Klausurthemen - LMU Münchenmady/lehre/einfuehrung_sprawi.pdf · Sprachen mit SVO- und...

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Einführung in die Germanistische Linguistik (Vorlesung) Frühjahrssemester 2005 Katalin Mády Klausurthemen ABKÜRZUNGEN GHS: Grewendorf, Günther, Hamm, Fritz & Sternefeld, Wolfgang (1993): Sprachliches Wissen: eine Einführung in moderne Theorien der grammatischen Beschreibung, 6. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Gross: Gross, Harro (1998): Einführung in die germanistische Linguistik, 3., überarb. und erw. Aufl. München: Iudicium. LNP: Linke, Angelika, Nussbaumer, Markus & Portmann, Paul P. (1996): Studienbuch Linguistik, 3., unver. Aufl. Tübingen: Niemeyer. Pelz: Pelz, Heidrun (1996): Linguistik: eine Einführung, 2. Aufl. Hamburg: Hoffman und Campe. 1. Definition Sprachwissenschaft. Unterdisziplinen. Angewandte Sprachwissenschaft. Gross: 8–17. 2. Sprachwissenschaft: historischer Überblick. Pelz 57–67, 169–172. 3. Phonetik und Phonologie. Gross 36–47. 4. Morphologie : Morpheme, Wortarten. Gross: 48–58. 5. Morphologie : Flexion, Derivation (Wortbildung). Gross: 59–72. 6. Syntax : Satzglieder, topologische Felder. LNP 78–84, GHS 213–216. 7. Syntax: Valenztheorie. Gross 91–98, Pelz 158–163. 8. Syntax: IC-Analyse, Phrasenstrukturbäume, Generative Grammatik. Gross 77–89, Pelz 150–158, 164–179. 9. Semantik. Gross 109–130. 10. Semiotik, Pragmatik. Gross 30, LNP 17–26, 30–36, Gross 156–162, LNP 195–200. 11. Textlinguistik, Diskursanalyse. Schriftliche vs. mündliche Sprachverwendung. Gross 131–148. 12. Sprachtypologie. Sprachen mit SVO- und SOV-Wortstellung. Sprachwandel. Gross 191–204. 13. Angewandte Sprachwissenschaft am Beispiel der Psycholinguistik. LNP 326–341.

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Einführung in die Germanistische Linguistik (Vorlesung) Frühjahrssemester 2005 Katalin Mády

Klausurthemen ABKÜRZUNGEN GHS: Grewendorf, Günther, Hamm, Fritz & Sternefeld, Wolfgang (1993): Sprachliches Wissen: eine

Einführung in moderne Theorien der grammatischen Beschreibung, 6. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Gross: Gross, Harro (1998): Einführung in die germanistische Linguistik, 3., überarb. und erw. Aufl. München: Iudicium.

LNP: Linke, Angelika, Nussbaumer, Markus & Portmann, Paul P. (1996): Studienbuch Linguistik, 3., unver. Aufl. Tübingen: Niemeyer.

Pelz: Pelz, Heidrun (1996): Linguistik: eine Einführung, 2. Aufl. Hamburg: Hoffman und Campe.

1. Definition Sprachwissenschaft. Unterdisziplinen. Angewandte Sprachwissenschaft.

Gross: 8–17.

2. Sprachwissenschaft: historischer Überblick. Pelz 57–67, 169–172.

3. Phonetik und Phonologie. Gross 36–47.

4. Morphologie : Morpheme, Wortarten. Gross: 48–58.

5. Morphologie : Flexion, Derivation (Wortbildung). Gross: 59–72.

6. Syntax : Satzglieder, topologische Felder. LNP 78–84, GHS 213–216.

7. Syntax: Valenztheorie. Gross 91–98, Pelz 158–163.

8. Syntax: IC-Analyse, Phrasenstrukturbäume, Generative Grammatik. Gross 77–89, Pelz 150–158, 164–179.

9. Semantik. Gross 109–130.

10. Semiotik, Pragmatik. Gross 30, LNP 17–26, 30–36, Gross 156–162, LNP 195–200.

11. Textlinguistik, Diskursanalyse. Schriftliche vs. mündliche Sprachverwendung. Gross 131–148.

12. Sprachtypologie. Sprachen mit SVO- und SOV-Wortstellung. Sprachwandel. Gross 191–204.

13. Angewandte Sprachwissenschaft am Beispiel der Psycholinguistik. LNP 326–341.

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1. Vorlesung Sprachwissenschaft: Ebenen und Definition Deutsch: Petra hat ihn gebeten, sie in Ruhe zu lassen. Ungarisch: Petra megkérte, hogy hagyja békén. Lautform: keinerlei Zusammenhang, nur bei Petra

Wortformen:

Deutsch: Vergangenheit durch Hilfsverb + Partizip Perfekt, zu + Infinitiv, Personalpronomina,

Präpositionen, zeitliche Hilfsverben.

Ungarisch: keine Personalpronomina, hagy + Imperativ. Suffixe.

Satzbau:

Dt. 9 Wörter vs. ung. 5. Information in Suffixen.

Stil: umgangssprachlich, äquivalent.

Definition Sprachwissenschaft

Der Gegenstand der Sprachwissenschaft ist die menschliche Sprache als

Kommunikationsmittel, ihr Ziel ist die objektive, d. h. nicht wertende Beschreibung und

Erklärung sprachlicher Phänomene im Rahmen eines linguistischen Systems.

Identität auf linguistischen Ebenen:

phonetisch: bál – Baal

phonologisch: Welle – vele

morphologisch: er machte – ő csinált

syntaktisch: ich sehe dich – látlak

semantisch: Mais – kukorica

pragmatisch: Hier zieht es.

Be kellene csukni az ablakot..

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Deutsch Ungarisch Englisch

in meinem Haus házamban in my house in mein Haus házamba into my house

Deutsch: Der Schneemann gibt der Schneekönigin einen Kuss. Einen Kuss gibt der Schneemann der Schneekönigin. Der Schneekönigin gibt der Schneemann einen Kuss. *Der Schneekönigin einen Kuss gibt der Schneemann. (Das Sternchen * bedeutet, dass ein Satz grammatikalisch falsch ist, d. h. in der jeweiligen Sprache nicht existiert.) Ungarisch A hóember csókot ad a Hókirálynőnek. Csókot ad a hóember a Hókirálynőnek. A hóember a Hókirálynőnek csókot ad. A Hókirálynőnek ad csókot a Hóember.[...] *Hóember csókot ad Hókirálynőnek a a. Englisch The snowman gives a kiss to the Snow Queen. *A kiss gives the snowman to the Snow Queen. Markierung der grammatischen Funktion (Kasus, Person usw.): Ungarisch immer, Deutsch meistens (aber nicht eindeutig: der – der in doppelter Funktion), Englisch selten. Wortfolge: Ungarisch weitgehend frei, Deutsch beschränkt variabel, Englisch extrem gebunden.

