KKW-Studie Versicherungsforen Leipzig

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StudieBerechnungeinerrisikoadaquatenVersicherungspramiezurDeckungderHaftpichtrisiken,dieausdemBetriebvonKernkraftwerkenresultierenEineStudieimAuftragdesBundesverbandErneuerbareEnergiee.V. (BEE)Leipzig,der01.April2011Autoren der Studie:Dipl.-Wirt.-Inf.BenjaminG untherDipl.-Wirtsch.Math.TorstenKarauDipl.-Kr.Eva-MariaKastnerDr.WalterWarmuthImpressum:VersicherungsforenLeipzigGmbHQuerstrae16,04103LeipzigTel.:+49(0)341/12455-0Fax:+49(0)341/12455-99www.versicherungsforen.netGeschaftsf uhrer:Dipl.-Kfm.MarkusRosenbaum,Dipl.-Wirt.-Inf.JensRingelAmtsgerichtLeipzigHRB25803DieVerantwortungf urdenInhaltliegtalleinbeiderVersicherungsforenLeipzigGmbH.ZusammenfassungInsbesondere aufgrund des nuklearen Unfalls im Kernkraftwerk Fukushima/Japan im Marz 2011und der Diskussion um die Laufzeitverlangerung der Kernkraftwerke in Deutschland, ist die Dis-kussionumdieRestrisiken, diemitdieserFormderEnergiegewinnungeinhergehen, neuent-facht. DamiteinhergehendstellensichauchFragenzurausreichendennanziellenAbsicherungder Inhaber gegen einen nuklearen Katastrophenfall. Bislang halten die Inhaber1entsprechend dergesetzlichen Vorschriften 2,5 Mrd. Euro f ur mogliche Entschadigungsleistungen, die sich aus Scha-denersatzanspr uchen aus Stor- und Unfallen eines Kernkraftwerkes ergeben, vor. Zusatzlich stehenihnen bis 300 Millionen Euro an oentlichen Mittel der EU zu Verf ugung.Mit der vorliegenden Studie wird die (ktive) Pramie einer Haftpichtversicherung f ur den Schaden-fall, der aus einem nuklearen Katastrophenfall auf der Grundlage eines Kernkraftwerk-Stor- oderUnfallsresultiert, ermittelt. GrundlagestellenbereitsveroentlichteStudienzurEintrittswahr-scheinlichkeitundzurmoglichenSchadenhohedar.DieAutorenbeziehendar uberhinauseigenegetroeneAnnahmenunddarausresultierendeBewertungenhinsichtlichdieserbeidenFaktorenzur Bestimmung eines Risikos in die Berechnungen ein.EsergibtsicheinemittleregesamtzuzahlendeVersicherungssumme(Deckungssumme)inHohevon rund 6.090 Milliarden Euro f ur einen nuklearen Katastrophenfall. Je nach zugrundgelegter Ein-trittswahrscheinlichkeit eines solchen Schadenfalls variiert die Hohe der jahrlich zu zahlende Pramiezwischen 0,01 Euro und 305,83 Euro. Da eine Bereitstellung der Versicherungssumme nach bspw.1.000 Jahren aber nicht realistisch ware, wurden verschiedene Bereitstellungszeitraume angenom-men.Sowarebspw.denBerechnungenderStudiezufolge, beieinerBereitstellungdergesamtenVersicherungssumme nach 100 Jahren eine jahrliche Versicherungspramie uber den gesamten Zeit-raumhinweginHohevon19,5Mrd. Eurof urjedesKKWzuzahlen. EinsolcherZeitraumistangesichts der verbleibenden Restlaufzeiten deutscher KKW und normaler Laufzeiten von 25 bis40Jahrenjedochnichtalsrealistischanzusehen. K urzereZeitraumef uhrenallerdingszueinemexponentiellen Anstieg der jahrlich zu zahlenden Pramien.Waren die durch ein solches Schadenereignis verursachten Kosten der Schadenbeseitigung durch dieVerbraucher des durch Kernkraft erzeugten Stroms zu zahlen (Internalisierung externer Eekte),ergabesichbei Umlageder Kostenbzw. der darauf basierendenVersicherungspramief ur denBereitstellungszeitraumvon100JahreneineErhohungderEnergiepreisef urAtomstrom(netto)f urdieDauervon100JahrenineinerSpannevon0,139EurojekWhbiszu2,36EurojekWh.F ur den Zeitraum einer Bereitstellung innerhalb von zehn Jahren betragt diese Spanne 3,96 Euroje kWh bis zu 67,3 Euro je kWh.1Gesetzlich haftet der Genehmigungsinhaber f ur Schaden durch nukleare Ereignisse. Daher wird in dieser StudiederTerminusInhaberundnichtBetreiberverwendet.Die derzeit zur Verf ugung stehenden nanziellen Mittel zur Absicherung der Risiken eines Kern-kraftwerkes reichen, den auf Grundlage vieler Annahmen dargestellten Berechnungen und Szenarienzufolge, in jedem Fall nur f ur einen kleinen Teil der zu erbringenden Entschadigungszahlungen beiAuftreten eines nuklearen Katastrophenfalls aus. Die dar uber hinausgehenden Kosten waren durchden Staat bzw. die Allgemeinheit zu tragen.UberdieVersicherungsforenLeipzigGmbHDie Versicherungsforen Leipzig sind eine Ausgr undung aus der Universitat Leipzig. Seit inzwischenelf Jahren verstehen sich die Versicherungsforen Leipzig als Br ucke zwischen Versicherungswissen-schaft und Versicherungspraxis, mit dem Ziel, den fachlichen Wissenstransfer insbesondere inner-halb der Versicherungswirtschaft zu fordern und nachhaltig zu unterst utzen.DabeisinddieVersicherungsforenLeipzigderWissenschaftlichkeitgenausoverpichtetwiedemAnliegen der Praxis, das Wissen anwendungsorientiert zu entwickeln und bereitzustellen. Der Fokusgilt damit Fachthemen,die eine hohe Praxisrelevanz f ur die Assekuranz aufweisen,die zukunftsweisend sind unddie eine hohe Marktbedeutung haben.Die Mitarbeiter der Versicherungsforen haben eine versicherungswissenschaftliche Ausbildung mitden fachlichen Schwerpunkten Betriebswirtschaft, Recht, Informatik und Mathematik. Sie beschaf-tigensichpermanent undintensivmit aktuellenThemender Branche. DiesewissenschaftlicheInterdisziplinaritatundderhohePraxisbezugbildendenGrundsteinf urdieerfolgreicheZusam-menarbeit mit der Versicherungspraxis. Dies zeigt insbesondereauchdas PartnernetzwerkderVersicherungsforen Leipzig mit rund 160 Unternehmen aus der Versicherungsbranche.DurchdiekontinuierlicheForschungs- undProjektarbeit konntendieVersicherungsforenLeip-zig besondere Kompetenzen uber beinahe alle Wertschopfungsstufen, z.B. Produktgestaltung undProduktmanagement, Risikomanagement, Vertrieb und Kundenbeziehungsmanagement, Vertrags-undBestandsmanagementsowieSchaden-/LeistungsmanagementvonVersicherungsunternehmenb undeln. Dar uber hinaus sinddieVersicherungsforenLeipzigspezialisiert auf nanz- undver-sicherungsmathematischeModelleundderenanwendungsspezischeRealisierungbzw. Simulati-on. EineinterneStrukturierunginKompetenzteamsFinanzenundRisikomanagement,Pro-zesse, ITundOrganisationundVersicherungsmarketingundVersicherungsvertriebsowiedieteam ubergreifende Zusammenarbeit innerhalb bestimmter Themenkomplexe erlauben uns, spezia-lisiertes Fachwissen und Losungsansatze in jedem Themenfeld zu entwickeln.Zudem arbeiten nicht nur die Kompetenzteams der Versicherungsforen Leipzig intensiv zusammen.Auch mit den Schwesterunternehmen der Versicherungsforen Leipzig, beispielsweise den Energie-forenunddenGesundheitsforenLeipzig, bestehteinethemenspezischeintensiveZusammenar-beit, um Losungen f ur ubergreifende Fragestellungen zu nden. Insbesondere das TeamAnalyseund Mathematikder Gesundheitsforen Leipzig unter der Leitung von Dr. Walter Warmuth un-terst utzt durch umfangreiche analytische Verfahren in den Bereichen der Statistik,Okonometrie,Wahrscheinlichkeitstheorie, Versicherungsmathematik und der stochastischen und pradiktiven Mo-dellierung die unternehmens ubergreifenden Projekte.InhaltsverzeichnisEinleitung 1GegenstandderStudie 31 Begrisbestimmungen 52 BetriebeinesKernkraftwerkesundsichdarausergebendeHaftungsstrecken 93 DimensionendesVersicherungsschutzesf ureinennuklearenKatastrophenfall 173.1 Versicherungswissenschaftliche Begrisbestimmungen des Versicherungsschutzes. . 183.1.1 Versicherung und versichertes Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183.1.2 Versicherte Gefahren und versicherter Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . 203.1.3 Versicherungspramie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213.1.4 Kriterien und Grenzen der Versicherbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233.2 AnwendungdeskonzeptionellenVersicherungsschutzesauf einennuklearenKata-strophenfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263.2.1 Katastrophenfall: Versicherung und versicherte Risiken . . . . . . . . . . . . 263.2.2 VersicherteGefahrenundversicherter Schadeneines nuklearenKatastro-phenfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293.2.3 Relevante Annahmen f ur die Berechnung der Versicherungspramie . . . . . 333.2.4 Abwagung der Kriterien und Grenzen der Versicherbarkeit in Bezug auf einennuklearen Katastrophenfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363.2.5 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 ExistierendeQuantizierungsmethodenf urdieAbschatzungderSchadenhohe 394.1 Grundlagen der vorhandenen Ansatze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394.1.1 Grundlagen der Dosis-Wirkungs-Beziehungen radioaktiver Strahlung. . . . 39III4.1.2 Der Risikokoezient zur Beschreibung des Strahlenkrebsrisikos . . . . . . . 434.2 Die fr uhen Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444.2.1 Olav Hohmeyer 1989. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444.2.2 Richard Ottinger et. al., Pace-University, New York City, 1990 . . . . . . . 454.2.3 Ewers/Rennings zu den monetaren Schaden eines nuklearen Katastrophen-falls in Biblis, 1991. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464.2.4 Ewers/Rennings zur Abschatzung der Schaden durch einen nuklearen Kata-strophenfall, 1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474.3 Aktuelle Quantizierungsansatze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494.3.1 Externalitiesof Energy(ExternE)- AResearchProjectof theEuropeanCommission, 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494.3.2 Eine Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage zum ThemaNu-klearer Katastrophenfall, 2010. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514.3.3 DasOko-Institut Darmstadt mit einer Analysedes Bedrohungspotenzialsgezielter Flugzeugabsturzam Beispiel der Anlage Biblis A, 2007 . . . . . 524.3.4 The Other Report on Chernobyl (TORCH), 2006. . . . . . . . . . . . . . . 534.3.5 Die Methodenkonvention des Umweltbundesamtes zur okonomi-schen Bewer-tung von Umweltschaden, 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534.3.6 Abgeleitete eigene Ansatze zur Quantizierung . . . . . . . . . . . . . . . . 554.4 EineUbersicht der verwendeten Quantizierungsansatze . . . . . . . . . . . . . . . 574.5 Weitere Schadenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605 Eintrittswahrscheinlichkeit: Bisherige QuantizierungsmethodenundEinussvonSzenarienaufeinennuklearenKatastrophenfall 625.1 Bisherige Quantizierungsmethoden der Eintrittswahrscheinlichkeit eines nuklearenKatastrophenfalls. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625.2 EinbeziehenweitererSzenarienmitdirektemEinussaufdieEintrittswahrschein-lichkeit eines nuklearen Katastrophenfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645.2.1 Szenario Alterung der KKW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 645.2.2 Szenario eines Terroraktes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685.2.3 Szenario eines Computervirus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735.2.4 Szenario menschlichen Versagens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 745.2.5 Szenario eines Erdbebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755.3 Zusammenfassung der Schatzungen zu Eintrittswahrscheinlichkeiten . . . . . . . . 78III6 Berechnung der Pramie einer Haftpichtversicherung f ur das RisikonuklearerKatastrophenfall 806.1 Verwendete Methodik / Beschreibung des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . 