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NomosLehrbuch Grundlagen des Rechts Nomos 2. Auflage Krüper [Hrsg.]

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NomosLehrbuch

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2. Auflage

Krüper [Hrsg.]

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ISBN 978-3-8487-0272-5

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Nomos

NomosLehrbuch

Grundlagen des Rechts2. Auflage

Dr. Julian Krüper [Hrsg.]

Prof. Dr. Susanne Augenhofer, LL.M., Humboldt-Universität Berlin | Prof. Dr. Andreas Funke, Universität Erlangen-Nürnberg | Dr. habil. Katrin Gierhake, LL.M., Universität Bonn | PD Dr. Julian Krüper, Universität Düsseldorf | Prof. Dr. Michael Linde mann, Universität Augsburg | Dr. Bettina Noltenius, Uni-versität Bonn | Jun.-Prof. Dr. Mehrdad Payandeh, LL.M., Universität Düssel-dorf | Prof. Dr. Giesela Rühl, LL.M., Universität Jena | Dr. Sebastian Roßner, M.A., Univer sität Düsseldorf | Dr. Heiko Sauer, Universität Düsseldorf | Reg.-Dir. Dr. Stephan Schuster, Hannover | Ass. Prof. Dr. Peter Stegmaier, Universiteit Twente | Prof. Dr. Dr. Markus Thiel, Fachhochschule für öffent-liche Verwaltung NRW, Köln

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2. Auflage 2013© Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2013. Printed in Germany. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wie-dergabe und der Übersetzung, vorbehalten.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Inhaltsübersicht

Vorwort zur 2. Auflage 5

Für wen dieses Buch geschrieben ist, wie und warumTeil 1

Theoretische GrundlagenfächerTeil 2

Rechtsphilosophie§ 1 21Katrin Gierhake

Rechtstheorie§ 2 45Andreas Funke

Recht und Normativität aus soziologischer Perspektive§ 3 65Peter Stegmaier

Geistesgeschichtlich-historische GrundlagenfächerTeil 3

Allgemeine Staatslehre§ 4 89Mehrdad Payandeh

Annäherung an die Rechtsgeschichte§ 5 106Bettina Noltenius, Sebastian Roßner, Stephan Schuster

Verfassungsgeschichte§ 6 110Sebastian Roßner

Privatrechtsgeschichte§ 7 132Stephan Schuster

Deutsche Strafrechtsgeschichte§ 8 152Bettina Noltenius

Methodische GrundlagenfächerTeil 4

Juristische Methodenlehre§ 9 172Heiko Sauer

Rechtsvergleichung§ 10 193Susanne Augenhofer

Ökonomische Analyse des Rechts§ 11 217Giesela Rühl

7

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Neuere GrundlagenfächerE.

Recht und Sprache§ 12 237Markus Thiel

Recht und Neurowissenschaften§ 13 253Michael Lindemann

Kulturwissenschaftliche Analyse des Rechts§ 14 268Julian Krüper

Stichwortverzeichnis 285

Inhaltsübersicht

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Inhalt

Vorwort zur 2. Auflage 5

Für wen dieses Buch geschrieben ist, wie und warumTeil 1AdressatenkreisI. 17Wie die Beiträge geschrieben sindII. 17Warum Grundlagenfächer sich immer mehr lohnenIII. 19

Theoretische GrundlagenfächerTeil 2Rechtsphilosophie§ 1 21

EinführungA. 21Rechtsphilosophische GrundströmungenB. 22

Das gute Leben in der Polis (Aristoteles, 387–322 v. Ch.)I. 22Recht aus dem Willen Gottes (Thomas von Aquin, 1224–1274)II. 25Recht als Mittel der Friedenssicherung (Thomas Hobbes, 1588–1679)III. 27Nutzenmaximierung und Recht – der Utilitarismus(Jeremy Bentham, 1748-1832 und John Stuart Mill, 1806–1873)

IV.30

Rechtslehre aus Freiheit (Immanuel Kant, 1724–1804)V. 31Rechtssystem als Reich der verwirklichten Freiheit(Georg Wilhelm Friedrich Hegel, 1770–1831)

VI.34

Moderne Theorie der Gerechtigkeit (John Rawls, 1921–2002)VII. 37Aktuelle Fragen der RechtsphilosophieC. 38

Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 41

Rechtstheorie§ 2 45EinleitungA. 45

Zum Begriff der RechtstheorieI. 45Geschichtliche EntwicklungII. 46

Frühphase1. 47Reife Phase2. 48Konsolidierung3. 49

Begriff und Geltung des Rechts als die Grundfragen der RechtstheorieB. 50Das Kernproblem der Rechtstheorie: rechtliche Normativität erklärenI. 50Zwei LösungenII. 51

Hans Kelsen1. 51H. L. A. Hart2. 53Fazit3. 54

Recht und Moral: Das MauerschützenproblemIII. 54VertiefungC. 56

Theorie der RechteI. 56Der Stufenbau der RechtsordnungII. 57

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Normentheorie: Die Unterscheidung von Regeln und PrinzipienIII. 60Zum SchlussIV. 61Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 62

Recht und Normativität aus soziologischer Perspektive§ 3 65Einführung: Der soziale Wandel des RechtsA. 65Grundlagen: Recht und Normativität als Gegenstand der SoziologieB. 66

Wie Soziologie dazu ansetzt, Phänomene der sozialen Welt zu rekonstruierenI. 67Normativität und RechtII. 70Relationen zwischen Soziologie und JurisprudenzIII. 71

Vertiefung: Recht und NormativitätC. 76Die gesellschaftliche Konstruktion von NormativitätI. 76Technik/Wissenschaft, Regieren/Governance – Belastungstests fürs RechtII. 81Für eine neugierige Soziologie des NormativenIII. 84Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 86

Geistesgeschichtlich-historische GrundlagenfächerTeil 3Allgemeine Staatslehre§ 4 89

Einleitung: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Allgemeine Staatslehre?A. 89Das Phänomen der StaatlichkeitI. 89Allgemeine Staatslehre als rechtswissenschaftliche DisziplinII. 89Das Erkenntnisinteresse der Allgemeinen StaatslehreIII. 91

Hauptteil: Grundfragen der Allgemeinen StaatslehreB. 91Entstehung und Entwicklung des modernen StaatesI. 92Begriff und Wesen des StaatesII. 93

Die Erforderlichkeit einer Definition des Staates1. 93Die Drei-Elemente-Lehre2. 94

Das Staatsvolka) 94Das Staatsgebietb) 95Die Staatsgewaltc) 95Insbesondere: Staatsgewalt und Souveränitätd) 96

Theorien vom Staat – am Beispiel des Richtungsstreits der WeimarerStaatslehre

3.96

Rechtfertigung des Staates und StaatszweckeIII. 98Modelle der Rechtfertigung des Staates1. 98Zwecke und Aufgaben des Staates2. 99

Staatsformen und RegierungsformenIV. 100Ausblick: Staatslehre im Zeitalter der Europäisierung und GlobalisierungC. 102

Internationalisierung und EuropäisierungI. 102Übertragung staatstheoretischer Konzepte auf die überstaatliche Ebene?II. 102Auswirkungen auf das Konzept der StaatlichkeitIII. 103Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 104

Inhalt

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Annäherung an die Rechtsgeschichte§ 5 106Rechtsgeschichte als Bestandteil des Studiums der RechtswissenschaftA. 106Aufgabe und Methode der RechtsgeschichteB. 106Rechtsgeschichte im europäischen KontextC. 108

Verfassungsgeschichte§ 6 110Verfassungsgeschichte als ThemaA. 110Überblick der Verfassungsgeschichte in Europa und NordamerikaB. 111

Entstehung des verfassungsfähigen Staates: Säkularität und SouveränitätI. 111Investiturstreit1. 111Reformation2. 112Eine neue Idee vom Staat: Das Souveränitätsdenken3. 112Westfälischer Frieden4. 113Die Großen Revolutionen5. 113

