Kurzgefasste Landesgeschichte Südtirols (1918-2002) · Wie alles begann Die Geschichte unserer...

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( ( ( )) Kurzgefasste Landesgeschichte Südtirols (1918-2002)

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Herausgeber: Südtiroler Landtag © 2002Text: Dr. Christoph H. von Hartungen

Fotos: Autonome Provinz Bozen - Südtirol, Amt für audiovisuelle Medien - Abt. 14, Foto Alberti, Archiv Südtiroler LandtagArchiv Corbis (United Nations Headsquarter New York)

Konzept und grafische Gestaltung: DO.CDruckerei: Nova Grafica

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((( ))Wie alles begann

Die Geschichte unserer Autonomen Provinz Bozen-Südtirol beginnt eigentlich mit einer großen Tragödie:dem Ersten Weltkrieg 1914-1918. Bis dahin war un-ser Gebiet Teil der Grafschaft Tirol innerhalb des Kai-serreiches Österreich-Ungarn. Das damalige Tirolumfasste das heutige Bundesland Tirol (Österreich)und die beiden autonomen Provinzen Trient und Bo-zen (heute die Region Trentino - Südtirol, Italien): eserstreckte sich über 27.000 Quadratkilometer undwar von circa 860.000 Menschen bewohnt, 55 Pro-zent davon deutschsprachig, 45 Prozent italienisch-und ladinischsprachig. Der Krieg forderte im damali-gen Tirol nicht nur mehr als 20.000 Menschenleben(ca 8.000 allein in Südtirol), Zehntausende von Ver-wundeten, Kranken und Kriegsversehrten, sondernendete im November 1918 auch mit dem Zusam-menbruch der alten Welt. Das Kaiserreich war unter-gegangen, Tirol bis zum Brenner durch den Sieger-staat Italien besetzt, die alten Verbindungen zwischenNord und Süd weitgehend abgeschnitten. Mit derUnterzeichnung des Friedensvertrages am 10. Sep-tember 1919 in Saint Germain bei Paris wurde dieAnnexion Südtirols an Italien völkerrechtlich verbind-lich vollzogen.

Die circa 220.000 deutsch- und ladinischsprachigenBewohner Südtirols versuchten sich nun in einemneuen Staat einzurichten, in einem Staat, wo sie einesprachliche Minderheit waren. Der italienische KönigViktor Emmanuel III., namhafte liberale Politiker undMilitärs hatten den Bewohnern der neu annektiertenGebiete den Fortbestand ihrer eigenen Schulen,Anstalten und Vereine zugesichert. Bald nach derAnnexion wurden auch Verhandlungen über autono-me Verwaltungsstrukturen aufgenommen, um bei derbevorstehenden Eingliederung ins neue Staatswe-

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sen althergebrachte und bewährte Institutionenerhalten zu können. Bei den ersten Wahlen zum römi-schen Parlament, an denen die Südtiroler teilnahmen(15. Mai 1921), kandidierten die Tiroler Volkspartei, dieDeutschfreiheitliche Partei und die Sozialdemokrati-sche Partei. Die beiden ersten Gruppierungen kandi-dierten gemeinsam unter dem Namen DeutscherVerband, konnten ungefähr 90 Prozent der Stimmenauf sich vereinen und vier Abgeordnete nach Romentsenden (Eduard Reut-Nicolussi, Karl Tinzl, Frie-drich Graf Toggenburg und Wilhelm von Walther); dierestlichen zehn Prozent entfielen auf die Sozialdemo-kraten, reichten allerdings nicht für einen Abgeordne-ten. Die Südtiroler Abgeordneten setzten die Autono-mieverhandlungen in Rom fort, doch kamen diesewegen der Machtergreifung (28. Oktober 1922) desFaschismus nicht mehr zum Abschluss.

Unter der Herrschaft von Faschismusund Nationalsozialismus

Die Faschisten hatten bereits vor ihrer Machtergrei-fung ihr wahres Gesicht gegenüber den neuenSprachminderheiten in Italien gezeigt. Bei einemÜberfall auf den Festumzug anlässlich der erstenBozner Mustermesse am 21. April 1921 töteten sieden Marlinger Lehrer Franz Innerhofer und verletztenDutzende Menschen, zum Teil schwer. Nach dem28. Oktober 1922 wurde sofort mit der Beseitigungjeglicher Sonderrechte der sprachlichen Minder-heiten begonnen. Am 21. Jänner 1923 wurde dieProvinz Trient geschaffen, die auch Südtirol mitein-schloss und allen anderen Provinzen des König-reiches gleichgestellt war. An ihrer Spitze stand einPräfekt mit erweiterten Befugnissen. Am 29. März

