Konzept des NZZ-Teils Geldanlage und private Finanzen · Der Geldanlage-Aufmacher ist jeweils eine...

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Konzept des NZZ-Teils Geldanlage und private Finanzen Die jeweils montags erscheinenden drei Seiten Geldanlage und private Finanzen richten sich an aufgeklärte und interessierte Privatanleger, wollen aber auch für Profis immer wieder Anreize zum Lesen bieten. Wir geben keine expliziten Empfehlungen ab, wollen aber eine fundierte Basis schaffen, aufgrund derer Leserinnen und Leser in Anbetracht ihrer eigenen Lebensverhältnisse zu einer vernünftigen Entscheidung kommen können. Seite 1: Der Geldanlage-Aufmacher ist jeweils eine tiefgehende Analyse. Inhaltlich kann es dabei einerseits um Themen und Trends gehen, welche die Finanzmärkte allgemein beeinflussen, etwa demographische Trends, Konjunkturverlauf, Geldpolitik oder Digital Finance. Andererseits greifen wir aber auch auf die klassischen Anlagethemen wie strategische und taktische Vermögensallokation sowie auf bestimmte einzelne Anlageklassen zurück. Dazu kommentieren wir unter «Märkte und Meinungen» jeweils ein aktuelles Thema aus liberaler Perspektive, das für private und/oder institutionelle Anleger interessant sein soll. Seite 2: Mit dem Börsen-Radar wollen wir ganz eng am Marktgeschehen sein, wobei die Konzentration auf dem Aktienmarkt liegt, es jedoch immer wieder auch Berichte über den Devisenmarkt, Rohstoffmarkt oder Anleihenmarkt gibt. Hier betrachten wir die Märkte meistens aus einer technischen Perspektive (Dow-Theorie, saisonale Zyklen, Stimmungsindikatoren, Marktbreite und vieles mehr), da diese kurzfristig mehr Aussagekraft hat. Im Abstand von Monaten werfen wir jedoch auch ein Blick auf die sehr langfristigen fundamentalen Indikatoren wie KGV 10, Hussman KGV, Tobin’s Q, Fed-Modell etc. Im Portfolio behandeln wir jeweils Themen einer bestimmten Anlageklasse, wie Anlagefonds, strukturierte Produkte und Derivate bis hin zu Aktien, Anleihen und Rohstoffen. Hier wollen wir Anlegern Chancen aufzeigen und zugleich auf mögliche Fallstricke der jeweiligen Anlageklassen hinweisen. Dazu kommen unsere klassischen Gefässe wie NZZ- Anlagepanorama, NZZ-Fondsquartal und die NZZ-Finanzmarkt-Roundtable. Seite 3: Der Aufmacher auf dieser Seite beschäftigt sich mit klassischen Nutzwert-Themen der privaten Finanzen, dazu gehören u.a. Altersvorsorge und Pensionskassen, Immobilien und Hypotheken, Versicherungen, Steuern sowie soziale Themen aus den Bereichen heiraten, scheiden, erben, verschenken, spenden, stiften etc. Abgerundet wird das ganze durch das Gefäss Standpunkt. Hier sprechen wir mit Marktexperten, Chefstrategen oder Chefökonomen, die wir besonders sorgfältig auswählen, über das aktuelle Geschehen oder die grossen Trends an den Märkten sowie in Geldpolitik und Wirtschaft. Der Fokus liegt auf internationalen Experten und nicht auf solchen, die man in der Schweiz in fast allen anderen Medien zu lesen bekommt. Durch die starke Marke der NZZ ist es uns möglich, immer wieder Zugang zu Top-Leuten zu bekommen.

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Konzept des NZZ-Teils Geldanlage und private Finanzen

Die jeweils montags erscheinenden drei Seiten Geldanlage und private Finanzen richten sich an aufgeklärte und interessierte Privatanleger, wollen aber auch für Profis immer wieder Anreize zum Lesen bieten. Wir geben keine expliziten Empfehlungen ab, wollen aber eine fundierte Basis schaffen, aufgrund derer Leserinnen und Leser in Anbetracht ihrer eigenen Lebensverhältnisse zu einer vernünftigen Entscheidung kommen können. Seite 1: Der Geldanlage-Aufmacher ist jeweils eine tiefgehende Analyse. Inhaltlich kann es dabei einerseits um Themen und Trends gehen, welche die Finanzmärkte allgemein beeinflussen, etwa demographische Trends, Konjunkturverlauf, Geldpolitik oder Digital Finance. Andererseits greifen wir aber auch auf die klassischen Anlagethemen wie strategische und taktische Vermögensallokation sowie auf bestimmte einzelne Anlageklassen zurück. Dazu kommentieren wir unter «Märkte und Meinungen» jeweils ein aktuelles Thema aus liberaler Perspektive, das für private und/oder institutionelle Anleger interessant sein soll.

Seite 2: Mit dem Börsen-Radar wollen wir ganz eng am Marktgeschehen sein, wobei die Konzentration auf dem Aktienmarkt liegt, es jedoch immer wieder auch Berichte über den Devisenmarkt, Rohstoffmarkt oder Anleihenmarkt gibt. Hier betrachten wir die Märkte meistens aus einer technischen Perspektive (Dow-Theorie, saisonale Zyklen, Stimmungsindikatoren, Marktbreite und vieles mehr), da diese kurzfristig mehr Aussagekraft hat. Im Abstand von Monaten werfen wir jedoch auch ein Blick auf die sehr langfristigen fundamentalen Indikatoren wie KGV 10, Hussman KGV, Tobin’s Q, Fed-Modell etc. Im Portfolio behandeln wir jeweils Themen einer bestimmten Anlageklasse, wie Anlagefonds, strukturierte Produkte und Derivate bis hin zu Aktien, Anleihen und Rohstoffen. Hier wollen wir Anlegern Chancen aufzeigen und zugleich auf mögliche Fallstricke der jeweiligen Anlageklassen hinweisen. Dazu kommen unsere klassischen Gefässe wie NZZ-Anlagepanorama, NZZ-Fondsquartal und die NZZ-Finanzmarkt-Roundtable.

Seite 3: Der Aufmacher auf dieser Seite beschäftigt sich mit klassischen Nutzwert-Themen der privaten Finanzen, dazu gehören u.a. Altersvorsorge und Pensionskassen, Immobilien und Hypotheken, Versicherungen, Steuern sowie soziale Themen aus den Bereichen heiraten, scheiden, erben, verschenken, spenden, stiften etc. Abgerundet wird das ganze durch das Gefäss Standpunkt. Hier sprechen wir mit Marktexperten, Chefstrategen oder Chefökonomen, die wir besonders sorgfältig auswählen, über das aktuelle Geschehen oder die grossen Trends an den Märkten sowie in Geldpolitik und Wirtschaft. Der Fokus liegt auf internationalen Experten und nicht auf solchen, die man in der Schweiz in fast allen anderen Medien zu lesen bekommt. Durch die starke Marke der NZZ ist es uns möglich, immer wieder Zugang zu Top-Leuten zu bekommen.

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30 GELDANLAGE Montag, 26.Oktober 2015Neuö Zürcör Zäitung

MÄRKTE UND MEINUNGEN

Zinsen werfenFragen aufMichael Ferber Soll ich meine Hypothe-ken abzahlen oder dasVermögen ander-weitig anlegen? Soll ich die beruflicheVorsorge als Kapital oder als Rente be-ziehen? Welchen Ertrag muss das Ver-mögen abwerfen, damit die Vermögens-steuer ohne Vermögensverzehr geleistetwerden kann? Solche Fragen tauchenbei Schweizer Bürgern häufig auf, wiesich an einem Anlass des World Demo-graphic & Ageing Forum in St. Gallenzeigte. Die extrem niedrigen Zinsen anden Kapitalmärkten haben dabei deut-liche Folgen.

Dies zeigt sich beispielsweise bei derVermögenssteuer. Die Sätze sind kanto-nal unterschiedlich. Im Kanton Zürichliegen sie gemäss dem UnternehmenSt. Galler Steuerexperten zwischen 0%und 0,71%, im Thurgau zwischen 0,26%und 0,35% und in St. Gallen zwischen0,38% und 0,52%. Vorbei kommt an derSteuer in der Schweiz aber kaum je-mand. Um sie aus dem laufenden Ver-mögensertrag wie Zinsen oder Dividen-den zu finanzieren, ist gemäss denSteuerberatern die jeweilige Einkom-menssteuer zu berücksichtigen. Zieheman hier einen Grenzsteuersatz von25% bis 35% ins Kalkül, sei bei einerVermögenssteuer von 0,3% eine Min-destrendite von 0,42% nötig, bei einemSteuersatz von 0,6% braucht es sogar0,85% – in Zeiten, in denen zehnjährigeSchweizer Staatsobligationen wie amFreitagmit –0,34% rentieren, ist dies garnicht so einfach.

Auch auf die Frage, ob Rentner sichihre Pensionskasse als Kapital oder alsRente auszahlen lassen sollten, ist dieEntwicklung der Zinsen in der Zukunftrelevant. Beim Kapitalbezug ist manschliesslich selbst für die Anlage desVermögens zuständig, während bei derRenten-Variante derenHöhe beimZeit-punkt der Pensionierung festgelegt wirdund dann feststeht. Gerade bei einersehr hohen Lebenserwartung erscheintdies vorteilhaft. Allerdings ist bei dieserRente kein Inflationsausgleich garan-tiert. Eine Patentantwort auf die Frage«Rente oder Kapital?» gibt es ohnehinnicht, bei der Beantwortung müssenandere Vermögenswerte und Einkünftesowie die Familiensituation berücksich-tigt werden. Fiskalisch gesehen wird lautden St. Galler Steuerexperten beimKapitalbezug eine einmalige Sonder-steuer von zwischen 4% und 12% fällig,dann kommt die Vermögens- und Ein-kommensteuer auf den laufendenErträ-gen zum Tragen. Bei der Rente fällt diejährliche Einkommensteuer an.

Auch bei der Frage, ob Hypothekenabbezahlt werden sollen oder nicht, lau-tet die Antwort laut den Beratern: «Eskommt darauf an.» Der Hypothekarzinskann bei der Einkommensteuer in Ab-zug gebracht werden. Letztlich stellt sichdie Frage, ob der Hypothekarzins nachdem Steuereffekt höher ist als die mög-liche Rendite, die sich bei der Anlagedes Vermögens nach Steuern erzielenlässt. Ist dies der Fall, sollte man dieHypothek eher abzahlen. Weitere Fak-toren sind der Bedarf für den Lebens-unterhalt im Alter sowie der Effekt derPensionierung – diese kann negativeFolgen für Hypothekargläubiger haben.