Amerikanische Revolutiona) 113Französische Revolutionb) 114

Volkssouveränität, Demokratie und ParlamentII. 115Evolution der politischen Praxis: Das Parlament in England1. 115

Magna Chartaa) 115Bill of Rightsb) 116

Eine revolutionäre Lösung des Legitimationsproblems: Die Idee derVolkssouveränität

2.116

Amerikanische Revolution3. 117Stamp Act Congressa) 117Unabhängigkeitserklärungb) 117

Französische Revolution4. 118Persönliche Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und GewaltenteilungIII. 119

Die Entwicklung in England1. 119Magna Chartaa) 119Habeas Corpus Akteb) 120Bill of Rightsc) 120

Sicherheit durch Binnendifferenzierung des Staates: Gewaltenteilung2. 120Amerikanische Revolution3. 121

Virginia Declaration of Rightsa) 121Unabhängigkeitserklärungb) 121Bill of Rights (USA)c) 121

Französische Revolution4. 122Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte 1789a) 122Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte 1793b) 122

Der Weg in die verfassungsgeschichtliche GegenwartC. 122Entwicklung in Deutschland bis 1949I. 122

Reaktion und Frühkonstitutionalismus: Eine verfassungsgeschichtlicheÜbergangszeit

1.123

Verfassung des Deutschen Reichs von 18492. 123Entwicklung bis Weimar3. 124Weimarer Reichsverfassung4. 124Nationalsozialismus5. 125Nachkriegszeit: Entstehen neuer Ordnungen6. 126

Inhalt

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Das GrundgesetzII. 127Verfassung für EuropaIII. 128Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 129

Privatrechtsgeschichte§ 7 132EinleitungA. 132Die historischen Wurzeln des deutschen PrivatrechtsB. 133

Das älteste Privatrecht der GermanenI. 133Die germanischen Stammesrechte des Frühen Mittelalters (5.–9. Jhdt.)II. 134Das universelle Recht der römischen KircheIII. 135Die Wiederbelebung des römischen Rechts (12./13. Jhdt.)IV. 136

Die Wiederentdeckung der Digesten1. 136Die wissenschaftliche Durchdringung des römisch-kanonischen Rechts2. 137Die dogmatischen Leistungen der Glossatoren und Kommentatoren3. 138

Die Aufzeichnung des germanisch-deutschen Gewohnheitsrechts imMittelalter

V.139

Die Rezeption des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland (14.–16. Jhdt.)VI. 139Nach der Rezeption: Das Privatrecht in der frühen Neuzeit (16.–18. Jhdt.)VII. 141

Die Verwissenschaftlichung des Privatrechts und der Rechtspflege im16. Jhdt.

1.141

Der „Usus modernus pandectarum“ (17./18. Jhdt.)2. 142Eine neue Zeit: Vernunftrecht und erste Kodifikationen (17./18. Jhdt.)3. 143

Vom Naturrecht zum Vernunftrechta) 143Die Vernunftrechtskodifikationenb) 144

Entstehung, historische Entwicklung und Zukunft des bürgerlichen PrivatrechtsC. 144Die Entstehung des bürgerlichen Privatrechts (19. Jhdt.)I. 144

Der Kodifikationsstreit1. 144Historische Rechtsschule und Pandektenwissenschaft2. 145Die Kodifikation des Privatrechts in Deutschland3. 146

Die Bewährungsprobe des bürgerlichen Privatrechts (20. Jhdt.)II. 146Der Praxistest1. 146Das Privatrecht in der Zeit des Nationalsozialismus2. 147Die Zeit nach 19453. 147

Die Zukunft des Privatrechts im europäischen Kontext (21. Jhdt.)III. 148Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 149

Deutsche Strafrechtsgeschichte§ 8 152EinleitungA. 152Überblick über die Entwicklungen der Strafrechtspflege und ihrer Wissenschaftin Deutschland

B.153

Frühes Mittelalter bis zur RezeptionI. 154Die Rezeption und das gemeine RechtII. 156

„Constitutio Criminalis Bambergensis“ und die „Constitutio CriminalisCarolina“

1.156

Strafrecht im Absolutismus2. 157Carpzov als „Begründer einer deutschen Rechtswissenschaft“3. 158

Inhalt

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Die AufklärungIII. 158Die Bedeutung des Natur- und Vernunftrechtdenkens für die Bestimmungdes Strafrechts

1.158

Entwicklungen des Strafrechts in Preußen bis zum Reichsstrafgesetzbuchvon 1871

2.161

Entwicklungen im Strafprozessrecht3. 162Der PositivismusIV. 163Strafrecht im NationalsozialismusV. 164Strafrecht in der Deutschen Demokratischen RepublikVI. 166Strafrecht der Bundesrepublik DeutschlandVII. 167ZusammenfassungVIII. 168

Die Europäisierung des StrafrechtsC. 168Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 169

Methodische GrundlagenfächerTeil 4Juristische Methodenlehre§ 9 172

EinführungA. 172Wesen und Aufgabe der juristischen MethodenlehreI. 172Standort und Stellenwert der juristischen MethodenlehreII. 173

GrundlagenB. 174Was kann die juristische Methodenlehre leisten?I. 174

Der schwierige Weg zum Recht1. 174Der schwierige Weg zur Methodik2. 176Folgerungen für die Leistungsfähigkeit der juristischen Methodenlehre3. 176

Woher kommen die methodischen Standards?II. 177Die Bedeutung von Hermeneutik und Sprachwissenschaft1. 177Der Savigny’sche Kanon der Auslegungsmethoden2. 178Die verfassungsrechtliche Relevanz des Savigny’schen Auslegungskanons3. 179Der rechtliche Rahmen der Methodenlehre: Methode und Verfassung4. 180

VertiefungC. 181Methodische Standards der NormauslegungI. 181

Rahmensetzung durch Wortsinn: die grammatische Auslegung1. 181Zwischen Kontextualisierung und Einheitspostulat: die systematischeAuslegung

2.182

Geschichte und Genese: die historische und die genetische Auslegung3. 183Zwecksetzung des Gesetzgebers: die teleologische Auslegung4. 183

Die Grundsatzkontroverse: objektive oder subjektiveZweckbestimmung?

a)183

Die Ermittlung der gesetzgeberischen Zwecksetzungb) 184Höherrangiges Recht und Norminterpretation: die Konformauslegung5. 185Zur Rangfolge der Auslegungsmittel6. 186

Methodische Standards der RechtsfortbildungII. 186Problemstellung: Bedürfnis und Befugnis zur richterlichenRechtsfortbildung

1.186

Gesetzeskorrekturen2. 187Gesetzesergänzungen3. 188

Inhalt

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SchlussbemerkungIII. 189Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 190

Rechtsvergleichung§ 10 193EinführungA. 193

Was ist RechtsvergleichungI. 193Abgrenzung zu anderen RechtsgebietenII. 193

Grundbegriffe der RechtsvergleichungB. 195GeschichteI. 195Funktionale RechtsvergleichungII. 198

Definition1. 198Mikro- und Makrovergleichung2. 199

Schwierigkeiten bei der RechtsvergleichungIII. 200Praktische HerangehensweiseIV. 200

Aufbau des Vergleichs1. 200Wahl der zu vergleichenden Rechtsordnungen2. 201

Bedeutung und Anwendungsbereiche der RechtsvergleichungV. 202Erkenntnisgewinn und Ausbildung1. 202Gesetzgebung (legistische Rechtsvergleichung)2. 202Rechtsprechung (Auslegung und Lückenfüllung)3. 203Rechtsvereinheitlichung (Modellgesetze)4. 205Praxis5. 207Hilfswissenschaft oder Wissenschaft?6. 207

