Kongenitale Katarakt mit Krystallbildung

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(Aus der deutschen Univ.-Augenklinik in Prag. -- Vorstand: Prof. A. Elschnig.) Kongenitale Katarakt mit Krystallbildung. Von Dr. Georg Braun, Assistent. Mit 4 Textabbildungen. Der Fall, tiber den im folgenden berichtet werden soil, weist einen mder Ophthalmologie einzig dastehenden, jedenfalls bis heute nicht beschriebenen Befund auf. Es handelt sich um eine aus Krystallen aufgebaute, der Anamnese nach kongenitale Katarakt. Uber Beobachtung yon Krystallen in der sonst relativ kIaren Linse berichtet nur v. Grae/e 1. Doch handelt es sich in seinem Falle um eine 73jghrige Frau, reehts mit maturer Alterskatarakt, w~thrend im linken Auge folgender Befund erhoben wurdel ,,Bei erweiterter Pupille sah man mit unbewaffnetem Auge in der schwach angehauchten oder ver- schleierten Cortiealsubstanz zahlreiehe Cholestearinkrystalle, welehe bei gtinstiger BeIeuchtung ein glitzerndes Ansehen gaben. Dabei war der Linsenkern vollkommen transparent und auch die zwischen den einzelnen Krystallhaufen liegenden Teile der Cort.iealsnbstanz schienen nur leieht angehancht." Bei der weiteren Verfolgung trat eine Ver- fliissigung der Linsensubstanz und damit eine 8enkung der Krystall- plgttchen ein. Nghere Angaben werden nieht gegeben, doch schon aus dieser kurzen Beschreibung scheint hervorzugehen, dab der Fall yon Grae/e in eine andere Gruppe geh6r~, als die yon uns gefundene Anomalie. Die Angaben, die der 19jghrige Patient maeht, bieten keine Bosonderheiten. Er ist yon Beruf Kutschor, hat stgndig auf dem Lande golebt. Mit Ausnahme einer Rippenfollentziindung vor 1 /[ahre war er immor vollkommon gesund. An eine Erkrankung oder Verletzung der Augen kann or sich absolut nieht erinnern. Das SehvermSgen hat sich, soweit or zurtickdenkon kann, nicht verscMochtert. Vor oinigen Tagen war er bei oinem Zahnarzt, der ihn auf sein Augenleiden auf- merksam machte und zur Untersuchung an die Klinik schiokte. Bis dahin wul3te der Patient nichts yon dem Vorhandonsein der Linsentriibungcn. Status: Mittelgrol~, krgftig, normal gobaut. Intern nur diffuse, vorwiegend bas~te Bronchitis. Keine Anhaltspunkte fiir eine latente Tctanie. Im I-Iarn weder Eiweil~ noch Zucker oder Indiean. Grundsto]]umsatz normal. 1 v, Graele, v. Graefes Arch. f. Ophth. I, 323. 1854. 46*

Transcript of Kongenitale Katarakt mit Krystallbildung

(Aus der deutschen Univ.-Augenklinik in Prag. - - Vorstand: Prof. A. Elschnig.)

Kongenitale Katarakt mit Krystallbildung. Von

Dr. Georg Braun, Assistent.

Mit 4 Textabbildungen.

Der Fall, tiber den im folgenden berichtet werden soil, weist einen m d e r Ophthalmologie einzig dastehenden, jedenfalls bis heute nicht beschriebenen Befund auf. Es handelt sich um eine aus Krystallen aufgebaute, der Anamnese nach kongenitale Katarakt.

Uber Beobachtung yon Krystallen in der sonst relativ kIaren Linse berichtet nur v. Grae/e 1. Doch handelt es sich in seinem Falle um eine 73jghrige Frau, reehts mit maturer Alterskatarakt, w~thrend im linken Auge folgender Befund erhoben wurdel ,,Bei erweiterter Pupille sah man mit unbewaffnetem Auge in der schwach angehauchten oder ver- schleierten Cortiealsubstanz zahlreiehe Cholestearinkrystalle, welehe bei gtinstiger BeIeuchtung ein glitzerndes Ansehen gaben. Dabei war der Linsenkern vollkommen transparent und auch die zwischen den einzelnen Krystallhaufen liegenden Teile der Cort.iealsnbstanz schienen nur leieht angehancht." Bei der weiteren Verfolgung trat eine Ver- fliissigung der Linsensubstanz und damit eine 8enkung der Krystall- plgttchen ein. Nghere Angaben werden nieht gegeben, doch schon aus dieser kurzen Beschreibung scheint hervorzugehen, dab der Fall yon Grae/e in eine andere Gruppe geh6r~, als die yon uns gefundene Anomalie.