«Auf Finanzportalenfinden sich keineInformationen zu ethi-schen Fragen odermateriellen Risiken.»

Detektiv im eigenen PortfolioWie man seine Investments auf konfliktträchtige und andere riskante Anlagen durchleuchten kann

Anlegern, die gewisse Aktienaus dem Portefeuille verbannenwollen, bieten sich mehrereWege zu deren Identifikation.Wer dies in Eigenregie umsetzenwill, sollte allerdings ein wenigvom «Sherlock-Holmes-Gen» insich haben.

MICHAEL SCHÄFER

Für zahlreiche Produkte gibt es heutzu-tage eine App oder eine Website, diedem interessierten Anwender aufzeigt,ob diese in einer bestimmten Weise be-denklich sind. So zeigt etwa die App«Codecheck» an, welche Stoffe einLebensmittelprodukt in welcher Mengeenthält, was unter anderem für Allergi-ker oder Linienbewusste nützlich ist.Nicht in allen Bereichen gibt es jedochsolch einfach zu handhabende und auchnoch gebührenfreie «Macheten», mitdenen man sich einen Weg durch denimmer dichter werdenden Produkte-Dschungel bahnen kann.

Zu diesen weniger transparenten Be-reichen zählen auch Geldanlagen. Wersein Portfolio daraufhin durchleuchtenwill, ob es Titel von Unternehmen ent-hält, die ihr Geld auf eineArt undWeiseverdienen, die den eigenen Überzeu-gungen aus ethischen oder risikospezifi-schen Überlegungen widerspricht, tutsich deutlich schwerer als mit der Be-stimmung des Zuckeranteils einer Fer-tigpizza. Und die Liste solcher poten-ziell abzulehnender Aktivitäten ist lang(vgl. Tabelle). Gewisse Anleger wollenihr Vermögen nicht in Firmen stecken,

die Atomstrom erzeugen, Zigarettenherstellen oder Glücksspiele anbieten.Andere achten darauf, dass die Unter-nehmen auf Tierversuche verzichten,keine Gentechnik einsetzen oder fürakzeptable Arbeitsbedingungen an allihren Standorten sorgen.

Im Gegensatz zu Finanzkennzahlenwie derDividendenrendite oder dem er-warteten Kurs-Gewinn-Verhältnis einerAktie finden sich solche Hinweise nichtin klassischen Finanzportalen wie«finanzen.ch» oder «onvista.de». An-legern stehen jedoch mehrere Wegeoffen, um an die gewünschten Informa-tionen zu gelangen. Eine Möglichkeitbesteht darin, sich das Portfolio voneinem Vermögensverwalter im Hinblickauf die individuellen Präferenzen bzw.Aversionen «durchleuchten» zu lassen.

Prädestiniert für ein solches Unter-fangen sind auf nachhaltige Anlagenspezialisierte Anbieter wie AlternativeBank Schweiz, Forma Futura und Glo-balance, aber auch Banken wie J. SafraSarasin, Notenstein und Vontobel dürf-ten einen solchen Service für Kundenbzw. potenzielle Neukunden offerieren.Für institutionelle Anleger bietet bei-spielsweise Ethos ein solches «Portfolio-Screening» an, bei dem bestehende An-lagen sowohl auf Ausschlusskriterien alsauch auf Umwelt-, Sozial- und Gover-

nance-Aspekte (ESG-Kriterien) hin un-tersucht werden.

Wichtig aus Anlegersicht ist, dassdiese Anbieter teilweise selbst Informa-tionen generieren (etwa durch Inter-views mit Firmenvertretern oder dieAnalyse von Geschäftsberichten), insubstanziellem Mass aber auf die Datenbzw. Ratings von spezialisierten Dienst-leistern wie Inrate, Reprisk oder SouthPole Group zurückgreifen. Je nachdem,welche Daten berücksichtigt werdenund welche Methodik der Anbieterselbst anwendet, kommen die Analysenzu abweichenden Ergebnissen.

Wird z. B. eine Industriefirma als«Atomkonzern» angesehen, wenn sieüberhaupt solche Aktivitäten verfolgt,oder erst, wenn diese Sparte einen Um-satzanteil von 10%, 20% oder 30%übersteigt? Entsprechend ist es für An-leger sinnvoll, die jeweilige Methodikgut zu kennen, um die Ergebnisse, auchvor demHintergrund der eigenen Präfe-renzen, einordnen zu können. Dies giltbesonders dort, wo die eigenen Krite-rien strenger sind als die bei der Analyseverwendeten.

Wer sich nicht einem Vermögensver-walter anvertrauen will oder wessenPortfolio unterhalb der gefordertenMindestgrössen liegt, der kann diesesauch durch einen unabhängigen Dienst-leister überprüfen lassen. Dies bietet diein Liechtenstein ansässige CSSP an. Aufder Website yoursri.com lassen sichInvestments daraufhin untersuchen, in-wiefern sie die ESG-Kriterien erfüllen.Untersuchungsgegenstand können ein-zelne Aktien (bzw. die dahinter stehen-den Firmen), Fonds oder ein ganzesPortfolio sein. Lässt man Letzteresdurchleuchten, erhält man für rund 350Fr. einen kurzen standardisierten Be-richt, der die Güte des Portfolios in Be-zug auf die drei ESG-Bereiche einzelnund in der Summe ausweist.

Darüber hinaus werden auch die hin-sichtlich der ESG-Aspekte kritischstenTitel aufgelistet. Im Preis inbegriffensind auch ausführliche Reports zu dendrei Unternehmen, die diesbezüglich

am schlechtesten abschneiden. Yoursrigreift dabei auf die Daten und dieMethodologie von MSCI zurück, einemder grössten Anbieter in dem Bereich.Zwar erhalten Anleger so rasch eineEinordnung des Gesamtportfolios, diePerspektive der einzelnen Titel sowiedie der individuellen Ausschlusskrite-rien des Kunden werden bei dieser Ana-lyse jedoch nicht berücksichtigt.

Bleibt noch der dritte Weg: dieRecherche in Eigenregie betreiben.Die-se Alternative ist zwar die aufwendigste– ein gewisses Quantum des «Sherlock-Holmes-Gens» schadet dabei nicht –,aber zugleich auch die erkenntnis-reichste. Durch das Internet bietet sichInvestoren eine Fülle von Möglichkei-ten, an entsprechende Informationen zugelangen. Diese gilt es anschliessend zubewerten und entsprechende Anlage-entscheide daraus zu generieren.

Beispielsweise kann man sich als An-leger an den Entscheiden von grosseninstitutionellen Investoren orientieren.Zu denen, die veröffentlichen, welcheFirmen sie aus ihrem Portfolio aus-schliessen, zählt der norwegische Staats-fonds, mit einem verwalteten Vermögenvon umgerechnet rund 900 Mrd. Fr. dergrösste seinerArt weltweit. Dazu zählenunter anderem Hersteller von Nuklear-waffen wie Lockheed Martin, NorthropGrumman, Airbus oder Boeing, Tabak-firmen wie Philip Morris und ImperialTobacco, aber auch Unternehmen, dieaus Sicht des von einer Ethikkommis-sion beratenen Staatsfonds in schwereroder systematischer Weise gegen dieMenschenrechte verstossen haben (z. B.Wal-Mart) oder für gravierende Um-weltschäden verantwortlich sind (z. B.Daewoo und deren Mutter Posco).

Die Gründe für den Ausschluss fin-den sich in der Regel auf der Seite desnorwegischen Staatsfonds – die beidenletztgenannten Gesellschaften etwawurden ausgeschlossen, weil sie in gros-sem Stil Regenwald in Palmölplantagenumwandeln –, in anderen Fällen gibteine Internet-Suche darüber Aufschluss.Zudem finden sich auf Seiten wie «ethi-calconsumer.org» oder «business-hu-manrights.org» Informationen zu Kon-flikten, mit denen Firmen konfrontiertsind oder waren.

Eine steigende Zahl von Analytikern(zu denen unter anderem die der Bankof England zählen) und Anlegernschätzt die Kursrisiken als signifikantein, die sich aus der Klimadebatte fürAktien von Firmen ergeben, die fossileEnergieträger fördern oder Energie dar-aus gewinnen. Allein in der Bewegung«DivestInvest» haben sich über 400Institutionen und 2000 Privatanlegermit einem Vermögen von 2,6 Bio. $ zu-

sammengeschlossen, die sich öffentlichverpflichtet haben, solche Papiere ausihren Depots zu verbannen.

Eine Liste der 200 Unternehmen mitden grössten Reserven an Kohle, Erdölund -gas zeigt «DivestInvest» auf ihrerWebsite. Tiefergehende Analysen zuEnergiefirmen und den unter bestimm-ten Annahmen abzuschreibenden Ver-mögenswerten finden sich auf der Web-site der NichtregierungsorganisationCarbon Tracker. Dabei handelt es sichum bilanzierte Vorkommen, die nichtgefördert werden dürfen, wenn dasKlimaziel einer maximalen Erderwär-mung um zwei Grad gegenüber der vor-industriellenZeitmit einer hohenWahr-scheinlichkeit erreicht werden soll.

Relativ einfach ist es für Anleger,Fonds in Erfahrung zu bringen, die ge-wisse Ausschlusskriterien berücksichti-gen. Die Website yoursri.com bietetauch hierzu eine Suchfunktion («ad-vanced search») an. Will ein SchweizerAnleger nicht in die Bereiche Glücks-spiel, Atomenergie und Tabak investie-

ren, liefert die Suche 29 Fonds, die die-sen Anforderungen entsprechen. Zu-dem lässt sich dort inErfahrung bringen,ob ein Fonds ein Gütesiegel für seineQualität erhalten hat.

Nach all den «Fundstellen» für Fir-men, die man potenziell aus seinemPortfolio ausschliessen will, sei noch aufeine Quelle verwiesen, die aufzeigt, wel-che Titel in nachhaltigen Indizes oderAnlagefonds enthalten sind.Diesen Ser-vice bietet die Seite «nachhaltiges-in-vestment.org» für 4300 Titel in ihrerAktiendatenbank. Ein Valor, der inzehn Fonds vertreten ist, dürfte in derRegel als nachhaltiger gelten als einer,der es in keinen geschafft hat. Wer aberWert auf dieEinhaltung vonAusschluss-kriterien legt, kommt nicht umhin, dieoben beschriebenen Wege zu beschrei-ten, denn viele nachhaltige Indizes oderFonds wenden solche gar nicht an.

