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Kleine Geschichte der Versicherung in Deutschland

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Kleine Geschichte der Versicherung in Deutschland

Einleitung 2

Wurzeln der Versicherung 4

Vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg 29

Swiss Re 40

Nachkriegszeit und Wiedervereinigung 49

Globalisierung nach dem Fall der Mauer 59

Autoren: Prof. Dr. Peter KochSwiss Re Corporate History (Beiträge Swiss Re)

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Einleitung

Internationaler RahmenDie Versicherungswirtschaft ist eine weltweit verbreitete Erscheinung und der Versicherungsgedanke als solcher daher weitgehend international geprägt. Seine Ausgestaltung im Einzelnen unterliegt aber zahlreichen regionalen Besonderheiten, die jeweils unterschiedliche Ursachen haben. Das Versiche-rungswesen hat sich nämlich nicht einheitlich entwickelt, sondern in einzel-nen Wirtschaftsräumen.

In Deutschland ist die Versicherungswirtschaft an einer Vielzahl von Plätzen entstanden, so dass die Versicherungsunternehmen regional breit gestreut sind. Die Bedeutung des deutschen Versicherungsmarktes beruht auf dieser Versicherungsdichte, wobei die Zahl der Gesellschaften im Zuge der Konzent-ration natürlich konstant rückläufig ist. Dabei wurden wesentliche Beiträge zur Weiterentwicklung des Versicherungswesens durch die Verbesserung beste-hender Sparten und auch die Schaffung neuer Versicherungszweige geleistet. Die Verbindung eigenständiger Ideen mit von außen übernommenen Anre-gungen macht die wesentliche Struktur der deutschen Versicherungswirt-schaft aus. Mit einem Prämienaufkommen in der Erstversicherung von über 190 Milliarden Euro für das Geschäftsjahr 2014 nimmt Deutschland am Versicherungs-Weltmarkt nach den Vereinigten Staaten von Amerika, Japan, Großbritannien, China und Frankreich den sechsten Platz ein. Sein Anteil am Weltmarkt beträgt 5,33 Prozent. 27,8 Prozent des weltweiten Beitragsauf-kommens der Rückversicherung werden in Deutschland generiert, so dass es der führende Rückversicherungsstandort ist.

Auf diese Marktstellung hatte eine grenzüberschreitende Tätigkeit deutscher Versicherer praktisch keinen Einfluss. Ein nennenswertes Auslandsgeschäft hatten sie nur in der Zeit zwischen der Gründung des Deutschen Reiches 1871 bis zum Ersten Weltkrieg zu verzeichnen. Demgegenüber war das Enga-gement ausländischer Versicherer in Deutschland schon frühzeitig sehr stark. Niederländische Versicherer brachten die Transportversicherung, vor allem in Gestalt der Seeversicherung, nach Hamburg, wo die Policen bis zum Jahre 1732 in niederländischer Sprache ausgefertigt wurden. Von ganz entschei-dender Bedeutung war die Einführung der Feuerversicherung beweglicher Sachen durch den Londoner Phoenix zum Ende des 18. Jahrhunderts, dessen Tarife und Bedingungen im Laufe des 19. Jahrhunderts dann von den deut-schen Gesellschaften übernommen wurden. Das Volumen und die Stärke der schweizerischen Versicherungswirtschaft im Verhältnis zur Größe des Landes ließen den Versicherungsschutz schon frühzeitig zum Exportartikel werden, so dass seit dem Beginn der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts die ersten schweizerischen Gesellschaften ihre Tätigkeit in Deutschland aufnahmen.

Aktuell wird der deutsche Versicherungsmarkt stark durch ausländisches En-gagement beherrscht. Nach der Statistik der Bundesanstalt für Finanzdienst-leistungsaufsicht entfielen im Jahre 2012 19,4 Prozent des Prämienaufkom-mens in Deutschland auf Gesellschaften in ausländischem Mehrheitsbesitz, an erster Stelle aus Italien, Frankreich und der Schweiz. Europäische Erstversi-cherer erwirtschafteten in Deutschland ein Beitragsvolumen von 10,9 Milliar-den Euro, von denen das Niederlassungsgeschäft 3,5 Prozent und das Dienst-leistungsgeschäft 2,4 Prozent des Prämienaufkommens ausmachten. Deut-sche Versicherer erzielten in Europa Beiträge in Höhe von 2,0 Milliarden Euro.

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Die in Deutschland tätigen Versiche-rungsunternehmen lassen sich auf eine der drei deutschen Wurzeln der Versi-cherung zurückführen. In diesem Sinne unterscheidet man die Versicherung auf Gegenseitigkeit, die öffentlich-rechtliche Versicherung und die Versicherung auf kaufmännischer Grundlage.

Bei der Gegenseitigkeitsversicherung, die in starkem Maße eine deutsche Schöpfung ist und auf das Prinzip der genossenschaftlichen Zusammenschlüs-se zurückgeht, tragen die Mitglieder das Risiko letztlich selbst. Ihre unternehmeri-sche Verkörperung ist der Versiche-rungsverein auf Gegenseitigkeit. Aus dem Fürsorgewesen der Handwerker-zünfte haben sich in allen Teilen Deutschlands selbständige Sterbe-, Be-gräbnis-, Kranken- sowie Witwen- und Waisenkassen entwickelt, die gegen Beitragszahlung in Notfällen, wie Krank-heit, Invalidität und Tod, Leistungen er-brachten. Auf dem Gegenseitigkeitsprin-zip beruhten auch die seit der Mitte des 16. Jahrhunderts in Schleswig-Holstein entstandenen so genannten Brandgilden

Wurzeln der Versicherung

Vorhergehende Seiten:«Brand der Kunst-Academie in Düsseldorf in der Nacht v. 20. März 1872.»

Links: «Brand des Herzoglichen Palais in Gotha den 26ten Januar 1838.»

als der Ursprung der Feuerversicherung nach dem genossenschaftlichen Prinzip. Während die Brandgilden und die Mehr-zahl der zahlreichen mit lokaler Be-schränkung in Deutschland tätigen Kas-sen – mit gewissen Einschränkungen – vom Markt verschwunden sind, hat die aus diesen Ursprüngen hervorgegange-ne Form der Versicherung durch genos-senschaftliche Zusammenschlüsse ihre Fortsetzung in dem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit gefunden, der teil-weise in lokaler Beschränkung oder mit einer Begrenzung des versicherten Personenkreises, teilweise aber auch als bedeutender Anbieter von Versiche-rungsschutz jeder Ausgestaltung am Markt auftritt.

Entstanden ist die Gegenseitigkeitsversi-cherung moderner Prägung zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als in Gotha zwei beispielgebende Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit für den Betrieb der Feuer- und Lebensversicherung in ganz Deutschland errichtet wurden. Darüber hinaus weisen bedeutende Versiche-rungsunternehmen die Rechtsform des

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Wurzeln der Versicherung

Versicherungsvereins auf Gegenseitig-keit auf, beispielsweise für die Kranken-versicherung, aber auch als Spezial-Ein-richtungen für bestimmte Berufsgruppen oder die Industrie.

Demgegenüber werden die durch kom-munale oder staatliche Initiative ins Le-ben gerufenen Versicherungseinrichtun-gen nicht von der Vereinigung der Mitglieder, sondern von der öffentlichen Hand als solcher getragen. Die erste öf-fentlich-rechtliche Institution in diesem Sinne war die 1676 vom Rat der Stadt errichtete Hamburger Feuerkasse, die der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz den deutschen Landesherren als vorbildliche Einrichtung empfahl. Dieser Entwicklung kam namentlich die Staats-philosophie des aufgeklärten Absolutis-mus zustatten, bei der es der Landesherr als seine Aufgabe ansah, «die Wohlfahrt seiner Untertanen auch durch Schaffung staatlicher Versicherungseinrichtungen zu befördern». Die zum Teil mit Zwang und Monopol ausgestatteten Gebäude-

Oben: Versicherungsschild des Deutschen Phoenix nach dem Vorbild der englischenPhoenix Insurance.

Unten: Versicherungsschild der 1820 gegründeten Gothaer Versicherung.

feuerversicherungs-Anstalten dienten nach dem Wortlaut der meisten Rechts-quellen einerseits der volkswirtschaftlich wünschenswerten Erhaltung des Gebäu-debestandes und andererseits dem Schutz des Realkredites. Auf dieser Basis entstanden öffentlich-rechtliche Versicherungsanstalten zum Betrieb der Gebäude-Feuerversicherung in fast allen deutschen Teilstaaten, deren Tätigkeits-bereich auf die jeweiligen Landesgren-zen beschränkt war. Den Anfang machte König Friedrich Wilhelm I. von Preußen 1718 in Berlin. Den norddeutschen Ein-richtungen folgte seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch Süddeutsch-land.

Während die Gegenseitigkeitsversiche-rung und das öffentliche Versicherungs-wesen ihren Ursprung in Deutschland haben, geht die Versicherung auf kauf-männischer Grundlage auf den Handels-verkehr der oberitalienischen Seestädte seit der Wende des 14. zum 15. Jahr-hundert zurück. Sie entstammt dem

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Oben: St. Florian war vor allem in Süddeutschland ein beliebter Schutzpatron gegen Feuerkata-strophen.

Mitte:Emailschild der Landschaftlichen Brandkasse Hannover.

Rechts: Feuerwehr im Mittelalter.

gleichen wirtschaftsgeschichtlichen Ideenkreis wie auch andere wichtige Institutionen des Handelsrechts. Dies zeigt sich deutlich an den in unsere Wirt-schaftssprache übernommenen Begrif-fen. So wird noch heute von der Aktie, der Kommanditgesellschaft, der Bank, dem Konto, der Prokura und nicht zuletzt von der Assekuranz, Prämie und Police gesprochen. Neben dem genossen-schaftlichen Prinzip und der staatlichen Initiative ist diese Wurzel der Versiche-rung von dem Gedanken der Abwälzung des Risikos gegen Entgelt getragen.

Von Italien gelangte sie über die Iberi-sche Halbinsel nach England und von London in die Niederlande. Holländische Kaufleute brachten die Seeversiche-rungspolice mit der niederländischen Sprache nach Hamburg. Die alte Hanse-stadt wurde damit das Tor für den Einzug der kaufmännischen Versicherung nach Deutschland.

Aus England kam die moderne Lebens-versicherung, nachdem die mathema-tisch-statistischen Grundlagen für diese Sparte dort geschaffen worden waren. Als der englische Astronom Edmond Halley nach dem aus Breslauer Kirchen-büchern stammenden Zahlenmaterial eine brauchbare Sterbetafel aufgestellt

hatte, konnte 1762 die Equitable als ers-te Lebensversicherungs-Gesellschaft mit wissenschaftlicher Ausstattung in Eng-land ihren Geschäftsbetrieb aufnehmen. Das Wirken dieses Unternehmens rief weitere derartige Gesellschaften hervor. In Deutschland lösten mathematisch fundierte Lebensversicherer seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts die damals weit verbreiteten, aber ohne exakte Kalkulation arbeitenden Kassen der unterschiedlichsten Formen ab. Von Bestand waren nur die Sterbe- und Be-gräbniskassen sowie die Witwen- und Waisenkassen, die auf versicherungs- mathematischer Grundlage arbeiteten.

Auch die kaufmännische Sachversiche-rung fand in Deutschland ihren Eingang von England aus, wo nach den katastro-phalen Auswirkungen des Londoner Brandes von 1666 die Notwendigkeit einer Feuersversicherung sichtbar geworden war. Zu Beginn des 19. Jahr-hunderts war der deutsche Markt hin-sichtlich der Versicherung von Mobilien (Einrichtungsgegenstände und Waren) noch weitgehend von englischen Gesellschaften beherrscht. Für Gebäude wurde der Versicherungsschutz durch die öffentlich-rechtlichen Versicherungs-anstalten der einzelnen deutschen Territorien geboten.

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Wurzeln der Versicherung

VorläuferDiese Herkunft des deutschen Versiche-rungswesens aus drei Wurzeln ist die Ursache dafür, dass es nicht aus einem einheitlichen Gedanken heraus entstan-den ist. Gemeinsam ist den unterschied-lichen Unternehmensformen die Gewäh-rung eines Rechtsanspruches auf Ver- sicherungsschutz gegen ein im Voraus entrichtetes Entgelt. Inzwischen haben sich die verschiedenen Unternehmens-formen im Verhältnis zu den Versiche-rungsnehmern am Markt angeglichen und es bestehen nur Unterschiede hinsichtlich ihrer inneren rechtlichen Struktur.

Schon vor der Entstehung der eigentli-chen Versicherungseinrichtungen waren sich die Menschen der ihnen drohenden Gefahren bewusst, die sie frühzeitig abwehren und bekämpfen wollten. Im Vordergrund stand von Anfang an die Notwendigkeit der Brandbekämpfung. Vor Feuergefahr sollte der Heilige Florian behüten, indem er das eigene Haus ver-schonte. Seine zahlreichen Darstellun-gen im süddeutschen Raum wurden zum Symbol der Schadenverhütung. Dabei muss man bedenken, dass es eine Feuerversicherung im Norden Deutschlands schon verhältnismäßig früh gab, während sie in Bayern erst später Aufnahme fand.

Versachlicht wurden die Brandverhü-tungsmaßnahmen durch die seit der Mitte des 15. Jahrhunderts von den Kommunen erlassenen Feuerordnungen, deren Einhaltung zu einem erheblichen Rückgang der zahlreichen Stadtbrände führte. Dem Nürnberger Zirkelschmied Johann Hautsch wird die Erfindung der Feuerspritze zugeschrieben, die er erst-mals 1655 in Nürnberg öffentlich vor-führte. Sie wurde mit einem Windkessel betrieben, stand auf schweren Kufen und war der Ausgangspunkt für die Entwicklung der Großfeuerspritzen.

Solange man sich nicht gegen die Feuer-gefahr versichern konnte, durften be-dürftige Abgebrannte um Almosen nachsuchen. Daraus entwickelte sich der so genannte Brandbettel. Eine von der Behörde oder der Geistlichkeit über den Brandschaden ausgestellte Urkunde, die Brandbrief oder Brandbettelbrief ge-nannt wurde, erlaubte dem Geschädig-ten ausdrücklich das Betteln. Es entwi-ckelte sich bald zur Landplage. August der Starke verbot es 1729 und setzte an die Stelle des Brandbettelns eine Brand-kasse, bei der es sich jedoch noch nicht um eine Versicherungseinrichtung im eigentlichen Sinne handelte, weil die Mittel nicht durch Beiträge, sondern aus Spendensammlungen aufgebracht wurden.

Anfänge des Versicherungswesens in DeutschlandDas eigentliche Versicherungswesen in Deutschland entwickelte sich aus seinen drei Wurzeln, da sich herausstellte, dass die Verhütungsmaßnahmen zum Schutz der Geschädigten nicht ausreichten und professionell geführte Einrichtungen mit ausreichenden Entschädigungsleistun-gen geschaffen werden mussten. Von den ersten Ansätzen bis zur modernen Versicherungswirtschaft war es ein lan-ger Weg, der jedoch auch das Alter, die Tradition und die Kontinuität des Wirt-schaftszweiges in Deutschland belegt.

Den Beginn der Gegenseitigkeitsversi-cherung machten die Vorsorgebestre-bungen der Gilden und Zünfte bei den Handwerkern und Kaufleuten aus, die jedoch nur eine von vielen anderen Auf-gaben dieser Organisationen darstellten. Aufgrund der Beitragszahlung ihrer Mit-glieder gewährten sie satzungsgemäß bestimmte finanzielle Leistungen bei Tod, Unfall oder Krankheit. Mit dem Nie-dergang der Zünfte im 17. Jahrhundert verselbständigten sich ihre Unterstüt-zungs- und Vorsorgefunktionen zu eigen-ständigen Versicherungs-Einrichtungen, die in Anlehnung an den Aufbewah-rungsort des Vermögens als Laden oder später auch als Kassen bezeichnet wur-den. Daher erklärt sich die große Zahl der Kranken-, Sterbe-, Begräbnis- sowie Witwen- und Waisenkassen, von denen im Laufe der Zeit nur wenige übrig ge-blieben sind.

Während die Zünfte und die selbständi-gen Kassen zur Personenversicherung führten, dienten die seit der Mitte des 16. Jahrhunderts in Schleswig-Holstein eingeführten Brandgilden dem Schutz von Hab und Gut. Sie sind als Ursprung der Feuerversicherung nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit anzusehen. Die früh-zeitige Beschäftigung der Bewohner des Landes zwischen den beiden Meeren im Westen und Osten mit dem Versiche-rungswesen hat ihren Grund offensicht-lich in der Bedeutung des Hauses als Schutz gegen das harte Klima und dem Fortbestand des germanischen Gemein-schaftsgedankens. An die Stelle der Naturalien als Entschädigungsleistung traten bald Geldzahlungen.

Es ist nicht auszuschließen, dass die in Schleswig-Holstein entwickelten Vor-stellungen ihren Weg in die benachbarte Hansestadt Hamburg gefunden haben. Hier schlossen sich seit 1591 jeweils etwa hundert Hauseigentümer, vor allem solche mit dinglicher Brauberechtigung, zu Feuerkontrakten zusammen, die eine Vergütung bei Brandschäden gewähr-ten. Das Braugewerbe spielte damals in Hamburg eine wichtige Rolle. Die Bürger strebten eine einheitliche Regelung für die gesamte Stadt an. Daher errichtete der Rat der Stadt Hamburg 1676 eine Feuerkasse, die als ältestes Versiche-rungsunternehmen der Welt angesehen wird. Der Philosoph und Mathematiker Gottfried Wilhelm Leibniz lernte die Ein-richtung bei einem Besuch in Hamburg kennen und bezeichnete sie als «ein schönes Exempel» und ein «herrliches Werk». Er erkannte deren öffentlich-rechtlichen Charakter, indem er die Ob-rigkeit als Assekuradeur bezeichnete. Den Landesherren empfahl er die Grün-dung derartiger Kassen. Eine zweite öf-fentlich-rechtliche Feuerkasse entstand 1685 in Magdeburg, weil ihre Bürger nach der Zerstörung der Stadt 1631 durch den kaiserlichen Feldherrn Tilly – ein Ereignis, das schon den Zeitgenos-sen als Inbegriff der Grausamkeit im Dreißigjährigen Krieg galt – elbeabwärts nach Hamburg geflohen waren, dort das Versicherungswesen kennengelernt hat-ten, ihre Stadt wieder aufbauten und sie durch eine Versicherungseinrichtung nach Hamburger Vorbild schützten.

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Oben Friedrich Wilhelm I. gründete 1718 die Feuer-sozietät Berlin, und ein Jahr später erhielten auch die Brandenburger ihre eigene Feuer-sozietät.

Als erster Landesherr wollte Friedrich Wilhelm der Große Kurfürst von Bran-denburg ebenfalls im Jahre 1685 eine Generalfeuerkasse errichten, stieß aber auf erheblichen Widerstand der Bürger-schaft und verfolgte den Plan deshalb nicht weiter. Erst dem verwaltungskundi-gen preußischen Soldatenkönig Fried-rich Wilhelm I. gelang es im Einverneh-men mit dem Magistrat, 1718 eine Feu-ersozietät für Berlin und im folgenden Jahr eine entsprechende Einrichtung für die Provinz Brandenburg zu errichten. Es bestand Beitrittszwang für die Ge-bäudeversicherung, Entschädigungsleis-tungen erfolgten nur zum Wiederaufbau des abgebrannten Gebäudes.

Weitere Anstalten wurden in allen preu-ßischen Landesteilen errichtet, wobei Friedrich der Große an die Initiative sei-nes Vaters anknüpfte und den Ausbau der Sozietäten nachhaltig fortsetzte. Ihre Gründung erfolgte, von der Hauptstadt Berlin ausgehend, von Ost nach West bis hin nach Ostfriesland.

Die erste Gebäudeversicherungsanstalt außerhalb Preußens war 1750 die Land-schaftliche Brandkasse Hannover. Es schlossen sich Lippe, Braunschweig und Oldenburg an. Im süddeutschen Raum brachte die zu Preußen gehörende Markgrafschaft Ansbach 1754 eine derartige Anstalt hervor. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts waren nahezu alle deutschen Teilstaaten mit Versiche-rungsanstalten für die Gebäudeversiche-rung ausgestattet, in ihrem Tätigkeitsbe-reich aber auf die jeweiligen Landes-grenzen beschränkt.