Die Angaben, die der 19jghrige Patient maeht, bieten keine Bosonderheiten. Er ist yon Beruf Kutschor, hat stgndig auf dem Lande golebt. Mit Ausnahme einer Rippenfollentziindung vor 1 /[ahre war er immor vollkommon gesund. An eine Erkrankung oder Verletzung der Augen kann or sich absolut nieht erinnern. Das SehvermSgen hat sich, soweit or zurtickdenkon kann, nicht verscMochtert. Vor oinigen Tagen war er bei oinem Zahnarzt, der ihn auf sein Augenleiden auf- merksam machte und zur Untersuchung an die Klinik schiokte. Bis dahin wul3te der Patient nichts yon dem Vorhandonsein der Linsentriibungcn.

Status: Mittelgrol~, krgftig, normal gobaut. Intern nur diffuse, vorwiegend bas~te Bronchitis. Keine Anhaltspunkte fiir eine latente Tctanie. Im I-Iarn weder Eiweil~ noch Zucker oder Indiean. Grundsto]]umsatz normal.

1 v, Graele, v. Graefes Arch. f. Ophth. I, 323. 1854.

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702 G. Braun :

Der vordere Augenabschrfit~ zeig~ beiderseits keine Ver/tnderungen. In der rechten Linse sieht man parazen~rat oben ganz vorn ein grau getriibtes,

unregelm~gig begrenztes Pt/~ttehen mi~ scharfen, gl~nzenden R~ndern. Von diesem ausgehend zieh~ nach rtickw/~rts eine sich nach beiden Seiten allm/~hlieh verbreiternde 'l~tibung bis in die hintere Corticalis, aber ohne den hinteren Pol zu erreiehen. Bei 2 ~ und im inneren unteren Quadranten liegen noeh einige kleinere Trttbungen, die bei einfaehex Lupenbetraehtung wie gesehiehtet aussehen und yon denen die unterste welt nach hinten re~eht,, w~hrend die ttbrigen auf die vordere Corticalis besehr~nkt bleiben. Sonst Linse vollkommen klar.

Links diehte, grauweige fusiforme Katarakt, die aber ungef~hr in der Kern- partie ihre gr6fite Breite erreieht. Ihre Grenzen sind ganz unregelm~Big, nach innen oben etwas verschwommen, sonst seharf abgesetzt. Am vorderen Pol is~ ein pyramidalisargiger Aufsatz. Nach innen unten linden sich kleine Forgs~tze, zum Tell noch in Verbindung mit der 3/iitt.eltrfibung, andere separiert. Innen oben isolierte Gruppe in der vorderen Corticalis. Auch bier iibrige Linse klar.

Abb. 1. Aussc, hnitt aus der ~Iittelgruppe des linken iuges.

Fundus beiderseits nom~al. 1~A8. = 6/a zum Tefl, Nieden Nr. 2; L A S . - 6/r~ zum Tell, Nieden Nr. 3. Erst mit dem Hornhautmikroskop und der Spaltlampe lassen sich die Trfi-

bungen voltstgndig auflSsen. Sie bestehen a.us einem dichten Gewirr yon Xry- stallen, die besonders dort, wo sie etwas freier oder isoliert liegen, vorwiegend 6seitige, zum Teil ganz regelmggige, farblose, sehr stark lichtbrechende Thfelchen mit 120 ° Winkeln darstellen, wghrend m~nche ungleich lunge Seiten besitzen. Andere Plgttchen wieder zeigen rhombische Formen oder Rhomben, deren spitze Eeken abgestumpft sind. Die K r ~ t a l l e sind teilweise votlkommen durchsichtig, andere grauweil3 getrtibt. Bei den meisten Gruppen finder man mehr weniger zentral oder auch verzweigt eine gr~uweil)e, trtibe Masse, die far die Krystgllchen den Ausgangspunkt zu geben scheint, doch sind sie gegen die umgebende, intakte Linsensubstanz vollkommen kl~r und scharf abgegrenzt. An einigen Stellen sind reine Krystallinsetn ohne Spur einer diffusen Trfibung. Die Krystalle nehmen im l~aum alle m6glichen Lagen ein, ganz unabh/mgig yon dem Verlauf der Linsen-

KongenitMe Katarukt mit Krystaltbildung. 70.3

f~sern. Ihr Durchmesser erreicht, an der vergr6Berten Zeichnung im Vergleich zur Pupillenweite gemessen, bis zu 11/2 ram, meist sind sie jedoch viel kleiner. Dort, wo sie dicht aneinandergedr~ngt in ihrer freien Entwicklung gehemmt sind, weisen sie ganz un- rege]m~gige Formen und durch Vereinigung auch treppenf6rrnige Gebilde auf.

Die beigegebenen Ab- bildungen geben eine Vor- stellung der Anordmmg dcr beschriebenen Trtibungen, allerdings ohne die 'l~'a.ns- parenz ufld die prachtvolle Plastik richtig zum Aus- druck zu bringen.