VertiefungC. 207RechtskreislehreI. 207

Allgemeines1. 207Common Law und civil law2. 210

Kritik an der funktionalen MethodeII. 212Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 213

Ökonomische Analyse des Rechts§ 11 217EinführungA. 217GrundlagenB. 218

Theoretische KonzepteI. 218Ökonomische Verhaltensmodelle1. 218

Die neo-klassische Ökonomika) 219Die Neue Institutionenökonomikb) 219Die Verhaltensökonomikc) 220

Ökonomische Bewertungskriterien2. 221Das Pareto-Kriteriuma) 221Das Kaldor-Hicks-Kriteriumb) 221

Praktische BedeutungII. 223Ökonomische Verhaltensmodelle1. 223Ökonomische Bewertungskriterien2. 225

VertiefungC. 228Der Schutz des Verbrauchers im VertragsrechtI. 229

Marktversagen und Informationsasymmetrien1. 229

Inhalt

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Screening und Signaling2. 230Aufklärungspflichten und zwingendes Recht3. 230

Die Haftung für Schäden im DeliktsrechtII. 231Sorgfaltsniveau und Verschuldenshaftung1. 232Aktivitätsniveau und Gefährdungshaftung2. 232

Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 234

Neuere GrundlagenfächerE.Recht und Sprache§ 12 237

Einführung – „Recht und Sprache“ als ForschungsgebietA. 237Recht und Sprache als KulturelementeI. 237Die Bedeutung der Sprache im RechtII. 238„Recht und Sprache“ als wissenschaftliche DisziplinIII. 239

Problemkreise von Recht und SpracheB. 241Das Recht der SpracheI. 241„Verständlichkeit“ des RechtsII. 241

Die juristische Fachsprache1. 241Bedeutung der „Verständlichkeit“ des Rechts2. 242„Verständlichkeit“ als Problem von Mehrdeutigkeit und Komplexität?3. 243Sprachliche „Offenheit“ als Funktionsbedingung des Rechts4. 244Auslegung5. 245

Recht und Sprache in der juristischen AusbildungIII. 247Vertiefung: Recht in der Literatur – Recht als LiteraturC. 248

Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 250

Recht und Neurowissenschaften§ 13 253EinleitungA. 253Die Herausforderung des Rechts durch die NeurowissenschaftenB. 254

Empirische Erkenntnisse der Hirnforschung und ihre DeutungI. 254Die Schuldtheorien des StrafrechtsII. 257

Der pragmatisch-soziale Schuldbegriff1. 257Das funktionale Schuldverständnis der positiv-generalpräventivbegründeten Straftheorie

2.259

Der Schuldbegriff der Vereinigungslehre3. 261Zwischenergebnis4. 262

Warum wir nicht aufhören müssen (und können), von Freiheit und Verantwortungzu sprechen

C.262

Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 265

Kulturwissenschaftliche Analyse des Rechts§ 14 268Einführung: Die kulturelle (Un-)Abhängigkeit des RechtsA. 268Grundlagen: Recht als Gegenstand der KulturwissenschaftenB. 269

Kulturwissenschaft als WissenschaftsdisziplinI. 269Der KulturbegriffII. 271

Dimensionen des Kulturbegriffs1. 271

Inhalt

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Recht als Kultur2. 271Felder der kulturwissenschaftlichen Analyse – des RechtsIII. 272

Der linguistic turn1. 272Beispiele zur Anschlussfähigkeit kulturwissenschaftlicher Ansätze in derRechtswissenschaft

2.273

Verfassungslehre als Kulturwissenschaft3. 274Vertiefung: Recht zwischen Rationalität und ArchaikC. 275

Recht als Forschungsfeld der KultursemiotikI. 275Ritualität und Performativität im gerichtlichen VerfahrenII. 277

Die ‚Stimme‘ der Rechtsprechung1. 278Ritualität und Liminalität des gerichtlichen Verfahrens2. 279

Wiederholungs- und Vertiefungsfragen 282

Stichwortverzeichnis 285

Inhalt

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RechtstheorieAndreas Funke

EinleitungWas Rechtstheorie ist und was sie soll, lässt sich nicht einfach sagen. Mehr als bei wohljedem anderen Grundlagenfach der Rechtswissenschaft fällt es schwer, die Aufgabe, denGegenstand und die Methoden der Rechtstheorie zu bestimmen. Es gibt kein allgemeinanerkanntes Konzept dieser Disziplin; ja es ist sogar fraglich, ob es sich überhaupt umeine Disziplin handelt. In letzter Konsequenz wäre dieser Beitrag also überflüssig. Aberes ist möglich, unter dem Begriff „Rechtstheorie“ ein mehr oder weniger einheitlichesForschungsgebiet darzustellen. Dabei handelt es sich, wie noch zu erörtern ist, um einebesondere Form von Rechtstheorie, nämlich um die analytische Rechtstheorie. Sie un-tersucht, vereinfacht gesagt, den logischen Aufbau einer Rechtsordnung und die recht-lichen Grundbegriffe wie „Rechtspflicht“, „subjektives Recht“ oder „Rechtsverhältnis“.Ihr Vorgehen ist „analytisch“ jedenfalls deshalb, weil sie sich auf rechtliche Begriffe undAussagen konzentriert und deren sprachliche Bedeutung systematisch zergliedert.

Historisch gesehen, ist die Bezeichnung „Rechtstheorie“ genau mit dieser Art und Weisedes Nachdenkens über das Recht verbunden. Gleichwohl lässt sich das historische Kon-zept der Rechtstheorie nicht unbesehen auf die Gegenwart übertragen. Es befand sichstets im Fluss. Ihre spezifische Gestalt gewann die Rechtstheorie in den verschiedenenStadien ihrer Entwicklung aus den jeweils aktuell relevanten Abgrenzungen zu anderenDisziplinen. Auf der einen Seite steht dabei die dogmatische Rechtswissenschaft, auf deranderen Seite konkurrierende Disziplinen wie die Rechtssoziologie, insbesondere aberdie Rechtsphilosophie. Deshalb ist es die Hauptaufgabe, die von der Rechtstheorie auchheute noch zu bewältigen ist, überhaupt den eigenen Stellenwert zu begründen. Rechts-theorie hat zudem immer schon die Grenzen nationaler Rechtssysteme überschritten. Sieist ein internationales Projekt. Da sich aber in den verschiedenen Rechtskreisen (§ 10Rn. 35) auch die Vorstellungen davon unterscheiden, welche Aufgaben die „dogmati-sche“ Rechtswissenschaft einerseits, Disziplinen wie die Rechtsphilosophie andererseitserfüllen müssen, fiel und fällt die Bestimmung des Inhaltes der Rechtstheorie auch iminternationalen Vergleich durchaus nicht zwingend gleich aus.

Zum Begriff der RechtstheorieBerücksichtigt man diese einschränkenden Anmerkungen, lassen sich zwei Begriffe vonRechtstheorie unterscheiden.

Der weite Begriff von Rechtstheorie meint jede Beschäftigung mit dem Recht, die nichtrechtsdogmatisch ausgerichtet ist und die auf eine Reflexion des Rechtsdenkens abzielt.Das Recht wird dabei regelmäßig unter bestimmten Gesichtspunkten betrachtet. Es in-teressieren das Verhältnis zu Politik, Wirtschaft, Gesellschaft oder Kultur, die sprachlicheVerfasstheit des Rechts, die logische Struktur von Normen, das Verhältnis der Rechts-wissenschaft zu anderen Wissenschaften usw. (§§ 3 u. 11–14). Diese Rechtstheorie istdeshalb eigentlich nur im Plural denkbar: als Nebeneinander von Rechtstheorien. Rechts-theorien in diesem Sinne können einem bestimmten Thema gewidmet sein: Es handeltsich dann um Normentheorie, Entscheidungstheorie, Wissenschaftstheorie des Rechts,Theorie der Rechtssprache, Argumentationstheorie, Gesetzgebungstheorie usw. Oder sie

§ 2

A.