Soviel man bei der eigenen Recher-che über die jeweiligen Unternehmenlernen kann – dieseMethode hat zumin-dest einen gewichtigen Nachteil: Willman die Firmen wie ein spezialisierterVermögensverwalter laufend überwa-chen,muss das «Sherlock-Holmes-Gen»schon sehr ausgeprägt sein.

«Konfliktträchtige Fir-men in Eigenregie zuidentifizieren, ist aufDauer sehr aufwendig.»

Wer seine eigenen Investments unter die Lupe nimmt, ist gegen unliebsame Überraschungen nicht gefeit. ILLUSTRATION KARSTEN PETRAT

Ausgewählte AusschlusskriterienKontroverse Geschäftsfelder Kontroverse GeschäftspraktikenAbtreibung ArbeitsrechtsverletzungenAtomenergie KinderarbeitBiozide Umweltschädigende ProduktionsverfahrenEmbryonenforschung MenschenrechtsverletzungenGlücksspiel TierversucheGrüne Gentechnik KorruptionPornografie BilanzfälschungWaffen/Rüstung KartellverstösseSuchtmittelproduktion (z. B. Alkohol, Tabak)

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NZZ-Infografik/efl.QUELLE: BLOOMBERG, NED DAVIS RESEARCH

Grosse Differenz in der Dow-Theorie alsWarnsignal1

Dow-Theorie funktionierte historisch, hat aber Schwächen2

Frühindikatoren für verarbeitendes Gewerbe drehen ins Minus3

Dow Jones Industrial, in Punkten Dow Jones Transportation, in Punkten (rechte Skala)

Dow Jones Industrial, stilisiert Dow Jones Transportation, stilisiert

2014 2015

18500

18000

17500

17000

16500

16000

15500 7000

7500

8000

8500

9000

9500

1980 85 90 95 00 05 10 15

VerkaufenKaufen

012001 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16

Caixin Einkaufsmanagerindex verarbeitendes Gewerbe ChinaEinkaufsmanagerindex verarbeitendes Gewerbe China

Chicago Business Barometer USAISM-Index verarbeitendes Gewerbe USA

30

40

50

60

70

InPunkten

NZZ-Infografik/lea.

Immobilienfonds (SXI Real Estate Funds TR)Zehnjährige Schweizer Bundesanleihe (Total Return)

Immobilienaktien (SXI Real Estate Shares TR)

QUELLEN: BLOOMBERG, CREDIT SUISSE

Immobilienfonds in komfortabler Position

Moderate Rendite, indexiert, 30. 12. 2014 = 100 Rekordhoher Renditeabstand, in %

11611411211010810610410210098 2015

J F M A M J J A S O N

Ausschüttungsrendite Schweizer Immobilienfonds

1995 2000 2005 2010 2015

6543210

–1

Verfallrendite zehnjähriger Schweizer Bundesanleihe

Differenz

24 GELDANLAGE Montag, 7.Dezember 2015Neuö Zürcör Zäitung

BÖRSEN-RADAR

US-Frühindikatoren drehen ins «Minus»Schwächezeichen beim verarbeitenden Gewerbe in den USA und China – deutliche Divergenz in der Dow-Theorie

Frühindikatoren für dasverarbeitende Gewerbe in denUSA sind jüngst unter diekritische Schwelle von 50Punkten gefallen. Dort liegenauch die entsprechenden Indizesfür China. Warnsignale gibtzudem die Dow-Theorie.

MICHAEL RASCH

An den Finanzmärkten wird inzwischenfest mit der ersten Zinserhöhung in denUSA seit dem Jahr 2006 gerechnet.Marktteilnehmer erwarten mehrheitlichvon der US-Notenbank (Fed) einenZinsschritt um 25 Basispunkte am Endeder kommenden, zweitägigen Sitzung am16. Dezember. Ein neuerliches Zuwar-ten bei der Normalisierung des Zins-niveaus wäre eine grosse Überraschung.Dass es zu einer solchen kommen kann,zeigte jedoch in der vergangenen Wochedie Europäische Zentralbank (EZB).Präsident Mario Draghi hatte mit verba-len Ankündigungen sehr hohe Erwar-tungen hinsichtlich einer weiteren Lo-ckerung der Geldpolitik geweckt, diedann an der Sitzung am letzten Donners-tag nicht oder nicht vollständig erfülltwurden. Daraufhin waren die Aktien-märkte in Europa eingebrochen, und derEuro war nach oben geschossen. MitBlick auf die US-Notenbank sind einigeBeobachter der Meinung, dass das Fedden Zeitpunkt für die erste Zinserhö-hung ohnehin verpasst habe. Dieser Ein-druck wird inzwischen insofern verstärkt,als sich konjunkturelle Frühindikatorenjüngst deutlich eingetrübt haben.

Geringe Bestellungen

Das gilt vor allem für den Industrie-sektor. Der Index für das verarbeitendeGewerbe des Institute for Supply Ma-nagement (ISM) sank im November mit48,6 Punkten erstmals seit Ende 2012wieder unter die kritische Schwelle von50 Zählern. Werte über 50 deuten aufeine Expansion des Wirtschaftsgesche-

hens hin, während Werte unter 50 füreine Kontraktion sprechen. Seit Endeder Finanzkrise ist es erst das zweiteMal, dass der ISM-Index für das verar-beitende Gewerbe wieder unter 50 ge-fallen ist; er sank inzwischen den fünftenMonat in Folge. Im Jahr 2012 hatte dasBarometer dann jedoch sofort wieder zusteigen begonnen. Ursächlich warenunter den fünf Komponenten des Inde-xes die Schwächen bei den Bestellungenund der Produktion.

In die gleiche Richtung deutet derEinkaufsmanagerindex für die RegionChicago, der inzwischen Chicago Busi-ness Barometer heisst. Mit 48,7 Punktennotiert er ebenfalls unter der Marke von50 Zählern. Der Index ist jedoch rechtvolatil und schwankt bereits seit AnfangJahr um die Schwelle von 50 Punktenherum. Besser sieht es in den USA nochfür den Dienstleistungssektor aus. DerISM-Index für das nicht verarbeitendeGewerbe sank zwar im November eben-falls deutlich von 58,0 Zählern auf 55,9Punkte, liegt damit aber noch deutlichüber der 50-Punkte-Marke.

Robuste Euro-Zone

Wenngleich man aufgrund der erwähn-ten Daten noch nicht die nächste Rezes-sion in den USA aufziehen sehen muss,so deuten die Indikatoren doch an, dassdie amerikanische Wirtschaft nicht ge-rade auf vollen Touren läuft und derzeitsogar schlechter dasteht als beispiels-weise im Jahr 2014. Beobachter verwei-sen zudem darauf, dass auch beim verar-beitenden Gewerbe in China Sand imGetriebe ist. So liegen sowohl der staat-liche Einkaufsmanagerindex mit 49,6Punkten (Tendenz fallend) als auch dervon der chinesischen MediengruppeCaixin berechnete Einkaufsmanager-index für das verarbeitende Gewerbemit 48,6 Zählern (Tendenz steigend, Tieflag bei gut 47 Punkten) unter der50-Punkte-Schwelle.

In den letzten Jahren ist es laut Öko-nomen selten vorgekommen, dass dieserSektor zeitgleich sowohl in den USA alsauch in China, also den beiden grössten

Volkswirtschaften der Welt, ge-schrumpft ist. In der Euro-Zone stehtder entsprechende, von Markit berech-nete Index mit 52,8 Punkten auf demhöchsten Niveau seit Frühjahr 2014,Tendenz steigend, was wohl auch an derSchwäche des Euro liegt.

Schwache Transportwerte

Möglicherweise vollzieht also die US-Notenbank ihre erste Zinserhöhung ge-nau zu einem Zeitpunkt, an dem dieamerikanische Wirtschaft anfängt zuschwächeln, was dem Aktienmarkt si-cherlich nicht helfen würde. Ohnehinscheint die US-Börse unter der Motor-haube nicht rund zu laufen. Darauf deu-tet etwa die grosse Divergenz in derDow-Theorie hin. Sie ist eine der ältes-ten Analysemethoden für die Aktien-börse. Sie besagt, dass der Gesamtmarktgesund ist, wenn sowohl der Dow Jonesfür Industriewerte als auch der DowJones für Transportwerte in einem stabi-len Aufwärtstrend sind. Die fundamen-tale Überlegung hinter dieser techni-schen Methode ist, dass Industrieunter-nehmen Güter herstellen, die dann vonTransportfirmen auf den Markt gebrachtwerden. Wenn die Wirtschaft gesund ist,sollten sich beide Indizes in einem Auf-wärtstrend befinden – und vice versa.

Derzeit gibt es eine grosse Divergenzzwischen Transport- und Industrieindex.Während letzterer nahe am Rekordhochsteht, liegen die Transportwerte gut 15%unter ihrem zyklischen Hoch. Laut demUS-Analysehaus Ned Davis Researchliegt seit 20. August ein Verkaufssignalbasierend auf der Dow-Theorie vor.Dies ist deshalb relevant, weil die Theo-rie in der Rückschau gute Resultategeneriert. Das Problem ist jedoch, dassdie Interpretation der Ergebnisse rechtsubjektiv ist, weshalb potenzielle Kauf-bzw. Verkaufssignale mit Vorsicht zu ge-niessen sind. Zudem lieferten historischgesehen die Kaufsignale deutlich bes-sere Ergebnisse als die Verkaufssignale.Dies mag damit zusammenhängen, dasssich Aktienmärkte langfristig meist imAufwärtstrend befinden.

PORTFOLIO

Die Schwämme der Schweizer AnlageweltImmobilienfonds ziehen rekordhohe Summen neuer Gelder an – an der Wertentwicklung geht dies jedoch nicht spurlos vorbei

Eher bescheidene Renditenweisen Immobilienfonds diesesJahr auf. Künftig dürfte einbremsender Faktor eine kleinereRolle spielen, und auch sonstspricht einiges für diese Anlagen.

MICHAEL SCHÄFER

Noch ist das Jahr 2015 nicht vorbei, aberschon jetzt lässt sich sagen, dass es seineVorgänger in einer Hinsicht übertreffenwird. Noch nie sind so viele Gelder inSchweizer Immobiliengefässe geflossenwie in diesem. Vermutlich nicht ganzden Rekord von 2007 erreichen werdendabei die (kotierten und nichtkotierten)Immobilienfonds, sie nahmen damalsinnerhalb von zwölf Monaten 2,9 Mrd.Fr. auf. Allein 1,75 Mrd. Fr. entfielen je-doch auf den neu lancierten «LivingPlus» der Credit Suisse.