Weg zur privaten Versicherungswirt-schaftDie dem Seehandel folgende kaufmänni-sche Versicherung war über England und die Niederlande in die Hafen- und Hansestadt Hamburg gekommen, wo die Risiken zunächst von Einzelkaufleu-ten übernommen wurden, die man Asse-kuradeure nannte und die auf den Poli-cen jeweils nur einen bestimmten Anteil zeichneten. Von Anfang an ist das Versi-cherungsgeschäft in Hamburg durch die Tätigkeit von Versicherungsmaklern ge-prägt worden, weil sie den Sachverstand besaßen, der den Kaufleuten naturge-mäß fehlte. Am 1. Januar 1765 nahm die Assecuranz-Compagnie für See-Risico und Feuers-Gefahr als erste deutsche Versicherungs-Aktiengesellschaft ihre Geschäfte auf, der weitere ähnliche

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Wurzeln der Versicherung

Oben: 1838 wurde von mehreren Kölner Privatbanken sowie den Rothschild-Banken in Frankfurt und Paris der Versicherer Colonia gegründet.

Unten rechts: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahmen die Großrisiken zu und stellten die Versicherer vor neue Probleme. Der untergegan-gene Postdampfer Schiller, 1875.

Gründungen folgten. Zum Betrieb der Lebensversicherung errichtete die Patri-otische Gesellschaft 1778 die Hambur-gische Allgemeine Versorgungs-Anstalt unter erstmaliger Verwendung der in England entwickelten und danach auch in Deutschland aufgestellten Sterbeta-feln.

Nach den Worten des Leipziger Versi-cherungsschriftstellers Ernst Albert Ma-sius ist die Einrichtung, «das bewegliche Eigentum gegen Brandunglück schützen zu können, allein von England zu uns herübergekommen». Diese neue Art der Versicherung sei in den verschiedenen Ländern Deutschlands erst durch die Übersiedlung des Londoner Phoenix bekannt geworden. Die Gesellschaft war 1782 in London errichtet worden und nahm als eine der ersten englischen Gesellschaften schon im Jahr ihrer Gründung das Auslandsgeschäft auf.

Namhafte Persönlichkeiten, die zu Be-ginn des 19. Jahrhunderts deutsche Gesellschaften ins Leben riefen, hatten das Versicherungsgeschäft als Agenten des Londoner Phoenix von der Pike auf gelernt. Daher erklärt es sich auch, dass die Versicherungsbedingungen dieser Gesellschaft dabei übernommen wurden und später sogar Eingang in die Ver-bandsbedingungen fanden.

Auf Anregungen von Kameralisten und Nationalökonomen geht der Zweig der

Hagelversicherung zurück, der seine Verwirklichung in Deutschland gefunden hat. Für diese Sparte ist 1797 in Neu-brandenburg die Mecklenburgische Ver-sicherungs-Gesellschaft auf Gegensei-tigkeit gegründet worden, die ihren Be-trieb später auf alle Versicherungsarten ausdehnte und somit letztlich die Brücke zu den Gründungswellen des 19. Jahr-hunderts bildet.

Gründungswellen des 19. JahrhundertsDie eigentliche Blütezeit der deutschen Versicherungswirtschaft begann mit der Errichtung von Versicherungsunterneh-men auf privatwirtschaftlicher Basis im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts. Das im Zusammenhang mit der politischen Entwicklung nach den Napoleonischen Kriegen aufgekommene Nationalbe-wusstsein und das gleichzeitige Aufblü-hen der deutschen Wirtschaft verlangte nach einheimischen Gesellschaften, die den ausländischen Einfluss auf dem in-ländischen Versicherungsmarkt zurück-drängen sollten. Wegen der staatlichen Zersplitterung Deutschlands war die Versicherungswirtschaft von Anfang an regional breit gestreut. Auch im Zuge der Konzentration behielten die traditio-nellen deutschen Versicherungsstädte ihre grundsätzliche Bedeutung. Die frü-hen Versicherungsgründungen waren zunächst nur für einen lokal abgegrenz-ten Tätigkeitsbereich bestimmt, wie al-lein schon ihre der Heimatstadt oder dem Umland entnommenen Firmenbe-zeichnungen verdeutlichen, wie bei-spielsweise Gothaer, Alte Leipziger,

Magdeburger, Thuringia oder Württem-bergische. Sie geben ihre lokale Her-kunft auch dann noch zu erkennen, wenn sie inzwischen überregional tätig sind. Nur wenige Unternehmen erhoben vor Anfang an den Anspruch, in ganz Deutschland arbeiten zu wollen. Inzwi-schen sind viele dieser Versicherer vom Markt verschwunden, in großen Gruppen aufgegangen oder in ausländischen Besitz gekommen.

Interessant mag es in diesem Zusam-menhang erscheinen, dass die Entste-hung von Versicherungsunternehmen zu bestimmten Zeiten mehr oder weniger kumuliert hat. Es sind verschiedene Gründungswellen festzustellen, die sich jeweils versicherungs- und wirtschafts-geschichtlich erklären lassen. Für das 19. Jahrhundert sind im Wesentlichen drei Gründungswellen zu unterscheiden, von denen die erste vor allem in die zwanziger Jahre entfällt, die zweite um die Mitte des Jahrhunderts zu verzeich-nen war und die dritte dem wirtschaftli-chen Aufschwung der Kaiserzeit folgte.

Mit der Transport-, Feuer- und Lebens-versicherung waren im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts die so genannten klas-sischen Sparten in Deutschland verwirk-licht, wobei jede Gesellschaft auf einen einzelnen Zweig spezialisiert war. Auf ihrer Technik baute die künftige Entwick-lung auf. Es kamen weitere Zweige hinzu, die entweder aus dem Ausland übernommen oder an den einzelnen deutschen Versicherungsplätzen ent- wickelt worden sind. Sowohl bei der

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Folgende Seiten: Auswanderergruppen gründeten in Amerika Versicherungsgesellschaften, deren Zielgruppe Kunden mit demselben Migrationshintergrund waren. Im Beispiel eine Reklame der German Fire Insurance in Baltimore.

Gründung von Gesellschaften als auch bei der Weiterentwicklung der Versiche-rungstechnik, der Schaffung neuer Spar-ten und der Präsentation des Versiche-rungsgeschäftes sind Persönlichkeiten großer Versicherungsunternehmer her-vorgetreten, deren Namen die Versiche-rungsgeschichte überliefert hat. Ohne den Beitrag der Wissenschaft ist die Ent-stehung des modernen deutschen Ver-sicherungswesens nicht denkbar. Der Hamburger Wilhelm Benecke hatte mit Unterstützung des Handelswissen-schaftlers Johann Georg Büsch bereits 1805 den ersten Band seines großen Werkes „System des Assekuranz- und Bodmereiwesens“ für Versicherer, Kauf-leute und Rechtsgelehrte vorgelegt. Bei der Bodmerei handelte es sich um die Darlehensaufnahme unter Verpfändung des Schiffes und der Fracht in besonde-ren Notfällen. Der Verfasser, dessen Buch in zahlreiche europäische Spra-chen übersetzt worden ist, befasste sich auch mit dem Gedanken der Gründung eines Lebensversicherungsunterneh-mens. Als erstes echtes Lehrbuch wird die 1846 von dem Leipziger Versiche-rungswissenschaftler Ernst Albert Masius vorgelegte „Lehre von der Versi-cherung und statistischen Nachweisung aller Versicherungs-Anstalten in Deutschland; nebst Hinweisung auf den hohen Einfluss dieser Institute auf Natio-nalwohlstand, und die Gesetze darüber in den verschiedenen Staaten“ angese-hen. Er hat auch die deutschen Versiche-rungs-Fachzeitschriften begründet.

Erste größere Gesellschaften von BestandNach den frühen Ansätzen in der zwei-ten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Ham-burg, die nicht von längerem Bestand waren, wurde 1812 mit der Berlinischen Feuer-Versicherungs-Anstalt die erste deutsche Versicherungs-Aktiengesell-schaft von größerer Dauer errichtet. Ihre Bedingungen lehnten sich an diejenigen des Londoner Phoenix an und wurden zum Vorbild für weitere Gründungen. Nach 170-jähriger Tätigkeit ist sie in der späteren Vereinte Versicherung AG auf-gegangen. Die 1819 als Leipziger Feuer-Versicherungs-Anstalt konzessionierte heutige Alte Leipziger Versicherung AG übernahm Versicherungen gegen Feuer-gefahr «ungefähr nach denselben Grund-sätzen wie die bereits in London, Ham-burg und Berlin bestehenden Anstalten». Bei Versicherungen mit einer Laufzeit von fünf Jahren war die Prämie nur für

vier Jahre zu entrichten, so dass die An-stalt das Risiko für das fünfte Jahr unent-geltlich trug. Auf den späteren preußi-schen Staatsmann und Bankier David Hansemann, der im Vereinigten Landtag den zum geflügelten Wort gewordenen Satz «Bei Geldsachen hört die Gemüt-lichkeit auf» formulierte, geht die 1825 genehmigte Aachener Feuer-Versiche-rungs-Gesellschaft zurück. Da sie für Bayern die Stellung eines einheimischen Unternehmens erhielt, nahm sie auf Wunsch König Ludwigs I. die Bezeich-nung Aachener und Münchener Feuer-Versicherungs-Gesellschaft an.

Ebenfalls im ersten Drittel des 19. Jahr-hunderts bildete sich die Versicherung auf Gegenseitigkeit moderner Prägung heraus. Sie wurde erstmals von dem Kaufmann Ernst Wilhelm Arnoldi mit der Schaffung der heute noch bestehenden Gothaer Versicherungsbanken für die Feuer- und Lebensversicherung verwirk-licht. Ganz wesentlich waren die Impulse zur Weiterentwicklung der Lebensversi-cherung. Nachdem sie zunächst reine Todesfallversicherung zur Versorgung der Hinterbliebenen gewesen war, wur-de in den sechziger Jahren durch die Verbindung mit der Erlebensfall-Versi-cherung die heutige kapitalbildende Le-bensversicherung eingeführt, so dass damit der Weg in Richtung der Alters-versorgung eingeschlagen war. Hinzu kamen die Ausgestaltung der Über-schussbeteiligung und die Weiterfüh-rung der Lebensversicherungsmedizin zur verbesserten Abschätzung der Le-benserwartung. In die gleiche Richtung arbeitete auch die 1830 gegründete Le-bensversicherungsgesellschaft zu Leip-zig. Mit der Begründung, dass Preußen hinter den Gründungen in Gotha und Leipzig zurückgeblieben sei, wurde 1836 die Berlinische Lebens-Versiche-rungs-Gesellschaft als erste deutsche Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft errichtet. Zum Unterschied von den als Gegenseitigkeitsversicherern errichteten Gesellschaften besteht sie nicht mehr.

Eine 1828 zunächst für Kaufleute in Stuttgart gegründete Württembergische Privat-Feuerversicherungs-Gesellschaft setzte sich schnell durch und verwaltete schon nach einem Jahrzehnt zwei Drittel des Versicherungsbestandes im König-reich Württemberg. Rheinische Finanz-kreise widmeten sich in Köln neben dem Bank- und Verkehrswesen auch der Ver-sicherungswirtschaft. Die zusammen mit

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dem Bankhaus Sal. Oppenheim und an-deren angesehenen Instituten errichtete Kölnische Feuer-Versicherungs-Gesell-schaft nahm 1839 ihre Tätigkeit auf. Sie bediente sich in Anlehnung an den latei-nischen Namen der Stadt Köln der Be-zeichnung Colonia, deren Verwendung ihr 1841 offiziell gestattet wurde. Für die spätere Entwicklung der Gesellschaft ist die Tatsache interessant, dass sich ein erheblicher Teil ihres Aktienkapitals bei Pariser Banken befand.

Hamburger BrandDie erste Katastrophe, welche die Ent-wicklung des deutschen Versicherungs-wesens nachhaltig beeinflusst hat, war der Hamburger Brand. Das Feuer ist am 5. Mai 1842, dem Himmelfahrtstag, ge-gen ein Uhr morgens in einem mehrstö-ckigen Tabakspeicher des Hauses Deich-straße 44 ausgebrochen. Es breitete sich auf die Lagerhäuser der Hafengegend und die Wohnvierte der Stadt aus. Erst nach 79 Stunden war der Brand ge-löscht. Er hinterließ eine Trümmerfläche von 310 Hektar. 102 Speicher, 94 Gast-häuser, 60 Schulen, sieben Kirchen, die Bank, das Rathaus, das Archiv und das Zuchthaus sowie 4.219 Wohnungen wa-ren zerstört. 51 Menschen starben und 120 wurden verletzt. Hamburg war zur Hälfte vernichtet.

Der materielle Schaden wurde amtlich auf insgesamt 135 Millionen Mark ge-schätzt. Davon betrug der reine Gebäu-deschaden 38 Millionen Mark, der aus-schließlich bei der 1676 errichteten Hamburger Feuerkasse versichert war. Sie erfüllte alle Verpflichtungen. Die Mobiliarschäden entfielen auf neun deutsche und sechs ausländische Ge-sellschaften. Gothaer und AachenMün-chener erbrachten die Entschädigungs-leistungen in voller Höhe. Am stärksten betroffen war die Biebersche Brandver-

sicherungs-Association, die ein Viertel ihrer Schäden auszahlte und danach li-quidierte. Diesen Zusammenbruch glos-sierte Heinrich in seinem Epos „Deutsch-land - ein Wintermärchen“ mit folgenden Versen:

«Den …, den sah ich nur von fern, Er huschte mir rasch vorüber; Ich höre, sein Geist ist abgebrannt Und war versichert bei Bieber.»

Der Hamburger Brand löste wesentliche Anstöße für die weitere Entwicklung der Versicherungswirtschaft in Deutschland

Zeitgenössische Darstellungen des Hamburger Feuers von 1842:

Oben: Die brennende Hauptkirche St. Nikolai.

Rechts und auf den folgende Seiten: Der Brand von der Alster aus gesehen.

Gegenüber: Der Brand des Rathauses.

aus, die zunächst zwar nur in Umrissen greifbar waren, sich insgesamt aber doch nachhaltig ausgewirkt haben. Als wesentliche Aspekte seien etwa die Stärkung der Kapitalausstattung, Maß-nahmen zur Schadenverhütung, Ansätze zu einer Zusammenarbeit der Versiche-rer unter dem Gesichtspunkt der Ver-bandsbildung, eine Verbesserung der Versicherungstechnik, die Entstehung neuer Feuerversicherer, wie beispiels-weise der Magdeburger, der Schlesi-schen und der National, sowie schließ-lich das Aufkommen der professionellen Rückversicherung genannt.

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Wurzeln der Versicherung

Aufkommen der professionellen RückversicherungVereinzelt hat es Rückversicherungsver-träge zwischen deutschen Versicherern sowie in- und ausländischen Gesell-schaften schon immer gegeben. Der Hamburger Brand führte den Unterneh-men vor Augen, dass der Eintritt von Schadenereignissen, die man für un-wahrscheinlich gehalten hatte, doch sehr realistisch war. Der Direktor der Colonia, Paul Friedrich Kalle, schuf ein Konzept zur Verteilung der Risiken im Wege der Rückversicherung und legte es dem Bankier Gustav von Mevissen vor, der 1842 das durch die Entwicklung des einheimischen Versicherungsge-schäftes hervorgerufene Rückversiche-rungs-Bedürfnis erkannte und die Errich-tung einer Gesellschaft, die sich aus-schließlich mit Rückversicherungen befassen sollte, beschloss. Auf dieser Grundlage wurden die Statuten der Kölnischen Rückversicherungs-Gesell-schaft erstellt. Köln wurde als Sitz ge-wählt, weil man davon ausging, dass sich für Rückversicherungs-Gesellschaf-ten vorzugsweise dieselben Plätze eig-nen, an denen Erstversicherer domizilie-ren. In der Satzung wurden die Selbstän-digkeit und der professionelle Charakter des Rückversicherungs-Unternehmens dadurch zum Ausdruck gebracht, dass jede direkte Versicherung von dem Wirkungskreis der Gesellschaft ausge-schlossen war. Die Finanzierung gestal-tete sich deshalb schwierig, weil die rheinischen Wirtschaftskreise keine Vor-stellung vom Wesen der Rückversiche-rung hatten. Sie wurde aber durch den Bankier Abraham Oppenheim dadurch sichergestellt, dass ein großer Teil der Aktien über das Bankhaus Rothschild in Paris platziert werden konnte. So geneh-migte König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen am 8. April 1846 die Errichtung der Kölnischen Rückversicherungs-Ge-sellschaft als des ersten professionellen

Rückversicherungs-Unternehmens der Welt. Ihren ersten Rückversicherungs-vertrag schloss sie 1852 mit der Vater-ländischen Feuer-Versicherungs-Gesell-schaft in Elberfeld (heute: Wuppertal).

Im Jahre 1853 wurde die Aachener Rückversicherungs-Gesellschaft als zweitältestes Rückversicherungsunter-nehmen gegründet. Es folgte 1862 die Magdeburger Rück, die von der französi-schen Scor übernommen wurde. Die 1863 in Zürich errichtete Schweizeri-sche Rückversicherungs-Gesellschaft (weltweit: Swiss Re) gewann durch ihre Beteiligungspolitik erheblichen Einfluss am deutschen Versicherungsmarkt.

Der Generalagent Carl von Thieme schuf im Zusammenwirken mit renommierten Industriellen und Bankiers 1880 die Münchener Rückversicherungs-Gesell-schaft (weltweit: Munich Re), für die er das Weltmodell der professionellen Rückversicherung entwickelte. In konse-quenter Verfolgung seines Konzeptes des unabhängigen Rückversicherers wurde er in allen Ländern der Welt und in allen Versicherungszweigen tätig, so dass er einen geografisch und sparten-mäßig gleichermaßen umfassenden Risikoausgleich erzielte. Im ersten Ge-schäftsjahr verfügte die Gesellschaft bereits über 33 Feuer-Rückversiche-rungsverträge mit mehr als 1 Million Mark Prämie. Die Gesellschaft errichtete eine Vielzahl von Agenturen in verschie-denen Ländern, von denen die um eine Direktion in New York erweiterte Londo-ner Filiale besondere Bedeutung erlang-te. Sie rief auch Tochtergesellschaften ins Leben und beteiligte sich an einer ganzen Reihe von Versicherungsunter-nehmen. An der Ausgestaltung der ver-sicherungstechnischen Grundlagen we-sentlicher Sparten hatte sie erheblichen Anteil. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges war die Munich Re das größte Rückversi-cherungsunternehmen der Welt. In die-sem Geschäft dominieren weltweit die beiden großen kontinentalen Rückversi-cherer in München und Zürich.

Zusammen mit dem Bankier Wilhelm von Finck begründete Carl von Thieme 1889 die Allianz, als deren Sitz Berlin vorgesehen war. Sie erhielt 1890 die Ge-nehmigung, nahm neben der Unfallversi-cherung weitere Sparten auf und entwi-ckelte sich durch zahlreiche Übernah-men und umfangreiche Fusionen zu einem der bedeutendsten Versiche-rungskonzerne der Welt.

Aufnahme neuer SpartenDen klassischen Versicherungszweigen folgten im Laufe des 19. Jahrhunderts weitere Sparten, die Versicherungs-schutz für neue Risiken boten. Mit dem Aufkommen der Eisenbahn nahm die Unfallversicherung ihren Anfang. Als die erste deutsche Eisenbahn am 7. Dezem-ber 1835 von Nürnberg nach Fürth fuhr, wurden die mit ihr verbundenen Gefah-ren für Leben und Gesundheit erheblich überschätzt. Der preußische Gesetzge-ber suchte ihnen mit einer strengen Haf-tung zu begegnen. Nach einem langwie-rigen Genehmigungsverfahren wurden 1853 vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. zwei Gesellschaften zur Ver-sicherung von Unfällen im Zusammen-hang mit dem Eisenbahnbetrieb geneh-migt. Es handelte sich um die Thuringia in Erfurt und die Allgemeine Eisenbahn-Versicherungs-Gesellschaft in Berlin. Der Reisende konnte beim Kauf der Fahrkar-te gegen Zahlung der entsprechenden Prämie zugleich eine Versicherungskarte erwerben und war dann für die betref-fende Fahrt versichert. Zeitversicherun-gen, für die besondere Policen ausge-stellt wurden, galten für ein Jahr oder auch längere Zeiträume. Der Tod des Passagiers begründete den Anspruch auf die volle Versicherungssumme. Den Invaliditätsleistungen wurde bereits eine Gliedertaxe zugrundlegt, beispielsweise 60 Prozent beim Verlust des rechten Auges, dem Verlust des rechten Armes oder der rechten Hand. Wegen der ge-ringen Unfallhäufigkeit im Eisenbahnver-

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kehr wurde die Versicherung auf weitere Unfallarten ausgedehnt. Die Thuringia entwickelte sich zum Sachversiche-rungsunternehmen, die Berliner Gesell-schaft zum Lebensversicherer unter Annahme des Namens Victoria.

