LA-EM Berlin - Marathon Was lief Ein Flame überraschte die ... · über 10.000 m bei Bahn EMs,...

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B elgien ist ein Land der Läufer, wie man auch an dieser Aufzählung sieht. Und die einzige internatio- nale Medaille gewann Koen Naert mit Team-Silber bei der Crosslauf-Euro- pameisterschaft. Sonst gelangen ihm nur lustige Schnapszahlen: zweimal 11. über 10.000 m bei Bahn EMs, zweimal 22. weltweit bei Rios Olympia 2016 und bei der Halbmarathon-WM in Valencia. Doch halt: mit seinen 61:42 min war er drittbester Europäer. Bei seinen Mara- thons von Hamburg und Berlin war er sogar bester Europäer. Dennoch hatte er in Belgien keinen Sponsor und ar- beitete neben profimäßigem Training als Pfleger in einem Militärhospital. Zuverlässig und solide ordnete sich Naert in der Spitzengruppe des Mara- thons ein, wo zunächst der Schweizer Tadesse Abraham und der norwegische Europarekordler Sondre Moen den Ton angaben. Doch nach drei Runden durch die City-West und den Tiergarten roch Naert Lunte. Die große Gruppe hatte Halbmarathon in für die Wärmegrade guten 65:54 min passiert und bestand bei km 25 vor dem Brandenburger Tor noch aus 13 Mann (1:18:05 h). Bei der erneuten Passage der mächtigen Tribü- nen auf dem Breitscheidplatz waren es nur noch sechs Läufer, Europarekordler Sondre Moen war schon draußen und der aussichtsreiche Holländer Abdi Na- geeye folgte wenig später. Ab km 31 in der Kurfürstenstraße beschleunigte Naert enorm und legte nach 1.000 m in 2:55 min einen 5 km-Abschnitt von 14:47 min hin. Auf der von den Stre- ckenschneidern geschickt eingebauten 9 // Laufmagazin SPIRIDON 9/18 LA-EM Berlin - Marathon Was lief Hier bei km 31 tritt der Belgier Koen Naert mit einem Tausender in 2:55 min an und schüttelt den Schwei- zer Tadesse Abraham (2.) sowie den Italiener Yassine Rachik (3.) ab. Foto: A. Weber Ein Flame überraschte die Favoriten Steckbrief Koen Naert * 3.9.1989 Roeselare/BEL 1,82 m groß, 65-66 kg Bahn-, Crosslauf, seit 2015 Marathon Internationale Erfolge: 2012 EM Helsinki 11. über 10.000 m in 29:02,08 min, 2013 Cross-EM 9., Team 2. mit Belgien, 2014 EM Zürich 11. ü. 10.000 m in 29:04,87 min, 2016 Olympische Spiele Rio Marathon 22. in 2:14:53 h, 2018 Halbmarathon-WM Valencia 22. in 61:42 min, Marathon-EM Berlin: 1. in 2:09:51 h PB: 1.500 m 3:42,99 min, 5.000 m 13:32,83, 10.000 m 28:22,29, HM 61:42, Marathon 2:09:51 h Wäre Koen Naert beim EM-Lauf in Ber- lin Vierter geworden, hätten sich die Belgier und er selbst so ähnlich gefreut wie die Deutschen über die Ränge 4 von Konstanze Klosterhalfen und von Alina Reh. Denn diese sind in einem globaler gewordenen Europa längst keine Blech- medaillen mehr. Doch überraschend führte der Flame nach belgischen Sie- gen im Siebenkampf der Frauen und bei den Männern über 4x400 m, Silber und Bronze im 400-m-Einzel sowie 10.000-m-Silber eine Goldmedaille im prestigeträchtigen Marathonlauf hinzu, der mit der EM-Meile und dem perfek- ten 10-km-Rundkurs die gebührende Anerkennung fand. 2,195 km Schleife auf der Straße des 17. Juni konnte er auf der Gegenseite be- obachten, wie sein Vorsprung bei den dortigen 35 km vor einer Dreiergruppe bereits auf 29 sec angewachsen war. Ohne ein Zeichen von Schwäche näher- te er sich dem 40-km-Punkt am Land- wehrkanal nach einem erneuten Ab- schnitt von 14:57 min, nunmehr bereits 78 sec vor Abraham. Spaniens Hoff- nung Javier Guerra verlor den Bron- zerang an den Italiener Yassine Rachik, der noch einmal die zweite Luft bekam und damit auch den Sieg vor Spanien im Marathon-Europacup einleitete. Na- ert knallte die letzten 2,195 km in sehr starken 6:38 min runter. Damit verbes- serte er den EM-Champions-Rekord von Martin Fiz (1994 in Helsinki 2:10:31 h) auf 2:09:51 und unterbot seine PB bei mildem Wetter um 25 sec. Im Marathon-Europacup landete völ- lig überraschend Österreich auf Rang drei. Der aus Äthiopien eingewanderte Lemawork Ketema riss mit Rang 8 in 2:13:22 h seinen Landsmann Peter Her- zog von Platz 39 bei der Hälfte zu Platz 10 in der Endzeit von 2:15:29 h und PB mit. Ähnlich der Este Tidrek Nurme, der 9. wurde und als einziger neben Naert einen negativen Split hatte. Obwohl der höher eingeschätzte Österreicher Valen- tin Pfeil ausstieg, schaffte Österreich durch den in 2:20:41 h als 41. einkom- menden Christian Steinhammer noch den Bronzerang vor der Schweiz. Die- sen Rang hätte der vermeintliche deut- sche Frontläufer Philipp Pflieger schon mit einer 2:16 sichern können. Doch der Regensburger wollte lieber vorne mitmischen und stieg bei km 33 aus (30-km-Split 1:35:19 h). Was es sonst über ihn zu sagen gibt, steht auf Seite 17 und wurde schon zehn Tage vorher geschrieben. So unterstrich der deutsche Meister Tom Gröschel seinen Titelgewinn von Düsseldorf mit dem guten elften Rang in 2:15:48 h. „Das Rennen ist genau so gelaufen, wie ich es geplant hatte“ , zeigte sich der Rostocker zufrieden, der nach 67:26 min wenig Zeit verlor, aber viele Plätze gewann. 16:38 min zwi- schen kam 35 und 40, als die Sonne am höchsten stand, waren sein langsams- ter Abschnitt. Mehr riskiert hatte der Leipziger Marcus Schöfisch, der nach 2:22:47 h 46. wurde. „Ich wollte zeigen, was ich drauf hatte mit unseren Metho- den und nach dem Höhentraining im ganzen Juli“ , äußerte er sich enttäuscht. In die Dreierwertung für den Europacup kam dagegen Jonas Koller. Der Regens- burger grinste über beide Wangen nach seinem 28. Rang als zweitbester Deut- scher in 2:19:16 h. Ab km 40 überholte er noch sechs Läufer. Nur Fünf im gan- zen Feld waren hier schneller als seine 7:01 min zum Schluss. Koller, dessen Tom Gröschel (Marathon-11.) Foto: Mast HEFT 9-2018

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Belgien ist ein Land der Läufer, wie man auch an dieser Aufzählung sieht. Und die einzige internatio-

nale Medaille gewann Koen Naert mit Team-Silber bei der Crosslauf-Euro-pameisterschaft. Sonst gelangen ihm nur lustige Schnapszahlen: zweimal 11. über 10.000 m bei Bahn EMs, zweimal 22. weltweit bei Rios Olympia 2016 und bei der Halbmarathon-WM in Valencia. Doch halt: mit seinen 61:42 min war er drittbester Europäer. Bei seinen Mara-thons von Hamburg und Berlin war er sogar bester Europäer. Dennoch hatte er in Belgien keinen Sponsor und ar-beitete neben profimäßigem Training als Pfleger in einem Militärhospital.

Zuverlässig und solide ordnete sich Naert in der Spitzengruppe des Mara-thons ein, wo zunächst der Schweizer Tadesse Abraham und der norwegische Europarekordler Sondre Moen den Ton angaben. Doch nach drei Runden durch die City-West und den Tiergarten roch Naert Lunte. Die große Gruppe hatte Halbmarathon in für die Wärmegrade guten 65:54 min passiert und bestand bei km 25 vor dem Brandenburger Tor noch aus 13 Mann (1:18:05 h). Bei der erneuten Passage der mächtigen Tribü-nen auf dem Breitscheidplatz waren es nur noch sechs Läufer, Europarekordler Sondre Moen war schon draußen und der aussichtsreiche Holländer Abdi Na-geeye folgte wenig später. Ab km 31 in der Kurfürstenstraße beschleunigte Naert enorm und legte nach 1.000 m in 2:55 min einen 5 km-Abschnitt von 14:47 min hin. Auf der von den Stre-ckenschneidern geschickt eingebauten

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LA-EM Berlin - Marathon Was lief

Hier bei km 31 tritt der Belgier Koen Naert mit einem Tausender in 2:55 min an und schüttelt den Schwei-zer Tadesse Abraham (2.) sowie den Italiener Yassine Rachik (3.) ab. Foto: A. Weber

Ein Flame überraschte die Favoriten

Steckbrief Koen Naert* 3.9.1989 Roeselare/BEL1,82 m groß, 65-66 kgBahn-, Crosslauf, seit 2015 MarathonInternationale Erfolge: 2012 EM Helsinki 11. über 10.000 m in 29:02,08 min, 2013 Cross-EM 9., Team 2. mit Belgien, 2014 EM Zürich 11. ü. 10.000 m in 29:04,87 min, 2016 Olympische Spiele Rio Marathon 22. in 2:14:53 h, 2018 Halbmarathon-WM Valencia 22. in 61:42 min, Marathon-EM Berlin: 1. in 2:09:51 h PB: 1.500 m 3:42,99 min, 5.000 m 13:32,83, 10.000 m 28:22,29, HM 61:42, Marathon 2:09:51 h

Wäre Koen Naert beim EM-Lauf in Ber-lin Vierter geworden, hätten sich die Belgier und er selbst so ähnlich gefreut wie die Deutschen über die Ränge 4 von Konstanze Klosterhalfen und von Alina Reh. Denn diese sind in einem globaler gewordenen Europa längst keine Blech-medaillen mehr. Doch überraschend führte der Flame nach belgischen Sie-gen im Siebenkampf der Frauen und bei den Männern über 4x400 m, Silber und Bronze im 400-m-Einzel sowie 10.000-m-Silber eine Goldmedaille im prestigeträchtigen Marathonlauf hinzu, der mit der EM-Meile und dem perfek-ten 10-km-Rundkurs die gebührende Anerkennung fand.