806.1.1 Aufgabenstellung und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 806.1.2 Einf uhrung in die Extremwerttheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 816.1.3 Wahl der Verteilungsfunktion f ur das Auftreten von Schadenhohen. . . . . 836.1.4 Ermittlung des Maximalschadens und seiner Erwartung . . . . . . . . . . . 866.1.5 Mathematische Grundlagen f ur die Kalkulation einer Versicherungspramie. 896.2 Anwendung der Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 906.2.1 Schatzung der Verteilung der Schadenhohen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 906.2.2 Schatzung des erwarteten Maximalschadens und seiner Streuung . . . . . . 946.2.3 Pramienszenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 957 InterpretationderErgebnisseundFazit 101AZusatzlicheAbbildungenKapitel1 iBZusatzlicheAbbildungenKapitel4 ivCGesichteteLiteratur xLiteraturverzeichnis xviiAbk urzungsverzeichnis xxixSymbolverzeichnis xxxiiGlossar xxxiiiAbbildungsverzeichnis1.1 INES-Skala . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.1 Anteil der Energietrager an der Bruttostromerzeugung Deutschlands . . . . . . . . 102.2Ubersicht uber die in Betrieb stehenden KKW in Deutschland . . . . . . . . . . . . 113.1 Pramien-/Kosten-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223.2 Schadenverteilung eines nuklearen Katastrophenfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . 273.3 Schadenarten eines nuklearen Katastrophenfalls. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313.4 Wahrscheinlichkeitsverteilung zur Veranschaulichung des Sicherheitszuschlags . . . 354.1 Eingreifrichtwerte f ur Manahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414.2 Mogliche Groen von Umsiedlungsachen in Folge eines nuklearen Katastrophenfalls 514.3 MoglicheSchadenhohendurchUmsiedlungsmanahmeninFolgeeines nuklearenKatastrophenfalls. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554.4 Sachschaden unter Ber ucksichtigung von Windrichtungsszenarien f ur die zwolf KKW-Standorte in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574.5 F ur die Berechnung der Versicherungspramie verwendete Bewertungsgrundlagen . 584.6 Hohen genetischer Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594.7 Schadenhohen nicht-todlicher Krebserkrankungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594.8 Schadenhohen todlicher Krebserkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605.1 InBetriebstehendeKKWinDeutschlandundungefahreAnzahl meldepichtigerEreignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655.2 Entwicklung der Anzahl an Bauteileekten in den KKW Deutschlands . . . . . . . 665.3 Erdbeben in Deutschland in den Jahren 800 - 2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 775.4Ubersicht uber alle in Kapitel 5 erhobenen Eintrittswahrscheinlichkeiten . . . . . . 79IVV6.1 Wahrscheinlichkeiten f ur Schadenhohen, wenn ein nuklearer Katastrophenfall einge-treten ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 836.2 Graph der Dichte einer allgemeinen Betaverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 866.3 verschiedenente Potenzen der allgemeinen Betaverteilung . . . . . . . . . . . . . 886.4 Darstellung der Schadenssummen, des Erwartungswertes und der Streuung . . . . 926.5 Kandidaten f ur den erwarteten Maximalschaden und seine Streuung . . . . . . . . 956.6 DarstellungderjeKKWundJahrzuzahlendenPramienhohenbeiBereitstellungder Deckungssumme am Ende des Kalkulationszeitraums . . . . . . . . . . . . . . 966.7 Jahrespramien in Abhangigkeit der verschiedenen Zeitraume f ur die Bereitstellungder gesamten Deckungssumme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 976.8 Darstellung der Netto-Aufschlage auf den Strompreis f ur Atomstrom unter Ber ucksichtigungverschiedener Szenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100A.1 Beschreibung der INES-Stufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . iiA.2 Regelwerkspyramide: Hierarchie der nationalen Quellen, die Behorde oder Instituti-on, die sie erlasst, sowie ihre Verbindlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . iiiB.1 Windhaugkeit je Hauptwindrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . vB.2 Schadenhohen durch Umsiedlungsmanahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . viB.3 Gesamte Schadenhohen je KKW Teil 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . viiiB.4 Gesamte Schadenhohen je KKW Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ixEinleitungAm 11. Marz 2011 bebte die Erde mit einer Magnitude von 9,0 vor der Pazik-K uste von Japan. Eswar damit das grote je gemessene Erdbeben in Japan. Das Epizentrum lag etwa 370 km nordostlichvon Tokio und 130 km ostlich von Sendai. Dieses Beben loste an den K usten vor Sendai und Sanri-ku einen Tsunami mit bis zu zehn Meter hohen Wellen aus. Am Kernkraftwerk Fukushima war dieFlutwelle zwar nur sieben Meter hoch, jedoch waren die dortigen Schutzwalle nur f ur eine maximaleWellenhohe von 5,70 m ausgelegt. Die Reaktorblocke 1 bis 3 wurden unmittelbar nach dem Bebendurch das Reaktorschutzsystem schnellabgeschaltet, wegen Wartungsarbeiten waren die Blocke 4bis 6 bereits heruntergefahren. Die Stromversorgung wurde auf dieselbetriebene Notstromaggregateumgeschaltet, deren unmittelbar am Meer stehenden Treibstotanks jedoch vom Tsunami zerstortwurden. Auch die Stromversorgung mittels Batterien el durch die Beeintrachtigung der gesamtenelektrischenAnlagenachkurzerZeitaus.DurchdiefehlendeK uhlungkameszueinemstarkenTemperaturanstiegderReaktorkerneundsamtlicherAbklingbeckensowiezurBeschadigungvonBrennelementen. Bei der Aufspaltung des erhitzten K uhlwassers in einer Reaktion mit dem Zirko-nium der Brennstabh ullen entstand Wassersto, das Ausloser mehrerer Explosionen und Brandewar. Dadurch wurden die Reaktorgebaude 1 bis 4 erheblich beschadigt. Radioaktive Partikel undStrahlung wurden freigesetzt.Es zeichnet sichbereits jetzt [Stand: 01.04.2011] ab, dass f ur einenGroteil der verursachtenSchaden infolge der Freisetzung von Radioaktivitat der japanische Staat bzw. der japanische Steu-erzahler eintreten muss.2Die Kosten sich realisierender Risiken, die sich aus der friedlichen Nutzungder Kernenergie ergeben und die nach dem Grundsatz der bestmoglichen Gefahrenabwehr und Risi-kovorsorge als praktisch ausgeschlossen und daher als hypothetisch galten, werden somit in groenTeilen sozialisiert.InDeutschlandgiltdieVerkettungsolcherUmstande, wiesiesichinJapanereigneten, alsaus-geschlossen. DennochgabesseitdemBaudererstenKernkraftwerkeauchinDeutschlandeineVielzahlneuerErkenntnisse uberbestehendeundneueRisiken,dienichtodernurunzureichendin eine gesellschaftliche Debatte zum Umgang mit diesen Entwicklungen m undeten. Vor allem dieAnschlage auf das World Trade Center am 11. September 2001 verdeutlichen das bislang f ur unrea-2[ObikoPearson/Bandel2011].12listisch betrachtete Terrorrisiko, gegen das etliche der in Deutschland betriebenen Kernkraftwerkenicht oder nur unzureichend gesichert sind.MitBeginnderStudienerstellungimJanuar2011warnichtabzusehen, dassdieDiskussionumdieNutzungderKernenergiedurchdieEreignissedes11. Marz2011inJapaneinevolligneueDimension erreichen w urde. Noch am 28. Oktober 2010 verabschiedete der Bundestag eine Lauf-zeitverlangerungdeutscherKernkraftwerkeinderForm, dassdieBetriebszeitendervor1980inBetrieb gegangenen sieben Anlagen um acht Jahre und die der zehn ubrigen Kernkraftwerke um14 Jahre verlangert wurden. Dies wurde mit der Funktion der Kernenergie als Br uckentechnologiezum Aufbau einer nachhaltigen Stromversorgung begr undet.In der Vergangenheit gab es bereits etliche Untersuchungen zu moglichen Schadenhohen, die auseinerFreisetzunggroerMengenvonRadioaktivitatinFolgeeinesnuklearenKatastrophenfallsresultierenkonnen.EineVersicherbarkeitdieserSchadensummen,dienacheinerSchatzung3ausdemJahr1991mitbiszu10BillionenDMangegebenwurden,durchdieprivateVersicherungs-wirtschaft wurde immer ausgeschlossen.Ziel dervorliegendenUntersuchungistes, aufderGrundlageeinerAnalysebereitsbestehenderArbeitenzur QuantizierungvonHochstschadeneineSpannbreitemoglicher SchadenhohenzuerstellenunddarauseineVersicherungspramiezuberechnen, dieproKernkraftwerkf urdieDe-ckung moglicher Haftpichtrisiken eines nuklearen Katastrophenfalls zu zahlen ware. Vor allem dieOentlichkeit soll somit uber die Groenordnung einer ktiven Versicherungspramie f ur die Nut-zung von Kernenergie informiert werden, da Informationen uber von der Gesellschaft zu tragendeKosten, die sich nicht in den Preisen f ur die Nutzung eines Energietragers widerspiegeln, eine wich-tige Grundlage zur Bewertung alternativer Energiequellen darstellen. Nur wenn eine hinreichendeTransparenz uber mogliche so genannte externe Kosten besteht, kann eine Entscheidung im Sinneder Nachhaltigkeit getroen werden.3Vgl.[Ewers/Rennings1992b].GegenstandderStudieDie vorliegende Studie wurde im Auftrag des Bundesverbandes Erneuerbare Energie e.V. (BEE)eigenstandigdurchdieVersicherungsforenLeipzigGmbHerstellt. DieinderStudieenthaltenenInformationen beruhen auf oentlich zuganglichen Quellen, die von den Versicherungsforen Leip-zig als zuverlassig erachtet wurden. Insbesondere ubernehmen die Versicherungsforen Leipzig keineGarantief urdieRichtigkeitoderVollstandigkeitderindenStudienenthaltenenInformationen.Die Auswahl der Quellen erfolgte allein durch die Versicherungsforen Leipzig. Die von den Autorender verwendeten Studien geauerten Meinungen sind nicht notwendigerweise identisch mit der Mei-nung der Versicherungsforen Leipzig. Die Versicherungsforen Leipzig sehen sich insbesondere derWissenschaft verpichtet; und sind unabhangig von politischen Parteien oder Interessengruppen.Ziel derUntersuchungistes, auf derGrundlagevorhandenerAbschatzungenzuEintrittswahr-scheinlichkeitenundSchadenausmaennuklearerKatastrophenfallemitgroerFreisetzung, eineadaquateVersicherungspramiezurDeckungdersichf urdiesenFall ergebendenSchadenzube-rechnen. Die Einheit der Haugkeiten ist dabei die Anzahl der Ereignisse pro Zeiteinheit und dieEinheit der Schaden der Geldwert der zu zahlenden Versicherungssummen. Da nicht alle Schaden-artenwiezumBeispiel Gesundheitsschadeneindeutigquantiziertwerdenkonnen, werdeneineReihe von Risikokenngroen herangezogen, die weniger versicherungsorientiert sind. In der Diskus-sion um die Kernenergie hat in den zur uckliegenden Jahren der Begri derexternen Kosten einewichtige Rolle als Risikokenngroe gespielt.AusgehendvonAusf uhrungenzugenerellenAspektenderVersicherungswissenschaftwerdeninKapitel 3dieAnwendbarkeitdesVersicherungsgedankenssowiedieKriterienundGrenzenderVersicherbarkeit zunachst allgemein erklart und dann am Beispiel eines nuklearen Katastrophen-falls erortert. Anschlieend werden in Kapitel 4 nach der Darlegung von Grundlagen vorhandeneQuellen zu Quantizierungsansatzen untersucht sowie deren Limitierungen erlautert. In Erganzungzu den vorhandenen Ansatzen wurden eigene Abschatzungen vorgenommen, die im Anschluss kurzvorgestellt werden.In Kapitel 5 wird zu Beginn die Bandbreite von in der Literatur genannten Eintrittswahrscheinlich-keitendargestellt.NachfolgendwerdenSzenarienbeschrieben,dienachAuassungderVerfassersignikanten Einuss auf die urspr unglich angenommenen Haugkeiten katastrophaler