»Kleingärtnerische Nutzung« nach dem Bundeskleingartengesetz · 2021. 1. 25. · 65 BGH, Urt. v....

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Neue Justiz 1/2003 12 »Kleingärtnerische Nutzung« nach dem Bundeskleingartengesetz Dr. sc. Achim Friedrich, Potsdam* Die rechtliche Unterscheidung von Verträgen über Kleingartenpacht und Verträgen über Erholungsgrundstücksnutzung ist umstritten. Sie ist insbe- sondere auch im Hinblick auf die finanziellen Konsequenzen für die Pächter jedoch von großer praktischer Bedeutung. Der Autor benennt Abgrenzungs- kriterien, die der Lösung von Rechtsstreitigkeiten dienlich sein können. Abgrenzungserfordernis der Pacht- und Nutzungsverträge In der Bundesrepublik Deutschland existieren zzt. ca. 1,03 Mio. Klein- gartenpachtverträge nach dem BKleingG, ca. 600.000 davon in den neuen Bundesländern. Daneben bestehen in den neuen Ländern ca. 320.000 Verträge über Erholungsgrundstücke (Nutzungs- bzw. Pachtverträge nach ZGB bzw. BGB). Insbesondere in den neuen Bundesländern häufen sich in letzter Zeit Streitigkeiten über die rechtliche Einordnung dieser Pachtverträge. Ihre Ursache haben die Streitigkeiten insbesondere in dem teilweise erheblichen Unterschied der zu zahlenden Pacht (nach der NutzungsentgeltVO können Beträge gefordert werden, die teilweise das zehnfache des Höchstpachtzinses nach dem BKleingG betragen) sowie in den erheblich unterschied- lichen Kündigungs- und Entschädigungsregelungen in den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen. Einziges geeignetes Unterscheidungsmerkmal zwischen den Nut- zungsarten »Kleingarten« und »Erholungsgrundstück« bildet das Vorliegen der sog. kleingärtnerischen Nutzung aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 BKleingG. Die diesbezüglichen Auffassungen in Literatur und Recht- sprechung gehen teilweise weit auseinander, was zu einer erheblichen Unsicherheit sowohl auf Verpächter- als auch auf Pächterseite geführt hat. Im Folgenden soll daher das Tatbestandsmerkmal der klein- gärtnerischen Nutzung aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 BKleingG näher untersucht werden. Das BKleingG bestimmt in § 1 Abs. 1 Nr. 1, dass ein Kleingarten »zur nichterwerbsmäßigen gärtnerischen Nutzung, insbesondere zur Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf, und zur Erholung« zu dienen hat. Im Kommentar von Mainczyk wird dazu ausgeführt, dass sich die nichterwerbsmäßige gärtnerische Nutzung nicht nur auf die Erzeugung von Obst, Gemüse und anderen Früchten (z.B. Blumen, auch Feldfrüchte wie Kartoffeln) erstreckt, sondern neben der Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen auch eine andere gärtnerische Nutzung nicht ausschließt. Dies beinhaltet z.B. auch das Anpflanzen von Zierbäumen, Sträuchern, das Anlegen von Rasen- * Der Autor ist Vorsitzender des Landesverbandes Brandenburg der Garten- freunde e.V.

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    lassgrundstücks zu dessen Verkehrswert im Jahre 1978 erfolgten, umeine weitere Minderung des Werts dieser Immobilie und damit desNachlasswerts zu verhindern. Diese Maßnahmen entsprachen daherm.E. durchaus einem den unbekannten Erben geschuldeten persön-lichen Fürsorgebedürfnis.

    Durch den Verkauf zum Verkehrswert und die zu diesem Zeitpunktnoch für möglich gehaltene Instandsetzung des Grundstücks sollte derdarin vorhandene Wohnraum erhalten bleiben, was damals imgesellschaftlichen Interesse lag. Dies und auch die Notwendigkeit derBegleichung der Erbschaftsteuer begründete durchaus ein gesell-schaftliches Fürsorgebedürfnis für die erneute Einleitung einer Nach-lasspflegschaft und den Verkauf des Grundstücks. Die gesetzlichenVoraussetzungen für eine solche Maßnahme (§ 415 Abs. 1, Abs. 2Satz 1 ZGB, § 105 Abs. 1 erster Halbsatz FGB) dürften daher 1978gegeben gewesen sein. Niemand wusste damals, dass sich im Herbst1989 eine politische Wende in der DDR vollziehen würde, die u.a. einsprunghaftes Ansteigen des Verkehrswerts von dort befindlichenGrundstücken zur Folge hatte.