2,195 km Schleife auf der Straße des 17. Juni konnte er auf der Gegenseite be-obachten, wie sein Vorsprung bei den dortigen 35 km vor einer Dreiergruppe bereits auf 29 sec angewachsen war. Ohne ein Zeichen von Schwäche näher-te er sich dem 40-km-Punkt am Land-wehrkanal nach einem erneuten Ab-schnitt von 14:57 min, nunmehr bereits 78 sec vor Abraham. Spaniens Hoff-nung Javier Guerra verlor den Bron-zerang an den Italiener Yassine Rachik, der noch einmal die zweite Luft bekam und damit auch den Sieg vor Spanien im Marathon-Europacup einleitete. Na-ert knallte die letzten 2,195 km in sehr starken 6:38 min runter. Damit verbes-serte er den EM-Champions-Rekord von Martin Fiz (1994 in Helsinki 2:10:31 h) auf 2:09:51 und unterbot seine PB bei mildem Wetter um 25 sec.

Im Marathon-Europacup landete völ-lig überraschend Österreich auf Rang drei. Der aus Äthiopien eingewanderte Lemawork Ketema riss mit Rang 8 in 2:13:22 h seinen Landsmann Peter Her-zog von Platz 39 bei der Hälfte zu Platz 10 in der Endzeit von 2:15:29 h und PB mit. Ähnlich der Este Tidrek Nurme, der 9. wurde und als einziger neben Naert einen negativen Split hatte. Obwohl der höher eingeschätzte Österreicher Valen-tin Pfeil ausstieg, schaffte Österreich durch den in 2:20:41 h als 41. einkom-menden Christian Steinhammer noch den Bronzerang vor der Schweiz. Die-sen Rang hätte der vermeintliche deut-sche Frontläufer Philipp Pflieger schon mit einer 2:16 sichern können. Doch der Regensburger wollte lieber vorne mitmischen und stieg bei km 33 aus (30-km-Split 1:35:19 h). Was es sonst über ihn zu sagen gibt, steht auf Seite 17 und wurde schon zehn Tage vorher geschrieben.

So unterstrich der deutsche Meister Tom Gröschel seinen Titelgewinn von Düsseldorf mit dem guten elften Rang in 2:15:48 h. „Das Rennen ist genau

so gelaufen, wie ich es geplant hatte“, zeigte sich der Rostocker zufrieden, der nach 67:26 min wenig Zeit verlor, aber viele Plätze gewann. 16:38 min zwi-schen kam 35 und 40, als die Sonne am höchsten stand, waren sein langsams-ter Abschnitt. Mehr riskiert hatte der Leipziger Marcus Schöfisch, der nach 2:22:47 h 46. wurde. „Ich wollte zeigen, was ich drauf hatte mit unseren Metho-den und nach dem Höhentraining im ganzen Juli“, äußerte er sich enttäuscht. In die Dreierwertung für den Europacup kam dagegen Jonas Koller. Der Regens-burger grinste über beide Wangen nach seinem 28. Rang als zweitbester Deut-scher in 2:19:16 h. Ab km 40 überholte er noch sechs Läufer. Nur Fünf im gan-zen Feld waren hier schneller als seine 7:01 min zum Schluss. Koller, dessen

Tom Gröschel (Marathon-11.) Foto: Mast

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Die Berliner Leichtathletik-Europameister-schaften waren das hervorstechendste Er-eignis dieser Sportarten in Deutschland seit

den Weltmeisterschaften 2009 in Berlin und 1993 in Stuttgart. Sternstunden der Leichtathletik wie einst die EM in Stuttgart 1986 und die Olympischen Spiele in München 1972. Groß war die Begeisterung im Olympiastadion, vor allem am Samstag mit über 60.000 Zuschauern. Das nahm der Regierende Bür-germeister Michael Müller zum Anlass, die Fußball-Anhänger von Hertha BSC Berlin zu ermahnen, sie sollten sich mal die Leichtathletik im Olympiasta-dion zum Vorbild nehmen, wie man Stimmung im angeblich zu großen Stadion macht. Umbau und Abriss der Laufbahn scheinen vorerst vom Tisch.

Die Neue Zürcher Zeitung berichtet über die Lage der deutschen Leichtathletik wie von einem fernen exotischen Kleinstaat: „Die Situation ist ziemlich bedenk-lich. In Deutschland gibt es gerade noch zwei große Stadien mit einer Rundbahn. Überall hat man sich ganz auf Fußball eingerich-tet. Die Läufer, Werfer und Springer sind fast nur in der Provinz zu sehen…In Deutschland wird die Diamond League nicht im Free TV übertragen, König Fußball zieht fast alle Blicke auf sich.“

Die kleine Schweiz richtet jährlich drei bedeutende Leichtathle-tik-Veranstaltungen in Zürich, Lausanne und Luzern aus, während es in Deutschland nur das Rumpf-Sportfest ISTAF in Berlin und keine Diamond League gibt. Die größte Zugkraft haben natür-lich die in größeren Abständen wiederkehrenden internationalen Titelkämpfe mit Schlachtenbummlern aus ganz Europa, die ihre nationalen Athleten feiern. Davon lebte auch die EM 2018, die or-ganisatorisch und von der TV-Präsenz ein Volltre�er war.

Der Deutsche Leichtathletik-Verband feierte das Abschneiden seiner Athleten in Berlin mit sechs Titeln und insgesamt 19 Me-daillen als großen Erfolg. Doch auch ohne den erneut wegen der unbewältigten Doping-Vergangenheit gesperrten russischen Ver-band gab es erschreckende Schwachstellen im Vergleich zu klei-neren Nationen. Die nebenstehende Analyse der für das Ausdau-erblatt SPIRIDON relevanten Disziplinen von 800 m bis Marathon deckt dies auf. Nur eine einzige Medaille, immerhin eine goldene, durch Gesa Felicitas Krause im 3.000-m-Hindernislauf, ist die Aus-beute. Schließt man die Geher ein, könnte man sagen: so gut wie Portugal mit seiner 50-km-Europameisterin Ines Henriques (siehe Seite 15).

Eigenlob kommt auch von den deutschen Fernsehsendern, die mit ihren Übertragungen im Verbund mit der European Broadcas-ting Union (EBU) fast alle Endkämpfe von Berlin übertragen haben. Ausgerechnet der 10.000-m-Lauf der Frauen blieb aus deutscher Sicht weitgehend ausgeblendet (siehe Leserforum Seite 47). Nach der Dauerberieselung mit Wintersport kam die Idee zu einem Som-mersport-Block im TV in der fußballlosen Zeit. Hinzu kam bei TV-Machern und Zuschauern der Ärger über skandalöse Funktionäre im Fußball und Machenschaften bei der Vergabe von Weltmeister-schaften. Nicht geplant war das frühe Ausscheiden des DFB-Teams bei der Fußball-WM in Moskau. Erst jetzt mussten ARD+ZDF einse-hen, wie falsch es ist, auf die Monokultur Fußball und ihre Helden zu setzen. Trainer Löw und sein instinktloser Schützling Mesut Özil kamen aus der Falle des Erdogan-Besuchs ebensowenig heraus wie der ganze DFB. Und für ARD+ZDF tat sich ein gähnendes Som-merloch auf mit Philosophien über das „Uuuuuh“ der isländischen Schlachtenbummler an der Wolga. Reporterstäbe und Equipment wurden �uchtartig aus Russland abgezogen.

Da kam die Leichtathletik in Berlin gerade recht mit Einschalt-quoten von über 5 Millionen Sehern. ARD+ZDF machten aus der

Not eine Tugend. Sich nun aber mit den neu-en Plänen zusammengefasster europäischer und deutscher Meisterschaft zu brüsten, ist scheinheilig. Jahrelang hat man nicht nur die Leichtathletik kurz abgefertigt. Langstrecken-wettbewerbe, ob auf der Bahn, beim Cross oder im Straßenlauf kamen im bundesweiten Fernsehen nicht vor. Marathonläufe wurden in Deutschland weniger als Sport verkauft, son-dern als städtische Besichtigungstour. Soll das fast abgewürgte Baby jetzt fröhlich krähen?

Auch der DLV muss Einkehr halten. Die Wer-fer mussten sich auf ihre Hochburg Speerwurf zurückziehen. Gold und Silber bei den Männern waren zu erwarten, nicht aber der zusätzliche Sieg durch Christin Hussong. Blockbildung machte uns der polnische Nachbar mit über-

ragenden Hammerwerfern und Kugelstoßern vor, aber auch im 800-m-Lauf. Großbritannien lebt vom Schub der Olympischen Spiele 2012 in London. Den erwartet der DLV nun ebenfalls nach der EM. Kurzfristig dürfte dies im Laufbereich nur für die Sprinte-rinnen um Gina Lückenkemper und Tatjana Pinto gelten, auf den längeren Strecken für Gesa Krause, aber eher noch für Konstanze Klosterhalfen und Alina Reh (siehe Interview auf Seite 8). Bei den laufenden Männern jedoch herrscht Kahlschlag. Auch Richard Rin-ger konnte nicht an seinen Sieg beim Europacup über 10.000 m anknüpfen. Sein dort unterlegener französischer Gegner Morhad Amdouni gewann in Berlin die 10.000 m und errang über 5.000 m hinter den überragenden norwegischen Ingebrigtsen-Brüdern die Bronzemedaille. Amdouni und der erfolgreiche Titelverteidiger über 3.000 m Hindernis, Mekhissi sowie der 800-m-Weltmeister Bosse mit Bronze sorgten dafür, dass Frankreich die Mittel- und Langstrecken-Tabelle anführt. Das Kuriosum der drei Ingebrigt-sen-Brüder, die im Laufe von acht Jahren nacheinander die1.500-m-Europameister stellten, sei noch angeführt. Die Teenager Jakob Ingebrigtsen als Doppelmeister und der schwedische Stabhoch-springer Armand Duplantis waren die jüngsten Sieger. Dass eine Familie drei Medaillen gewann, schlug nicht nur bei Norwegen zu Buche, sondern auch bei Belgien, das den Marathon-Sieger Naert und die beste Siebenkämpferin stellte und mit den drei Borlee-Brüdern das 4x400-m-Quartett gewann. Die Zwillinge Kevin und Jonathan holten außerdem Silber und Bronze über 400 m. Es geht also auch ohne Verband im Familienverbund.