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2. Vorlesung Historischer Überblick: Junggrammatiker, Strukturalismus, Behaviorismus, Generative Grammatik

Junggrammatiker ~1870, Leipziger Schule, Positivismus Autonomie der Lautebene: Beobachtbarkeit des Materials, Historismus: diachrone Beschreibung. Vertreter in Deutschland: Hermann Paul, Eduard Sievers, Karl Verner Strukturalismus Begründer: Ferdinand de Saussure Schach-Metapher. Sprache als System in sich, keine äußeren Faktoren. Primat: gesprochene Sprache. Vorlesungen 1907–1911. Cours de linguistique générale (1916) Dichotomien : (Gegensatz + gegenseitige Bedingung des Gegenparts)

synchron–diachron deskriptiv–präskriptiv relevant–redundant syntagmatisch–paradigmatisch Bezeichneter–Bezeichnender langue–parole

langage: allgemeine Fähigkeit zur Sprachverwendung. langue: Nationalsprache, gruppeneigenes Zeichenvorrat. Wörterbuch, das von Sprecher und Hörer geteilt wird. System, wobei Kombination der Zeichen unwichtig. parole: konkreter Gebrauch des Zeichens, Äußerung + Akt des Äußerns. Zufällig, willkürlich, redundant. Zielsetzung: durch die Analyse des Wahrnehmbaren, der parole, Erkenntnisse über langue sammeln. Weitere Schulen: Prager Schule: Trubetzkoy, Bühler, 20-30-er Jahre Kopenhagener Schule: Hjelmslev (1933) Amerikanischer Strukturalismus (Deskriptivismus): Bloomfield (Language, 1933) Behaviorismus amerikanische Psychologie, Vertreter: Bloomfield - Menschliches Handeln: Wiederholen von bekannten Handlungen, Äußerungen.

Stimulus (Reiz) – Response (Reaktion) - Jack & Jill: S � R (Jill holt Apfel selbst), S � r .... s � R (akustisches Ereignis als

Ersatzreaktion bzw. -stimulus). - Spracherwerb: Nachahmen von bereits gehörten Äußerungen.

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Generative Transformationsgrammatik (GTG) Noam Chomsky (1957): Syntactic structures Spracherwerb: allmähliches Erlernen von Regeln, sehr schnell. Gehörlose Kinder schaffen gleiches Regelsystem. Mensch kann noch nie gehörte Äußerungen hervorbringen (= generieren). Wichtigster Aspekt: mentale Abbildung von Sprache, individuelle Sprachverwendung.

LAD Kompetenz–Performanz Tiefenstruktur–Oberflächenstruktur

Zielsetzung: Kompetenz über Performanzakten zu simulieren.

langue Kompetenz sozial individuell statisch dynamisch Syntax unwichtig Syntax: Kernfrage

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3. Vorlesung Phonetik & Phonologie

Phonetik Phonologie materiell funktionell konkret abstrakt sprachunabhängig sprachgebunden naturwissenschaftlich linguistisch Klammern: [r] /r/

Untersuchungsbereiche der Phonetik: 1. Artikulatorische Phonetik: Produktion

(Anatomie, Artikulationsorgane, Art und Stelle der Einzellautbildung) 2. Akustische Phonetik: Signal

(physikalische Eigenschaften der Schallwellen: Dauer, Frequenz, Intensität) 3. Auditive Phonetik: Perzeption

(Anatomie des Ohres, Verarbeitung des auditiven Eindrucks im Gehörgang und im Gehirn).

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Artikulatorische Organe

Quelle: Pelz S. 70

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Akustisches Signal des Wortes Rosi

[R] [o:] [z] [i:]

Time (s)0 0.844586

Time (s)0 0.844586

0

8000

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Vokalsystem Deutsch–Ungarisch

i y u� � �

e ø o

� œ �

a a� �

Die grau unterlegten Vokale kommen nur in einer der beiden Sprachen vor.

Konsonantensystem Deutsch–Ungarisch

Die grau unterlegten Konsonanten kommen nur in einer der beiden Sprachen vor. Quelle: Mády, Katalin (2001): Kontrastive Phonetik Deutsch–Ungarisch in Hinblick auf zu erwartende Interferenzphänomene. Linguistische Beiträge Pasmaniensis 1, 29–51.

labial dental post-alveolar

palatal velar uvular glottal

Plosive p b t d c � k g �Frikative f v s z � � � x � � hAffrikaten p�f t�s d�z t�� d��Nasale m n � �Vibranten r �Laterale lApproxi-manten

j

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Distinktive Merkmale [+/–] konsonantisch: Konsonant vs. Vokal

dauernd: Frikativ vs. Plosiv

anterior: labial + alveolar vs. palatal, velar, uvular, glottal

vorn: parallel zu Vokalen (bis palatal – ab velar)

nasal: Nasale gegenüber anderen Konsonanten

lateral: Laterale gegenüber anderen Konsonanten

stimmhaft: Stimmhaft–stimmlos-Unterscheidung

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4. Vorlesung Morphologie: Begriffe, Wortarten Morphem: kleinste bedeutungstragende Einheit (Definition: amerikanische Strukturalisten). Systemisch, abstrakt. Methodik parallel zur Phonologie: Segmentierung + Minimalpaarbildung � Klassifizierung Einteilung nach Bedeutung: lexikalische vs. grammatische Morpheme lexikalisch: offene Klasse (Inhaltswörter) grammatikalisch: geschlossene Klasse (Funktionswörter) Einteilung nach Form: freie vs. gebundene Morpheme

frei gebunden

lexikalisch

Normalfall

Ausnahmefall

grammatikalisch

Ausnahmefall

Normalfall

10-Wortarten-System (verbreitet bis Mitte des 20. Jh.) 1. Verb 2. Substantiv/Nomen 3. Adjektiv 4. Artikel 5. Pronomen 6. Adverb 7. Konjunktion 8. Präposition 9. Numerale 10. Interjektion unterschiedliche Aspekte: • semantisch: Substantiv, Numerale • syntaktisch: Konjunktion, Präposition, Adverb • textuell: Pronomen • pragmatisch: Interjektion aber: Million – Substantiv, doppelt – Adjektiv inkonsequente Zuteilung Abbildungen Gross S. 55, LNP S. 76

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5. Vorlesung Morphologie: Flexion, Wortbildung freie Morpheme + gebundene Morpheme sind kombinierbar gebundene Morpheme brauchen ein freies Morphem frei + frei: Haustür, schalldicht frei + geb.: Türen, Dichter mehrfach kombiniert: Versicherungsvertreter

grammatische Morpheme (wenn gebunden: Affixe): (1) nach Position: • Präfix (missachten, unwohl)• Suffix (Wahrheit, kleiner)• Infix (reinigen, Rücksichtslosigkeit)• Zirkumfix (diskontinuierlich) (gebucht)• Nullmorphem (zu ermitteln über Paradigmen) (Tracht + 0 für Singular) (2) nach Funktion: • Flexion (grammatisch) • Derivation (semantisch) Flexion: Formale Abänderung (Beugung) der Wörter zum Ausdruck grammatischer Kategorien.