Zweischneidiges Schwert

In diesem Jahr dürften es die Liegen-schaftenfonds auf mindestens 2,5 Mrd.Fr. bringen. Berücksichtigt man jedochauch die Zuflüsse in die weitgehendinstitutionellen Anlegern vorbehalte-nen Anlagestiftungen sowie das von denImmobiliengesellschaften angezogeneKapital, werden bis zum Jahresende ver-mutlich gut 4 Mrd. Fr. zu Buche stehen.

Die Zahlen reflektieren die hohe At-traktivität, die Schweizer Immobilien-anlagen in den Augen der hiesigenInvestoren besitzen. Vor allem institu-tionelle Anleger sehen in ihnen einenErsatz für Obligationen, die im derzeiti-gen Zinsumfeld vielfach negative oderim günstigen Fall mickrige positive Ver-fallrenditen aufweisen.

Und so verwundert es kaum, dass dieImmobiliengefässe neue Gelder wieSchwämme aufgesogen haben. Beson-ders grosser Nachfrage erfreuen sich da-bei jene Fonds, die mehrheitlich oderausschliesslich Wohnliegenschaften inihrem Portfolio verwalten. Im Vergleichzu Gewerbeliegenschaften gelten dieseals risikoärmer, etwa weil die Leer-stände bei Büroflächen in der Regelhöher als im Wohnbereich sind.

Grosse Emissionsvolumen sind fürAnleger aber ein zweischneidigesSchwert. Sosehr das zusätzliche Ange-bot von den Investoren begrüsst werdeund so gut es absorbiert worden sei,habe es das Segment der kotiertenFonds auch belastet, sagt Markus Wae-ber von der ZKB. Vor allem passive An-leger schichten bei Indexanpassungen,wie sie Kapitalerhöhungen auslösen,Gelder aus anderen Fonds in die neuhöher gewichteten um.

Gemessen am SXI-Real-Estate-Funds-Index (Swiit-Index) haben dieSchweizer Immobilienfonds seit Jahres-beginn eine Rendite von 3,4% erzielt.

Als gering stuft dies Johannes Schwabvon Swiss Finance & Property ein ange-sichts einer Ausschüttungsrendite vonknapp 3% und im Jahresverlauf gesun-kener Zinsen. Besser abgeschnittenhaben Aktien der Immobiliengesell-schaften, die knapp 7% zugelegt haben.Sogar die zehnjährigen Obligationendes Bundes haben sich mit einer Renditevon fast 6% (Kursentwicklung und Zin-sen) deutlich besser entwickelt, womitzu Jahresbeginn nur wenige Investorengerechnet hatten.

Das geringe Kursplus der Immobi-lienfonds kann aber auch positiv ge-sehen werden. Die derzeit an der Börsegegenüber den von Schätzern berechne-ten Werten der Liegenschaftenportfo-

lios gezahlten Aufpreise von im Durch-schnitt 24% befinden sich dadurch ineinem von Experten als nicht übertrie-ben bezeichneten Bereich. Im April wardas noch anders, denn nach Einführungder Negativzinsen durch die Schweizeri-sche Nationalbank im Januar hatte derSwiit-Index um 11% zugelegt. Dadurchwar das Aufgeld der Immobilienfondsauf über 35% und damit in bis dato un-bekannte Sphären gestiegen.

Obwohl die Kapitalmarktzinsen heu-te spürbar tiefer sind als Anfang Januar,befinden sich die Aufpreise wieder aufden Niveaus vom Jahresbeginn. Nebender mässigen Bewertung sehen Exper-ten eine Reihe von Punkten, die denKursen der Immobilienfonds weiteren

Rückenwind verleihen dürften. So er-achtet Markus Waeber die diesjährigenKapitalerhöhungen weitgehend als vomMarkt verdaut, womit ein in jüngsterZeit belastender Faktor erst einmalweniger ins Gewicht fallen dürfte.

Robuste Nachfrage

Die hohe Nachfrage nach Immobilien-anlagen dürfte so schnell nicht abklin-gen, meint Johannes Schwab. Viele insti-tutionelle Investoren hätten ihre Maxi-malquoten nicht ausgeschöpft, undselbst wenn, würden laufende Beitrags-zahlungen für neuen Anlagebedarf sor-gen. Das gewichtigste Argument, das fürAnlagen in «Betongold» spricht, sindaber die Mieteinnahmen, die an die An-leger ausgeschüttet werden können. Diedurchschnittliche Ausschüttungsrenditeder Fonds liegt mehr als drei Prozent-punkte über der Verfallrendite deszehnjährigen «Eidgenossen».

Nicht überraschend adelte denn auchFelix Brill von Wellershoff & PartnersImmobilienanlagen kürzlich am Immo-invest-Forum des Asset Manager Schro-ders zu den «besseren Obligationen».Eine allfällige Verschärfung der Nega-tivzinsen dürfte deren Attraktivität ge-mäss den Experten sogar nochmals stei-gern. Allerdings, meint Brill warnend,seien Immobilienanlagen mindestens sostark wie Anleihen exponiert, sollten dieZinsen irgendwann doch steigen.

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200000 400000 600000 800000 1000000

0

100

200

300

400

500Eigentumswohnungen Einfamilienhäuser

In %, 1. Quartal 1970 = 100

NZZ-Infografik/cke.QUELLEN: EIGENE DARSTELLUNG, WÜEST & PARTNER

Immobilienwert beeinflusst Eigenkapital direkt

Vor dem Immobilienkauf

Jüngst gebremster Preisanstieg fürWohneigentum

Nach dem Immobilienkauf

Szenario Immobilienpreise fallen um 20%

Liquidität

Eigenkapital

Wohnung

Wohnung

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38 GELDANLAGE Samstag, 14.November 2015Neuö Zürcör Zäitung

INVESTIEREN IM TIEFZINSUMFELD 9/12

Das Haus im Portfolio ändert allesDer Erwerb von Wohneigentum erschwert nicht nur die Diversifikation der Anlagen, sondern erhöht auch die finanziellen Risiken

Die Tiefzinsphase animiert zumErwerb von Wohneigentum.Dieser Schritt verändertdie Vermögensallokationfundamental. Immobilienkäufersollten sich der höheren Risikenbewusst sein – und bei der Geld-anlage einige Fallstricke beachten.

MICHAEL SCHÄFER

«Die Wohnung gehört ja sowieso derBank», ist eine Aussage, die man vonEigenheimbesitzern mit grosser Regel-mässigkeit hört. Zwar ist man stolz, inden eigenen vier Wänden zu wohnenund diese nach dem persönlichen Gustogestalten zu können. Die Konsequenzenund die Bedeutung, die das Wohneigen-tum mit sich bringt, wird aber vielfachunterschätzt oder verdrängt. Zu diesenAspekten zählen unter anderem diegegenüber dem Mieten eingeschränkteFlexibilität oder der hohe finanzielleAufwand für Erneuerungen. Ebenfallsversäumen die Käufer einer selbst-genutzten Immobilie häufig, sich zu ver-gegenwärtigen, welche Auswirkungendiese auf ihr Vermögen hat.

Hohe Hebelwirkung

Die wohl einschneidendste Verände-rung hängt stark mit der eingangs zitier-tenAussage zusammen.Mit dem Immo-bilienkauf geht in der Regel die Auf-nahme eines Kredits einher, wodurchsich aber auch die finanziellen Risikenerhöhen. Zwar sind die Preise vonImmobilien weniger schwankungsanfäl-lig als jene von Aktien, und viele Men-schen in der Schweiz haben noch niemarkant rückläufige Immobilienpreiseerlebt. Dies heisst aber nicht, dass einsolches Szenario, wie es in den 1990erJahren herrschte, nicht eines Tages wie-der eintreten kann.

Durch die hohe Hebelwirkung desKredits schlagen die Veränderungen desWerts einer Immobilie direkt auf dasEigenkapital durch. Sinkt beispielsweisederWert einer für 1Mio. Fr. erworbenenWohnung um 20%, schmilzt bei einerBelehnungsquote von 80% (also einemKredit von 800 000 Fr.) das gesamte indie Finanzierung gesteckte Eigenkapitaldahin (vgl. Grafik). Wer beimKauf seinefinanziellenMöglichkeiten ausgereizt hat(etwa durch den Vorbezug von Mittelnder Pensionskasse und den Einsatz vonGeldern aus der Säule 3a), riskiert unterUmständen den Verlust des Eigenheims.

Dies vor allem dann, wenn noch negativeEreignisse im privaten Umfeld wieArbeitslosigkeit oder Scheidung hinzu-kommen. Wenn es einmal brenzlig wird,machen sich vieleNachteile von Immobi-lien erst richtig bemerkbar. So lassen siesich weder schnell an der Börse verkau-fen noch in kleineren Stücken, etwa zim-mer- oder gar quadratmeterweise.

Zwar beteuerten die Hypotheken-anbieter, dass sie auch in schwierigenFällen mit dem Kunden eine für beideSeiten akzeptable Lösung anstrebenwerden. Allerdings fehlten Erfahrungs-werte, wie die Banken heutzutage mit

einer grossen Zahl von Schieflagen um-gehen würden, gibt Florian Schubigervon den Vermögenspartnern Winter-thur zu bedenken. Früher sei der Werteiner Immobilie in Abständen vonmeh-reren Jahren durch einen Bankmitarbei-ter berechnet worden, heute liesse sichdieser dank modernen Analysemetho-den quasi per Knopfdruck ermitteln.

Puffer einkalkulieren

Bei einem sinkenden Preisgefüge – injüngster Zeit ist der langanhaltendeAufwärtstrend quasi zum Erliegen ge-

kommen, und viele Experten sehen denZenit überschritten – sei nicht auszu-schliessen, dass Banken die Belehnungs-werte öfter kontrollieren und, wo ange-zeigt, von ihren Kunden zusätzlichesEigenkapital einfordernwerden. Betref-fen würde dies zuerst diejenigen, dieihre Bleibe kurz vor Beginn des Preis-zerfalls erworben haben. Entsprechendrät Schubiger dazu, bei einer Immobi-lienfinanzierung nicht den vollen Rah-men auszuschöpfen, sondern einen ge-wissen Kapitalpuffer einzukalkulieren.Auch solle man noch einmal über dieBücher gehen, wenn zwei von drei ange-fragten Banken die angestrebte Finan-zierung als «sehr knapp» bezeichnetenoder sie sogar ablehnten.