Wo aber die Talente herkriegen? Anscheinend nicht mit noch mehr Sportwissenschaft, Ärzten, Physiotherapeuten, Psycholo-gen. Es genügt nicht, im Training Höhenluft zu schnuppern. Man braucht den heißen Atem von Wettkämpfen. Und wenn Sportfeste auf der Bahn fehlen, muss man Starts im Winter beim Crosslauf su-chen. Daran hapert es bei den Männern, nicht beim Frauennach-wuchs, was sich jetzt auszahlt.Timo Benitz, der einzige (!) Mann im Bereich 100 m bis Marathon, der einen Endkampfplatz erzielte (7. über 1.500 m), ist im Winter Cross-Läufer. Auch Florian Orth, der nur durch ein nächtliches Abenteuer die Quali für Berlin scha�te (siehe Seite 16) und in Berlin 17. über 5.000 m wurde, beklagt sich über fehlende Startmöglichkeiten. Dabei ist er vielseitig als Bahn-, Hallen-, Cross- und Straßenläufer.

Man müsse unbedingt wieder auf den längeren Laufstrecken präsent sein, meint auch der neue DLV-Präsident Jürgen Kessing. Bei der Abschlußpressekonferenz in Berlin neben ihm saß Leis-tungssportdirektor Idriss Gonschinska. Der zwar selbst als Trainer des früheren 800-m-Stars Nico Motchebon erfolgreich war, der aber mit der Neubesetzung der Trainerstellen im Männerbereich Lauf kein glückliches Händchen hatte.

Die Wiederentdeckung der Leichtathletik

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Gelungene Generalprobe für die Berglauf-EM

Der Start für die Marathonstre-cke, bei der insgesamt 1.944 Hö-henmeter überwunden werden

mussten, war im 1.085 m hoch gelege-nen St. Niklaus. Von hier führte der Weg der Vispa entlang durch typische Wali-ser Dörfer, ehe nach der Hälfte der Stre-cke Zermatt erreicht wurde. Nach einer Schleife durch das Matterhorndorf folg-te ein kräftiger Anstieg auf die 2.280 m hochgelegene Sunnegga. Von dort ging es vorbei am Lei- und Grünsee nach Riffelalp, wo der schwierige Schlussteil der Strecke begann. Vom Ziel auf 2.585 m Höhe sieht man neben dem Matter-horn noch eine ganze Reihe Viertausen-der wie Weißhorn, Zinalrothorn, Ober-gabelhorn, Dent Blanche, Breithorn, um nur einige zu nennen. Beim Ultra-Ma-rathon mit Ziel auf dem 3.089 m hohen Gornergrat, müssen ab Riffelberg, bis hier war die Strecke identisch mit der Marathonstrecke, noch 3,4 km und 514 Höhenmeter gelaufen werden.

Robbie Simpson, der phasenweise in Mittenwald gelebt hat, zwischenzeit-lich aber wieder in seiner Heimat Schott-land wohnt, hatte sich intensiv auf den Zermatt Marathon vorbereitet. Sechs Wochen lang hatte er auf Crans-Monta-na ein Höhentrainingslager absolviert und bei seinen Siegen auf Bettmeralp (siehe Spiridon7/8 2018) und Rochers de Naye seine derzeitig gute Form be-wiesen. Das tat der Vize-Europameister von 2015 und WM-Dritter von 2016 auch in Zermatt - gewann in 3:00:39 h und verpasste damit die begehrte „Drei Stunden-Marke“ nur knapp. Nach dem Start setzte sich Simpson mit dem Vor-jahreszweiten Isaac Kosgei (Kenia) an die Spitze des Feldes. Bei km 18, drei km vor Zermatt, verschärfte Simpson das Tempo und ließ Kosgei keine Chan-ce zu kontern. „Ich wollte die Sprintprä-mie in Zermatt gewinnen, deshalb habe ich rechtzeitig das Tempo angezogen“, so der Brite später. Simpson erreichte Zermatt auf den Steil-Passagen als Ers-

ter. Zweiter wurde der Schweizer und mehrfache Zermatt-Marathon-Sieger Patrick Wieser. Auf Platz drei kam der Neuseeländer Vajin Armstrong. Einen ausgezeichneten vierten Platz belegte als bester Deutscher Mark Weidler (TuS Heltersberg).

Bei den Frauen feierte die Italiene-rin Ivana Iozza einen Start-Ziel-Sieg. Sie gewann in 3:36:20 h und war da-mit mehr als drei Minuten schneller als bei ihrem Vorjahressieg. Auf Platz zwei kam die britische Vize-Europameisterin von 2017 Sarah Tunstall. Die Plätze drei und vier belegten die Amerikanerin An-namae Flynn und die Schweizerin Fran-ziska Inauen.

HAGSPIEL WIEDER VORNE DABEI Für gute Ergebnisse aus deutscher

Sicht sorgten die Frauen beim Ultra-Marathon. Die Allgäuerin Alexandra Hagspiel belegte hinter der Schweize-rin Simone Hegner, die in 4:32:47 h ge-wann, wie im Vorjahr einen ausgezeich-neten zweiten Platz. Hagspiel erkämpfte sich so bei ihrem vierten Start in Zer-matt zum vierten Mal einen Podest-platz. Eva Katz aus Otterstadt belegte als Dritte noch einen Podestplatz. Elke Keller (Geislingen) und Susanne Zahl-auer (Ruhmannsfelden) vervollständig-ten mit den Plätzen fünf und acht das gute Gesamtergebnis der deutschen Frauen.

Knapp an einem Postplatz vorbei lief als Vierter über die Halbmarathonstre-cke (+1.315 m) Alexander Griko (Vil-lingen-Schwenningen). Es gewannen

Martin Anthamatten und Sabine Kuonen (beide Schweiz).

BERGLAUF-EM 2019Im kommenden Jahr findet im Rah-

men des Gornergrat Zermatt Marathons die Berglauf-Europameisterschaft statt. 2015 wurde hier die Berglauf-Weltmeis-terschaft über die Langdistanz ausgetra-gen. Dabei gab es sowohl von den Läu-fern/innen als auch von offizieller Seite, z.B. dem Berglauf Weltverband und dem Schweizer Leichathletikverband, sehr viel Lob. Dafür sorgte die Superstrecke mit vielen landschaftlichen Höhepunk-ten am Fuße des Matterhorns, ein Bil-derbuchwetter, gute Infrastruktur und eine Top-Organisation. Eine Werbung für den Berglauf, den Berg-Marathon sowie den Tourismus. Mit diesem Erfahrungs-schatz im Hintergrund wird es für die Verantwortlichen mit dem neuen OK-Präsidenten Olivier Andenmatten und der langjährigen Geschäftsführerin An-drea Schneider an der Spitze sowie den unzähligen Helfern auch diesmal wieder gelingen, eine würdige internationale Meisterschaft zu präsentieren.

Die Berglauf-EM wird am Sonntag, den 6. Juli, auf einer etwa 10 bis 12 km langen Strecke und einem Höhenunter-schied von rund 1.000 m voraussichtlich von Zermatt auf den Riffelberg ausge-tragen. Die Details, auch die Strecke für die Junioren, standen bei Redakti-onsschluss noch nicht fest. Die traditio-nellen Läufe Marathon, Ultramarathon, Halbmarathon und Zweier Staffel finden wie gehabt am Samstag statt.

Ein Jahr bevor im Rahmen des Zer-matt Marathons mit der Europameis-terschaft die zweite internationale Meisterschaft ausgetragen wird, prä-sentierten die Organisatoren erneut eine Top-Veranstaltung, an der sich rund 2.500 Läuferinnen und Läufer aus 45 Nationen beteiligten. Da auch das Wetter gute äußere Bedingungen bescherte, kann man von einer ge-lungenen Generalprobe sprechen.

Von Winfried Stinn

Alexandra Hagspiel verteidigte ihren Podestplatz über die Ultrastrecke von 45,6 km. Foto: Stinn

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Jakob Ingebrigtsen, der 17-jährige Schüler aus dem norwegischen Sandnes, gewann zunächst über

1.500 m in einem interessanten takti-schen Rennen der drei Brüder Ingebrigt-sen. Henrik war 2014 Europameister, Filip 2016 und nun wurde es der jüngste Bru-der Jakob in 3:38,10 min. Abgeschirmt von seinen Brüdern war er im Endspurt dem Polen Marcin Lewandowski überle-gen, leichter als es der Zeitabstand von 0,04 sec ausdrückt. Titelverteidiger Filip Ingebrigtsen, der im Vorlauf schwer ge-stürzt war, sich eine Rippe brach, lief nicht voll durch und wurde 12., hing aber den lustlos laufenden Frankfurter Homiyu Tesfaye noch glatt ab. Den Ingebrigt-sens kam zugute, dass es diesmal kei-nen 5.000-m-Vorlauf gab. So konnte sich Bruder Henrik noch Silber über 5.000 m sichern, Bruder Filip fehlte verletzt.

Jakob zeigte dabei, was in ihm steckt, als er die letzten 400 m in 54,5 sec spur-tete und seinen Bruder Henrik zu Silber mitzog. Trainiert werden die Ingebrigt-sens vom Vater, einem Autodidakten. Der Jüngste sei der beste Läufer, erzähl-te der Senior treuherzig, weil er aus den Fehlern mit den beiden Älteren gelernt habe und fügte hinzu, es gebe noch ei-nen vierten Sohn, der sei fünf und lau-fe auch schon. Amdouni, französischer Crossmeister, geboren auf Korsika und nun 10.000-m-Europameister, hat den Doppelstart als Dritter ebenso gut ver-kraftet wie Yemaneberhan Crippa aus Italien (3./4.).

