Konservative Kalibrierung eines Freimesssystems für Reststoffe aus dem nuklearmedizinischen Betrieb

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ARTICLE IN PRESS ZEMEDI-10512; No. of Pages 9 TECHNISCHE MITTEILUNG Konservative Kalibrierung eines Freimesssystems für Reststoffe aus dem nuklearmedizinischen Betrieb Carsten Wanke , Lilli Geworski Medizinische Hochschule Hannover, Stabsstelle Strahlenschutz und Abteilung Medizinische Physik OE 0020, Carl-Neuberg-Str. 1, D-30625 Hannover Eingegangen am 2. Juli 2013; akzeptiert am 7. Januar 2014 Zusammenfassung Freimesssysteme dienen zu Gesamt-Gamma-Messungen von potentiell radioaktiv kontaminierten Reststoffen. Zweck dieser Messungen ist der sichere Nachweis, dass rechtliche Anforderungen wie z.B. die Unterschreitung der Freigabewerte nach Strahlenschutzverordnung [1] eingehalten sind. Das heißt, das Messergebnis darf die tatsächlichen Werte überschätzen, aber niemals unter- schätzen. In dieser Arbeit wird für das in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) eingesetzte Freimesssys- tem für Reststoffe aus der Nuklearmedizin gezeigt, wie auf pragmatische Weise mit einer kalibrierten Cs-137- Punktquelle eine konservative Kalibrierung für Reststoffe aus dem nuklearmedizinischen Betrieb gewonnen wer- den kann. Berücksichtigt werden dabei die wichtigsten in der Nuklearmedizin verwendeten Nuklide. Das angezeigte Messergebnis überschätzt zuverlässig die tatsächlich im Reststoff vorhandene Aktivität. Die Kalibrierung erfüllt somit die Anforderungen an Konservativität und Rückführ- barkeit auf nationale Normale. Schlüsselwörter: Freigabe, radioaktive Reststoffe, Kalibrierung, Freigabemonitor Conservative calibration of a clearance monitor system for waste material from nuclear medicine Abstract Clearance monitor systems are used for gross gamma measurements of waste potentially contaminated with radioactivity. These measurements are to make sure that legal requirements, e.g. clearance criteria according to the german radiation protection ordinance, are met. This means that measurement results may overestimate, but must not underestimate the true values. This paper des- cribes a pragmatic way using a calibrated Cs-137 point source to generate a conservative calibration for the clea- rance monitor system used in the Medizinische Hochschule Hannover (MHH). The most important nuclides used in nuclear medicine are considered. The measurement result reliably overestimates the true value of the activity present in the waste. The calibration is compliant with the demands for conservativity and traceability to national standards. Keywords: Clearance, radioactive waste, calibration, clearance monitor Einleitung Im nuklearmedizinischen Betrieb fallen zwangsläufig Rest- stoffe an, die mit Radionukliden kontaminiert sind. In der Bundesrepublik Deutschland dürfen solche Reststoffe Korrespondenzanschrift: Carsten Wanke, Medizinische Hochschule Hannover, Stabsstelle Strahlenschutz und Abteilung Medizinische Physik OE 0020, Carl-Neuberg-Str. 1, D-30625 Hannover, Deutschland. E-mail: [email protected] (C. Wanke). nach Abklingen konventionell entsorgt werden, wenn die zuständige Behörde einen Freigabebescheid nach § 29 der Strahlenschutzverordnung [1] erteilt hat. Durch eine Freigabe werden potentiell radioaktive oder kontaminierte Stoffe zu im rechtlichen Sinne nichtradioaktiven Stoffen erklärt. Für die Z. Med. Phys. xxx (2014) xxx–xxx http://dx.doi.org/10.1016/j.zemedi.2014.01.001 http://journals.elsevier.de/zemedi

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ARTICLE IN PRESSZEMEDI-10512; No. of Pages 9

TECHNISCHE MITTEILUNG

Konservative Kalibrierung eines Freimesssystems für Reststoffeaus dem nuklearmedizinischen Betrieb

Carsten Wanke ∗, Lilli Geworski

Medizinische Hochschule Hannover, Stabsstelle Strahlenschutz und Abteilung Medizinische Physik – OE 0020,Carl-Neuberg-Str. 1, D-30625 Hannover

Eingegangen am 2. Juli 2013; akzeptiert am 7. Januar 2014

Zusammenfassung

Freimesssysteme dienen zu Gesamt-Gamma-Messungenvon potentiell radioaktiv kontaminierten Reststoffen.Zweck dieser Messungen ist der sichere Nachweis, dassrechtliche Anforderungen wie z.B. die Unterschreitungder Freigabewerte nach Strahlenschutzverordnung [1]eingehalten sind. Das heißt, das Messergebnis darf dietatsächlichen Werte überschätzen, aber niemals unter-schätzen. In dieser Arbeit wird für das in der MedizinischenHochschule Hannover (MHH) eingesetzte Freimesssys-tem für Reststoffe aus der Nuklearmedizin gezeigt, wieauf pragmatische Weise mit einer kalibrierten Cs-137-Punktquelle eine konservative Kalibrierung für Reststoffeaus dem nuklearmedizinischen Betrieb gewonnen wer-den kann. Berücksichtigt werden dabei die wichtigsten inder Nuklearmedizin verwendeten Nuklide. Das angezeigteMessergebnis überschätzt zuverlässig die tatsächlich imReststoff vorhandene Aktivität. Die Kalibrierung erfülltsomit die Anforderungen an Konservativität und Rückführ-barkeit auf nationale Normale.

Schlüsselwörter: Freigabe, radioaktive Reststoffe,Kalibrierung, Freigabemonitor

Conservative calibration of a clearancemonitor system for waste material fromnuclear medicine

Abstract

Clearance monitor systems are used for gross gammameasurements of waste potentially contaminated withradioactivity. These measurements are to make sure thatlegal requirements, e.g. clearance criteria according tothe german radiation protection ordinance, are met. Thismeans that measurement results may overestimate, butmust not underestimate the true values. This paper des-cribes a pragmatic way using a calibrated Cs-137 pointsource to generate a conservative calibration for the clea-rance monitor system used in the Medizinische HochschuleHannover (MHH). The most important nuclides used innuclear medicine are considered. The measurement resultreliably overestimates the true value of the activity presentin the waste. The calibration is compliant with the demandsfor conservativity and traceability to national standards.