Ereignisse34haben. DarauswerdenModikationendieserEintrittswahrscheinlichkeitenabgeleitet. Kapitel 6bestehtzumEinenauseinerformalenBeschreibungdesimFolgendenzurBerechnungderVer-sicherungspramieverwendetenModellsundzumAnderenausderBerechnungselbst, wobei dieerhobenen Werte aus Kapitel 3 und 5 in diese Berechnungen einieen.Eine abschlieende Interpretation der errechneten Werte erfolgt in Kapitel 7.Kapitel1BegrisbestimmungenIndiesemKapitel werdenrelevanteBegrie, dieimRahmender StudievonBedeutungsind,einf uhrend deniert bzw. erklart. Dabei handelt es sich um:nukleare Ereignisse,International Nuclear Event Scale (Kurz: INES),Storfall und Unfall,GAU und nuklearer Katastrophenfall.Der Betrieb eines Kernkraftwerkes (KKW) kann durch verschiedene Ereignisse beeintrachtigt wer-den. ZurAbsicherunganzunehmenderEreignisablaufem ussendieBetreibereinesKKWgemagesetzlicherundaufsichtsrechtlicherVorgaben, wiebspw. derStrahlenschutzverordnung, Sicher-heitsvorkehrungen treen und Notfallschutzmanahmen planen.4Die Ereignisse konnen einerseits aus dem allgemeinen Betrieb eines Kraftwerkes und andererseitsaus der Verwendung der Kernenergie resultieren. Die aufgrund der Verwendung von KernenergieauftretendenEreignissewerdenalsnukleareEreignissebezeichnet. EinnuklearesEreigniswirddeniertalsjedeseinennuklearenSchadenverursachendesGeschehnisoderjedeReihesolcheraufeinanderfolgender Geschehnissedesselben Ursprungs5.Nukleare Schaden umfassensolche anMenschen, der Umwelt und Vermogenswerten.6Um speziell eingetretene nukleare Ereignisse bewerten zu konnen, entwickelten Experten der Inter-national Atomic Energy Agency (IAEA) und Nuclear Energy Agency of the Organization for Eco-nomic Cooperation and Development (OECD/NEA) 1989 eine Skala - dieInternational Nuclear4Siehehierzu[BMU2008b].5Siehehierzu[EuropaischeKomission2003]S.0032-0040.6SiehehierzuKapitel3.1.2.56Event Scale, kurz INES. Die INES besteht aus sieben Stufen. Laut INES konnen nukleare Ereig-nisse inStorfalle undUnfalle eingeteilt werden. Die untersten drei Stufen sind Schweregrade f urEreignisse, die dem SachverhaltStorung bzw. Storfallzugeordnet werden, wahrend die dar uberhinausgehenden Ereignisablaufe in den Stufen vier bis sieben den SachverhaltUnfall bezeichnen.Ereignisse, die keine oder nur geringe sicherheitstechnische Bedeutung haben, werden in keiner Stu-fe erfasst bzw. der Stufe Null zugeordnet.7Im Leitfaden der INES werden die Bewertungskriterienzur Zuordnung der Ereignisablaufe dargestellt. Dabei dient ein Kriterienkatalog, der radiologischeAuswirkungen innerhalb und auerhalb der Anlage des KKW und Beeintrachtigungen der Sicher-heitsvorkehrungen abfragt, der Einordnung der Ereignisse.8Die folgende Abbildungveranschaulicht diese INES-Einteilungder Ereignisse inStorfalle undUnfalle.Abbildung 1.1: INES-Skala (Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an [IAEA b] S. 1)Der Strahlenschutzverordnung gema ist ein Storfall legaldeniert als einEreignisablauf, bei des-sen Eintreten der Betrieb der Anlage oder die Tatigkeit aus sicherheitstechnischen Gr unden nichtfortgef uhrt werden kann und f ur den die Anlage auszulegen ist [bez uglich einzurichtender Sicher-7AuchdieGesellschaftf urReaktorsicherheitgreiftdieseEinteilungderEreignisseinStorfalleundUnfalleauf.Siehehierzu:[GRS].8AbbildungA.1inAnhangAveranschaulichtdiegesamteBewertung.7heitssysteme] oder f ur den bei der Tatigkeit vorsorglich Schutzvorkehrungen vorzusehen sind.9AlsUnfallwirddanneinStorfallbezeichnet,beidemeszueinerFreisetzungradioaktiverStrahlungvon mehr als 50 Millisievert10kommt (eektive Dosis).11Das KKW muss gegen den groten anzunehmenden Unfall (GAU) sicherheitstechnisch ausgelegtsein, um seine Betriebsgenehmigung zu erhalten.12Der Betreiber muss demnach daf ur Sorge tra-gen, geeignete und funktionst uchtige Sicherheitssysteme und -manahmen vorzuhalten, die einemGAUstandhaltenundnukleareSchadenverhindern. DaherwirddiesoftauchalsAuslegungs-storfall bzw. -unfall bezeichnet. DeraktuelleStandderWissenschaftundTechnik, verankertindenSicherheitskriterienundLeitlinienf urKernkraftwerke13, gibtdabei Hinweisdarauf, welcheUnfalle beherrscht werden m ussen.14Einnukleares Ereignis, das einennuklearenKatastrophenfall auslost, ist einnuklearer Unfall,derdasMa uberschreitet, daseinKernkraftwerksicherheitstechnischundmitgeeignetenNot-fallmanahmen gerade noch beherrschen kann. Ein nuklearer Katastrophenfall ist daher ein ausle-gungs uberschreitender Unfall und damit gleichsam eine Realisation des verbleibenden Restrisikos.Mit Restrisiko wird das Risiko bezeichnet, das die getroenen Sicherheitsvorkehrungen ubersteigtbzw. das bei deren Aufstellung nicht mit ber ucksichtigt und bewusst oder unbewusst eingegangenwurde.15In der Presse wird der nukleare Katastrophenfall oft mit dem Begri Super-GAU bezeich-net; der ZusatzSuper deutet an, dass dieser Unfall uber einen GAU hinausgehende Auswirkungennach sich zieht. Im Rahmen der hier vorliegenden Studie wird jedoch der Begri nuklearer Kata-strophenfall f ur ein solches Ereignis gewahlt, der sich an den vorher erlauterten BegriennuklearesEreignisund der Beschreibung der INES-Stufe 7katastrophaler Unfallorientiert. Zudem ver-wendet auch die Bundesregierung diese Begriichkeit.16Oft wird der nukleare Katastrophenfall auch mit dem Begri Kernschmelzunfall gleichgesetzt, wasdamitbegr undetwird, dassgroereMengenradioaktiverStoeerstfreigesetztwerdenkonnen,93Abs.2Nr.28StrlSchV.10Sievert (Sv) ist die spezielle Einheit derAquivalentdosis und der eektiven Dosis. Diese ergibt sich ausJoule/Kg =1Sievert. EinSievert entspricht 1.000Millisievert (mSv). Dabei ist dieAquivalentdosis die Mess-groe f ur die biologische Wirkungionisierender Strahlungauf denMenschen. Die eektive Dosis ber ucksichtigtdieverschiedenenEmpndlichkeitenderOrganeundGewebebez uglichstochastischerStrahlenwirkungendurchdieMultiplikationspeziziertenOrgandosenmiteinemGewebe-Wichtungsfaktor.11Siehe hierzu: 3Abs. 2Nr. 35StrlSchVUnfall: Ereignisablauf, der f ur eine oder mehrere PersoneneineeektiveDosisvonmehrals50MillisievertzurFolgehabenkann.ImVergleichhierzu 5Satz2:DieGrenzwertedereektivenDosisimKalenderjahrbetragennach 46Abs.1f urdenSchutzvonEinzelpersonenderBevolkerung1Millisievertundnach 55Abs.1Satz1f urdenSchutzberuichstrahlenexponierterPersonenbeiderenBerufs-aus ubung20Millisievert.12Vgl.hierzu 9Abs.1Nr.4und5StrlSchV.13SiehehierzuAbbildungA.2inAnhangA.14Vgl.[Ewers/Rennings1992a].15Vgl.[Ewers/Rennings1992a].16Vgl.[Bundesregierung2010a]S.1.8wenn der Reaktorkern schmilzt.17Dennoch bedingt ein Kernschmelzunfall nicht unbedingt einennuklearen Katastrophenfall, da es nicht zwangslaug zu einer mengenmaig groen Freisetzung anradioaktivem Material kommen muss. Dies lasst sich beispielweise mit dem Unfall im Kernkraft-werk Three Mile Island, Harrisburg, im Jahre 1979 verdeutlichen.18Ein nuklearer Katastrophenfall erfordertDringlichkeitsmanahmen zum Schutz der Bevolkerungund somit Manahmen des Katastrophenschutzes zur Verh utung oder Reduzierung der Strahlen-exposition19.EinweitererGrund, warumsichdievorliegendeStudienichtanderBezeichnungKernschmelz-unfall orientiert, ist der, dass man damit bereits einen Unfall ab INES-Stufe 5 als nuklearen Kata-strophenfall klassizieren m usste, da es bereits auf dieser Stufe zur Kernschmelze kommt. Weil indiesem Fall aber, wie bereits beschrieben, noch Moglichkeiten bestehen, diesen Unfall durch Not-fallmanahmen zu beherrschen bzw. die Auswirkungen gegen uber der Umwelt einzugrenzen, wirdin der Wissenschaft generell erst ab Stufe 7 von einem nuklearen Katastrophenfall gesprochen. Beieinem Unfall, der dieser Stufe zugeordnet wird, kommt es zu einem katastrophalen Unfall, d.h. inweitenGebietenzuschwerenSchadendermenschlichenGesundheitundderUmweltdurcheinegroe Freisetzung radioaktiven Materials, die nicht durch die vorhandenen Notfallmanahmen undSicherheitsvorkehrungen hatten verhindert werden konnen.20Verdeutlicht werden kann diese Abgrenzung durch die Ereignisse in den KKW Three Mile Island(Harrisburg) und Tschernobyl. Der Unfall in den USA wurde der Stufe 5 zugeordnet und zahlt so-mit nicht als nuklearer Katastrophenfall, wahrend der in Tschernobyl in Stufe 7 eingeordnet wird.21Die folgenden Kapitel zur Ermittlung der Haftpichtversicherungspramie beziehen sich ausschlie-lich auf das Haftungsrisiko des KKW-Inhabers im Fall eines nuklearen Katastrophenfalls, der einenHochstschaden auslost. Dessen Ausma bestimmt die Hohe des Schadenersatzes; hinzu kommt ei-neSchatzungderEintrittswahrscheinlichkeitdesHochstschadens. DieseFaktorenieenindieBestimmung der Hohe der resultierenden Versicherungspramie f ur das Haftpichtrisiko ein.17Vgl.[Ewers/Rennings1992a]undDenitionundAusf uhrungenvonKernschmelzunfallenin[GRS1989].18Bei diesemBei diesemEreignis schmolzca. einDrittel des Reaktorkerns, dennochkonntendieMitarbeiterdurchrichtigesInteragierenschlimmereAuswirkungenverhindern. EskamzurFreisetzungradioaktiverGaseundK uhl ussigkeitindieUmwelt.Vgl.[Spiegel-Online2009].DerFallimKKWThreeMileIslandwurdeabernichtalsnuklearerKatastrophenfalleingestuft.Siehehierzu:[SpiegelbergPlaner2010],S.16.19[Bundesregierung2010a],S.1.20Vgl. [Weil2003], S. 35. AuchdieBundesregierungordneteinennuklearenKatastrophenfall derINES-Stufe7zu.Siehehierzu[Bundesregierung2010b],S.1.21Vgl.[SpiegelbergPlaner2010],S.16.Kapitel2BetriebeinesKernkraftwerkesundsichdarausergebendeHaftungsstreckenEin Kernkraftwerk ist ein Warmekraftwerk, das der Erzeugung elektrischen Stroms mittels Kern-energiedient.VereinfachtbeschriebenwirddabeidasheieWasseroderderDampf,derf urdenAntrieb der Turbinen zur Energieerzeugung in der Anlage benotigt wird, durch kontrollierte Spal-tungderAtomkernevonangereichertemUranoderThoriumerzeugt. DieserVorgangndetineinem Reaktor statt. Dabei treten im Reaktorkern sowohl eine hohe Energiedichte als auch radio-aktive Strahlung auf.Bedeutung der Stromerzeugung durch KKW in DeutschlandInDeutschlandexistierenderzeit17KernkraftwerkemiteinerGesamtbruttoleistungvon21.517MWe (Potenzial) und einer Stromerzeugung i.H.v. rund 140,6 Mrd. kWh (im Jahr 2010, brutto).22DerdurchKernenergieerzeugteStrommachtinDeutschlandeinennichtunerheblichenTeildergesamten in Deutschland verbrauchten Menge an Primarenergie aus. Im Jahr 2010 hatte die Kern-energie einen Anteil am gesamten Energieverbrauch von ca. 22,6 Prozent.23In Abbildung 2.1 wirdjeweils der Anteil der Energietrager am Primarenergieverbrauch dargestellt.Einteilung der KKW-Typen hinsichtlich der Art der Reaktork uhlung und der Stromerzeugung22SiehehierzuAbbildung2.2.MWebedeutetMegaWattelectricalundgibtdieLeistungdesKernkraftwerksinBezugaufdessenErzeugungelektrischerEnergiewieder.23Siehehierzu[AGEB2011a],S.23.910Abbildung 2.1: Anteil der Energietrager an der Bruttostromerzeugung Deutschlands (Quelle: Ei-gene Darstellung, in Anlehnung an [AGEB 2011 a] S.24)HinsichtlichdereingesetztenK uhlungstechnikhandeltessichbeialleninDeutschlandbetriebe-nen Kernkraftwerken um Leichtwasserreaktoren, bei denen die Brennstabe in den Reaktoren durchWasser gek uhlt werden. Hinsichtlich der Technik der Stromerzeugung sind elf der KKW dem Typder Druckwasserreaktoren (DWR)24zuzuordnen, wahrend die restlichen KKW Siedewasserreakto-ren (SWR)25sind.26DieseReaktortypenunterscheidensichdadurch, dassbei denSiedewasserreaktorendurchVer-dunstendesK uhlwassersentstehender Wasserdampf direkt zumAntriebder Turbinengenutztwird, wahrend bei den Druckwasserreaktoren das Wasser durch den vorherrschenden Druck nichtverdampft, sonderndasim ussigenAggregatzustandbleibendeWassereinenweiterenWasser-kreislauf anheizt und der dabei entstehende Dampf die Turbinen antreibt.27Zur Zuordnung der Kernkraftwerke siehe Abbildung 2.2. Diese stellt alle in Deutschland betriebe-24Hierzu zahlen die Kernkraftwerke Biblis A und B, Brokdorf, Emsland, Grafenrheinfeld, Grohnde, Isar 2, Neckar-westheim1und2,Philippsburg2undUnterweser.25Hierzu zahlen die Kernkraftwerke Gundremmingen B und C, Isar 1, Philippsburg 1, Kr ummel und Brunsb uttel.26Vgl.