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((( ))wurde die Einführung und ausschließliche Verwen-dung der italienischen Ortsnamen angeordnet. Am15. Juli verkündete der Roveretaner Nationalist EttoreTolomei (1865-1952) im Bozner Stadttheater ein imAuftrag des neuen Regimes erstelltes 32-Punkte-Programm zur Italienisierung des Landes. Das Pro-gramm sah den ausschließlichen Gebrauch der ita-lienischen Sprache im öffentlichen Leben(Amtssprache, Verhandlungssprache vor Gericht,Aufschriften, Ortsnamen, Familiennamen usw.) vor,die Auflösung der deutschen Schule, die Enteignungder Alpenvereinshütten, die staatliche Förderungitalienischer Einwanderung und Ansiedlung, die Behin-derung und kurzzeitig völlige Ausschaltung derdeutschsprachigen Presse sowie die wirtschaftlicheDurchdringung des Landes. Dieses Programm bildetein Hinkunft den Rahmen der faschistischen Politikgegenüber der Südtiroler Minderheit und wurde jenach Interessenslage vom Regime verwirklicht oderbeiseitegeschoben. Oberstes Ziel des faschistischenRegimes war es, dem Land ein ausschließlich italieni-sches Gepräge zu verpassen.

Besonders das Verbot der deutschsprachigen Schu-le und der daraus folgende Zwang ausschließlich ita-lienischsprachigen Unterrichts erregte Widerstandund auch internationales Aufsehen. Um den Kinderndennoch ein Minimum an Deutschkenntnissen zuvermitteln, wurden ab 1925 unter der Leitung desPriesters Kanonikus Michael Gamper die illegalenKatakombenschulen organisiert. Durch Interventionverschiedener kirchlicher Würdenträger aus Südtirol,Österreich und Deutschland konnte trotz großerWiderstände durch das Regime der Religionsunter-richt ebenfalls auf Deutsch abgehalten werden. Diekirchlichen Gymnasien Johanneum (Dorf Tirol beiMeran) und Vinzentinum (Brixen) konnten ebenfalls diedeutsche Unterrichtssprache beibehalten, wenngleich

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ohne Öffentlichkeitsrecht. Mit der Konsolidierung derfaschistischen Diktatur wurden, wie im restlichen Ita-lien, im Jahr 1926 sämtliche politische Organisationen(Parteien) verboten, viele lokale Verbände und Verei-ne aufgelöst und so die einheimische Bevölkerungihrer Führungsschicht beraubt. Auch die aus frühe-ren Zeiten überkommene Gemeindeautonomiewurde bis 1926 restlos beseitigt. An die Stelle deraufgelösten Gemeinderäte und abgesetzten Bürger-meister trat ein vom Staat ernannter und direkt demPräfekten unterstellter Amtsbürgermeister, der pode-stà. Um die Tätigkeit des Regimes effektiver und effi-zienter zu gestalten, wurden im Dezember 1926 imZuge einer gesamtstaatlichen Reorganisierung diebeiden getrennten Provinzen Trient und Bozengeschaffen.Lediglich der katholischen Kirche war es im Rahmender Aussöhnung mit dem italienischen Staat (Kon-kordat von 11. Februar 1929) möglich, ein Minimuman Autonomie und Freiraum zu bewahren. Ansonstensah sich die Südtiroler Minderheit seit 1922 einempolitischen Regime gegenüber, das sie allmählich ausdem politisch-sozialen Leben verdrängte. Als Rück-zugsbereiche blieben ihr neben dem kirchlichen nurmehr der eigene private Bereich sowie die Natur.Öffentlichkeit, vor allem aber Städte und größereZentren waren von den Anderen besetzt. DieseAnderen, die Italiener, waren zu einem Gutteil erstnach 1919 zugewanderte Beamte und Angestellte,Militärs, Eisenbahner usw., manchmal wegen antifa-schistischer Gesinnung in die Neuen ProvinzenAbgeschobene, die in einer völlig fremden und nichtselten abweisenden Umgebung völlig vom faschisti-schen System abhängig waren. Die Zuwanderungwuchs mit der Errichtung der Industriezone vonBozen ab dem Jahr 1935. Nach dem Ausbau derWasserkraftressourcen und wegen der Holzressour-cen wurden im Rahmen der faschistischen Autar-