I.

§ 2

Andreas Funke 45

1

2

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sind spezifische, durch individuelle Vorlieben eines Forschers geprägte rechtstheoretischeAnsätze bzw. Richtungen: Reine Rechtslehre, Systemtheorie, marxistische Rechtstheorie,semantische Rechtstheorie, Rechtsrhetorik usw. Beides – Thema und Ansatz – steht oftnebeneinander, wenn rechtstheoretisches Denken dargestellt wird.1 Eine einheitlicheRechtstheorie scheint es angesichts dieser Pluralität nicht zu geben. Deshalb ist es viel-leicht sogar konsequent, der Rechtstheorie den Charakter einer Grundlagendisziplin derRechtswissenschaft abzusprechen.2 Von diesem weiten Verständnis von Rechtstheorieist in diesem Beitrag nicht die Rede.

Der enge Begriff von Rechtstheorie umfasst im Wesentlichen die bereits erwähnte ana-lytische Rechtstheorie.3 Sie wird auch als analytische Rechtsphilosophie bezeichnet. Eineältere Bezeichnung ist Allgemeine Rechtslehre.4 Diese Rechtstheorie ist eine Theorie vonBegriff und Geltung des Rechts, sie umfasst unter Umständen auch eine Theorie derRechtswissenschaft. Sie ist überwiegend durch eine deskriptive Grundhaltung gekenn-zeichnet: Recht und Rechtswissenschaft sollen erklärt und beschrieben, nicht aber be-gründet und gerechtfertigt werden. Die richterliche Entscheidung bzw. allgemein dieRechtsanwendung bilden die spezifische Perspektive dieser Rechtstheorie, was einen Un-terscheid zur Rechtsphilosophie darstellen kann.5 Diese Rechtstheorie steht im Mittel-punkt dieses Beitrags.

Zwischen dem engen und dem weiten Begriff von Rechtstheorie liegt ein Verständnis,das unter Rechtstheorie im Prinzip nichts anderes versteht als Rechtsphilosophie. Rechts-theorie ist dann allenfalls eine besondere rechtsphilosophische Richtung, nicht ein be-sonderes rechtswissenschaftliches Themen- bzw. Forschungsgebiet. Historisch gesehen,hat sich Rechtstheorie allerdings gerade als ein Forschungsgebiet, das von der Rechts-philosophie zu unterscheiden sei, zu etablieren versucht. Ob unter den heutigen Bedin-gungen von einer Identität der beiden Bereiche auszugehen ist, ist eine offene Frage, dieam Ende dieses Beitrages noch einmal aufgegriffen wird.

Das Verhältnis der Methodenlehre der Rechtswissenschaft zur Rechtstheorie wird un-terschiedlich beurteilt. Der Methodenlehre ist in diesem Buch ein eigener Beitrag gewid-met (§ 9), weshalb sich weitere Ausführungen zum Verhältnis der beiden Forschungsbe-reiche erübrigen.

Geschichtliche EntwicklungDie Geschichte der Rechtstheorie ist, wie erwähnt, außerordentlich wichtig für das Ver-ständnis dessen, was eigentlich das Anliegen der Rechtstheorie ist. Mit einer großen Ver-einfachung lassen sich dabei drei Stadien unterscheiden. In allen drei Stadien bietet essich an, zwischen dem anglo-amerikanischen und dem deutschen Sprachraum zu unter-scheiden. Erstaunlicherweise verliefen die beiden Entwicklungsstränge zunächst relativunabhängig voneinander. Der dabei gewählte zeitliche Beginn – Ende des 18. Jahrhun-derts für England, Ende des 19. Jahrhunderts für Deutschland – ist keineswegs zwingend.Selbstverständlich finden sich rechtstheoretische Ideen schon vorher. Bezogen auf

II.

1 Vgl. etwa Broekmann, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Sp. 342 ff.; Buckel/Christensen/Fischer-Lescano(Hrsg.), Neue Theorien des Rechts.

2 So Vesting, Rechtstheorie, § 1 Rn. 16.3 Paulson, LdR 2/20; Jestaedt, Das mag in der Theorie richtig sein…, S. 29.4 Im englischen Sprachraum ist von Jurisprudence, Legal Theory, General Theory of Law oder auch Analytical

Jurisprudence die Rede. Zur Allgemeinen Rechtslehre s. Funke, Allgemeine Rechtslehre als juristische Struktur-theorie.

5 S. Alexy/R. Dreier, Ratio Juris 3 (1990), 1, 4.

Teil 2 Theoretische Grundlagenfächer§ 2

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3

4

5

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Deutschland, können wichtige Impulse z.B. in der historischen Rechtsschule und in derPandektistik gefunden werden (§ 7 Rn. 32 f.). Doch bezogen sich die entsprechendenrechtstheoretischen Gehalte regelmäßig noch auf ein bestimmtes Rechtsgebiet (v. a. dasPrivatrecht). Den für die Rechtstheorie charakteristischen Übergang zu einer Konzepti-on, die die gesamte Rechtswissenschaft umspannt, hatten diese Ansätze noch nicht voll-zogen.

FrühphaseAls Vertreter der frühen Rechtstheorie sind für England Jeremy Bentham (1748–1832)und John Austin (1790–1859) zu nennen. Bentham ist heute vor allem als Begründer desethischen Utilitarismus und damit als Philosoph bekannt (§ 1 Rn. 19). Für die Rechts-theorie formulierte er maßgeblich die Aufgabenstellung: Nach Bentham gibt es „twocharacters, one or other of which every man who finds any thing to say on the subjectof Law may be said to take upon him”, nämlich “that of the Expositor, and that of theCensor”. Der Expositor erklärt, was das Recht ist, während der Censor sagt, wie dasRecht sein soll.6 Benthams nachgelassenes Werk „Of Laws in General“ schultert dieAufgabe des Expositors und enthält feinsinnige Analysen rechtlicher Grundbegriffe.Bentham hatte großen Einfluss auf Austin, der mit seinem posthum erschienenen Werk„Lectures on Jurisprudence“ im anglo-amerikanischen Raum lange Zeit überhaupt alsBegründer der analytical jurisprudence (= Rechtstheorie) galt. Erst mit der Entdeckungvon Benthams „Of Laws in General“ in den 1940er Jahren wurde erkannt, wie starkAustin seinerseits durch Bentham beeinflusst war. Austin griff Benthams Ausgangsma-xime auf – „the existence of law is one thing; its merit or demerit is another“ heißt esbei ihm.7 Austin konzentrierte sich auf die in diesem Zitat angesprochene Existenz desRechts und bezog die Aufgabe der Rechtstheorie genauer auf das positive, d. h. gesetzteRecht. Sowohl göttliches Recht als auch die Moral schloss er von der Untersuchung aus.Die besondere Eigenart der Austinschen wie der Benthamschen Rechtstheorie liegt darin,dass Rechtsregeln als eine Unterart von Befehlen beschrieben werden. Rechtsregeln sinddamit Äußerungen eines Willens, der ein bestimmtes Verhalten verlangt und der für denFall der Nichtbefolgung des Verlangens ein Übel in Aussicht stellt. Diese Auffassung wirdauch als Imperativentheorie des Rechts bezeichnet.