Eine sichere Bestim- mung des Krystall- systems war nieht mSg- lieh, und dies um so weniger, als eine Unter- suehung mit dem Pola- risationsmikroskop aus- geschlossen war. Die Abb. 2. Linkes Auge.

Anordnung der Gebilde macht den Eindruck, dab sie nicht priraar, sondern sekundgr yon den diffus getriibten Partien ausgehend, viel- leieht als deren Produkt entstanden sind.

Noeh sehwerer und unsieherer als die Fest- stellung der Krystall- form war natiirlieh, die Grundsubstanz, a, us der die Krystgllehen be- stehen, zu best, immen.

Sonst werden im le- benden KOrperKrystalle

nur in Ausseheidungen Abb. 8. l%echtes Auge.

oder in abgestorbenen, aus dem allgemeinen Stoffweehsel separierten Geweben beobaehtet. Ihr Vorkommen in der lebenden, normal funktionierenden Linse ist nur durch den geringen und langsamen Umsatz derselben zu erklEren.

704" G. Braun :

Von organisehen Substanzen ist Cholesterin die einzige, die im Auge zuweilen in Krystallform gefunden wird. Es krystallisiert triklin mit starker Annaherung an das monokline System; der Form nach k6nnten also die Tafelehen aus diesem Stoffe bestehen. Doeh sprieht dagegen ihre a.uffallend starke Lichtbreehung, die den Cholesterinkrysta.tlen fehlt, und der Umstand, dM~ Cholesterin wohl nur als lokales Degene- rationsprodukt in der Linse vorkommt, wahrend hier die Struktur der umgebenden Linsenfasern aueh unmittelbar neben den weitest vorspringenden Tafelehen normal ist.

Aueh die Krystalle yon Cystin und Harnsaure erinnern an die in dem Fa.lle beobaehteten Formen, ersteres hexagonal, tetzteres rhombiseh- pyramidal krystaltisierend. Doeh kommen bekanntermagen gelegent- lieh in Sedimenten wenig gefarbter Harne aueh regelmal3ige 6 seitige I-Iarnsauretafelehen vet. Die Annahme, dab Cystin als primares, lokMes Abbauprodukt des Eiweisstoffweehsels der Linse setbst gebildet und nieht resorbiert worden ware, erseheint deshalb unwahrseheinlieh, weil wohl gleiehzeitig mindestens das ebenso sehwer 16stiehe Tyrosin vorhanden sein miigte, wahrend die Krystalle ganz einheitliehen Cha- rakter zeigen und die typisehen Tyrosinnadeln fehlen. Dagegen, dag die Plattchen aus ttarnsgure bestehen, ware das Fehlen jeglieher uratiseher Symptome und insbesondere jeglieher I~eizerseheinung im Auge einzu- wenden. AuBerdem ist bei der alkglisehen l~eaktion der Linse Ireie Itarnsi~ure ats Konkretion nieht zu erwa.rten. Alle in Betraeht kommenden Urate aber, yon denen Ms Laboratoriumsprodukt aueh rhombiseh oder hexagonal aussehende Tafelehen gewonnen werden k6nnen, sind in Wasser nieht ganz unl6slieh, und es ist deshalb kaum anzunehmen, dab eine derartige Krystallbfldung jahrelang unverandert bestehen k6nnte.

Der Vollstandigkeit der Untersuehung wegen soil erw~hnt werden, dab der Cholesterinspiegel des Blutes normal, im Ham Cystin nieht naehweisbar und der tfarnsauregehalt keinesfalls vermehrt war. Aus diesen negativen Befunden lagt sieh natiirlieh kein sieherer l~iieksehluB ziehen. Bei dem extrem langsamen Stoffweehsel der Linse ist es sehr leieht denkbar, dab eine Substanz in gewissen Perioden im Ubersehuft im K6rper vorhanden war und in die Linse ausgesehieden wurde, jetzt abet langst aus dem Blut und dem iibrigen K6rper etiminiert ist, wahrend sie in der Linse zuriiekbleibt.

Von anorganisehen Substanzen kommen Kalkverbindungen, be- senders Caleiumphosphate in Betraeht, die ebenfalls in ahnliehen Formen wie die hier beobaehteten krystMlisieren. Mit einem gewissen GehMt an Fluoriden und Chloriden sind sie im 5Iineralreieh Ms Apatit bekannt. Fiir sie ware vor allem anzufiihren, dab sie aueh stark lieht- breehend sind, ferner wtirde der Umstand, dab Verkalkungen im

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Organismus im allgemeinen keinerM Reizerseheinungen hervorrufen, mit dem jetzigen Zustande der Augen und den anamnestischen Angaben des Patienten, der sieh an keine Entziindung erinnern kann, iiber- einstimmen.