Keywords: Clearance, radioactive waste, calibration,clearance monitor

Einleitung nach Abklingen konventionell entsorgt werden, wenn die

Im nuklearmedizinischen Betrieb fallen zwangsläufig Rest-stoffe an, die mit Radionukliden kontaminiert sind. Inder Bundesrepublik Deutschland dürfen solche Reststoffe

∗Korrespondenzanschrift: Carsten Wanke, Medizinische Hochschule HannoveCarl-Neuberg-Str. 1, D-30625 Hannover, Deutschland.

E-mail: [email protected] (C. Wanke).

Z. Med. Phys. xxx (2014) xxx–xxxhttp://dx.doi.org/10.1016/j.zemedi.2014.01.001http://journals.elsevier.de/zemedi

r, Stabsstelle Strahlenschutz und Abteilung Medizinische Physik – OE 0020,

zuständige Behörde einen Freigabebescheid nach § 29 derStrahlenschutzverordnung [1] erteilt hat. Durch eine Freigabewerden potentiell radioaktive oder kontaminierte Stoffe zu imrechtlichen Sinne nichtradioaktiven Stoffen erklärt. Für die

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Tabelle 1Zerfallsdaten der betrachteten Nuklide [7]

Nuklid T1/2 E�/keV p�

Cs-137 30,05 a 661,7 0,850Tc-99m 6,0 h 140,5 0,885In-111 2,8 d 171,3 0,906

245,4 0,941I-123 13,2 h 159,0 0,833

529,0 0,130I-131 8,0 d 284,3 0,061

364,5 0,812637,0 0,073

Lu-177 6,65 d 208,4 0,104Tl-201 3,0 d 135,3 0,026

167,5 0,100Se-75 119,8 d 121,1 0,169

136,0 0,577264,7 0,588279,5 0,249400,7 0,114

Cr-51 27,7 d 320,1 0,099F-18 1,8 h 511,0 1,937

2 C. Wanke, L. Geworski / Z. M

Freigabe ist nachzuweisen, dass festgelegte Grenzwerte fürspezifische Aktivitäten und ggf. Oberflächenkontaminationunterschritten sind.

Hierzu können bei Gamma- und Positronenstrahlern dieMessungen im Freimesssystem dienen. Diese Messungenwerden als Gesamt-Gamma-Messung durchgeführt. Dasheißt, es wird keine weitere Diskriminierung hinsichtlich derGammaenergie durchgeführt; sobald eine untere Schwelle derImpulshöhe eines Detektors überschritten ist, wird ein Impulsohne weitere spektrometrische Auswertung gezählt.

Bei Freigabemessungen von Reststoffgebinden kommt esim Gegensatz zu den sonst üblichen Messaufgaben nicht dar-auf an, den Aktivitätsgehalt möglichst genau zu bestimmen,sondern es gilt nachzuweisen, dass die Freigabewerte sicherunterschritten sind. Eine möglichst genaue Bestimmung desAktivitätswertes und der Unsicherheiten kann entfallen, wenndurch Konservativitäten sichergestellt ist, dass der Messwertdie im Reststoffgebinde vorhandene Aktivität nicht unter-schätzt. Hingegen ist eine Überschätzung der Aktivitäteninsbesondere bei Reststoffen aus der Nuklearmedizin wegender Möglichkeit einer verlängerten Abklinglagerung bei ver-hältnismäßig kurzen Halbwertszeiten wenig problematisch.Eine Messung mit einem derartig kalibrierten System lieferteine obere Grenze für die im Gebinde enthaltene Radioakti-vität.

Das Ergebnis jeder physikalischen Messung ist grundsätz-lich mit einer Unsicherheit behaftet. Bei der Aktivitätsbe-stimmung sind dabei nicht nur zählstatistische Unsicherheiten(sog. Typ-A-Unsicherheiten, die durch wiederholtes Messenabgeschätzt werden können), sondern auch andere (sog. Typ-B-Unsicherheiten, deren Abschätzung aus anderen Quellenstammt) zu berücksichtigen [2]. Hierbei spielen beson-ders Einflüsse auf die Kalibrierfaktoren eine Rolle, diedurch Unterschiede in Geometrie und Zusammensetzung vonReststoffgebinden und Kalibrierquelle entstehen. Diese domi-nieren insbesondere bei festen Reststoffen die Unsicherheitdes Messwertes, da jedes Gebinde nicht nur unterschiedlichzusammengesetzt ist, sondern auch eine andere Masse undGeometrie hat. Eine konservative Kalibrierung hat den Zweck,solche Unsicherheiten abzudecken. Dies wird in dieser Arbeitfür Reststoffe aus der Nuklearmedizin nachgewiesen. Berück-sichtigt werden die Radionuklide Tc-99m, In-111, I-123,I-131, Lu-177, Tl-201, Se-75 sowie Cr-51 und das PET-Nuklid F-18. Das letztere kann dabei als Gammastrahler miteiner Photonenenergie von 511 keV betrachtet werden. Dierelevanten Daten dieser Nuklide (Halbwertszeit T1/2, Photo-nenenergien E� und Emissionswahrscheinlichkeiten p�) sindin Tabelle 1 dargestellt.

Funktionsweise des Freimesssystems

In der Medizinischen Hochschule Hannover kommt einFreimesssystem FR-9 der Firma MED Nuklearmedizintech-nik Dresden zum Einsatz (Abb. 1). Hierbei handelt es sich umeinen integrierten Messplatz, bei dem sich die Messkammer

Abbildung 1. Freimesssystem der MHH

(Innenabmessungen ca. 50 cm × 50 cm × 90 cm) mit Detekto-ren und Waage sowie der Rechner in einem Edelstahlgehäusebefinden. Das eingesetzte Freimesssystem verfügt überneun NaI(Tl)-Detektoren mit quaderförmigen Kristallen(70 mm × 70 mm × 13 mm), von denen acht seitlich – vierin ca. 50 cm Höhe im oberen Bereich und vier in ca. 20 cmHöhe im unteren Bereich der Messkammer – angeordnet sind,ein Detektor befindet sich im Boden. Diese Detektoren mes-sen integral, das heißt, jedes Ereignis, dessen Impulshöheoberhalb einer bestimmten Schwelle liegt, wird registriert.Die Detektoren können dabei einzeln an- und abgeschal-

tet werden. Ein zusätzlicher Detektor in der Messkammerermöglicht die Aufnahme von Gammaspektren, wird jedochnicht zur Aktivitätsbestimmung verwendet. Der Boden der
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ARTICLE IN PRESSed

C. Wanke, L. Geworski / Z. M

Messkammer ist mit einer Waage ausgestattet. Details findensich in [3].