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((( ))kiepolitik planmäßig Industrieansiedlungen gefördert,auch um den Anteil der italienischen Volksgruppe an-zuheben. Die Arbeiter kamen meist aus den struktur-schwachen Gebieten des Veneto und der Poebene.Ab den dreißiger Jahren lebten zwei zahlenmäßigkonsistente Gruppen in demselben Land, die einan-der allerdings nicht kannten und kaum Notiz vonein-ander nahmen.Die Machtergreifung der Nationalsozialisten unterAdolf Hitler in Deutschland (30. Jänner 1933) ließauch viele Deutschsprachige außerhalb Deutschlandsaufhorchen und auf eine bessere Zukunft hoffen. InSüdtirol wurde im Sommer 1933 der VölkischeKampfring Südtirol (VKS) gegründet, dem sich vorallem die jüngere Generation anschloss. Der VKS,politisch und ideologisch auf den Nationalsozialismushin orientiert, war nach dem Führerprinzip straff undzentralistisch organisiert und erhoffte sich von AdolfHitler die Befreiung von der faschistischen Unterdrü-ckung und die Heimholung ins Dritte Reich. Dieserhatte jedoch andere Pläne mit Südtirol! Die Erringungder Vorherrschaft in Europa war nur mit Hilfe einesVerbündeten möglich und das konnte nur dasfaschistische Italien sein. Einem Verbündeten konnteman natürlich nicht eine Provinz abnehmen, da hättedieser nicht mehr mitgemacht, also musste diesesLand für ein höheres Ziel geopfert werden. Der Bren-ner sollte also für immer die Südgrenze des Reiches(ab 1938) bleiben. Gleichzeitig wollten die Nazis abernicht auf wertvolles Menschenmaterial verzichten;und da die Existenz von 200.000 Deutschen südlichdieser Grenze immer noch Anlass für ein möglichesZerwürfnis der beiden Partner hätte sein können,musste dieses Problem ein für allemal aus der Weltgeschaffen werden. In einem Treffen in Berlin zwi-schen dem italienischen Botschafter und HeinrichHimmler, dem Reichsführer der SS, wurde am 23.Juni 1939 die Option beschlossen, d.h. die Bewoh-

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ner der Provinz Bozen und einiger Gemeinden derangrenzenden Provinzen von Trient und Belluno soll-ten die Möglichkeit der Wahl haben zwischen derdeutschen Staatsbürgerschaft mit der Verpflichtungzur Abwanderung ins Reich und dem Verbleib in derHeimat ohne jegliche Unterstützung für den Erhaltder eigenen Sprache und Kultur, also eine Wahl zwi-schen Volkstum oder Heimat.

Nach anfänglichem Zögern entschied der mittlerweileübers ganze Land verbreitete VKS dem Ruf des Füh-rers zu folgen und eine möglichst vollständige Ab-wanderung der Südtiroler ins Deutsche Reich durch-zusetzen. Auch die faschistischen Machthaberglaubten anfänglich, die Südtiroler zur Option förm-lich drängen zu müssen. Lediglich eine Gruppe vonPersönlichkeiten des aufgelösten Deutschen Verban-des und die Mehrzahl des Klerus entschieden sichfür den Verbleib in der Heimat. Diese Dableiberwaren aber weit in der Minderzahl, da die Mehrheitder Südtiroler – sei es in Folge der kapillaren Propa-ganda durch den VKS, sei es aus eigener Erfahrung– überzeugt war, in der angestammten Heimat keineEntfaltungsmöglichkeiten mehr zu haben. Mit Ablaufder Optionsfrist am 31. Dezember 1939 hatten sichcirca 212.000 Menschen (85 %) für Deutschlandentschieden. Bis zur Einstellung der Umsiedlung1943 waren ungefähr 75.000 davon abgewandert.Nur der weitere Verlauf des Zweiten Weltkrieges undbürokratische Verzögerungstaktiken verhinderten de-ren völlige Durchführung. Doch hatten diese Vor-kommnisse eine tiefe Kluft innerhalb der deutsch-sprachigen Bevölkerung aufgerissen; die Minderheitder Nichtoptanten war schweren Anfeindungen undÜbergriffen von Seiten der Optantenmehrheit ausge-setzt. Diese Situation verschärfte sich nach dem 8.September 1943 und wurde auch auf die italienischeVolksgruppe ausgedehnt.

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((( ))Nach schweren Niederlagen wurden Mussolini undmit ihm der Faschismus gestürzt, Italien kapitulierte,wurde jedoch größtenteils von deutschen Truppenbesetzt. In Südtirol hofften viele, jetzt endlich an dasDeutsche Reich angeschlossen zu werden. Dochmit Rücksicht auf das eben geschaffene faschisti-sche Marionettenregime Repubblica Sociale Italianaunterblieb dieser Schritt. Allerdings wurden die dreinördlichsten Provinzen dieses Staates – Bozen, Trientund Belluno – zur Operationszone Alpenvorland zu-sammengefasst, vom Tiroler Gauleiter Franz Hofer alsOberstem Kommissar verwaltet und damit de factovöllig durch das Dritte Reich kontrolliert. Der ObersteKommissar begann die Verwaltung der ProvinzBozen dem nationalsozialistischen System anzu-gleichen und zu unterwerfen. Einberufungen undZwangsverpflichtungen wurden immer zahlreicher,auf Verweigerung des Einberufungsbefehles standdie Todesstrafe. Zahlreiche Gegner des Systemsaller Sprachgruppen wurden mit Widerstandskäm-pfern aus Oberitalien und rassisch Verfolgten im be-rüchtigten Polizeilichen Durchgangslager Bozen (imVolksmund als KZ Bozen bezeichnet) interniert. Fürdie Familien der Kriegsdienstverweigerer führte FranzHofer die Sippenhaft in ebendiesem Lager ein.