Soweit es Mso iiberhaupt mOglieh ist, aus den gegebenen Sym- ptomen eine Diagnose der Krystal]substanz zu stellen, erseheint es am wahrscheinliehsten, daft es sieh um Calciumphosphatkonkretionen handelt.

Die Genese der Krystalle kann man sieh analog den ehemisehen Beobaehtungen vorstellen, daft sich aus krysta]linisehen Gemengen im Laufe der Zeit Krystalle absetzen oder aus kleinen Krystallen all- m~hlich grOftere entstehen. Das Primi~re war, wie schon frtiher kurz erwghnt, auch hier wahrsehein]ieh die diffuse Triibung, vielleicht eine krystallinische Ausseheidung, aus der in Jahren die Krystatle aufgebant wurden. Hierin liegt evtl. die MOgliehkeit, der Natur des Prozesses n~her zu komInen. Was in unserem Falle spontan entstanden ist, kann man im Experiment durch Injektionen versehiedener Substanzen in lebende Linsen oder in Gemenge, die linsen~i~hn]idh zusammengesetzt sind, und Beobaehtung naehzuahmen trachten. Derartige Versuehe sind in Aussieht genommen und es wird dariiber nach Absehluft derselben, falls positive Resultate zu verzeichnen sind, berichtet werden.

Der Patient wird nattirlieh welter genau beobachtet. Vorl~ufig lag keine Indikation ftir einen operativen Eingriff vor, da das Seh- vermSgen fiir seinen Beruf vollkommen ausreiehend war.

Die Untersuehungen wurden mit Hilfe yon Herrn Hofrat Prof. Zeynek, Vorstand des med.-ehem. Institutes und Herrn Prof. Stark, Vorstand des mineral. Instituts durehgefiihrt und die Befunde naeh genauer Bespreehung verwertet. Fiir ihre liebenswiirdige Unterstiitzung spreehe ieh ihnen aueh an dieser Stelle meinen herzliehen Dank aus.

Wenige Tage, bevor die Korrekturen dieser Publikation zum Druek abgesehiekt werden sollten, wurde die Mutter des Patienten, M. V., eine 50jfi.hrige Frau wegen eines Uleus serpens des linken Auges auf unsere Klinik aufgenommen. Bei der Untersuehung stellte sieh nun die merkwiirdige Und interessante Tatsaehe heraus, daft in der reehten Linse dieselben Krystallbildungen vorhanden waren wie bei ihrem Sohne; links konnte die Linse wegen der starken I{ornhauttriibung nieht beurteilt werden. Die Anamnese braehte aueh hier beziiglieh der Linsentrfibungen niehts von Bedeutung. Die Patientin gab an, immer kurzsiehtig gewesen zu sein - - tats~ichlieh wurde aueh eine Myopie von 15 dptr festgestellt - - auBerdem bemerkte sie seit etwa 10 Jahren eine Abnahme des Sehverm6gens reehts. Sonst hie krank gewesen.

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Befund des reehten Auges: Vorderer Absehnitt mit Ausnahme einiger Horn- hau~makeln normal. In der Linse z~hlreiehe Tr~bungen, die bei der SpMtlampe das im Folgenden beschriebene Bild boten. Im GlaskSrper flottierende Strange, Fundus zeig~ myopisehe Veranderungen. S. mit --15,0 Dptr. = a/3 G.

Spa.ltlampenbefund: Auf der Linsem, orderka, psel massenhaft sternf6rmiges, anseheinend kongenitates Pigment. Oben bei 12 Uhr dieht unterhMb der Vorder- kgpsel in der vorderen Corticglis 2 untereinanderliegende, sehr diehte diffuse Trtibungen yon ann~hernd runder Form. Naeh riiekw~rts zu setzen sieh diese dureh die vordere Corticalis his fiber das Kerngebiet fort, zum grSBten Teil aus gesehichtet.en Krystalltafeln bestehend, deren Kanten naeh beiden Seiten hervor- sehauen. Naeh innen groge, dieke Ts~fel angelehnt, die ~nna.hernd in tier Sagi~tal- ebene liegt and mit der L~ngskante naeh vorn geriehtet ist. Parazentral aul]en 2 kMne rundliehe Triibungen in der vorderen Cortiealis, yon denen die mediale

Abb. 4. Rechtes Auge.

bis knapp hinter die Kapsei reicht, die laterale eine kreisrunde Aufhellung auf- weist, dutch die sie in ein Tr~bungszentrum und in einen dieses umgebenden Trtibungsring geteilt ist. In den tieferen Sehiehten der vorderen Cortiealis dahinter einige fast Mare Krysta.lle, die dureh Aneinanderlagerung ganz unregelm~Bige Formen angenommen haben. Direkt un~erhalb des Zentrums senkreeht verlaufend eine in der Sagit~Mebene aufgestellte sehmale Krystallplatte mit floekiger Ein- htillung oben und unten. An diese angelegt unten 2 sehr~ggestellte Platten, die mit der grSl3eren einen spi~zen Winkel bildend, n~ch oben gehen. Am oberen Ende ebenfalls 2 kleinere Tafelehen. Pz~razentral innen in der hinteren Cortiealis ein gelblieh tingiertes Konglomera~ yon I~ystallen und diffuser Triibung. Im ~u[,~eren unteren Quadra, nten eine groge Y~'ystatlgruppe, die auf die vordere Cortie~lis besehr~nk~ isg (Abb. 4).