Was wäre gewesen wenn, fragt man sich da, wenn… Richard Ringer startete mit der weißen Startnummer des Jah-resschnellsten über 10.000 m. Schon nach wenigen Runden sah das geschul-te Auge, dass da nichts rund lief. Bei ca. 7.000 m stieg Ringer aus. Leicht erkrankt hatte er auf die DM in Nürnberg verzich-tet, scheinbar sehr gut vorbereitet mit Trainingsaufenthalten in Dullstroom, Monte Gordo, Flagstaff und St. Moritz. Am 23. Juli streikte die rechte Wade, eine erste Diagnose nach MRT hieß: Muskel-bündelriß. Ringer pausierte und fuhr auf der Hinreise zum Abschlusstraining in Kienbaum zur Charite nach Berlin, wo nur eine Überlastung festgestellt wurde. Acht Tage Laufpause und Behandlungen nutzten nichts mehr. Die Wade meldete sich. „Zum ersten Mal seit 1999 und 407 Rennen musste ich aufgeben“, klagte der Friedrichshafener, der dann auch zu den 5.000 m nicht antreten konnte.

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LA-EM - Lang- und Mittelstrecken Was lief

Jakob im Glück, Richard im PechTraditionell bilden bei internationalen Meisterschaften die 10.000-m-Läufe am Abend den Auftakt. Dies ermöglicht die beliebte Kombination mit den 5.000 m am Schlusstag. Der Franzose Morhad Amdouni, in London beim Europacup noch ge-schlagen vom Deutschen Richard Ringer, gewann zunächst dienstags bei großer Hitze die 10.000 m in 28:11,22 min und samstags die Bronzemedaille über 5.000 m. Dort war Jakob Ingebrigtsen sogar mit Junioren-Europarekord von 13:17,06 min erfolgreich bei einer schwierigeren und selteneren Kombination: 1.500 m mit Vor- und Endlauf und nur einen Tag später 5.000 m.

Kurios: Zweimal wähnten sich deut-sche Langstrecklerinnen auf Platz 5, einmal Alina Reh über 10.000 m und dann auch Konstanze Klosterhalfen über 5.000 m und wurden nachträglich jeweils Vierte. Im Fall von Alina, die sich mit traumhaftem Gefühl von Rängen 6-7 erst hinter der später schwächeln-den Ex-Europameisterin Sarah Moreira aus Portugal bewegte und weiter vor-wärts marschierte, war zunächst eine überrundete Ukrainerin vor ihr gesehen worden. Der Abstand zur israelischen Siegerin Lonah Salpeter (31:43,29 zu 32:28,48 min) war nicht zu groß für das erst zweite Rennen über die 25-Runden-Distanz (siehe auch Interview Seite 8). Ganz so heiß war es im 5.000-m-Finale am Sonntag nicht mehr. Hier lief die Rekonvaleszentin Konstanze Kloster-halfen im zweiten Rennen nach ihrem Ermüdungsbruch wie auch Reh ein konservatives Rennen. Die zeitweilige Tempomacherin und spätere Zweite Ei-lish McColgan war von „Koko“ bereits mehrfach besiegt worden, doch in der letzten Runde konnte sie nicht mithal-ten. Sifan Hassan aus Holland war nicht zu schlagen. Vier Wochen zuvor war sie in Rabat Europarekord mit 14:22,34 min gelaufen und sicherte sich ihren ersten internationalen Titel. Auf der Leuchtta-fel sah man zunächst hinter der Titel-verteidigerin Yasemin Can die 10.000-m-Siegerin Salpeter in 15:01,00 min. Später wurde diese ebenso wie die Ös-terreicherin Nada Pauer (ca. 15:54 min), vor Denise Krebs (16:07,98) einlaufend, disqualifiziert. Beide sollen, was bestrit-ten wurde, bei der unübersichtlichen Startaufstellung zu früh nach innen ge-schert sein.

Der erneute EM-Sieg von Gesa Fe-licitas Krause über 3.000 m Hindernis (siehe Rücktitel) wurde von den Medien gebührend gefeiert. Im 200-m-Endspurt flog sie nach verhaltenem Beginn über Hindernisgraben und letzte Hürde und besiegte die Tempomacherin Fabienne Schlumpf (Schweiz) und Geheimfavo-ritin Grövdal in passablen 9:19,80 min. Über 1.500 m setzte sich die Favoritin Laura Muir durch, weil Hassan den Dop-pelstart nicht wagte. Über 800 m der Männer glänzte Titelverteidiger Adam Kszczot aus Polen mit seinem dritten EM-Titel in 1:44,59 min. Dort blamierten sich alle drei Deutschen mit Vorlauf-Aus nach taktischem Ungeschick. M.St.

10.000-m-Finale bei 9.600 m mit Sieger Amdouni (Frankreich) und Bashir Abdi schon vorne.

Richard Ringer schon früh angeschlagen. Fotos (2): Mast

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Die Stadt hat als Active City wieder einmal eine starke Visitenkarte abgegeben“, lobte Oliver Schiek,

Direktor der Ironman Germany GmbH, die Sportstadt Hamburg und gleichzei-tig auch die Initiative des Senats. 10.500 Jedermann-Triathleten und über 100 Profis schwammen in der Alster, fuh-ren auf dem Rad entlang der Elbe und liefen bei strahlendem Sonnenschein durch die autofreie Stadt an der Alster. Die Sprint- (500 m Schwimmen, 20 km Radfahren, 5 km Laufen) und die olym-pische Distanz (1,5 km Schwimmen, 40 km Radfahren, 10 km Laufen) wurden angeboten. Enthusiastische Zuschauer schrien, klatschten und trieben jeden Teilnehmer auf den letzten Metern an. Insgesamt ist der HWWT der größte Dreikampf der Welt oder eben „The big-gest Tri“ wie er von ausländischen Ath-leten gerne genannt wird.

Ein historischer Hattrick gelang dabei dem Mallorquiner Mario Mola. Zum dritten Mal in Folge siegte er, diesmal in 53:24 min. Beim Schwimmen traf ihn der Fuß eines Kontrahenten im Gesicht und hinterließ einen blutigen Cut: „Das gehört dazu.“ Lasse Lührs, der in Wingst im Landkreis Cuxhaven aufwuchs und jetzt in Alicante, Spanien, lebt und trai-niert, kam als bester Deutscher in 54:35 min auf Rang 29. Beim Wechsel vom Rad zum Laufen lag er noch vor Mola. „Ich habe alles gegeben. Deshalb bin ich zufrieden. Zur Weltspitze fehlt halt noch ein bisschen.“ Er belegt jetzt Platz 68 (vorher 77.) der Weltrangliste.

LINDEMANN SENSATIONELL ZWEITE Ganz anders Laura Lindemann. Sie ist bereits dort angekommen, wo Lührs

noch hinwill. Und was für ein Rennen lieferte sie erneut ab! Auf den 750 m schwamm sie noch hinterher: 32. Beim Wechsel auf das Fahrrad hätte Linde-mann ihre Schwimm-Utensilien fast neben den Korb geworfen und riskierte so eine Zeitstrafe. Nach 21 km auf dem Rad kam sie nur schwer in ihren zwei-ten Schuh und startete den 5 km-Lauf auf Platz 25. Fast die gesamte Weltelite sammelte die Sprint-Europameisterin ein inklusive der Weltranglisten-Füh-renden, Katie Zaferes aus den USA und Vorjahressiegerin Flora Duffy von den Bermudas. Silber gewann sie in 58:36 min auf dem blauen Teppich vor dem Rathaus. Ihr bisher größter Erfolg. „Die Stimmung war unglaublich. Die Zuschauer haben mich über die Stre-cke getragen“, schwärmte Lindemann. Durch dieses Rennen verbesserte sie sich nach sechs von acht Rennen der WM-Serie von Platz 10 auf Platz 6 der Weltrangliste und freute sich über eine Prämie von € 12.000 Dollar. Mitte Sep-tember findet das Finale an der Ostküs-te Australiens in Gold Coast statt.

Lindemann ist auch die einzige Hoff-nungsträgerin der Deutschen Triathlon Union. Den übrigen Kaderathleten ge-lang erneut kein Rang unter den Top-25. Für die Europameisterschaften im schottischen Glasgow auf der doppelt so langen Olympischen Distanz galt sie somit als die einzige Medaillenkandida-tin.

Siegerin wurde die Französin Cas-sandre Beaugrand (58:06 min). Im Vorjahr war vor dem Rathaus eine Holzrampe eingebrochen und sie lan-dete im Krankenhaus. Im Ziel konnte sie ihr Glück kaum fassen: „Ich wollte

Man hatte das Gefühl, den Ham-burgern gelang an diesem Wochen-ende des 14. und 15. Juli 2018 das Kunststück, alle Events gleichzei-tig zu bedienen. Im Fernsehen die Finalspiele in Wimbledon und bei der Fußball-WM, den Schlagermo-ve durch St. Pauli, Helene Fischer zweimal in concert und dann auch noch den 17. Hamburg Wasser World Triathlon in der Innenstadt. Hier alleine lagen die Schätzungen bei 250.000 Zuschauern. Der Sport-platz Innenstadt lebte und bebte einmal mehr in Hamburg.

Von Boris Bansemer

die Revanche. Es war unglaublich. Zu viele Gefühle. Und das auch noch am französischen Nationalfeiertag. Ich bin überglücklich.“

Einmal mehr Höhepunkt der Veran-staltung war die spektakuläre Mixed-Staffel-WM zum Abschluss am Sonn-tagnachmittag. Bereits zum sechsten Mal wurde sie als Weltmeisterschaft in Hamburg ausgetragen. 21 Nationen-Teams traten mit je zwei Frauen und zwei Männern in einem Supersprint-Triathlon gegeneinander an.

Das deutsche Quartett mit Laura Lin-demann, Potsdam (übergab in Führung liegend!), Jonas Schomburg, Hannover, Anja Knapp, Dettingen und Jonas Brein-linger, Saarbrücken kam als Sechste ins Ziel. Nach 300 m Schwimmen, 7 km Radfahren und 1,7 km Laufen blieb die Uhr bei 1:21:29,7 h stehen. Vier Plätze besser als noch einen Monat zuvor in Nottingham, England. Frankreich sieg-te mit Einzelsiegerin Cassandre Beau-grand auf Position 3 in einer Zeit von 1:20:06 h. Australien, USA, Großbritan-nien und die Niederlande belegten die folgenden Plätze.

2020 ist der Staffelwettbewerb erst-mals olympisch. Die Top 7 sind gesetzt und erhalten ebenfalls vier Einzel-Start-plätze.