    Auch sei darauf hingewiesen, dass nach Auffassung des BVerwG dieBestellung eines Abwesenheitspflegers zur Veräußerung eines Grund-stücks zwecks Abwendung einer sonst drohenden Enteignung mittelseines manipulativen Zugriffs auf das Grundstück keine unlautereMachenschaft darstellt.63

    VI. Fiskuserbschaft und Bestandsschutz

    Eine Eintragung von Volkseigentum im Grundbuch, die auf Grundeines Erbscheins, der unter Nichtberücksichtigung vorhandener Erbenoder Nacherben fälschlich die DDR als Erbin ausweist (fehlerhafte

    Fiskuserbschaft), begründet grundsätzlich keinen Bestandsschutz nachArt. 237 § 1 Abs. 1 EGBGB.64

    Der BGH hat jedoch in einem Fall, in dem auf Grund eines fehler-haften Erbscheins, der die DDR als Erbin auswies, das Grundstück inVolkseigentum überführt worden war, dieser Maßnahme Bestands-schutz gewährt.

    Hier hatte die Erblasserin in einem Testament vier Bürgerinnen als Erbeneingesetzt und weiterhin bestimmt, dass der VEB Gebäudewirtschaft ihrMietwohngrundstück erhalten sollte. Nachdem lediglich zwei Erbinnendie Erbschaft ausgeschlagen hatten, stellte das Staatliche Notariat fälsch-lich das Erbrecht des Staates fest. Darauf wurde das hinterlassene Miet-wohngrundstück in Volkseigentum überführt und der genannte VEB alsRechtsträger eingesetzt.

    Der BGH führte zur Begründung seiner Entscheidung aus, dassdem Staat auf Grund des Vermächtnisses gegenüber den Erben einAnspruch auf Übernahme des Grundstücks zustand (§ 380 Abs. 1Satz 2 ZGB). Da somit die Erfüllung des Vermächtnisses – die Über-führung des Grundstücks in Volkseigentum – gemäß den erbrecht-lichen Bestimmungen erreichbar war, musste die Fehlerhaftigkeit derEigentumsumschreibung, die auf einer zu Unrecht angenommenenFiskuserbschaft beruhte, ausnahmsweise außer Betracht bleiben.65

    (Fortsetzung in Heft 2/03 insbes. zu Schadensersatz, Sicherung von Forderungen und Verjährung)

    Kurzbe i t räge Janke, Das ZGB der DDR in der Rechtsprechung se i t der deutschen E inhe i t …

    63 BVerwG, Beschl. v. 8.2.2001 – 7 B 5/01; v. 21.12.1999 – 7 B 202/99; beideEntscheidungen n.v., jedoch zit. in BVerwG, Beschl. v. 20.3.2001, VIZ 2002, 91.

    64 BGH, Urt. v. 19.6.1998, NJ 1998, 595 (bearb. v. Kolb) = VIZ 1998, 519 = WM 1998,1832 = ZEV 1998, 479 = ZOV 1998, 415.

    65 BGH, Urt. v. 8.12.2000, NJ 2001, 532 = VIZ 2001, 213 = ZOV 2001, 97.

    »Kleingärtnerische Nutzung« nachdem BundeskleingartengesetzDr. sc. Achim Friedrich, Potsdam*

    Die rechtliche Unterscheidung von Verträgen über Kleingartenpacht undVerträgen über Erholungsgrundstücksnutzung ist umstritten. Sie ist insbe-sondere auch im Hinblick auf die finanziellen Konsequenzen für die Pächterjedoch von großer praktischer Bedeutung. Der Autor benennt Abgrenzungs-kriterien, die der Lösung von Rechtsstreitigkeiten dienlich sein können.