Aktivitätsbestimmung

Als Messwert wird entweder die Aktivität des Gebindesoder die spezifische Aktivität ausgegeben.

Die Aktivität A wird dabei als Mittelwert der Messwerteder einzelnen Detektoren i nach

A = 1

n

∑i

(Ri,b − Ri,NE)Fi = 1

n

∑i

Ri,netFi (1)

berechnet, wobei n die Anzahl der Detektoren, Ri,b die Brutto-,Ri,NE die Nulleffekt- und Ri,net die Nettozählrate des Detek-tors i sind. Die spezifische Aktivität a des Gebindes ergibt sichdann aus der Aktivität A und der Masse m gemäß a = A/m. Fiist der Kalibrierfaktor für den Detektor i. Dieser Kalibrierfak-tor hängt von Geometrie des Gebindes, Aktivitätsverteilung,Probenzusammensetzung (z. B. Punktquelle in der Mitte derMesskammer, homogen verteilte Aktivität in einem Kanistermit Flüssigkeit) und vom Nuklid ab. Er kann dargestellt wer-den als

Fi = 1

εi · p�

, (2)

mit der Nachweiswahrscheinlichkeit εi und der Emissions-wahrscheinlichkeit p�. Die Nachweiswahrscheinlichkeit εides jeweiligen Detektors i für Photonen der jeweiligen Energiewird aus der Zählrate Ri gemäß

εi = Ri

A · p�

(3)

ermittelt, wobei A die Aktivität der Punktquelle und p� dieGamma-Emissionswahrscheinlichkeit ist.

Massenbestimmung

Das System verfügt über eine eingebaute Wägezelle,die Massenbestimmungen mit einer Anzeigegenauigkeit von0,01 kg ermöglicht. Aus den technischen Daten der Wägezellekann eine Unsicherheit der Wägung von 33,3 g abgeleitet wer-den, was bei der Bestimmung der Nachweisgrenzen (siehe Gl.13 und Gl. 19) zu berücksichtigen ist. Die manuelle Eingabeeiner Masse ist ebenfalls möglich.

Untersuchung der Energieabhängigkeit

Zur Untersuchung der Energieabhängigkeit des Ansprech-

vermögens des Messsystems wurden radioaktive Punktquel-len verwendet. Da die Detektoren lediglich alle Impulsezählen, die über einem Schwellwert liegen, wurden gemit-telte Gammaenergien betrachtet, die als mit den jeweiligen

. Phys. xxx (2014) xxx–xxx 3

Emissionswahrscheinlichkeiten gewichtete Mittelwerte dereinzelnen Gammalinien berechnet wurden. Für die Messun-gen wurden folgende Nuklide ausgewählt, die jeweils nur eineoder wenige starke Gammalinien besitzen, so dass im Folgen-den die Betrachtung der gewichtet gemittelten Gammaenergiegerechtfertigt ist: Pb-210 (46,5 keV), Am-241 (59,5 keV), Co-60 (1252,9 keV), Co-57 (124,6 keV), Na-22 (782,9 keV), Y-88(1380,2 keV) sowie Cs-137 (661,7 keV). CharakteristischeRöntgenstrahlung und Gammalinien mit niedriger Emissions-wahrscheinlichkeit werden vernachlässigt. Es wurden – mitAusnahme von Co-57 – rückführbar kalibrierte Punktquellengenutzt, die Unsicherheiten der Aktivität betrugen maximal6 %. Die verwendete Co-57-Punktquelle wurde gegen einerückführbar kalibrierte Quelle, die jedoch wegen ihrer nied-rigen Aktivität nicht direkt im Freimesssystem eingesetztwerden konnte, gemessen, so dass auch ihre Aktivität mit einerUnsicherheit von 5 % bekannt war.

Für Messungen ohne Absorber wurden die Punktquellen inder Mitte der Messkammer auf eine leere Kunststoffflaschegelegt und gemessen. Nach Abschluss der Messung wurdendie Zählraten Ri der einzelnen Detektoren i direkt abgele-sen und die Nachweiswahrscheinlichkeiten berechnet. Dabeiwurden Nettozählraten verwendet, denen die jeweilige Null-effektzählrate abgezogen wurde. Der Nulleffekt wurde hierfürmit leerer Messkammer ermittelt.

Zur realistischen Ermittlung der Energieabhängigkeit beiVorhandensein von Material wurden Messungen mit Punkt-quellen durchgeführt, die zwischen zwei mit Wasser gefüllten5-l-Kunststoffkanistern positioniert waren. Bei jeder Mes-sung wurden nur diejenigen Detektoren berücksichtigt, diesich nicht in der Berührungsebene der Kanister befanden, sodass gewährleistet war, dass die Strahlung der Punktquelle nurnach Durchgang durch die wassergefüllten Kanister registriertwurde. Daher wurde in drei verschiedenen Konfigurationengemessen. Auch der Nulleffekt wurde mit Wasserkanistern inder Messkammer ermittelt.

Die Ergebnisse der Messungen ohne und mit Absorber sindin Abbildung 2 und Abbildung 3 dargestellt. Die relativenGesamtunsicherheiten der Ergebnisse betragen ca. 10 % undkönnen für die weitere Betrachtung vernachlässigt werden.

Bei den Messungen sowohl ohne als auch mit Absorberzeigt sich ein monoton fallender Zusammenhang zwischender Photonenenergie und der Nachweiswahrscheinlichkeit beiallen Detektoren. Abbildung 2 und 3 kann entnommen wer-den, dass im Energiebereich von 121 keV bis 637 keV, in demdie Gammalinien der in dieser Arbeit betrachteten Nuklide lie-gen, die Kalibrierung mit einem Nuklid, dessen Photonenener-gie höher liegt als die des zu kalibrierenden Nuklids, konser-vativ ist (vgl. Gl. (1) und Gl. (2)). Hiervon wird im FolgendenGebrauch gemacht. Die Extrapolation in den niederenergeti-schen Bereich ist wegen der mit sinkender Photonenenergie

abfallenden Nachweiswahrscheinlichkeit und des stark anstei-genden Einflusses der Reststoffmatrix nicht zulässig.