Die Elite der Triathleten ist voll des Lobes über das Hamburger Event. „Hamburg ist ein spezielles Rennen, das sich aus einem spektakulären Kurs und tollen Zuschauern zusammensetzt. Welche Stadt hat schon einen See ge-nau in der Mitte?“, resümierte der Bri-te Jonathan Brownlee. Er belegte am Triathlon-Wochenende zweimal Platz 4, im Einzel und in der Staffel.

Lasse Lührs war beim WTS-Rennen in Hamburg bester Deutscher, aber während der EM in Glasgow verletzt. Foto: DTU

The biggest Tri

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BahnKlosterhalfen SechsteDiamond League Birmingham/GBR (18.8.)Beim letzten Durchgang der Diamond League in Birmingham vor den Finals in Zürich und Brüssel gab es einen bemerkenswerten deutschen Sieg im Speerwurf durch Andreas Hofmann (89,82 m). Die deutschen Langläufer waren über 3.000 m der Frauen durch Konstanze Klosterhalfen als 6. in 8:41,37 min und durch Elena Burkard als 9. in PB von 8:45,43 min gut vertreten. Im Meilenlauf wurde Timo Benitz 13. in 3:59,86 min. Spektakulär war der 800-m-Lauf, wo die besten Kenianer mit Emmanuel Korir an der Spitze in 1:42,79 min die besten Europäer aus Polen auf die Plätze 5-6 verwiesen.Männer: 800 m: 1. Emmanuel Korir, KEN 1:42,792. Jonathan Kitilit, KEN 1:43,533. Elijah Managoi, KEN 1:44,154. Ferguson Rotich, KEN 1:44,445. Marcin Lewandowski, POL 1:44,756. Adam Kszczot, POL 1:44,977. Jake Wightman, GBR 1:45,00Meile: 1. Stewart McSweyn, AUS 3:54,602. Ryan Gregson, AUS 3:55,103. Paul Chelimo, USA 3:55,9613. Timo Benitz, GER 3:59,863.000 m Hindernis: 1. Conseslus Kipruto, KEN 8:14,332. Chala Beyo, ETH 8:14,61Frauen: 1.000 m: 1. Laura Muir, GBR 2:33.922. Renelle Lamote, FRA 2:34,48.1.500 m: 1. Sifan Hassan, HOL 4:00,602. Gudaf Tsegay, ETH 4:01,033. So�a Ennaoui, POL 4:02,063.000 m: 1. Agnes Tirop, KEN 8:32,212. Lilian Rengeruk, KEN 8:33,433. Hellen Obiri, KEN 8:36,264. Eilish McColgan, GBR 8:38,495. Melissa Courtney, GBR 8:39,206. Konstanze Klosterhalfen, GER 8:41,377. Lonah Salpeter, ISR 8:41,379. Elena Burkard, GER 8:45,43

3 Medaillen für SlukaDM Jugend U20/U18, Rostock (27.-29.7.) Eine Woche nach den Aktiven stand im Leichtath-letikstadion Rostock die DM der Junioren U20 und U18 an. Einige Titelträger hatten bereits international Erfahrungen und Titel sammeln können wie Lisa Oed zwei Goldmedaillen bei den U20-Europameisterschaf-ten. Zuletzt war sie Hindernis-Achte der U20-WM ge-worden. Nun schraubte sie im Meisterschaftsrennen über 3.000 m ihre PB auf 9:35,90 min hoch, womit sie einen weitere Goldmedaille ihrer Sammlung hinzu-fügte. Silber sicherte sie sich über die 2.000 m Hürden. Der Sieg über diese Distanz ging an Josina Papenfuß, der ein Doppeltitel gelang: Auch über 1.500 m ließ sie unbeschwert laufend Pauline Meyer und Alina Schön-herr mit 4:29,20 min hinter sich. Bei den Junioren U20 kam über 5.000 m der Lokal-matador vom Fiko Rostock, Malte Propp, zum Sieg, wobei er den Dortmunder Mohamed Mohumed mit 15:39,05 min auf den Silberrang verweisen konnte. Der Vorjahrssieger über 800 m in der Wertungskate-gorie U18, Maximilian Sluka, triumphierte nunmehr in der U20 in 1:51,25 min. Silber sicherte Sluka noch in dem gemächlich angegangenen 1.500-m-Rennen hinter dem U20-WM-Teilnehmer von Tampere, Jona-than Schmidt. Für Schmidt war es der dritte Titel in Fol-ge. Im Bereich U18 kam über 3.000 m der EM-Fünfte der U18 zum Titel: Clemens Erdmann zog das Tempo früh an und in Endspurt kam der mitgelaufene Julian Gehring nicht mehr vorbei. Über 3.000 m der Juniorin-nen blieb Anneke Vortmeier dem restlichen Feld als neue deutsche Meisterin unter 10 min (9:59,50) weit voraus. Sophia Volkmer setzte sich in 2.09,64 min ge-gen Lara Tortell durch. Männl. Jugend U20: 800 m 1. Maximilian Sluka, Halle 1:51,252. Tim Erdmann, Leipzig 1:51,493. Timm Assmann, Villingen 1.51,561.500 m: 1. Jonathan Schmidt, Dresden 4:05,022. Maxililian Sluka, Halle 4:06,753. Maximilian Pingpank Hannover 4:06,875.000 m : 1. Malte Propp, Rostock 15:39,052. Mohamed Mohumed, Dortmund 15:40,463. Hannes Burger, Buchendorf 15:41,052.000 m H.: 1. Nick Jaeger, Penzberg 5:48,65

2. Julius Hild, Hanau-Rodenbach 5:48,753. Velten Schneiders, Sindel�ngen 5:49,45Weibl. Jugend U20: 800 m: 1. Majtie Kolberg, Ahrweiler 2:10,852. Nele Weßel, Berlin 2:11,183. Alina Schönherr, Erfurt 2:12,08 1.500 m: 1. Josina Papenfuß, Westerstede 4:29,202. Pauline Meyer, Epe 4:31,043. Alina Schönherr, Erfurt 4:33,933.000 m : 1. Lisa Oed, Hanau-Rodenbach 9:35,902. Leandra Lorenz, Berlin 9:53,703. Karoline Lö�el, 9:55,57 2.000 m H.: 1. Josina Papenfuß, Westerstede 6:35,952. Lisa Oed, Hanau-Rodenb. 6:38,483. Leandra Lorenz, Berlin 6:50,17 Männl. Jugend U18: 800 m: 1. Timo Liedemit, Rostock 1:54,802. Tobias Rex, Erfurt 1.54,963. Nils Oheim,Halle 1:55,771.500 m: 1. Jonas Völler, Myhl 4:30,652. Jonas Just, Osterode 4:31,063. Nick Kämpgen, M´Gladbach 4:31,24 3.000 m: 1. Clemens Erdmann, Bielefeld 9.05,532. Julian Gering, Vogtland 9.07,573. Luca Sergio, Schalke 9.13,802.000 m H.: 1. Paul Feuerer, Passau 6:02,652. Max Grabosch, Hanau-Rodenbach 6:07,863. Sven Wagner, Mainz 6:11,78 Weibl. Jugend U18800m: 1. Sophia Volkmer, Wetzlar 2.09,642. Lara Tortell, Rendel 2.10,513. Anna Schall, Tuttlingen 2:12,301.500 m: 1. Verena Meisl, Mühlheim 4:38,012. Antje Pfüller, Karlsruhe 4:38,263. Lea Kruse, Schalke 4:39,70 3.000 m: 1. Anneke Vortmeier, Duisburg 9:59,502. Annasophie Drees, Löningen 10:13,443. Sophie Kretschmer, Aschersleben 10:13,761.500 m H: 1. Alisia Freitag, Esslingen 4:48,152. Paula Schneider, M´Gladbach 4:49,383. Katrin Marx, Merzig 4:54,35

Weltrekord pulverisiertDiamond League Monte Carlo/MON (21.7.)Hervorragende Bedingungen sorgten für überragende Leistungen im Mittel- und Langstreckenlauf. Höhe-punkt war der 3.000-m-Hindernislauf der Frauen, in dem die Kenianerin Beatrice Chepkoech mit 8:44,33 min den Weltrekord pulverisierte. Sie gewann mit fast 100 m Vorsprung vor der WM-Zweiten Courtney Frerichs, die mit 9:00,85 min einen Amerika-Rekord erzielte. Dritte wurde die Weltmeisterin von Peking 2015, Hyvin Kiyeng (Kenia) in 9:04,41 vor der Welt-meisterin von London, Emma Coburn. Sieben Läufe-rinnen blieben unter 9:10 min. Es war in Spitze und Breite der stärkste Hindernislauf der Frauen. So sehr ein Nachholbedarf der Frauen auf dieser Strecke be-

