für die meisten Familien wichtiger, als im weiteren Verlauf [44].
3.3 Therapieende und Nachsorge
Das Ende der Intensivtherapie, das mit dem Einstellen der intensiven Behandlung
einhergeht, löst bei den Betroffenen Ängste vor einem Rezidiv und einer ungewissen
Zukunft aus. Ärztliche Gespräche mit einer umfassenden Aufklärung über den
eingetreten Behandlungserfolg und Planung der medizinischen Nachsorge sind von
großer Bedeutung. Für Kinder kann es wichtig sein zu hören, dass sie jetzt wieder
gesund sind, denn das Aufgeben der Krankenrolle mit den dazugehörigen Privilegien
kann genau wie das Annehmen ein schwieriger Prozess sein [45].
4 Fazit
Krebserkrankungen im Kindesalter müssen zwar immer als lebensbedrohlich angesehen
werden, viele Kinder können jedoch mit Erfolg behandelt werden. Die hierzu
notwendige Therapie mit all ihren Nebenwirkungen und Einschränkungen, muss
allerdings als äußerst belastend angesehen werden. Das Pflegepersonal auf einer
kinderonkologischen Station kann, mithilfe des gesamten therapeutischen Teams,
maßgeblich dazu beitragen, dass die Situation für das Kind weniger belastend wird. Die
psychosoziale Betreuung in Form von alters-, entwicklungs- und situationsgerechter
Information, Aufklärung und Miteinbeziehung ist kontinuierlicher Bestandteil der
ganzheitlichen Pflege.
22
Wir als Pflegepersonen begleiten die Familien während Höhen und Tiefen der Therapie
und teilen mit ihnen sowohl Hoffnungen, als auch Ängste. Wir freuen uns gemeinsam
und manchmal trauern wir zusammen. In diesen Momenten eine professionelle
Beziehung aufrecht zu erhalten und ein freundliches, allerdings kein freundschaftliches
Verhältnis zu pflegen, ist oft nicht einfach und erfordert Erfahrung. Einen großen Wert
hat eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit von Ärzten, Pflegern, Sozialarbeitern,
Psychologen und Musiktherapeuten. Die intensive Zusammenarbeit mit den Kindern
und deren Eltern in dieser schwierigen Zeit, erfordert eine Vertrauensbeziehung die auf
Ehrlichkeit und Offenheit basiert. Hilfreich ist darüber hinaus ein Austausch in
Stationsbesprechungen, in denen alle Mitarbeiter ihre Auffassungen und Gefühle offen
schildern und diese besprechen können. Ein regelmäßiger Informationsaustausch ist die
wichtigste Vorraussetzung dafür, dass alle grundsätzlich die gleichen Ansätze vertreten.
Krebskranke Kinder müssen während ihrer Therapie einer hohen Belastung
entgegentreten und Schmerzen sowie Verluste erleiden. Es gibt Patienten, die die
Therapie mit nur wenigen Nebenwirkungen und kaum Komplikationen überstehen.
Andere wiederum „nehmen alles mit“. Dennoch gibt es kaum Tage, in denen die Kinder
die Hoffnung verlieren oder aufhören zu kämpfen. Sie lassen sich immer wieder
aufmuntern und ablenken und ein kleiner Spaß kann schnell wieder ein Lächeln
hervorzaubern. Würde mich jemand bitten, die Stimmung auf einer Kinderonkologie zu
beschreiben, trifft es „lebendig“ vielleicht am besten.
In meinen Berufsjahren habe ich bisher viele schöne, aber auch traurige Momente
erlebt. Zu den schönsten Momenten zählt, das Vertrauen eines Kindes zu gewinnen, die
Dankbarkeit vieler Eltern und natürlich wenn uns ehemalige Patienten wieder gesund
besuchen kommen.