Aus Abbildung 2 und 3 geht überdies hervor, dass die abso-lute Nachweiswahrscheinlichkeit des Bodendetektors bei den

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ARTICLE IN PRESS4 C. Wanke, L. Geworski / Z. Me

0,00%

0,25%

0,50%

0,75%

1,00%

0 200 400 600 800 1000 1200 1400

Ene rgie in keV

Nac

hwei

swah

rsch

einl

ichk

eit

oben unten Boden

Abbildung 2. Zusammenhang zwischen der gewichtet gemitteltenPhotonenenergie der Punktquellen und der Nachweiswahrschein-lichkeit für die Detektorgruppen oben und unten sowie denBodendetektor bei Messung ohne Absorber

0,00 %

0,25 %

0,50 %

0,75 %

1,00 %

0 20 0 40 0 60 0 80 0 100 0 120 0 140 0

Energ ie in keV

Nac

hwei

swah

rsch

einl

ichk

eit

oben unten Bode n

Abbildung 3. Zusammenhang zwischen der gewichtet gemitteltenPhotonenenergie der Punktquellen und der Nachweiswahrschein-lichkeit für die Detektorgruppen oben und unten sowie den

Bodendetektor, mit Absorber (dargestellt sind nur Ergebnisse vonNukliden mit Photonenenergien über 120 keV)

hier durchgeführten Messungen mit Absorber höher ist alsbei den Messungen ohne Absorber. Dieser Effekt ist geo-metrischer Natur: bei Messungen ohne Absorber betrug derAbstand Quelle-Detektor etwa 23 cm, bei den Messungenmit Quellenposition zwischen wassergefüllten Kanistern nuretwa 14,5 cm. Für die in dieser Arbeit vorgestellte Methodeder Kalibrierung spielt das jedoch keine Rolle, da lediglichdie grundsätzliche Energieabhängigkeit der Nachweiswahr-scheinlichkeit geprüft wurde.

Bestimmung von Kalibrierfaktoren fürReststoffe

Beschreibung der Reststoffgebinde

Die im Folgenden ermittelte Kalibrierung gilt für Reststoffeaus dem nuklearmedizinischen Betrieb. Hier kann zwischen

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Reststoffsäcken und stichsicheren Abwurfboxen unterschie-den werden: Reststoffsäcke enthalten potentiell kontaminierteReststoffe, die nicht stichsicher verpackt sein müssen. Diesumfasst Einmalhandschuhe, Papierunterlagen (Einmallaken),Tücher, Tupfer und Ähnliches. Zur leichteren Handhabbarkeitwerden die Reststoffsäcke in schwarze Tonnen (Abmessungenetwa 36 cm × 28 cm × 65 cm) gelegt. Die effektive Dichte desMaterials in einem Reststoffsack ist im Allgemeinen deut-lich kleiner als 1 g/cm3. Abwurfboxen enthalten Kanülen,Infusionsbestecke, ggf. Ampullen und andere Reststoffe, diestichsicher verpackt sein müssen. Für den Inhalt der Abwurf-boxen ergibt sich ebenfalls eine mittlere Dichte von unter1 g/cm3, da der Volumenanteil der Materie im Vergleich zurLuft relativ gering ist.

Messung des Kalibrierfaktors für Cs-137

Zur Bestimmung von Kalibrierfaktoren für die in dieserArbeit betrachteten Nuklide wird eine rückführbar kalibriertePunktquelle mit Cs-137 verwendet. Die Verwendung einerPunktquelle in einer ungünstigen Position in der Messkam-mer ist als konservativ anzusehen und deckt den Fall homogenverteilter Aktivität ab. Für das Auffinden solcher ungünstigerPositionen wurde die Punktquelle an den Ecken einer Tonnebefestigt, wie sie für die Handhabung der Reststoffsäcke ver-wendet wird. Dies ist auch abdeckend für kleinere Gebindewie Abwurfboxen. Eine Abschirmung durch das Reststoffma-terial bei der Kalibrierung erfolgte nicht, es wird jedoch in 4.4gezeigt, dass die nachfolgend beschriebene Kalibrierung füraus der Nuklearmedizin stammende Reststoffe abdeckend ist.

Für Ermittlung der Kalibrierfaktoren der einzelnen Detek-toren werden Messungen mit der Punktquelle in der jeweilsungünstigsten Position verwendet. Die vier Detektoren imoberen Bereich sowie die vier Detektoren im unteren Bereichder Messkammer werden dabei zu den Detektorgruppen,,oben“ und ,,unten“ mit jeweils einheitlichem Kalibrierfak-tor zusammengefasst, der nach Gl. (2) und (3) jeweils aus derniedrigsten mittleren Zählrate gebildet wird:

Roben = min

(1

4

∑oben

Ri

), Runten = min

(1

4

∑unten

Ri

)(4)

Dies berücksichtigt, dass sich die Quelle nicht gleichzeitigan der für alle Detektoren ungünstigsten Position befin-den kann. Für die Detektorgruppe ,,oben“ wird jedoch dieKalibrierung mit Punktquelle unten durchgeführt, für dieDetektorgruppe ,,unten“ befindet sich die Punktquelle in eineroberen Ecke. Da sich die Punktquelle nicht gleichzeitig inder für beide Detektorgruppen jeweils ungünstigsten Positionbefinden kann, führt dies zu einer Konservativität der Kalibrie-

rung. Die Kalibriermessungen wurden mit einer Messzeit von60 s durchgeführt, so dass die zählstatistische Unsicherheit beiAnnahme einer Poissonverteilung der Impulse bei unter 4,5 %(im Mittel bei 1,7 %) lag.
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Tabelle 2Mit der vorgestellten Methode ermittelte Kalibrierfaktoren

Nuklid �p� Foben/(Bq/s-1) Funten/(Bq/s-1) FBoden/(Bq/s-1)