steht, muss man Dopingverdächtigungen diskutieren, wo gerade mit der für Bahrain startenden Kenianerin Ruth Jebet Weltrekord (8:52,78 min) wegen EPO-Verstoßes die Zulassung entzogen werden soll. Damit wäre der gültige Weltrekord die Zeit von 8:58,78 min durch Celliphine Cespol, die U20-Weltmeistein, die ebenfalls im Rennen war, jedoch als Zehnte in 9:12.05 min enttäuschte. Beste Europäerin war die Norwege-rin Caroline Gröndal als 11. in 9:18,3 min. Gegenüber diesen Leistungen verblassten sogar die 1:42,14 min von Nigel Amos aus Botswana, die 3:28:41 min von Timothy Cheruiyot aus Kenia in 3:28,41 min, die 7:58,15 min von Sou�ane El Bakkali aus Marokko über 3.000 m Hindernis und zuletzt auch der missglückte Angri� von Südafrikas Caster Seme-nya über 800 m in 1:54,60 min.Männer: 800 m: 1. Nigel Amos, BOT 1:42,14fünftschnellster Lauf aller Zeiten2. Brendan McBride, CSN 1:43,20Landesrekord3. Saul Ordonez, ESP 1;$3,5 LR4. Carnelius Tuwei, KEN 1;43,825. Jonathan Kitilit, KEN 1:43,916. Pierre Ambrose Bosse,FRA1:44,207. Joseph Deng, AUS 1:44,21 LR8. Marcin Lewandowski, POL 1:44,329. Peter Bol, AUS 1:46,6410. Alfred Kipketer, KEN 1:48,88 in der Zielkurve gestürztSplit: 400 m 48,97 (Abda)1.500 m: 1. Timothy Cheruiyot, KEN 3:28,412. Eliah Manangoi, KEN 3:29,943. Filip Ingebrigtsen, NOR 3:30,014. Jakob Ingebrigtsen, NOR, 17 J., 3:31,18 Junioren-Weltrekord 5. Ayanleh Souleiman, DJI 3:31,196. Brahim Kaazuzi, MAR 3:31,27. Matt Centrowitz, USA 3:31,778. Aman Wote, ETH 3:31,909. Chris O`Hare, GBR 3:32,1110. Jakob Holusa, CZE 3:32,4911. Charles Simotwo, KEN 3:32,7712. Jake Wigthman, GBR 3:33,913. Ferguson Rotich, KEN 3:35;26 Splits: 400 m 55 sec, 800 m 1:51 (Bram Som)3.000 m Hindernis: 1. Soufiane El Bakali, MAR 7:58,152. Evan Jager, USA 8:01,023. Conseslus Kipruto, KEN 8:09,784. Benjamin Kigen, KEN 8:09,985. Hillary Bor, USA 8:14,216, Abraham Kibiwott, KEN 8:17,40FRAUEN: 800 m: 1. Caster Semenya, RSA 1:54,602. Francine Nyionsaba, BDI 1:55,963. Goude, JAM 1:56,15 LR4. Ajee Wilson, USA 1:56,45 5. Habitam Alemu, ETH 1:5,716 . Rababe Ara�, MAR 1:57,4

7. Raveyn Rogers, USA 1:57,698. Charlene Lipsey, USA 1:58,42 Splits: 400 m (Semenya) 55,76, 600 m 1:25,41 3.000 m Hindernis: 1. Beatrice Chepkoech, KEN 8:44,33Weltrekord, (PB �ach 1.500 m 4:03, 3.000 m 8:28, 5.000 m 14:39)2. Courtney Frerichs, USA 9:00,85, LR3. Hyvin Kyeng, KEN 9:04,414. Emma Coburn, USA 9:05,065. Norah Jeruto, KEN 9:07,206. Peruth Chemutai, UGA 9:07,94 zuvor Dorcua Inzikuru 9:19,04/20057. Roseline Chepngetich, KEN 8:8,238. Winfried Yavi, BRN 9:10,7410. Celliphine Chespol, KEN 9:12,0511. Caroline Grövdal, NOR 9:18,36Splits: 1.000 m 2:55,23, 2.000 m 5:49,81, letzte 400 m 66, 8 sec)

5.000-m-Überraschungen118. Deutsche Leichtathletik-Meisterschaften, Nürnberg (21./22.7.)Um die letzten Tickets für die Europameisterschaft ging es bei den deutschen Meisterschaften im Nürn-berger Frankenstadion. Konstanze Klosterhalfen meldete sich über 1.500 m als Meisterin zurück nach Verletzung. Überraschungsmeister gab es über 5.000 m durch Sebastian Hendel, der damit nach den 10.000 m im Mai Doppelmeister wurde, allerdings jeweils ohne die Teilnahme von Richard Ringer sowie bei den Frauen durch Hanna Klein vor der wieder �tten Alina Reh. Siehe Bericht von Manfred Ste�ny.Männer: 800 m:1. Benedikt Huber, Regensburg 1:47,322. Christoph Kessler, Karlsruhe 1:47,603. Marc Reuther, Wiesbaden 1:47,704. Jan Riedel, Dresden 1:47,215. Julius Lawnik, Braunschweig 1:48,916. Christian von Eitzen, Rehlingen 1:49,127. Constantin Schulz, Cottbus 1:49,538. Denis Bäuerle, Schwarzwald 1:50,81Splits: 400 m 53,01 sec, 600 m 1:20,83 Reuther1.500 m: 1. Timo Benitz, Freudenstadt 3:53,432. Marius Probst, Wattenscheid 3:53,473. Homiyu Tesfaye, Frankfurt 3:53,534. Lukas Abele, Hanau 3:54,215. Sebastian Keiner, Erfurt 3:54,786. Jamie Williamson, Fürth 3:54,837. Maximilian Thorwirth, Düsseldorf 3:54,918. Karl Bebendorf, Dresden 3:55,01Splits: 400 m 63,33, 800 m 2:12,57, 1.200 m 3:16,015.000 m: 1. Sebastian Hendel, Vogtland 14:16,542. Florian Orth, Regensburg 14:16,893. Amanal Petros, Brackwede 14:16,964. Clemens Bleistein, München 14:17,535. Marcel Fehr, Schorndorf 14:17,836. Philipp Reinhardt, Jena 14:18,13

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Diamond League Monte Carlo: Beatrice Chepkoech hat in der Diamond League über 3.000 m Hindernis in 8:44,33 min einen neuen Weltrekord aufgestellt. Siehe auch Bericht. Foto: IAAF

Diamond League Birmingham: Emmanuel Korir lief Jah-resweltbestzeit und PB über 800 m in 1:42,05. Foto: IAAF

Aktueller Ergebnisteil S P I R I D O N 9/18

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Die Mutter aller Treppenläufe ist seit 1978 der Empire State Buil-ding Run Up in New York (86

Stockwerke, 1.576 Stufen). Towerrun-ning hat sich zu einer Trendsportart und eigener Subkultur in der Laufszene entwickelt. Weltweit gibt es rund 200 Treppenlauf-Events mit insgesamt über 100.000 Teilnehmern, die sich in Tür-men, Wolkenkratzern und auf Outdoor-Treppen in der Vertikalen austoben. Eli-tesportler reisen rund um den Globus, um berühmte Türme zu bezwingen und Punkte zu sammeln für den Towerrun-ning World Cup, ein Wertungssystem, sanktioniert von der Towerrunning World Association (TWA).

Gottes Dreiförmigkeit nannte Archi-tekt Helmut Jahn das 257 m hohe und 250 Mio € teure Wahrzeichen Frank-furts. „Ein Quadrat, ein Dreieck und ein Kreis, das ist alles, was Gott uns gab“, so die Entwurfsidee. Es entstand ein quadratischer Baukörper, aus dem sich ein zylinderförmiger Kern schält, der wiederum zu einer Pyramide zugespitzt ist. Auf einer Basis von nur 41 x 41 m bietet der Messeturm auf 63 Etagen Arbeitsplätze für über 3.000 Menschen. Die „Konkurrenz“ ist nur 2 m höher: Der Commerzbank Tower. Europas höchster Wolkenkratzer ist das Lakhta Center in St. Petersburg mit 462 m. Der Messe-turm steht auf Platz 15, ist jedoch Euro-pas höchstes Treppenrennen.

1.202 Stufen, 222 Höhen-meter, 61 Etagen, rechtsdre-hend – das sind die techni-schen Daten des SkyRun. „Die Treppen sind geputzt, das Treppenhaus gelüftet, über Tausend aus der ganzen Welt gemeldet, vier sogar aus der Mongolei angereist und drei rüstige Senioren starten in der M80“, verkün-dete Michael Lederer, Spiri-tus Rector des SkyRun, bei der Pastaparty am Vorabend. Lederer, ehemaliger Welt-rekordler in der 4x1.500-m-Staffel und Wirtschaftsbera-ter im benachbarten Tower 185, konnte wieder ein erle-senes Starterfeld vorweisen und mit einem hohen Spen-denerlös für die ARQUE die

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12. SkyRun Messeturm Frankfurt Was lief

Tower Run für jedermannTreppenläufe erfreuen sich weltweit steigender Beliebtheit - ein ultimatives ur-bane Abenteuer in der Vertikalen. Und nicht nur für Sportler gedacht, denen ebenerdig nicht mehr genug ist oder bei denen es geradeaus nicht so gut läuft. Treppenläufe sind die effektivste Trainingsmethode. In kurzer Zeit ist der Puls auf Anschlag, ohne dass der Bewegungsapparat orthopädisch stark belastet wird. Sozusagen ein Herz-Kreislauftraining erster Klasse. 31 Gebäude über 100 m Höhe gibt es in Frankfurt, im zweithöchsten wurde zum 12. Mal der SkyRun Messeturm Frankfurt ausgetragen.

Von Stefan Schlett

unglaubliche Erfolgsgeschichte dieses Events fortsetzen. Die ARQUE (ARbeits-gemeinschaft für QUErschnittsgelähm-te mit Spina bifida Rhein-Main-Nahe e. V.) vertritt die Interessen von Men-schen mit angeborener Querschnitts-lähmung.

Das Starterfeld von 1.040 Läufern teilte sich in 308 Einzelläufer, 95 Fir-menteams, 486 Feuerwehrleute in Drei-erteams und 151 Kinder von 6-12 Jah-ren in Fünferteams. Zugleich wurden die 7. deutschen Towerrunning-Meister-schaften ausgetragen. Start war direkt neben dem berühmten Hammermann in 10-sec-Intervallen. Firmenteams lie-fen im 30-sec-Abstand in die monoto-ne Einsamkeit der Treppenwelt und die Feuerwehr stürmte beim Fire-Fighter’s Cup jeweils zu dritt in voller Montur, teilweise mit Atemschutzgerät, die Trep-pen hoch. Die Kinder hatten ab der 31. Etage die zweite Hälfte zu bewältigen.

Dr. Christian Riedl (Erlangen) sicher-te sich mit 6:26,1 min bei seinem 10. Start zum SkyRun zum 6. Mal den Titel des deutschen Meisters im Towerrun-ning und verpasste seinen Strecken-rekord von 6:25,5 min denkbar knapp. Zweiter wurde der Österreicher Jakob Mayer (6:56,3 min), der am Vortag noch den Ulmer Münsterturmlauf gewonnen hatte. Rang drei und 2. Platz bei der

DM ging an Görge Heimann in 7:02,3 min. Bei den Frauen ge-wann Zuzanna Kielak aus War-schau in 9:26,7 min, deutsche Meisterin wurde Monica Carl (Welfen) in 9:28,5 min vor An-na-Lena Böckel in 9:30,2 min.