Auf der deutschen Seite steht am Anfang der Rechtstheorie die sog. Allgemeine Rechts-lehre. Ihre zentralen Vertreter sind Adolf Merkel (1836–1896), Karl Bergbohm (1849–1927), Ernst Rudolf Bierling (1841–1919) und Felix Somló (1873–1920). Der zuneh-menden Ausdifferenzierung der Rechtswissenschaft, insbesondere in die klassischen dreiDisziplinen Zivilrecht, Strafrecht und öffentliches Recht, wurde von Merkel die Allge-meine Rechtslehre als der „allgemeine Teil“ der Rechtswissenschaft entgegengestellt.8

Gewisse Fragestellungen sollten vor die Klammer der gesamten Rechtswissenschaft (undnicht nur eines Gesetzbuches oder eines Rechtsgebietes) gezogen werden. In der Sachewurde die „dogmatische Methode“ des Zivilrechts als das wissenschaftliche Vorbild fürdie anderen Teildisziplinen angesehen. Das Bedürfnis nach rechtstheoretischer For-schung erwuchs also aus der Rechtswissenschaft selbst und wurde nicht gleichsam vonaußen – etwa aus der Richtung der Philosophie bzw. der Rechtsphilosophie – an die

1.

6 Bentham, A Comment on the Commentaries and A Fragment on Government, S. 397 (Zitat aus “Fragment onGovernment”, das 1776 anonym veröffentlicht wurde).

7 Austin, The Province of Jurisprudence Determined, S. 214 (Lecture V).8 Merkel, Über das Verhältnis der Rechtsphilosophie, S. 290, 299.

§ 2 Rechtstheorie § 2

Andreas Funke 47

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Rechtswissenschaft herangetragen. Diese Rechtstheorie stellte nicht philosophische Fra-gen wie die nach guten Gründen für menschliches Handeln oder nach dem richtigenRecht. Wiederum ging es um das positive Recht. Dieses maßgeblich durch Merkel ge-prägte Forschungsprogramm wurde von den anderen Vertretern der AllgemeinenRechtslehre übernommen. Insbesondere Bierling und Somló zielten dabei auf eine Durch-dringung des „Ganzen des Rechts“ in der Form einer geschlossenen Gesamtdarstellung,genannt „Juristische Prinzipienlehre“ (Bierling, 5 Bände, 1894–1917) bzw „JuristischeGrundlehre“ (Somló, 1917). Zu einem Schlüsselkonzept wird der Begriff der Rechts-ordnung, deren juristische Struktur erklärt werden soll.

Reife PhaseIhren Höhepunkt erlebte die Rechtstheorie mit der Reinen Rechtslehre Hans Kelsens(1881–1973). Die erste Auflage des rechtstheoretischen Hauptwerks Kelsen, das auchden Titel „Reine Rechtslehre“ trägt, erschien 1934; die zweite, erheblich erweiterte undmodifizierte Auflage, die im Prinzip ein neues Buch darstellt, erschien 1960. Die ReineRechtslehre ist ein spezifischer, eigentümlicher Ansatz auf dem Terrain, das sich mit dereben dargestellten Allgemeinen Rechtslehre etabliert hatte. Aufgrund ihres Gedanken-reichtums, ihrer polemischen Schärfe und ihrer inneren Konsequenz (wobei systemati-sche Brüche nicht ausgeschlossen sind) wird sie oft sogar als Rechtstheorie schlechthinwahrgenommen.

Der Anspruch auf „Reinheit“, den diese Rechtstheorie verfolgt, darf nicht missverstan-den werden. Kelsen versuchte, eine spezifische rechtswissenschaftliche Behandlungsartdes Rechts auszuweisen. Es ging ihm dabei nicht im engeren Sinne um die Methoden desRechts, so wie sie heute üblicherweise in der Methodenlehre des Rechts dargestellt wer-den. Sein Ziel war es, dasjenige Kriterium herauszuarbeiten, das die Rechtswissenschaftvon anderen Wissenschaften unterscheidet. Er sah dieses Kriterium in einer spezifischennormativen Methode und kritisierte an der Rechtswissenschaft seiner Zeit, dass sie sichverdeckt oder offen der Methoden anderer Disziplinen bediente – und insofern ebenunrein verfuhr. Der rechtswissenschaftliche Umgang mit Tatsachen einerseits, Wertenandererseits sollte methodisch kontrolliert werden. Keineswegs handelt es sich bei derReinen Rechtslehre um eine tatsachenblinde, womöglich weltfremde Rechtstheorie. DasPostulat der Reinheit war darauf gerichtet zu zeigen, dass der Umgang mit Tatsachenkeine spezifische rechtswissenschaftliche Aufgabe ist und dass die Rechtswissenschaftkeine Morallehre ist. Ebenso wenig handelt es sich bei der Reinen Rechtslehre um eineRechtstheorie, die sich aufgrund ihrer Reinheit als für alle Zeiten allgemeingültig be-trachten würde und somit die eigenen Voraussetzungen und die eigene historische Be-dingtheit nicht kennen würde. Die Reine Rechtslehre ist eine Theorie des positivenRechts, so wie es die westlichen Rechtsordnungen ab dem 19. Jahrhundert hervorge-bracht haben. In ihrem theoretischen Erklärungsanspruch ist sie auf diesen Kontext be-schränkt. Es sprechen sogar gute Gründe dafür, die Reine Rechtslehre in der pluralisti-schen Demokratietheorie Kelsens zu fundieren.9

Ihre anglo-amerikanische Entsprechung fand die Reine Rechtslehre in der Rechtstheorievon Herbert Lionel Adolphus Hart (1907–1992). Sein bahnbrechendes „The Conceptof Law“ (1961, deutsch 1973/2011) kann als das Hauptwerk der breiten Strömung deranglo-amerikanischen analytical jurisprudence gelten. Hart nimmt mehr als Kelsen die

2.

9 Dazu H. Dreier, Rechtslehre, Staatssoziologie und Demokratietheorie bei Hans Kelsen.

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Perspektive eines externen Betrachters ein, der im Wege eines „essay in descriptive so-ciology“10 die Eigenart des modernen Rechts bestimmen möchte. Das Bestreben, dierechtswissenschaftliche Forschung theoretisch zu klären, ist bei ihm hingegen nicht sodeutlich ausgeprägt. Gleichwohl ist Hart von der Rechtssoziologie weit entfernt. DasRecht interessiert ihn nicht – so wie es bei der Rechtssoziologie der Fall ist – als tatsächlichbefolgte Normenordnung. Vielmehr erkannte Hart, dass das Recht gerade nicht voll-ständig erklärt werden kann, wenn man bloß auf Fakten wie Wille, Befehl oder Sanktionabstellt. Dies demonstrierte er anhand einer eingehenden Kritik an Austin. Zugleich hieltHart daran fest, dass das Recht von der Moral abzugrenzen sei, worauf gleich noch nähereinzugehen ist. Eine wichtige methodische Stütze bildet dabei die Sprachphilosophie desspäten Ludwig Wittgenstein (1889–1951), die philosophische Probleme durch eine sorg-fältige Analyse der Umgangssprache präzisieren und lösen möchte.

In der deutschen Rechtswissenschaft lässt sich von den 1960-er Jahren an noch einebesondere Variante von Rechtstheorie ausmachen. Aufgrund der zeitlichen Übereinstim-mung mit der reifen Phase der analytischen Rechtstheorie kann beides leicht verwechseltwerden. Rechtstheorie galt einer jüngeren deutschen Juristengeneration zu jener Zeit alsein Ort emanzipatorischer Selbstverständigung. Insbesondere die gesellschaftlichenFunktionen des Rechts rückten in das Blickfeld. Diese Rechtstheorie bezog sich auf dieRechtsdogmatik und bemühte sich zugleich um die Integration ganz verschiedener dis-ziplinärer Perspektiven (Soziologie, Wissenschaftstheorie, Ethik usw.).11 Doch ist es ihrwohl nicht gelungen, ein nachhaltiges eigenständiges Forschungsprofil zu entwickeln.Ihre Fragestellungen und Erkenntnisse sind in den allgemeinen rechtsphilosophischensowie rechtstheoretischen Diskurs eingegangen.