Deklination: Substantive, Adjektive, Artikel und Pronomen Anzahl Ausprägungen Genus/Genera 3 Maskulinum, Femininum, Neutrum Kasus/Kasus 4 Nominativ, Akkusativ, Genitiv, Dativ Numerus/Numeri 2 Singular, Plural

des Mannes (Maskulinum, Genitiv, Singular) den Leitern (Maskulinum, Dativ, Plural oder Femininum, Dativ, Plural) den Hof (Maskulinum, Akkusativ, Singular) lexikalisches Wissen nötig + Polyfunktionalität von Morphemen! Konjugation: Verben Anzahl Ausprägungen Person/Personen 3 1., 2., 3. Person Numerus/Numeri 2 Singular, Plural Tempus/Tempora 6 Präsens, Präteritum, Perfekt, Plusquamperfekt,

Futur I, Futur II Modus/Modi 3 Indikativ, Konjunktiv, Imperativ Genus verbi/Genera 2 Aktiv, Passiv

Inhalt: • unabgeschlossen: Präsens, Präteritum, Futur I • abgeschlossen: Perfekt, Plusquamperfekt, Futur II

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Tabelle Gross S. 60

Unterschied Präteritum – Perfekt: • zeitlich: Abgeschlossenheit: Ich habe einen Kuchen mitgenommen vs. Ich nahm einen

Kuchen mit.• stilistisch: mündlich vs. schriftlich, Präteritum wird allmählich verdrängt • dialektal: süddeutsch fast nur Perfekt

Konjunktiv Gebrauch uneinheitlich. Tabelle Gross S. 62

Bestrebungen: nach Distinktivität (Konj. II statt I) nach Ökonomie (Konj. II statt I) Gleichzeitigkeit: Zeichen für schwankenden Gebrauch. Konditional: irreal Majdnem elkésett vs. Beinahe wäre er zu spät gekommen. Azt hittem, már elmentél vs. Ich dachte, du wärest schon weg.

Passiv keine einheitliche Bedeutung, eher formale Kategorie Es wurde viel getanzt vs. Die Tür lässt sich nicht öffnen. Agens: Peter schickt Maria einen Brief. Patiens: Der Brief wird Maria von Peter zugeschickt. Benefaktiv: Maria bekommt einen Brief von Peter.

Funktionen von Passiv: • Nichtnennung vom Agens (Täterabgewandtheit), • Betonung vom Patiens (Das ist noch zu erledigen), • Verschweigen des Täters, • Nicht-Wissen des Täters.

Komparation: Adjektive + manche Adverbien, drei Stufen • Positiv • Komparativ • Superlativ

Wortbildung: Derivation (Ableitung) Lexem + Derivationsmorphem (+ Flexionsmorphem) Veränderung: (1) inhaltlich (Tisch – Tischler)

(2) Wortart (versichern – Versicherung)

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• Konversion (innere/implizite Wortbildung) • Verkürzung (Bus) • Zusammensetzung (mehr als ein Lexem): parataktisch, hypotaktisch • Zusammenrückung (Nimmersatt, Vergissmeinnicht) Motivation für Neubildungen: Tabelle Gross S. 68

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6. Vorlesung Syntax: Satzdefinition, Satzglieder, Topologische Felder Satz: intuitive Vorstellung in jedem Sprecher �� keine allgemein akzeptierte Definition in Linguistik • Sie hat den ganzen Tag im Bett gelegen. • *Im Bett hat den ganzen Tag gelegen sie. – morphologische Struktur richtig • *n der Bett habt sie den ganzen Tag gelegt. – morphologisch falsch, von der Wortfolge

her richtig. Voraussetzungen für einen wohlgeformten Satz:

• syntaktische Wörter (grammatikalische Morpheme) • Folge der Wortgruppen • minimale Anzahl von Wörtern muss gegeben sein

Sätze:

• einfach • komplex/zusammengesetzt, Parataxe vs. Hypotaxe

Syntax: die Lehre von der Kombination von Wörtern zu Sätzen. zahlreiche Theorien, exemplarisch

1. Satzgliedlehre 2. Topologische Felder 3. Dependenz-/Valenzgrammatik 4. IC-Analyse (amerikanische Strukturalismus, Generative Grammatik)

Traditionelle Satzgliedlehre:

• Subjekt • Prädikat (Verb oder Kopula + Prädikativ/Prädikatsnomen) • Objekt (Akk., Gen., Dat., Präpositionalobjekt) • Adverbial (Ort, Zeit, Art und Weise, Grund) • Attribut

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Probleme: • keine Definition von Satzglied • keine einheitliche Klassifikation • Attribute: keine eigenen Satzglieder, nur Teile davon • Objekte: nach Form (Morphologie), Adverbiale: nach Semantik • divergierende Bezeichnungen für formal identische Wortgruppen: Ich denke an dich

(Objekt) vs. Ich hänge das Bild an die Wand (Aderbialbestimmung) Er ist schön (Teil des Prädikats) vs. Er singt schön (eigenständiges Satzglied)

Feststellung des Satzgliedcharakters (Glinz):

• Topikalisierbarkeit • Verschiebeprobe/Umstellprobe • Ersatzprobe/Pronominalisierbarkeit

Struktur:

• Einzelwort • Wortgruppe • Teilsatz

Satzglieder vs. Wortarten kein Zusammenhang! Wortarten: kategoriale Größen, alle Elemente der Klasse teilen eine bestimmte Eigenschaft. Aufzählen möglich. Satzglieder: relationale Größen. Separates Aufzählen nicht möglich. Funktion wird erst innerhalb des Satzes zugeteilt. Vergleich: Wortart: Grieche, Frau, 45 Jahre alt vs. Satzglied: Kunde, Ausländerin, jung. Topologisches Modell gut geeignet, um deutsche Satzstruktur zu beschreiben. Klammerstruktur (finites + nicht finites Verb) Verteilung der Satzglieder um linke + rechte Klammer in Hauptsätzen: Verbzweitstellung

Vorfeld linke Klammer Mittelfeld rechte Klammer

Nachfeld

Peter trinkt Bier Peter hat Bier getrunken Peter möchte Bier trinken gehen mit uns. Viel zu viel Bier hat Peter gestern getrunken, nicht wahr?