Mit der Entwicklung versicherungstech-nischer Grundlagen für die Gewährung von Leistungen im Krankheitsfall ent-standen um die Mitte des 19. Jahrhun-derts in Deutschland die ersten Ansätze für die Private Krankenversicherung. Als ältestes heute noch bestehendes Unter-nehmen dieses Zweiges gilt die Univer-sa, die aus einem 1843 ins Leben geru-fenen Nürnberger allgemeinen Kranken-Unterstützungs-Verein hervorgegangen ist. Gewährt wurde ein Krankengeld, dem ein ausgefeiltes Tarifwerk mit unter-schiedlichen Beitrags- und Leistungs-klassen sowie die Einhaltung von Warte-zeiten zugrunde lag. Die Versicherung von Krankheitskosten kam erst später. Man sprach in der Anfangszeit von Doktor- und Apothekenversicherung.

Die wohl wichtigste Innovation auf dem deutschen Versicherungsmarkt im 19. Jahrhundert war die Einführung der Haftpflichtversicherung. Aufgrund der zunehmenden Technisierung in den in-dustriellen Betrieben hatte das Reichs-haftpflichtgesetz vom 7. Juni 1871 eine Gefährdungshaftung der Fabrikanten für Schäden gebracht, die im Rahmen des Betriebes Arbeitern oder dritten Personen zugefügt wurden. Daraufhin entstand eine Reihe von Versicherungs-gesellschaften, die Arbeitern in Weiter-führung der Eisenbahnunfälle Versiche-rungsschutz gegen Betriebsunfälle boten. Mit dieser Materie beschäftigte sich Carl Gottlob Molt und erkannte den Unterschied zwischen der Unfallversi-cherung der Arbeitnehmer und der Schadenersatzverpflichtung der Unter-nehmer. Gegen diese Haftpflichtgefahr wollte er Versicherungsschutz bieten

und begründete damit die moderne Haftpflichtversicherung, deren Aus- gestaltung sein Lebenswerk ist. Er grün-dete 1874 den Allgemeinen deutschen Versicherungs-Verein in Stuttgart (später: Stuttgarter Verein), zunächst a ls Genossenschaft später als Versiche-rungsverein auf Gegenseitigkeit, und machte die Haftpflichtversicherung als

neuen Versicherungszweig zum Grund-pfeiler der Gesellschaft. Der Gedanke, auch gegenüber etwaigen Schadener-satzansprüchen außerhalb des betriebli-chen Bereiches Versicherungsschutz zu gewähren, veranlasste Molt zu einer Ausdehnung der Haftpflichtversicherung auf alle Betriebs-, Berufs- und Tätigkeits-gruppen sowie den privaten Bereich.

Rechts: Verstaatlichungstendenzen machten sich in der Assekuranz schon im 19. Jahrhundert bemerkbar, in Deutschland wohl auch unter dem Einfluss des staatlichen Sozialversiche-rungsgedankens.

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Wurzeln der Versicherung

Dies führte zum systematischen Ausbau der Haftpflichtversicherung in ihren viel-seitigen Formen.

Eine deutsche Erfindung ist auch die Lei-tungswasserversicherung, die der Versi-cherungsdirektor Hermann Kleeberg nach einem Wasserschaden in seinem Haus während einer Reise schuf und die dafür 1886 in Frankfurt am Main be-gründete Gesellschaft Neptun nannte. Die in Paris im Zusammenhang mit der Entstehung der Warenhäuser und ihren großen Verglasungen aufgekommene Glasversicherung fand ihren Weg nach Deutschland, ebenso die Einbruchdieb-stahlversicherung aus England. Für den landwirtschaftlichen Bereich entstanden weitere Gesellschaften zum Betrieb der Hagelversicherung, die ihren Ursprung in Deutschland hat. Darüber hinaus fal-len Hagelschäden inzwischen auch un-ter weitere Zweige, wie insbesondere die Gebäude- und Fahrzeugversicherung (Teilkasko). Als Tierversicherung dehnte sich die zunächst ausschließlich dem Schutz des landwirtschaftlichen Vieh-bestandes dienende Viehversicherung auf Gewerbe und Sport aus.

Aufkommender WettbewerbDie zunehmende Industrialisierung und die Ausbreitung des Verkehrswesens begünstigten die Gründung weiterer Ver-sicherungs-Gesellschaften in allen Teilen Deutschlands. Damit bildete sich erst-mals ein Versicherungsmarkt heraus, der durch den aufkommenden Wettbewerb unter den Unternehmen, die teilweise in allen deutschen Teilstaaten zugelassen waren, geprägt wurde. Nachdem sich die Versicherer in der Anfangszeit darauf beschränkt hatten, ihre Interessen durch bloße Repräsentanten wahrnehmen zu lassen, setzten sie seit der Mitte des 19. Jahrhunderts im Zuge der wachsenden Konkurrenz unter den Gesellschaften hauptberufliche Agenten ein, für die die Vermittlungstätigkeit von einer Neben-beschäftigung zur Existenzgrundlage wurde. Es war daher sowohl eine fachli-che Schulung als auch eine eingehende Regelung der rechtlichen Beziehungen zu den Agenten erforderlich. Bei den

Lebensversicherungsunternehmen führ-te die Finanzierung der Abschlussprovi-sionen zu dem nach dem Versicherungs-mathematiker August Zillmer benannten System der Zillmerung über das De-ckungskapital der Versicherungsnehmer.

Auf der anderen Seite brachte die zuneh-mende Beschäftigung von Agenten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch unseriöse Personen zum Beruf des Versicherungsvermittlers. Unter ihrem Verhalten litt der gesamte, bis dahin achtbare und angesehene Stand der Ver-sicherungsvermittler, so dass er in der Öffentlichkeit zunehmend einen schlech-ten Ruf erhielt. Die Initiative zur Wahrung ihres Ansehens ergriffen die soliden Agenten selbst, indem sie 1901 mit dem Bund der Versicherungsvertreter zur Pflege und Förderung ihrer Standesinter-essen die Ursprungsvereinigung des Bundesverbandes Deutscher Versiche-rungskaufleute e.V. (BVK) konstituierten. Vergleichbare Probleme kannten die Versicherungsmakler nicht, deren Tätigkeitsbereich sich zunächst im Wesentlichen noch auf die Hafenplätze beschränkte und erst später weiter ausdehnte. Zur Wahrung und Förderung ihrer gemeinsamen Interessen gründe-ten sie 1918 den Vorläufer des Verban-des Deutscher Versicherungsmakler e.V. (VDVM).

Zum Versicherungsvertreter machte den bisherigen Versicherungsagenten erst das Gesetz zur Änderung des Handels-gesetzbuches (HGB) des Jahres 1953. Es schuf für diesen Berufsstand eine neue Rechtsgrundlage, verbesserte sei-ne rechtliche Stellung und führte insbe-sondere den Ausgleichsanspruch des hauptberuflichen Versicherungsvertre-ters ein, der ihm bei Vertragsbeendigung unter bestimmten Voraussetzungen zusteht, sofern der Versicherer aus dem Fortbestand der vermittelten Verträge Vorteile hat.

Im Bereich der öffentlich-rechtlichen Gebäude-Brandversicherung bestand angesichts der Vielzahlt von Gründun-gen in fast allen deutschen Teilstaaten eine erhebliche Versicherungsdichte, andererseits aber auch eine starke Zer-splitterung. Durch den Aufschwung der privaten Versicherungswirtschaft – ver-bunden mit dem verstärkten Einsatz von Agenten – kam es zu einem kritischen

Niedergang des öffentlich-rechtlichen Versicherungswesens mit seinen zum Teil etwas verkrusteten Strukturen. We-sentlich wurde die Zusammenfassung kleinerer Sozietäten zu größeren und damit wirkungsvolleren Einheiten, bei-spielsweise zu den Provinzialsozietäten im Rheinland und Westfalen sowie zur Bayerischen Versicherungskammer in München. Um die Reorganisation mach-te sich Karl von Hülsen verdient durch die Schaffung einer wirtschaftlichen Arbeitsweise sowie vor allem die Auf-nahme weiterer Sparten, namentlich der Versicherung des Gebäude-Inven-tars, bis hin zur Lebensversicherung am Anfang des 20. Jahrhunderts. Da ihnen eine Vertriebs-Organisation durch Vertreter fehlte, wurden die Sparkassen als Vermittler für die Versicherungen gewonnen.

Bismarcks SozialversicherungVon sehr differenzierter Bedeutung für die private Versicherungswirtschaft in Deutschland war die Einführung der So-zialversicherung. Ihre Grundkonzeption ist in der entscheidend durch Reichs-kanzler Otto von Bismarck geprägten und von ihm in der Eröffnungssitzung des Reichstages am 17. November 1881 verlesenen Kaiserlichen Botschaft ent-halten. Der auf die Sozialversicherung bezogene Teil beginnt mit der Feststel-lung, dass eine Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich im Wege der Repression sozialdemokratischer Ausschreitungen, sondern gleichmäßig auf der positiven Förderung des Wohles der Arbeiter zu suchen sei. Wesentliche Richtlinie für den Aufbau der Sozialver- sicherung war die öffentlich-rechtliche Zwangsversicherung mit der Dreiteilung in die Versicherung gegen Krankheit, Unfall sowie Alter und Invalidität. Erster Zweig war 1883 die gesetzliche Kran-kenversicherung. Erst seit diesem Zeit-punkt kann man von einer Privaten Krankenversicherung sprechen, weil mit der Regelung der gesetzlichen Kranken-versicherung der Unterschied zu der auf eigenverantwortlicher Entscheidung beruhenden Krankenversicherung deut-lich wurde. Der Versicherungszwang für bestimmte Arbeitnehmer, den die gesetzliche Krankenversicherung gebracht hatte, regte die nicht in sie einbezogenen Bevölkerungskreise an,

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sich entsprechender Versicherungsein-richtungen auf privatwirtschaftlicher Ba-sis zu bedienen oder sie neu zu schaffen. Es folgten 1884 die Unfallversicherung, 1889 und 1911 die Invaliditäts- und Al-tersversicherung sowie die Angestellten-versicherung (inzwischen: Rentenversi-cherung), 1927 die Arbeitslosenversi-cherung und schließlich 1995 die Pflegeversicherung, die nach dem Prin-zip «Pflegeversicherung folgt Kranken-versicherung» sowohl die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung als auch die Versicherten der Privaten Kran-kenversicherung erfasst.

Natürlich hat die gesetzliche Versiche-rung den Tätigkeitsbereich der privaten Versicherungsunternehmen in manchen Fällen eingeschränkt, beispielsweise

Unten: Die deutsche Sozialversicherung wurde in den 1880er Jahren schrittweise von Otto von Bismarck eingeführt.

hinsichtlich der Kranken- und Unfallver-sicherung. Auf der anderen Seite wur-den breite Schichten der Bevölkerung durch die Sozialversicherung überhaupt erst mit dem Versicherungsgedanken vertraut gemacht, den sie gewisser-maßen popularisiert hat. Die von ihrem familiären Hintergrund gelösten Arbeit-nehmer in den Industriegebieten dach-ten für sich und ihre Angehörigen an eine zusätzliche Versorgung. Da die Le-bensversicherung bis in die zweite Hälf-te des 19. Jahrhunderts durch verhält-nismäßig hohe Versicherungssummen und Jahresbeiträge gekennzeichnet war, entwickelte die Victoria in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts eine so genannte Volksversicherung, die nicht nur auf die Arbeiter in den Betrieben beschränkt, sondern – wie der Name

sagt – auf die Masse der Bürger zuge-schnitten war, die den Beitrag für eine hohe Versicherungssumme nicht auf-bringen konnten. Diese Lebensversiche-rung für jedermann sollte als prämien-günstige Sterbegeldversicherung im Todesfall die Beerdigungskosten decken und den Angehörigen über die erste Not hinweghelfen, wobei die Wochenbeiträ-ge von Kassierern zu Hause abgeholt wurden. In ähnlicher Weise verband die Nürnberger Lebensversicherung die Lebensversicherung mit dem Zeitschrif-tenbezug, um die Inkassokosten zu reduzieren. Für die Beamten brachte die Nürnberger eine Pensionszuschuss-versicherung und eröffnete damit den Weg für eine ganze Reihe von Versiche-rungseinrichtungen für den öffentlichen Dienst.

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Wurzeln der Versicherung

Reichsgesetze für die Versicherung Aufgrund der Gliederung Deutschlands in eine Vielzahl von Teilstaaten waren auch die gesetzlichen Vorschriften auf diesem Gebiet - sofern es überhaupt welche gab - zersplittert. Erst die Reichs-gründung des Jahres 1871 ermöglichte eine einheitliche Gesetzgebung der Ver-sicherungsmaterie. In das am 1. Januar 1900 in Kraft getretene Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) wurde der Versiche-rungsvertrag nicht aufgenommene, weil seine Regelung speziellen Gesetzen vor-behalten bleiben sollte. Als vordringlich wurde die Einführung einer staatlichen Versicherungsaufsicht angesehen, die das Reichsgesetz über die privaten Ver-sicherungsunternehmungen (VAG) vom 12. Mai 1901 brachte. Sie sollte einer-seits dem volkswirtschaftlichen Interes-se des Staates an der Erhaltung und Funktionsfähigkeit des Versicherungs-wesens, andererseits dem Schutz der Versicherungsnehmer, die die Leistungs-fähigkeit der Versicherungsunternehmen nicht beurteilen können, dienen. Träger der neu eingeführten materiellen Staats-aufsicht über Versicherungsunterneh-

men wurde das Kaiserliche Aufsichtsamt für Privatversicherung in Berlin, nach dem Ersten Weltkrieg Reichsaufsicht-samt für Privatversicherung und nach dem Zweiten Weltkrieg Bundesaufsicht-samt für das Versicherungswesen.

Wegen des Fehlens einer gesetzlichen Rechtsgrundlage waren die Beziehun-gen zwischen den Versicherern und ih-ren Versicherungsnehmern ausschließ-lich durch die von den Gesellschaften aufgestellten Allgemeinen Versiche-rungsbedingungen festgelegt, so dass es einer reichsgesetzlichen Regelung des Versicherungsvertrages bedurfte. Es wurde ein Gesetzentwurf erstellt, der sich den von dem Zürcher Professor Hans Roelli erarbeiteten Entwurf zu einem schweizerischen Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag als Vor-bild nahm. Das Gesetz war so konzipiert, dass es den Versicherungsnehmer durch eine Reihe zwingender und halbzwin-gender Normen vor benachteiligenden Klauseln in den Versicherungsbedingun-gen schützt, im Übrigen ihnen aber die Regelung der einzelnen Sparten weitge-

hend überlassen wollte. Das Reichsge-setz über den Versicherungsvertrag datiert vom 30. Mai 1908 und ist ein Jahrhundert lang in Kraft geblieben.

Grenzüberschreitende TätigkeitWährend deutsche Versicherer nur ver-einzelt im Ausland tätig wurden, zeigte sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts eine zweite Zugangswelle ausländischer Gesellschaften am deutschen Versiche-rungsmarkt, an dessen Potential sie sich beteiligen wollten. An erster Stelle stan-den nach wie vor die englischen Gesell-schaften. Erhebliche Bedeutung erlang-ten aber vor allem auch schweizerische und österreichische Versicherungsunter-nehmen, die namentlich das Unfall- und Haftpflichtversicherungsgeschäft in Deutschland betrieben. Gegenüber den englischen und französischen Gesell-schaften kam ihnen der sprachliche Vor-teil zugute. Den Anfang machte 1862 die Helvetia. Eine wichtige Rolle spielten vor allem die Zürich (inzwischen: Zurich) sowie die Schweizerische Lebensversi-cherungs- und Rentenanstalt (nunmehr weltweit: Swiss Life). Die österreichi-schen Gesellschaften hatten einen ge-ringeren Anteil. Lebensversicherungsun-ternehmen aus den Vereinigten Staaten von Amerika versuchten mit ihren im Vergleich zu den einheimischen Gesell-schaften liberaleren und günstigeren Bedingungen am deutschen Markt Fuß zu fassen. Sie stießen aber wegen ihrer aggressiven Werbemethoden auf erheb-lichen Widerstand, brachten jedoch durch ihr Auftreten eine Verbesserung der Rechtsstellung der Versicherten in Deutschland.

Nach der Reichsgründung des Jahres 1871 nahm das Auslandsgeschäft deut-scher Versicherer einen deutlichen Auf-schwung. Er beruhte im Wesentlichen auf der international angesehenen star-ken wirtschaftlichen Stellung des Deut-schen Reiches und damit auch seiner Versicherungswirtschaft, dem De-ckungsbedarf in zahleichen Ländern so-wie dem rechtlich verhältnismäßig einfa-chen Marktzugang. Die Gesellschaften begannen ihre Tätigkeit in den Nachbar-ländern Schweiz und Österreich, dehn-ten sie aber auch bis in die USA aus, wo deutsche Gesellschaften eine besonders starke Stellung einnahmen. In großem Stil betrieben nur wenige Versicherungs-unternehmen das Auslandsgeschäft. In diesem Zusammenhang sind insbeson-dere die 1879 gegründete Mannheimer

Unten: Werbung der Frankfurter Allgemeinen Versicherungs-AG (FAVAG) in den USA, 1928, ein Jahr vor dem Zusammenbruch der Gesellschaft.

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Versicherungsgesellschaft sowie die AachenMünchener zu nennen. Insge-samt stiegen die Prämieneinnahmen der deutschen Versicherer aus dem Aus-landsgeschäft von 90 Millionen Mark im Jahre 1902 bis auf knapp 170 Millionen Mark im Jahre 1913.

Einen schweren Rückschlag hatte der internationalen und auch der deutschen Versicherungswirtschaft das Erdbeben in San Francisco am 18. April 1906 ge-bracht. Von den eingetretenen Schäden waren 235 Millionen Dollar versichert. Obwohl in zahlreichen Fällen der Ein-schluss des Erdbebenrisikos zweifelhaft war, mussten die Gesellschaften zahlen, sofern sie es konnten. Betroffen waren auch sechs deutsche Erstversicherungs-unternehmen, von denen die Aachen-Münchener den größten Anteil mit knapp 3,5 Millionen Dollar und damit mehr als 80 Prozent der bei ihr versi-cherten Summen erbrachte. Deutsche Gesellschaften waren aber nicht nur als Erstversicherer, sondern auch durch das so genannte indirekte Geschäft an den Auswirkungen des Erdbebens von San Francisco beteiligt. Genaue Zahlen darü-ber gibt es nicht. Einige Gesellschaften haben die Schäden verkraftet, andere mussten liquidieren oder sich mit stärke-ren Unternehmen zusammenschließen. Für die großen kontinentalen professio-nellen Rückversicherungsunternehmen, die sich als leistungsfähig erwiesen, stellte das Erdbeben eine weltweit beachtete Bewährungsprobe dar.

Oben: Eine Police der Germano-Chilena Versicherung, eine der zahlreichen Versicherungsgründungen deutscher Auswanderer.

Unten: Die ebenfalls von deutschen Auswanderern gegründete Germano-Argentina, die eine eigene Pannenhilfe anbot.

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Die Entstehung der modernen Versicherung in Deutschland und Europa Mitte des 19. Jahrhunderts

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Wurzeln der Versicherung

Die Bayerische Rück

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1911 schlug die Geburtsstunde der Bayerischen Rück, damals noch «Bayeri-sche Rückversicherungsbank.» Gegründet wurde sie von der Bayerischen Hypothe-ken- und Wechsel-Bank, um deren Toch-tergesellschaft Bayerische Versicherungs-bank finanzielle Rückendeckung zu geben. Bei dieser Entscheidung spielte die Erfah-rung des Erdbebens von San Francisco im Jahr 1906 eine Rolle. Der unterneh-menseigene Rückversicherer sollte der Schwestergesellschaft bei ihrer Expansion Sicherheit geben, sich aber ansonsten aus der Risikoübernahme heraushalten.