    Abgrenzungserfordernis der Pacht- und Nutzungsverträge

    In der Bundesrepublik Deutschland existieren zzt. ca. 1,03 Mio. Klein-gartenpachtverträge nach dem BKleingG, ca. 600.000 davon in denneuen Bundesländern. Daneben bestehen in den neuen Ländernca. 320.000 Verträge über Erholungsgrundstücke (Nutzungs- bzw.Pachtverträge nach ZGB bzw. BGB). Insbesondere in den neuenBundesländern häufen sich in letzter Zeit Streitigkeiten über dierechtliche Einordnung dieser Pachtverträge. Ihre Ursache haben dieStreitigkeiten insbesondere in dem teilweise erheblichen Unterschiedder zu zahlenden Pacht (nach der NutzungsentgeltVO können Beträgegefordert werden, die teilweise das zehnfache des Höchstpachtzinsesnach dem BKleingG betragen) sowie in den erheblich unterschied-

    lichen Kündigungs- und Entschädigungsregelungen in den jeweiligengesetzlichen Bestimmungen.

    Einziges geeignetes Unterscheidungsmerkmal zwischen den Nut-zungsarten »Kleingarten« und »Erholungsgrundstück« bildet dasVorliegen der sog. kleingärtnerischen Nutzung aus § 1 Abs. 1 Nr. 1BKleingG. Die diesbezüglichen Auffassungen in Literatur und Recht-sprechung gehen teilweise weit auseinander, was zu einer erheblichenUnsicherheit sowohl auf Verpächter- als auch auf Pächterseite geführthat. Im Folgenden soll daher das Tatbestandsmerkmal der klein-gärtnerischen Nutzung aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 BKleingG näher untersuchtwerden.

    Das BKleingG bestimmt in § 1 Abs. 1 Nr. 1, dass ein Kleingarten »zurnichterwerbsmäßigen gärtnerischen Nutzung, insbesondere zurGewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf, und zurErholung« zu dienen hat. Im Kommentar von Mainczyk wird dazuausgeführt, dass sich die nichterwerbsmäßige gärtnerische Nutzungnicht nur auf die Erzeugung von Obst, Gemüse und anderen Früchten(z.B. Blumen, auch Feldfrüchte wie Kartoffeln) erstreckt, sondernneben der Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen auch eine anderegärtnerische Nutzung nicht ausschließt. Dies beinhaltet z.B. auch dasAnpflanzen von Zierbäumen, Sträuchern, das Anlegen von Rasen-

    * Der Autor ist Vorsitzender des Landesverbandes Brandenburg der Garten-freunde e.V.

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    flächen und Biotopen. Kennzeichnend für diese Nutzungsart ist dieVielfalt der Gartenbauerzeugnisse.1

    Aus rechtlicher Sicht leitet sich daher die Notwendigkeit ab, 1. den Begriff »Gartenbauerzeugnisse«, 2. das Artenverhältnis zwischen ein- und mehrjährigen Kulturen

    sowie3. das Flächenverhältnis der einzelnen Nutzungsarten (gärtnerische

    Nutzung und Erholungsnutzung) zu objektivieren.

    Zum Begriff »Gartenbauerzeugnisse«

    Dass Obst und Gemüse zu den Gartenbauerzeugnissen gehören, istunstrittig. Strittig ist jedoch, welche weiteren Pflanzenarten zu denGartenbauerzeugnissen gehören. Gerade diese Zuordnung spielt einegroße Rolle in den Auseinandersetzungen sowohl zwischen Boden-eigentümer und Zwischenpächter als auch zwischen Zwischenpächterund Unterpächter. Obwohl dazu auch in den Gartenordnungen derKleingärtnerverbände entsprechende Festlegungen getroffen sind,führt die Vielfalt gärtnerischer Kulturen immer wieder zu unter-schiedlichen, teilweise extremen Interpretationen und damit zuIrritationen. Seinen Höhepunkt fand dies in der Ansicht von Mollnau,der den Begriff »Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen« auf dieüberwiegende Erzeugung von einjährigen Produkten reduziert unddaraus die Forderung ableitet, dass mindestens 51% der Gartenflächemit derartigen (einjährigen) Pflanzenarten zu besetzen sind.2