Neben den Firmenteams (1. DZ-Bank in 41:23,1 min) und den Rettungskräften (1. die Feuerwehr der SkyRockets Lank mit 37:58,9 min) gab Mi-chael Lederer auch zahlreichen Exoten eine Plattform. Haki Doku aus Mailand steuerte sei-nen Rollstuhl in einer Stunde 2.568 Stufen hinunter und der Schweizer Kevin Delcò balan-cierte die 1.202 Treppen in 51:48 min im Handstand abwärts. Elf Athleten wollten es in der Kate-gorie „MultiClimber“ mehrfach wissen. Dabei meisterten der

Frankfurter Michael Herms und Stefan Schlett (Kleinostheim) als Kletterpartner gleich 15 Aufstiege und hatten damit jeweils 3.330 Höhenmeter, 915 Etagen und 18.030 Stufen in den Beinen.

Treppensteigen fördert einen gesun-den Lebensstil, schärft den Sinn für die Nutzung im täglichen Leben und kann bis ins hohe Alter betrieben werden. Dies bewies Bernd Zürn aus Flörsheim, der erster deutscher Meister in der M80 wurde und den Messeturm gleich fünf Mal bezwang (schnellster Durchgang in 12:37,8 min).

43.000 € standen am Ende auf dem Spendenkonto für die ARQUE. Zu den Anmeldegebühren der Firmen und Feu-erwehr kamen zahllose Spendengelder. Die Mischung aus Charity und Spitzen-sport ist in dieser Form in Deutschland einmalig. Warum gibt es nicht mehr Treppenläufe in der Bankenstadt? Infos: www.skyrun-messeturm-frankfurt.comwww.towerrunning.com

Relativ frisch vor dem Ziel die polnische Siegerin Zuzanna Kielak. Fotos(2): Carlo Ackermann

Sieger Christian Riedl aus Erlangen hat die Strecke noch vor sich und wird Deutscher Meister.

Messeturm Frankfurt

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Die meisten Starter hatte wieder einmal der 10-km-Lauf zu ver-zeichnen. Kurz nach 9.00 Uhr wur-

den im Schatten der Porta Nigra nahezu 1.000 Sportlerinnen und Sportler auf die Rundstrecke geschickt. Bestimmten oft-mals ausländische Athleten aus Afrika und Osteuropa vornehmlich die Rennen, konnten sich in diesem Jahr viele lokale Läufer in die begehrte Siegerliste eintra-gen. Mit Alexander Bock (LC Rehlingen) war ein bekannter Athlet am Start, der im Trikot des PST Trier schon oftmals ganz vorne dabei war. Im Trikot seines neu-en Vereins gelang dem in Saarbrücken wohnhaften, 25-jährigem Bauingenieur nun endlich einmal ein Sieg. Er wusste sich gegen den Luxemburger Christo-phe Kass in 32:21 gegenüber 32:24 min

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35. Trierer Stadtlauf Was lief

Neue Wettbewerbe garnieren das AngebotIn der ältesten Stadt Deutschlands

fand der schon so lange erfolgrei-

che Trierer Stadtlauf statt. Vor Jah-

ren stagnierten die Teilnehmerzah-

len. Neue Wettbewerbe wie der

Firmen- und Publikumslauf über 5,4

km ließen die Meldezahlen wieder

ansteigen. Der Veranstalter zeigte

sich bei der 35. Auflage mit 3.830

Meldungen sehr zufrieden.

durchzusetzen. Riesengroß die Freu-de des Drittplatzierten, Tim Dülfer (PST Trier), der in neuer persönlicher Bestzeit von 33:06 min die Ziellinie überlief.

Martine Mellina (LUX) stand das ers-te Mal an der Startlinie. Die Lehrerin aus dem Großherzogtum ließ sich zu keiner Zeit des Rennens das Heft aus der Hand nehmen. In guten 36:56 min siegte sie vor Charlotte Schlund (LT Schweich). Beachtenswert die Leistung von Heidi Schneider (FSV Ralingen) in der W60. Die Halbmarathon-Europameisterin des Jahres 2007 von Regensburg hatte zwi-schenzeitlich die Laufschuhe eigentlich schon an den berühmten Nagel gehängt. Im Zielinterview erklärte sie, dass sie für die 35. Auflage eine Ausnahme gemacht habe.

ATTRAKTIVER KURS

Auch im Halbmarathon fanden sich ca. 900 Starter ein. Der schnelle Zweirun-den-Kurs erfreut sich bei den regionalen Läuferinnen und Läufern nach wie vor großer Beliebtheit. Mit Demeke Wosene war der Vorjahressieger am Start. Der gebürtige Äthiopier, der bei der LG Rüs-selsheim bestens betreut wird, war auch beim kleinen Jubiläum mit 70:01 min der klare Dominator. Auf Rang 2 dann schon der heimische Christoph Gallo. Der Land-wirt aus der Eifel sicherte sich in 71:53 h klar Rang 2 vor dem Bestzeit laufenden Martin Müller (LG Meulenwald Föhren),

Die 10-km-Läufer passieren das mittelalterliche Maximilienstift. Mittig die spätere Siegerin Martine Mellina.

Halbmarathon: In der Glockenstraße der Trierer Alt-stadt versuchen Christoph Gallo und Martin Müller Anschluss zu halten an den Führenden, Demeke Wosene. Fotos(2): Horst Steffny

der sich über seine 1:13:01 h sehr freute.Als ich mich als Moderator auf den

Lauf vorbereitete, stolperte ich sehr schnell über den Namen Yvonne En-gel (LT Schweich). Hinter Yvonne Engel steckte die gebürtige Yvonne Jungblut. Hiermit stand für mich eine der Favoritin-nen fest. Und sie enttäuschte nicht. Von ihrem Ehemann Dirk gut eingestellt sieg-te sie in 1:23:45 h vor Katharina Rasuch, (LA Team Saar), die immer nahe an ihr dran war, und nach 1:24:01 min die Ziel-linie als Zweite überlief. Mit aufs Podium zu kommen gelang Irene Winkemann (TG Aachen), die mit 1:26:27 h zufrieden war, nachdem sie vor ca. 15 Jahren als Schülerin schon einmal in Trier am Start war. Ihr Onkel Herbert Weiss-Mertesdorf - Weingut Erben von Beulwitz - lief die 10 km locker mit und freute sich natürlich über den Erfolg seiner Nichte, die am 29. Oktober beim Mainova Frankfurt Mara-thon versuchen möchte, ihre bisherige Marathonbestzeit von 2:56 h zu verbes-sern. Sie ist übrigens bei der NADA be-schäftigt.

Die anschließenden Wettbewerbe sorgten für viel Stimmung vor der Porta Nigra. Auch diesmal war dar Bambini-Lauf der Höhepunkt. „Im Sauseschritt“ rannten die Kids an Eltern, Opa und Oma und allen, die sie frenetisch anfeuerten, vorbei. Mehr Stimmung kann es kaum geben, ein Laufereignis für jedermann. Artur Schmidt

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Traditionell werden von den drei Hauptwettbewerben die Aktiven des Halbmarathons bei ihrem re-

lativ kurzen Weg von Oberhof als erste im Ziel in Schmiedefeld erwartet. Sie stellten erneut das größte Kontingent und so konnten die beiden langjäh-rigen Sprecher Petra Kühn und Siggi Weibrecht gleich einen alten Bekannten begrüßen: Samsom Tesfazghi wieder-holte souverän seinen Vorjahressieg, kam infolge einer kleinen Streckenän-derung mit 1:13:02 aber nicht an seine 2017er Zeit heran. Doch so groß wie in diesem Jahr waren die Abstände lan-ge nicht - 1:44 min bzw. 4:10 min auf die nachfolgenden Plätze sind beim Halbmarathon unüblich. Tom Thurley aus Potsdam, nach drei dritten Plätzen nun auf Rang zwei vorgestoßen, sah dies weniger kritisch. „Jeder ist sein eigenes Rennen gelaufen, aber gegen den Mann aus Eritrea hat wohl derzeit niemand eine Chance.“ Das konnte Be-treuer Frank Jäger vom SV Sömmerda gern bestätigen: „Samsom ist jetzt vier Jahre in Deutschland und noch längst nicht am Ende seiner Möglichkeiten, vielleicht läuft er ja demnächst auch mal den Marathon.“

Ihren Halbmarathon-Sieg konnte ebenso die Berlinerin Anne Barber in

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46. GutsMuths Rennsteiglauf Was lief

Neuschwander bekam die zweite Luft15.871 Aktive auf den verschiedenen Laufstrecken sowie Dutzende Wanderer gingen bei strahlendem Sonnenschein bei der 46. Auflage des GutsMuths-Renn-steiglaufs an den Start und stürmten das Ziel im beschaulichen Schmiedefeld. Unter den Teilnehmern gesichtet wurden auch Thüringens Ministerpräsident und Schirmherr Bodo Ramelow als Wanderer und Innenminister Georg Maier, der be-reits zum vierten Mal den Halbmarathon bewältigte: „Doch ich kannte diesen Lauf schon vor dem Ministeramt aus meiner Heimat am Bodensee.“ Lange Spannung kennzeichneten den langen Kanten über 73,9 km, ehe sich Neu-ling Florian Neuschwander (Frankfurt) noch klar absetzte und in 5:14:13 h gewann. Umso deutlicher siegte Daniela Oemus im Supermarathon und legte mit 5:50:23 h eine neue Rekordzeit vor. Beeindruckend war auch der dritte Sieg für Nora Kuste-rer im Marathonlauf in 2:56:23 h.

Von Dietmar Knies

1:24:57 h eindrucksvoll verteidigen. Aber auch hier stellt sich die Frage: war die 30-Jährige so stark oder die Kon-kurrenz so schwach? Fast vier Minuten

auf Rang zwei (Tinka Uphoff) sprechen eine deutliche Sprache. Dabei betreibt Anne den Laufsport eigentlich nur „aus Spaß an der Freude“ und ist stolz, dass sie auch diesmal wieder Mutter Elke, Vater Gunnar und Schwester Tina die Hacken zeigen konnte. Ihr Start hing al-lerdings bis zum Vortag am berühmten seidenen Faden: ihre postalische Mel-dung für den Freistart (den bekommt jeder Sieger für das folgende Jahr) war beim Organisationsbüro nicht ange-kommen - doch man löste den Fall ganz unkompliziert. Im geschlagenen Feld übrigens, aber dennoch sehr zufrieden: Vierfach-Siegerin Nicole Kruhme, die ihre gesundheitlichen Probleme offen-bar überwunden hat.