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Ein schwieriger Neuanfang

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Gegen die nationalsozialistischen Besatzer organi-sierte sich in der Folge der Widerstand. In Bozen, vorallem in der Industriezone, war es das italienischeBefreiungskomitee Comitato di Liberazione Nazionale(C.L.N.), auf dem Land der in Dableiberkreisengegründete Andreas-Hofer-Bund (A.H.B.). Aus denReihen dieser beiden Gruppen kamen jene Männer,die in der Folge den Neuanfang in unserem Landeverwirklichen werden. Am 2. Mai 1945 kapitulierte diedeutsche Wehrmacht in Italien. Der Krieg war zuEnde, wie sollte das künftige Schicksal unseres Lan-des aussehen? Beide Sprachgruppen hatten völligkonträre Vorstellungen: Die Italiener, organisiert in denverschiedenen Parteien, die aus dem C.L.N. hervor-gegangen waren, vor allem Christdemokraten (DC),Kommunisten (PCI), Sozialisten (PSI) und Aktionspar-tei (Partito d’Azione), hofften, dass das Territorium biszum Brenner weiterhin bei Italien bleiben würde. DieDeutschen, die vor allem unter der Führung bekann-ter Dableiber am 8. Mai 1945 die Südtiroler Volks-partei (SVP) gründeten, wünschten die Gewährungdes Selbstbestimmungsrechtes und in der Folge dieAngliederung an das nach dem Kriege wiedererstandene Österreich. Doch darüber konnten nichtdie Landesbewohner entscheiden; das Südtirolpro-blem wurde als ein internationales Problem bald indie Auseinandersetzungen zwischen den West-mächten (USA, Großbritannien, Frankreich) und derSowjetunion hineingezogen: letztlich entschieden dieGroßmächte, die im Jahre 1919 gezogene Brenner-grenze erneut zu bestätigen. Allerdings waren sichdie verantwortlichen Politiker bewusst, dass die süd-lich des Brenners lebende deutschsprachige Minder-heit – die Ladiner hatte man vergessen! – geschütztwerden müsse, um ihre Eigenheit zu sichern und ihrein Schicksal wie unter dem Faschismus zu ersparen.

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((( ))Bei den Friedensverhandlungen zwischen den Alli-ierten und Italien in Paris (1946/47) wurden daher dieVertreter Italiens und Österreichs eingeladen, ingemeinsamen Verhandlungen ein Abkommen zumSchutz dieser Minderheit zu erarbeiten. Das Ergebniswar das am 5. September 1946 vom italienischenMinisterpräsidenten und Außenminister Alcide Dega-speri und dem österreichischen Außenminister KarlGruber in Paris unterzeichnete Gruber – Degasperi –Abkommen, auch als Pariser Vertrag bekannt, dieGrundlage unserer autonomen Befugnisse. Darin wirdden deutschsprachigen Bewohnern der ProvinzBozen und der angrenzenden Provinz Trient – dasBozner Unterland war damals noch bei Trient – folgen-des zugesichert:

- Schulunterricht in der Muttersprache- gleichberechtigter Gebrauch der deutschen unditalienischen Sprache in öffentlichen Ämtern, Urkun-den und bei den Ortsnamen

- Wiederherstellung der vom Faschismus italienisier-ten Familiennamen

- angemessene Verteilung der Beamtenstellen zwi-schen den Volksgruppen

- Verwaltungsautonomie- Anerkennung von im deutschsprachigen Auslanderzielten Hochschulabschlüssen

- Revision der Optionen- erleichterter Personen- und Warenverkehr zwischenden verschiedenen Teilen des ehemaligen Kronlan-des Tirol

Die am 2. Juni 1946 gewählte VerfassunggebendeNationalversammlung verabschiedete am 31. Jänner1948 das auf dem Pariser Vertrag aufbauende Auto-nomiestatut der Region Trentino – Tiroler Etschland.Dieses Statut entsprach nicht den Erwartungen derpolitischen Vertretung der Südtiroler, weil die autono-