    Diese völlig unbegründete Interpretation führte in der Folge zueinem Urteil des LG Potsdam 3 zu Ungunsten der Kleingärtner. Auchin jenem Fall stand die Absicht der Bodeneigentümer dahinter, denStatus eines Kleingartens bzw. einer Kleingartenanlage mit dem Zielhöherer Pachterlöse anzuzweifeln. Es erscheint aus der gegenwärtigenSachlage im Interesse der Erhaltung und Sicherung von Kleingarten-anlagen notwendig, den Begriff »Gartenbauerzeugnisse« vom reingärtnerischen Standpunkt eindeutiger zu bestimmen.

    Die Zuordnung einzelner Fachgebiete (Zweige) zum Erwerbsgarten-bau ist nicht ganz einheitlich. Wertet man die zu dieser Thematikvorliegende Literatur, dann ergibt sich unter dem Blickwinkel »Klein-garten« Folgendes:

    Die Fachgebiete Gemüse-, Obst- und Zierpflanzenbau werden völligübereinstimmend als dem Gartenbau zugehörende Zweige betrachtet.

    Nicht ganz so eindeutig sind die Auffassungen im Bereich der Heil-und Gewürzpflanzen. Zweifellos gehören diese zur Gruppe der Son-derkulturen. »Ob es sich hierbei um eine landwirtschaftliche odergärtnerische Sonderkultur handelt, ist hauptsächlich abhängig vonder arbeitswirtschaftlichen Intensitätsstufe der anzubauenden Pflan-zenart.«4 (Da der Anbau dieser Pflanzen – ähnlich dem Gemüse – imAllgemeinen arbeits- und kapitalintensiv sei, würde er gern demgärtnerischen Pflanzenbau zugeordnet.) Unter Berücksichtigungdieser Auffassung ist es richtig, die dazu zählenden Pflanzenarten imKleingarten den Gartenbauerzeugnissen zu zuordnen und ergänzenddazu die Duft- und, im Sonderfall, Färbepflanzen hinzuzufügen.

    Als Sonderfälle sind der Samenbau und die Baumschule zu werten.Kleingartentypisch sind diese Zweige nicht. Sofern jedoch Aktivitätenzur Samengewinnung und zur Anzucht von Gehölzen für die Eigen-versorgung zum Hobby eines Kleingärtners gehören, dann zählt diedafür beanspruchte Fläche zweifelsfrei zur gärtnerischen Nutzung undzur Fruchtziehung.

    Während die Kultur von Weinreben bedenkenlos dem Obstbauzuzuordnen ist, obwohl der erwerbsmäßige Weinbau als selbständigerWirtschaftszweig gilt, zählen die Nussarten (Schalenobst) zwar ein-deutig zum Obst, sind jedoch im Kleingarten wegen ihrer Großwüch-sigkeit unerwünscht.

    Zum Arten- und Flächenverhältnis

    Es ist, wie oben dargestellt, zu einseitig, wenn die allseits propagierteArtenvielfalt im Kleingarten lediglich auf das zweifellos breiteSpektrum der verfügbaren Obst- und Gemüsearten eingegrenzt wird.Derartige Nutzungsvorstellungen sind überholt und entsprechennicht Buchstaben und Geist des BKleingG. Mainczyk lässt aus recht-licher Sicht an diesem Sachverhalt keinen Zweifel.5

    Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist vielmehr eine Erweite-rung der zulässigen Grenzen angezeigt. Es würde an dieser Stelle zuweit führen, diese Arten einzeln aufzuführen. Jedoch soll daraufverwiesen werden, dass im Standardwerk »Der Biogarten« allein 306Pflanzenarten für den Anbau empfohlen werden. Diese möglicheVielfalt empfehlenswerter Kulturpflanzen nach dem Vorbild desfrüheren Bauerngartens in Mischkultur angebaut, naturnah, ökolo-gisch oder biologisch betrieben, das ist vielmehr das Leitbild desKleingartens in Gegenwart und Zukunft.

