Kulturlandpflege nicht zu Lasten der Entwicklungszusammenarbeit

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Überlegungen zur Schweiz im Internationalen Jahr der Böden 2015 Kulturlandpflege nicht zu Lasten der Entwicklungszusammenarbeit Geert van Dok http://www.caritas.ch/de/was-wir-sagen/mediendienst/

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Mediendienst 1 22. Januar 2015

Überlegungen zur Schweiz im Internationalen Jahr der Böden 2015

Kulturlandpflege nicht zu Lasten der Entwicklungszusammenarbeit Geert van Dok

Der Mediendienst der Caritas Schweiz ist ein Angebot mit Hintergrundtexten zur freien Verwendung.

Für Rückfragen stehen die Autorinnen und Autoren gerne zur Verfügung.

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Caritas Schweiz, Mediendienst 1, 22. Januar 2015

Überlegungen zur Schweiz im Internationalen Jahr der Böden 2015

Kulturlandpflege nicht zu Lasten der Entwicklungszusammenarbeit

Die UN-Generalversammlung hat 2015 zum Internationalen Jahr der Böden erklärt. Das ist zu

begrüssen und für die Situation in den Entwicklungs- und Schwellenländern bedeutungsvoll. Es

dürfte auch der Schweizer Agrarwirtschaft gefallen, speziell der Bauernlobby in Bern, lassen

sich doch damit die Milliardenbeträge des Bundes für den Bauernstand gut begründen. Beinahe

hätte dafür sogar die Entwicklungszusammenarbeit einige Federn lassen müssen.

Dass wir zu den Böden Sorge tragen müssen, ist keine neue Erkenntnis. Die Zeit drängt, denn die

weltweiten Entwicklungen sind alarmierend: fortschreitende Desertifikation und Versalzung, ausge-

laugte Böden als Folge grossflächiger Monokulturen, Abholzen insbesondere des Regenwaldes,

Verbetonieren ganzer Landschaften, Zerstörung von Biodiversität – die Liste liesse sich beliebig ver-

längern. Da ist es richtig, dass die Vereinten Nationen nach dem letztjährigen Jahr der familienbetrie-

benen Landwirtschaft erneut ein Zeichen gegen diese Entwicklungen setzen.

Internationales Jahr der Böden

Mit dem Internationalen Jahr der Böden will die UNO unter anderem wirksame Strategien und Mass-

nahmen für nachhaltige Bewirtschaftung und Schutz der Bodenressourcen fördern. Es soll aber auch

einen Beitrag zur Armutsbekämpfung und zur nachhaltigen Entwicklung leisten. Leider ist zu befürch-

ten, dass sich Agrar- und Nahrungsmittelkonzerne nicht sonderlich für solche Ziele einsetzen. Der

grossflächige Anbau von Soja in Brasilien und anderswo für den Export von Futtermitteln für Nutztie-

re in Europa (inklusive der Schweiz) oder Asien wird ungebremst weitergehen. Private wie staatliche

Investoren werden sich die fruchtbaren Agrarflächen Afrikas weiterhin unter den Nagel reissen. So ist

das Internationale Jahr wohl ein wichtiges Signal, doch wie gross seine Wirkung in Entwicklungs- und

Schwellenländern sein wird, muss sich erst noch weisen.

Milliarden für die Schweizer Landwirtschaft

Das Internationale UNO-Jahr geht auch die Schweiz etwas an – aber was? Zunächst: Die Schweiz

umfasst 41 300 Quadratkilometer, verteilt auf Landwirtschaft (36%), Wald (31%), unproduktive Flä-

chen (25%) und Siedlungsflächen (8%). Im Blickfeld des Internationalen Jahrs ist dabei die landwirt-

schaftliche Bodennutzung. Die Schweiz hat längst erkannt, dass eine rein wirtschaftlich ausgerichtete

Agrarnutzung trotz aller protektionistischen Anstrengungen nicht tragbar wäre, da ihre Landwirtschaft

in einem handelsliberalisierten Markt keine Chance hätte zu überleben. So hat sie dem Bauernstand in

der Bundesverfassung eine vielfältige Funktion und Legitimation zugewiesen: Laut Artikel 104 soll

die Landwirtschaft „einen wesentlichen Beitrag leisten zur sicheren Versorgung der Bevölkerung, zur

Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und Pflege der Kulturlandschaft sowie zur dezentralen

Besiedlung des Landes“.