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Aufforderungen, Entscheidungsfragen, Erzählform: Verberststellung

Vorfeld linke Klammer Mittelfeld rechte Klammer

Nachfeld

Trinkt Peter sein Bier aus? Hat Peter Bier getrunken? Trink ein Bier mit uns! Hat doch Peter

gestern wie blöd gesoffen, nicht wahr?

Vorfeld leer! Nebensätze: Verbletztstellung

Vorfeld linke Klammer Mittelfeld rechte Klammer

Nachfeld

Ob Peter Bier trinkt? , dass Peter Bier getrunken hat. , weil Peter Bier trinken gehen

möchte mit uns.

Wer wohl das alles ausgetrunken hat?

Allgemein: • Vorfeld: nur 1 Element • linke Klammer: finites Verb oder Konjunktion • Mittelfeld: unbegrenzt • rechte Klammer: Infinitiv, Partizip, trennbares Präfix, Verbalphrase • Nachfeld: typisch für mündliche Sprache • Finites Verb darf nur in linker oder rechter Klammer stehen.

Tabelle GHS S. 215.

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7. Vorlesung Syntax: Dependenzgrammatik, Valenztheorie Ansatz: Wichtigster Teil des Satzes: Verb. Dependenz: Abhängigkeit vom Verb. Lucien Tesnière (1959), Helbig, Engel Vergleich: Schlüsselbund Peter spielt Flöte auf der Terasse. Dependenzgrammatik Abhängigkeit der einzelnen Satzteile vom Verb unterschiedlich stark: manche Satzglieder weglassbar, andere nicht.

• Verb: Vorgang/Prozess • Aktanten: „Lebewesen oder Dinge, die in irgendeiner Weise (wenn auch passiv) am

Prozess beteiligt sind.“ Morphologisch: Substantive/Pronomina • Umstandsangaben (Zirkumstanten): Adverbien/adverbiale Ausdrücke • Indizes: abhängig von Aktanten und Zirkumstanten (nicht direkt dem Verb

unterordnet): Artikel (zu substantivischen Aktanten), adjektivische Pronomina (Possessiv, Demonstrativ + Adjektive

nach Vorkommen/Wichtigkeit Nominativaktant (= Subjekt): Erstaktant Akkusativaktant = Zweitaktant Dativaktant = Drittaktant Genitiv = Viertaktant

Valenztheorie Anzahl der Aktanten hängt vom Verb ab. Maximale Anzahl = Valenz (‚vegyérték’) VP = Satz in der Valenzgrammatik Analogie Sauerstoffatom – Anzahl von Aktanten 0-wertig: regnen, tauen (kein Subjekt, es nicht austauschbar) Es regnet. 1-wertig: schlafen, blühen Stefan schläft. 2-wertig: spielen, lesen Die Mädchen spielen Fußball.3-wertig: geben, erzählen Die Großmutter erzählt dem bösen Wolf eine Geschichte.4-wertig: bringen, kaufen Rotkäppchen bringt ihrer Großmutter einen vollgefüllten Korb in den Wald.

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Für einen grammatisch richtigen Satz sind nur obligatorische Ergänzungen wichtig, fakultative nicht: Die Mädchen spielen � spielen: 1 + (1) = 2 Die Großmutter erzählt eine Geschichte � erzählen: 2 + (1) = 3 Rotkäppchen bringt ihrer Großmutter einen vollgefüllten Korb � bringen: 3 + (1) = 4 Möglich sind zahlreiche freie Angaben (Umstandsangaben) – wenig Zusammenhang mit dem Verb Unterscheidung zwischen fakultativen Ergänzungen – freien Angaben: semantisch, nicht grammatisch.

Abbildungen Gross S.92, 93

Translation: nominaler Ausdruck ergänzt um Translative (= Präpositionen) Abbildung Gross: 92

Valenzwörterbücher Angaben zu obligatorischen und fakultativen Ergänzungen im Valenzwörterbuch: schreiben(D)(A) bringen(D)A anklagen(G)A fressenN–hum(A)

morphologische + semantische Angaben zu Ergänzungen

1. Anzahl obligatorischer + fakultativer Ergänzungen 2. Art der Ergänzungen (Wortart, Form) 3. semantische Merkmale

zuhören: 1 + (1) = 2 Sn, (Sd) Sn � Hum (Die Kinder hören zu, *Das Radio hört zu.)Sd � 1. Hum (Sie hören den Eltern zu, *Sie hören dem Radio zu.)

2. Act (Sie hören dem Plätschern des Wassers zu, *Sie hören dem Wasser zu.)

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8. Vorlesung Syntax: Konstituentengrammatik, Generative Grammatik

Taxonomischer Strukturalismus (= Distributionalismus, Zweig des Amerikanischen Strukturalismus). Bekanntester Vertreter: Zelig Harris Methoden: • Systematisierung: Segmentierung und Klassifizierung von Elementen (Phonemen,

syntaktischen Einheiten) • Proben: Weglass-, Umstell- und Ersatzprobe • Untersuchung der Distribution von Elementen • graphische Darstellung von Strukturen durch Bäume Zielsetzungen: • Struktur von Sätzen beschreiben • Regeln für grammatisch richtige Sätze finden Unterschied zu Prager Strukturalismus: dort kein Interesse an • Syntax • Regeln (beides zufällig) Bestandteile eines Satzes: Konstituenten (egal wie groß!!). Konstituenzbaum: Struktur des Satzes. Der Professor hält einen Vortrag – Er doziert. (S � NP – VP) Durch Proben allgemeine Regeln: jeder Satz besteht aus NP + VP (Kernsatz) • Ersatzprobe (Erweiterung der Phrasen): • Der Professor mit Bart hält einen langweiligen Vortrag. • NP, PP, VP: Bezeichnung wird durch Kopf bestimmt. Vererbungslinie zum Knoten. • Immediate Constituent (unmittelbare Konstituente) � IC-Baum, PS-Baum • binäre Verzweigungen (wie bei distinktiven Merkmalen) Konstituentenbezeichnungen (P: Phrase = höhere Ebene) S Satz NP Nominalphrase VP Verbalphrase N Nomen DET Determinator (Determiner, Artikel) V Verb ADJ Adjektiv PP Präpositionalphrase PREP Präposition PRON Pronomen AP Adverbialphrase ADV Adverb ((((Ein)DET (Mann)N)NP ((mit)PREP ((blauem)ADJ (Bart)N)NP)PP)NP ((hat)Va ((ihr)PRON (((seine)DET (((ewig)ADV (haltende)ADJ)AP (Liebe)N)NP)NP (versprochen)V)VP)VP.)VP)S