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men Befugnisse nicht so zahlreich ausgefallen warenwie erwartet, vor allem aber weil Autonomie nicht derProvinz Bozen allein, sondern gemeinsam mit derProvinz Trient gewährt worden war; damit waren dieSüdtiroler auch im örtlichen Bereich eine Minderheit.Die Region bzw. der Regionalrat waren die eigentlichenTräger der Autonomie, konnten aber Befugnisse an diebeiden Provinzen bzw. die beiden Landtage, ausdenen sich der Regionalrat zusammensetzte, delegie-ren. Am 28. November 1948 fanden die ersten Wah-len zum Regionalrat bzw. Landtag statt. 1948 war dasJahr der ersten demokratischen Wahlen seit 26 Jah-ren (Gemeinderatswahlen Jänner 1922): am 16. AprilParlamentswahlen, am 11. Juli Gemeinderatswahlenin Bozen, im November Landtagswahlen. Von den 20Abgeordneten gehörten 13 der deutschen Sprach-gruppe (sämtliche SVP) und 7 der italienischen (zweider Democrazia Cristiana, je einer vom Partito Socialis-ta, Partito Comunista, Partito Republicano, MovimentoSociale und Unione Indipendenti) an. Die Zusammen-setzung des Landtages wird in den folgenden Jahr-zehnten von großer Stabilität gekennzeichnet sein.Erster Landeshauptmann (Präsident des Landesaus-schusses) wird Karl Erckert aus Meran, ersterLandtagspräsident Silvius Magnago, sein Stellvertre-ter Luigi Negri.

Die wahren Machtbefugnisse lagen aber bei der Re-gion; hier ging die SVP eine Koalition mit den Christ-demokraten – 17 Vertreter im 46köpfigen Regionalrat– ein. Es setzte nun eine Phase des politischen, kul-turellen und zum Teil auch wirtschaftlich-sozialen Auf-holens ein. Das Land nimmt Befugnisse in den Berei-chen Land- und Forstwirtschaft, Handel, Handwerkund Fremdenverkehr, Öffentliche Arbeiten, Kultur,Gesundheit und Soziales wahr. Allerdings verfügt eslediglich über ein Viertel des Regionalhaushaltes, dieGelder werden zudem nur verwaltet, die politischen

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((( ))Entscheidungen fallen im Regionalrat. Zudem wer-den die beiden Provinzen immer seltener mit derDurchführung von Regionalgesetzen beauftragt. AusRom ist ein immer stärkerer antiautonomistischerWind zu spüren, sodass verschiedene Teilbestim-mungen des Pariser Vertrages sehr schleppend odergar nicht durchgeführt werden. Dagegen regt sichder Protest der Südtiroler Volkspartei, die 1954 derrömischen Regierung eine Beschwerdeschrift über-reicht. Auch Österreich wird als Mitunterzeichner desPariser Vertrages 1956 aktiv und schlägt Verhand-lungen auf Expertenebene vor. Eine angekündigtedirekte, staatliche Subvention für den Bau von übertausend Sozialwohnungen in Bozen, was einem direk-ten Eingriff in die Landesautonomie gleichkam und inder deutschen Sprachgruppe die Angst vor italieni-scher Unterwanderung weckte, wurde am 17. No-vember 1957 von der SVP mit einer großen Protest-kundgebung in Sigmundskron beantwortet. Damittrat das Südtirolproblem in eine neue Phase, eineschwere Krise kündigte sich an.

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Das Experiment gelingt

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Die wichtigste Forderung in Sigmundskron, erhobenunter anderem vom wenige Tage zuvor zum Partei-obmann gewählten Silvius Magnago, war das Losvon Trient!, verbunden mit einer vollwertigen Regio-nalautonomie für Südtirol. Die römische Regierunghatte in der Zwischenzeit zwar ihre Bereitschaft zuVerhandlungen mit Wien erklärt, doch brachten diesekeine Ergebnisse. Als Reaktion auf eine Beschnei-dung der Landesbefugnisse im Bereich geförderterWohnbau durch Rom trat die SVP am 30. Januar1959 aus der Regionalregierung aus. In Österreichkam man inzwischen zur Überzeugung, internationa-le Gremien mit der Frage zu befassen. Am 21. Sep-tember 1959 erklärte Außenminister Bruno Kreiskyvor der Vollversammlung der Vereinten Nationen, die-ses Gremium im kommenden Jahr mit der Südtirol-Frage befassen zu wollen, falls die bilateralenGespräche zu keinem Ergebnis führten. So geschahes denn auch. Nach längeren ausgiebigen Verhand-lungen und Interventionen beider Seiten beauftragtedie UN-Vollversammlung in einer Resolution vom 31.Oktober 1960 beide Seiten, durch Verhandlungen„...eine Lösung aller Differenzen hinsichtlich derDurchführung des Pariser Vertrages vom 5. Septem-ber 1946 zu finden...“ Diese Resolution wurde vonder Vollversammlung in der Sitzung vom 28. Novem-ber 1961 bekräftigt.