Cs-137 0,850 2317 2997 2873Tc-99m 0,885 2226 2879 2760In-111 1,847 1066 1379 1322I-123 0,845 2331 3015 2890I-131 0,955 2062 2667 2557Lu-177 0,104 18974 24542 23527Tl-201 0,126 15629 20216 19380Se-75 1,696 1162 1503 1440

C. Wanke, L. Geworski / Z. M

Für das verwendete System ergab sich die niedrigste mitt-lere Zählrate und somit der höchste Kalibrierfaktor für dieoberen Detektoren bei Messung mit der Quelle an einer unte-ren Ecke der Tonne, für die unteren Detektoren und für denBodendetektor jeweils an einer oberen Ecke der Tonne. Eszeigte sich außerdem, dass für jeden Detektor der Grup-pen ,,oben“ und ,,unten“ die jeweils ungünstigste Positiondie ist, bei der die Punktquelle auf der Seite des Detektorsso positioniert ist, dass der direkte Strahlengang von Quellezum Detektor unter einem großen Winkel zur Detektornor-malen erfolgt. In diesem Fall ist eine starke Abschirmungdurch das Material der Messkammerauskleidung gegeben.Damit ergeben sich für das eingesetzte System die fol-genden Kalibrierfaktoren für Cs-137: Foben = 2317 Bq/s-1,Funten = 2997 Bq/s-1, FBoden = 2873 Bq/s-1.

Ableitung von Kalibrierfaktoren für die anderenNuklide

Aus diesen Kalibrierfaktoren für Cs-137 werden nunKalibrierfaktoren für die interessierenden Nuklide hergelei-tet. Diese emittieren Photonen im Energiebereich 121 keV– 637 keV, für die die Nachweiswahrscheinlichkeit in denverwendeten NaI-Detektoren größer ist als für die 662-keV-Photonen des Cs-137 (siehe Abb. 3). Entscheidend für dieNachweiswahrscheinlichkeit und damit für die Kalibrier-faktoren für diese Nuklide sind die jeweiligen Werte derEmissionswahrscheinlichkeit, also die Anzahl von Photo-nen pro Zerfall, und die Energie dieser Photonen. Für dieNachweiswahrscheinlichkeit dieser Photonen wird nun diekonservative Annahme

εE ∈ [121keV,636 keV]

!=ε662 keV (5)

gemacht. Für die Umrechnung des Kalibrierfaktors für Cs-137auf das Nuklid X gilt damit nach Gl. (2)

FX

FCs−137

= pCs−137

pX

. (6)

Besitzt das Nuklid X mehrere Gammalinien im Energiebe-reich von 120–660 keV, so gilt

FX

FCs−137

= pCs−137∑i

pX,i

. (7)

Gammalinien außerhalb dieses Energiebereiches dürfenhierbei nicht berücksichtigt werden, denn mit sinkender Pho-tonenenergie steigen die Einflüsse der Reststoffmatrix stark

an, und die Nachweiswahrscheinlichkeit sinkt deutlich. FürPhotonenenergien über der von Cs-137 kann nicht davonausgegangen werden, dass die Verwendung des Ansprechver-mögens für 662 keV konservativ ist. Von den interessierenden

Cr-51 0,099 19952 25807 24740F-18 1,937 1017 1315 1261

Nukliden emittierte Gammalinien außerhalb dieses Energie-bereiches werden dennoch vom System registriert, was zueiner Konservativität der Kalibrierung führt. Damit ergebensich die in Tabelle 2 dargestellten Kalibrierfaktoren.

Überprüfung der Kalibrierfaktoren

Zur Überprüfung der ermittelten Kalibrierfaktoren wurdenMessungen an realen Reststoffgebinden sowie an einer mitWasser gefüllten Tonne, wie sie für die Handhabung der Rest-stoffsäcke verwendet wird, durchgeführt. Hierbei wurde eineCo-57-Punktquelle als Aktivität hinzugefügt. Die interessie-rende Größe zur Beurteilung der Konservativität ist hier dieWiederfindung, berechnet als Quotient aus der vom Systembestimmten Aktivität Agemessen und der tatsächlichen AktivitätAsoll der Punktquelle.

Die Anzahl der Messungen mit realen Reststoffsäckenin einer schwarzen Tonne betrug 48. Dabei wurden sowohlMessungen mit der Punktquelle außen am Gebinde als auchMessungen, bei denen sich die Quelle zwischen den Säckenin der Tonne befand, durchgeführt. Der Nulleffekt wurde mitleerer Messkammer bestimmt. An der mit ca. 50 l Wassergefüllten Tonne wurden 57 Messungen durchgeführt. Auchhier wurden Messungen mit der Punktquelle - angebrachtsowohl außen an der Tonne als auch im Wasser - durchgeführt,wobei der Nulleffekt mit der wassergefüllten Tonne in derMesskammer bestimmt wurde. Tabelle 3 zeigt die Ergebnisse.

In keiner einzigen Messung wurde die Aktivität derPunktquelle unterschätzt. Die minimale Überschätzung beiMessungen mit der Wassertonne betrug 41 %. Bei dieserungünstigsten Messung befand sich die Punktquelle oben aufder Wassertonne, so dass die Abschirmung zu den unterenDetektoren und zum Bodendetektor maximal war.

Das Schwächungsverhalten für Gammastrahlung wird imWesentlichen von der Größe ρZ

Abestimmt, dem Produkt aus

der Dichte ρ des schwächenden Materials mit dem Quo-tienten von Kernladungszahl Z und Massenzahl A. Da das

Verhältnis von Kernladungs- zu Massenzahl bei den betrach-teten Reststoffsäcken etwa dem von Wasser entspricht unddie Dichte unter der von Wasser liegt, kann zur Über-prüfung, ob die Kalibrierung geeignet ist, ein mit Wasser
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Tabelle 3Ergebnisse der Überprüfung der Kalibrierfaktoren

Größe reale Säcke Wassertonne

Anzahl Messungen gesamt 48 57Wiederfindung Minimum 2 1,41Agemessen/Asoll Median 5,95 4,07Anzahl Messungen mit Agemessen/Asoll <1 0 0Anzahl Messungen mit A /A ≥1 bis <5 11 40

10

gemessen soll

Anzahl Messungen mit Agemessen/Asoll ≥5 bis <Anzahl Messungen mit Agemessen/Asoll ≥10

gefülltes Reststoffgebinde als abdeckend angesehen wer-den. Da der Massenschwächungskoeffizient von Eisen, demin Abwurfboxen vorkommenden Material mit der höchstenKernladungszahl, bei der niedrigsten betrachteten Gamma-energie von 140 keV zwar um etwa 40 % über dem vonWasser liegt [4], die effektive Dichte des Materials aber gleich-zeitig nur 50 % der Dichte von Wasser beträgt, kann auchfür Abwurfboxen ein wassergefüllter Behälter als abdeckendangesehen werden. Beide Formate sind deutlich kleiner alsdie für die Säcke verwendete Tonne, so dass eine konserva-tive Kalibrierung für die Wassertonne auch konservativ für dieAbwurfboxen sein muss.