Reichlich verhalten formulierte daher auch der Aufsichtsrat seine Erwartungen an die neue Tochter: «Ob die Wünsche und Hoffnungen […] erfüllt werden, kann allerdings jetzt noch nicht gesagt werden, da sich bei Versicherungsgesellschaften nie etwas Bestimmtes voraussagen lässt.»

1923 wurde die Versicherungsbank an Allianz und Munich Re verkauft. Bei der Transaktion wurde die für die Hypo überflüssig gewordene Bayerische Rückversicherung vergessen. Der Allein-vorstand Ernst Drumm, der von dem Verkauf am nächsten Tag aus der Zeitung erfuhr, legte sein Veto gegen einen nach-träglichen Verkauf der Rückversicherungs-tochter ein und ließ sich deren Aktien überschreiben. Im Jahr 1924 bot er die Mehrheit am Paket Swiss Re an. Die neue Tochter in München wurde für die Schweizer zum willkommenen Anker im deutschen Markt und betrieb seither «jede Art von Rückversicherung.»

Für die Bayerische Rück erwies sich die Aufnahme in die Familie der Swiss Re als Glücksfall. Im Jahr 1928 stand sie bereits auf Platz 7 der größten deutschen Rück-versicherer. Swiss Re, die während der Inflationsjahre vom starken Franken profitierte, erwarb Anteile an einigen gebeutelten deutschen Versicherungsun-ternehmen. Die Beteiligungen hielt sie entweder direkt in Zürich oder über die Bayerische Rück. Dieses Geflecht wurde Schweizer Club genannt, weil die Schweizer zwar ihre Interessen durchset-zen konnten, es sich aber nicht um eine Gruppe mit einheitlicher Leitung handelte.

In den Dreißiger Jahren lief es für die Bayerische Rück in geschäftlicher Hinsicht gut. Die Wirtschaftsbelebung ließ die Prämieneinnahmen auf 30 Millionen RM ansteigen. Während des Krieges ließen die florierende Rüstungsindustrie und der Wegfall ausländischer Rückversicherer die Einnahmen sogar auf 45 Millionen RM klettern. Da auch Swiss Re nicht mehr im deutschen Markt tätig sein durfte, kam der bayerischen Tochter die Aufgabe zu, das gesamte Deutschland-Geschäft zu verwalten.

Als die Bombenangriffe auf München immer stärker wurden, entschloss man sich zum Umzug. Weit weg aus München nach Münchsdorf in das Schloss der Familie von Aretin. Es war eine gute Ent-scheidung: Das Geschäftsgebäude in der Leopoldstraße 4 wurde 1945 getrof-fen, die oberen Stockwerke brannten aus.

Links: Hofrat Ernst Drumm in einer frühen Aufnahme.

Oben:Das Geschäftsgebäude der Bayerischen Rück an der Leopoldstraße 4 in München.

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Wurzeln der Versicherung

Nach dem Krieg waren die Bayerische Rück und Swiss Re aufgrund der stren-gen Devisenbestimmungen finanziell voneinander abgeschnitten. Beide mach-ten aus der Not eine Tugend: Swiss Re übertrug ihre Verträge mit deutschen Erstversicherern auf die Bayerische Rück und übernahm im Gegenzug deren aus-ländisches Geschäft. 1950 gab die Baye-rische Rück das Portefeuille mit einer satten Steigerung des Deutschland-Ge-schäfts zurück.

Nicht nur dank der Muttergesellschaft in Zürich hatte die Bayerische Rück nach dem Krieg vergleichsweise günstige Startbedingungen, auch ihre Akten waren im niederbayerischen Exil unbeschädigt geblieben, und das Bürogebäude in der Leopoldstraße war bald wieder beziehbar.

Die Wirtschaftswunderjahre brachen an. Erich R. Prölss, der bereits 1937 als jun-ger Rechtsanwalt zur Gesellschaft ge-stoßen war, wurde nun Vorstand der Bayerische Rück. Wie kaum eine andere Persönlichkeit hat Prölss die Kultur des Unternehmens geprägt. Er war es, der die Bayerische Rück als intellektuelles Unter-nehmen ausrich-tete. Pressekonferenzen fanden nicht in den üblichen Konferenz-sälen, sondern in der Bibliothek des Rück-versicherers statt.

Als bedeutender Versicherungsrechts-kommentator befasste sich Prölss mit den geistesgeschichtlichen Ausstrahlun-gen der Versicherung und hatte ein inni-ges Verhältnis zur Literatur. Diese sollte später auch den Werbeauftritt der Firma mitprägen.

In den folgenden Jahrzehnten etablierte sich die Bayerische Rück immer weiter als ein wichtiger Akteur auf dem internatio-nalen Rückversicherungsmarkt. Von 1955 bis 1965 hatte sich die Mitarbeiterzahl auf über 100 verdoppelt. Das rasche Wachstum machte eine Reform der Un-ternehmensstruktur nötig. Jürgen Sasse, der Nachfolger von Erich R. Prölss, leitete eine tiefgreifende Reform ein, die Anfang der 70er Jahre den Weg zu weiterem Wachstum ebnete. 1974 belegte die Bayerische Rück mit 654 Millionen DM Bruttoprämieneinnahmen den vierten Platz in Deutschland, weltweit war sie der neuntgrößte Rückversicherer.

Bei so viel Wachstum war das Haus an der Leopoldstraße im Laufe der Zeit zu klein geworden. Mit dem Umzug an den Sederanger erfand sich die Bayerische Rück geradezu neu. Unter der Leitung von Peter Frey sollten die Erfolgsgeschichte und die besondere Firmenkultur ihre Fort-setzung erfahren.

Oben: Erich R. Prölss leitete die Bayerische Rück von 1955 bis 1965.

Unten: Die Bayerische Rück war für Swiss Re Vorreiterin in moderner Architektur. Bürogebäude am Tucherpark in München. 1976, Architekt Uwe Kiessler.

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Mit zahlreichen Publikationen und – darin war die Bayerische Rück Vorreiter – einer eigenen Corporate Identity, entworfen von Otl Aicher, der auch den graphischen Auftritt der Olympischen Spiele 1972 gestaltete, unterstrich das Unternehmen seine Stellung im Markt und diente dabei auch der Muttergesellschaft in Zürich als Vorbild.

Die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts waren für die Bayerische Rück die erfolg-reichste Zeit ihrer Firmengeschichte. Ausgezeichnet mit einem Triple A und aufgerückt in die Top Ten der weltweit führenden Rückversicherer entwickelte sie sich zu einer selbstbewussten und eigenständigen Marke innerhalb der Swiss Re Gruppe. Ein Kurs, den auch Stefan Lippe als Vorstandschef der Baye-rischen Rück ab 1993 weiterverfolgte. Zwei Jahre später wurde er zusätzlich in die Geschäftsleitung der Konzernmutter berufen, wo er 2009 mittlerweile als CEO das Unternehmen erfolgreich sanierte.

2001 kam das Ende der Bayerischen Rück als eigenständige Marke. Im Zuge einer Reorganisation wurde aus der Bayerischen Rück nun Swiss Re Germany. Mit dieser Entscheidung endete die 90-jährige eigenständige Geschichte des Rückversicherers.

Oben: Mit der von Otl Aicher gestalteten Corporate Identity bestimmte die Bayerische Rück langfristig auch den professionellen Auftritt von Swiss Re.

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Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges schränkte sowohl die Tätigkeit ausländi-scher Versicherer in Deutschland als auch das Auslandsgeschäft der deut-schen Gesellschaften ganz erheblich ein. Soweit sich die Staaten im Kriegszu-stand befanden, waren die geschäftli-chen Aktivitäten ohnehin beendet. Dies galt insbesondere für die Beziehungen zu Großbritannien.

In Deutschland trat an die Stelle der Monarchie die Republik, wobei die bestimmende Gewalt von den überall gebildeten Arbeiter- und Soldaten-Räten ausgeübt wurde. Es herrschten innere Unruhen und Aufruhr. Versicherungs-schutz gegen die dadurch entstandenen Schäden bot die Aufruhrversicherung, für die jedoch nur sehr zurückhaltend geworben werden durfte. Nach dem Tagungsort der am 6. Februar 1919 in Weimar konstituierten Nationalver-sammlung sprach man von der Weima-rer Republik. Das neu gewählte Parla-

Vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg

Links: Hochwasser in Köln 1926. Infolge der fünffachen Menge an Regen stieg der Pegel-stand in diesem Jahrhunderthochwasser auf 10,96 Meter. 1993 und 1995 erlebte die Stadt weitere Jahrhundertfluten.

ment nahm am 22. Juni 1919 den Versailler Vertrag an, der auch Auswir-kungen auf die Versicherungswirtschaft hatte. Unternehmen der Siegermächte erhielten die gleiche Rechtsstellung wie deutsche Versicherer. In den abgetrenn-ten Gebieten, insbesondere Elsass- Lothringen, Eupen-Malmedy, Saarge-biet, Westpreußen und Oberschlesien, waren deutsche Versicherer von der Tätigkeit ausgeschlossen.

Gruppen- und KonzernbildungWesentlich schlimmer als die Beein-trächtigung der internationalen Bezie-hungen waren für die Versicherungswirt-schaft die Auswirkungen des Währungs-verfalls. Die Inflation brachte die schwierigste Phase in ihrer Geschichte. Betroffen waren alle Zweige, Versicherer und Versicherte. Da das Versicherungs-wesen auf eine Geldoperation ausge-richtet ist, litt es unter der Geldentwer-tung stärker als andere Wirtschafts-zweige. Zahlreiche ältere Gesellschaften

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Vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg

verkleinerten ihre Betriebe, suchten An-schluss an andere Unternehmen oder schlossen sich zu Interessengemein-schaften zusammen, so dass eine Reihe großer Konzerne in den Vordergrund trat. Gleichzeitig ging der Anteil der Versiche-rungsvereine auf Gegenseitigkeit zurück, weil sich große Gegenseitigkeitsversi-cherer in Aktiengesellschaften umwan-delten. Trotzdem kam es auch zu zahlrei-chen Neugründungen wie zu keiner Zeit sonst, weil die erforderliche finanzielle Kapitalausstattung bei dem wertlosen Geld problemlos aufgebracht werden konnte. Die neuen Gesellschaften ver-schärften den Wettbewerb, brachen aber nach der Stabilisierung der Wäh-

rung zu einem großen Teil wieder zusam-men. Eine wesentliche Aufgabe bestand darin, die Versicherungsbedingungen wichtiger Zweige dem ständigen Wäh-rungsverfall anzupassen, damit die Versi-cherungsleistung bei Eintritt des Versi-cherungsfalles nicht wertlos wurde. Be-sonders hart betroffen waren die Versicherten in der Lebensversicherung aufgrund der Entwertung der Versiche-rungssummen durch die Inflation.

Der Währungsverfall brachte für breite Bevölkerungsschichten erhebliche Ver-mögenseinbußen, für die sie einen Aus-gleich suchten. Daher kam es zur Entste-hung zahlreicher Lebens- und Kranken-

versicherungsunternehmen. Die bei weitem meisten deutschen Versiche-rungsunternehmen sind in den zwanzi-ger Jahren gegründet worden. Diese Feststellung gilt auch für die heute noch bestehenden Gesellschaften, obwohl eine Vielzahl von ihnen wieder vom Markt verschwunden ist. Das Reichsauf-sichtsamt für Privatversicherung musste während dieser Periode 250 Versiche-rungsunternehmen neu zum Geschäfts-betrieb zulassen.

Nach dem Ende der Inflation und der da-mit offenbar gewordenen weitreichen-den Verarmung vieler Menschen um die Jahreswende 1923/24 setzte schlagar-tig ein Zustrom zu den Versicherungsun-ternehmen ein, die den Ersatz der Kosten im Krankheitsfall anboten. Eine derartige Expansion war in der Entwicklung des Versicherungswesens bisher noch nicht beobachtet worden. Dieses Sicherungs-bedürfnis weiter Kreise beruhte auf dem Beispiel der Sozialversicherung, dem schlechten Gesundheitszustand der Be-völkerung in der Nachkriegszweit sowie den gestiegenen Behandlungskosten im Krankheitsfall. Während 1914 erst 43.000 Personen mit einem Beitrags-aufkommen von 2 Millionen Mark privat-versichert waren, verzeichnete die Spar-te zehn Jahre später einen Anstieg der Versicherten auf 2 Millionen bei einem Beitragsvolumen von 80 Millionen RM.

In der Zwischenkriegszeit setzte eine erhebliche Konzentration innerhalb der Versicherungswirtschaft ein. Der Erwerb von Beteiligungen diente der Stärkung des Vertriebs. Es wurde auch eine Viel-zahl schwach gewordener Unternehmen von stärkeren Gesellschaften übernom-men. Professionelle Rückversicherungs-unternehmen beteiligten sich im Hinblick auf die Rückversicherungsabgaben an Erstversicherern. Zusätzliche Verbrei-tung fanden die Versicherungsgruppen und -konzerne durch das von der Auf-sichtsbehörde schon seit Beginn ihrer Tätigkeit am Anfang des 20. Jahrhun-derts entwickelte Prinzip der Sparten-trennung, das für den Betrieb der Lebensversicherung ein selbständiges Unternehmen verlangt. Das Bestreben, möglichst alle Versicherungszweige im Interesse der Kunden und Vermittler «aus einer Hand» anbieten zu können, führte in verstärktem Maße zur Konzernbil-dung. Verbreitet waren aber auch lose Zusammenschlüsse wie beispielsweise die so genannten Rheinische Gruppen

Oben: Die Hyperinflation der Zwanziger Jahre führte dazu, dass wertlose Geldscheine zum Heizen verwendet wurden.

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Unten: Informationskampagne des Gesundheits- dienstes der deutschen Lebensversicherer in den 1930er Jahren.

um die AachenMünchener in Aachen und die Colonia in Köln. Der nach seinem Gründer Robert Gerling benannte Gerling-Konzern in Köln wurde zu einem starken Industrieversicherer. Zum größ-ten deutschen und europäischen Ver- sicherungskonzern entwickelte sich in der Zeit zwischen beiden Weltkriegen die Allianz, die eine Vielzahl von Erstver-sicherungsunternehmen aufnahm. Der bis dahin größte Zusammenschluss in der deutschen Versicherungsgeschichte fand 1927 zwischen der Allianz und dem Stuttgarter Verein statt. Die Allianz wur-de damit Marktführer in allen wichtigen Versicherungszweigen. Als im Jahre 1929 die angesehene Frankfurter Allge-meine Versicherungs-Aktien-Gesell-schaft wegen versicherungsfremder

Spekulationsgeschäfte zusammenbrach, wurde sie im Interesse der deutschen Versicherungswirtschaft und ihrer Kunden spontan von der Allianz gerettet, indem sie die Garantie für alle Verpflich-tungen aus den Versicherungsverträgen übernahm und den Versicherungsbe-stand auf eine neu gegründete Frank- furter übertrug. Es besteht Einigkeit darüber, dass durch diese solidarische Maßnahme die deutsche Assekuranz und ihre Versicherten vor großem Scha-den bewahrt worden sind. Der Zusam-menbruch hatte weitreichende Folgen. Die Versicherungsaufsicht wurde verstärkt, in das Aktienrecht eine Abschlussprüfung aufgenommen und für den Deckungsstock ein unabhängi-ger Treuhänder bestimmt.

Mit der Ausweitung des Geschäftes sowie der Gruppen- und Konzernbildung entstanden in der Versicherungswirt-schaft Großbetriebe mit einem erhebli-chen Personalbestand. Zur Einsparung von Kosten wurden erstmals Überlegun-gen zur Rationalisierung angestellt. Während die Schreibmaschinen schon Ende des 19. Jahrhunderts beim Stuttgarter Verein eingesetzt worden waren, kamen in den zwanziger Jahren Buchungsmaschinen, das Adrema- Verfahren zum Abdruck ständig wieder-kehrender Anschriften (Adressen) sowie ab 1925 Lochkartenmaschinen, deren Weiterentwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg zur elektronischen Datenver-arbeitung geführt hat.

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Vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg

erfolgten in Belgien und der Schweiz unter demselben Kürzel D.A.S. In Deutschland entstand 1928 die D.A.S. Deutscher Automobil Schutz sowohl zur Geltendmachung von Ansprüchen aus Verkehrsunfällen als auch zur Verteidigung in einem anhängig gemachten Strafverfahren. Die Gesell-schaft gehört inzwischen zur Ergo- Versicherungsgruppe.

Auf die Initiative des Rechtsanwalts und Notars Heinrich Faßbender geht die Er-richtung der Auto-Rechtsschutz-Aktien-Gesellschaft zurück, deren Abkürzung ARAG ebenfalls einen hohen Bekannt-heitsgrad erlangte. Ihre Leistungen entsprachen denjenigen des D.A.S. Versichert waren der Eigentümer und Halter eines Automobils sowie der jewei-lige Fahrer. Die ARAG steht nach wie vor in Familienbesitz und hat sich zu einem alle Sparten umfassenden Kon-zern entwickelt.

Unterm HakenkreuzWährend der Zeit des so genannten Dritten Reiches von 1933 bis 1945 stand die Entwicklung des deutschen Versicherungswesens unter dem Einfluss des Nationalsozialismus. Er bezog sich auf alle Bereiche, insbesondere die Be-triebe und ihre Mitarbeiter, die Organisa-tion der Versicherungswirtschaft, die Gesellschaften mit ihren Organen, die Versicherungsaufsicht, die Ausgestal-tung des Versicherungsschutzes sowie die Behandlung der Verträge jüdischer Versicherungsnehmer. Jedoch blieb der Wirtschaftszweig als solcher erhalten.

Das nach dem Ersten Weltkrieg mühe-voll wieder aufgebaute Auslandsge-schäft deutscher Versicherer schmolz im Hinblick auf die kritische Einstellung zu den Verhältnissen in Deutschland dahin. Auch ausländische Gesellschaf-ten erzielten im Deutschen Reich keine Prämieneinnahmen mehr.

Versicherungen um das AutoBegonnen hatte die deutsche Versiche-rungswirtschaft ihre Geschäftstätigkeit mit den klassischen Sparten der Feuer-, Transport- und Lebensversicherung, und zwar jeweils durch Spezialgesellschaf-ten, wie die Hagel- und Viehversiche-rungs-Gesellschaften. Von erheblicher Bedeutung war die Schaffung der Haft-pflichtversicherung.

Die so genannten technischen Versiche-rungen nahmen ihren Anfang zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Einführung der Maschinenversicherung durch Mün-chener Rück und Allianz, deren Ursprung auf englische Ansätze zurückgeht. Auch die Kreditversicherung, für deren Betrieb 1917 die Hermes in Hamburg gegründet wurde, hat britische Wurzeln.

Während der Eisenbahnverkehr zwar den Beginn der Unfallversicherung brachte, sie sich aber nicht in dem er-warteten Ausmaß entwickelte, war das mit dem Kraftfahrzeug ganz anders. Es begründete die wichtigste Sparte auf dem Gebiet der Schadenversicherung. Das Automobil wurde 1886 durch Gottlieb Daimler und Carl Benz in Deutschland erfunden und auch die auf ihm beruhende Kraftfahrtversicherung hat ihre endgültige Ausgestaltung in Deutschland erhalten, obwohl die Mas-senproduktion mit dem Fließband in den USA schon zu wichtigen Anfängen geführt hat. Im Jahre 1900 schloss der Stuttgarter Verein erstmals Haftpflicht-versicherungen für Automobil- und Motorradfahrer ab. Außerdem führte er eine so genannte Karambolage-Ver- sicherung ein, die sich jedoch auf Schäden beschränkte, die bei Zusam-menstößen mit fremden Kraftfahrzeugen entstehen. Ein Jahr später brachte die Agrippina eine Fahrzeug-Unfall-Versi-cherung auf den Markt, die in ihrem Deckungsumfang bereits der modernen Kasko-Versicherung entsprach.