Aueh hier also wie im ersten Fal le eine K o m b i n a t i o n yon diffuser, ungeformter Trf ibung und yon seharf abgesetzten, meist tafelf6rmigen

Kongenitale Katarak~ mit Krs.~stallbitdung. 707

Krys~allen, die ganz gleiche Bildungen zeigen, wie sie friiher beschrieben wurden. Aueh hier liegen die Triibungen in klarer, unver~nderter Linsen- substanz eingebettet und zeigen gegen diese vollkommen scharfe Grenzen.

Die Linsentrtibungen waren reehts so dicht, dab unbeding~ die Indi- kation zur Extraktion vorhanden war. Doch muBte die Patientin zuerst wegen des Ulcus serpens und einer Trg,nensackblennorrhSe des linken Auges behandelt werden. Da sie auch sonst kSrperlich stark herabgekommen war, wurde sie nach Abheilung des Geschwfirs auf einige Wochen in ein Erholungsheim geschickt und fiir sp~ter zur Operation wiederbestellt.

In der Zwischenzeit wurden die chemischen Versuche angestellt, die wir in Na~hahmung des natiirlichen Vorganges zur Bestimmung der Krystallsubstanz vornehmen wollten.

Ober- und unt~rhalb einer Gelatineschich~ wurden entsprechende LSsungen geschiehtet. Um eine Vermengung zu vermeiden, verwendeten wir Eprouvetten, die in halber HShe stark, ca. auf 3 ram, eingeschniirt waren. In die so verengte Stelle kam die Gelatineschicht. 3 Kombi- nationen wurden versueht: In der einen RShre Calciumchlorid - - Gela- tine - - phosphorsaures Natrium, in der zweiten eine alkoholische CholesterinlSsung - - Gelatine - - destilHertes Wasser, in der dritten eine alkalische Cystinl6sung - - Gelatine - - verdiinnte Essigs~ure. Diese Proben wurden teils im Brutschrank bei KSrpertemperatur, teils bei Zimmertemperatur stehengelassen und st~ndig an der Spaltlampe kontrollier~. Wahrend die ersten zwei auch nach langer Beobachtung st~ndig negativ blieben und nur in der Cholesterinprobe sich das Bild der Synchisis scintillans ohne richtige Krystalle entwickelte, konnten wir nach ca. 3 Wochen die Ansbildung von Cystinkrystallen in kleineren Gruppen beobaehten, die sich allm~hlich vergrSl~ertert und schtieB- lich ein ganz a~hnliches Aussehen zeigten wie die Krystallbildungen bei unseren Patienten. Eine Wiederholung der Versuche gab das gleiche Resultat. Damit schien die Frage nach der Grundsubstanz der gefundenen Linsentriibungen gelSst.

Die Aut0psie ergab aber, dab die LSsung falsch war. Am 24. XI. wurde ng.mtich die Patientin nach ihrer Riickkehr

rechts, am 15. XII. auch links extrahiert. Die Linsen wurden sofort nach der Entbindung in eine feuchte Kammer gelegt und in das medizinisch-chemische Institut gebracht. Unter dem Binokular- mikroskop lie/~en sieh die getriibten Partien aus der Linsensub- stanz gut heranslSsen, wobei man deutlich aus Krystallen zusammen- gesetzte und mehr amorphe, grauweiSe Partikelchen unterscheiden konnte.

Der Befund des Herrn Hofrat Zeynek ergab:

708 G. Braun :

Das Gewicht der herausgelSsten K6rnchen diirfte sch~tzungsweise in der GrSl3enordnung yon 10 -4 g liegen. Sie waren ziem]ich hart. Die Krystallkonglomerate liegen sieh mit einem feinen Messerchen in kry- stallinisehe Bruchstfieke spalten und erwiesen sich im polarisierten Lieht als doppeltbreehend.

Mit den Krystallpartikelchen der erstuntersuchten Linse waren aIs auffSlligste Reaktionen erhalten worden: 1. UnlSslichkeit in Wasser, Alkohol, }~ther, Ammoniak. 2. Leichte L6sIichkeit in Salzsi~ure und Essigsaure, beide yon normaler Konzentration; Kalknachweis in der L6sung dureh Darstellung yon Caleiumoxal~t. 3. Herstellung eines Gliihriickstandes, der weii3, hart, doppeltbreehend war, sieh untex Aufbrausen in S~ure 15ste, keine Phosphorsaure enthielt.