Die Ergebnisse von Messungen mit der Wassertonne kön-nen als Schätzer für den ungünstigsten Fall angesehen werden,da eine derartige Abschirmwirkung in keinem realen Gebindevorkommt. Da auch hier die Aktivität der Punktquelle ummindestens 41 % überschätzt wird, kann die Kalibrierungals konservativ angesehen werden. Durchschnittlich wird beidieser Gebindeart die Aktivität um einen Faktor 4 über-schätzt. Bei den realen Reststoffsäcken beträgt die minimaleÜberschätzung sogar 100 % (Faktor 2). Da es bei der Mes-sung nur darauf ankommt zu zeigen, dass die Freigabewerteunterschritten sind, ist eine Überschätzung der Aktivitätenunproblematisch. Die hier erstellte Kalibrierung kann also alsgeeignet und konservativ angesehen werden.

Nachweisgrenzen

Für die Beurteilung von Kernstrahlungsmessungen sind dieErkennungsgrenze und die Nachweisgrenze von Bedeutung[5,6]. Bezogen auf die hier betrachteten Freigabemessun-gen ist die Erkennungsgrenze derjenige Wert, bei dessenÜberschreitung darauf geschlossen wird, dass Aktivität imGebinde vorhanden ist und der Anzeigewert nicht nur durchSchwankungen des Nulleffektes verursacht wird. Sie wird sodefiniert, dass die Wahrscheinlichkeit für eine falsch positiveEntscheidung, es sei Radioaktivität vorhanden (dies bezeich-net man auch als Fehler 1. Art), einen vorgewählten Wert α

hat. Die Nachweisgrenze hingegen stellt die kleinste spezi-

fische Aktivität dar, die mit großer vorgegebener Sicherheitnachgewiesen werden kann. Sie wird definiert als spezifischeAktivität eines Reststoffgebindes, bei der die Wahrschein-lichkeit für die falsch negative Entscheidung, es sei keine

28 139 4

Radioaktivität vorhanden (den sogenannten Fehler 2. Art),wiederum einen vorgewählten Wert β besitzt. Die Nachweis-grenze ermöglicht somit, die Eignung des Messverfahrens zubeurteilen. Grundlagen sind in DIN ISO 11929 [5] erläutert.Allgemein üblich (siehe z.B. die Anhänge zu [5]) ist die Wahlder Irrtumswahrscheinlichkeiten α = β = 5 %.

Zu zeigen ist, dass das Messverfahren die in Anlage IIITabelle 1 Spalte 5 StrlSchV geforderten Werte sicher nachwei-sen kann, die Nachweisgrenzen also unter den angegebenenWerten liegen. Zum Nachweis der Eignung des Messsystemswird anhand von DIN ISO 11929 vorgegangen, wobei zwarzunächst ein System mit einem Detektor betrachtet wird,aber danach die charakteristischen Grenzen für das tatsäch-lich verwendete Modell der Auswertung bei neun Detektorenhergeleitet werden.

Herleitung von Erkennungs- und Nachweisgrenze

Das Modell der Auswertung für die spezifische Aktivitätbei Betrachtung eines Systems mit einem Detektor lautet:

a = A

m= F · Rnet

m= F

m(Rb − RNE) (8)

wobei A die Aktivität und m die Masse des Gebindes, F derKalibrierfaktor, Rb die Brutto-, RNE die Nulleffekt- und Rnet

die Nettozählrate sind (vgl. Gl. (1)).Das Quadrat der Gesamtunsicherheit u2(a) als Funktion

des wahren Wertes a = F2

m(Rb − RNE) (siehe hierzu DIN ISO

11929 [5]) ergibt sich zu

u2(a) = 1

m2

(F2u2 (Rb − RNE

)+ u2(F )(Rb − RNE

)2)

+ a2

m2 u2(m)= 1

m2

(F2(

Rb

tb

+RNE

tNE

)+u2(F )

(Rb−RNE

)2)

+ a2u2rel

(m) (9)

Berücksichtigt werden hierbei die zählstatistische Unsi-cherheit, die sich aus der Annahme der Poissonstatistik fürdie registrierten Impulse ergibt, sowie die Unsicherheit in der

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ARTICLE IN PRESSed

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Massenbestimmung. Die Unsicherheit der Messdauerwird vernachlässigt. Da ausschließlich konservativeKalibrierfaktoren verwendet werden, wird u2(F) = 0 gesetzt.Damit ist

u2(a) = F2

m2

(Rb

tb

+ RNE

tNE

)+ a2u2

rel(m) (10)

Für die Erkennungsgrenze gilt

a = A = 0, Rnet = 0, Rb = RNE ,

wobei a, A, Rnet , Rbdie wahren Werte der jeweiligen Mess-

größe bezeichnen (siehe hierzu DIN ISO 11929). Damit ergibtsich für die Varianz u2(0) als Funktion des wahren Wertesa = 0:

u2(0) = u2(a|a = 0) = F2

m2 RNE

(1

tb

+ 1

tNE

)(11)

Als Erkennungsgrenze folgt

a∗ = k1−α

√u2(0) = k1−α

√F2

m2 RNE

(1

tb

+ 1

tNE

), (12)

wobei k1-α das Quantil der Standardnormalverteilung zurWahrscheinlichkeit 1-α ist. Für die allgemein übliche Irrtums-wahrscheinlichkeit von 5 % ist k1-α = k0,95 = 1,648.