Neben der durch den Kredit be-dingten Erhöhung des Risikos wirktsich der Immobilienkauf aber auchmassgeblich auf die Zusammensetzungder Vermögenswerte aus. Für vieleHaushalte stellt dasWohneigentum denmit Abstand grössten Posten dar. Da-durch bestehe schon per se ein hohesKlumpenrisiko in Bezug auf die An-lageklasse, die Währung und denMarkt, sagt Daniel Kalt, AnlagechefSchweiz der UBS.

Umso wichtiger sei es dann, dass einneben der Liegenschaft bestehendesWertschriftenportfolio gut diversifiziertsei, besonders was die Länderallokationbetreffe. In diesem Kontext empfiehltKalt zudem, Immobilien im Anlage-portfolio nicht nochmals hoch zu ge-

wichten, auch wenn diese als Investmentanders geartet seien als die selbst-genutzte Liegenschaft.

Vielfach besteht derzeit auch einOptimierungspotenzial aufgrund desTiefzinsumfelds. Sind nämlich dieHypo-thekarzinsen nach Steuern (Abzugs-möglichkeit beim steuerbaren Einkom-men) höher als die in einzelnen Anlage-klassen wie Liquidität oder Obligatio-nen zu erzielenden Renditen, bietet essich oft an, die Hypothek bei Fälligkeitzumindest teilweise zurückzuzahlen.Bedenken sollte man dabei allerdings,dass sich die Bank bei einem später ge-äusserten Wunsch, den Kredit wiederaufzustocken, querstellen kann.

Trend zum Kaufenmsf. Zwar gilt die Schweiz als einLand der Mieter, und die Wohneigen-tumsquote lag 2013 mit 37,5% aufeinem im internationalen Vergleichniedrigen Niveau, sie befindet sichallerdings seit vielen Jahren im Steigen.Nicht zuletzt haben die in den vergan-genen Jahren auf bis dato nicht ge-kannte Niveaus gesunkenen Hypothe-karzinsen den Trend unterstützt. ImZuge dieser Entwicklung ist auch derAnteil der Immobilien am Gesamtver-mögen der privaten Haushalte in derSchweiz gestiegen und macht inzwi-schen rund 44% aus.

GELDANLAGE-SERIEMit dem heutigen Text zur Rolle vonWohneigentum im Anlagevermögensetzt die NZZ ihre zwölfteilige Serie zuProblemen des Investierens im Tiefzins-umfeld fort. Am nächsten Samstag be-schäftigt sich der zehnte Teil mit derFrage, welche Dienstleistungen undAnlagemöglichkeiten den Kunden abwelcher Vermögensgrösse offen stehen.

www.nzz.ch/finanzen

Wo es am schönsten ist: Tiefe Hypothekarzinsen animieren zahlreiche Mieter, zu Eigentümern zu werden. ILLUSTRATION ALEXANDER GLANDIEN

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PD

GELDANLAGE 25Montag, 7.September 2015 Neuö Zürcör Zäitung

«Die Aufwärts-bewegungen derAktienmärktewaren keine‹Hüpfer einertoten Katze›.»Timothy HayesNed Davis Research

STANDPUNKT

Die Aktienmarkt-Korrektur erhöhtdie Chance auf ein Jahresendrally

Michael Schäfer Der Einbruch am chi-nesischen Aktienmarkt hat tiefe Spurenbei den Investoren hinterlassen. Sorgenbereiten den internationalen Marktteil-nehmern weniger die Entwicklungen anden Börsen in Schanghai, Shenzhen undHongkong, sondern die Frage, ob diechinesische Konjunktur, die in den ver-gangenen Jahren eine der Lokomotivender Weltwirtschaft war, schnell anSchwung verliert. Dies hat Bedenkenüber den Zustand der globalen Wirt-schaft genährt. Für viele Anleger lautetdie zentrale Frage nun, ob die Turbulen-zen eine temporäreKorrektur darstellenoder ob sie das Ende des jahrelangenBullenmarktes eingeläutet haben unddie Zeit der Bären angebrochen ist.

Wenig abgewinnen kann diesem pes-simistischen Szenario Timothy Hayes,Chefstratege der Ned Davis ResearchGroup. Die Gefahr einer weltweitenRezession hält er für sehr gering. DieDaten zur amerikanischen Konjunkturseien mit wenigen Ausnahmen in jüngs-ter Zeit positiv ausgefallen. Auch wennamFreitag dieArbeitsmarktdaten etwasenttäuscht hätten, seien gerade hierdeutliche Fortschritte erzielt worden.Die Auswirkungen der von China aus-gehenden Schockwellen seien bishereher lokal beschränkt gewesen. So hät-ten Länder wie Japan oder Südkoreaeinen gewissen Rückgang des Handelsmit China verzeichnet. DasAusmass derAbkühlung sei jedoch nicht besorgnis-erregend, ebenso wenig wie das der bisjetzt zu beobachtenden Kapitalabflüsseaus den Ländern der Region. Befürch-tungen hinsichtlich einer neuerlichenKrise der Schwellenmärkte hält er dem-entsprechend für übertrieben.

Die aktuelle Korrektur werde durchBewertungen getrieben, die zu stark denFundamentaldaten enteilt seien. Es seiwahrscheinlich, dass der Prozess einerBodenbildung einige Zeit in Anspruchnehmenwerde, somit könne diese Phasenoch eine Weile dauern. Hayes verweistauf das Jahr 2011, in dem der MSCI-World-Index im Juli und August um16% korrigierte und in den folgendenWochen noch etwas tiefer sank, bevor erim Oktober wieder deutlich anstieg.DiesesMal habe derAbsturz «nur» 11%betragen, habe aber dazu geführt, dasssich die meisten Aktienindizes deutlichan ihre mehrjährigen Durchschnitte an-genähert haben und teils sogar wiederunter diesen liegen.

Aus fundamentaler Sicht sprecheauch fürAktien, dass die umfangreichenStimulierungsmassnahmen der Zentral-banken weiter anhalten. Der tiefe Erd-ölpreis wirke insgesamt gleichfalls un-terstützend auf die Weltkonjunktur.Früher oder später werde sich die Über-zeugung an den Märkten durchsetzen,dass die Rezessionsängste und damit dieKorrektur an den Aktienbörsen über-trieben waren. Viel Rückenwind fürAktien dürfte laut Hayes weiterhin vonden tiefen Zinsen ausgehen. Angesichts

des Ausmasses der Überbewertung derAnleihemärkte würde auch eine Er-höhung der Leitzinsen durch die US-Notenbank Fed daran nichts ändern.Sollte das Fed diesen Schritt Mitte Sep-tember vornehmen, erwartet Hayes –wie die Mehrzahl der Marktbeobach-ter –, dass er geringfügig sein wird.

Die Chancen stünden gut, dass diesals Zeichen einer sich auf einem gutenPfad befindenden Wirtschaft interpre-tiert würde und damit ein Kaufsignaldarstellte. Bis die Zinsen zu einer Be-drohung für die Aktienmärkte würden,sei noch ein sehr weiter Weg zu gehen.Nehme man alles zusammen, seien diejüngsten kurzfristigen Aufwärtsbewe-gungen der Aktienmärkte nicht als«Hüpfer einer toten Katze» («dead catbounce») zu werten. So werden nichtnachhaltigeKurserholungen nach einemkräftigen Einbruch bezeichnet. Besser

treffe das alte Sprichwort zu, laut demKatzen neun Leben besässen.

Wann die Aktienmärkte wieder kräf-tigere Lebenszeichen von sich gebenwürden, sei schwer prognostizierbar.Austechnischer Sicht spreche bereits heuteeiniges dafür, dass dieMärkte nahe ihrenTiefs stehen. Sowohl die kürzlich er-reichten Volatilitätswerte als auch derrekordhohePessimismus sprächen dafür,dass der Prozess einer Bodenbildung be-gonnen hat. Für die Zeit nach deren Ab-schluss sieht Hayes gute Chancen für einJahresendrally. Die Märkte seien zwarnicht gerade billig, aber doch markantgünstiger bewertet als vor wenigenWochen. Zudem seien die Gewinn-erwartungen der Analytiker in jüngsterZeit gesunken. Die Chancen, dass vieleUnternehmen in der nächsten Berichts-saison diesbezüglich positiv überraschenwerden, seien somit klar gestiegen.Hayes hält es sogar für wahrscheinlich,dass das Rally die Indizes über ihrejeweiligen Jahreshochs führen werde.

Am stärksten von einem solchenRally profitieren werden seiner Ansichtnach die Aktien von kleinkapitalisiertenUnternehmen, die hohe Wachstums-raten aufweisen. Auch auf rohstofflas-tige Länder bzw. Indizes (Kanada, Aus-tralien, Grossbritannien, aber auch dieSchwellenländer) sieht Hayes wiederbessere Zeiten zukommen. Durch diemassiven Rückgänge der Rohwaren-preise belaste das strukturelle Über-angebot weniger als in der Vergangen-heit, und die günstigenBewertungen trä-ten wieder stärker in den Vordergrund.

Wie gut ist die Pensionskasse?Bei der Beurteilung der Qualität einer Vorsorgeeinrichtung helfen Kennzahlen

Die Qualität der Pensionskasseeinzuschätzen, ist für vieleBürger wichtig. Dies giltbesonders, wenn sie freiwilligeEinzahlungen erwägen.

MICHAEL FERBER

Geld anzulegen, ist in der Schuldenkrisesehr schwierig. Viele Sparer denken des-halb über einen Einkauf in die Pensions-kasse nach. Vorteil eines solchen istimmerhin ein gewisser Steuervorteil.Wichtig dabei ist aber die Qualität derPensionskasse.

Ein erstes Kriterium dafür ist dieKommunikation der Vorsorgeeinrich-tung. Laut Roland Schmid, Geschäfts-führer von Swiss Life Pension Services,gibt es dabei grosse Unterschiede. Wäh-rend manche Pensionskassen nur einpaar Daten ins Internet stellten, infor-mierten andere ihre Versicherten sehrumfassend. Letzteres sei ein gutes Zei-chen und zeige, dass eine Vorsorgeein-richtung Wert auf Transparenz bezüg-lich ihrer finanziellen Lage lege. Einweiteres Kriterium, anhand dessen Ver-sicherte ihre Pensionskasse beurteilenkönnen, ist aus Schmids Sicht die Betei-ligung des Arbeitgebers an den Beiträ-gen. Viele Arbeitgeber in der Schweizzahlten 60% der Beiträge für ihre Ver-sicherten, manche nur 50%. HöhereZahlungen seien wie ein zusätzlicher

Lohnbestandteil für den Versichertenund so aus dessen Sicht zu begrüssen.