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((( ))Inzwischen war nämlich einiges passiert! Im Jänner,Mai und Juni 1961 trafen sich die beiderseitigen Au-ßenminister zu Gesprächen, allerdings begleitet vomunüberhörbaren Gedröhn in Südtirol explodierenderBomben.

Erste Anschläge hatten sich bereits 1956 und 1957ereignet, doch kam es in der Nacht vom 11. auf den12. Juni (Herz-Jesu-Sonntag) 1961 zu einer At-tentatswelle im ganzen Land mit Schwerpunkt Bozenund Burggrafenamt, in deren Verlauf 47 Hoch-

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spannungsmasten gesprengt wurden. Sprengstoffan-schläge, manche davon auch mit Todesopfern,waren von nun an die ständigen Begleiter der Ver-handlungen zwischen Rom und Wien bzw. zwischenRom und Bozen, zuerst von Südtirol ausgehend, inder Folge immer mehr von außen ins Land hereinge-tragen. Diese Feuernacht bildete aber auch den Auf-takt zu harten, auch überzogenen Polizeimaßnahmendes italienischen Staates, die ebenso wie die An-schläge mehr zur Erschwerung als zur Lösung desoffenen Problems beitrugen. Die römische Regierunghatte am 1. September 1961 die Neunzehnerkom-mission eingesetzt, die aus elf Italienern, siebenDeutschen und einem Ladiner bestand und die Auf-gabe hatte, das Problem gründlich zu analysierenund Lösungsvorschläge für eine echte Autonomieauf der Grundlage des Gruber-Degasperi-Abkom-mens zu erarbeiten. Die Kommission schloss ihreArbeiten 1964 ab. Ihre Ergebnisse werden bei denzwischenstaatlichen Verhandlungen zur Grundlageder Lösung des Problems gemacht, in manchenBereichen ging man aber auch darüber hinaus.

Die italienisch – österreichischen Verhandlungen pro-fitierten in der zweiten Hälfte der 60er Jahre vomoffeneren und toleranteren innenpolitischen Klima inItalien, das sich in Folge der Mitte-Links-Regierungenab Dezember 1963, insbesondere unter dem mehr-maligen Ministerpräsidenten und Außenminister AldoMoro, entwickelt hatte. Nach mehreren Treffen undKontaktgesprächen unterbreitete Rom Ende August1966 ein Gesamtangebot, das als Paket der Maßnah-men zugunsten der Bevölkerung Südtirols bezeichnetwurde. Wien bedeutete der Südtiroler Volkspartei, dassman damit an die Grenze des Erreichbaren gelangt sei.Der Parteiausschuss beschloss noch im August des-sen Annahme, wollte allerdings noch einige Punktegeklärt wissen. Zu den am meisten diskutierten Fragen

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((( ))gehörte die rechtliche Absicherung bzw. die Veranke-rung des Pakets. 1969 wurde dazu in Expertenver-handlungen der sogenannte Operationskalender aus-gearbeitet. Darunter war ein Zeitplan bzw. einAbwicklungsverfahren zu verstehen, das die Durchfüh-rung der beschlossenen Paketmaßnahmen sicherte.Nach Abschluss des Operationskalenders, das heißtnach Durchführung des Paketes gaben Österreich undItalien am 19. Juni 1992 die Streitbeilegungserklärungvor der UNO ab. Für allfällige Streitfälle in Sachen Süd-tirol-Autonomie wird in Zukunft der InternationaleGerichtshof (IGH) in Den Haag zuständig sein.

Im Oktober 1969 waren Paket und Operationskalen-der fertiggestellt. Ersteres enthielt 137 Maßnahmen,größtenteils zum Schutz der deutschen und ladini-schen Sprachgruppe, einige aber auch zum Schutzder italienischen Sprachgruppe im Lande, so zum Bei-spiel die Möglichkeit eines Einspruches zum Haus-haltsvoranschlag; zweiterer umfasste 18 Schritte, umdie Durchsetzung der vorhergenannten 137 Maß-nahmen abzusichern. Unter den Mitgliedern der SVPsetzte nun eine leidenschaftliche Auseinander-setzung ein um Annahme oder Ablehnung des Pa-kets. Die endgültige Entscheidung fiel am 22. No-vember 1969 in der Landesversammlung der SVP inMeran, wo sich vor allem der langjährige Landes-hauptmann, Parteiobmann und Vater des Paketssehr für dessen Annahme engagierte. Nach vier-zehnstündiger Debatte stimmten von 1104 Delegier-ten 53,4 Prozent für dessen Annahme, 46,6 Prozentdagegen. Nach der Annahme durch die größte politi-sche Organisation der deutschen und der ladinischenVolksgruppe stimmten im Dezember auch das römi-sche und das Wiener Parlament diesem Lösungsvor-schlag zu. Da es ein komplexes Gesetzeswerk ist undzudem noch in Verfassungsrang erhoben wurde, waseines besonders langwierigen Genehmigungsverfah-

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rens bedurfte, trat das als II. Autonomiestatut bezeich-nete Maßnahmenpaket erst am 20. Jänner 1972 inKraft, ein Gesetzestext mit 115 Paragraphen.