KonsolidierungGegenwärtig dürfte sich die Rechtstheorie der hier vorgestellten Spielart in einer Phaseder Konsolidierung finden. Für den anglo-amerikanischen Raum ist als ein wichtigerVertreter etwa Ronald Dworkin zu nennen, der unter anderem Harts rechtspositivisti-sche Trennung von Recht und Moral nachhaltig kritisierte (Taking Rights Seriously,1977) und jede Rechtsfrage darauf verwiesen sieht, die einer Rechtsordnung zugrunde-liegenden Werte und Ideen – immer wieder neu – zu interpretieren (Law’s Empire, 1986).Eine wichtige Rolle spielt Joseph Raz, der einerseits den Anschluss der Rechtstheorie andie praktische Philosophie herstellt, andererseits spezifische rechtstheoretische Frage-stellungen luzide bearbeitet (Practical Reasons and Norms, 1975; deutsch: PraktischeGründe und Normen, 2006). Das gleiche gilt im deutschen Sprachraum von Robert Ale-xy, der die Tradition der analytischen (Rechts-)philosophie mit der Diskurstheorie ver-knüpft (Begriff und Geltung des Rechts, 2. Aufl. 1994; Recht, Vernunft, Diskurs, 1995;Theorie der Grundrechte, 3. Aufl. 1996). Insgesamt scheint diese dritte Phase dadurchbestimmt zu sein, dass normative Fragen in den Vordergrund rücken. Dies lässt sich z.B.daran festmachen, dass der Begriff der Freiheit, der in der analytischen Rechtstheorielange keine Rolle spielte, zum Untersuchungsgegenstand wird (Raz, The Morality ofFreedom, 1986). In einem zusammenhängenden Ganzen von moralischen und ethischen

3.

10 Hart, The Concept of Law, S. vi.11 Repräsentativ für diese Bestrebungen drei Sammelbände: Kaufmann (Hrsg.), Rechtstheorie. Ansätze zu einem

kritischen Rechtsverständnis; Jahr/Maihofer (Hrsg.), Rechtstheorie. Beiträge zur Grundlagendiskussion; Al-bert/Luhmann/Maihofer/Weinberger (Hrsg.), Rechtstheorie als Grundlagenwissenschaft der Rechtswissen-schaft; Bilanz bei Hilgendorf, Die Renaissance der Rechtstheorie zwischen 1965 und 1985.

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Werten erscheint das Recht als ein Teil der Moral (Dworkin, Justice for Hedgehogs,2012; deutsch: Gerechtigkeit für Igel, 2012). Vor allem aber wird es nun ausdrücklichzum rechtstheoretischen Anliegen, den Anspruch des Rechts auf Verbindlichkeit zu be-gründen (Jan Sieckmann, Recht als normatives System, 2009). Damit tritt die früher sowichtige Abgrenzung zur Rechtsphilosophie in den Hintergrund.

Begriff und Geltung des Rechts als die Grundfragen der RechtstheorieZentrale Lehren der Rechtstheorie sind der Begriff und die Geltung des Rechts. Wiegezeigt wurde, soll das Recht dabei als Norm bzw. Normenordnung erklärt werden.Diese Problemstellung ist zunächst etwas näher zu erläutern (unter I), sodann sind zweirepräsentative Lösungsvorschläge zu würdigen und es ist abschließend ein praktisch re-levanter Testfall zu diskutieren (unter III).

Das Kernproblem der Rechtstheorie: rechtliche Normativität erklärenDas methodische Ausgangspostulat der Rechtstheorie ist die Unterscheidung von Seinund Sollen. Diese Unterscheidung hat verschiedene Facetten, die sorgfältig auseinander-gehalten werden müssen. An erster Stelle steht dabei das bereits im Zusammenhang mitBentham und Austin erläuterte Bestreben, das Recht zu beschreiben, wie es ist, nicht wiees sein soll. Anders gesagt, Rechtstheorie darf nicht externe Maßstäbe an das Recht her-antragen und das Recht bewerten. Die zweite Facette der Unterscheidung von Sein undSollen betrifft den Unterschied der Rechtstheorie zur Rechtssoziologie. Diese beschreibtebenfalls das Recht. Die Differenz liegt gerade darin, dass Rechtsnormen von der Rechts-theorie als Normen erklärt werden sollen, d. h. von Tatsachen zu unterscheiden sind.Dies wurde oben im Zusammenhang mit Hart gezeigt. Der Gegenstand der Rechtswis-senschaft, den die Rechtstheorie erfassen will, ist also ein Sollen. Drittens ist die Unter-scheidung von Sein und Sollen eine logische Unterscheidung: Aus einem Sein kann keinSollen abgeleitet werden (sonst beginge man einen sog. naturalistischen Fehlschluss).Aber diese drei Unterscheidungen, die für sich genommen schlüssig sind, führen in einDilemma, wenn das „Sollen“ der Rechtsnorm erklärt werden soll.

Da der logische Schluss vom Sein auf ein Sollen unzulässig ist, kann aus bloßen Faktenallein nicht auf die Geltung des Rechts geschlossen werden. Wenn A mit gezogener Waffedem B einen Befehl erteilt, mag es für B zweckmäßig sein, den Befehl zu befolgen. EinGebot im Sinne einer Verpflichtung folgt aus der Situation für B nicht. Woraus folgt sie?

Eine vermeintlich einfache Antwort wäre es, Rechtsnormen als moralische oder ethi-sche Normen zu beschreiben. Dieser Weg ist der Rechtstheorie aber versperrt. Sie kon-zentriert sich auf das positive Recht. Recht ist gesetztes und änderbares Recht. Rechtbedarf überhaupt notwendigerweise der Setzung.12 Dies ist seine Positivität. Diese Ei-genschaft unterscheidet das Recht grundlegend von der Moral.13 Es hat eine andere Na-tur. Legte der Gesetzgeber nicht fest, welches Einkommen in welcher Höhe der Steuer-pflicht unterliegt, könnten keine Steuern erhoben werden. Legte der Strafrichter nichtfest, dass dieser konkrete Diebstahl des A mit einer Geldstrafe in Höhe von fünfzig Ta-gessätzen zu je 30 Euro bestraft wird, könnte A nicht bestraft werden. Moralische oderethische Gründe mögen es rechtfertigen, dass Steuern überhaupt erhoben werden (und

B.

I.

12 Kelsen, Reine Rechtslehre, 1. Aufl., S. 64.13 Eingehend zu strukturellen Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Recht und Moral Kelsen, Reine Rechts-

lehre, 2. Aufl. 1960, S. 60 ff.; Hart, The Concept of Law, S. 167 ff.

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gezahlt werden müssen) und dass bestimmte Taten bestraft werden. Aber die notwen-digen konkreten Regelungen lassen sich der Moral und der Ethik nicht entnehmen.

Dies wird auch deutlich, wenn noch einmal die skizzierte Befehlssituation gewürdigtwird. Darin richtet sich eine Verpflichtung des B danach, ob A rechtlich autorisiert ist,entsprechende Befehle zu erteilen. Diese Autorisierung wird sich auf ein Gesetz stützen,das seine Grundlage in einer Verfassung hat. Aber woraus folgt die Geltung der Verfas-sung? Wie gezeigt, scheidet ein Rekurs auf moralische oder ethische Normen aus. Dochist das Recht dann überhaupt verpflichtend? Welcher Art ist die rechtliche Normativität?Diese Problemstellung kann als Kern der Rechtstheorie angesehen werden.

Zwei LösungenZwei Lösungsvorschläge seien an dieser Stelle erörtert. Sie stammen aus der o. g. reifenPhase der Rechtstheorie, können aber immer noch als repräsentativ angesehen werden.