Die durch das Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. Mai 1909 eingeführte Gefährdungshaftung für Kraftfahrzeughalter erleichterte die Geltendmachung von Schadenersatzan-sprüchen und brachte einen erheblichen Anstieg des Kraftfahrzeug-Haftpflichtge-schäftes. Der Abschluss des Vertrages war den Fahrzeughaltern jedoch nach wie vor freigestellt. Eine gewisse Ver-breitung fanden Versicherungs-Vereini-gungen von Pfarrern und Lehrern, die bei der Ausübung ihres Dienstes in ländli-chen Gegenden zunehmend das Kraft-fahrzeug nutzten. Besondere Bedeutung erlangte die 1933 in Weimar zunächst als eingetragener Verein gegründete Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraft-fahrender Beamter Deutschlands, die auf Drängen der Aufsichtsbehörde als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit umgegründet werden musste. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlegte die Kasse ihren Sitz von Erfurt nach Coburg und wurde unter der Kurzbezeichnung HUK-Coburg als großer Autoversicherer bekannt.

Nachdem in den dreißiger Jahren der Abschluss einer Kraftfahrzeug-Haft-pflichtversicherung für Fahrlehrer, das Droschkengewerbe und Fernlastwagen vorgesehen war, ordnete das Gesetz vom 7. November 1939 die Pflichtversi-cherung für alle Kraftfahrzeughalter an.

Aus dem Autoverkehr entwickelte sich in den zwanziger Jahren auch die moderne Rechtsschutzversicherung, erhielt ihre eigentliche wirtschaftliche Bedeutung aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie hatte ihren Ursprung in Frankreich, wo nach einem Autorennen in Le Mans 1918 die D.A.S. Défense Automobile et Sportive gegründet worden ist, um die Geschädigten nach einem Autorennen im Jahre 1917 bei der Durchsetzung ih-rer Ansprüche aus dem Unfallereignis zu unterstützen. Weitere Gründungen

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Folgende Seiten:Katasterpläne mit detaillierten Angaben zu Risikofaktoren halfen den Versicherern ihr Risiko besser zu kontrollieren. Im Bild die Speicher im Hamburger Hafen, aufgenommen 1901.

Schweizer GesellschaftenEine Ausnahme bildeten lediglich die Schweizer Versicherer, deren Beitrags-aufkommen sich nahezu verdoppelte. Dies beruhte darauf, dass die deutsche Wirtschaft und die Bevölkerung großes Vertrauen in die schweizerischen Unter-nehmen setzten, weil das Land neutral und finanzkräftig war. Durch den Erwerb der Bayerischen Rückversicherung AG im Jahre 1924 war die Schweizer Rück am deutschen Versicherungsmarkt auch kapitalmäßig vertreten. Aufgrund der starken schweizerischen Währung war sie in der Lage, den durch die Inflation geschädigten deutschen Erstversiche-rungsunternehmen, mit denen Rückver-sicherungsbeziehungen bestanden, finanziellen Beistand zu leisten. Auf die-se Weise kam es zu Beteiligungen am Aktienkapital namhafter Gesellschaften, die entweder unmittelbar von Zürich aus oder über die Bayerische Rück gehalten wurden. Derartige Verbindungen bestanden im Bereich der Schadenver- sicherung mit der Magdeburger Versi-cherungsgruppe sowie der Württember-gischen, auf dem Gebiet der Lebens- versicherung mit der Allgemeinen Rentenanstalt und der Eos sowie hin-sichtlich der Krankenversicherung mit der 1913 als ältester deutscher Kranken-versicherungs-Aktiengesellschaft ge-gründeten Central Krankenversicherung und der 1928 durch Zusammenschlüsse entstandenen Vereinigten Krankenversi-cherung. Da es sich weder um eine Ver-sicherungsgruppe noch um einen Kon-zern mit einheitlicher Leitung handelte, sprach man vom Schweizer Club. Der Zusammenhalt ergab sich im Wesentli-chen über die Besetzung der Aufsichts-räte. Dieses Beteiligungssystem über-dauerte den Zweiten Weltkrieg ebenso wie die Rückversicherungsbeziehungen deutscher Gesellschaften zur Schweizer Rück. Aus parteiinternen Interessen musste lediglich die Central Krankenver-sicherung an die Agrippina veräußert werden. Mit der Übernahme dieser Gesellschaft durch die Zürich kam sie vorübergehend in Schweizer Besitz und wurde von der AachenMünchener erworben.

Eine erhebliche räumliche Ausdehnung des deutschen Versicherungsgeschäftes erfolgte mit der Übernahme des Suden-tenlandes, der Eingliederung Österreichs und der eroberten Ostgebiete.

Oben: Propaganda der deutschen Lebensversicherer in den 1930er Jahren.

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Oben: Aus dem Geschäftsbericht der Wirtschaftsgruppe Privatversicherung, 1935–37.

Unten: Die Reichsmark, von 1924 bis 1948 das offizielle Zahlungsmittel in Deutschland.

Jüdische Mitarbeiter wurden aus den Bereichen des Versicherungswesens hi-nausgedrängt. Nach einer Verordnung des Jahres 1938 konnte leitenden Ange-stellten mit einer Frist von sechs Mona-ten gekündigt werden. Für die Betriebs-führer war die Mitgliedschaft in der NS-DAP praktisch Pflicht. Der amerikanische Wirtschaftshistoriker Gerald D. Feldman hat darauf hingewiesen, dass es unhisto-

risch und unrealistisch wäre zu erwar-ten, dass Wirtschaftsleute in besonde-rem Maße zu Protagonisten des Wider-stands würden. Es gibt jedoch Beispiele dafür, dass es möglich gewesen ist, ge-wisse Grenzen beim Umgang mit dem Regime nicht zu überschreiten, wie dies insbesondere der Vorstandsvorsitzende der Leipziger Versicherungs-Gesellschaf-ten Johannes Tiedke zeigte.

Aufgelöst wurde das Verbandswesen der Versicherungswirtschaft, namentlich der auf das Jahr 1911 zurückgehende Reichsverband der Privatversicherung als Dachorganisation der privaten Versi-cherungs-Fachverbände. An ihre Stelle traten die Reichsgruppe Versicherungen unter der Leitung des früheren Ver-bandsvorsitzenden Eduard Hilgard, dem es zu verdanken ist, dass die Struktur der

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Oben: Durch spekulative Geschäfte geriet die 1865 gegründete FAVAG in den 1920er Jahren mehr und mehr in Schwierigkeiten und musste 1929 Insolvenz anmelden. Die Versicherungsgeschäfte des einst führenden Glasversicherers allerdings waren gesund und wurden in der Folge von der Allianz weitergeführt.

deutschen Assekuranz während der Zeit des Nationalsozialismus im Großen und Ganzen gewahrt blieb. Einfluss wurde jedoch auf die Ausgestaltung einzelner Versicherungsunternehmen genommen, beispielsweise die gewerkschaftlichen und genossenschaftlichen Versiche-rungsgruppen sowie konfessionelle Bezeichnungen in Firmen.

NovemberpogromeIn der Nacht vom 9. Zum 10. November 1938 wurden von der nationalsozialisti-schen Regierung Pogrome gegen die j üdischen Bürger in Deutschland organi-siert. Im Hinblick auf die vielen zertrüm-merten Glasscheiben wurden sie auch unter der zynisch-verharmlosenden Be-zeichnung «Reichskristallnacht» bekannt. Es wurden fast alle Synagogen und mehr als 7.000 Geschäfte, darunter 29 Wa-renhäuser, zerstört. Im Verlauf des Pog-roms fanden 91 Personen den Tod. Mehr als 30.000 Juden wurden verhaftet und zeitweilig in Konzentrationslager einge-liefert, um sie zur Ausreise zu drängen. Die versicherten Schäden beliefen sich auf rund 45 Millionen Reichsmark. Für deren Regulierung war der Generalfeld-marschall Hermann Göring zuständig. In einer Verordnung vom 12. November 1938 bestimmte er, dass alle Schäden, «welche durch die Empörung des Volkes über die Hetze des internationalen Judentums gegen das nationalsozialisti-sche Deutschland» im November 1938 an jüdischen Gewerbebetrieben und Wohnungen entstanden sind, von dem jüdischen Inhaber oder jüdischen Ge-werbetreibenden sofort zu beseitigen seien. Sie hatten auch die Kosten der Wiederherstellung zu tragen. Versiche-rungsansprüche von Juden deutscher Staatsangehörigkeit wurden zugunsten des Reiches beschlagnahmt. Die Versi-cherungswirtschaft berief sich auf Leis-tungsfreiheit wegen Innerer Unruhen, konnte sich damit aber nicht durchset-zen. Sie regulierte die von ausländischen Juden und Nichtjuden angemeldeten Pogromschäden im Kulanzweg. Für alle übrigen Schäden führte sie eine Pau-schalsumme von 1,5 Millionen RM an die Reichskasse ab. Deutsche Rückversi-cherer konnten daran beteiligt werden. Von einer Heranziehung ausländischer Rückversicherungsunternehmen sollte mit Rücksicht auf die Vertraulichkeit der Angelegenheit abgesehen werden.

Erhebliche Benachteiligungen erlitten jüdische Versicherungsnehmer in der

Privaten Krankenversicherung und der Lebensversicherung. Einige Gesellschaf-ten kündigten von sich aus die Kranken-versicherungsverträge mit Juden. Im Übrigen endeten die Versicherungsver-hältnisse zum 30. April 1940, was den betroffenen Versicherungsnehmern durch eingeschriebenen Brief mitzutei-len war. In der Lebensversicherung

wurden für viele jüdische Versicherungs-nehmer Rückkäufe und Umwandlungen in beitragsfreie Versicherungen deshalb erforderlich, weil sie wirtschaftlich nicht mehr in der Lage waren, die Versiche-rungsbeiträge aufzubringen. Häufig war der Rückkauf für auswanderungswil-lige Juden die einzige Möglichkeit, um diskriminierende Sonderabgaben, wie

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Vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg

Unten: Sitz der Union Rück in Zürich. Die Union Rück wurde 1923 von der Münchener Rück in Zürich gegründet. 1988 übernahm Swiss Re das Unternehmen.

insbesondere die Reichsfluchtsteuer, entrichten zu können. Der staatliche Zu-griff auf die Lebensversicherungen jüdi-scher Versicherungsnehmer geschah in der Weise, dass ihr Vermögen, zu dem auch die Versicherungsansprüche ge-hörten, dem Reich verfiel, sofern sie ins Ausland gingen. Die Versicherungsunter-nehmen hatten bestehende Verträge an-zumelden, die dann von den staatlichen Stellen eingezogen wurden. In gleicher Weise verloren Juden, die zwangsweise in ein Konzentrationslager verbracht wurden, ihr Vermögen. Da die Wieder-

gutmachung von Schäden aus Lebens- und Rentenversicherungen durch die Bundesrepublik Deutschland als nicht ausreichend angesehen wurde, ist 1998 eine Internationale Kommission zur Ab-wicklung von Versicherungsansprüchen von Holocaust-Opfern (International Commission on Holocaust Era Insurance Claims - ICHEIC) in New York mit dem Ziel gegründet worden, ein Verfahren zur Identifizierung und Entschädigung noch nicht ausgezahlter Versicherungspolicen von Nazi-Opfern zu erarbeiten, die zuvor noch nicht entschädigt worden waren.

In Deutschland wurde die rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts «Erinne-rung, Verantwortung und Zukunft» er-richtet, in die von den Mitgliedsunter-nehmen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) e.V. 500 Millionen DM einge-bracht wurden. Im Jahre 2007 hatte die Kommission rund 11.500 Policen ent-schädigt und ihre Tätigkeit beendet, so dass die Branche letztlich die an den Staat geflossenen Versicherungssum-men entschädigt hat.

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Die jüngste Erwerbung von Swiss Re auf dem deutschen Rückversicherungsmarkt ist Frankona, die im Zuge der Übernahme von GE Insurance Solutions in Swiss Re integriert wurde. Es ist ein Neuzugang mit einer bewegten Vergangenheit. Bei ihrem 100. Geburtstag 1986 war Frankona schon fünfmal umgezogen und hatte dabei auch noch ihren Namen geändert.

1840 war in Mannheim die Badische Schifffahrts-Assekuranz-Gesellschaft gegründet worden. 1886 rief das Unter-nehmen die «Badische Rück- und Mit- Versicherungs-Gesellschaft, Aktienge- sellschaft, Mannheim» ins Leben. Ihre Aktivitäten lagen zu Beginn ausschließlich auf Rückversicherung in der Transport-branche, der Feuer- und Unfallsparte so-wie im direkten Geschäft in der Trans-portversicherung.

Vom Start weg zog es die Badischen Rückversicherer in alle wichtigen Märkte Europas, vor allem nach Osteuropa und in die USA. Das Übersee-Engagement kam das Unternehmen 1906 teuer zu stehen. Das Erdbeben in San Francisco kostete Millionen, konnte aber ohne Kre-ditinanspruchnahme gedeckt werden.

1907 schloss die Badische Rück- und Mit-Versicherungs-Gesellschaft einen In-teressengemeinschaftsvertrag mit der Frankfurter Transport-, Unfall- und Glas-versicherungs-AG, der späteren Frankfur-ter Versicherungs-AG. Das Finanzzentrum Frankfurt schien den Mannheimern deut-lich attraktiver als die Heimatstadt, denn

Frankona Rück

im gleichen Jahr verkaufte die Gesell-schaft ihr Geschäftsgebäude und zog nach Frankfurt. Der alte Name passte nun nicht mehr: Die Badische Rück- und Mit-Versicherungs-Gesellschaft wurde zur Frankona Rück- und Mit-Versicherungs-Gesellschaft. 1915 löste die Frankona die Verbindung zur Frankfurter Versiche-rungs-AG und zog nach Berlin um.

Der Erste Weltkrieg brachte eine schwere Zäsur: Der Verlust vieler Mitarbeiter im Krieg und die Zwangsliquidation des Aus-landsgeschäfts, etwa in den USA 1917. Besonders dramatisch waren die Einbußen im Osten Europas: Das Geschäft in Russland ging vollständig verloren, als 1922 die Sowjetunion ausgerufen wurde.

Ein wirtschaftlicher Aufschwung setzte nach der Weltwirtschaftskrise in den Dreißiger Jahren ein. Die Rüstungspolitik der Nationalsozialisten führte zu einer Zeit ökonomischer Erholung. Die Frankona un-terhielt in der Zeit Geschäftsbeziehungen zu 23 Ländern. Ihre Finanzkraft war welt-weit geschätzt.

1945 war davon nicht mehr viel übrig. Das Unternehmen begann sprichwörtlich bei Null. Das Auslandsgeschäft war verlo-ren, Verbindungen ins Ausland waren untersagt, der größte Teil der Aktiva wertlos. Das geteilte Berlin bot der Fran-kona keine Zukunftsperspektive.

Die Frankona ging ins Badische zurück, diesmal nach Heidelberg. In den Fünfziger Jahren nahm das Geschäft der Frankona wieder Fahrt auf.

Neue Märkte wurden gewonnen, etwa Asien, und auf alte, die Ostblockstaaten, kehrte sie langsam zurück. 1958 stand Frankona auf Platz 8 der weltweit größ-ten Rückversicherer. Der nächste Umzug führte die Gesellschaft nach München. Schon damals ein weltweites Zentrum der Rückversicherung.

1961 endete für die Frankona die Zeit der Unabhängigkeit. Der Gerling-Konzern erwarb die Mehrheit am Kapital. Die Siebziger und Achtziger Jahre waren Dekaden des Wachstums für das Unter- nehmen. Vor allem in Nordamerika sah Frankona Expansionsmöglichkeiten und gründete dort eine Tochter und ein Branch Office.

1997 wurde die Frankona Rückversiche-rungs-AG von Employers Reinsurance Corporation (ERC) übernommen. Ihr neuer Name: ERC Frankona. Ein Jahr später wurde die ERC Aachener Rückversiche-rungs-Gesellschaft AG, die 1996 von ERC übernommen worden war, in die ERC Frankona integriert.

2006 übernahm Swiss Re GE Insurance Solutions. GE Frankona wurde als Swiss Re Frankona in die Swiss Re Gruppe integriert. 2009 schließlich verschwand auch der Name Frankona, als das gesamte Rück-versicherungsgeschäft auf die Swiss Re Europe S.A. in Luxemburg überging.

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Swiss Re

Das 19. Jahrhundert war von schnellem und tiefgreifendem Wandel geprägt. Die Bevölkerungszunahme sowie das Wachstum beim Handel und in der Industrie führten zu einem exponentiellen Anstieg beim Risiko. Daher wurden für die Übernahme und die Verteilung des Risikos große, gut kapitalisierte Rückver-sicherer nötig. Swiss Re wurde 1863 zur Deckung dieser Nachfrage gegründet und ist zu einem weltweit führenden Rück-versicherer geworden.

Aus der Asche...Durch die schnelle Industrialisierung und Urbanisierung im 19. Jahrhundert kam es zu einer Konzentration des Risikos. Daher mussten die Versicherer ihre Portefeuilles diversifizieren und einen Teil des Risikos weitergeben. Es entstand ein wachsender Markt für unabhängige Rückversicherer, welche die Risiken der Versicherer über-nahmen und aufsplitteten. Große Risiken waren damals oft im Rahmen einer Mitversicherung zwischen mehreren Versicherern aufgeteilt worden. Der Nachteil dieses Vorgehens war, dass sich Konkurrenten gegenseitig Zugang zu ihren Büchern gewähren mussten.

Eine Lösung war die Rückversicherung über die Landesgrenzen hinweg. Dies bedeutete aber wiederum, dass Kapital außer Landes floss.

Die ersten spezialisierten Rückver- sicherungsgesellschaften wurden vor allem zur Verhinderung eines solchen Kapitalabflusses und zur Stärkung der einzelnen Volkswirtschaften gegründet. Große Katastrophen wie der Hamburger Brand und das Feuer in Glarus 1861 trugen ebenfalls zur steigenden Nachfrage nach einer Risikoteilung bei, die über diejenige zwischen lokalen Versicherern hinausging. So entstand nach dem Brand in Hamburg von 1842 der erste spezialisierte Rückversicherer, die Kölnische Rück.

Die Anfänge von Swiss Re werden normalerweise mit einem verheerenden Feuer in Verbindung gesetzt, das die florierende Schweizer Stadt Glarus im Mai 1861 zerstörte. Die Versicherer vor Ort sahen sich mit Schadenersatzfor-

Die Entstehung eines weltweit tätigen Risikoexperten Die Entstehungsgeschichte von Swiss Re als global tätiges Unternehmen im Bereich Risikoübernahme und -management steht in engem Zusammenhang mit den einschneidenden sozialen, wirtschaftlichen und politischen Veränderungen, die sich in den letzten 150 Jahren vollzogen haben.

Standorte von Swiss Re Niederlassungen 1983.

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derungen in der fünffachen Höhe ihrer Rückstellungen konfrontiert. Dies zeigte, welche Bedrohung für die Schweizer Versicherungsbranche von großen Katastrophen ausging, und dass eine finanzielle Absicherung dagegen nötig war.

Die Schweizer Versicherungsbranche reagierte schnell: Bereits 1861 wurde die Feuerversicherungsgesellschaft Helvetia Feuer gegründet. Ihr Direktor, Moritz Grossmann, schlug dann die Gründung eines spezialisierten Schweizer Rückver-sicherers vor. Allerdings führte er als Hauptargument an, dass damit der Abfluss von Rückversicherungsprämien ins Ausland gestoppt werden könne.

Die Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft öffnete am 19. Dezember 1863 in Zürich ihre Tore. Das Aktienkapital betrug 6 Mio. Franken. Zum heterogenen Investorenkreis gehörten auch zwei Schweizer Banken.

Von links nach rechts: Giuseppe (Josef) Besso (1839–1901) aus der Triester Familie, die die Generali Versicherung leitete. Generaldirektor von Swiss Re von 1865–1879. Charles Simon (1862–1942), Generaldirektor von Swiss Re von 1900–1919 und späterer Verwaltungsratspräsident.

Erwin Hürlimann (1880–1968), der erste schweizerische Generaldirektor 1919–1930, danach Verwaltungsratspräsident bis 1958 und Ehrenpräsident bis 1966.

Unten: Moritz Ignaz Grossmann (1830–1910), Direktor der Helvetia Versicherung und Gründer von Swiss Re.