Mit den Krystallpartikelchen der zweituntersuehten Linse, die in etwas grSf3erer Menge vorhanden waren und die keine opaken, knolli- gen Auflagerungen zeigten, erwarteten wir die gleiehen Reaktionen; zu unserem Erstaunen erhielten wir aber andere Befunde: 1. Die Krystall- chen waren zwar unlSslich in Wasser, Weingeist, J~ther, 15sten sich ]edoch sowohl in Ammoniak als auch in Lauge auf. 2. Sie 15sten sieh auch in Salzs~ure und in normaler Essigs~ure, abet ohne eine Spur yon Aufbrausen; die Kalkreaktion in der LSsung war negativ. 3. Beim Erhitzen verflfiehtigten sie naeh anf~nglichem AufblgJaen unter starker Verkohlung, bei l~ngerem Erhitzen blieb kein Riickstand zurfick.

Wir m/issen demnaeh annehmen, da{3 bei den erstuntersuchten Kryst~llen ein Nebenbefund erhoben wurde, welcher vermut]ich den opaken, die Krystalle umgebenden Massen zukam.

Bei dem zweituntersuehten Auge war die Menge der Kryst~llehen etwas grSi~er Ms bei dem ersten, wie erw~hnt, waren auch opake Massen nicht vorhanden. Die harten Krystatldrusen wurden dutch AbspiiIen mit 3proz. Kochsalzl6sung und mit Wasser yon der Hauptmenge des anhaftenden weichen Linsengewebes mSglichst befreit. Es sei unter Beziehung auf die weiterhin aufgez~hlten Reaktionen hervor- gehoben, dab durch dieses Wasehen keine Alteration der Krystall- massen erfolgte.

Vorerst wurde die Gesamtmenge der isolierten Krysta]le Herrn Prof. M. Stark zur krystallographischen Untersuchung tibergeben.

Die mfihsame Untersuchung, fiir welche wir tterrn Prof. Static zu besonderem Danke verpflichtet sind, hatte folgendes Ergebnis:

,,Die Kryst~llchen sind meist von einer GrSl~e yon 0,2--0,1 mm, selten erreichten sie l/u ram L~nge und zeigten dann gem parallele Verwachsungen mehrerer Individuen.

Sie sind monoklin, dfinntafelig naeh 001, zeigen bisweilen sechs- eckigen Umriit mit nahezu gleiehlangen Seit~n und zwar so, dal~ das eine Kantenpaar normal zur Symmetrieebene steht.

Kongenitale Kata, rakt mit Krys~allbildung. 709

Der Winkel dieser normal zur Symmetrieebene stehenden Kante zur anstol3enden Kante liegt meist bei 55--57 o, der dann folgende Winkel bei 67--70 °. Bei einem sehr gut krystallographisch begrenzten Tafel- chert waren diese Winkel 55 °, 70 °.

Dureh Verkiirzung oder Schwinden dieser zur Sym.-Ebene nor- malen Kanten werden die Krystallehen spitzrhombisch.

AuI~er der Tafelflaehe 001 gewahrt man das Vertikalprisma, wobei auf Grund vergleiehenden Studiums der Interferenzfiguren im konver- genten Licht (tteben und Senken des Tubus bei durchfallendem wie dann auch bei auffa]lendem Lieht) gesehlossen wurde, dab der yon 001 und 110 gebildete Winkel ein stumpfer sei, da 110 schr~tg nach vorn unten abfallt, jedoeh nut wenig von 90 ° verschieden sei. In die- sem Falle liegt die 1. Mittellinie ziemlich welt naeh rfickwarts geneigt, sie liegt aul~erhalb der Intefferenzbilder. Ist sie jedoeh (bei etwas ge- neigter Stellung der Tafelehen) nahe am Rande des Intefferenzbildes, so sieht man nicht die Flachen 150 und 110, sondern 110 und 510. Aul~er 001 wurde noeh ein Flaehenpaar //b festgestellt; ob aueh 100 auftritt , war nicht mit Sicherheit zu entseheiden.

Die Krystallehen sind am leichtesten teilbar nach 010 und in einer Riehtung normal dazu.

Die eine Sehwingungsriehtung liegt normal zur erstgenannten Kante, also _L b, sie ist a ' und entsprieht aueh der Ebene der optischen Aehsen, die zweite liegt in der Halbierenden des Winkels yon 70 °, sie ist p.