Hans KelsenWarum muss ein Strafgesetz befolgt werden? Genaugenommen hat Kelsen zwei durchausgegenläufige Antworten auf diese Frage gegeben. Die erste Antwort setzt an einer Prä-zisierung der Frage an. Wer muss überhaupt das Strafgesetz befolgen? Was bedeutet es,dass ein Strafgesetz gilt und damit etwas vorschreibt? Geltung ist, so Kelsen, die „spezi-fische Existenz“ von Rechtsnormen.14 Der Akt, mit dem eine Norm in Geltung gesetztwird, ist ein natürliches Geschehen und vollzieht sich in Raum und Zeit. Von der Normselbst kann dies aber nicht behauptet werden. Kelsen hat die Existenzweise von Normenauf verschiedene Art und Weise präzisiert. Vor allem in seinem Frühwerk bestimmt erdie Struktur des rechtlichen Sollens, indem er das rechtliche Sollen nicht als Befehl (z.B.„Du sollst nicht töten“), sondern als „hypothetisches Urteil“ versteht.15 Die in einemRechtssatz angeordnete Unrechtsfolge, ein Zwangsakt, wird der in dem Rechtssatz an-gegebenen Rechtsbedingung „zugerechnet“. Die legistische Form der Strafrechtssätzedient dabei als Vorbild, die Figur des hypothetischen Urteils beansprucht aber Anwend-barkeit für jede Rechtsnorm. Das rechtliche Sollen hat nach Kelsen ganz allgemein aus-schließlich die Bedeutung, dass überhaupt ein bestimmter Unrechtsakt mit einem staat-lichen Zwangsakt verknüpft ist. Als Adressaten des Rechts kann die Reine Rechtslehrefolglich auch nur die Staatsorgane ansehen. Menschliches Verhalten wird für das Rechtnur relevant, wenn es in einem Rechtssatz als Unrecht definiert ist. An diejenigen, derenVerhalten Unrechtstatbestände auslöst – die Menschen oder Bürger –, richtet sich dasRecht somit letztlich gar nicht. Sie müssen das Strafgesetz also genaugenommen gar nichtbefolgen. Somit wäre bei konsequenter Betrachtung auch die Frage nach dem Geltungs-grund des Strafgesetzes überflüssig. Sie stellte sich allenfalls für die Staatsorgane.

Aber schon in seinem Frühwerk hat sich Kelsen mit dieser Antwort nicht zufriedenge-geben. Das Strafgesetz gilt, weil es gemäß der jeweiligen Verfassung erzeugt wurde.16 Esmacht gerade den Charakter einer Verfassung aus, Regeln darüber zu enthalten, wieGesetze und gegebenenfalls andere Rechtsvorschriften erzeugt werden. Nur solche Re-geln, die gemäß der Verfassung erzeugt wurden, gelten. Sie sind rechtlich existent. Vorallem später hat Kelsen sich der Imperativentheorie wieder angenähert, indem er „Gel-

II.

1.

14 Kelsen, Reine Rechtslehre, 1. Aufl., S. 7.15 Kelsen, Reine Rechtslehre, 1. Aufl., S. 22.16 Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1. Aufl., S. 73 ff.

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tung“ als Verbindlichkeit einer Rechtsnorm bestimmte: Ein Mensch soll sich so oder soverhalten.17 Die Figur des hypothetischen Urteils tritt hingegen in den Hintergrund. Gel-tung scheint in diesem Zusammenhang eine Sphäre idealen, nicht realen Daseins zu sein.Der Bereich der Geltung wäre eine Art zweiter Welt neben der Welt der natürlichenDinge, dem Sein. Eine solche Betrachtung scheint in der Tat gelegentlich die AuffassungKelsens zu sein. Ein Postulat solcher zweier Welten ist natürlich seinerseits problema-tisch. Denn es stellt sich die Frage, ob es solche Welten gibt und wie sie von uns Menschenerkannt werden können.

Eine genaue Antwort auf diese Fragen bleibt Kelsen schuldig. Präzise ist er hingegen beider Frage, welche Normen gelten: Es gelten solche Rechtsnormen, die ordnungsgemäßerzeugt wurden. Dies kann auch als Begriff der juristischen Geltung, im Unterschied zumethischen und soziologischen Geltungsbegriff, bezeichnet werden.18 So entsteht inner-halb einer Rechtsordnung ein Geltungszusammenhang aller Rechtsnormen, die sich aufdie Verfassung als oberste Rechtsnorm zurückführen lassen. Die Frage ist natürlich,warum die Verfassung gilt. Kelsens Antwort ist so legendär wie umstritten: Da die Gel-tung der Verfassung gemäß den eigenen Prämissen auf einer Norm beruhen muss, daaber diese letzte Norm nicht gesetzt werden kann, gilt sie nur hypothetisch oder fiktiv.Diese Norm ist die Grundnorm.19 Auch diese Norm hat noch eine Art von Tatbestand.Damit Normen als Verfassung in Betracht kommen, muss es sich um Normen handeln,die im Großen und Ganzen wirksam sind, d. h. die angewendet und befolgt werden.20

Die Grundnorm soll also auf methodisch einwandfreie Weise eine Brücke vom Sein zumSollen schlagen. Die Wirksamkeit ist notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung fürdie Geltung einer Rechtsordnung. Für Kelsen ergibt sich die Notwendigkeit, auf dieWirksamkeit des Rechts abzustellen, aus den praktischen Annahmen der Jurisprudenz.Diese behandelt nicht irgendein Recht als Verfassung, sondern eben das wirksame. Des-halb ist z.B. die Behauptung, die Weimarer Reichsverfassung gelte immer noch,21 nichtgerechtfertigt. Denn diese Normenordnung ist nicht mehr im Großen und Ganzen wirk-sam.

Der Status der Grundnorm wurde von Kelsen in den verschiedenen Phasen seines Schaf-fens auf unterschiedliche Art und Weise bestimmt. Diese Unterschiede können hier da-hinstehen.22 In sich ist die Konstruktion schlüssig. Unter der Voraussetzung, dass dieGrundnorm gilt, gilt auch die gesamte Rechtsordnung. Man kann natürlich einwenden,dass die Annahme einer bloßen hypothetischen Norm überflüssig ist. Die Verfassungselbst wäre dann die höchste Norm. Des Weiteren bleibt einzuwenden, dass Kelsen keineabsolute Begründung für die Geltung des Rechts liefert. Die Geltung des Rechts ist relativ.Sie beruht darauf, dass Juristen eine Rechtsordnung als Rechtsordnung behandeln. DieJuristen müssen dies aber nicht tun. Und selbst wenn sie es tun: Auch in diesem Fallerklärt Kelsen genaugenommen nur, warum Juristen das Recht so behandeln, dass esgegenüber den Adressaten gilt.23 Die Geltung selbst wird nicht begründet.

17 Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., S. 196.18 Alexy, Begriff und Geltung des Rechts, S. 143.19 Kelsen, Reine Rechtslehre, 1. Aufl., S. 62 ff.20 Kelsen, Reine Rechtslehre, 1. Aufl., S. 68.21 www.deutsches-reich.com (letzter Abruf: 1.3.2013). Ähnlich der Fall des Fürstentums Sealand, s. dazu § 4 Rn. 8.22 Einstieg in die Diskussion z.B. bei Paulson, in: Hans Kelsen, S. 191 ff.23 Raz, Revue Internationale de Philosophie 35 (1981), 441, 452.