    Der Artenreichtum kann nicht groß genug sein, da er Grundlageeiner entsprechenden Fauna ist und damit die Kleingartenanlagen ihreanerkannt ökologische Funktion erst voll entfalten können.6

    Ein wesentliches Merkmal der nichterwerbsmäßigen Nutzung istdie »Fruchtziehung«. Der Begriff »Frucht« ist in § 99 BGB bestimmt.Danach sind »Früchte einer Sache … die Erzeugnisse der Sache und diesonstige Ausbeute, welche aus der Sache ihrer Bestimmung gemäßgewonnen wird.«

    Das bedeutet z.B., dass Bäume zwar im Wald »Früchte« sind, imKleingarten allerdings nicht dazu zählen. Früchte im Kleingarten sindlediglich die Erzeugnisse, die den Zweigen des Gartenbaus (s.o.) ent-sprechen. Bei den Obst- und Gemüsearten ist dazu keinerlei Ergänzungnotwendig.

    Einiger Bemerkungen bedarf es allerdings im Zierpflanzenbereich:Es steht außer Zweifel, dass Sommerblumen, Stauden, Zwiebel- undKnollengewächse zu den Gartenbauerzeugnissen gehören. Einmal,weil sie zweifelsfrei gärtnerische Kulturen sind und andererseits ihre»Früchte« – die Blüten – der Bestimmung des Kleingartens gemäßgewonnen werden.

    Etwas differenzierter verhält es sich bei den Ziergehölzen. Im Sinneder »Fruchtziehung« sind zweifellos die Gehölze der gärtnerischenNutzung zuzuordnen, deren Blütenzweige (getrieben oder natürlicherblüht) sonstigen Blumen ähnlich als Vasenschmuck dienen können.Dazu zählen z.B. Arten bzw. Sorten von Deutzia, Forsythia, Jasminum,Prunus; aber auch solche, deren Fruchtzweige (Rosen, Pyracantha,Malus-Arten/Sorten, Cotoneaster) als Zimmerschmuck verwendbarsind. (Wenn die Schnittrose als Gehölz nicht sonderlich genannt wird,so versteht sich das wohl von selbst.)

    Eine Besonderheit könnten jedoch niedrig wachsende Bienen-nährgehölze wie Berberis-, Calluna-, Spirea-, Symphoricarpos-Arten/Sorten, Chaenomeles japonica bilden. Diese dienen zwar nur indirektder Fruchtziehung (Honiggewinnung, Bestäubungsfunktion derBienen bei Obst und Gemüse), verdienen jedoch durchaus Anerken-nung als gärtnerische Nutzpflanzen. Das erscheint um so mehrgerechtfertigt, als der Größe des Kleingartens entsprechend auchRasenflächen und Biotope dazu gezählt werden können. Die genann-ten Arten stehen stellvertretend für eine weitere Vielzahl.

    Fr iedr ich , »K le ingärtner i sche Nutzung« nach dem BKle ingG

    1 L. Mainczyk, BundeskleingartenG, Praktiker-Komm., 8. Aufl. 2002, S. 50 f.2 M. Mollnau, »Zur Anwendung des BKleingG und des SachenRBerG auf Grund-

    stücksnutzungsverhältnisse im Beitrittsgebiet«, NJ 1997, 466 ff.3 LG Potsdam, Urt. v. 16.5.2000, 6 S 15/99 (rechtskräftig).4 E. F. Heeger, Hdb. des Arznei- und Gewürzpflanzenbaues, VEB Deutscher Land-

    wirtschaftsverlag, 2. Aufl. 1989, S. 11.5 L. Mainczyk (Fn 1), § 1 Rn 6a, 7.6 A. Friedrich, Agenda 21 und Kleingärten, Bundesverband Deutscher Garten-

    freunde e.V., internationales Seminar Agenda 21, München 2001.

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    Ziergehölze, die den o.g. Kriterien nicht entsprechen (dazu gehörenz.B. die Koniferensortimente), können als gärtnerische Nutzung imSinne einer Fruchtziehung nicht anerkannt werden.