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Swiss Re

Grundlagen für den ErfolgDie ersten Geschäftsführer von Swiss Re legten den Grundstein für die Rückver- sicherungsprinzipien, die dann von den Entscheidungsträgern späterer Genera- tionen übernommen wurden. Swiss Re war als internationales Rückversicherungs-unternehmen aufgebaut worden und achtete von Beginn an auf eine geogra-phische Streuung der Risiken, auf starke Kundenbindungen und auf eine breite Kapitalbasis.

Die ersten Jahre waren anspruchsvoll. Die Rückversicherung war noch jung und ausgeklügelte Risikomanagement-Tools fehlten. Außerdem war der Erstversiche-rungsmarkt alles andere als transparent. Die Beziehungen beruhten daher auf Treu und Glauben – unvergleichbar mit der heutigen von komplexen Transaktionen und Vereinbarungen geprägten Situation.

Grossmann wandte sich an Giuseppe Besso, Mitglied einer bekannten italieni-schen Familie mit Verbindungen zur Generali Versicherung. Als Geschäftsführer kümmerte sich Besso um die internatio-nale Diversifizierung und den Aufbau von Swiss Re zum finanzstarken und unab-hängigen Rückversicherer.

Frühe DiversifizierungSwiss Re war von Anfang an international orientiert. Nur zwei der ersten 18 Verträge wurden mit Schweizer Versicherern geschlossen.

Um die Jahrhundertwende rückversicherte Swiss Re Risiken in Europa, den USA, Lateinamerika, Russland und Asien. Ein globales Netzwerk wurde aufgebaut, Geschäftsstellen in Übersee eröffnet und eine Strategie für das direkte Underwriting in wichtigen internationalen Märkten erarbeitet.Links:

Gründungsurkunde von Swiss Re, unterschrie-ben vom Staatsschreiber und Schrift- steller Gottfried Keller, 19. Dezember 1863.

Rechts: Der erste Vertrag von Swiss Re vom 1. Januar 1864 mit der Helvetia Allgemeinen in St. Gallen.

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Zu dieser Zeit begann Swiss Re auch damit, ihr Portefeuille über eine wachsende Anzahl von Sparten hinweg zu diversifi-zieren. 1864 wurde die erste Transport-rückversicherung abgeschlossen, 1865 wurden die ersten Lebensrückversiche-rungsverträge ausgestellt, 1881 wurde der erste Unfall- und Krankenrückversi-cherungsvertrag unterzeichnet und 1901 die erste Motorfahrzeugrückversicherung.

Die Form der Verträge entwickelte sich ebenfalls weiter. Es gab nicht mehr nur die Möglichkeit, einen Anteil der Schäden eines Versicherers zu übernehmen. Swiss Re begann, Rückversicherungen anzubieten, bei denen Schäden oberhalb einer vereinbarten Schadenhöhe bezahlt wurden. 1890 wurde der erste Schaden-exzedentenvertrag unterzeichnet. Diese Vertragsart ermöglichte es den Rückver-sicherern, sich auf die weniger häufigen Katastrophenrisiken zu konzentrieren.

Man könnte sagen: Das Zeitalter der modernen Rückversicherung hatte begonnen.

Katastrophenschäden Die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhun-derts waren von Wachstum bei den inter-nationalen Exposures und großen Einzel-risiken geprägt. Die Spanische Grippe führte 1918 zu einem Verlust für Swiss Re in Höhe von 1 Mio. Franken. Auch die Titanic, die 1912 sank, war von Swiss Re rückversichert.

Wirklich aufgerüttelt wurde die Branche durch das San Francisco Erdbeben von 1906. Das Beben und die in der Folge in vielen Stadtteilen ausgebrochenen Feuer veränderten den Markt grundlegend. Das Ausmaß der Zerstörung zwang die Versicherer dazu, sich über potenzielle Schadengrößen und die Wichtigkeit von gut kapitalisierten Gegenparteien Gedanken zu machen.

Drei Jahre nach dem Erdbeben war San Francisco dank der Schadenersatz-zahlungen der Versicherer und Rückver-sicherer praktisch wieder aufgebaut. Die Mehrheit der Schäden war von Unternehmen aus dem Ausland bezahlt worden. Dies zeigt, wie globalisiert die Branche bereits war.

Für Swiss Re bedeutete das Erdbeben den größten Einzelschaden relativ zu den Nettoprämien in der Geschichte des Unternehmens. Dadurch konnte sich aber auch die Marke Swiss Re in den USA etablieren. Mit ihr wurde fortan eine finanzstarke und verlässliche Partner-schaft verbunden.

Nur gerade vier Jahre später eröffnete Swiss Re eine Niederlassung in New York und wurde zu einem wichtigen Teil des US-amerikanischen Versicherungsmarkts.

Globaler MarktzugangUm in Zukunft auf Katastrophen in der Art des San Francisco Erdbebens vorbereitet zu sein, musste sich Swiss Re weiter diversifizieren. Also tätigte das Unter-nehmen einige Akquisitionen, durch die nicht nur eine internationale Risikovertei-lung, sondern auch der Zugang zu Neu-geschäft geschaffen wurde – besonders dort, wo starke Bindungen zwischen lo-kalen Versicherern und Rückversicherern organisches Wachstum erschwerten.

Dank der frühen Akquisitionen konnte Swiss Re in den äußerst wichtigen Märkten von London und Deutschland Fuß fassen. Das Unternehmen erwarb 1915 Beteiligungen an der Scottish Mercantile and General Insurance Company (M&G) und 1924 an der Bayerischen Rückversicherung.

FinanzkriseDer Börsencrash 1929 und die Welt-wirtschaftskrise zeigten das Exposure der Versicherer und Rückversicherer gegenüber bedeutenden Risiken auf der Aktivseite der Bilanz.

Swiss Re schrieb Vermögenswerte in Höhe von beinahe 26 Mio. Franken ab und entnahm 1931 rund 30 Mio. Fran- ken aus den Reserven, um die Rekord-schäden zu decken. Für Swiss Re be-deutete die Krise aber auch den Anfang eines bewussteren Asset Managements, das heute ein wichtiges Risikomanage-ment-Tool für Versicherer und andere Unternehmen ist.

Eine veränderte WeltAls die deutschen und russischen Rück-versicherer während der beiden Welt-kriege vom internationalen Handel aus-geschlossen waren, konnte Swiss Re in den USA eine marktführende Position erlangen. Allerdings wurden die Möglich-keiten der Rückversicherer zur Risiko-verteilung durch die völlig veränderten Rahmenbedingungen nach dem Zweiten Weltkrieg eingeschränkt.

Einige Märkte waren schlicht nicht mehr erreichbar. So verschwanden Zentral- und Osteuropa hinter dem Eisernen Vorhang, und die Rückversicherungen in Brasilien und Indien wurden verstaatlicht. Gleichzeitig durchlebten andere Märkte einen Boom bei den Konsumausgaben. Dadurch entstanden größere Risikokon-zentrationen in Märkten wie den USA und Europa.

Swiss Re versuchte weiterhin, sich nach Regionen und Produkten zu diversifizieren, und erreichte eine führende Präsenz in neuen Märkten wie Kanada, Australien, Südafrika und Asien sowie in schnell wachsenden Branchen wie Energie und Luftfahrt.

NachkriegsboomNach dem Zweiten Weltkrieg führten der Technologieboom und die zunehmende Risikokonzentration in den reifen Märkten zu einer wachsenden Nachfrage nach Risikomanagement und größerer Fach-kompetenz seitens der Versicherer und Rückversicherer. Daher verpflichtete sich Swiss Re, ihr Risikofachwissen zu teilen. Dies wurde zu einem wichtigen Bestandteil der Geschäftskultur und ein Markenzei-chen von Swiss Re.

1960 wurde das Swiss Insurance Training Centre (SITC) gegründet. Es bot technische Schulungen – vor allem für Versicherer aus Schwellenländern. Die wirtschaftswis-senschaftliche Flaggschiff-Publikation «sigma» von Swiss Re erschien erstmals 1968. Die in den Berichten publizierten Daten und Analysen werden nach wie vor sehr geschätzt.

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Fokus auf das Kerngeschäft Als Reaktion auf das wachsende Risiko-management und den Trend hin zu mehr Selbstbehalt in den 1980er Jahren begann Swiss Re ihr Dienstleistungsangebot auszuweiten. Versicherungsdienstleis-tungsunternehmen wurden akquiriert und die Präsenz im Erstversicherungsmarkt verstärkt.

Da sich die Geschäftsmodelle von Ver- sicherungs- und Rückversicherungsunter-nehmen jedoch stark unterscheiden, traf eine neu zusammengesetzte Ge-schäftsleitung 1994 die strategische Entscheidung, dass sich die Geschäfts- tätigkeit des Unternehmens wieder voll auf die Rückversicherung konzentrieren sollte. Swiss Re reinvestierte den Erlös aus dem Verkauf des Erstversicherungs-geschäfts mit dem Ziel, der größte Rückversicherer der Welt zu werden. Die Katastrophenexponierungen nahmen zu und die Risikolandschaft wurde immer komplexer und globalisierter. Dadurch wuchs die Nachfrage nach großen, gut kapitalisierten und erstklassigen Kapital- und Risikoverwaltern.

Swiss Re passte sich an die veränderte Situation an, baute ihr Lebensrückver- sicherungsgeschäft aus, entwickelte Möglichkeiten für einen Transfer von Risiken an die Kapitalmärkte, stärkte ihre Abteilung für direkte Unternehmensver-sicherung und globalisierte ihre Nichtle-benrückversicherungstätigkeiten weiter.

Swiss Re war in den 1970er Jahren einer der ersten Rückversicherer gewesen, der die Bedeutung der Schwellenländer erkannte. In wichtigen Märkten wurden Geschäftsstellen eröffnet – mit dem Ziel, durch die lokale Präsenz starke Bezie-hungen und Fachkompetenz aufzubauen. Seit Neuestem verfügt Swiss Re über Lizenzen in Korea, China, Japan und Taiwan.

Oben: Das erste Büro von Swiss Re in der ersten Etage der Schoffelgasse 1 in Zürich (das Haus in der Mitte).

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Oben: Das erste eigene Geschäftshaus von Swiss Re am Mythenquai in Zürich. 1913, Architekt: Alexander von Senger.

Unten: Das für 2017 geplante neue Geschäftsgebäude von Swiss Re in Zürich. Architekten: Diener & Diener.

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In den 1990er Jahren nahm Swiss Re weitgehend ihre gegenwärtige Form an, bei der das Unternehmen mit einer einzigen Marke und einer globalen Kapi-talbasis operiert. So werden die Finanz- stärke, die Fachkompetenz und die Tools für die Kunden von Swiss Re am besten nutzbar und das Unternehmen bleibt für eine breite Anlegerschaft attraktiv.

Neue RisikotransfermöglichkeitenNachdem Hurrikan Andrew 1992 den bis dahin größten Versicherungsschaden aller Zeiten verursacht hatte, ging Swiss Re mit der Credit Suisse eine Partnerschaft ein – mit dem Ziel, alternative Finanz- und Risikotransfer- lösungen zu erarbeiten.

In den 1980er Jahren hatten Neuerungen bei der versicherungsmathematischen Modellierung und ein wachsendes Inter-esse am Hedging von Risiken dazu geführt, dass Swiss Re die Trends an den Kapitalmärkten genauer unter die Lupe nahm und zukunftsweisende Finanzpro-dukte für bestehende und neue Kunden entwickelte. Das Wachstum beim Geschäft mit Finanzprodukten bedeutete die Über-schreitung einer Grenze. Durch den Schritt von Swiss Re entstand eine dauerhafte Beziehung zwischen den Rückversicherern und den Kapitalmärkten.

Es war der Anfang einer neuen Ära: Die Kapitalmärkte standen nun als Quelle für zusätzliche und komplementäre Kapazität offen. Innovative Produkte wurden entwickelt, z.B. erste Insurance-Linked Securities, Public Private Partnerships und Lösungen, die parametrische Trigger beinhalteten.

Marktkonsolidierung und ExpansionIn den 1990er Jahren und den ersten Jahren des neuen Jahrtausends stärkte Swiss Re ihre Position durch die Akqui-sition von Konkurrenten in verschiedenen Märkten.

Eine Reihe von Übernahmen wurden zwischen 1995 und 2001 im Lebens-rückversicherungsmarkt der USA getätigt. Damit stieg der Anteil von Swiss Re im Lebensrückversicherungsmarkt der USA

auf rund 25%. Das Unternehmen über-nahm die Marktführerschaft. Die Über-nahme von Life Re beinhaltete Chancen im Hinblick auf AdminRe®, die auf den Kauf und die Verwaltung von Run-off- Geschäft spezialisierte Geschäftseinheit von Swiss Re.

Die größte Akquisition in Höhe von 7,6 Mrd. US-Dollar tätigte Swiss Re 2006, als sie GE Insurance Solutions, den damals fünftgrößten Rückversicherer der Welt, übernahm. Die Transaktion festigte die führende Stellung von Swiss Re im Rück-versicherungsmarkt der USA.

Schwierige ZeitenDer 2001 verübte Terroranschlag auf das World Trade Center kostete nicht nur rund 3000 Menschenleben und verur-sachte Sachschäden in Milliardenhöhe, er veränderte auch die Denkweise der Versicherer in Bezug auf das potenzielle Ausmaß von Schäden und die Vernetzung scheinbar voneinander unabhängiger Risiken.

Swiss Re hatte die Hälfte der 3,5 Mrd. US-Dollar hohen Deckung für das World Trade Center gezeichnet und die Schäden aus dem Ereignis trugen zum ersten Reinverlust von Swiss Re seit 1868 bei. Schließlich urteilte ein New Yorker Gericht zugunsten von Swiss Re und anderen Versicherern im größten Versi-cherungsprozess aller Zeiten. Es wurde entschieden, dass der Anschlag nicht – wie der Pächter der Zwillingstürme und Bauunternehmer Larry Silverstein geltend machen wollte – zwei, sondern nur ein Ereignis war.

Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts stellten sich neue Fragen im Hinblick auf die Versicherbarkeit einiger großer Risiken. Hurrikan Katrina, der die bis dahin umfang-reichsten durch eine Naturkatastrophe verursachten Schäden zur Folge hatte, kostete Swiss Re 1,2 Mrd. US-Dollar. Die Widerstandsfähigkeit der Versicherungs-industrie wurde unter Beweis gestellt. Sechs Jahre nach der verheerenden Hurrikan-Saison 2005 wurde die Branche wiederum von verschiedenen Naturkatas-trophenereignissen getroffen, diesmal in

der Pazifik-Region: Überschwemmungen in Australien, Erdbeben in Neuseeland und Japan – gefolgt von einem Tsunami – und Überflutungen in Thailand.

Wie die meisten Großunternehmen blieb auch Swiss Re 2008 nicht von der Finanzkrise verschont und musste einen Verlust von 864 Mio. Franken ausweisen, hauptsächlich aufgrund von Anlagever-lusten und der Performance von zwei Credit Default Swaps.

Nach einer Risikoentlastung ihres Anlage-portefeuilles und einer Fokussierung auf das Rückversicherungskerngeschäft ging Swiss Re als ein führendes Unternehmen am Rückversicherungsmarkt aus der Krise heraus. Im Oktober 2011 hob Stan-dard & Poor’s das Finanzstärke-Rating von Swiss Re auf AA– an und würdigte damit den Umgang des Unternehmens mit der Krise.

Der Zukunft entgegen2011 hat Swiss Re eine neue rechtliche Holdingstruktur zur Unterstützung ihrer strategischen Prioritäten und zur Optimie-rung ihres Geschäftsmodells umgesetzt. Sie hat drei einzelne Geschäftseinheiten geschaffen: Reinsurance, Corporate Solu-tions und AdminRe®.

Auch investiert das Unternehmen weiterhin in die Zukunft. 2003 nahm Swiss Re das preisgekrönte unter dem Namen Gherkin bekannte Gebäude in London in Betrieb. Unterdessen haben die Arbeiten für den Bau eines neuen Gebäudes am Hauptsitz in Zürich begonnen.

Swiss Re ist den von den ersten Geschäfts-führern des Unternehmens etablierten Grundprinzipien der Rückversicherung stets treu geblieben. Der Fokus liegt nach wie vor auf der Diversifikation und auf beständigen Kundenbeziehungen. In ihrer 150-jährigen Geschichte hat Swiss Re viele Stürme überstanden, und sie bleibt für ihre Kunden weiterhin ein verlässlicher Partner bei der Übernahme von Risiken.

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Oben: Swiss Re in London, 30 St Mary Axe. Architekt: Norman Foster.

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Nachkriegszeit und Wiedervereinigung

Am Ende des Zweiten Weltkrieges waren die Verwaltungsgebäude zahlreicher Ver-sicherungsunternehmen beschädigt und zum Teil sogar mit den gesamten Ge-schäftsunterlagen völlig zerstört. Damit waren die Aktivitäten der Versicherungs-wirtschaft weitgehend eingestellt. Der Wiederaufbau ging von den einzelnen Gesellschaften aus. Trotz der katastropha-len Verhältnisse resignierten die Mitarbei-ter nicht und nahmen ihre Arbeit in not-dürftig hergerichteten Räumen wieder auf. Dabei waren die Arbeitsbedingungen sowohl in den Hauptverwaltungen als auch in den Außenstellen häufig untrag-bar. Die Kontakte zu den Kunden mussten wiederhergestellt sowie ein Innen- und Außendienst aufgebaut werden. Es ergab sich ein erhebliches Personalproblem, weil viele Mitarbeiter gefallen oder in Kriegsgefangenschaft geraten waren. Po-litisch belastete Vorstände und Aufsichts-ratsmitglieder mussten sich so genannten Entnatifizierungsverfahren unterziehen und zum Teil ihre Posten aufgeben. Die Reichsmark war wertlos geworden. Für die deutsche Versicherungswirtschaft be-deutete die Situation den tiefsten Nieder-gang in ihrer Geschichte.

MarktsituationGanz besonders betroffen war die Versi-cherungswirtschaft durch die deutsche Teilung. In der sowjetischen Besatzungs-zone hatte die Militäradministration ein Betätigungsverbot für alle Versicherungs-unternehmen erlassen und die Vermö-genswerte enteignet. Die deutsche Ver- sicherungswirtschaft verlor damit ein Drittel ihres gesamten Prämienvolumens in Höhe von etwa 1 Milliarde RM. Fast alle in Ostdeutschland ansässigen Gesell-schaften, die schon vor Kriegsende Kon-takte in den westlichen Teilen Deutsch-lands unterhalten hatten, verlegten ihren Sitz nach Westen und begannen von hier den Neuanfang.

An deren Stelle wurden in Ostdeutsch-land fünf Landesversicherungsanstalten mit Monopolcharakter errichtet. Versiche-rungspflicht bestand für Gebäude und Industrieunternehmen gegen Feuerschä-den, für landwirtschaftliche Betriebe und Berufsgärtnereien gegen Hagelschäden und für Kraftfahrzeuge gegen die gesetz-liche Haftpflicht. Nach Entstehung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Jahre 1949 wurden 1952 die

Links: Der amerikanische Präsident John Fitzgerald Kennedy wird am Ausländerübergang Check-point Charlie an der Berliner Mauer von Repor-tern und Fotografen umlagert, am 26. Juni 1963. Höhepunkt seines siebeneinhalbstündi-gen Aufenthaltes in Berlin bildete seine Rede vor dem Schöneberger Rathaus.

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Nachkriegszeit und Wiedervereinigung

fünf Länder aufgelöst und durch 14 Be-zirke ersetzt. Gleichzeitig wurden die Landesversicherungsanstalten zur Deut-schen Versicherungs-Anstalt (DVA) als volkseigene Versicherungs-Anstalt der Deutschen Demokratischen Republik mit dem Sitz in Ost-Berlin vereinigt. Es han-delte sich um eine juristische Person mit der Aufgabe und dem Recht, in der DDR Sach- und Personenversicherungen abzu-schließen, die Versicherungsbeiträge ein-zuziehen und die Zahlung von Versiche-rungsleistungen vorzunehmen. Mit Wir-kung vom 1. Januar 1969 wurde die Deutsche Versicherungs-Anstalt in Staatliche Versicherung der Deutschen Demokratischen Republik umbenannt, ohne dass sich an der Rechtsstellung, den Funktionen und dem strukturellen Aufbau grundsätzlich etwas änderte. Mit der Schaffung der Währungs-, Wirt-schafts- und Sozialunion zum 1. Juli 1990 trafen durch die Marktöffnung für west-deutsche Versicherungsunternehmen das privatwirtschaftliche und das sozialisti-sche Versicherungssystem aufeinander und das bestehende Versicherungsmono-pol in der Deutschen Demokratischen Republik wurde abgeschafft.