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H. L. A. HartHart setzt anders an, um das Problem der rechtlichen Normativität zu lösen. Er unter-scheidet zwei grundlegende Arten von Rechtsregeln und damit im Prinzip auch zweiArten von rechtlicher Normativität.24 Eine Rechtsordnung besteht zum einen aus Ver-haltensregeln. Das sind diejenigen Vorschriften, die menschliches Verhalten regeln, d. h.Verbote oder Gebote aufstellen. Hart nennt sie primäre Regeln. Neben den primärenRegeln stehen die sekundären Regeln. Sie erfüllen verschiedene Funktionen in Bezug aufdie primären Regeln. Primäre Regeln begründen eine Verpflichtung, sekundäre Regelnübertragen rechtliche Kompetenz. Sekundäre Regeln sind daher Regeln über Regeln.Hart unterscheidet drei Arten solcher sekundären Regeln. Die wohl wichtigste dieserRegeln ist die Erkenntnis- oder auch Anerkennungsregel (rule of recognition).25 Sie gibtdarüber Auskunft, welche primären Regeln überhaupt für die Adressaten des Rechtsverbindlich sind. Sie benennt die Merkmale, die diese Regeln erfüllen müssen. Die Er-kenntnisregel hat also die gleiche Funktion wie die Grundnorm Kelsens, sie hat aber, wiegleich noch zu zeigen ist, einen ganz anderen Status. Im Übrigen hat sie in einem mo-dernen Rechtssystem einen deutlich komplexeren Inhalt. Sie umfasst, so muss man Hartwohl verstehen, sämtliche Rechtserzeugungsregeln der Rechtsordnung. Für die deutscheRechtsordnung wären also mindestens sämtliche Kompetenz- und Verfahrensvorschrif-ten für Gesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen – vom europäischen Unionsrechtganz abgesehen – Teil der Erkenntnisregel. Die zweite Art von Regeln sind Änderungs-regeln (rules of change). Sie regeln, wie sich primäre Regeln verändern. Meistens handeltes sich um Normen, die für ein Organ die rechtliche Kompetenz begründen, primäreRegeln zu setzen oder zu ändern. Die dritte Art schließlich sind die Entscheidungsregeln(rules of adjudication). Sie regeln die Entscheidung von Streitigkeiten über den Inhalt derprimären Regeln.

Dieses Schema kann außerordentlich hilfreich sein, um ein Rechtssystem zu analysieren.Hart hat es natürlich noch erheblich differenzierter ausgearbeitet, als hier dargestelltwerden kann. Vertiefte Aufmerksamkeit soll an dieser Stelle die Erkenntnisregel finden.An wen ist sie gerichtet? Warum gilt sie? Zwei Unterschiede zu Kelsen sind dabei wichtig.Ein konstruktiver Unterschied zu Kelsen liegt darin, dass die Erkenntnisregel nicht selbstder Geltungsgrund der primären Regeln ist. Diese gelten unabhängig davon. Die Er-kenntnisregel gibt nur das Kriterium an, anhand dessen die primären Regeln ermitteltwerden können. Die Frage nach einem Geltungsgrund der primären Regeln stellt Hartnicht einmal. Vielmehr versucht er zu klären, was die Aussage, dass eine Rechtsnormgilt, bedeutet. Der sprachphilosophische Hintergrund Harts macht sich an dieser Stellebesonders bemerkbar. Nach seiner Auffassung bedeutet diese Aussage zum einen, dassdie Rechtsnorm die Kriterien erfüllt, die in der Erkenntnisregel angegeben sind. Wird dieAussage aus der Perspektive eines Teilnehmers am Rechtssystem getätigt, d. h. von einemRichter oder einem Adressaten des Rechts, dann enthält eine solche Aussage zusätzlicheine Stellungnahme zur Erkenntnisregel, nämlich deren Akzeptanz.26

Hieraus ergibt sich der zweite Unterschied zu Kelsen. Die Erkenntnisregel ist keine fiktiveRegel, sondern wird tatsächlich anerkannt. Gleichwohl ist der Status dieser Regel nichtganz klar. Sie soll sozial anerkannt sein; ihre Existenz ist eine Tatsache.27 Sie ist also, im

2.

24 Hart, The Concept of Law, S. 80 f.25 Hart, The Concept of Law, S. 94.26 Hart, The Concept of Law, S. 103.27 Hart, The Concept of Law, S. 110.

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Gegensatz zu Kelsens analytischer Grundnorm, eine empirische Grundnorm.28 Dieswürde aber bedeuten, dass die von der Erkenntnisregel umfassten Normen (im Falle derdeutschen Rechtsordnung, wie gezeigt, eine beträchtliche Zahl), nicht selbst rechtlichgelten würden. Dieses Ergebnis ist unbefriedigend.

FazitEine vorläufige Bilanz dieser beiden Konzeptionen soll zwei Punkte festhalten: Erstenslässt sich, dies ist für Kelsen wie für Hart selbstverständlich, der Charakter des modernenRechts nicht erfassen, wenn „Recht“ nur als die einzelne Rechtsnorm aufgefasst wird.„Recht“ ist die Rechtsordnung. Die Rechtsordnung ist mehr als nur eine Summe vonNormen. Sie ist eine Einheit von hier und jetzt in Geltung stehenden Rechtsnormen, undsie bildet eine Einheit von Prozessen der Rechtsetzung und Rechtsanwendung.

Zweitens sei noch einmal hervorgehoben, dass es bei Kelsen wie Hart nicht gute Gründesind, die die rechtliche Verpflichtung begründen. Die Geltung des Rechts wird auf einebestimmte theoretische Konstruktion zurückgeführt, die auf die eine oder andere Weiseauf Fakten verweist (Grundnorm, Erkenntnisregel). Gemäß der rechtstheoretischen Leit-maxime wird eben das Recht beschrieben, wie es ist (s. o., Rn. 7, 10). Damit führenKelsen und Hart deutlich vor Augen, was der soziologische Befund von der Positivitätdes Rechts (Notwendigkeit des Gesetztseins, s. o., Rn. 16) rechtlich bedeutet: Das Rechtregelt seine eigene Erzeugung.29 Die damit verbundenen Fragen bleiben aktuell.

Recht und Moral: Das MauerschützenproblemNach dem Vorstehenden scheint es, als ob man zwingend eine rechtspositivistische Po-sition vertreten müsse, wenn man sich auf das Anliegen der Rechtstheorie und ihre theo-retischen Prämissen einlässt. In der Tat sind Hart und Kelsen klassische Vertreter desRechtspositivismus. Sie behaupten, dass Recht und Moral zwei vollkommen unter-schiedliche Normenordnungen darstellen, dass also beide „begrifflich“ zu trennen seien.Ob aber die dargelegten theoretischen Prämissen der Rechtstheorie notwendigerweise zueiner rechtspositivistischen Position führen, wird in der Rechtstheorie der oben erläu-terten 3. Phase der Rechtstheorie bestritten (Rn. 13).30 Entweder es wird behauptet, dassdie Trennung von Recht und Moral von vorneherein verfehlt ist. Dann wird ein nicht-positivistischer Rechtsbegriff vertreten. Es ist dabei nach wie vor üblich, dem Rechtspo-sitivismus schlicht die Alternative „Naturrecht“ entgegenzusetzen; diese Bezeichnungwird aber dem Begründungsprogramm moderner nicht-positivistischer Theorien nichtgerecht. Oder es wird behauptet, dass das Recht mit der Moral zumindest verbundensein kann. Diese Position wird auch als weicher oder inklusiver Rechtspositivismus be-zeichnet, im Unterschied zum harten oder exklusiven Positivismus, der der Position vonHart und Kelsen (aus dem jüngeren Schrifttum wäre Raz zu nennen) entspricht.31

Dieser Punkt soll anhand der Frage, wie staatliches Unrecht einzuordnen ist, näher un-tersucht werden. Genauer stellt sich die Frage, ob es in dem kategorialen Apparat derRechtstheorie so etwas wie staatliches Unrecht überhaupt geben kann. Praktisch sind

3.

III.

28 Alexy, Begriff und Geltung des Rechts, S. 194.29 S. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., S. 73.30 Eingehend z.B. Alexy, Begriff und Geltung des Rechts.31 S. Marmor, in: The Oxford Handbook of Jurisprudence & Philosophy of Law, S. 104 ff.; Himma, ebd, S. 125 ff.

Hart hat sich allerdings in einem posthum veröffentlichten Nachwort zu „The Concept of Law” für einenweichen Rechtspositivismus ausgesprochen.

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