[DeutschesAtomforume.V.].27Vgl. [InformationskreisKernEnergie]. Zur naheren Beschreibung der Funktionsweise eines Druckwasserreaktorssiehe[GRS1989],S.109.WeitereAusf uhrungenzurFunktionsweiseverschiedenerTypenvonKernkraftwerkenin[Konstantin2007],S.242.11nen KKW dar.28Abbildung2.2:Ubersicht uberdieinBetriebstehendenKKWinDeutschland(Quelle: EigeneDarstellung, in Anlehnung an [BMU 2010] und [Paulitz 2010])Wertschopfungsbereiche eines KKWDas Betreiben eines KKW inklusive Zwischen- und Endlagerung der Brennstabe kann in folgendeverschiedene Wertschopfungsbereiche unterteilt werden.Bau der KKW,Erschlieung und Abbau des Urans/Thoriums,Herstellung von Brennelementen,Aufnahme und Einlagerung von Brennelementen und Anlagenteilen,Betrieb der KKW,Zwischenlagerung/Endlagerung zerlegter Brennelemente und endzulagernder Anlagenteile imKKW,28DieseGesamtzahlbeziehtsichauchaufdiesiebenaltestenKKW(vor1980inBetriebgenommen),ungeachtetdes zur Zeit der StudienerstellungimMarz 2011bestehendenMoratoriums, aufgrunddessendiese KKWihrenBetriebzunachsttemporareinstellenmussten.12Transport von Brennelementen und endzulagernder Anlagenteile,Zwischenlagerung/Endlagerungzerlegter Brennelemente undendzulagernder Anlagenteileauerhalb des KKW,R uckbau der KKW.In jedem dieser einzelnen Wertschopfungsbereiche besteht das Risiko nuklearer Ereignisse, die beiEintritt Schaden nicht nur am KKW selber, sondern insbesondere auch an der das KKW umge-bendenUmwelt(imSinnevonMenschen, Infrastruktur, FloraundFauna)verursachenkonnen.F ur den nanziellen Schadenersatz sollte eine verantwortliche (juristische) Person identiziert undhaftbar gemacht werden.Die aktuelle Haftungssituation und Deckungsvorsorge der KKW-Inhaber in DeutschlandF ur allenuklearen Schaden29im Rahmen des KKW-Betriebs, d.h. in denen es zur Beschadigungder Umsysteme kommt, haftet allein der Inhaber des KKW.30Anlagenbauer oder Zulieferer sindvon der Haftung nicht betroen.31Die Haftungspicht entspricht generell einer strikten Gefahrd-ungshaftung, d.h. es kommt bei einem Schaden nicht auf dessen Widerrechtlichkeit oder Verschul-den des Inhabers an.32Der Inhaber eines KKW haftet unbegrenzt und unabhangig vom Verschul-den gegen uber Schadenersatzforderungen Dritter33, d.h. er muss Dritten gegen uber Schadenersatzleisten. Darin eingeschlossen sind auch bspw. Kosten f ur die kurzfristige Evakuierung und die Um-siedlung der Bevolkerung im Umkreis betroener KKW.34Von den Schadenersatzverpichtungenausgenommen sind Schaden an der Kernanlage an sich, an anderen Kernanlagen, die sich auf demgleichen Gelande benden sowie an den Vermogenswerten, die sich auch auf dem Gelande ben-den und im Zusammenhang mit dem KKW verwendet werden (sollen).35Die Inhaber der KKWsindvonderHaftunggenerellausgeschlossen,wennderSchadendirektdurcheinenbewanetenKonikt, Krieg und andere Feindseligkeiten oder einen Aufstand verursacht wird.36DieinderRealitatfaktischeHaftungsleistungderInhaberwirdaberaufgrundderVorschriftendes Atomgesetzes begrenzt. Diesen zufolge muss der Inhaber eines KKW zur Erf ullung seiner ge-setzlichen Schadensersatzverpichtungen eine Deckungsvorsorge in Hohe von 2.500 Mio. Euro pro29DerBegrinuklearerSchadenwirdinArt. 1Abs. aZier(vii)desProtokollsderAnderungendesPariserUbereinkommens(2004)deniert.SiehehierzuauchdieAusf uhrungeninKapitel3.2.2.30Vgl. 31Abs.3AtG.31Vgl. 31Abs.3AtGund[Diekmann/Horn2007],S.49.32Vgl. 25AtG.33Vgl. 31AtG.34Vgl.[Bundesregierung2010a],S.7.35Vgl. Art. 3 Abs. a des Protokolls derAnderungen des PariserUbereinkommens (2004) und 31 AtG. F ur die Ver-sicherung dieser Schaden ist der Betreiber der kerntechnischen Anlage verantwortlich. Vgl. [Bundesregierung2010c],S.6.36Vgl.Art.9desProtokollsderAnderungendesPariserUbereinkommens(2004).13KKW vorhalten.37F ur uber die Deckungsvorsorge hinausgehende Schadenersatzleistungen haftetzwar der Inhaber, aber durch die in 34 AtG verankerte Freistellungsverpichtung ubernimmt derStaat dar uber hinausgehende Schadenersatzleistungen, wenn der Inhaber diese nicht ubernehmenkann.38DieBereitstellungdiesergesetzlichenSchadenersatzleistungenunddamitinVerbindungstehende Manahmen sind in der atomrechtlichen Deckungsvorsorgeverordnung (AtDeckV) festge-legt. Dort ist beispielsweise geregelt, dass die 2.500 Mio. Euro Deckungsvorsorge durcheine Haft-pichtversicherungodereinesonstigenanzielleSicherheiterbrachtwerden39kann. Eskonnenauch verschiedene oder gleiche Formen der Vorsorgemanahmen miteinander verbunden werden.40Derzeit setzt sich die Absicherung der 2.500 Mio. Euro Deckungsvorsorge aus zwei Komponentenzusammen: Zum Einen sichern die Inhaber der KKW in Deutschland derzeit jeden Kernkraftwerks-block mit einer Haftpichtversicherungsdeckung, bereitgestellt durch den NuklearversicherungspoolDeutsche Kernreaktor-Versicherungsgemeinschaft GbR, bis zu einer Hohe von 255,65 Mio. Euro41ab.42Zum Anderen besteht ein erganzender Solidarvertrag der Obergesellschaften der Inhaber derKKW, durch den sich diese gemeinsam gegenseitig zu einer Zahlung bis zu einer Hohe von 2.356,57Mio. Euro43imSchadenfall verpichten.44GrundlagediesesSolidarvertragesstellentestierte-nanzielle Sicherheiten der Gesellschaften dar, die innerhalb eines Jahres liquidierbar sind.45Zusatzlich zur Deckungsvorsorge seitens der Inhaber stehen Mittel aus dem Br usseler Zusatz uber-einkommen zur Verf ugung. Dabei werden bis zu 300 Mio. Euro aus oentlichen Mitteln durch dieEU bereitgestellt. Diese Summe reicht nach Auassung des Bundesministeriums f ur Wirtschaft undTechnologie aus, um den Hochstschaden eines nuklearen Ereignisses mit Kernschmelze zu decken.46DamitsummierensichdieMittel,dieimHaftungsfalldemInhabereinesKernkraftwerksblockes37Vgl. 13Abs. 3AtG. DieseBegrenzungder Deckungsvorsorgeauf 2,5Mrd. wirdals realistischeHohezurDeckungderSchadenersatzanspr ucheaufgrundeinesnuklearenEreignissesgesehen.38Vgl. 34Abs.1AtGunddazudieAusf uhrungenin[Haubner2009],S.41.391AtDeckV.40Vgl. 1AtDeckV.41DiesentsprachbisApril 2002- biszurNovellierungdesAtomgesetztes- dergesetzlichenDeckungsvorsorge-picht.42DiebeidenReaktorblockeinGrundremmingenwerdenbeidezusammenbis255,65Mio.Euroabgesichert.Vgl.[Irrek2008],S.1.43Dieser Betrag ergibt sich aus seiner Haftpicht-Deckungsvorsorge i.H.v. 2.244,355 Mio. Euro zuz uglichgeschatzterSchadensabwicklungskosten(5%)i.H.v.112,218Mio.Euro.44[WuppertalInstitut2007],S.12.45Vgl.[Bundesregierung2010c],S.146Vgl.[Bundesministeriumf urWirtschaftundTechnologie2010],S.214zur Verf ugung stehen, wie folgt:255, 65 Mio. Euro aus der Haftpichtversicherung+ 2.356, 57 Mio. Euro aus dem Solidarvertrag der Obergesellschaften+ 300, 00 Mio. Euro aus dem Br usseler Zusatz ubereinkommen= 2.912, 22 Mio. EuroDamit sind zunachst die gesetzlichen Anforderungen an die Deckungsvorsorge zur Begleichung vonHaftpichtanspr uchen erf ullt.Hintergr unde der gesetzlichen und EU-rechtlichen Regelung des Haftungsrechts von KKW-InhabernDie Haftung bei nuklearen Ereignissen wird sowohl international bzw. auf EU-Ebene als auch aufGrundlage deutscher Haftungsvorschriften geregelt.47Grundlegend gilt seit 1960 nach den RegelndesPariserUbereinkommens48unddesGemeinsamenProtokolls49, erganztdurchdasAtomge-setz, diesog.Gefahrdungshaftung.50ImFolgendenwerdendieverschiedenenGrundlagendesHaftungsrechts naher beleuchtet.DieinternationalenVereinbarungen- PariserUbereinkommen, Br usselerZusatz ubereinkommensowieWienerUbereinkommen-wurdengetroen, umdieindustrielleNutzungderKernenergietrotzbestehenderRisikenermoglichenzukonnen. InsbesonderedasimJahr1960abgeschlosse-ne PariserUbereinkommen beschaftigt sich mit dem Haftungsrecht bei Schadenersatzforderungenaufgrund nuklearer Ereignisse und verankerte die strikte Gefahrdungshaftung im Rahmen der Nut-zung von Atomenergie.Trotz uberdieJahrzehnteoenbargewordenerL uckeniminternationalenSystemdesAtomhaf-tungsrechts und gewandelter Vorstellungen von Nutzen und Risiken der friedlichen Nutzung vonKernenergie blieben die grundlegenden Prinzipien der einschlagigenUbereinkommen zur Atomhaf-tung weitestgehend unverandert. In einem mehrjahrigen Prozess wurde das Pariser Ubereinkommenmit dem Protokoll 2004 einer grundlegenden Reform unterzogen. Die Bundesregierung stimmte demProtokoll 2004 zu, bislang ist es aber noch nicht in Kraft getreten.51Die Pariser Konvention von1960 fordert, dass jeder Betreiber von KKW zwischen 6 und 18 Mio. Euro f ur die Kompensationvon Schaden zur Verf ugung halt. Die uberholten Protokolle von 2004 fordern mindestens eine Haf-tung des Betreibers in Hohe von 700 Mio. Euro (Pariser Protokoll) bzw. 1.500 Mio. Euro (Protokoll47F ur eineUbersicht uber das internationale Atomrecht siehe [BfSb]. Direkt zur Veroentlichung der UmsetzunginDeutschlandsieheBGBlII,Nr.24,29.August2008,S.902.48PariserUbereinkommenmeintdasUbereinkommenvom29.Juli1960 uberdieHaftunggegen uberDrittenaufdemGebietderKernenergieinderFassungderBekanntmachungvom5.Februar1976(BGBl.IIS.310,311)unddesProtokollsvom16.November1982(BGBl.1985IIS.690).49GemeinsamesProtokoll meintdasGemeinsameProtokoll vom21. September1988 uberdieAnwendungdesWienerUbereinkommensunddesPariserUbereinkommens(BGBl.2001IIS.202,203),siehe[IAEA1992].50Vgl. 25Abs.1Satz1AtG51F urweiterf uhrendeAnalysedesPariserUbereinkommenssiehe[Blobel2005].15des Br usseler Zusatz ubereinkommens).52Bezogen auf das EU-Haftungsrecht gibt es folgende Tendenzen: Auf europaischer Ebene wird seitEndeder1980erJahreeineEinigung ubergemeinschaftlicheManahmeninderUmwelthaftungangestrebt. 