Ein wichtiges Kriterium bei der Be-stimmung der Qualität einer Pensions-kasse ist der Deckungsgrad. Dieser gibteinen Hinweis darauf, ob die Kasse ihrefinanziellen Verpflichtungen erfüllenkann. Ein Deckungsgrad von 100% be-deutet, dass die Vermögenswerte dieVerpflichtungen voll abdecken. DerDeckungsgrad ist allerdings immer ab-hängig vom technischen Zins, mit demdie Vorsorgeeinrichtung die Höhe ihrerkünftigen Erträge einschätzt. Aufgrundder extrem niedrigenZinsen haben vieleKassen ihre technischen Zinssätzejüngst deutlich gesenkt, manche rech-nen aber mit zu hohen Sätzen. Ebenfallswichtig ist der Umwandlungssatz. Diesist der Prozentsatz des angesparten Ver-mögens in der Pensionskasse, der denRentnern jährlich ausbezahlt wird.

Diese Kennzahlen gilt es bei der Be-wertung der Pensionskasse zu berück-sichtigen. Schmid nennt als Beispiel eineKasse mit einem technischen Zins von2,5% und einem Umwandlungssatz von7%. Sie produziere mit jedem neuenPensionierten einen Verlust, da der Um-wandlungssatz zu hoch angesetzt sei. Soerhielten die Pensionierten Renten, dieauf Kosten der Aktiven gingen. Da diesauf Dauer die Situation der Kasse be-laste, sei jüngeren Aktiven hier voneinem Einkauf abzuraten. Ältere Ak-tive kurz vor der Pensionierung könntensich hingegen einen Einkauf überlegen,

da sie ja von dem hohen Umwandlungs-satz profitieren könnten. Wie das Bun-desamt für Sozialversicherungen ineiner Studie dargelegt hat, besteht einesolche Situation oft bei «BVG-nahen»Kassen, die nur das gesetzliche Mini-mum bzw. wenig mehr versichern. Siekönnen den gesetzlich festgelegten – zuhohen – Umwandlungssatz von 6,8%nicht durch einen niedrigeren Umwand-lungssatz im Überobligatorium, den sieselbst festlegen können, abfedern.

Eine weitere Kennzahl, die es bei derBewertung einer Pensionskasse zu be-rücksichtigen gilt, ist das Verhältnis vonAktiven zu Rentnern. Dieses ist im Jah-resbericht der Pensionskasse angege-ben. Als Beispiel nennt Schmid eineKasse mit einem hohen technischenZins von 3% und einem recht hohenRentneranteil von 50%. Hier sei einEinkauf weniger zu empfehlen, da da-von auszugehen sei, dass der technischeZins wegen der ultraniedrigen Kapital-marktzinsen in der Zukunft sinkt. Dasich dann der Wert der Verpflichtungender Rentner erhöht, drohen möglicher-weise sogar Sanierungsmassnahmen.Solche werden in der Regel ab einemDeckungsgrad von 90% nötig. Ist einesolche Entwicklung absehbar, solltenVersicherte von einemEinkauf absehen.

Ein wichtiges Qualitätskriterium istauch die Situation des Unternehmensbzw. die seiner Branche. Sind die Per-spektiven eher schlecht, spricht diesgegen einen Einkauf in die Kasse.

Vor dem Einkauf in eine Pensionskasse gilt es deren Strategie und deren Manöver genau zu analysieren. ARNO BALZARINI / KEYSTONE

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Daniel Kalt. Jens Ehrhardt. JochenFelsenheimer.

26 GELDANLAGE Montag, 28.Dezember 2015Neuö Zürcör Zäitung

«Negativzinsen könnenden Grundsteinfür eine Bankenkrisein der Schweiz legen.»Daniel KaltChefökonom Schweiz bei der UBS

«Zu viel billiges Geldfür jeden hat zu Über-kapazitäten und fallen-den Preisen geführt.»Jens EhrhardtVorstandschef von DJE Kapital

Zinsänderungsrisiko ist grosse Gefahr für kleiDie Zentralbanken haben die Finanzmärkte lange mit billigem Geld geflutet und beflügelt – nach der ersten Zinserhöhung in Amerika blicken

In den USA steigen die Zinsen, inEuropa und Japan bleiben sie tief. Wasmachen die Anleger am besten daraus?Jochen Felsenheimer: Ich glaube nicht,dass das im kommenden Jahr das zen-trale Problem sein wird. Betrachtet mandie langfristigen Zinsen in den USA,dann ist nicht viel passiert. Die Märkteerwarten einen geringen Zinsanstiegund keinen Turnaround.Jens Ehrhardt: In Amerika wird es nichtdie übliche Bremspolitik der Vergan-genheit geben. Die Inflation ist gleichnull und die Stimmung in der produzie-rendenWirtschaft nicht überragend; daswürde eher dafür sprechen, Gas zugeben. Trotzdem musste die amerikani-sche Zentralbank (Fed) den Leitzins er-höhen, um das Gesicht zu wahren. Mitder Begleitmusik, datenabhängig zuagieren, ist nun die Unsicherheit ver-schwunden – und das ist für die Börseneher leicht positiv als negativ.Daniel Kalt: Das sehen wir ähnlich. Esist nicht das ersteMal, dass das Fed beimZinszyklus voranschreitet. Die europäi-schen Volkswirtschaften hinken diesmalpunkto Produktionslücken weiter hin-terher als früher. In denUSA ist bald eingewisser Lohndruck möglich. Der deu-tete darauf hin, dass dort der Erholungs-zyklus den besten Teil noch vor sichhätte, sollte er die Konsumenten erfas-sen. Das wäre gut für den Zusammen-halt der Gesellschaft, nachdem bisherprimär die Vermögenden von der «As-set-Preis-Inflation» profitiert haben.Ehrhardt:Wir befinden uns in einer ein-maligen Situation, weil der Aufschwungtrotz enormen Stimuli langsam und fra-gil erscheint. Es spricht punkto Un-gleichheit Bände, dass vieleAmerikanerauf Essensmarken angewiesen sind.

Ist die Gefahr real, dass die USA in eineRezession zurückfallen?Michael Strobaek: Vorerst erscheintdiese Gefahr gering. Die Zinserhöhungim Dezember war unvermeidlich. DasFedmacht nach einem erstenZinsschrittso gut wie nie Pausen – wenn es geht,dann geht es. Zum Beispiel 25 Basis-punkte von Quartal zu Quartal auf demWeg zu einerNormalisierung. Es baut soFlexibilität auf, um Spielraum zu haben,wenn die nächste Rezession kommt.

Sie erwarten also den Beginn eines Zins-erhöhungszyklus – was bedeutet das fürden Dollar?Strobaek: Die Zinserhöhung auf bis zu4% in den nächsten vier Jahren könntedas US-Wachstum bremsen und den

Dollar schwächen – oder die zuneh-mende Zinsdifferenz könnte ihn stär-ken.Wir denken, derDollar bleibt ange-sichts der expansiven Geldpolitik inEuropa und in Japan in den nächstenJahren nach anfänglicher Seitwärts-bewegung stark. Man sollte als Anlegerüberlegen, wie man davon profitiert.Ehrhardt: Der Dollar müsste theore-tisch stärker werden, wenn die Europäerdie Zinsen unten halten und die Ameri-

kaner sie hochsetzen. Das Dumme istnur, dass sich alle darauf einstellen – unddann kommt es häufig nicht so wie er-wartet. Im Grunde ist «dollar short»immer noch der «most crowded trade».Ich fühle mich mit solchen Konsensmei-nungen, die es auch in Form der Über-gewichtung europäischer und japani-scher Aktien gibt, meist nicht wohl.

Viele setzen auf den Dollar und betrach-ten Rohstoffe und die Schwellenländerskeptisch. Lohnt sich eine Wette da-gegen?Kalt: Die Märkte in den Schwellen-ländern werden sich irgendwann stabili-sieren; zumindest in China wird Gegen-steuer gegeben. Es ist eine Frage desTimings, ob man dabei ist, wenn derganze «Rohstoff- und Schwellenländer-komplex» dreht.

Die Dollar-Schulden haben in denSchwellenländern seit der Krise unge-bremst zugenommen. Ist das ein Risiko?Felsenheimer: Es gibt keinen pauscha-len Anstieg der globalen Verschuldung,da jedem Schuldner ein Gläubigergegenübersteht. Aber das weltweiteKredit- und Kontrahentenrisiko ist inden letzten Jahren stark geklettert. Die-ser Anstieg geht einher mit sehr niedri-gen Risikoprämien: Wir haben alsoimmer mehr Kreditrisiko auf der Welt,das nicht adäquat kompensiert wird. Be-denklich ist, dass durch das höhere Kre-ditvolumen nur ein begrenztes Wachs-tum erkauft wurde. Diese Entwicklungist nicht nachhaltig und kann letztlichsogar zu rezessiven Impulsen führen.

Droht nach der Immobilienkrise in denUSA und der Staatsschuldenprobleme in

Europa nun eine Schwellenländerkrise?Ehrhardt: Gefährlich sind weniger dieStaatsschulden als die der Privaten.Manmuss hinschauen, wo diese entstandensind: inAsien bei denUnternehmen undvor allem in Dollars. Wenn dieser beieinem Betrag von weltweit 10 Bio. $ um25% steigt, hat man plötzlich 2,5 Bio. $mehr Schulden in Landeswährung. Dasich dieVerschuldung nicht beliebig aus-weiten lässt, fehlt ein Wachstumsmotor.Der Welthandel geht zurück, und dieExporte und Importe fallen. Somuss dieFrage möglicherweise mit Ja beantwor-tet werden.

Was wären die gefährdetsten Länder?Strobaek:Man muss die Entwicklung inLändern wie Brasilien und Russland mitden Zyklen im Rohstoffbereich verbin-den. So hat etwa der Rückgang des Öl-preises von 110 $ auf 35 $ strukturell zuveränderten Nachfrage- und Wachs-tumsbedingungen geführt. Viele auf-strebende Länder haben sich nicht andiese neue Realität angepasst. Das vonKorruption geplagte Brasilien etwa istunfähig, Strukturprobleme zu lösen, seites vom Export von Öl, Eisenerz, Kupferusw. abhängig wurde. Der tiefe Ölpreisist eher eine Gefahr als ein Vorteil.