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Transformationen Abstraktion aus PS-Strukturen: Die meisten Sätze lassen sich aus Kernsätzen (NP–VP) durch Transformationen ableiten. reversibel (nach Harris insgesamt 6) Passiv-T: Sie putzt das Geschirr – Das Geschirr wird von ihr geputzt. Nominalisierungs-T: Wir klären den Fall – Die Klärung des Falles durch uns. irreversibel (nach Harris insgesamt 3) Pronominalisierungs-T Das Ei ist rot – Es ist rot. Generative Grammatik (GG) ursprünglich: Generative Transformationsgrammatik (GTG) Noam Chomsky (Schüler von Harris) Grundwerke: Syntactic structures (1957), Aspects of the theory of syntax (1965). Zielsetzung statt statischer Beschreibung von Distributionen: Prozess der Erzeugung von Sätzen beschreiben � Regeln der Satzgenerierung Arbeitsmethode: Mittel der formalen Logik und Mathematik, weitgehende Abstraktion Erstellung von Ersetzungsregeln durch Transformationen

S � NP + VP NP � DET + NVP � V + NP Endsymbole werden mittels Lexikonregeln durch Lexeme gefüllt: Die Frau malt ein Bild. Der Briefträger bringt die Post. Der Hund beißt den Briefträger. Probleme mit konkreten Äußerungen:

• Ambiguität (lustige Hasen und Kinder) • Diskontinuität (Ich hole dich ab) • Synonymie (der Mann mit blauem Bart – der blaubärtige Mann) • unvollständig (Philipp ging nach Hause. Christiane auch.)

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Generative Grammatik als Sprachtheorie angeborene Spracherwerbsfähigkeit (Language Acquisition Device, LAD) (a) Kinder erwerben Sprache schneller als andere Fähigkeiten (Rechnen, Zeichnen). (b) Sie verwenden regelmäßige, aber fehlerhafte Ausdrücke (bringte), die sie vorher nicht

gehört haben. Erklärung: Universalgrammatik (UG) Abstrahierte Tiefenstruktur ist für alle Sprachen gleich. Regeln der UG werden für jede Sprache parametrisiert und nach der Geburt erworben. Kompetenz: Tiefenstruktur Performanz: Oberflächenstruktur Kompetenz

• dynamisch (generiert Regeln) • individuell (bezieht sich auf Einzelpersonen) • idealisiert (sieht keine Fehler vor)

Weiterentwicklung der GG: REST (Revidierte Erweiterte Standardtheorie) Government and Binding (1981) 1. Unterscheidung zwischen Syntax und Semantik: Ein Bild malt die Frau: syntaktisch richtig, semantisch falsch (in ST: Satz ist falsch). Argumentation: semantische Richtigkeit ist an Weltwissen, nicht an grammatisches Wissen gekoppelt. Im 19. Jh. wäre Die Frau fliegt nach London auch falsch gewesen. ungrammatisch – sinnlos – unakzeptabel 2. Weitere Abstraktionen: Wegfall von Transformationen, nur noch Alpha-Bewegungen Bewegung von Konstituenten im Satz erlaubt im Deutschen sinnvoll wegen Diskontinuität von V und Va

Grundform: Nebensatz Er hat ihr seine Liebe versprochen weil er ihr seine Liebe versprochen hat C für Konjunktion, IP für Inflectional Phrase - flektiertes und nicht flektiertes Verb X-Bar-Schema Theoretische Struktur jeder Phrase ist gleich: XP � SPEC + X’ X’ � X + Ergänzung

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9. Vorlesung Semantik, Lexikologie, Lexikographie. Semantik: Bedeutungslehre. Begriff seit 1897. Kernbereich von Sprache: Bedeutung zu vermitteln. Probleme: • Schwierigkeit, Metasprache zu schaffen + ohne Wörter über Bedeutung zu sprechen. • Bedeutung: immateriell � Strukturalismus • In Behaviorismusund GG: Semantik nur marginal. Grenzbereiche:

• Psychologie • Philosophie • Logik

Erklärung einer Bedeutung: Paraphrase (Umschreibung). Ziel: universelles semantisches Vokabular (z. B. GG) Bedeutung – Referenz: Familie: Bedeutung: aus einem Elternpaar u. mindestens einem Kind bestehende Gemeinschaft

Referenzen unterschiedlich: • Meine Familie besteht aus fünf Personen. (eine konkrete Familie) • Wenn ich groß bin, hätte ich gern eine große Familie. (eine noch nicht existierende,

gewünschte Familie) • Die Familie bildet die Grundlage für die Gesellschaft. (Menge der Familien) Frege: Sinn: aktuell, konkret, mit Referenz auf ein Objekt Bedeutung: allgemein, potentiell, lexikalisch Arten der Bedeutung: 1. denonativ (Hauptbedeutung: sachlich)

Hase: ‚Nagetier mit großen Ohren’ Duden: ‚wild lebendes Nagetier mit langen Ohren, einem dichten, weichen, bräunlichen Fell u. langen Hinterbeinen’

2. konnotativ a) affektiv (emotional, subjektiv) ’niedlich, bringt Geschenke zu Ostern’

b) stilistisch (situativ) neutral, aber: alter Hase: umgangssprachlich

3. kollokativ (kontextabhängig) furchtsam wie ein Hase: feste Wendungen, kein Austausch möglich!

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Bedeutungswandel: Beispiele Gross S. 111

• Erweiterung • Verengung • Verbesserung • Verschlechterung

spiegelt soziale Veränderungen wieder (PC: Zigeuner � Roma, Neger � Schwarze � Afro-Amerikaner)

Sinnrelationen:

− Hyponymie – Hyperonymie: einseitige Ersetzbarkeit (weiß – Farbe)− Homonymie (der Leiter – die Leiter, Homophonie: Seite/Saite, Homographie: Tenor)− Polysemie (die meisten Wörter!) − Synonymie: gleiche Referenz, stilistische/konnotative Unterschiede (Apfelsine – Orange,

Erdkunde – Geographie)− Antonymie:

a) kontradiktorisch: sich ausschließende Begriffe (lebendig – tot b) konträr: mit Skala, graduell (lang – kurz), meist eins unmarkiert (kalt – warm, jung – alt)c) konvers: relational, kein echter Gegensatz (Eltern – Kinder)

Wortfelder (Weisgerber): Definition: Ein Wortfeld ist die gegliederte Menge sinnverwandter, d. h. inhaltlich zusammengehöriger Wörter. Weiterentwicklung: Komponentenanalyse – semantische Merkmale Opposition in Bedeutung durch Gegenüberstellungen

Quelle: LNP S 147

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Prototypensemantik Denken um Prototypen (typische Vertreter von Kategorien/Hyperonymen) herum organisiert. Kinderzeichnungen (Haus) aber: Wichtigste Merkmale nicht eindeutig! Vogel: ‚zweibeiniges Wirbeltier mit einem Schnabel, zwei Flügeln und einem mit Federn bedeckten Körper, das im Allgemeinen fliegen kann’

Quelle: LNP S. 158

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Lexikographie Lexik: Wortschatz einer Sprache � Lexikon (jedes Wörterbuch wird so bezeichnet!). Lexikologie: systematische Beschreibung der Lexik (nah verwandt mit Semantik, praktisch ausgerichtet) Einträge: Lexeme (eigener Eintrag) Wortbildungen (eigener Eintrag, evtl. kein eigener Absatz) idiomatische Wendungen (innerhalb der Einträge) Struktur onomasiologisch Bedeutung, dazu entsprechende Begriffe

Quelle: Wehrle & Eggers (1968): Deutscher Wortschatz. Stuttgart: Fischer, S. 17.