    Der notwendige Anteil von Obst- und Gemüsearten an der Klein-gartenfläche gibt immer wieder Anlass zu Diskussionen und gericht-lichen Auseinandersetzungen. Generell ist festzustellen, dass derGesetzgeber den Anbau dieser Kulturen vorschreibt, ihr Vorhanden-sein im Kleingarten somit unverzichtbarer Bestandteil der nicht-erwerbsmäßigen gärtnerischen Nutzung ist. Es bleibt die Frage nachdem »wieviel«. Weder das BKleingG noch die dazu vorliegendenKommentare von Mainczyk,7 Stang 8 und Otte 9 nennen dafür quanti-tative Parameter. Die diesbezüglichen Aussagen beschränken sich aufqualitative Aspekte und stellen fest, dass Obst und Gemüse in Arten-vielfalt vorhanden sein müssen. Lediglich das VG Frankfurt (Oder)gelangt bei der Beurteilung einer Kleingartenanlage zu der Feststel-lung, dass ein Anteil von durchschnittlich 22,20% der Gartenfläche»als gärtnerische Nutzung (Gemüsebeete, Beerensträucher, Obst-bäume, Zierpflanzen einschließlich Blumen) … kein … nur ganzgeringfügiger, die Gärten nicht mitprägender Anteil (ist), sondern …bereits für das Vorliegen einer kleingärtnerischen Nutzung iSv § 1Abs. 1 Nr. 1 BKleingG (genügt)«.10

    Vergleicht man diese Aussage mit der bereits zitierten von Mollnau,dann wird ersichtlich, wie groß die Interpretationsspielräume sind.Dass auf dieser Grundlage viel Unsicherheit in die praktische Arbeitder Kleingärtnervereine und -verbände getragen wird, liegt auf derHand. Es ist demzufolge notwendig, die Abgrenzung deutlicher zugestalten.

    Richtungsweisend dazu dürfte das vom BGH 11 bestätigte Urteil desOLG Naumburg 12 sein. Folgt man dem darin ausgeurteilten Sachver-halt, dann lässt sich Folgendes feststellen:

    1. Die nichterwerbsmäßige gärtnerische Nutzung muss dominieren.Das bedeutet, dass dieser mindestens 51% der Gartenfläche vorbe-halten sein muss.

    2. Die Erzeugung von Obst und Gemüse muss auf diesem Flächenan-teil überwiegen. Das heißt wiederum, mindestens 51% der gärtne-risch genutzten Fläche (das entspräche ca. der Hälfte der unter 1.verzeichneten Anteile und macht damit 26% der gesamten Garten-fläche aus) sind mit den entsprechenden Arten zu besetzen.

    Wie viel Obst oder Gemüse davon ausmachen sollten, darüber sagt dasBKleingG nichts aus. Es wird lediglich von Obst und Gemüsegesprochen. Beides muss also sein. Die Anteile von Obst- und Gemü-searten bleiben der individuellen Neigung des Kleingärtners vorbe-halten. Für die anderen »Feldfrüchte«13 verbleiben demzufolge reinmathematisch max. 25% der Gartenfläche, auch hier ohne Fixierungbestimmter Schwerpunktanteile. Diese Relationen an der »gärtnerischgenutzten Fläche« bleiben auch dann erhalten, wenn deren Anteil ander gesamten Gartenfläche mehr als 51% beträgt.

    Eine solche Betrachtungsweise eröffnet den individuellen Neigun-gen des Kleingärtners große Spielräume, berücksichtigt dessen sozialeund familiäre Situation ebenso wie die notwendigen ökologischenBedingungsfelder gegenwärtiger Umweltpolitik.

    Systematisiert ergeben die für die nichterwerbsmäßige gärtnerischeNutzung im Kleingarten in Betracht kommenden wichtigsten Pflan-zenarten folgendes Verhältnis: Von insges. 18 Pflanzengruppen sindlediglich sieben einjährig und elf – das sind 61,1% – mehrjährig.Zu den einjährigen Kulturen gehören fast alle Gemüsearten (Aus-nahme Stielgemüse = Spargel und Rhabarber sowie einige Grenzfälle

    von Arten und Sorten, die überwinterungsfähig sind, wie Porree,Rosenkohl, Grünkohl und durchaus auch als zweijährige Kulturengewertet werden können), Sommerblumen und einjährige Kräuter.