Die folgenden Jahrzehnte waren geprägt von zähenund langwierigen Verhandlungen zwischen Bozenund Rom um die Durchführungsbestimmungen zuden einzelnen Bestimmungen des Autonomiestatuts.Dabei konnten noch einige Verbesserungen undErweiterungen der autonomen Rechte herausgeholtwerden. Die offizielle Bezeichnung der Region lautetenun Trentino – Südtirol. Wesentlich für das II. Auto-nomiestatut war die Aushöhlung der Region und dieÜbertragung der meisten Kompetenzen auf die Auto-nomen Provinzen Bozen und Trient. Das führte auchzu einer enormen Aufwertung des Landtages und zueinem hohen Arbeitspensum, um auch im LandeSüdtirol selbst die gesetzlichen Voraussetzungen derneuen Autonomie zu schaffen. AugenscheinlichsterSchutzmechanismus für die deutsche und ladinischeSprachgruppe ist die Pflicht zur Zweisprachigkeit unddie Zuteilung aller Arbeitsstellen in der öffentlichenVerwaltung nach dem Kriterium des ethnischen Pro-porzes. Das gab den Minderheiten endlich die Mög-lichkeit auf eine angemessene Präsenz ihrer Spracheund Gruppe in der Öffentlichkeit und bei vielenArbeitsstellen. Auch wurde der Stellenwert der Min-derheitensprachen stark aufgewertet. Für Deutscheund Ladiner hatte das zur Folge, dass sie, obwohlMinderheit in einem großen Nationalstaat, sprachlich-kulturell einer gesicherten Zukunft entgegensehenkonnten.

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((( ))Dies zeigte sich sehr schnell in den 70er Jahren, alsein das ganze Land erfassender, starker Entwick-lungsschub einsetzte, der vor allem Fremdenverkehrund Gewerbe erfasste, auch in abgelegeneren Ge-genden der Abwanderung ein Ende setzte und einenverbreiteten Wohlstand brachte. Eine geistig-kulturel-le Öffnung und mehr Pluralismus, vor allem bei derJugend – letztlich auch unter dem Einfluss der inganz Europa verbreiteten Aufbruchstimmung imGefolge der 68er Bewegung – waren ebenfalls dieFolge. Als im Schatten stehend fühlten sich Teile deritalienischen Sprachgruppe, die auf die Zweispra-chigkeit nicht vorbereitet waren, durch Proporz undKrise in der Schwerindustrie um viele ihrer Ar-beitsplätze gebracht. Nachdem sie auch mangelswirtschaftlicher Voraussetzungen nur eingeschränktam allgemeinen touristischen und gewerblichen Auf-schwung teilnehmen konnten, empfanden sie sichals Verlierer der Autonomie. Zum Ausdruck kam die-ses Unbehagen ab 1985 durch eine markante Ver-schiebung italienischer Wählerstimmen nach rechts.Diese politische Auswirkung hat sich noch nicht we-sentlich verändert.

Zwanzig Jahre nach Inkrafttreten des II. Autonomie-statuts hatte die italienische Regierung unter Minister-präsident Giulio Andreotti am 30. Jänner 1992 dieletzten Durchführungsbestimmungen erlassen. Am22. April wurde Österreich die entsprechende Mittei-lung übermittelt und nach ausführlicher Debatte imösterreichischen Nationalrat gaben die Vertreter Öster-reichs und Italiens am 19. Juni 1992 vor den VereintenNationen in New York gemeinsam die Streitbeile-gungserklärung ab, wodurch die seit 1960 bei derUNO behängende Auseinandersetzung für beendeterklärt wurde.

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Die Situation Südtirols bekam durch die fortschrei-tende europäische Einigung eine neue Dimension,da die Staatsgrenzen immer mehr abgebaut wurden.Durch den Beitritt Österreichs zur EuropäischenUnion (EU) am 1. Jänner 1995 und dem Inkrafttretendes Schengener Abkommens am 1. April 1998, dasden Wegfall der Grenzbarrieren innerhalb der EU vor-sieht, wurde dies Wirklichkeit. Neue Perspektiven derüberregionalen Zusammenarbeit innerhalb einesgeeinten Europas eröffneten sich. Gleichzeitig wur-den von autonomiefreundlichen römischen Regie-rungen auch über die Streitbeilegungserklärung hin-aus weitere Befugnisse an die autonomen ProvinzenBozen und Trient übertragen.

Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang, auf-grund ihrer Bedeutung, die Übertragung wichtiger Be-fugnisse in den Bereichen Straßenwesen (u.a. ordent-liche und außerordentliche Instandhaltung derStaatsstraßen), Kommunikations- und Transport-wesen, öffentliches Wassergut und Wasserbauten(einschließlich der Konzessionen von Großableitungenzur Erzeugung von Elektroenergie), Produktion und

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((( ))Verteilung von elektrischer Energie sowie Schulord-nung des Landes (u.a. Festlegung der dienst- undbesoldungsmäßigen Stellung des Lehrpersonalsdurch das Land).

Mit Staatsgesetz wird dem Land Südtirol auch nochdie Befugnis zur Errichtung einer Universität übertra-gen. Am 31. Oktober 1997 wird die Freie UniversitätBozen mit Sitz in Bozen und Brixen gegründet undam 10. November 1998 feierlich eröffnet.

Einen gewissen, zumindest vorläufigen Abschluss indiese Entwicklung brachten das Verfassungsgesetzvom 31. Jänner 2001, Nr. 2, mit welchem u.a. auchdas Sonderstatut für die Region Trentino-Südtirol ab-geändert und ergänzt wurde, sowie das durch ge-samtstaatlichen Volksentscheid gutgeheißene Verfas-sungsgesetz vom 18. Oktober 2001, Nr. 3, betreffenddie Reform der Italienischen Verfassung. Mit letzteremmacht die gesamtstaatliche Föderalisierung Italienseinen Schritt nach vorne, bilden doch nun dieGemeinden, die Provinzen, die Großstädte, die Regio-nen und der Staat gleichwertige Bausteine der Repu-blik. Diese Verfassungsänderung brachte auch eineradikale Umkehr, was die Kompetenzlage zwischenStaat und Regionen anbelangt. Hatten vorher dieRegionen nur in verschiedenen taxativ aufgezeigtenBereichen Gesetzgebungsbefugnis – wobei jene desLandes Südtirol aufgrund des Autonomiestatutes vielumfassender war, und immer noch ist, als jeneanderer Regionen, insbesondere jener mit Normal-statut – und lag demzufolge die Zuständigkeit in allenanderen Bereichen beim Staat, so ist die Lage nungenau umgekehrt. Diese Umkehr der Kompetenzla-ge bringt auch für Südtirol – so wie für die anderenRegionen mit Sonderstatut (Aosta, Friaul JulischVenetien, Sardinien, Sizilien) – und die autonome Pro-vinz Trient, die beide zusammen nun laut geänderter

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Verfassung die so bezeichnete Region Trentino-AltoAdige/Südtirol bilden, zusätzliche Befugnisse. Einsichtbarer Ausdruck dieses ersten Schrittes Italiens inRichtung Föderalismus ist zum einen die Abschaffungdes staatlichen Sichtvermerkes für die Regional- undLandesgesetze, die nun unmittelbar nach ihrer Verab-schiedung ohne vorherige Kontrolle durch dieStaatsregierung in Kraft treten können, zum anderender Wegfall der Kontrolle der Gemeinden und anderenLokalkörperschaften durch die Regionen bzw., in Süd-tirol, durch das Land und deren Aufwertung durch diezwingende Errichtung eines Rates der Lokalautono-mien. Bereits vor dieser Änderung der ItalienischenVerfassung hatte das zitierte Verfassungsgesetz vom31. Jänner 2001, Nr. 2, einen tiefgreifenden Umbaudes institutionellen Gefüges zwischen der RegionTrentino-Südtirol und den beiden autonomen Provin-zen Trient und Bozen herbeigeführt. Unterteilte sichvorher die Region in die beiden Provinzen, so bildennun, nach der Reform des Autonomiestatutes, diebeiden autonomen Provinzen von Trient und Bozendie Region, sind also sozusagen deren tragendeSäulen. Diese Neuerung bedeutet eine deutlicheAufwertung der beiden Länder gegenüber der Re-gion. Die Abgeordneten werden in Südtirol in Zukunftnicht mehr als Regionalratsabgeordnete, sondern alsAbgeordnete zum Südtiroler Landtag gewählt, demLandtag obliegen demnach auch die Festlegung desWahlrechtes sowie der Regierungsform.Aufgrund all dieser Änderungen kommen auf dasLand Südtirol und somit auch auf den Südtiroler Land-tag neue große Herausforderungen zu, ist er doch nunnoch selbständiger und autonomer in seiner gesetz-geberischen Tätigkeit. Dieser Umstand erfordert aller-dings auch eine noch größere Verantwortung undSorgfalt in der Wahrnehmung der Kompetenzen.

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Südtiroler Landtag

Crispistr. 6 - 39100 BozenTel. 0039 0471 946 111 Fax 0039 0471 973 468 E-Mail: [email protected]