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semasiologisch Duden Universalwörterbuch • grammatische Angaben (morphologisch, evtl. auch phonologisch, Betonung,

Aussprache) • denotative Bedeutung • konnotative Bedeutung (meist stilistisch) • kollokative Verwendung Vo|gel, der; -s, Vögel [mhd. vogel, ahd. fogal, viell. zu fliegen]: 1. zweibeiniges Wirbeltier mit einem Schnabel, zwei Flügeln und einem mit Federn bedeckten Körper, das im Allgemeinen fliegen kann: der V. fliegt, flattert, hüpft, singt, zwitschert, wird flügge, nistet, brütet, mausert sich; die Vögel ziehen nach dem Süden; einen V. fangen; Vögel füttern; der V. (ugs. scherzh.; die Gans, Ente o. Ä.) brutzelt schon im Ofen; R friss, V., oder stirb! (ugs.; es bleibt keine andere Wahl; damit ein Vogel zahm wurde, erhielt er nur eine Art Futter); der V. ist ausgeflogen (ugs.; 1. jmd., den man sucht od. besuchen will, ist nicht anzutreffen. 2.jmd. hat sich davongemacht); *[mit etw.] den V. abschießen (ugs.; alles, was sonst noch von andern geboten, vorgewiesen wird, übertreffen; mit Bezug auf das Vogelschießen); einen V. haben (salopp; nicht recht bei Verstand sein; seltsame Ideen haben; zu älter Vogel = fixe Idee); jmdm. den/einen V. zeigen

Wörterbucharten: • Aussprachewörterbuch (Phonetik/Phonologie)

• Rechtschreibwörterbuch (Graphematik, Rechtschreibung)

• Valenzwörterbuch (Syntax)

• Bildwörterbuch, Synonymwörterbuch, Stilwörterbuch, Universalwörterbuch, etymologisches Wörterbuch, Fremdwörterbuch (Semantik)

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10. Vorlesung

Semiotik, Pragmatik Semiotik Wissenschaft von Zeichen Vertreter: Umberto Eco Zeichen:

• Pfeifen im Sportunterricht • Fieber • Verkehrsschilder • Peter

Gemeinsamkeit: sie repräsentieren mehr als sich selbst � Bezeichnetes Stellvertreter-Funktion (Aristoteles): aliquid stat pro aliquo (etwas steht für etwas anderes) Typologisierung von Zeichen (Peirce) Verhältnis zwischen dem Zeichenkörper und dem Bezeichneten beruht auf

• Index: Kausalität (Rauch � Feuer, warme Stirn � Fieber, Krankheit) • Ikon: Ähnlichkeit (Piktogramme: Fahrradweg, Wartesaal, Onomatopoetika) • Symbol: Willkür, Konvention (Halteverbot, die meisten Wörter)

Rolle der

• Indizes: Interpretation von Naturereignissen (Physik, Biologie, Medizin) • Ikone: Kunst, internationale Kommunikation, Entwicklung der Schriftsysteme

Abbildung LNP S. 22 • Symbole: menschliche Sprache, formale Sprachen (Mathematik)

Grenzbereiche: Onomatopoetika (dt. kikeriki, ung. kukurikú, eng. cock-a-doodle-doo, frz. cocorico): Ursprung teilweise erkennbar Zeichen in menschlicher Kommunikation:

• verbal (Wörter) • paraverbal (Intonation, Stimme, Sprechtempo) • nonverbal (Gesten, Körperhaltung, Blickkontakt)

Zeichen nach de Saussure Lautfolge mit Bedeutung: • physikalische Form = Ausdruck, Bezeichnendes, signifiant + • abstrakte Bedeutung = Inhalt, Bezeichnetes, signifié Referenzobjekt ist im Zeichenmodell nicht enthalten

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sprachliches Zeichen: • arbiträr • konventionell • assoziativ

Beziehung von Zeichen zueinander entscheidend, keine eigene Bedeutung Organonmodell von Bühler Abbildung Gross S. 30

sprachliches Zeichen hat drei Seiten: • Symbol (Darstellung) • Signal (Appell) • Symptom (Ausdruck)

eine einzige Äußerung kann alle drei Funktionen ausüben (Es ist kalt hier im Zimmer.)

Pragmatik 1. Sprechakttheorie 2. Textlinguistik 3. Gesprächsanalyse 4. Sprache als soziales Kommunikationsmittel Sprechakttheorie Austin - Sprachphilosoph (‘How to do things with words’ 1962) später: Searle Äußerung = Handlung Der Januar ist in Ungarn meistens sehr kalt. vs. Der Vater befahl Peter, endlich seine Hausaufgaben zu machen. konstative vs. performative Äußerungen aber

1. äußerlich konstative Äußerungen können in manchen Situationen auch performativ sein (wie obiger Satz, s. auch Bühler)

2. performativer Inhalt wird nicht immer ausgedrückt (Du machst jetzt deine Hausaufgaben.)

Begriffe wurden von Austin später zurückgenommen.

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Teilakte 1. lokutionärer Akt (Äußerungsakt)

a. phonetisch (Äußerung von Lauten) b. phatisch (Wörter + Sätze) c. rhetisch (Bedeutungen)

2. illokutionärer Akt (Sprechhandlungsakt) 3. perlokutionärer Akt (Ergebnis des illokutionären Akts) performative Verben

• illokutionär: versprechen, taufen, warnen, befehlen • perlokutionär: überreden, überzeugen

Konversationsmaximen Interpretation von Sprecherintention meist unproblematisch – wieso? Grice (1968, 1975) konversationelle Implikatur: Konversation = Handeln, Kooperation, Interaktion Voraussetzung für Gelingen: Teilnehmer müssen gemeinsame Interessen verfolgen – Bemühen um Verstehen und verstanden werden

Kooperationsprinzip: Sei kooperativ! Maxime der Quantität: Sag so viel wie nötig, und sag nicht zu viel. Maxime der Qualität: Sag nichts, was du nicht für wahr hältst, oder dann signalisiere,

welchen Grad der Wahrscheinlichkeit das Gesagte hat. Maxime der Relation: Sei relevant. Maxime der Modalität: Sag deine Sache in angemessener Art und Weise und so klar

wie nötig. Beispiele für Verstöße und richtige Interpretation: Quantität: unvollständige Antwort (Interpretation: Befragter kennt die Antwort nicht) Qualität: Ironie Relation: unerwarteter Themenwechsel mit verborgener Absicht Modalität: unerwarteter Stilwechsel, um etwas zu signalisieren

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11. Vorlesung Textlinguistik, Diskursanalyse

Strukturalismus, GG: größte Einheit der langue/der Kompetenz: Satz. Aber: Mathesius (Prager Schule): erste Ansätze zur Textlinguistik. Textlinguistik Forschungsgegenstand: Texteinheiten aus meist mehreren Sätzen.