    Sämtliche Obstarten, Stauden, fast alle Blumenzwiebel-/Knollen-gewächse, alle Ziergehölze und viele Kräuter sind mehrjährig.

    Damit wird deutlich, dass die Forderung, mindestens 51% derGartenfläche mit einjährigen Kulturen zu besetzen als haltlos undunbegründbar in den Bereich des Wunschdenkens gehört und jegli-cher fachlichen Grundlage entbehrt, da 2/3 aller anbaubaren Arteneindeutig zwei- und mehrjährig sind, ungeachtet noch einiger Zwei-felsfälle bei überwinterungsfähigen, jedoch als einjährig verbuchtenGemüsearten und -sorten.

    Und außerdem: Die bisher übliche Abgrenzung zwischen Gemüseund Zierpflanzen sowie Heil- und Gewürzpflanzen beginnt zumindestfür den Hobbybereich zu verschwimmen. Buntlaubiger Salat, Mangoldund Zierkohl bringen Farbe und bisher bei diesen Arten unbekannteFormen in den Garten und tragen zu dessen Zierde bei, übernehmensomit Zierpflanzenfunktionen.14 Blüten und Blütenknospen dienenzunehmend der optischen und geschmacklichen Aufwertung vonGetränken und Speisen. Mail-Brandt nennt insges. 63 Arten, die indiesem Sinne verwendbar sind. 15

    Zusammenfassung

    Die »kleingärtnerische Nutzung« aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 BKleingG erfasstsowohl die nichterwerbsmäßige gärtnerische Nutzung als auch dieErholungsnutzung. Schon aus Gründen der Abgrenzung zur Anwen-dung der Bestimmungen des SchuldRAnpG (§ 29 Ziff. 4) muss dienichterwerbsmäßige gärtnerische Nutzung gegenüber der Erholungs-nutzung überwiegen. Innerhalb der nichterwerbsmäßigen gärtne-rischen Nutzung muss die Gewinnung von Gartenbauerzeugnissenfür den Eigenbedarf eine bestimmende Rolle einnehmen. Zurnichterwerbsmäßigen gärtnerischen Nutzung gehört insbesondere derAnbau von Obst und Gemüse, Zierpflanzen sowie Heil- und Gewürz-pflanzen (Kräuter), aber auch das Anlegen und Pflegen von Rasen-flächen.

    Hierbei muss jedoch der Anbau von Gartenbauerzeugnissen für denEigenbedarf dominieren, so dass sich rein rechnerisch ein Mindest-flächenanteil von 26% für die Gewinnung von Obst und Gemüse fürden Eigenbedarf und ein weiterer Anteil von 25% der Gartenfläche fürsonstige nichterwerbsmäßige gärtnerische Nutzung (Zierpflanzen undHeil-/Gewürzpflanzen) ergibt. Darüber hinaus gehende Forderungen,etwa dass 51% der Fläche für Obst- und Gemüseanbau oder gar aus-schließlich für einjährige Kulturen genutzt werden müssten, werdenweder vom BKleingG getragen noch sind solche aus rein gärtnerischerSicht gerechtfertigt.

    Kurzbe i t räge Friedr ich , »K le ingärtner i sche Nutzung« nach dem BKle ingG

    7 Siehe Fn 1.8 G. Stang, BundeskleingartenG, Komm., 2. Aufl. 1995, § 1 Rn 6 f.9 Otte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Teil H, Komm. zum BKleingG, § 1

    Rn 8 ff.10 VG Frankfurt (Oder), Urt. v. 31.3.1998, Az. 7 K 1912/96.11 BGH, Urt. v. 31.1.2002 – III ZR 42/01.12 OLG Naumburg v. 11.1.2001 – 7 O 132/99.13 L. Mainczyk (Fn 1), § 1 Rn 6.14 A. Werner, Gartenzeitung 7/2002, 34 ff.15 M. Mail-Brandt, Gartenzeitung 6/2002, 34 ff.