1993 legte die EU-Kommission ein Gr unbuch, 2000 ein Weibuch zur UmwelthaftungunddaraufhinAnfang2002einenRichtlinienvorschlagvor.IndemEU-RichtlinienvorschlagzumUmwelthaftungsrecht wurdeu.a. vonUmweltverbandengefordert, dieHaftungauchauf Kern-kraftwerke auszudehnen. In der am 21. April 2004 verabschiedeten Fassung der EU-Richtlinie uberUmwelthaftungzurVermeidungundSanierungvonUmweltschaden53werdennukleareSchadenmit Verweis auf die Regelungen in den internationalenUbereinkommen vom Umwelthaftungsrechtausgeschlossen - geregelt in Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2004/35/EG:Diese Richtlinie gilt nicht f ur nukleare Risiken oder Umweltschaden oder die unmittelbare Gefahrsolcher Schaden, die durch die Aus ubung von Tatigkeiten verursacht werden konnen, die unter denVertrag zur Gr undung der Europaischen Atomgemeinschaft fallen, oder durch einen Vorfall odereine Tatigkeit verursacht werden, f ur die die Haftung oder Entschadigung in den Anwendungsbe-reicheinerderinAnhangVaufgef uhrteninternationalenUbereink unfte, einschlielichetwaigerk unftigerAnderungen dieserUbereink unfte, fallt.54In Anhang V der Richtlinie 2004/35/EG sind folgende InternationaleUbereinkommen aufgef uhrt:PariserUbereinkommenvom29. Juli 1960 uberdieHaftunggegen uberDrittenauf demGebiet der Kernenergie und Br usseler Zusatz ubereinkommen vom 31. Januar 1963;WienerUbereinkommenvom21. Mai 1963 uber diezivilrechtlicheHaftungf ur nukleareSchaden;Ubereinkommen vom 12. September 1997 uber zusatzliche Entschadigungsleistungen f ur nu-klearen Schaden;Gemeinsames Protokoll vom 21. September 1988 uber die Anwendung des WienerUberein-kommens und des PariserUbereinkommens;Br usselerUbereinkommen vom 17. Dezember 1971 uber die zivilrechtliche Haftung bei derBeforderung von Kernmaterial auf See.DasdeutscheAtomgesetzerganztundkonkretisiertdieHaftungsregelungenderinternationalenVereinbarungen. Dabei geht die Haftung weit uber die Mindesthaftung des Pariser Ubereinkommenshinaus, denn nach 31 Abs. 3 AtG haftet der Inhaber eines Kernkraftwerkes der Hohe nach unbe-grenzt. Neben Deutschland ndet eine solche unbegrenzte Haftung nur noch in der Schweiz und in52[Schneideretal.2009],S.72.53Richtlinie2004/35/EGdesEuropaischenParlamentsunddesRatesvom21. April 2004 uberUmwelthaftungzurVermeidungundSanierungvonUmweltschaden,EUABlL143/56.54Art.4Abs.4Richtlinie2004/35/EG.16Japan Anwendung. Auch im deutschen Recht entspricht die Haftung einer strikten Gefahrdungs-haftung.55SeitderNovellierungdesAtomgesetzesimJahr2002istdieDeckungsvorsorgederInhaberderKKWzurErf ullungihrerSchadensersatzverpichtungenauf 2.500Mio. EuroproKKWaufge-stocktworden.56DetailszurderzeitigenHaftungssituationvonKKW-InhabernunddieZusam-mensetzung dieser Deckungsvorsorge wurden im vorangegangenen Abschnitt beschrieben.Zwischenfazit aus den vorangegangenen AbsatzenObwohl die aktuell von den KKW-Inhabern vorgehaltene Deckungsvorsorge den gesetzlichen An-forderungenentspricht, wirftselbstdiese- gegen uberdenRegelungenvorderNovellierungdesAtomgesetzes im Jahr 2002 - bereits erhohte Deckungsvorsorge Zweifel auf, ob sie ausreichend ist,im Schadenfall den Schadenersatzverpichtungen gegen uber Dritten nachkommen zu konnen.SollteeinnuklearerKatastrophenfall eintreten, dessenSchadenhoheristalsdiegesetzlicheDe-ckungsvorsorge, haftet prinzipiell der Inhaber des KKW unbegrenzt f ur die Schadenteile, die die2.500Mio.Eurozzgl.300Mio.EuroausdemEU-Zusatz ubereinkommen ubersteigen.SolltederKKW-Inhaber nicht leisten konnen, lage es in letzter Konsequenz beim Staat, im Schadenfall f ureinenwesentlichenAnteil derSchadensersatzleistungenaufkommenzum ussen. Diesentspracheletztlich einer erheblichen Belastung der Allgemeinheit.Die vorliegende Studie soll folgende zentrale Frage beantworten: Wie hoch m usste die Pramie f ureine Haftpichtversicherung sein, mit der innerhalb eines denierten Zeitraums Vorsorge f ur einenMaximalschadenauseinemnuklearenKatastrophenfallgetroenwerdenkann?DieAntwortaufdiese Frage wird in den Kapiteln 4 bis 6 mittels diversen bestehenden Expertenschatzungen hin-sichtlichzuerwartenderSchadenhohenundangenommenerSchadeneintrittswahrscheinlichkeitensowie Methoden der Extremwerttheorie hergeleitet.55Vgl. 25AtG.56Vgl. 13Abs. 3AtG. DieseBegrenzungder Deckungsvorsorgeauf 2,5Mrd. wirdals realistischeHohezurDeckungderSchadenersatzanspr ucheaufgrundeinesnuklearenEreignissesgesehen.Kapitel3DimensionendesVersicherungsschutzesfureinennuklearenKatastrophenfallDieDimensionendesVersicherungsschutzesf ureindeniertesRisikoergebensichausdemimVersicherungsvertragfestgehaltenenVersicherungsfall (versicherteGefahren)unddendarausre-sultierenden Schaden an den versicherten Risiken bzw. den damit zusammenhangenden, im Versi-cherungsvertrag festgelegten Leistungen des Versicherers.57Im folgenden Kapitel 3.1 werden wichtige versicherungswissenschaftliche Begriichkeiten deniertund die Dimensionen des Versicherungsschutzes im Einzelnen naher erlautert. Im darauf folgendenKapitel 3.2 wird die versicherungswissenschaftliche Sichtweise auf den Sachverhalt eines nuklearenKatastrophenfalls angewandt.Grundsatzlich beziehen sich diese Kapitel auf die Haftpichtversicherung58als Versicherungszweigder Schadenversicherung59zur Absicherungder Schaden, diedurcheinennuklearenKatastro-phenfall verursacht werden bzw. der daraus resultierenden Schadenersatzanspr uche Dritter. In deneinzelnen Kapiteln wird daher auch die Haftpichtversicherung naher beleuchtet.57Vgl.[Farny2006],S.382.58Eine Haftpichtversicherung ist eine Versicherung, durch die berechtigte Schadenersatzanspr uche einesgeschadigtenDrittenaufgrundeinesvoneinernat urlichenoderjuristischenPersonverursachtenoderverschuldetenSchadensabgesichertwerden.Vgl.hierzu[F urstenwerth/Wei2001],S.306f.59Eine Schadenversicherung ist eine Versicherung,deren Versicherungsleistung [direkt] auf einentatsachlich entstanden und konkret nachweisbaren Schaden am Vermogen der Versicherten begrenzt ist.[F urstenwerth/Wei2001],S.567.17183.1 Versicherungswissenschaftliche Begrisbestimmungen desVersicherungsschutzes3.1.1 VersicherungundversichertesRisikoF ur den Begri Risiko existieren eine Vielzahl verschiedener Denitionen sowohl in der allgemeinenwirtschaftswissenschaftlichen als auch in der speziellen versicherungswissenschaftlichen Literatur.Ubereinstimmend denieren alle QuellenRisiko als den Sachverhalt, dass die Entscheidungen unddas damit verkn upfte (wirtschaftliche) Verhalten und Handeln eines Wirtschaftssubjektes nicht zueinem bestimmten genau festlegbaren Ergebnis f uhren, sondern dass Abweichungen vom erwartetenErgebnis aufgrund von (Umwelt-)Ein ussen auftreten konnen.60Diese Ergebnismoglichkeiten tre-ten jeweils mit unterschiedlichen - sowohl bekannten als auch unbekannten - Wahrscheinlichkeitenauf, weshalbsicheinRisikoauchdurcheineWahrscheinlichkeitsverteilungmoglicherErgebnisseeiner Handlung ausdr uckt.Insgesamt ist ein Risiko also durch eine Wahrscheinlichkeitsverteilung mit einem Erwartungswert-der mit den Wahrscheinlichkeiten gewichtete Durchschnitt aller Ergebnismoglichkeiten61- undeinergewissenStreuung, diedieAbweichungenvomerwartetenErgebnisangibt, beschrieben.62Dabei konnen die Abweichungen des tatsachlichen Ergebnisses vom Erwartungswert g unstiger Art(wie bspw. mehr Gewinn innerhalb einer Periode als erwartet) oder ung unstiger Art (bspw. wenigerGewinn innerhalb einer Periode als erwartet) sein.BezogenaufdieVersicherungswirtschaftwerdennurdieung unstigenAbweichungenvomErwar-tungswerteinerWahrscheinlichkeitsverteilung, gemessenanwirtschaftlichenGroen, indieBe-trachtung einbezogen. Diese Abweichungen werden als Schaden bezeichnet. Daher wird die Wahr-scheinlichkeitsverteilung (der moglichen negativen Ergebnisse einer Handlung) auch als Schadenver-teilung bezeichnet.63Wenn die Wirtschaftssubjekte diese ung unstigen Abweichungen bzw. Risikennichtselbsttragenkonnenoderwollen, besteht-soweitdieGrenzenderVersicherbarkeit(s.u.)nicht uberschrittensind- dieMoglichkeit, dieseauf Versicherungsunternehmenzu uberwalzen.Dabei ubertragendieWirtschaftssubjektediegeschatzteSchadenverteilungandenVersicherer;als Gegenleistung zahlen die Wirtschaftssubjekte dem Versicherer eine Versicherungspramie. Der60Ursachenf urdieseErgebnismoglichkeitenresp. AbweichungendestatsachlichenErgebnissesvomerwartetenErgebnissindEin ussedernat urlichenUmwelt(wieSt urme, Erdbeben, etc.), technischeEin usse(wieVersagentechnischer Systeme), die wirtschaftliche Umwelt (wie Manahmendes Konzerns oder der Konkurrenten) oderEin usse der Gesellschaft (bspw. Gesetzgebung oder Handeln von dritten Personen). Weitere Unsicherheiten uber dietatsachliche Ergebnisauspragung ergeben sich dadurch, dass keine vollstandige Information uber den Zusammenhangeiner Handlung mit einem Ergebnis vorhanden ist. Es herrscht bis zu einem gewissen Grad Ungewissheit, weshalb eineHandlung immer unter Unsicherheit in Bezug auf die moglichen Ergebnisauspragungen stattndet. Vgl. [Farny2006],S.27.61Vgl.[Farny2006],S.27.62Vgl.[Farny2006],S.27.63Vgl.[Farny2006],S.30f.19Versichererverpichtetsich, imvereinbartenunddeniertenSchadenfall eineEntschadigungzuleisten.64Dieser Sachverhalt wird als Versicherung i.e.S. bzw. Risikogeschaft65bezeichnet.Ein versichertes Risiko ist dann aus Sicht des Versicherers eine Wahrscheinlichkeitsverteilung vonVersicherungsleistungen(dieerimSchadenfall gegen uberdemVersicherungsnehmerzuerf ullenhat) und aus Sicht des Versicherungsnehmers eine Wahrscheinlichkeitsverteilung von Schaden (dieer an den Versicherer ubertragt).66 67Der Versicherer ubernimmt im Normalfall eine Vielzahl an Risiken und deren Schadenverteilungenin seinen Bestand (welches als Kollektiv bezeichnet wird) und erhalt im Gegenzug Pramienzahlungenvon allen versicherten Risiken innerhalb dieses Bestandes. Ist der Bestand versicherter Risiken grogenug, wirkt dasGesetz der groen Zahl. Dieses besagt vereinfacht, dass innerhalb einer Periode(z.B. ein Jahr) zwar f ur alle versicherten Risiken eine Pramie gezahlt wird, jedoch nicht bei allendieserRisikeninnerhalbderPeriodeSchadenauftreten. DamitistesdemVersicherermoglich,die innerhalb einer Periode entstehenden Schaden an wenigen versicherten Risiken innerhalb desBestandesdurchPramienzahlungallerRisikendiesesBestandeszunanzieren. Dieserf urdieVersicherungstechnik wesentliche Prozess wird als Risikoausgleich im Kollektiv bezeichnet. Sollteninnerhalb einer Periode mehr Schaden eintreten als erwartet, wird vonUberschaden gesprochen;sind es weniger Schaden als erwartet, vonUnterschaden.Das versicherungstechnische Kalk ul beruht weiterhin darauf, dass sich uber mehrere Perioden hin-weg die Unterschaden einzelner Perioden dieUberschaden anderer Perioden langfristig ausgleichen.Dieses Prinzip wird als Risikoausgleich in der Zeit bezeichnet. Der Ausgleich uber mehrere Peri-oden hinweg ist moglich, da die meisten Versicherungsvertrage innerhalb des Kollektivs Laufzeitenvon mehr als einem Jahr aufweisen.68DurchdenRisikoausgleichimKollektivundinderZeitistesdemVersicherermoglich, Risikenin seinen Bestand zu ubernehmen und aufgrund der diesen Risiken gegen uberstehenden PramienimSchadenfall leistenzukonnen. Der Versicherer legt seinVermogen, das sichauchaus denPramienzahlungen ergibt, verzinslich in Kapitalanlagen an, um Rendite zu erzielen. F ur die Ver-pichtungen, die er gegen uber dem Versicherungsnehmer - durch bspw. aufgrund im Voraus gezahl-ter Pramien und in Zukunft zu gewahrendem Versicherungsschutz oder noch nicht regulierter Scha-64Vgl.[Farny2006],S.35.65Der Versicherungsschutz einer Haftpichtversicherungbesteht dabei aus seinemKerngeschaft, demRisiko-geschaft, unddemDienstleistungsgeschaft. ZumDienstleistungsgeschaftgehorenBeratungs-undAbwicklungsleis-tungen.Siehehierzu:Vgl.[Farny2006],S.55.66Vgl.