Im konvergenten Lieht zeigt sieh an den T~felehen ein Inter- fereaazbfld, das einem einachsigen I~'ystall etwas ahnelt, der etwa 45 ° schief zur optischen Aehse gesehliffen ist. Bei dickeren Kryst~.tl- chen sieht man einen Teil des Ringes mit dem Rot I. Ordnung: doch sind die Krystgllehen nicht einaehsig, sondern haben 2 V ~ bis etwa 50 °, manchmal aher viel kleiner, vielleieht infolge Aggregierung mehrerer T~felchen.

Der optische Charakter ist negativ. Die Doppelbrechung nicht hoch, denn es wurde ffir/3 mit der Immersionsmethode bestimmt 1,561 ; oc ]st nahe unter 1,555. Die Krystallchen sind farblos."

Prof. Stark hatte noch die Freund]ichkeit, eine Reihe yon Prgparaten ~.hnliehen Aussehens aus der Sammlung des deutsehen mediz.-ehem. Institutes vergleichsweise zu untersuchen, konnte aber unter diesen Prgparaten keine ahnliehen Krystalltypen finden.

Die weitere chemische Untersuehung, welche in Anbetracht der sehr geringen Menge des Untersuehungsmateriales reeht heikel war, ffihrte doeh zu Anhaltspunkten fiber die Natur der fraglichen Substanz. Da die Gesamtmenge schatzungsweise ein halbes Milligramm betragen moehte, war an eine Elementaranalyse nieht zu denken, Es erwies sich

7 i0 G. Braun :

ferner bei den L6sungsversuchen, dab doch nicht das ga.nze zwischen den Krys~allen befindliche LinseneiweiB entfern~ w~r; bei der L6sung der Krystalle wurde stets eine wenn auch geringe Menge von EiweiB- schollen sichtb~r.

Beim Verdunsten der sMzsauren L6sung wurden nicht nur die ursprfingliehen Krystglle, sondern Formen yon der Gestalt kurzer Prismennadeln, die zum Tell sternf6rmig ~ggregiert w~ren, erhMten. Sie waren weder in Weingeist, noch in AmylMkohol oder Xther 15slich.

Beim Kochen der ursprfinglichen Xrystgllchen mit Wasser war keine Ver~nderung an ihnen zu beob~chten, sie waren in heiBem Wasser unl6slich oder fiberaus schwer 16slich, nur das anhMtende EiweiB wurde opak. Auch bei trockenem Erhitzen bis 200 ° waren die Krystalle klar geblieben. Beim weiteren Erhitzen t ra t bei ca. 210 ° eine leichte Br~n- nung auf, die bei gesteigerter Temperatur zunahm; bei ca. 230 ° sinterten die F~ystalle, worauf bei ca. 240 ° sich ein Aufblghen zeigte. Ein Ein- sehmelzen wurde aueh bei h6herer Temperatur nieht beobachtet. Beim fo]genden Erhitzen fiber freier Flamme trat unter starker Verkohlung ein farbloses, fifissiges Destilla~ auf, gleichzeitig war ein Geruch naeh verbranntem EiweiB zu bemerken.

In Ammoniak 16sten sieh die Krystgllehen langsam abet vollstgn- dig, beim Verdunsten des Ammoniaks wurden sehr kleine, doch reeht gut ausgebildete Krystallt/~felchen erhalten, ghnlieh den ursprfing- lichen Krystgllchen; in 1/10 n-Lauge waren sic leieht 16slich. Die Sehwefel- bleiprobe war negativ.

Derartige Proben wurden in Spitzr6hrehen, welehe zu einer unten zugesehmolzenen Cat)illare ausgezogen waren, durchgefiihrt; das Er- wiirmen gesehah in einem Beeherglas mit koehendem Wasser. Ffir die Sehwefelbleiprobe wurde der VergMeh mit einer Spur Cystin aus- geffihrt; nach 1/4stfindigem Kochen waren bei diesem sehwarze F16ck- ehen mikroskopisch zu sehen.

Beim Erhitzen mit konzentrierter Salpetersiiure t ra t anfangs eine intensive Gelbfgrbung auf, jedoeh wurde keine Murexidreaktion erhMten. In der Vermutung, dub ein Hypoxanthin-artiger Komplex vorliegen k6nnte, wurde eine neue Probe in ganz verdiinnter Salpeter- s~ture gel6st; die L6sung gab naeh dem Verdunsten jedoch nieht die sehr eharakteristischen Krystatlformen von t-I3]?oxanthinnitrat, sondern kurze Nadeln, die zum Teil sehneesternartig gruppiert waren. Salpeter- saures Silber gab eine Triibung, welehe aueh auf Zusatz yon etwas Ammoniak bestehen blieb, in gr6Berem ~)berschug yon Ammoniak sieh 16ste.

Mit Diazobenzolsulfosgnre t ra t eine sehwaehe Gelbf/~rbung auf, nach Sodazusatz eine sehwache abet deutliche Ilotf~rbung.