• Satzgefüge: eingebettet in Situation und Kontext • syntaktisch und semantisch verbunden.

Textlinguistik:

• Sprachwissenschaftliche Disziplin. • Gegenstand: satzübergreifende sprachliche Regularitäten. • Ziel: konstitutive Merkmale von Text zu bestimmen –> allgemeine Texttheorie. • Verbindung zur Literaturwissenschaft (Stilistik, Textsorten). • Erweiterte Satzgrammatik: Textgrammatik. • Methoden der Satzanalyse in Textlinguistik: transphrastische (= über Phrasen

hinausgehende) Analyse. Text: sprachliche Äußerungsform einer kommunikativen (schriftlichen oder mündlichen) Handlung. Bestimmung über

1. textexterne Kriterien (kommunikative Intention, Situation/Kontext, Hörererwartung).

2. textinterne Kriterien (Grenzsignale, Kohäsion, Textthema, Kohärenz). Zusammenspiel von morphologischen, syntaktischen, semantischen und pragmatischen Faktoren. Pragmatische Interpretation muss vorausgehen. Kohärenz: inhaltlich-semantischer Zusammenhang eines Textes. Kohäsion: durch formale Mittel der Grammatik hergestellter Textzusammenhang. Mittel:

• Wiederaufnahme (Rekurrenz, Paraphrase, Proformen) • Textverdichtung (Ellipse, Proformen) • morphologische & syntaktische Mittel (Konnexion, Tempus, Aspekt, Deixis, Thema-

Rhema-Gliederung)

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Schriftlich: Als der Dichter Freiligrath sich verlobte, verschickte er Verlobungskarten. An einen seiner Freunde schrieb er dazu: „Die beiliegende Karte ist das Neueste, was ich habe drucken lassen, und ich meine – das Beste!” Mündlich: „Guten Tag!” „Guten Tag, Frau Yang!” „Haben Sie heute Unterricht?” „Nein, und Sie?” „Hahaha, ich auch nicht. Auf Wiedersehen.” „Tschüss. Guten Appetit.” Stilistische Angaben, Formeln hängen von Textsorte ab. Wiederaufnahmen (von bereits genannten Elementen): der Dichter Freiligrath er, seiner, ich Verlobungskarten dazu, die beiliegende Karte Frau Yang Sie, ich Rekurrenz: die Karte Paraphrase: die beiliegende Karte Proform: dazu, er, ich Ellipsen: Nein (, ich habe auch keinen Unterricht). Und (haben) Sie (Unterricht)? Ich (habe) auch nicht (= keinen Unterricht).

Rekurrenz: Wiederkehren von bestimmen Ausdrücken, in gleicher oder ähnlicher Form. Peter schreibt gerade einen Brief. Das Schreiben fällt ihm schwer. Proform: Substitution durch Pronomen oder andere vereinfachende Ausdrücke. (1) Die Mutter (2) trägt (3) ihren Sohn (4) in diesem Augenblick (5) auf den Dachboden.(1) Sie (2) schafft (3) ihn (4) gerade (5) rauf.

Paraphrase: Umschreiben durch einen anderen Ausdruck. Gestern ist ein Mädchen aus Castrop-Rauxel in den Badesee gefallen. Das Kind konnte zum Glück gerettet werden. Ellipse: Weglassen redundanter Satzteile. Peter isst gern Zwetschgenknödel. Paul auch.

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Konnexion: inhaltliche Verbindung zwischen Sätzen oder Teilsätzen (kausal, temporal usw.) Die Abiturienten lasen die Fragen. Danach fingen sie zu schreiben an. Nachdem die Abiturienten die Fragen gelesen hatten, fingen sie zu schreiben an. Bevor die Abiturienten zu schreiben anfingen, lasen sie die Fragen. Die Abiturienten lasen die Fragen. Sie fingen zu schreiben an. (impliziter Zusammenhang)

Deixis: Zeigen auf etwas. (Person, Raum, Zeit.) Ich bin jetzt hier. Verweisformen (deiktische Formen): Anapher: nach hinten (Eine Schönheit, ← die ihresgleichen nicht kennt.) Katapher: nach vorn (Diejenigen → die heute da sind) Referenz: (situativ) eindeutiger Bezug, keine Abhängigkeit vom Sprecher und Hörer Artikel: Einleiten meist durch unbestimmten Artikel. Ausnahme: stilistische Zwecke. Anapher meist durch bestimmten Artikel, Katapher: beides. Kein Artikel: Stoffnamen, Abstrakta, Eigennamen. Tabelle Gross S. 137

Thema-Rhema-Gliederung Textstruktur: bereits Bekanntes (Thema) verbunden mit neuer Information (Rhema). Prager Schule: Thema: worüber etwas ausgesagt wird. Rhema: das, was darüber ausgesagt wird. Genaue Festlegung schwierig! Zum Abendessen gab es heute Abend Paprikahuhn. Neue Information? Aus vorausgehender oder nachfolgender Äußerung evtl. klar: davor: Was gab es bei euch heute Abend? danach: Dabei mag keiner von den Kindern Paprika.

aber: Am Tisch wurde wild herumdiskutiert. – Zusammenhang unklar Halliday: given vs. new: Thema: given: durch den Kontext gegeben oder allgemein bekannt Rhema: new: bildet den Kern der aktuellen Aussage.