[Farny2006],S.31.67In diesem Zusammenhang ist der Begri Wagnis vom Risikobegri abzugrenzen. Als Wagnis wird der vom Ver-sicherungsunternehmen ubernommene Teil des bestehenden gesamten Risikos mit all seinen Gefahren und moglichenSchaden bezeichnet. Da Versicherer in den Vertragen meist gewisse Gefahren und Schaden, wie u.a. Schaden aufgrundvonKrieg,AtomunfalloderComputervirenausschlieen,sindWagnisundRisikooftnichtdeckungsgleich.68SiehehierzudieAusf uhrungenin[Farny2006],S.44.20denfalle - hat, bildet der Versicherer versicherungstechnische R uckstellungen. Diese R uckstellungenspiegeln den Teil des gebundenen Vermogens der Kapitalanlagen (Sicherungsvermogen) wider.Grundlegend werden zwei Leistungsformen des Versicherers unterschieden: die Summen- und dieSchadenversicherung. Bei einer Summenversicherung wird unabhangig von der tatsachlichen Scha-denhohenureinvorabfestgelegterbegrenzterBetraggezahlt. DiesistbeispielsweisederFall inder Risikolebensversicherung, wo unabhangig vomWert des Lebens der versicherten Person einebestimmte Deckungssumme angenommen wird. Hingegen orientiert sich die SchadenversicherunganderHohedestatsachlicheingetretenenSchadens. Siewirdwiederumunterteiltindieunbe-grenzte Interessenversicherung, die keinerlei Begrenzung der Versicherungssumme vorsieht und dieErstrisikoversicherung, bei der eine obere Leistungsgrenze f ur den Schadenersatz festgelegt wird.69Ein Beispiel f ur die Schadenversicherung ist die Kfz-Kasko-Versicherung.Zivilrechtlichbzw. schuldrechtlichbestehtinDeutschlanddiePicht, dassPrivatpersonenundWirtschaftssubjektef ur selbst verursachtematerielle/nanzielleSchadenananderenPersonen,Wirtschaftssubjekten oder deren Eigentum und/oder der Umwelt haften und zum Schadenersatzverpichtet sind. F ur die Finanzierbarkeit dieser Haftung konnen i.d.R. Haftpichtversicherungenerworbenwerden.70Diesesindteilweisefreiwillig(privateHaftpichtversicherung)oderPicht-versicherungen (z.B. Kfz-Haftpichtversicherung, Picht-Haftpichtversicherungen z.B. f ur Perso-nenschadenausArzneimittelndurchdenArzneimittelherstelleroderJagdhaftpichtversicherungf ur Jager).71DasichdieHaftpichtversicherunganderkonkretenHoheeinestatsachlichmoglichenbzw.ein-getretenenSchadens orientiert, ist siedenSchadenversicherungenzuzuordnen. DieHaftpicht-versicherung, die die KKW-Inhaber derzeit vom bestehenden Nuklearversicherungspool DeutscheKernreaktor-Versicherungsgemeinschaft GbRerworbenhaben, stellt eineErstrisikoversicherungdar, dadieHohederVersicherungsleistungauf 255,65Mio. Eurobegrenztist. DieimRahmender hier vorliegenden Studie berechnete ktive Versicherungspramie einer Haftpichtversicherungunterstellt dagegen keine Limitierung der Versicherungssumme. Daher entspricht diese einer unbe-grenzten Interessenversicherung.3.1.2 VersicherteGefahrenundversicherterSchadenDerVersicherungsschutzmussdurchdenVersichererimVersicherungsvertragdeniertbzw. be-schrieben werden. Dazu wird das zu versichernde Risiko intensiv analysiert. Dabei werdensowohl die Ursachen, die das Risiko auslosen kann (Gefahren),als auch die moglichen Auswirkungen (Schaden),69Vgl.[F urstenwerth/Wei2001],S.212und654.70SiehehierzudieAusf uhrungenin[F urstenwerth/Wei2001],S.306f.71Vgl.[Farny2006],S.149.21die durch Eintritt des Ereignisses im Sinne des versicherten Risikos entstehen konnen, erfasst.72IndiesemZusammenhangobliegtesdemVersicherer,allemoglichenGefahrenundSchadenindenVertrag einzuschlieen oder einen Teil explizit auszuschlieen. Generell kann eine Gefahr, namlichdie Risikoursache, als das Unheil bzw. Zustand, der durch nicht oder kaum beeinussbare Gewaltenentsteht, beschrieben werden. Gefahren existieren und losen bei Eintreten einen oder mehrere realeSchaden aus.73Alle in den Vertrag einbezogenen Ursachen/Gefahren werden als versicherte Gefahren bezeichnetund losen im Schadenfall eine Leistungspicht des Versicherers aus.74Analog werden alle vertrag-lich einbezogenen Auswirkungen/Schaden als versicherte Schaden bezeichnet.Die Beschreibung und Gestaltung der versicherten Gefahren und Schaden f ur ein versichertes Risikoist meist sehr dizil und feingliedrig.753.1.3 VersicherungspramieGrundsatzlichstellt dieVersicherungspramiedenPreis f ur das WirtschaftsgutVersicherungs-schutzdar.MitderEinnahmederVersicherungspramienanziertderVersichererdiezuerwar-tenden Auszahlungen f ur Entschadigungsleistungen im Schadenfall.Im Rahmen seiner Pramienpolitik kalkuliert der Versicherer die Preise f ur den angebotenen Ver-sicherungsschutz mit dem Ziel, durch die Pramienertrage aus dem Kollektiv die f ur Schadenzah-lungen dieses Kollektivs entstehenden geschatzten Aufwendungen decken zu konnen. In die Kalku-lationieenErfahrungswertehinsichtlichtatsachlicherAufwendungenf urinderVergangenheitbereitseingetretenevergleichbareSchadenfalleundgeschatzteAufwendungenf urk unftigeScha-denfalle76ein.Weitere Bestandteile der Versicherungspramie sindnebender reinenRisikopramie der Sicher-heitszuschlag, der Betriebskostenzuschlag, Deckungsbeitragf ur dieVersicherungs- undggf. derFeuerschutzsteuer sowie der Gewinnzuschlag.Die reine Risikopramie entspricht demDeckungsbeitragf ur die erwartetenSchadenkostendesRisikos(erwarteterLeistungsbarwert77).78F urdieBerechnungderRisikopramiewirddaherderSchadenerwartungswert zugrunde gelegt.72Vgl.[Farny2006],S.32.73Vgl.[Farny2006],S.33f.74Vgl. 19Abs.1VVG.75Vgl.[Farny2006],S.383.76Aufwendungenentstehensowohlf urSchadenzahlungenalsauchf urVerwaltungskostendesVersicherers.77WeitereAusf uhrungeninKapitel6.178Vgl.[Farny2006],S.60.22Abbildung 3.1: Pramien-/Kosten-Modell (Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an[Rosenbaum/Wagner 2006] S. 138)EinweitererBestandteil derVersicherungspramieistderSicherheitszuschlag, deralsDeckungs-beitrag f ur moglicheUberschaden - aufgrund der Streuung der erwarteten Schaden in der Wahr-scheinlichkeitsverteilung - dient. Ist die Streuung hoch (groer Unterschied der Auspragungen derSchadenhohen), muss einentsprechendhoherer SicherheitszuschlagindieVersicherungspramieeingerechnet werden. Der Sicherheitszuschlag dient daher der Absicherung der Schwankungen dertatsachlichen Schadenzahlungen um den Erwartungswert und stellt einen zusatzlichen Deckungs-beitrag zu Absicherung des Risikos dar.79DiereineRisikopramieundderSicherheitszuschlagstehenineinemsehrengenZusammenhangund werden daher auch oft zusammengefasst als Risikopramie bezeichnet.Der Betriebskostenzuschlagdient der Abdeckungder Betriebskosten, die das Dienstleistungs-geschaft (z.B. f ur Vertragsverwaltung) umfasst.80Der Deckungsbeitrag f ur die Versicherungssteuerdient der Abdeckung der dadurch entstehenden Kosten.Die gesamte Pramie spiegelt daher die hier genannten Kosten wider, d.h. die Pramie wird in einzelneTeile zerlegt, die dann als Deckungsbeitrage bestimmter Kostenteile interpretiert werden konnen.79Vgl.[Farny2006],S.60und[Nguyen2009],S.10.80Vgl.[Farny2006],S.60f.23Die Abbildung 3.1 zeigt zur Verdeutlichung des Sachverhaltes ein solches Pramien-/Kostenmodell.Inder Pramienkalkulationwirdversucht, f ur jedes versicherteRisikobzw. jedenindividuellenSchadenerwartungswert die reine Risikopramie zu ermitteln. Dieser Sachverhalt wird als individu-ellesversicherungstechnischesAquivalenzprinzipbezeichnet.AufdasgesamteKollektivbezogen,folgtauchdiesdanndemsogenanntenkollektivenAquivalenzprinzip,d.h.dieSummeallerindi-viduellen Risikopramien steht dem gesamten Erwartungswert an Schadenkosten aller versicherterRisiken gegen uber.Durchdas individuelleversicherungstechnischeAquivalenzprinzipergibt sichzwangslaugeinePramiendierenzierunghinsichtlichder individuellenSchadenerwartungswerte.81Dieser Aspektkann ggf. relevant werden unter Ber ucksichtigung unterschiedlicher Schadeneintrittswahrscheinlich-keiten und -hohen, z.B. in Abhangigkeit des Standes der verwendeten Technik und der vorhandenenSicherheitsvorkehrungen. Hintergrund ist, dass f ur versicherte Risiken mit weniger Schadenpoten-zial aucheinediesemgeringerenRisikoentsprechende, niedrigerePramiezuzahlenseinsoll, sodass Anreize zur Schadenverh utung gesetzt werden.Treteninnerhalbeines bestehendenVersicherungsvertragsverhaltnisses Schadeneher und/oderhauger und/oder in groerer Hohe als erwartet ein, ist der Versicherer auch dann zur vereinbartenLeistungverpichtet,wennernochkeineGelegenheithatte,dieseSchadenzahlung(en)komplettdurch Pramieneinnahmen zu unterlegen. Um dies gewahrleisten zu konnen, stehen dem Versiche-rer,nebendemRisikoausgleichimKollektiv/inderZeitundderKalkulationderPramie,weite-rewichtigeBestandteilederVersicherungstechnikzurVerf ugung. Dazugehorenu.a. derVerzin-sungsaspekt sowie die oben unter 3.1.1 Versicherung und versichertes Risiko bereits angesprocheneR uckstellungsbildung.82Der Verzinsungseekt entsteht durch die verzinsliche Anlage nicht (akutf ur Schadenzahlungen) benotigter Pramienbestandteile in verschiedene Arten von Kapitalanlagen.Es existieren weitere Manahmen im Rahmen der versicherungstechnischen Risikopolitik von Versi-cherern (u.a. die versicherungstechnische Bestandspolitik oder Risikoteilungspolitik). Diese spielenim Rahmen der weiteren Untersuchungen jedoch eine untergeordnete Bedeutung und werden daherhier nicht weiter erlautert.3.1.4 KriterienundGrenzenderVersicherbarkeitViele Risiken mit ihren Gefahren und Schaden gelten als versicherbar; f ur andere Risiken - so auchf ur das Haftungsrisiko aus nuklearen Katastrophenfallen - ist die Frage nach ihrerVersicherbar-keitnach weit uberwiegender Auassung jedoch zu verneinen.81Vgl.[Rosenbaum/Wagner2006],S.137.82Eine weitere Moglichkeit ist die Weitergabe eines Teils der Risiken an sogenannteR uckversicherungsunternehmen.24Es existiert keine fest denierte Grenze, obundinwelcher FormeinRisikoals versicherbargilt. Dies kannletztendlichnur imEinzelfall entschiedenwerden. Entscheidendist jeweils dieNutzenabwagungzwischendemVersicherungsnehmerunddemVersicherungsunternehmenunterBer ucksichtigung der zu zahlenden Versicherungspramie. Demnach beruht die Versicherbarkeit ei-nes Risikos stets auf subjektiven und individuellen Einschatzungen.83EineMoglichkeit,dieVersicherbarkeitvonRisikenansatzweisezuobjektivierenbzw.abzuleiten,bieten die in der Literatur der Versicherungsbetriebslehre beschriebenen folgenden f unf Kriteriender Versicherbarkeit: Schatzbarkeit, Zufalligkeit, Unabhangigkeit und Eindeutigkeit eines Risikossowie die damit verbundene Schadengroe.84DasKriteriumderZufalligkeitbeziehtsichaufdieRealisationdesSchadensundbedeutet,dassdieEntstehungdesSchadenereignisses, derZeitpunktdesSchadeneintrittsunddasAusmadesSchadensunsicherseinm ussen. KommteszueinemVertragsabschluss, m ussendieseAttributesowohl dem Versicherungsnehmer als auch dem Versicherer unbekannt sein.85Des Weiteren solltederSchadeneintrittidealtypischauchunabhangigvomWillenoderVerhaltendesVersicherungs-nehmerssein,alsoohnedessenBeeinussungentstehen.86DiesesKriteriumwirdindenmeistenVersicherungszweigen nicht vollstandig erf ullt, da der Versicherer auch bei fahrlassigem bzw. grobfahrlassigem Handeln87eines Versicherungsnehmers zahlt. Das Versicherungsvertragsgesetz (VVG)siehtindiesemFall einequotaleK urzungderVersicherungsleistungenvor. F uhrtallerdingseinvorsatzliches Handeln eines Versicherungsnehmers zu einem Schadenfall, leistet der Versicherer inder Regel nicht.88Ein weiterer Aspekt der Versicherbarkeit stellt die Schatzbarkeit der zu versichernden Schadenver-teilung dar, d.h. die Moglichkeit, die Auspragung eines Schadenereignisses hinsichtlich dessen Ein-trittswahrscheinlichkeit und dessen Ausma im Vorfeld mittels Risikoanalysen o.a. einzuschatzen.89Dieser Aspekt der Versicherbarkeit impliziert, dass Erfahrungswerte und Datenhistorien hinsicht-lich des Schadeneintritts bestehen, oder aber das Risiko intuitiv und/oder analytisch beschriebenwerden kann.Als weitere Voraussetzung f ur die Versicherbarkeit eines Risikos kann dessen Unabhangigkeit vonanderen versicherten Risiken - im Sinne einer Unkorreliertheit - verstanden werden. Das heit, essoll keinen Zusammenhang dahingehend geben, dass bei einem auslosenden Ereignis mehrere versi-cherte Einheiten/Objekte betroen sind. Allerdings wird dieses Kriterium vielfach nicht vollstandig83Vgl.