Hiermit kann die Nachweisgrenze bestimmt werden:

a# = a∗ + k1−β

√u2(a#)

= a∗ + k1−β

√F2

m2

(Rb

tb

+ RNE

tNE

)+ a#2u2

rel(m)

= a∗ + k1−β

√F2

m2

Rnet

tb

+ F2

m2

(RNE

tb

+ RNE

tNE

)+ a#2u2

rel(m)

= a∗ + k1−β

√a# F

mtb

+ F2RNE

m2

(1

tb

+ 1

tNE

)+ a#2u2

rel(m),

(13)

wobei u2(a#) die Varianz als Funktion des wahren Wertesan der Stelle a = a# und k1-β das Quantil der Standard-normalverteilung zur Wahrscheinlichkeit 1-β ist. Für dieallgemein übliche Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % istk1-β = k0,95 = 1,648.

Für ein System mit neun Detektoren lautet das Modell derAuswertung:

a = 1

9

∑i

FiRi,net

m= 1

9

∑i

Fi(Ri,b − Ri,NE)

m, (14)

. Phys. xxx (2014) xxx–xxx 7

und die Varianz als Funktion des wahren Wertes a =1

9

∑i

FiRi,net

mist

u2(a) = 1

92

∑i

(F2

i

m2 u2(Ri,b − Ri,NE)

+ 1

m2 u2(Fi)(Ri,b − Ri,NE)2 + F2i (R

i,b − Ri,NE)2

m2 u2rel

(m)

)

= 1

92

∑i

(F2

i

m2 u2(Ri,b − Ri,NE) + a2u2

rel(m)

),

(15)

wobei wiederum angenommen wird, dass u2(Fi) = 0. Außer-

dem wird angenommen, dass a = 1

9

∑i

FiRi,net

m= FiRi,net

mfür

alle i, dass also in einem idealen System mit diesem Modellder Auswertung alle Detektoren dasselbe Ergebnis liefern.

Damit ist

u2(0) = 1

92

∑i

F2i Ri,NE

m2

(1

tb

+ 1

tNE

)(16)

und die Erkennungsgrenze ergibt sich zu

a∗=k1−α

√u2(0)=k1−α

√√√√ 1

92

∑i

F2i Ri,NE

m2

(1

tb

+ 1

tNE

)

= k1−α

1

9m

√∑i

F2i Ri,NE

(1

tb

+ 1

tNE

).

(17)

Für die Nachweisgrenze gilt

u2(a#) = 1

92

∑i

(F2

i

m2

(R

i,b

tb

+ Ri,NE

tNE

)+ a#2u2

rel(m)

)

= 1

92

∑i

(F2

i Ri,net

m2tb

+ F2i Ri,NE

m2 (1

tb

+ 1

tNE

) + a#2u2rel

(m)

)

= 1

92

∑i

(Fi

mtb

a# + F2i Ri,NE

m2

(1

tb

+ 1

tNE

)+ a#2u2

rel(m)

).

(18)

Damit ergibt sich die Nachweisgrenze zu

a# = a∗ + k1−β

√u2(a#) = a∗

√ ( )

+k1−β

1

9

√√√∑i

Fi

mtb

a#+F2i Ri,NE

m2

(1

tb

+ 1

tNE

)+a#2u2

rel(m) .

(19)

Page 8: Konservative Kalibrierung eines Freimesssystems für Reststoffe aus dem nuklearmedizinischen Betrieb

ARTICLE IN PRESS8 C. Wanke, L. Geworski / Z. Med. Phys. xxx (2014) xxx–xxx

Tabelle 4Erkennungs- und Nachweisgrenzen für die betrachteten Nuklide

Nuklid Masse/g Messzeit/s Erkennungsgrenze a*/(Bq/g) Nachweisgrenze a#/(Bq/g) Freigabewert/(Bq/g)

Tc-99m 100 60 9,9 20,6 100In-111 100 60 4,73 9,85 100I-123 100 60 10,3 21,6 100I-131 925 60 0,99 1,99 2Lu-177 100 60 84 176 1000Tl-201 145 60 47,8 97,9 100Se-75 350 60 1,47 2,98 3Cr-51 185 60 47,8 97,3 100

9,40 10

0%

20%

40%

60%

80%

100%

300025002000150010005000

Masse in g

Rel

ativ

e G

renz

e (1

00 g

= 1

00 %

)

F-18 100 60 4,51

Die Lösungen dieser Gleichung sollen gemäß DIN ISO11929 durch Iteration ermittelt werden. Falls die Iterationnicht konvergiert, bedeutet dies, dass die vorgegebenen maxi-malen Irrtumswahrscheinlichkeiten nicht eingehalten werdenkönnen. In diesem Fall müssen die einfließenden Unsicherhei-ten minimiert werden. Falls die Irrtumswahrscheinlichkeitenfür die Fehler erster und zweiter Art gleich gewählt werden,so lässt die Nachweisgrenze sich mit k1-α = k1-β = k schreibenals

a# = a∗ +√√√√a∗2 + k2

92

∑i

(Fi

mtb

a# + a#2u2rel

(m)

)(20)

Hieraus ist erkennbar, dass die Nachweisgrenze größer istals das Doppelte der Erkennungsgrenze. Für eine Abschät-zung kann a# = 2,5 a* verwendet werden.

Erkennungs- und Nachweisgrenze für diebetrachteten Nuklide

Zur Berechnung der charakteristischen Grenzen werdenhier die Annahmen gemacht, die zu den maximalen Gren-zen führen. Dabei wird eine Nulleffektmesszeit von 300 s,eine Nulleffektzählrate von 24 s-1 und eine Probenmesszeitvon 60 s angenommen. Dies entspricht den Messdauern einerrealen Messung und dem Höchstwert der Nulleffektzählratealler Detektoren unter normalen Bedingungen.

Für die Nuklide Tc-99m, In-111, I-123, F-18 und Lu-177wird die niedrigste mögliche Masse von 0,1 kg angenommen,da diese die höchsten Nachweisgrenzen zur Folge hat. Für dieübrigen Nuklide liegt die Nachweisgrenze bei einer Massevon 0,1 kg über dem Freigabewert. Daher wird für Tl-201, Cr-51, I-131 und Se-75 die niedrigste Masse angegeben, die beiden unten genannten Annahmen zur Einhaltung der Freiga-

bewerte führt. Als Unsicherheit der Masse wird der Eichwertvon 0,0333 kg angenommen. Für die hier betrachteten Nuklideergeben sich damit die in Tabelle 4 angegebenen Erkennungs-und Nachweisgrenzen.