23
5 Literaturverzeichnis [1] vgl. Gadner, Gaedicke, Ritter et al. Pädiatrische Hämatologie und Onkologie. Heidelberg: Springer, 2006: 421ff. [2] vgl. Prof. Dr. med. Charlotte Niemeyer: Ausgangssituation in: Positionspapier
zur familienorientierten Rehabilitation bei krebskranken Kindern. http://www.agfor.de/pages/positionspapier.pdf (14.05.10) [3] vgl. Die blauen Ratgeber. Krebs im Kindesalter; Ausgabe 1/2007: 7 [4] Prof. Dr. med. Charlotte Niemeyer: Ausgangssituation in: Positionspapier zur familienorientierten Rehabilitation bei krebskranken Kindern. http://www.agfor.de/pages/positionspapier.pdf (14.05.10) [5] vgl. Sitzmann C. (Hrsg.) Pädiatrie.Stuttgart: Thieme, 2002: 484-486 [6] vgl. Gadner, Gaedicke, Ritter et al. Pädiatrische Hämatologie und Onkologie. Heidelberg: Springer, 2006: 978 ff. [7] vgl. Hoehl, Kullick. Kinderkrankenpflege und Gesundheitsförderung. Stuttgart: Thieme, 2002: 594 [8] vgl. Gadner, Gaedicke, Ritter et al. Pädiatrische Hämatologie und Onkologie. Heidelberg: Springer, 2006: 981 [9] vgl. Spruck, Elke. Die Pflege des krebskranken Kindes. Baunatal: BVS, 1996:
170ff [10] vgl. Hoehl, Kullick. Kinderkrankenpflege und Gesundheitsförderung. Stuttgart: Thieme, 2002: 591 [11] vgl. Gadner, Gaedicke, Ritter et al. Pädiatrische Hämatologie und Onkologie. Heidelberg: Springer, 2006: 1014 [12] vgl. Hoehl, Kullick. Kinderkrankenpflege und Gesundheitsförderung. Stuttgart: Thieme, 2002: 588-590 [13] vgl. ebd. [14] vgl. Margulies, Fellinger, Kroner et al. Onkologische Krankenpflege.
Heidelberg: Springer, 2006: 410-414 [15] vgl. Hoehl, Kullick. Kinderkrankenpflege und Gesundheitsförderung. Stuttgart: Thieme, 2002: 592 [16] vgl. Gadner, Gaedicke, Ritter et al. Pädiatrische Hämatologie und Onkologie. Heidelberg: Springer, 2006: 1053 [17] vgl. Margulies, Fellinger, Kroner et al. Onkologische Krankenpflege.
Heidelberg: Springer, 2006: 326 [18] vgl. Hoehl, Kullick. Kinderkrankenpflege und Gesundheitsförderung. Stuttgart: Thieme, 2002: 597 ff. [19] Henkel, Zernikow et al. Weniger Schmerzen bei Krebserkrankungen.
Informationen für Eltern krebskranker Kinder und Jugendlicher. http://www.vodafonestiftungsinstitut.de/WenigerSchmerzen.pdf (22.05.10)
[20] vgl. Gadner, Gaedicke, Ritter et al. Pädiatrische Hämatologie und Onkologie. Heidelberg: Springer, 2006: 1061, 1067 [21] Henkel, Zernikow et al. Weniger Schmerzen bei Krebserkrankungen.
Informationen für Eltern krebskranker Kinder und Jugendlicher. http://www.vodafonestiftungsinstitut.de/WenigerSchmerzen.pdf (22.05.10)
[22] vgl. ebd. [23] vgl. Hoehl, Kullick. Kinderkrankenpflege und Gesundheitsförderung. Stuttgart: Thieme, 2002: 598 ff. [24] Spruck, Elke. Die Pflege des krebskranken Kindes. Baunatal: BVS, 1996: 54 [25] vgl. Gadner, Gaedicke, Ritter et al. Pädiatrische Hämatologie und Onkologie.
24
Heidelberg: Springer, 2006: 1074 [26] vgl. Petermann, Noeker, Bode. Psychologie chronischer Krankheiten im Kindes-
und Jugendalter. München; Weinheim: Psychologie-Verlags-Union, 1987: 128 [27] vgl. a.a.O. S. 129 [28] vgl. Gadner, Gaedicke, Ritter et al. Pädiatrische Hämatologie und Onkologie. Heidelberg: Springer, 2006: 1074 [29] Dr. Reinhard Topf. Psychosoziale Aspekte des krebskranken Kindes und seiner
Familie. http://www.kinderkrebshilfe.at/upload/193_psychosoziale_aspekte.pdf (April 2010)
[30] Gadner, Gaedicke, Ritter et al. Pädiatrische Hämatologie und Onkologie. Heidelberg: Springer, 2006: 1074 [31] vgl. Petermann, Noeker, Bode. Psychologie chronischer Krankheiten im Kindes-
und Jugendalter. München; Weinheim: Psychologie-Verlags-Union, 1987: 136ff.