[Farny2006],S.35.und[Goner2002],S.5f.84Vgl.[Farny2006],S.37f.und[Nguyen2009],S.6.85Vgl.[Farny2006],S.38und[Nguyen2009],S.6f.86Vgl.[Farny2006],S.38.87Einklassisches grobfahrlassiges Handelnist bspw. das kurzfristigeVerlassender Wohnungbei brennendenKerzen.88Vgl. 81VVG89Vgl.[Farny2006],S.38.25erf ullt. Zum Beispiel trit ein Hagelschaden als Schadenereignis gleichzeitig eine Vielzahl an ver-sichertenKraftfahrzeugeneinesVersicherers. DieHohederKorrelationsolltenurnichtzuhochsein.90Zudemmuss einRisikoeindeutigsein, das heit dieMerkmaledes Versicherungsfalls - beste-hend aus versicherten Gefahren und den entstehenden Schaden - m ussen genau bestimmbar undzuordenbar sein.91DieEindeutigkeithangtauchengmitderletztenVoraussetzungderVersicherbarkeitzusammen- derGroedesSchadensbzw. desSchadenausmaes. DiesesKriteriumbesagt, dassdiemaxi-mal zuzahlendeVersicherungsleistungauseinemSchadenereignis- dieser Wert wirdalsPMLoder Probable/Possible Maximum Loss bezeichnet - die Risikotragfahigkeit eines Versicherers nicht ubersteigen darf.Zusatzlich zu den f unf beschriebenen Voraussetzungen f ur die Versicherbarkeit von Risiken spieltdie Risikodynamik eine wesentliche Rolle. Darunter fallt, dass sich die Risiken im Zeitablauf, u.a.durchdentechnischenFortschrittbedingt, verandernkonnen, weswegensichVersichererimmerwiedererneutdieFragederVersicherbarkeitveranderterRisikenstellenm ussen. BeispielsweisewurdenTerrorrisikenbei bestimmtenVersicherungsprodukteninder Vergangenheit haugmiteingeschlossen, nach den Ereignissen des 11. September 2001 sind diese nun aber in fast allen Ver-sicherungsprodukten ausgeschlossen.92Die Kriteriender Versicherbarkeit sinddemVersicherer dienlich, umeinRisikoeinordnenzukonnen. Dar uber hinaus kann eine Versicherung aber auch gesetzlich durch die Verankerung vonPichtversicherungen im Gesetz bestimmt werden. In diesem Zusammenhang tragt die Versicher-barkeitunterUmstandenaucheinempolitischenWillenRechnung. ImHinblickauf bestehendePichtversicherungen, wie beispielweise der Haftpichtversicherung f ur Personenschaden aus Arz-neimitteln durch den Arzneimittelhersteller, ist die Abwagung der Kriterien der Versicherbarkeitnicht mehr ausschlaggebend.90Vgl. [Nguyen2009], S. 8. F ur die angesprochenen Kumulereignisse bietet die R uckversicherungswirtschaft aller-dingsseitvielenJahrzehntenentsprechende(R uck-)Versicherungslosungen, z.B. imRahmenderKumulschadenex-zedentenr uckversicherung.91Vgl.[Farny2006],S.38.92Vgl.[Goner2002],S.5.263.2 AnwendungdeskonzeptionellenVersicherungsschutzesaufeinennuklearenKatastrophenfall3.2.1 Katastrophenfall:VersicherungundversicherteRisikenF ur jedes in Deutschland betriebene KKW besteht das Risiko, dass es aufgrund von Gefahren (imKKWselbstsowieinderdirektenundindirektenUmwelt)zuAbweichungenvomnormalenBe-trieb kommt, d.h. Storfalle sowie Unfalle auftreten, und dass es durch austretende Radioaktivitatzu Schaden an umliegenden Systemen (Infrastruktur, Gesundheit, Lebensraumen, etc.) kommt.DieRisikolageeinesKKWwirdbeschriebendurcheinenMixanEinussfaktorenausUmwelt,Wirtschaft, Technik, Gesetzeslage/Politik sowie individuellen Eigenschaften des KKW wie bspw.:KKW(-Typ): ReaktortypundzusammenhangendeFunktionalitat, eingesetzteBrennstoe,Alter des Kraftwerks, etc.AuspragungregionalerundzeitlicherFaktoren: geographischeLage(einschl. Fl usseinderUmgebung), vorherrschendeWetterlagenundWindrichtungen, BevolkerungsdichteinderUmgebung, etc.F ur alle moglichen Einussfaktoren sowie mogliche Kombinationen daraus existieren unterschied-licheAuspragungsmoglichkeitenundEintrittswahrscheinlichkeiten. EinTeil derEinussfaktorenwirddenBetriebdesKKWnichtodersogarinpositiverWeisebeeinussen(bspw.Fortentwick-lung des Wirkungsgrades und/oder der Sicherheit aufgrund umgesetzten technischen Fortschritts).AndereAuspragungensinddenGefahrenzuzuordnen. Siesindinder Lage, denBetriebeinesKKW negativ, d.h. im Sinne einer Erhohung der Schadeneintrittswahrscheinlichkeit, zu beeinus-sen. DieserSachverhaltderUnsicherheitdesEintretensvonEreignissenwurdeimKapitel 3.1.1Versicherung und versichertes Risikobeschrieben.Jeder mogliche Schadenfall aufgrunddes Eintretens einer Gefahr oder mehrerer kombinierterGefahrenkannmiteinerindividuellenSchadeneintrittswahrscheinlichkeitundeinerindividuellenSchadenhohe beschrieben werden.AufgrundderindividuellenAuspragungenderEinussfaktorenkannf urjedesKKWeinindivi-duellerHochstschadenmiteinerindividuellenSchadeneintrittswahrscheinlichkeitentstehen. Dasbedeutet, dassdaspotenzielleRisikoeinernuklearenKatastrophebei einemKKWinFormei-nerWahrscheinlichkeitsverteilungvonSchadenmitindividuellerSchadeneintrittswahrscheinlich-keit und Schadenhohe beschrieben werden kann. Basierend auf der Wahrscheinlichkeitsverteilungkann einem nuklearen Katastrophenfall ein Schadenerwartungswert () zugeordnet werden. DieserentsprichtdemmitdenWahrscheinlichkeitengewichtete[n]DurchschnittallerErgebnismoglich-27keiten93. DerSchadenerwartungswertselbstwirdinderRealitatniemalsexaktgetroen, d.h.miteinerf unfzigprozentigenWahrscheinlichkeitwirddierealeSchadenhoheunterundmiteinerf unfzigprozentigen Wahrscheinlichkeit uber dem Schadenerwartungswert liegen. Entsprechend wirdhiervonUnter-bzw.Uberschadengesprochen.DieSchwankungumdenSchadenerwartungswertwird als Streuung () bezeichnet. Die Abbildung 3.2 zeigt eine mogliche Schadenverteilung einesnuklearen Katastrophenfalls und verdeutlicht den beschriebenen Zusammenhang zwischen Erwar-tungswert (EW) sowieUber- und Unterschaden.Abbildung 3.2: Schadenverteilung eines nuklearen Katastrophenfalls (Quelle: Eigene Darstellung)Das Risiko einer nuklearen Katastrophe ist generell gekennzeichnet durch eine extrem niedrige Ein-trittswahrscheinlichkeit, fehlende Regelmaigkeit (Kriterium Schatzbarkeit, s. Kapitel 3.1.4 Krite-rienundGrenzenderVersicherbarkeit)undeinextremhohesSchadenpotenzial. DamitistdasRisiko eines nuklearen Katastrophenfalls als Groschaden- bzw. Katastrophenrisiko94zu bezeich-nen.DasRisikoeinesnuklearenKatastrophenfallsstelltimversicherungstechnischenZusammenhangkeinnormales bzw. ubliches Risiko dar, da es sich aufgrund genannter Eigenschaften nicht verlass-lich mittels versicherungsmathematischer Verfahren schatzen lasst. Vielmehr stellt es eine ArtEnt-wicklungsrisikodar. Damit ist gemeint, dass sich die Schatzung uber die Eintrittswahrscheinlich-keit und den potenziellen Hochstschaden stets mit dem Stand von Wissenschaft und Technik sowie93[Farny2006],S.27f.94Vgl.[Nguyen2007],S.6f.28der sonstigen Umsysteme (Entwicklung politischer Risiken, Werteakkumulationen in einer Volks-wirtschaft, etc.) weiterentwickeln muss.Ein nuklearer Katastrophenfall in einem KKW verursacht unter anderem Schaden am Leben undder Gesundheit von Menschen, an der Infrastruktur sowie hinsichtlich der wirtschaftlichen Hand-lungsfahigkeit der Volkswirtschaft. Wie in Kapitel 2 beschrieben, haftet der Inhaber eines KKW f uralle Schaden, die durch ein nukleares Ereignis verursacht werden. Er haftet demnach auch im Falleeines Hochstschadens durch einen nuklearen Katastrophenfall. Dieses zu tragende Risiko konnte ermit einer Haftpichtversicherung auf einen Versicherer transferieren - sofern ein Versicherer (oderein Konsortium an Versicherern) bereit ist, das damit verbundene Risiko zu tragen.DieindervorliegendenStudiebeschriebenektiveHaftpichtversicherung95w urdedamitdemInhabereinesKKWzurBegleichungallerSchadenanDritten,diedurcheinennuklearenKata-strophenfallentstehen,(SchadenanMenschen,Vermogenswerten,Realg utern,etc.)dienen.Diesstellt insgesamt das versicherte Risiko dar.96DasichdieHaftpichtversicherunganeinemkonkret zuberechnendenSchadenorientiert, ausdem sich die Hohe der Versicherungsleistung (begrenzt durch die Hohe der vereinbarten Deckungs-summe) bemisst, ist sie den Schadenversicherungen zuzuordnen. Die Haftpichtversicherung, wel-che die KKW-Inhaber derzeit vom bestehenden Nuklearversicherungspool Deutsche Kernreaktor-Versicherungsgemeinschaft GbR erworben haben, stellt eine Erstrisikoversicherung dar, da die Ver-sicherungsleistung auf den Hochstbetrag von 255,65 Mio. Euro begrenzt ist. Die im Rahmen derhier vorliegenden Studie berechnete ktive Versicherungspramie einer Haftpichtversicherung un-terstellt keine Limitierung der Versicherungssumme. Daher entspricht die hier angenommene Formder Haftpichtversicherung einer unbegrenzten Interessenversicherung.97DerVersichererbildetausden(jahrlich)eingehendenPramieneineRisikoreserve,ausdererimSchadenfall die benotigte Versicherungsleistung schopft.UnterderAnnahme, dasseinVersichereroderaucheinVersicherungspool alle17Risikeneinesnuklearen Katastrophenfalls (17 KKW in Deutschland, Stand Marz 2011) in seinen Bestand auf-nimmt bzw. ein Kollektiv bildet, ware ein Risikoausgleich im (relativ kleinen) Kollektiv98moglich,95Alsktivdeswegenbezeichnet, weil eineVersicherbarkeitdesHaftpichtrisikosauseinemnuklearenKata-strophenfallinderRealitatnichtgegebenist.96ImRahmendervorliegendenStudiewerdenkeineAusschl ussehinsichtlichentstehenderSchadendurcheinennuklearenKatastrophenfall gemacht, d.h. der Versicherer ubernimmt (theoretisch) alleRisikenimRahmeneinerHaftpichtversicherung, ohnebestimmteGefahrenoderentstehendeSchadenvonVornhereinauszuschlieen. Des-halbsindimvorliegendenFall das realebestehendeRisikounddas Wagnis (imSinnedes versichertenRisikos)gleichzusetzen.97InderVersicherungspraxiswirdindiesemZusammenhangauchvonIllimit e-Deckunggesprochen.98ZurBeschreibungdesRisikoausgleichsimKollektivsieheKapitel3.1.1WeitereAusf uhrungenzumRisikoaus-gleichimKollektivin[Farny2006],S.46.29damehrerediesergleichartigenundvoneinanderunabhangigenRisikenimBestandwarenbzw.das Kollektiv bilden.W urde ein Versicherer allerdings nur eines dieser Risiken in seinen Bestand aufnehmen, so konntekein Risikoausgleich im Kollektiv stattnden.Beide dieser Annahmen wurden in der vorliegenden Studie - separat - ber ucksichtigt.3.2.2 Versicherte Gefahrenundversicherter Schadeneines nuklearenKatastrophenfallsAngelehntandieobenbeschriebenenZusammenhangeRisiko-Gefahr-Schadensowiedener-lautertenKriterienderVersicherbarkeitwerdenimFolgendennurGefahrenbetrachtet,diezumEintreten des versicherten Schadens durch einen nuklearen Katastrophenfall an einem KKW (alsversichertes Risiko) f uhren konnen. Die im Rahmen der INES-Skala als kleinerer Storfall oder Un-fall charakterisierten Schaden (Stufen 1 bis 6 der Skala) werden hier nicht betrachtet.Die Gefahren des KKW-Betriebs, die Schadenfalle bis zum (Hochst-)Schadenfall (nuklearer Kata-strophenfall) auslosen konnen, sind sehr komplex und lassen sich nach ihren qualitativen Merkmalengrob einteilen in:unbewusste Auslosertechnisches Versagen (bspw. fehlerhafte Technik, veraltete Bausubstanz, etc.)menschlichesVersagen(bspw. falscheEinschatzungeinerSituation, Bedienungsfehler,M udigkeit, etc.)