Die Schweiz versteht den Nutzen ihrer Landwirtschaft also zu Recht mehrdimensional und sie lässt sie

sich etwas kosten: Mit knapp 160 000 beschäftigen Personen in 55 000 Betrieben weist die Landwirt-

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schaft einen Produktionswert von rund 10 Milliarden Franken aus und trägt damit weniger als 0,7 Pro-

zent zum gesamten Bruttoinlandsprodukt bei. Dafür wendet der Bund jährlich etwa 3,45 Milliarden

Franken auf: 2,8 Milliarden für Direktzahlungen sowie 650 Millionen für Produktion und Absatz so-

wie für Sozialmassnahmen. Pro beschäftigte Person sind das rund 23 000 Franken.

Die Hälfte der Direktzahlungen sind für die Kategorien Kulturlandschaft, Biodiversität, Landschafts-

qualität und für die „Förderung besonders naturnaher, umwelt- und tierfreundlicher Produktionsfor-

men“ vorgesehen. Mit der Ausrichtung auch auf ökologisches Wirtschaften ist die Schweiz im Interna-

tionalen Jahr der Böden gut aufgestellt, auch wenn dieser Weg sicher noch klarer eingeschlagen wer-

den könnte und müsste. Nur so lässt sich auch der enorme Betrag rechtfertigen, denn aus rein markt-

wirtschaftlicher Sicht würde es keinen Sinn machen, 3,45 Milliarden Franken Bundesgelder in eine

Branche mit einer Wertschöpfung von 10 Milliarden Franken fliessen zu lassen.

Es geht also in erster Linie darum, die Landwirtschaftsbetriebe quasi als „Kuratoren der Kulturland-

schaft“ zu erhalten: Ohne staatliche Unterstützung würden sie nicht überleben, denn knapp die Hälfte

des durchschnittlichen Einkommens kommt von Direktzahlungen (23%) und von protektionistischen

Massnahmen (Markterlöse aufgrund von Grenzschutz und Marktstützung, 23%). Die zweite Hälfte

setzt sich zu 37% aus Markterlösen zu normalen Konditionen (Weltmarktpreise) und zu 17% aus an-

deren Einkommen zusammen.

Kürzungsversuche der Bauernlobby bei der Entwicklungszusammenarbeit

Doch alles muss seine Grenzen haben: Als im Dezember das Parlament über das Kürzungsprogramm

des Bundesrats zum Budget 2015 befinden musste, wollte die Bauernlobby Kürzungen in der Land-

wirtschaft verhindern und dafür den Beitrag für die Entwicklungszusammenarbeit um 99 Millionen

Franken reduzieren. Letzteres gelang nicht, ersteres aber weitgehend schon (was wohl auch der eigent-

liche Zweck der Übung war). Ginge es nach dieser Politik, die Bekämpfung weltweiter Armut müsste

grundsätzlich hintan stehen, wenn es um den Erhalt von Kulturlandschaft und Bauernstand geht.

Eine solche Verknüpfung mutet zynisch an – die Hilfe für die Ärmsten darf nicht zum Spielball der

Schweizer Agrarpolitik werden – und lässt für künftige politische Debatten nichts Gutes erahnen. Auf

jeden Fall ist sie nicht im Sinn des Internationalen Jahres der Böden: Dessen Ziele lassen sich weltweit

nur erreichen, wenn kleinbäuerliche Betriebe gestärkt werden und sich ökologisch ausrichten. Und das

wiederum gehört zu den Zielen der Entwicklungszusammenarbeit.

Geert van Dok, Leiter Fachstelle Entwicklungspolitik, Caritas Schweiz, E-Mail [email protected]

Tel. 041 419 23 95