[32] vgl. Gadner, Gaedicke, Ritter et al. Pädiatrische Hämatologie und Onkologie. Heidelberg: Springer, 2006: 1074 [33] vgl. Dr. Reinhard Topf. Psychosoziale Aspekte des krebskranken Kindes und
seiner Familie. http://www.kinderkrebshilfe.at/upload/193_psychosoziale_aspekte.pdf (April 2010)
[34] vgl. ebd. [35] vgl. ebd. [36] vgl. Dr. Reinhard Topf. Psychosoziale Aspekte des krebskranken Kindes und
seiner Familie. http://www.kinderkrebshilfe.at/upload/193_psychosoziale_aspekte.pdf (April 2010) und Spruck, Elke. Die Pflege des krebskranken Kindes. Baunatal: BVS, 1996: 72 bis 78
[37] vgl. Dr. Reinhard Topf. Psychosoziale Aspekte des krebskranken Kindes und seiner Familie. http://www.kinderkrebshilfe.at/upload/193_psychosoziale_aspekte.pdf (April 2010) und Spruck, Elke. Die Pflege des krebskranken Kindes. Baunatal: BVS, 1996: 79 ff.
[38] Petermann, Noeker, Bode. Psychologie chronischer Krankheiten im Kindes- und Jugendalter. München; Weinheim: Psychologie-Verlags-Union, 1987: 140
[39] vgl. Dr. Reinhard Topf. Psychosoziale Aspekte des krebskranken Kindes und seiner Familie. http://www.kinderkrebshilfe.at/upload/193_psychosoziale_aspekte.pdf (April 2010)
[40] vgl. Petermann, Noeker, Bode. Psychologie chronischer Krankheiten im Kindes- und Jugendalter. München; Weinheim: Psychologie-Verlags-Union, 1987: 87
[41] vgl. Dr. Reinhard Topf. Psychosoziale Aspekte des krebskranken Kindes und seiner Familie. http://www.kinderkrebshilfe.at/upload/193_psychosoziale_aspekte.pdf (April 2010)
[42] Petermann, Noeker, Bode. Psychologie chronischer Krankheiten im Kindes- und Jugendalter. München; Weinheim: Psychologie-Verlags-Union, 1987: 88
[43] Sitzmann C. (Hrsg.) Pädiatrie.Stuttgart: Thieme, 2002: 530 [44] vgl. Gadner, Gaedicke, Ritter et al. Pädiatrische Hämatologie und Onkologie. Heidelberg: Springer, 2006: 1074 [45] vgl. a.a.O. S.1075
25
6 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1 Gadner, Gaedicke, Ritter et al. Pädiatrische Hämatologie und Onkologie. Heidelberg: Springer, 2006: 423 Tabelle 1 Creutzig, Ursula; Henze et al. Krebserkrankungen bei Kindern: Erfolg
durch einheitliche Therapiekonzepte seit 25 Jahren Dtsch. Ärztebl. 2003; 100(13): A-842 / B-712 / C-665
26
7 Anhang Glossar Antiemetika Medikamente, die Übelkeit und Brechreiz unterdrücken sollen Antipyretika fiebersenkendes oder vor Fieber schützendes Mittel
Ätiologie die Lehre von den Ursachen der Krankheiten; die Gesamtheit der Faktoren, die zu einer gegebenen Krankheit geführt haben
Broviak Zentral-venöser Dauerkatheter, bei welchem das freie Ende über Hautniveau liegt und ohne Punktion angeschlossen werden kann
Complience das kooperative Verhalten des Patienten im Rahmen der Therapie Granulozytopenie Verminderung der neutrophilen Granulozyten im Blut Hämaturie Blutbeimengung zum Urin, entweder sichtbar als Makrohämaturie
oder nicht sichtbar als Mikrohämaturie hämorrhagische Zystitis Entzündung der Harnblase, die mit sichtbarer Blutbeimengung im Urin einhergeht Inzidenz Anzahl der Neuerkrankungen pro Jahr pro 100.000 Einwohner Mukositis Entzündung der Schleimhaut, die je nach anatomischer Stelle an
der sie auftritt, weiter spezifiziert wird Opioide Opioide sind natürliche, aus Opium gewonnene oder synthetisch
hergestellte Arzneimittel Proliferationsrate (Proliferation = hier Vermehrung eines Tumors) Die
Proliferationsrate gibt an, wie schnell ein Tumor wächst Rasburicase Behandlung und Prophylaxe einer akuten Hyperurikämie und zur
Vermeidung eines akuten Nierenversagens bei Krebspatienten Thromboembolie durch einen verschleppten Thrombus verursachter
Gefäßverschluss (Embolie), der aus einer anderen Stelle im Blutkreislauf mit dem Blutstrom weitertransportiert wurde und an einer Engstelle hängen bleibt
Urostatika hemmen die Bildung von Harnsäure im Organismus Zytostatika natürliche oder synthetische Substanzen, die das Zellwachstum
bzw. die Zellteilung hemmen. Sie werden vor allem zur Behandlung von Krebs (Chemotherapie) eingesetzt
27