Abbildung 4. Abhängigkeit der Nachweisgrenze von der Proben-masse

Tabelle 4 kann entnommen werden, dass das Messverfahrenmit den beschriebenen Kalibrierungen für die hier betrachte-ten Nuklide geeignet ist, da die Nachweisgrenzen in jedemFall unter den Freigabewerten liegen, deren Einhaltung nach-gewiesen werden soll.

Für höhere Probenmassen ergeben sich entsprechend nied-rigere Nachweisgrenzen. Die von der Masse abhängigerelative Nachweisgrenze (Nachweisgrenze bei Masse 100 gentspricht 100%) kann Abbildung 4 entnommen werden.

Zusammenfassung und Ausblick

In dieser Arbeit wurde gezeigt, wie für ein Freimesssys-tem mit einfachen Mitteln eine konservative Kalibrierungerzeugt werden kann, die geeignet ist, die Einhaltung von Frei-gabewerten durch Reststoffe aus der Nuklearmedizin sichernachzuweisen.

Da die Energieabhängigkeit der Nachweiswahrscheinlich-keit für Photonen im Energiebereich ab 120 keV monotonfallend ist, ist die Kalibrierung mit einem Nuklid, dessenPhotonen eine höhere Energie haben als die des im Reststoff

nachzuweisenden Nuklids, konservativ. In dieser Arbeitwurden Reststoffe betrachtet, die mit den wichtigsten in derNuklearmedizin verwendeten Nukliden kontaminiert seinkönnen. Diese Nuklide emittieren Photonen mit Energien
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C. Wanke, L. Geworski / Z. M

zwischen 121 keV und 637 keV. Emissionen außerhalb diesesEnergiebereiches wurden nicht berücksichtigt, was zu einerKonservativität der Kalibrierung führt.

Zur Kalibrierung wurde Cs-137 mit einer Gammaenergievon 662 keV verwendet. Hierzu wurden Messungen mit einerrückführbar kalibrierten Punktquelle in den ungünstigstenPositionen in der Messkammer, die bei der Messung realerReststoffe vorkommen können, durchgeführt und die Kali-brierfaktoren bestimmt. Dazu wurden die Detektoren zu denGruppen oben, unten und Bodendetektor zusammengefasst,für die jeweils der ungünstigste Kalibrierfaktor als Mittelwertder Detektoren in einer Gruppe bei einer Messung verwendetwurde. Dieses Vorgehen führt zu einer Konservativität, da sichin realen Gebinden die Kontaminationen nicht gleichzeitigan den ungünstigsten Positionen für jeden Detektor befindenkönnen.

Es wurde gezeigt, wie über die Verrechnung der Emissions-wahrscheinlichkeiten Kalibrierfaktoren für andere Nuklide imEnergiebereich, der eine höhere Nachweiswahrscheinlichkeitaufweist als die des zur Kalibrierung verwendeten Cs-137,gewonnen werden können. Die Kalibrierung für Nuklide mitGammaemissionen im Energiebereich über 662 keV ist beiVerwendung eines geeigneten Kalibrierstrahlers mit höhererGammaenergie möglich. Für die Ermittlung von Kalibrierfak-toren im niederenergetischen Bereich ist die Vorgehensweisejedoch nicht geeignet, da mit sinkender Photonenenergie dieEinflüsse der Reststoffmatrix stark ansteigen und die Nach-weiswahrscheinlichkeit deutlich sinkt. Insbesondere für das

in der In-vitro-Diagnostik verwendete I-125 mit Photonen-energien zwischen 27 keV und 35 keV ist eine Kalibrierungmit einem Nuklid, das höherenergetische Photonen emittiert,nicht möglich.

[

Available online at www

Science

. Phys. xxx (2014) xxx–xxx 9

Danksagungen

Wir danken Renata Gelfenbein, Nicole Nürnberger, MartinPreuße und Thomas Siegel für die Durchführung der Mes-sungen. Besonders bedanken möchten wir uns außerdem beiRüdiger Behrendt, Dr. Rolf Döker und insbesondere bei Dr.Ralf Pätzold für zahlreiche kritische Hinweise und Diskussio-nen.

Literatur

1] Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen(Strahlenschutzverordnung – StrlSchV) vom 20. Juli 2001 (BGBl. I S.1714; 2002 I S. 1459), zuletzt geändert durch Artikel 5 Absatz 7 desGesetztes vom 24. Februar 2012 (BGBl. I 2012, Nr. 10, S. 212).

2] Joint Committee for Guides in Metrology (2008): Evaluation of measu-rement data – Guide to the expression of uncertainty in measurement.JCGM 100:2008 (GUM with minor corrections). http://www.bipm.org/en/publications/guides/gum.html

3] MED Nuklear-Medizintechnik Dresden GmbH: BedienungsanleitungFMS – Freigabemessplatz. Ausgabe 11/09.

4] Hubbell JH, Seltzer SM (1996). Tables of X-Ray Mass Attenuation Coef-ficients and Mass-Energy-Absorption Coefficients from 1 keV to 20 MeVfor Elements Z = 1 to 92 and 48 Additional Substances of DosimetricInterest. www.nist.gov/pml/data/xraycoef/index.cfm

5] DIN ISO 11929: Bestimmung der charakteristischen Grenzen (Erken-nungsgrenze, Nachweisgrenze und Grenzen des Vertrauensbereiches) beiMessungen ionisierender Strahlung – Grundlagen und Anwendungen(ISO 11929:2010). Januar 2011.

6] Michel R, Kirchhoff K. (1999). Nachweis-, Erkennungs- und Vertrauens-grenzen bei Kernstrahlungsmessungen. Fachverband für Strahlenschutz,FS-99-108-AK Sigma, ISSN 1013-4506.

7] Bé M-M, Chisté V, Dulieu C, Browne E, Chechev V, Kuzmenko N,et al.: Monographie BIPM-5, Table of Radionuclides, published in sixvolumes with accompanying comments. BIPM, 2004-2011. Daten onlineverfügbar unter http://nucleide.org/DDEP WG/DDEPdata.htm

.sciencedirect.com

Direct