In Westdeutschland bestand der Versi-cherungsmarkt aus den bei Kriegsende ansässigen Unternehmen und den aus den Ostgebieten übersiedelten Gesell-schaften. Als potentielle Versicherungs-nehmer kamen Flüchtlinge und Vertriebe-ne sowie verlagerte Betriebe aus dem

Osten hinzu. Nach dem Kontrollrats-Ge-setz Nr. 47 vom 10. März 1947 hatten die deutschen Versicherungs- und Rückver- sicherungs-Gesellschaften jeder Art ihre Tätigkeit ausschließlich auf das deutsche Geschäft zu beschränken. Damit war auch den deutschen Rückversicherern das internationale Geschäft untersagt und die bestehenden Vertragsbeziehun-gen aufgehoben. Vermögenswerte im Ausland wurden beschlagnahmt. Auf Drängen der Rückversicherer wurde das Verbot des Auslandsgeschäftes im September 1950 gelockert und im April 1951 außer Kraft gesetzt.

Noch aus der Zeit vor der Konstituierung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 sind drei für die Versicherungswirt-schaft wesentliche Ereignisse festzuhal-ten. Mit Genehmigung der amerikani-schen Militärregierung erschien bereits im Juni 1946 in Karlsruhe die Zeitschrift „Versicherungswirtschaft“ als erste Versi-cherungsfachzeitschrift nach dem Krieg. Im Hinblick auf die Zersplitterung des deutschen Versicherungswesens und die zahlreichen Unsicherheiten im Zuge des Wiederaufbaus dieses Wirtschafts-zweiges wurde 1948 in Köln der Gesamt-verband der Versicherungswirtschaft (später: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.) gegründet, der sich der gemeinsamen Interessen der Unternehmen annahm und stark vertrau-ensbildend für die Branche gewirkt hat.

Unten: Die Deutsche Mark löste 1948 die Reichsmark ab.

Eines der wichtigsten Ereignisse der deutschen Nachkriegsgeschichte war die Währungsreform des 20. Juni 1948, die an die Stelle der wertlos gewordenen Reichsmark die stabile Deutsche Mark (DM) setzte und im Bewusstsein der Be-völkerung als so etwas wie ein Neuan-fang und ein deutlicherer Wendepunkt als die 1949 erfolgte Konstituierung der Bundesrepublik Deutschland angesehen wurde. Für die Versicherungswirtschaft hatte die Währungsumstellung ein dop-peltes Gesicht. Einerseits ist mit ihr der Aufschwung und Erfolg als das Ergebnis einer Reihe glücklicher wirtschaftspoliti-scher Weichenstellungen verbunden. Auf der anderen Seite hatte die Währungs-neuordnung tiefgreifende Veränderungen bei den auf Reichsmark abgeschlossenen Lebensversicherungen und erhebliche Umstellungsarbeiten zur Folge.

Grundsätzlich wurden Geldsummen-schulden 10 : 1 abgewertet. Bestimmte wiederkehrende Verbindlichkeiten, wie Löhne und Gehälter, Mieten, Pensionen und insbesondere Sozialversicherungs-renten, waren 1 : 1 in Deutscher Mark zu leisten. Dies galt zunächst jedoch nicht für Renten aus privaten Versicherungen, was als ungerecht empfunden wurde. Ein Ausgleich wurde erst im Laufe der Zeit durch so genannte Altsparerentschädi-gungen und die Rentenaufbesserungsge-setze geschaffen, bis die Schlechterstel-lung der privaten Rentenempfänger nach 15 Jahren beseitigt war.

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Oben: Werbung der Staatlichen Versicherung der DDR.

Im Zeichen des WirtschaftswundersDie Leistungsbereitschaft von Unterneh-mern und Arbeitnehmern brachte in Ver-bindung mit der Währungsreform den wirtschaftlichen Aufschwung, den man gern als deutsches Wirtschaftswunder bezeichnet hat. Es erfasste auch die As-sekuranz. Unter großen Anstrengungen gelang es der Versicherungswirtschaft, bei der Bevölkerung das Vertrauen in die Lebensversicherung zurückzugewinnen und sie neben der gesetzlichen Renten-versicherung und der betrieblichen Altersversorgung zu einer der drei aner-kannten gleichberechtigten und tragen-den Säulen der Altersversorgung mit ständig zunehmender Verbreitung zu ma-chen. In den nur sechs Jahren von 1949 bis Ende 1955 hat sich der Bestand der 91 im damaligen Bundesgebiet und Westberlin arbeitenden Lebensversiche-rungsunternehmen von 24 auf 33 Millio-nen Versicherungsverträge mit einer von 14,20 auf 32,42 Milliarden DM angestie-genen Versicherungssumme erhöht. Von 1955 bis 1974 verzehnfachten sich die Prämieneinnahmen. Unterstützt worden war diese Entwicklung durch eine effekti-ve Gemeinschaftswerbung der Branche. Geworben wurde mit dem Slogan «Si-cherheit mit Dividende», der die Aspekte des sofortigen Versicherungsschutzes und der Vermögensbildung verband.

Durch die Beitragseinnahmen wurden die Versicherungsunternehmen zu einem bedeutenden Kapitalsammelbecken, das auch die für den Wiederaufbau benötig-ten Mittel zur Verfügung stellte. Ange-sichts der herrschenden Wohnungsnot leistete die Versicherungswirtschaft einen entscheidenden Beitrag zum Wohnungs-bau.

MotorisierungswelleNeben der Lebensversicherung trug vor allem die in den fünfziger Jahren einset-zende Motorisierungswelle zum Wachs-tum der Versicherungswirtschaft bei. Gab es zu Beginn der dreißiger Jahre 1,4 Millionen Kraftfahrzeuge in Deutsch-land, waren es 1950 in der damaligen Bundesrepublik 1,7 Millionen. Am 5. August 1955 verließ der Millionste VW-Käfer das Fließband in Wolfsburg. Folgerichtig wurde die Kraftfahrtversi-cherung als Massengeschäft zur wich-tigsten Sparte der Schadenversicherung mit einem beträchtlichen Prämienauf-kommen sowie dem größten Teil der Mit-arbeiter in den Betriebs- und Schadenab-teilungen bei den Kompositversicherern.

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Nachkriegszeit und Wiedervereinigung

Die Beitragseinnahmen der Kraftfahrtver-sicherer stiegen von 135 Millionen DM im Jahre 1948 auf über 2 Milliarden DM im Jahre 1960.

Dabei wurde die Schadenverhütung im Straßenverkehr zu einer wichtigen Aufga-be für die öffentliche Hand, aber auch für die Versicherungswirtschaft. Im Interesse einer raschen und kostengünstigen Regu-lierung richteten die Versicherer bereits seit der Mitte der fünfziger Jahre dezent-rale Schadenbüros mit den entsprechen-den Vollmachten ein. Das neue Pflichtver-sicherungsgesetz brachte 1965 den un-mittelbaren eigenen Anspruch des Geschädigten gegen den Kraftfahrzug-Haftpflichtversicherer. Am schadenträch-tigsten war das Jahr 1970. Die Zahl der Todesopfer im Straßenverkehr erreichte mit 21.332 ihren Höchststand. Der tech-nische Verlust des Kraftfahrtgeschäftes stellte sich im deutschen Markt auf über 1 Milliarde DM.

Auch die Private Krankenversicherung verzeichnete einen erheblichen Beitrags-anstieg. In den zwei Jahrzehnten von 1950 bis 1970 steigerte sich das Prämi-enaufkommen von 500 Millionen DM auf 4 Milliarden DM, die allerdings zu einem nicht unerheblichen Teil auf notwendigen Beitragsanpassungen an die im Verhältnis zu den Lebenshaltungskosten überpro-portional gestiegenen Aufwendungen für die Heilbehandlung. Nachdem die Private Krankenversicherung Ende der sechziger und zu Beginn der siebziger Jahre durch gesetzgeberische Maßnahmen 2 Millio-nen Versicherte an die gesetzliche Kran-kenversicherung verloren hatte, war die Krise Ende der siebziger Jahre offensicht-lich überwunden, was sich an der Steige-rung der vollversicherten Personen von 4,2 Millionen in der ersten Hälfte der siebziger Jahre auf über 6 Millionen im Jahre 1990 zeigte. Diese Entwicklung führte zur Gründung zahlreicher neuer Krankenversicherungsunternehmen.

Internationales GeschäftDer stark gewachsene deutsche Erstver-sicherungsmarkt zog zahlreiche ausländi-sche Erstversicherer, darunter namhafte schweizerische Versicherungsunterneh-men an, so dass man von einem Import ausländischer Versicherungsdienstleis-tungen sprechen konnte. Demgegenüber verlief das Auslandsgeschäft deutscher Versicherer sehr bescheiden und erreich-te keineswegs die Bedeutung, die es in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg hatte.

In den 1950er Jahren begann Swiss Re ihr Fachwissen im Risikomanagement systematisch auszubauen und legte unter anderem eine umfangreiche Sammlung von Katastrophenbildern an.

Oben: Explosion eines Chlorgaskessels in Walsum, Duisburg, 1952.

Gegenüber: Erdgasausbruch im Hessischen Ried bei Wolfskehlen, 1951.

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Nachkriegszeit und Wiedervereinigung

Oben: Verkehrsunfall in Wittorf, Harburg, 1960.

Mitte: Kanalexplosion in Würzburg, 1953.

Unten: Kollision des deutschen Tankers Ellen mit einem holländischen Passagierdampfer im Hafen von Rotterdam, 1952.

Jedoch konnten sich die traditionsreichen professionellen deutschen Rückversiche-rungsunternehmen nach Aufhebung des Verbotes der Auslandstätigkeit durch die Alliierten seit dem Beginn der fünfziger Jahre wieder hohes Ansehen am interna-tionalen Rückversicherungsmarkt ver-schaffen. Einen führenden Platz nahm sehr bald die Münchner Rück (Munich Re) neben der Schweizer Rück (Swiss Re) ein. Aus der 1966 gegründeten ATR Akti-engesellschaft für Transport- und Rück-versicherung in Bochum, die 1970 ihren Sitz nach Hannover verlegt hatte, ist 1976 - nunmehr innerhalb des als Talanx firmierenden Konzerns - die Hannover Rückversicherung AG hervorgegangen, die sich zu einem der großen weltweit tä-tigen Rückversicherungsunternehmen entwickelt hat. Zahlreiche Rückversiche-rungs-Neugründungen sind inzwischen vom Markt wieder verschwunden.

Neue DeckungenNeue Risiken verlangten neue Deckun-gen, aber auch sonst wurde der Versiche-rungsschutz in vielen Bereichen erheblich ausgeweitet. Schäden durch Kernenergie sind in nahezu allen Sparten ausgeschlos-sen. Die deutschen Versicherer haben sich 1957 zur Deutschen Kernenergie-Versicherungsgemeinschaft (DKVG) mit dem Sitz in Köln unter prozentualer Betei-ligung der Mitglieder zusammenge-schlossen. Sie betreibt die Nukleare Haft-pflicht- und Sachversicherung überwie-gend als Rückversicherungspool (Atompool). Nach den Fehlbildungen bei Neugeborenen durch die Einnahme des Beruhigungsmittels Contergan der Müt-ter während der Schwangerschaft im Jahre 1961 versichert der Pharma-Pool Schäden durch Arzneimittel. Der Deut-sche Luftpool, der die Luftfahrtversiche-rung betrieb, ist seit 2004 nur noch als Servicegemeinschaft tätig.

Im Hinblick auf die Terroranschläge in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre wurde die EC-Versicherung nach angelsächsi-schen Vorbildern als erweiterte Deckung (Extended Coverage) zum Einschluss be-stimmter politischer Gefahren in gewerb-liche Versicherungen genehmigt. Der Ter-roranschlag vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York führte unter Beteiligung namhafter deut-scher Erst- und Rückversicherer sowie der Swiss Re 2002 zur Gründung der Extremus Versicherungs-AG in Köln, de-ren Prämienvolumen jedoch nicht den ur-sprünglich erwarteten Umfang erreichte.

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Das Rendez-Vous de Septembre zählt heute zu den festen Terminen im Jahr der Rückversicherer. In den späten 50er Jahren etablierte sich das Treffen in Monte Carlo als eigenständige Veranstaltung. Bis 1956 hatten sich die in der Rückversi-cherung engagierten Unternehmen anlässlich der Jahrestagungen des Trans-port-Versicherungs-Verbandes in Monte Carlo getroffen. 1957 begründete die Rückversicherungsbranche dann ihr eigenes «Rendez-Vous».

Ähnlich entwickelte sich das Branchen-treffen in Baden-Baden: Die Colonia etablierte 1979 angesichts der steigenden Bedeutung der Rückversicherung eine Zusammenkunft, die seitdem in der letzten Oktoberwoche stattfindet. Zuvor hatten Rück- und Erstversicherer sich im Anschluss an die Mitgliederversammlung des damaligen Transport-Versicherungs-Verbandes getroffen. Sie behielten den Termin bei, auch nachdem der Verband seine Mitgliederversammlung ins Frühjahr verlegt hatte.

Die Branchentreffen in Monte Carlo und Baden-Baden

Oben: Sonderbriefmarke zum Rendez-Vous de Septembre in Monte Carlo, 1986.

Unten: Das Casino in Baden-Baden.

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Nachkriegszeit und Wiedervereinigung

Gesetzgeber aufgestellten Maßstab der unangemessenen Benachteiligung der Versicherten. Eingehend geregelt wurde in den siebziger Jahren der Schutz der bei der Verwaltung der Versicherungsverträ-ge anfallenden Daten. Die Versicherungs-wirtschaft ergriff auch selbst die Initiative zur Verbesserung der Verbraucherfreund-lichkeit, wobei die Maßnahmen in erster Linie die Lebensversicherung betrafen. Zu nennen sind beispielsweise die Verbesse-rung der Überschussbeteiligung durch die Einführung der Direktgutschrift, die Formulierung verbraucherfreundlicher Bedingungen und die Einführung eines Widerrufsrechts.

Deutsche EinheitNeben der Verwirklichung des europäi-schen Binnenmarktes war die Wiederver-einigung die wichtigste und nachhaltigste Änderung des politischen Umfeldes für die deutsche Versicherungswirtschaft in der Nachkriegszeit. Nach dem Mauerfall am 9. November 1989 war der wesentli-che juristische Schritt die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutsch-land und der DDR zum 1. Juli 1990. Sie beseitigte das bestehende Versiche-rungsmonopol in der DDR und eröffnete den westdeutschen Versicherern den Marktzutritt. Mit der Begründung der Rechtseinheit durch die eigentliche Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 bestand wieder ein einheitlicher deut-scher Versicherungsmarkt. Die Aufbau-leistung der Versicherungswirtschaft in den neuen Bundesländern kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Die Allianz übernahm das Geschäft der Staatlichen Versicherung der DDR. West-deutsche Versicherer beschränkten sich aber nicht nur auf den deutschen Markt, sondern erstreckten ihre Aktivitäten auf die inzwischen demokratisierten osteuro-päischen Staaten.

Nachdem die öffentlich-rechtlichen Ver- sicherungsanstalten in Baden-Württem-berg 1960 Unwetter- und andere Ele-mentarschäden und 1971 das Erdbeben-risiko in die Gebäudeversicherung eingeschlossen hatten, wurde 1991 die Versicherung weiterer Elementarschäden im Wege einer Paketlösung generell genehmigt.

Spektakuläre Haftpflichtfälle bei Groß- unternehmen bereiteten der durch den Börsencrash 1929 in den Vereinigten Staaten von Amerika eingeführten Direc-tors and Officers Liability Insurance = D&O-Versicherung Ende der achtziger Jahre den Weg nach Deutschland. Sie wurde zunächst 1986 den Niederlassun-gen zweier amerikanischer Gesellschaf-ten genehmigt und bald danach auch von deutschen Gesellschaften betrieben. Wegen des gestiegenen Haftungsrisikos für die Organe der Unternehmen fand sie weite Verbreitung.

Moderne BetriebsorganisationDie größte Umwälzung für die Betriebsor-ganisation der Versicherungswirtschaft brachte die elektronische Datenverarbei-tung durch den Einsatz von Großrechen-anlagen. In Deutschland setzte die Allianz

1956 den ersten von einem deutschen Versicherungsunternehmen betriebenen Großrechner ein. Damit begann die Auto-matisierung der Versicherungsbetriebe mit der entsprechenden Ausrichtung des gesamten Unternehmens und einer voll-ständigen Umstrukturierung der Betriebe. Seit Anfang der siebziger Jahre statteten die deutschen Versicherungsunterneh-men die Arbeitsplätze ihrer Mitarbeiter mit Bildschirmen aus.

VerbraucherschutzVor neue Herausforderungen wurde die Versicherungswirtschaft durch den ver-stärkten Verbraucherschutz gestellt, der sehr bald im Blickpunkt des öffentlichen Interesses stand. Bereits seit 1901 nahm der DVS Deutsche Versicherungs-Schutz-verband e.V. die Belange der versiche-rungsnehmenden Wirtschaft wahr. Für das breite Publikum entstand 1982 der Bund der Versicherten e.V. (BdV), der sei-ne Aufgabe in der Stärkung der Rechte der Versicherten sieht und bereits eine Reihe von Musterprozessen geführt hat.

Staat und Versicherungswirtschaft nah-men sich dieses Themas an. So überprüft die Rechtsprechung die Allgemeinen Versicherungsbedingungen an dem vom

Unten: Alternatives Fortbewegungsmittel während der Ölkrise am autofreien Sonntag, dem 25. November 1973.

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Swiss Re war in den 70er und 80er Jahren stark auf dem deutschen Erstversiche-rungsmarkt engagiert. 1974 gründete sie für ihre deutschen Beteiligungen die SR Beteiligungen AG mit Sitz in München. Darin bündelte sie die Mehrheitsanteile an der Vereinigten Versicherungsgruppe und der Magdeburger Versicherungs-gruppe.

Zur Vereinigten Versicherungsgruppe gehörten die Aachen-Leipziger Versiche-rungs-AG, die Berlinische Feuer-Versiche-rungs-Anstalt, die EOS Lebensversiche-rung, die Salus Krankenhauskosten- Versicherungs-AG und die Vereinigte Krankenversicherung – als größter Versicherer der Gruppe war sie auch Namensgeber.

1980 kam es zu größeren Veränderungen in der Gruppe: Swiss Re erwarb 100 Pro-zent der Aktien der Isar Lebensversiche-rung AG und verschmolz diese daraufhin mit der EOS Lebensversicherung AG, um

Die Beteiligungen von Swiss Re an deutschen Versicherern

Oben und oben rechts: Swiss Re erwarb 1970/71 eine Mehrheitsbe-teiligung an der Magdeburger Gruppe. Die Gründung der Magdeburger Feuerversiche-rung war 1844 genehmigt worden. Die Mag-deburger erwarb sich vor allem Verdienste in der frühen Entwicklung moderner Versiche-rungstechniken und von Maßnahmen zur Schadenverhütung und Brandbekämpfung.

Rechts:Die Vereinte Versicherung wurde 1812 als Ber-linische Feuer-Versicherungs-Anstalt gegrün-det und ist in der deutschen Assekuranz die Aktiengesellschaft mit der längsten Dauer. 1925 sprang Swiss Re als Retterin der von der Inflation gebeutelten Gesellschaft ein.

so die Vereinigte EOS-Isar Lebensversi-cherung AG entstehen zu lassen, die spätere Vereinte Lebensversicherung. Gleichzeitig wurden die Berlinische Feuer-Versicherungs-Anstalt und die Aachen-Leipziger Versicherungs-AG zur Vereinigte Aachen-Berlinische Versi-cherung AG fusioniert. 1988 änderte die Vereinigte Versicherungsgruppe dann ihren Namen zu Vereinte Versicherung. Sie war eine der führenden deutschen Versicherungsgruppen. 1995 verkaufte Swiss Re die Gruppe zusammen mit der Magdeburger im Rahmen einer strategi-schen Neuausrichtung an die Allianz. Die Marken Vereinte und Magdeburger wurden in der Folge aufgelöst.