Wieso – früher war ein steigenderÖlpreisein Risiko, und nun soll es ein tiefer sein?Kalt: Die rasche Veränderung ist dasProblem. Man darf nicht vergessen, dassder Ölpreis 2008 bei 140 $ gewesen ist,dann ist er bis auf 40 $ gefallen, danachwieder auf 100 $ gestiegen, und jetzt liegter bei etwa 35 $ je Fass Erdöl der SorteWTI. Das sind enorme Schwankungen.

Wieso ist der tiefe Ölpreis ein Problem?Strobaek: Niedrigere Investitionen undfallende Gewinne in der Energieindus-trie haben zu steigenden Anleihe-Spreads geführt. Wenn es so weitergeht,kann der Prozess zu Konkursen führen.Abgesehen davon drohen geopolitischeUnwägbarkeiten. Saudiarabien etwamuss Währungsreserven abbauen undAnleihen emittieren, um seine Aus-gaben zu decken. Sein HaushaltsdefizithatWerte umdie 20%vomBIP erreicht.DieNervosität imNahenOsten ist gross.Felsenheimer: Die Zahlungsausfällesind längst da, nicht einmal nur ölpreis-

bedingt. Venezuela steht kurz davor,Puerto Rico steht kurz davor, und beiden amerikanischen Kohleproduzentensind die Ausfallraten dramatisch. Daswäre ohne «Spillover-Effekte» nicht soschlimm. Diese haben aber inzwischenauf die Stahlbranche und indirekt aufFirmen wie Bombardier übergegriffen.

In der Stahlbranche müssen die Über-kapazitäten ohnehin bereinigt werden.Felsenheimer: Sicher ist das im funktio-nierenden Kapitalismus gut; der einekommt, der andere geht. Aber es istkeine Wohlfühlsituation und wird An-legern in den nächsten Jahren einigeVerluste verursachen.Ehrhardt: Das Thema hängt wieder mitden Schwellenländern zusammen. Chi-na exportiert sehr viel Stahl – und dashat dazu beigetragen, dass die Aktienvon ArcelorMittal und anderen Roh-stofffirmen unter Druck geraten sind.

Wie würden Sie deren Lage beschreiben?Ehrhardt: Bei Eisenerz spielt nicht nurdie schwache Nachfrage aus China eineRolle. Australische und südamerikani-sche Firmen wie Vale produzieren sehr

viel, um hochpreisige Anbieter aus demMarkt zu verdrängen. Normalerweisewürden fallende Preise zu geringererProduktion führen – aber bis jetzt ist dasnicht der Fall. Folglich sind einige Aus-fälle bei den Anleihen denkbar. 2016wird wohl nicht Amerika für Aufregungsorgen, sondern eher die Schwellen-länder – möglicherweise China.

Wie schätzen Sie dort die Lage ein?Kalt: Sicher ist ein Teil des chinesischenWachstums durch die steigende Ver-schuldung von der Zukunft geborgt.

Allerdings waren Stimulierungsmass-nahmen in der Finanzkrise nötig. Auchdas Ende der jahrelangen Aufwertungder Währung scheint bewusst herbei-geführt. Ihre Stärke hat dem Land langegenutzt, indem es die Exporttätigkeitender überhitzten Schwerindustrie ge-bremst und den Binnenkonsum gestützthat. Nun scheint das gut messbareWachstum des Industriesektors abzu-nehmen, während die zunehmendenDienstleistungsaktivitäten möglicher-weise noch nicht vollumfänglich mess-bar sind. Man kann die Lage in Chinaskeptisch oder auch positiv betrachten.Ehrhardt: Die Entwicklung Chinas istfür 2016 entscheidend. Sollten dort dieEinmal-Stimulierungen nicht funktio-nieren, wird es schwierig. Zum Glücksind am ehesten die Staatsunternehmenüberschuldet und nicht die mittlerenund kleineren Privatunternehmen; sokann der Staat nachhelfen. Die Chine-sen haben das Sich-Durchwursteln bis-her gut hinbekommen. So hat sich derExportanteil Chinas an der Weltwirt-schaft ständig erhöht, obwohl die chine-sische Währung über die Jahre um gut30% stärker geworden ist. Es muss alsonicht unbedingt so negativ kommen, wiedas vonseiten der Kritiker dargestelltwird. China hat auch geldpolitisch nochein paar Pfeile im Köcher.Strobaek: Die Abwertung der Währungist ein Zeichen dafür, dass sich Chinapolitisch, wirtschaftlich und finanziellweiter öffnet. Unglücklich war jüngstallenfalls, dass man in China glaubte, dieAktienmärkte manipulieren zu können.Das hat Glaubwürdigkeit gekostet. An-leger haben Milliarden verloren – dar-unter einflussreiche und wichtige Leute.Ich glaube aber nicht, dass China kurz-fristig rezessionsgefährdet ist.

Wer beflügelt die Weltwirtschaft 2016?Ehrhardt: China sollte nicht unter-schätzt werden, immerhin ist das Landreal die grösste Volkswirtschaft derWelt. Wenn sie nur um 5% wächst, gibtdas einen grösseren Schub für die Welt-wirtschaft, als wenn das BIP-Wachstumder USA von 2% auf 2,5% steigt. DieBedeutung ist besonders gross für dieExportfirmen der Asean-Staaten; unddie japanischen Banken haben vieleKredite vergeben. China würde alles mit

Daniel Kaltra. Daniel Kalt ist ChefökonomSchweiz und Chief Investment OfficerSchweiz bei der UBS. Seit Beginn seinerKarriere im Jahr 1997 ist Kalt für dieGrossbank in verschiedenen Funktio-nen tätig, u. a. als Leiter des globalenvolkswirtschaftlichen Teams und alsChef der volkswirtschaftlichen AnalyseSchweiz. Im Jahr 2000 promovierte er.

Jens Ehrhardtcri Jens Ehrhardt ist Fondsmanager,Vorstandsvorsitzender und Hauptaktio-när der Münchner Vermögensverwal-tungsgesellschaft DJE Kapital. Nachwirtschaftswissenschaftlichem Studiumund ersten Berufserfahrungen promo-vierte er 1974 über «Kursbestimmungs-faktoren am Aktienmarkt» und grün-dete im selben Jahr sein Unternehmen.

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elsenheimer. Michael Strobaek. BILDER ADRIAN BAER / NZZ

GELDANLAGE 27Montag, 28.Dezember 2015 Neuö Zürcör Zäitung

«Es gibt zu vieleKreditrisiken, die beiweitem nicht adäquatkompensiert werden.»Jochen FelsenheimerGeschäftsführer von Xaia Investment

«Die EZB hat ihrekommunikativeStrategie ausgereiztund muss nun liefern.»Michael StrobaekAnlagechef bei der Credit Suisse

Jochen Felsenheimercri. Jochen Felsenheimer ist Geschäfts-führer des Münchner Vermögensver-walters Xaia Investment. Der promo-vierte Volkswirt ist Autor mehrererBücher und wissenschaftlicher Artikelüber Kreditderivate, Kreditmärkte undvolkswirtschaftliche Fragestellungen.Als Fondsmanager nutzt er gezielt dieIneffizienzen der Finanzmärkte.

nere und mittlere Schweizer Bankenviele Fachleute kritisch auf die überaus bedenklichen Nebenwirkungen dieser Strategie

herunterziehen, sollte es in eine Krisegeraten. Aufgrund eines enormen Han-delsbilanzdefizits sind auch die USA anseiner Stabilität interessiert. Das Defizitwürde noch grösser, sollte der Yuanschwächer werden – wovon ich ausgehe.

Die Welt-Nachfrage lässt sich bei hohenÜberkapazitäten wegen hoher Schuldennicht mehr künstlich steigern. Ist das«keynesianische Experiment» am Ende?Ehrhardt: Keynes selbst war vorsichti-ger, als man denkt. Er wäre wahrschein-lich nicht glücklich mit dem Quantita-tive Easing und anderen geldpolitischenMassnahmen der modernen Zeit. Heutegibt es zu viel billiges Geld für jeden, dieUnternehmen haben zu viele Kapazitä-ten aufgebaut, und die schlechten Fir-men sind nicht pleitegegangen. So hatdas Angebot zugenommen, und diePreise fallen, statt zu steigen – was dasZiel der Notenbanken war.Felsenheimer: Die Zentralbanken ha-ben zwar Inflation geschaffen, aber nuran den Finanzmärkten. An den Bond-märkten zum Beispiel sind viele Papiereemittiert worden, die man von der Boni-tät her als Schrott bezeichnen muss. In-zwischen sehen wir die ersten Ausfälle.Faktisch ist der Transmissionsmechanis-mus aus der Finanz- in die Realwirt-schaft gestört. Dieses Grundproblemlässt sich nicht mit weiteren monetärenMassnahmen lösen. Möglicherweisewäre eine Drosselung der Liquidität dieklügere Strategie.

Quantitative Easing wirkt also eherdeflationär als inflationär?Kalt: Die Wirksamkeit jedes zusätz-lichen Programms nimmt ab, der Grenz-nutzen sinkt. Klassisch kommt es zuPreissteigerungen in breitem Ausmass,wenn eine Lohn-Preis-Spirale entsteht.Die amerikanische Volkswirtschaftsteht zyklischwohl am ehesten davor. Istder Arbeitsmarkt erst einmal ausge-trocknet, kommt rasch Lohndruck auf.Janet Yellen ist als Spezialistin für denArbeitsmarkt eine gute Besetzung fürdie Präsidentschaft des Fed. Sie muss er-kennen, wann es so weit ist.Felsenheimer: Quantitative Easing hatzu enormen Verzerrungen an denFinanzmärkten geführt, wie sie sich zumBeispiel an den negativen Swap-Spreads

in den USA zeigen; die sind unsinnig.Strobaek: Ich glaube nicht, das «Quanti-tative Easing» deflationär wirkt. Heutekommen die deflationären Impulse vonder steigenden Produktivität, von derÜberalterung der Bevölkerung und da-von, dass vielfach die Grenzen der Ver-schuldung erreicht worden sind. DasHauptproblem für die Märkte ist, dassdie Unternehmen ihre Umsätze kaumnoch steigern können. Die Gewinne

nehmen alleine aufgrund von Kosten-senkungsmassnahmen, der Anpassungvon Geschäftsmodellen usw. zu. Insge-samt ist es gut, dass die amerikanischeGeldpolitik nun weniger aggressiv wird.