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Thema-Rhema-Ketten 1. einfache lineare Progression Rotkäppchen ging in den Wald. Dort traf sie den bösen Wolf. Er sprach sie an. 2. Progression mit durchlaufendem Thema Rotkäppchen ging in den Wald. Sie hatte einen Korb bei sich. Sie brachte nämlich Essen für ihre Großmutter. 3. Progression mit Subthemen eines Hyperthemas Rotkäppchens Großmutter lebt im Wald. Bei ihr muss immer alles sehr ordentlich sein. Es stört sie, wenn zu viel Schmutz in der Wohnung ist. 4. Rhemen durch Spaltung eines Themas Im Wald befinden sich gerade zwei Menschen. Rotkäppchen bewegt sich auf das Haus ihrer Oma zu. Die Oma wiederum wartet auf ihre Enkelin (und das Essen). 5. Progression mit thematischem Sprung Rotkäppchen ging in den Wald. Sie erschrak vor dem Wolf. Ähnlichkeiten: 2–3, 3–4, 1–5 Sinn der Textlinguistik: Informationszusammenhänge aufdecken. gesprochene vs. geschriebene Texte

Sprechen Schreiben

Kommunikations-kette

ungestört abgebrochen

Rückkopplung unmittelbar verspätet oder fällt aus

sozial gemeinsame soziale Aktivität + Kontext

einsame Tätigkeit

Möglichkeit für Korrektur

wenig Korrekturen, Abbrüche auffällig

Korrigieren und Umformulieren

gramm. Struktur einfach (syntaktisch + lexikalisch)

komplex

textlinguistisch Rekurrenz, Anapher, Proformen, Deixis, Ellipsen

Paraphrasen, Katapher & Anapher, Proformen

Thema-Rhema-Gliederung

linear, mit Auslassungen komplexere Strukturen

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12. Vorlesung Universalien, Typologie, Sprachwandel

Universalien (Greenberg): sprachliche Eigenschaften, die für eine Vielzahl von Einzelsprachen mit unabhängiger Entwicklung gelten; generalisierbare sprachliche Eigenschaften. Semantische Universalien: 1. Farbbezeichungen wenn

1 schwarz & weiß (makroschwarz, dunkel & makroweiß, hell) 2 schwarz, weiß, rot (warme Farben) 3 schwarz, weiß, rot & gelb/blau-grün (grau) 4 – (Typ nicht bekannt) 5 schwarz, weiß, rot, gelb, blau, grün 6 schwarz, weiß, rot, gelb, blau, grün, braun 7 schwarz, weiß, rot, gelb, blau, grün, braun, orange/lila

Deutsch: schwarz, weiß, rot, gelb, blau, grün, grau, braun, lila Ungarisch: fekete, fehér, piros, vörös, sárga, kék, zöld, szürke, barna, lila 2. Verwandschaftsbezeichnungen Kombinationen nicht beliebig

1. Generation (Mutter – Tochter)2. direkte Linie – Seitenlinie (Vater – Onkel)3. Verschwägerung (Schwester – Schwägerin)4. Geschlecht des Familienmitglieds (Bruder – Schwester)

+ Alter (öcs – báty)+ Geschlecht der Verbindungsperson (skand. mormor – farmor)

3. Anordnung von äußeren Eigenschaften (Ikonizität)

1. Farbe 2. Gestalt 3. Größe 4. ...

eine große fette schwarze Katze, *eine fette schwarze große Katze, *eine rote kleine Lampe

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Einteilung von Sprachen

• nach Herkunft (genealogisch) • morphologisch (typologisch) • syntaktisch (VO/OV-Sprachen)

1. Genealogie Sprachgeschichte � Sprachfamilien: Muttersprache, Tochtersprache später: Stammbäume (Stamm + Abzweigungen), Verwandtschaftsbezeichnungen beibehalten. Spiegeln Wanderungsbewegungen wieder. Aber: Dialektforschung: Tendenzen nicht konsequent, Überschneidungen 2., hochdeutsche Lautverschiebung p � pf (eng. plum, apple, dt. Pflaume, Apfel)t � ts, s (eng. two, hate, dt. zwei, hassen)k � kX, x (eng. make, dt. machen), aber: eng. come, dt. kommen!! Entwicklung nur im Allemannischen vollständig (Schweiz, Tirol) � Wellentheorie: Entwicklungsphänomene ~ Wellen, Verbreitung je nach Stärke (= Prestige) des Zentrums . Überschneidungen zwischen einzelnen „Ästen“ möglich

Quelle: König, Werner (1978): dtv-Atlas zur deutschen Sprache. München: DTV.

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2. Typologie Aufteilungen: Humboldt, Sapir, Greenberg Prager Strukturalismus (Skalicka)

1. isolierend: selbständige Morpheme (Englisch, Französisch) 2. flektierend: Alternation, morphologische Variation, Endung in jeder Wortform

(Latein, Altgriechisch, Sanskrit) 3. agglutinierend: an einen Stamm werden Morpheme angehängt, Transparenz

(Ungarisch, Finnisch, Türkisch, Baskisch) 4. polysynthetisch: Anordnung unveränderlicher Wortformen, sog. Autosemantika

(Chinesisch, Vietnamesisch) 5. introflexiv: Alternation des Inneren eines autosemantischen Morphems, meist des

Vokals (Arabisch, Hebräisch) 3. Grundwortstellung SVO, SOV, VSO (drei häufigste Formen) wesentlich: VO vs. OV � Sprachtypus (VO: Englisch, Französisch, Italienisch, Skandinavisch OV: Latein, Ungarisch, Japanisch) Idealtypen:

rechtsmodifizierend (VO) linksmodifizierend (OV) Nomen Adjektiv it. pizza grande nagy pizza Zahlwort eng. number 1 1. számú Determinant skand. universiteten az egyetem Possessiv frutti di mare tenger gyümölcsei Relativsatz All students who are here Az itt levök közül mindenki Relationen Präposition + Nomen Nomen + Suffix, Postposition Komparation better than me nálam jobb Verben Objekt to read a book könyvet olvas Adverb to read quickly gyorsan olvas Hilfsverb you will come jönni fogsz Modalverb you may read olvashatsz Allg: Kopf + Modifikator Modifikator + Kopf

Interaktion mit anderen sprachlichen Ebenen: VO OV regressive Assimilation progressive Assimilation Bänd � er gyerek � ekgeringe Flexion reiche Flexionsparadigmen feste Satzstellung relativ freie Satzstellung viele geschlossene Silben offene Silben Deutsch: Mischtyp. Viele OV-Eigenschaften � Tendenzen zu VO natürliche Serialisierung (Bartsch & Vennemann)

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Sprachwandel von der Gabelentz, Sapir, Lakoff, Lüdtke Lakoff: Pendel von der Gabelentz: Spirale Sapir: Drift Lüdtke: Wechselspiel von Streben nach Ökonomie + Differenzierung Optimierung der artikulatorischen Energie: „Rede so, dass du nicht mehr artikulatorische Energie aufbringen musst als erforderlich.“ Abschätzung schwierig � Redundanzsteuerung Grenze nach oben: maximale Aussprache. Steigerung: lexikalische Anreicherung (Prinzip der quantitativen Kompensation). Motivation: pragmatische Erklärungen. Linguistische Gründe nicht bekannt.