Zu den weiteren Beteiligungen von Swiss Re in Deutschland zählte ab 2003 die Gerling NCM, die 2001 aus der Fusion der Gerling Kredit mit der niederländi-schen Swiss-Re-Tochter NCM hervorge-gangen war. Der Gerling-Konzern steckte zu dieser Zeit in schweren Turbulenzen und Swiss Re wollte ihre Beteiligung sichern. 2004 wurde Gerling NCM in Atradius umbenannt. 2010 trennte sich Swiss Re von ihrer Beteiligung: Die Grupo Catalana Occidente übernahm ihre Anteile sowie die der Deutschen Bank und von Sal. Oppenheim und wurde zum Hauptaktionär der Atradius-Gruppe.

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Globalisierung nach dem Fall der Mauer

Europäischer Binnenmarkt und DeregulierungMit der Verwirklichung des europäi-schen Binnenmarktes können ausländi-sche Gesellschaften ihre Tätigkeit über Niederlassungen oder im Dienstleis-tungsverkehr von ihrem Sitz aus oder ei-ner Niederlassung ausüben. Die in der Bundesrepublik Deutschland tätigen Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem EU-Mitgliedsstaat unterliegen der Finanzaufsicht durch die Aufsichtsbehör-de ihres Herkunftmitgliedstaates (Sitz-landprinzip), im Übrigen der deutschen Versicherungsaufsicht. Im Jahre 2013 gab es in Deutschland 20 Niederlassun-gen auf dem Gebiet der Lebensversiche-rung und 61 Niederlassungen für die Nichtlebensversicherung. 899 Gesell-schaften waren für das Dienstleistungs-geschäft verzeichnet.

In gewisser Hinsicht war mit dieser Marktöffnung eine Deregulierung der staatlichen Versicherungsaufsicht ver-bunden. So sind die Allgemeinen Versi-cherungsbedingungen und Tarife nicht mehr Bestandteil des Geschäftsplanes des Versicherungsunternehmens, so

dass für sie die bisherige Genehmi-gungsbedürftigkeit entfallen ist. Von Verbands wegen wurden für zahlreiche Versicherungszweige Musterbedingun-gen entwickelt. An die Stelle der frühe-ren aufsichtsbehördlichen Funktionen sind für die Lebens- und Krankenversi-cherung die Institutionen des Verant-wortlichen Aktuars und unabhängigen Treuhänder getreten. Dem Verantwortli-chen Aktuar, der bestimmte gesetzliche Anforderungen zu erfüllen hat, obliegen wesentliche Sicherstellungs-, Kontroll- und Bestätigungsaufgaben. Der unab-hängige Treuhänder hat bei Änderungen der Prämie bzw. der Versicherungsbe-dingungen für bestehende Versiche-rungsverhältnisse mitzuwirken.

Frühere Zwangs- und Monopolrechte öffentlich-rechtlicher Versicherer auf dem Gebiet der Gebäudeversicherung sind mit Wirkung vom 1. Juli 1994 abge-schafft worden. Teilweise wurden die Anstalten in private Unternehmen umge-wandelt. Ihr Aktienkapital befindet sich meistens im Besitz von Sparkassen und deren Verbänden. Sie werden öffentliche Versicherer genannt und sind inzwi-schen häufig überregional tätig.

Links: Die Mauer nahe beim Reichstag am 28. Dezember 1989.

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Globalisierung nach dem Fall der Mauer

MarktveränderungenGroße deutsche Versicherungsunterneh-men, wie beispielsweise die Allianz, die 2006 als erstes deutsches Unterneh-men die Rechtsform der Europäischen Gesellschaft (SE) annahm, und die Münchner Rück, engagierten sich in starkem Maße an ausländischen, auch überseeischen Märkten durch den Er-werb von Beteiligungen und Zusammen-schlüssen. Umgekehrt hat sich die deutsche Versicherungswirtschaft, die seit 2002 unter der einheitlichen Kont-rolle der Bundesanstalt für Finanzdienst-leistungsaufsicht mit dem Sitz in Bonn und Frankfurt am Main steht, durch aus-ländische Einflüsse ganz entscheidend verändert. Die Colonia Versicherungs-Gruppe gelangte in französischen Besitz und tritt inzwischen als Axa auf. Die Swiss Re bündelte die in ihrem Einfluss-bereich stehenden Gesellschaften zu den Vereinten Versicherungen und veräußerte sie an die Allianz. Die AachenMünchener-Versicherungsgrup-pe gehört zur Generali, die zusammen mit der Thuringia in München eine Reihe von Gesellschaften zu den Generali Versicherungen zusammen- gefasst hat.

Unter der Münchner Rück wurde die Ergo Versicherungsgruppe AG mit dem Sitz in Düsseldorf gebildet, darunter sind namentlich die Hamburg-Mannheimer und die Victoria, die nunmehr auch als Ergo am Markt auftreten; D.A.S. und Deutsche Krankenversicherung führen ihre bisherigen Firmen weiter. Talanx hat den Gerling-Konzern erworben. Zusammengeschlossen sind Wüsten-rot & Württembergische.

Im Bereich der Rückversicherung erwarb der amerikanische Milliardär Warren Buffet mit seiner Berkshire Hathaway Inc. die Kölnische Rück, die in General Reinsurance AG umbenannt wurde. Aachener Rück und Frankona wurden

unter dem Dach der General Electric zusammengeschlossen und von der Swiss Re erworben, die ihre deutschen Rückversicherungsinteressen in der Swiss Re Europe S.A., Niederlassung Deutschland, konzentriert hat. Auch Schweizer Erstversicherungsgruppen, wie die inzwischen als Zurich firmieren-de Gruppe und die Basler, haben sich neu strukturiert. Die DBV-Winterthur ist zur Axa gekommen.

Der Börseneinbruch nach der Jahrtau-sendwende, der durch den Dax-Tiefst-stand vom Oktober 2002 mit 2.598 Punkten gekennzeichnet ist, veranlasste die Versicherungswirtschaft, zum Schutz der Ansprüche der Versicherten gegen-über Lebens- und Krankenversiche-rungsunternehmen, die ihre Verpflich-tungen aus den Versicherungsverträgen auf Dauer nicht erfüllen können, die Protektor und die Medicator zu gründen. Während die Mannheimer Lebensversi-cherung unter die Protektor gelangte, sind zwei andere Unternehmen über-nommen und aufgefangen worden.

Naturkatastrophen großen AusmaßesDie für die Versicherungswirtschaft in jüngster Zeit schlimmsten Naturkatastro-phen beruhten auf Hagelstürmen und Hochwasser. Der Münchener Hagel-sturm vom 12. Juli 1984 hatte versicher-te Schäden von umgerechnet 750.000 Euro verursacht. Sie wurden durch den Hagelsturm Andreas am 28. Juli 2013 mit 2,8 Milliarden Euro bei weitem über-troffen. Innerhalb von nur elf Jahren wur-de die deutsche Versicherungswirtschaft durch die Elbehochwasser vom August 2002 und vom Juni 2013 mit jeweils über 1 Milliarde Euro Schäden stark be-lastet.

Als schadenträchtigste Sturmereignisse haben Lothar 1999, Kyrill 2007 und Xyn-thia 2010 ihre Spuren in den Büchern der deutschen Versicherer hinterlassen.

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Rechtlicher RahmenFür die aktuelle Entwicklung der deut-schen Versicherungswirtschaft waren veränderte rechtliche Rahmenbedingun-gen von ganz erheblicher Bedeutung. Außerordentlich positiv hat sich die Schaffung der Ombudsmann-Stelle durch den Gesamtverband der Deut-schen Versicherungswirtschaft erwie-sen, die am 1. Oktober 2001 ihre Tätig-keit aufgenommen hat. Eine Neurege-lung fand im Jahre 2007 das Recht der Versicherungsvermittlung, die im Inter-esse des Schutzes der Versicherungs-nehmer zum erlaubnispflichtigen Gewer-be geworden ist. Nach einem Jahrhun-dert trat im Jahre 2008 ein neues Versicherungsvertragsgesetz in Kraft. Sein wesentliches Ziel ist die Stärkung der Rechtsstellung des Versicherungs-nehmers unter Betonung seiner Ent-scheidungsfreiheit auf der Grundlage einer umfassenden Information bei Vertragsschluss. Beratungs-, Informa-tions- und Hinweispflichten des Versi-cherers sind daher das wesentliche Kriterium des neuen Gesetzes.

Der Gesetzgeber hat sich angesichts der sinkenden staatlichen Renten aber auch der Alterssicherung der Bevölkerung an-genommen. Für die Versicherten der ge-setzlichen Rentenversicherung wurde daher eine mit staatlichen Zulagen ver-sehene kapitalgedeckte Altersversor-gung auf den Weg gebracht, die nach dem damaligen Bundesarbeitsminister Walter Riester als Riester-Rente bezeich-net wird. Auch der Aufbau einer Alters-versorgung durch Selbständige wird staatlich gefördert. Zur Stärkung der pri-vaten Pflege-Zusatzversicherung wurde eine Pflegevorsorgezulage eingeführt.

Neben der betrieblichen Altersversor-gung fasst allmählich eine betriebliche Krankenversorgung mit entsprechenden Tarifen der Gesellschaften Fuß.

Oben: Im Zuge der Marktkonsolidierung der 1990er Jahre und der Annäherung von Banken und Versicherungen übernahm die Deutsche Bank 1992 eine Mehrheit am 1922 gegründeten Deutsche Herold. Zehn Jahre später veräußerte die Deutsche Bank ihre Beteiligung an die Zurich Financial Services.

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Globalisierung nach dem Fall der Mauer

Anfang August 2002 lösten schwere Regenfälle in den Alpen, dem Erzgebirge und dem Riesengebirge starke Über-schwemmungen und Schlammlawinen in Deutschland aus. Innerhalb weniger Tage fiel so viel Wasser vom Himmel wie sonst in einem halben Jahr. Schuld war das sommerliche Tiefdruckgebiet «Ilse». Das darauf folgende Jahrhunderthochwasser hinterließ in Tschechien, Sachsen, Sach-sen-Anhalt, Brandenburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein eine Schneise der Verwüstung. Tausende Menschen verloren ihr Hab und Gut.

Besonders schlimm war die Situation im Erzgebirge – das Erdreich konnte die Niederschlagsmengen nicht mehr auf-nehmen, so dass das Wasser sofort in die Täler abfloss. Binnen Stunden schwollen die in dieser Gegend entsprin-

Großschaden Elbhochwasser

Unten: Der Schillergarten in Dresden im August 2002.

genden Bäche und Flüsse, die in Mulde oder Elbe münden, auf das Mehrfache ihrer sonstigen Größe an. Brücken wurden weggerissen, Straßen unterspült, Häuser überflutet und schwer beschädigt. Die Strom- und Telefonversorgung brach zusammen, ganze Dörfer wurden evakuiert oder waren von der Außenwelt abgeschnitten.

Hart traf es auch die sächsische Landes-hauptstadt: In Dresden wurde bei einem Pegelstand von 9,40 Meter der Haupt-bahnhof überschwemmt. Das Wasser strömte in die Semperoper, in den Zwin-ger und in die Galerie «Alte Meister», de-ren unersetzliche Kunstschätze in einer dramatischen Rettungsaktion in Sicher-heit gebracht werden mussten.

Auch in Sachsen-Anhalt herrschte Angst: Viele fürchteten, die Chemiefabriken in Bitterfeld könnten im Hochwasser versinken. Bei Bayer standen Lehrlinge neben Abteilungsleitern an den Deichen, eine ganze Belegschaft schaufelte Sand.

Bitterfeld musste evakuiert und als Geis-terstadt zurückgelassen werden. An nur einem Tag verloren viele, wofür sie nach der Wende zehn Jahre lang gearbeitet hatten.

Mehr als 70000 Menschen – Soldaten, Grenzschützer, Feuerwehrleute, das Technische Hilfswerk, das Rote Kreuz und andere zivile Organisationen – standen im August an den Deichen. Für die Bundeswehr war es der größte Kata- stropheneinsatz in ihrer Geschichte.

Die Bilanz nach dem Hochwasser: In Deutschland richtete die Flut einen Schaden von 9,2 Milliarden Euro an, 6 Milliarden allein in Sachsen. Davon beglich die Versicherungswirtschaft 1,8 Milliarden. 800 Millionen entfielen dabei auf die Allianz. Die Schadensumme war zwar nur halb so hoch, wie die Bundesregierung zunächst geschätzt hatte, dennoch: Um alles bezahlen zu können, wurde die nächste Stufe der Steuerreform verschoben.

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Oben: Aufnahme der NASA vor und während der Elbeflut 2002.

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Globalisierung nach dem Fall der Mauer

RückblickDie deutsche Versicherungswirtschaft nimmt am Weltmarkt den sechsten Platz ein. Angesichts der territorialen Zersplit-terung des Landes hat sie sich nicht zentral, sondern von einzelnen Plätzen aus entwickelt. Am Anfang standen ge-nossenschaftlich strukturierte Kassen und Gilden. Öffentlich-rechtliche Ver- sicherungsanstalten betrieben in nahezu allen Gebieten die Gebäudeversiche-rung. Ihren eigentlichen Aufschwung nahm die deutsche Versicherungswirt-schaft in der ersten Hälfte des 19. Jahr-hunderts mit dem Aufkommen des Nationalbewusstseins nach den napole-onischen Kriegen durch die Errichtung

privater Versicherungsunternehmen. Ein einheitlicher rechtlicher Rahmen konnte erst nach der Reichsgründung des Jahres 1871 geschaffen werden.

Seine schwersten Krisen hat das deut-sche Versicherungswesen durch die Inflation in den zwanziger Jahren und den Zusammenbruch nach dem Zweiten Weltkrieg erlitten. Den Wieder-aufbau begünstigte das so genannte deutsche Wirtschaftswunder. Mit der Wiedervereinigung des Jahres 1990 entstand wieder ein gesamtdeutscher Markt, der stark durch ausländische Interessen beherrscht wird.

AusblickDie gegenwärtige Situation der Versi-cherungswirtschaft in Deutschland ist durch die Niedrigzinsphase, den gesell-schaftlichen Wandel und die bevorste-hende Solvency-II-Regulation geprägt.

Der Tiefststand der Zinssätze aufgrund der Politik der Europäischen Zentralbank gefährdet wegen der erheblichen Ver-minderung der Überschussbeteiligung die Eignung der Lebensversicherung als Kapitalanlage- und Altersvorsorge-produkt. Im Zusammenhang mit dem Lebensversicherungsreformgesetz vom 1. August 2014 ist der Garantiezins für Neuverträge zum 1. Januar 2015 auf 1,25 Prozent herabgesetzt worden.

Unten: Der Orkan Lothar verwüstete im Dezember 1999 große Teile Europas, so auch den Schwarzwald.

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Der gesellschaftliche Wandel berührt die Einstellung der Bevölkerung zum Vorsor-ge- und Versicherungsgedanken. Von entscheidender Bedeutung für die Versi-cherungswirtschaft wird es sein, das Vertrauen zu den potentiellen Kunden zu gewinnen und den Weg zu ihnen zu fin-den. Damit ist zugleich die Thematik der Vertriebswege und die Digitalisierung des Verkehrs mit den Versicherungsneh-mern angesprochen.

Zur Umsetzung der Solvency-II-Richtli-nie vom 25. November 2009, die der Weiterentwicklung der Solvabilitätsvor-schriften (Eigenmittelanforderungen) für Versicherungsunternehmen zu einem ri-sikoorientierten System der Finanzauf-sicht dienen soll, hat die Bundesregie-rung am 3. September 2014 den Ent-wurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen beschlossen. Es soll die Aufsicht über Versicherungsunternehmen stärken und dem Aufbau von Risiken in ihrem Bereich frühzeitig entgegensteuern. Mit seinem Inkrafttreten wird für den 1. Januar 2016 gerechnet. Die deutsche Versicherungs-wirtschaft steht damit vor einer großen Herausforderung.

Oben: Mit der Einführung des Euro als Buchgeld im Jahr 1999 und als Bargeld 2002 begann auch für die Versicherungsindustrie ein neues Kapitel: Das Euro-Symbol in der Gallusanlage in Frankfurt vor dem Gebäude der Europäischen Zentralbank (EZB).

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Die Versicherung ist heute aus unserem Leben kaum mehr weg-zudenken. Ein Haus zu bauen, ohne es zu versichern, ein Produkt ohne Deckung auf den Markt zu bringen, ein Fahrzeug ohne Haft-pflichtabsicherung zu lenken, ein Alter ohne Vorsorge, wären undenkbar.

Die Rückversicherung allerdings ist der breiten Öffentlichkeit nahezu unbekannt. Sie erfüllt jedoch eine äußerst wichtige Aufgabe bei der Übernahme von Risiken und als Förderer von wirtschaftlichem Wachstum und Fortschritt.

Rückversicherung ist die «Versicherung der Versicherer». Das Prinzip der Versicherbarkeit basiert unter anderem darauf, dass Risiken möglichst breit gestreut werden können. Je breiter diese geteilt werden, umso günstiger können sie gedeckt werden.

Seit Anbeginn war die Rückversi-cherung international tätig und konnte so den Kunden helfen, ihre Risiken weltweit auszugleichen. Auch waren die Rückversicherer

in vielen verschiedenen Bereichen der Lebens- und der Sachver- sicherung vertreten und konnten so spezialisierten Versicherern eine breitere Streuung erlauben. Durch die langjährigen Beziehun-gen mit ihren Kunden, viele davon über Jahrzehnte oder einige sogar seit dem vorletzten Jahrhundert, haben die Rückversicherer das dritte wichtige Element ermöglicht, die Risikoverteilung über längere Zeit.

Mehr oder weniger alle Risiken werden von Rückversicherern übernommen. Von Naturkatastro-phen über das Risiko steigender Sterblichkeit bis zu Automobilver-sicherungen oder Flughaftpflich-trisiken. Über die Erstversicherer werden diese Risiken an die Rück-versicherer weitergegeben. Dies wiederum erlaubt es den Ver-sicherern, weniger Risikokapital binden zu müssen, und so können sie mehr Geschäft zeichnen.

Da die bezahlten Prämien für Rückversicherung über die Finanz-märkte investiert werden, tragen sowohl Versicherer wie Rückversi-

cherer einen erheblichen Teil zur Unterstützung der Wirtschaft bei. Davon profitieren das Wachs-tum und auch die Gesellschaft allgemein.

Mehr als für irgendeine andere Finanzdienstleistungsindustrie liegt es in der Natur des Rückver-sicherungsgeschäfts, sich mit dem Risikodenken und der Natur des Risikos auseinanderzusetzen. Über Jahrhunderte angesammeltes Wissen wird heute statistisch und in modernen Modellen dazu ein-gesetzt, die Gefahren des 21. Jahr-hunderts besser zu verstehen. Dies kommt direkt den Kunden und der Gesellschaft zugute.

Aber Rückversicherer nehmen auch aktiv am Risikodiskurs in der Öffentlichkeit teil. In den großen Risikofragen, die unsere heutige Zeit bereithält, zur Bewältigung von Naturgefahren oder Epidemi-en sowie bei der Absicherung von Großprojekten und Konsumpro-dukten, und nicht zuletzt in der alltäglichen Sicherheit von uns allen, ist die Rückversicherung unabdingbar geworden.

Rückversicherung

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Titel: Kleine Geschichte der Versicherung in Deutschland

Autoren: Prof. Dr. Peter Koch Swiss Re Corporate History (Beiträge Swiss Re)

Bearbeitung und Realisation: Swiss Re Corporate History

Gestaltung und Produktion: Corporate Real Estate & Logistics/ Media Production, Zürich

Bilder: Swiss Re Company Archives Deutsches Historisches Museum Berlin (13) Allianz, Firmenhistorisches Archiv (51) Keystone (14–15, 29, 48–49, 54, 58, 66) Wikimedia (36, 50, 59 Thomas Wolf, 60–61, 64 Stefan Malsch, 65, 67 Patrick Fischer)

Umschlag: Der Brand des Hoftheaters zu Dresden, 21.Sept. 1869

Diese Publikation ist unter www.swissre.com verfügbar. Bestellnummer: 1505765_13_DE 10/17, 1500 Ex.

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