Kongenitale Ka~arak~ mit Krystallbildung. 711

Ein weiteres, mSglichst gut isoliertes Krystallchen wurde mit 4 n- SaIpeters~ure versetzt. Dabei trat keine LSsung ein, doch entstand eine sch6ne Gelbfarbung, und zwar gleichmaftig im ganzen Krystall, welcher dabei wie harzartig-gequollen aussah. Er war auch erweicht und lieft sich durch das aufgesetzte Deckglas Ieicht zerquetsehen. ~Tach dem Verdunsten der S~ure liel~ sich durch Ammoniak wie durch Lauge die typische Farbenumwandlung der Xanthoproteinreaktion erreichen.

~Tun wurde ein Kryst~llchen mit Millons Reagens erwi~rmt. Schon nach kurzem Erwarmen trat eine sehr intensive Rotf~rbung auf, wobei der Krystall uncjelSst blieb. Bei der Wiederholung dieser Reaktion ergab es sich, dal~ bei Zus~tz des Millonschen Reagens schon in der K~lte ein Erweichen des Krystalles eintritt. Die RStung beim Er- w~rmen ist eine gleichmgftige; die Doppelbrechung verschwindet rasch, es trat bei l~ngerem Kochen eine recht intensive Gasentwick]ung auf, sp~ter verschwindet die Rotf~rbung und maeht einer marten Gelb- f~rbung Platz.

Schlieftlich ergab es sich, daft durch Erw~Lrmen mit w~sseriger ~inhydrinlSsung eine intensive Blauf~irbung uuftrat. Die Krystalle waren dabei durchsichtig blau gef~rbt, sie wuren doppelbrechend geblieben.

Alle diese Reaktionen konnten wegen der geringen Materiatmenge nur mikroskoloisch beobachtet werden. Bei Verwendung grSfterer Par- tikelchen geniigte die VergrSfterung im Binokularmikroskop (50 bis 80faeh), die LSsungs- und Umkrystatlisationsversuche efforderten eine 200--300 f~che VergrSl~erung.

Leider reichte das Material zu weiteren Untersuchungen nicht aus. Ale nachgewiesen daft angesehen werden, dab die Kryst~llchen einen Tyrosinkomplex und zwar gebunden enthalten, daft sie aber keinen hoehmolekularen Eiweiftkomplex darstellen. Uber die Natur der anderen Komloonente (oder Komloonenten ) kann nichts ~usgesagt werden, nur die Abwesenheit yon Cystin diiffte festgestellt sein.

Die Krankengeschich~n unserer beiden Patienten und die bei ihnen erhobenen Befunde bieten somit munches Neue und Interessa~nte.

1. ErstmMige Beob~chtung yon Krystallen in der sonst intakten Linse bei reizlosem Bulbus. Soweit uns die Literatur bekannt ist, wurden Krystalleinschlfisse im lebenden Gewebe fiberhaupt noch nie beschrieben. Dies ist nattirtich schon aus technischen Grfinden erkl~r- lich. Denn andere Organe sind intr~ vitam der mikroskopischen In- spektion nicht zug~nglich, bei der Sektion abet wiirden ev. vorhandene ~hnliche zarte Gebilde iibersehen, bei der histologischen Bearbeitung zerstSrt werden. Daft noch nie jemand die yon uns beschriebene Ano- malie im Auge gesehen hat, dfirfte darin seinen Grund haben, daft die

712 G. Braun: Kongenitale Ka~arak~ mit Krystallbitdung.

Mikroskopie des iebenden Auges noeh relativ jung und die Affektion offenbar doch auBerordentlich selten ist.

2. Dutch das Ergebnis der chemisehen und physikMisehen Unter- suehungen wurden Anhaltspunkte ftir die Art des Grundstoffes ge- funden, aus dem die Krystalle bestehen. In der ersten Linse war sicher auch kohlensaurer Kalk vorhanden; doch bildete er offenbar nut einen Nebenbefund. Die K~'ystalte selbst sind organiseher Natur, unterseheiden sich yon den bekannten Eiweil~krystallen, abgesehen yon anderen Eigenschaften, schon durch ihre Harm und Teilbarkeit und stellen ein KrystMlprodukt vor, das dem Chemiker sowohl in der Natur Ms aueh im Laboratorium bis jetzt nieht bekannt war.

3. Vollkommen ungekl~trt bleibt die Pathogenese. Beide Patienten wiesen, wie in den Krankengeschiehten angeftihrt wnrde, bei genauester Ungersuchung des Blutes, des Hams, des Grundstoffumsatzes keine Abnormalitgt auf. Ebenso r/~tselhaft ist daher fiir uns vorl~Lufig die Tatsache, dag diese bis heute eilxzig dastehende Anomalie bei Mutter und Sohn gelunden wurde, also anseheinend vererbbar ist.