(Natur-)Katastrophen(bspw. Erdbeben,Uberschwemmung, ungewollter Flugzeugab-sturz) M udigkeit, etc.)bewusste Auslosergezielte Sabotage (intern durch eigene Mitarbeiter oder extern durch Dritte)Terrorakte (bspw. durch einen Flugzeugabsturz, Angri anhand von Lenkwaen)In die Ermittlung der Versicherungspramie f ur das Haftungsrisiko, das f ur KKW-Inhaber aus demKKW-Betrieb resultiert, werden alle moglichen Arten von Gefahren und alle moglichen Arten vonSchadeneinbezogen, weshalbvondemVersucheinerabschlieendenAufzahlungbeiderAspekteabgesehen wird.DieGefahrenbeeinussen, wiespaterimKapitel 5anhandbeispielhafterSzenariendargestellt,insbesondere die Schadeneintrittswahrscheinlichkeit. In diesem Kapitel werden Gefahren, wie u.a.technisches Versagen aufgrund von Alterung, menschliches Versagen, Erdbeben oder gezielter Flug-zeugabsturz, beschriebenundAnnahmen uberderenEinussaufdieEintrittswahrscheinlichkeit30getroen.Hinsichtlich der quantitativen, raumlichen und zeitlichen Merkmale von Gefahren, die einen nuklea-renKatastrophenfallauslosenkonnen,undhinsichtlichSchaden,dieentstehen,werdenebenfallsprinzipiell keine Einschrankungen vorgenommen.Jeder nukleare Katastrophenfall wirdeine Vielzahl vonSchadenintechnischen, sozialenundokologischen Umsystemen verursachen. Im Protokoll zurAnderung des PariserUbereinkommenswurden diese moglichen Schaden im Artikel 1 Abs. a Zier (vii) wie folgt deniert:Nr.1Totung oder Verletzung eines Menschen,Nr.2Verlust von oder Schaden an Vermogenswerten,sowie folgender Schaden in dem durch das Recht des zustandigen Gerichts festgelegten Ausma:Nr.3wirtschaftlicherVerlustaufGrunddesunterNummer1oder2aufgef uhrtenVerlustsoderSchadens,soweiterunterdiesenNummernnichterfasstist,wenndavonjemandbetroenist, der hinsichtlich eines solchen Verlusts oder Schadens anspruchsberechtigt ist;Nr.4die Kosten von Manahmen zur Wiederherstellung geschadigter Umwelt, sofern diese Scha-digungnichtunbetrachtlichist,wennsolcheManahmentatsachlichergrienwerdenoderergrien werden sollen, und soweit diese Kosten nicht durch Nummer 2 erfasst werden;Nr.5Einkommensverlust aus einem unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse an der Nutzung oderdem Genuss der Umwelt, der infolge einer betrachtlichen Umweltschadigung eingetreten ist,soweit dieser Einkommensverlust nicht durch Nummer 2 erfasst wird;Nr.6die Kosten von Vorsorgemanahmen und anderer Verlust oder Schaden infolge solcher Ma-nahmen.99Bedingung f ur die Anerkennung als Schaden in diesem Sinne ist, dass sie durch ionisierende Strah-lung verursacht werden, die von einer Strahlenquelle, Kernbrennstoen oder radioaktiven Erzeug-nissen innerhalb der Anlage eines KKW oder durch eine Kernanlage und deren Betrieb verursachtwerden.100UmdieKomplexitatdesSchadensbessererfassbarzumachen,wurdedurchHahn/Sailer(1987)eineUnterteilungdermoglichenSchadeninsechsKategorienvonSchadenarten,diejeweilswie-der einzelne Unterschadenarten besitzen, vorgenommen. Die Abbildung 3.3 zeigt diese Einteilungmoglicher Schadenarten.99Art.3Abs.adesProtokollsderAnderungendesPariserUbereinkommens(2004).100Vgl.Art.3Abs.adesProtokollsderAnderungendesPariserUbereinkommens(2004).31Abbildung3.3: SchadenarteneinesnuklearenKatastrophenfalls(Quelle: EigeneDarstellung, inAnlehnung an [Hahn/Sailer 1987])32DiequantitativeErmittlung,d.h.monetareBewertungdereinzelnenSchadendientu.a.zurBe-rechnung des gesamten Schadens, der sich aus einem nuklearen Katastrophenfall ergeben kann. Diedaraus ermittelte Summe bezieht der Versicherer in die Kalkulation der notwendigen Haftpicht-versicherungspramie ein.101In der vorliegenden Studie wird die Versicherungspramie auf Grundlagenur eines nuklearen Katastrophenfalls bzw. eines Hochstschadens in einem KKW in Deutschlandermittelt, d.h. es wird das Eintreten eines Schadenkumuls102ausgeschlossen.Das Ausma des Schadens hangt von der freigesetzten Menge radioaktiven Materials ab. In diesemZusammenhang haben das zugrunde liegende versicherte Objekt (KKW) und dessen Eigenschafteneinen wesentlichen Einuss auf das Schadenausma. So birgt beispielsweise ein Kernkraftwerk deralteren Generation andere Gefahren (bspw. hinsichtlich Ursache, Zeitpunkt und Ausma moglicherSchaden) als ein Kernkraftwerk, welches nach einem neueren Stand der (Sicherheits-)Technik ge-baut wurde.Generell gestaltetsichdieQuantizierungderSchadenarten,dieauseinemnuklearenKatastro-phenfall resultieren, alssehrschwierig, daf urvieleSchadenartenkeineQuantizierungsansatzeexistieren. Diesistbspw. f urdieSchadenartenAnderungdesSozialverhaltensoderAuswir-kungen auf die Intaktheit der Biosphareder Fall. So bestehen etwa in Bezug auf die SchadenartAussterben einer Tierart zum Einen Unsicherheit dar uber, wie man diesen Schaden monetar be-werten sollte, zum anderen sind die langfristigen Folgeschaden ungewiss, z.B. im Hinblick auf dieFrage, ob das zuk unftige Aussterben von Tierarten als direkte oder indirekte Folge eines nuklearenKatastrophenfalls gewertet werden kann.103Das Schadenausma wird durch eine Vielzahl weiterer Parameter beeinusst. Hierzu zahlen insbe-sondere witterungsbedingte Parameter zur Ausbreitungsberechnung und Parameter zu den Eigen-schaften des betroenen Gebietes, wie bspw.Windrichtung und -geschwindigkeit,Niederschlag zum Zeitpunkt des Unfalls bzw. wahrend der Freisetzung von Radioaktivitat,Freisetzungshohe,Thermik,101ZurErmittlungderjeweiligenTeilschadensieheKapitel4.102Schadenkumulbedeutet,dassaufgrundderRealisationeinerGefahr(z.B.einesErdbebens)Schadenanmeh-rerenvoneinanderunabhangigenversichertenRisikenimBestandeinesVersicherungsunternehmens(z.B.zweiodermehrKKW,diebeieinemVersichererversichertsind)entstehen.103Um die Weitlaugkeit und Unmoglichkeit der Auswirkungen zu verdeutlichen sei das Beispiel des Magenbr uter-FroschesRheobatrachusSilusmkurzerlautert. DerFroschstarb2008ausunderstnachseinemAussterbenwurdebekannt, dass dessen Kaulquappen mittels einer speziellen Substanz eine Schutzfunktion gegen uber der MagensauredesMuttertiersentwickelten. MoglicherweisehattedieseSubstanzbei fr uhzeitigererErforschungeinMittel gegenMagengeschw ureseinkonnen.DerokonomischeWertdesausgestorbenenFrosches-unbenommenvonseinemWertalsLebewesenundunwiederbringlicheArt-istdaherunbestimmbar.Vgl.[Fokken2008].33DiusiondesfreigesetztenradioaktivenMaterialsbetreendeParameter(z.B. Temperaturund Strahlungsbilanz),Oberache des betroenen Gebietes undNutzung des kontaminierten Gebietes (z.B. Agrarwirtschaft, Forstwirtschaft, landliches undstadtisches Siedlungsgebiet, Industriegebiet).104ImRahmender vorliegendenStudiewurdennacheiner umfassendenLiteraturrechercheund-sichtung105die verschiedenenQuantizierungsansatze bzw. konkret genanntenangenommenenSchadenhohen bereits existierender Expertenstudien f ur die Quantizierung der Schadenarten ver-wendet. Auchdiegenannten(witterungsbedingten) Parameter wurdenbei der SchatzungundErmittlung der Versicherungspramie im Rahmen der hier vorliegenden Studie ber ucksichtigt. Bei-spielsweisewurden, soweitstatistischvorhersagbar, dieWindrichtungund-geschwindigkeit, derNiederschlag sowie die freigesetzte Menge des radioaktiven Materials in die Berechnungen einbe-zogen. Details hinsichtlich der ber ucksichtigen Faktoren sind in Kapitel 4 systematisiert.GrundsatzlichwurdenindieserStudief urdieErmittlungderSchadenhoheundderenEintritts-wahrscheinlichkeitvorsichtigeAnnahmengetroen, dadieausdenvorliegendenStudieneinbe-zogenenWertewiebeispielsweiseder Risikokoezient zur Abschatzungder Anzahl der durchradioaktive Strahlung Geschadigten selbst Mittelwerte aus Ergebnissen epidemiologischer Studiendarstellen.3.2.3 Relevante Annahmen f ur die Berechnung der VersicherungspramieDer Versicherer nanziert durchdieEinnahmeder Haftpichtversicherungspramienvoneinemoder mehrerenversichertenRisikeninnerhalbdes Bestandes die erwartetenAuszahlungenf urEntschadigungsleistungeneinesindividuellennuklearenKatastrophenschadenfalls. Derzuversi-cherndeSchadeneineseinzelnenKKW-UnfallsimSinnedesnuklearenKatastrophenfallsergibtsich aus der Summe der auftretenden Teilschaden in den Umsystemen eines KKW. Zur ErmittlungderzuerwartetenSchadenkostenwurdendieErgebnissebereitserstellterUntersuchungen uberSchadenhohen106und Schadeneintrittswahrscheinlichkeiten107sowie Annahmen uber die Eintritts-wahrscheinlichkeit beeinussende Szenarien108verwendet.Risikopramie104WeitereAusf uhrungenzudenmeteorologischenParameternin[Strahlenschutzkommission2003],S.19.105EineListederLiteratur, die uberdiedesLiteraturverzeichnisseshinausgehtundbei denBetrachtungenmitber ucksichtigtwurde,ndetsichinAnhangC.106SiehehierzuKapitel4.107SiehehierzuKapitel5.1.108SiehehierzuKapitel5.2.34Die reine Risikopramie entspricht nach dem versicherungstechnischen Aquivalenzprinzip dem Aqui-valent des Schadenerwartungswerts eines nuklearen Katastrophenfalls f ur ein KKW.109Es werdensowohl die Schadenhohe als auch verschiedene Eintrittswahrscheinlichkeiten anhand dargestellterSzenarien110bestimmt.F urdieBerechnungderreinenRisikopramiewirddaherderErwartungswertderVerteilungdesGesamtrisikoseinesnuklearenKatastrophenfallsf ureinindividuellesKKWzugrundegelegt.DaallerdingsproKKWnurf urwenigeeinbezogeneTeilschadenspezischeWertevorliegen, unter-scheiden sich die Werte im Vergleich der 17 verschiedenen betrachteten KKW nur marginal. AufGrundlagederWahrscheinlichkeitsverteilungderSchadenhohender17KKWwurdeinKapitel6.2eineHochstschadenerwartung(Maximalschaden)einesinDeutschlandbendlichenKKWsi-muliert. Dazu wurden Methoden der Extremwertstatistik angewandt. Die ermittelte Schadenhohewird mit allen Schadeneintrittswahrscheinlichkeiten - auf Grundlage der Ergebnisse verschiedenerStudien (Kapitel 5.1) und Szenarien (Kapitel 5.2) - kombiniert. Erst zum Ende des Kalkulations-zeitraumes ist die vollstandige Schadensumme erreicht.Bei einer symmetrischen Schadenverteilung deckt die reine Risikopramie alsAquivalent des Scha-denerwartungswertsnur50ProzentderSchadenab;daherwirdindiezuzahlendePramievomVersicherer ein Sicherheitszuschlag einkalkuliert.Sicherheitszuschlag auf die RisikopramieDieserSicherheitszuschlagwirdauchdirektin 5Deckungsr uckstellungsverordnung(DeckRV)imRahmenderKalkulationeinerVersicherungspramiegefordert:Bei dernachversicherungs-mathematischen Methoden vorzunehmenden Ableitung von Rechnungsgrundlagen sind samtlicheUmstande, dieAnderungenundSchwankungenderausdenzugrundeliegendenStatistikenge-wonnenenDatenbewirkenkonnen, zuber ucksichtigenundnachversicherungsmathematischenGrundsatzen geeignet zu gewichten. Die Ableitung von Rechnungsgrundlagen auf der Basis einesbestenSchatzwertesgen ugtnicht. DieAbschatzungk unftigerVerhaltnissemusseinenachteiligeAbweichungderrelevantenFaktorenvondengetroenen, ausdenStatistikenabgeleitetenAn-nahmenbeinhalten.Diesgiltsowohlf urdiegrundsatzlichaufeineinzelnesRisikoabzustellendeBewertungalsauchsinngemaf urdieBewertungbei nichtindividualisierbarenRisiken, f urdiekeine ausreichenden Statistiken verf ugbar sind.111Bei einer symmetrischen Schadenverteilung im Sinne einer Normalverteilung entspricht bspw. einSicherheitszuschlag in Hohe der Streuungauf die Risikopramie einer Abdeckung von 68,3 Pro-zentderSchadenunterhalbdieserSchaden(Normal)verteilung.EinSicherheitszuschlagi.H.v.2109Vgl.[Farny2006],S.60.110SiehehierzuKapitel5.1115DeckRV.35bewirkt eine Abdeckung von 95,4 Prozent und i.H.v. 3 eine Abdeckung von 99,7 Prozent. Dieserzuletzt genannte Sicherheitszuschlag ist in der Sachversicherung ublich.DasRisikoeinesnuklearenKatastrophenfallskannabernichtdurcheineNormalverteilungbe-schriebenwerden.DaherentsprichtbeiVerwendun