Wann und auf welchem Niveau werdensich die US-Zinsen normalisiert haben?Kalt: In diesem Punkt sind sich die Fed-Gouverneure selbst nicht einig. IhreEinschätzungen, was künftig der «nor-male» Zins sein wird, sind in der jünge-ren Vergangenheit immer weiter nachunten genommen worden.Ehrhardt: Frau Yellen will keinesfallsden Fehler des Fed von 1937 wieder-holen und monetär zu früh bremsen. Sieist sozial eingestellt und richtet ihrAugenmerk auf den Arbeitsmarkt. DieUSA werden nächstes Jahr kaum dasHauptproblem sein, da der Zinserhö-hungszyklus langsam sein wird. Gefähr-lich wären schnelle Zinserhöhungen, dawegen hoher Schulden vieles fragil ist.

Droht ein inflationärer Impuls, wenn derdurch den Zerfall der Energiepreise aus-gelöste Basiseffekt aus der Statistik fällt?Kalt: In Europa hat die Kerninflations-rate schon vor einem halben Jahr ge-dreht und zeigt nun nach oben. Das Bildin SachenDeflation sieht nicht mehr be-

drohlich aus, wenn man die Energie-preise herausrechnet. Wir könnten baldeine schnelle Normalisierung sehen.Felsenheimer: Die Lage in Europa istnatürlich extrem unterschiedlich. In denPeripherie-Ländern ist nicht damit zurechnen, dass es zu klassischer Inflationüber den Arbeitsmarkt kommt.Ehrhardt: Früher haben die Noten-banker immer gesagt, man muss bei derInflation auf die Kernrate schauen.Heute ist es genau umgekehrt. Auch inSachen Inflation oder Deflation mussman im Jahr 2016 mit einer Gratwande-rung rechnen.

Wie sehen Sie die Politik der EZB? Prä-sident Mario Draghi hat die Märkte An-fang Dezember offenbar enttäuscht.Ehrhardt: Er hat vorher zu hohe Erwar-tungen geweckt, die er nicht erfüllt hat.

Wurde Draghi im EZB-Rat gebremst,oder hat er sich einfach verplaudert?Strobaek: Ich glaube, er hat einfach zuviel versprochen. Dennoch spielt dieEZB eine unheimlich kraftvolle Rollebeim Zusammenhalten der Währungs-union. Das hat man im Fall Griechen-land gesehen.DieEZBhat ihre kommu-nikative Rolle aber ausgereizt und mussjetzt tatsächlich liefern – und eine Infla-tion von nahe, aber unter 2% erreichen.Kalt: Ende 2016 könnte die Inflation imEuro-Raum schon bei rund 1,6% liegen,dann wäre die EZB sehr dicht am Ziel.

Warum wurden dann die Anleihekäufejetzt noch einmal verlängert?Kalt:Draghi hatmit seinem «whatever ittakes» im Sommer 2012 wohl die effek-tivste verbale Intervention eines Noten-bankers der Geschichte geliefert. ImOktober hat er sich aber verrannt, als erden Märkten zu viel versprochen hat.Vermutlich wurde er dann im EZB-Ratvon Leuten wie BundesbankpräsidentJens Weidmann ausgebremst.Felsenheimer: Nicht die Geldpolitik istsein Problem, sondern die Kombinationzwischen Geldpolitik und regulatori-schen Anforderungen. Die EZB möch-te, dass Banken mehr Kredite vergeben.Doch unter der Regulierung «Basel II»fällt es Banken schwer, ihr Kreditbuchweiter auszubauen, weil die regulatori-schen Kosten gestiegen sind.

Strobaek: In der Schweiz sieht man dasauch durch die Negativzinsen. DieUnternehmen verwenden das Geld, umKredite zurückzubezahlen. Sie könnenquasi Geld verdienen, wenn sie Kreditezurückzahlen, während sie das Parkie-ren von Cash bei der SNB Geld kostet.

Ist wirklich die Kreditvergabe das Pro-blem oder nicht doch die geringe Nach-frage nach Krediten durch die Firmen?Felsenheimer: Durch die ultraniedrigenZinsen werden viele Unternehmen imMarkt gehalten, die bei höheren Zinsennicht lebensfähig wären. Es braucht diekreative Zerstörung, damit schwacheFirmen vom Markt verschwinden.Kalt: In der Schweiz könnten die Nega-tivzinsen denGrundstein für die nächsteBankenkrise legen. Wenn die Zinseneinige Jahre so tief bleiben und dannirgendwann schlagartig steigen, wird dasviele kleinere und mittlere Banken inBedrängnis bringen. Diese leben näm-lich zu 80%von der Zinsmarge. DerAn-teil zehnjähriger Hypotheken steigtdeutlich, und damit sind die Aktivzinsenüber lange Laufzeiten tief festgebunden.Wenn auf der Passivseite die Zinsenschnell hochgehen, wird es kritisch. DasZinsänderungsrisiko ist enorm.Strobaek: Die Kreditqualität der Hypo-theken-Portfolios bei den Grossbankenhat sich durch die Regulierung wohlnicht verschlechtert. Aber kleinere undmittlere Institute sind gefährdet, viel-leicht auch Versicherungen.

War die Einführung der Negativzinsendurch die SNB ein Fehler?Kalt: Fehler wäre zugespitzt. Es gehtimmer um eine Güterabwägung zwi-schen verschiedenen Interessen sowieunterschiedlichen Nebenwirkungen.Für Pensionskassen sind die niedrigenZinsen eine Katastrophe, und wie er-wähnt sind die Zinsänderungsrisiken fürviele Banken ein substanzielles Risiko.Felsenheimer: Riskant sind vor allemauch die stark wachsenden Kredite beiniedrigen Zinsen. Wären die Zinsen vielhöher, wäre ein hohes Kreditwachstumbedeutend ungefährlicher.

Haben wir nicht in ganz Europa ein Pro-blem mit den Bankbilanzen?Felsenheimer:Wenn man jetzt alle Ban-ken in Europa dazu zwingen würde, diefaulen Kredite in den Büchern abzu-schreiben, dann hätten drei Viertel allerInstitute ein grosses Problem.Ehrhardt: In Italien wagenmancheBan-ken durch die niedrigen Zinsen jetzterstmals transparenter auszuweisen, wieviele problematische Kredite sie haben.Strobaek: Alle künftigen Pensionärezahlen längst einen hohen Preis für dieNullzinspolitik der letzten Jahre. Und jenäher man ans Pensionsalter kommt,desto mehr realisiert man, dass man inden vergangenen Jahren nichts verdienthat. Politisch kann das noch extrem un-angenehm werden.

Die Notenbanken sagen, es sei nicht ihreAufgabe, für hohe Renditen zu sorgenoder Industriepolitik zu betreiben.Kalt:Die SNB macht in einem gewissenSinn Industriepolitik, indem sie dieExporteure schützt. Allerdings hat dieSNB eingesehen, dass sie die Risikenihrer Politik nicht weiter erhöhen will,und hat deswegen auch den Mindest-kurs zum Euro aufgehoben. Geldpolitikist eine fortwährende Abwägung vonVorteilen und Nachteilen.Strobaek: Die Notenbanken sind ineiner Situation, in der sie noch nie

waren. Und sie wissen nicht, wie langedas derzeitige Umfeld noch anhält. Wirrechnen damit, dass die SNB die Zinsennoch stärker in den negativen Bereichsenken wird. Und sie wird wie bisherweiter am Devisenmarkt intervenieren.

Was für Schlüsse sollte der Anleger ausdem beschriebenen Umfeld ziehen?Felsenheimer: Die von der EZB zurVerfügung gestellte Liquidität führtnicht dazu, dass die Märkte liquide wer-den; in kritischen Phasen sinkt die Liqui-dität sogar, und die Märkte werden sehrvolatil. Es kann zu «brutalen» Bewegun-gen kommen, die fundamental nicht ge-rechtfertigt sind, weil die Banken keineBestände mehr halten. Ihr Risiko istzwar gesunken, aber dafür ist es bei denVermögensverwaltern gestiegen. IhrePerformance wird im Jahr 2016 durchdie Allokation in Aktien dominiert –und bei Aktien sollte man mit fallendenKursen rechnen.Ehrhardt: Ich befürchte auch, dass derAktienmarkt 2016 nicht vorankommenwird. Vorübergehend kann es sogar sehrvolatil werden. Es gibt in vielen Berei-chen gute Argumente für eine positiveund für eine negative Sichtweise. Daskann sich unter dem Strich ausgleichen.Wir präferieren Aktien mit guter Divi-dende und konzentrieren uns darauf,attraktive Einzelwerte zu suchen.

Wie sehen Sie denn die Bewertung derunterschiedlichen Märkte?Kalt: Was ist heute noch billig? Europaund Japan sind attraktiver bewertet alsdie USA. Staatsanleihen sind allgemeinteurer als die Aktienmärkte. Längerfris-tig bieten also Aktien mehr Potenzial.Auch wir rechnen mit hoher Volatilität

und wollen vor allem bei der strategi-schen Vermögensverteilung richtig lie-gen. Rohstoffe gehören für uns bei-spielsweise seit zwei Jahren nicht mehrdazu. Dem Schweizer Anleger empfeh-len wir eine breite Diversifikation auchin alternative Anlageklassen, und dieAbsicherung der Währungsrisiken.Strobaek: Wir gehen auch von einemschwierigen Umfeld für Aktien im Jahr2016 aus. Vom Anleihemarkt darf manohnehin nicht viel erwarten. HöchstensBonds von Unternehmen aus demIndustriesektor erscheinen noch aus-sichtsreich. Regional betrachtet mögenwir Europa, die Schweiz und China.VieleMarktteilnehmer sind zu pessimis-tisch für China. Wir werden aber bei derAllokation künftig sehr aktiv sein undzeitlich befristete Positionen eingehen.

Haben Sie einen antizyklischen Tipp?Strobaek: Sehr antizyklisch wäre es, aufein Comeback der Rohstoffe zu setzen.Dabei sollte man sich aber auf Aktienaus diesem Sektor konzentrieren. Beireinen Rohstoffanlagen sind die Roll-kosten derzeit immens hoch. Das kön-nen sie kaum wieder hereinholen.

Gesprächsleitung: Christof Leisingerund Michael Rasch

Michael Strobaekra. Seit Mai 2013 ist Michael Strobaekglobaler Anlagechef bei der CreditSuisse. Zudem leitet der Däne die neueEinheit Investment Solutions und Pro-ducts (IS&P). Strobaek kam von einerVermögensverwaltung für sehr reicheFamilien in der Schweiz. Davor war erwährend 14 Jahren in verschiedenen lei-tenden Positionen bei der UBS tätig.