DRITTER SIEG FÜR NORA KUSTERERBeim in Neuhaus gestarteten Mara-

thon, da waren sich die Experten einig, geht der Sieg nur über Marcel Krieg-hoff, dem Sieger der letzten beiden Jahre. Bis km 36 sah auch alles nach ei-nem Hattrick des Thüringers aus, doch dann schwanden seine Kräfte, und er machte unfreiwillig den Weg frei für Sebastian Nitsche aus Leipzig, der das Rennen noch sehr deutlich in 2:42:53 h gewann. Der Vorjahreszweite hatte bei seinen bisherigen Teilnahmen schon alle Plätze von zwei bis sechs belegt und krönte seine „Rennsteiglaufkarrie-re“ nun endlich mit einem Sieg. „Damit hatte ich nach mehreren Wochen Trai-ningsausfall nun wirklich nicht gerech-net!“, fühlte sich der Lehrer für Sport und Geographie am Ziel seiner Träume, während der sich tapfer durchkämpfen-de Krieghoff nach Rang drei kundgab: „Das war mein bisher schwerster Wett-kampf.“

Bei den Frauen eine ähnliche Kons-tellation, denn auch hier galt Nora Kus-terer, die Siegerin von 2015 und 2017, als große Favoritin. Sie hatte extra auf ihren Lieblingslauf, den Leipzig-Mara-thon, verzichtet und sich auf den Renn-

Marathon-Sieger Sebastian Nitsche. Foto: Knies

Die Top-Favoriten des Ultras noch Seite an Seite: v.l. Neuschwander, Merrbach, Justus und Schulze. Daniela Oemus schon früh in Front. Fotos(2): Veranstalter

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Grenzen überschreiten, Grenzerfahrungen machen oder seine Grenzen kennenler-nen – welcher Läufer kennt das nicht, egal

in welcher Leistungsklasse. Eine Grenzerfahrung der ganz anderen Art machte jetzt eine junge französische Läuferin namens Cedalla Roman und sorgte damit für weltweite Schlagzeilen. Die Geschichte begann ganz harmlos mit einem Lauf am Strand des Pazi�ks im kanadischen White Rock, wenige Kilometer südlich von Vancouver.

Roman, zu Besuch bei ihrer in Kanada leben-den Mutter, war am Abend losgelaufen und hatte bei Eintritt der Dämmerung einige Fotos von der landschaftlich schönen Szenerie gemacht, wie die englische Tageszeitung „Guardian“ später be-richtete (junge Leute laufen eben mit Handy…). Vielleicht ging dabei ein wenig die Orientierung und Aufmerksamkeit verloren? Oder stimmt es, dass wie die be-reits erwähnte Zeitung schrieb, die Grenze hier nicht markiert ist? Unbewusst „reiste“ Roman laufend in die Vereinigten Staa-ten ein und hätte es vermutlich selbst gar nicht bemerkt, wäre sie nicht bald darauf von der US-Grenzpolizei angehalten wor-den.

„Ich habe mir gesagt, naja, vielleicht habe ich die Grenze überquert - wahrscheinlich bekomme ich dafür eine Geldstrafe, oder sie bringen mich zurück nach Kanada, oder ich bekomme eine Verwarnung“, berichtete Roman später gegenüber dem Sender CBC. Aber weit gefehlt, illegale Einreise ist nicht erst seit der Präsidentschaft von Donald Trump kein Kavaliersdelikt in den USA. Auch nicht, wenn man in kurzen Laufhosen am Strand daherkommt. Ob Ausweispapiere die Französin gerettet hätten, weiß man nicht. Sie hatte jedenfalls keine bei sich. Vielleicht wä-ren sie nützlicher als das Handy gewesen. Unter dem Vorwurf illegal eingereist zu sein, wurde sie festgenommen und das rund 200 km südlich gelegene „Tacoma Northwest Detention Center“ gebracht, einem Au�anglager der „Homeland Security“ des Staates Washington. Spätestens hier muss für die Betro�ene aus der skurrilen Anekdote ein Alptraum geworden sein. Der sich dann aber mehr als zwei Wochen fortsetzte. So lange dauerte das bürokratische Gezerre, obwohl die Mutter aus Kanada bald-möglichst den Pass ihrer Tochter vorgelegt hatte und das Ganze o�ensichtlich ein Irrtum war.

Jeder, der die Grenze illegal überquere, werde verhaftet, hieß es seitens die US-Behörden später humorlos und so zwar völlig unabhängig davon, ob dies absichtlich oder versehentlich ge-schehen sei.

So wurde aus einem gemütlichen Trainingsläufchen eine über zweiwöchige Abwesenheit und eine Geschichte, die nicht nur hierzulande kein Nachrichtenportal ausließ. Wobei in man-cher Redaktion schon seltsames herauskam. Bei Spiegel-Online etwa hieß es blumig, „Eigentlich wollte die junge Frau an die-sem Morgen nur am Strand joggen“ und ganze 10 Zeilen später ist es schon Abend: „Das Missgeschick ereignete sich am Abend des 21. Mai“. Es muss ein ganz besonderer Küstenabschnitt sein, dort zwischen Kanada und den USA, Grenzen und Zeiten schei-nen zu verschwimmen.

Nun mag die vorgenannte Geschichte extrem sein und uns auch weit weg erscheinen, sind wir in Europa in Zeiten des Schengen-Abkommens der EU-Staaten längst „grenzenloses“ Laufen gewöhnt. Ob man von Deutschland irgendwo nach Ös-terreich herüberläuft oder von Belgien nach Frankreich – je nach-dem wo man unterwegs ist, wird man es tatsächlich oft nicht bemerken. Nach einem Pass wird einen niemand fragen und in irgendeinem Au�anglager wird man auch nicht landen. Oder? Immer heftiger wird in Europa über die Zuwanderung und die Aufnahme von Flüchtenden gestritten, einzelne Länder drohen

unverhohlen damit, sich wieder abzuschot-ten und wieder Grenzkontrollen einzuführen. Wer dann dünn bekleidet, schweißnass und mit schwerem Atem über die Grenze kommt kann ein Läufer sein - oder ein Flüchtling. Wer keine Papiere hat, könnte Probleme bekom-men. Vielleicht ist das Erlebnis von Cedalla Roman doch nicht so weit weg.

*

Liegt es am Sommer, der vermeintlich nachrichtenarmen Zeit, in der es manche Meldung in die Medien scha�t, die sonst im Redaktions-Papierkorb gelandet wäre? Oder erleben Läufer wirklich dauernd etwas? In den vergangenen Wochen häufte sich Nach-

richten wie diese: „Jogger �ndet Schlange“. Je nach Land ist das aufregend oder alltäglich, in Deutsch-

land eher das erste. Ein Läufer im Kreis Lüneburg „fand“ eine amerikanische Kornnatter. Ungiftig, aber mit einem Meter Län-ge schon ganz stattlich. Man brachte das o�enbar ausgesetzte Tier später in ein Tierheim. Nur wenige Tage danach kam aus Pielenhofen in der Oberpfalz, nahe Regensburg, diese Nach-richt: „Ein Jogger hat auf einem Feldweg in der Oberpfalz eine Handgranate aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt. Der Mann war am Sonntag unterwegs, als er einen metallischen Gegen-stand am Boden entdeckte, wie die Polizei am Montag mitteilte. Der Läufer alarmierte daraufhin die Beamten. Nach Angaben von Spezialisten vor Ort handelte es sich um eine Handgranate der amerikanischen Streitkräfte ohne Zünder. Die Experten bar-gen die Granate und entsorgten sie“.

Wer viel unterwegs ist, entdeckt viel. Auch ekeliges. „Eine Gruppe von Joggern entdeckte im Kreis Hof im Wald zwi-schen Plösen und Plösenmühle die Reste von Tierkadavern. Ein unbekannter Täter hatte Schlachtabfälle eines Ziegenbockes, eines Schafes, eines Lammes und eines Schweines unerlaubt in dem Waldgebiet entsorgt. „Die Ohrmarken waren entfernt. “, meldete das Onlineportal „inFranken.de“.

„Unbekannte haben im Wald beim Tiefenbronner Kreuz-schlagweg einen alten Öltank entsorgt. Das Behältnis wurde am Sonntagmorgen von Joggern entdeckt. Er soll am Samstagmor-gen noch nicht dort gelegen haben.“, schreibt das „Mühlacker Tagblatt“ nur wenige Tage darauf.

Solcher Umweltfrevel ist, anders als Schlangen oder Handgra-naten, fast an der Tagesordnung. Jeder Läufer dürfte sich schon einmal über Sperrmüll im Wald oder Autoreifen am Wegesrand geärgert haben. In die Zeitung scha�t es so etwas eben nur im Sommer.

*

Joggende Polizisten haben aber ganzjährig eine Chance, den Charakter einer Meldung zu haben, besonders, wenn sie dies auf der Autobahn tun. Joggend und dann mit einem geborgten Fahrrad sind Polizisten zu einem Unfall auf der A7 in der Lüne-burger Heide geeilt. Die Polizeiinspektion Heidekreis berichtete, dass sich nach einem Au�ahrunfall in einer Straßenbaustelle der Verkehr derart staute, dass die Beamten mit dem Streifenwagen nicht mehr durchkamen. Sie liefen kurzerhand. Das muss wohl das Mitleid eines Autofahrers erregt haben, der ein mitgeführtes Klapprad anbot. Einer der beiden Polizisten gri� zu, der andere lief weiter bis zur Unfallstelle. Ein nicht ganz alltäglicher Auto-bahn-Duathlon.

Bleibt zu ho�en, dass der Rest des Sommers wieder mehr sportliche Geschichten schreibt.

Meldungen im Grenzbereichxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx

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Geschichte und Geschichten aus dem letzten Jahr-hundert. Diesmal 1954 bis1974. BUDAPEST 1954

Iharos mit 10 000 m Weltrekord. Am 16. und 17. Juli 1954 (Sonntag und Montag!) wurden im berühmten Nep Stadion die ungarischen Meisterschaften aus-getragen. Quasi im Vorprogramm traf die legendäre ungarische Nationalelf mit all ihren Stars in einem Länderspiel auf Polen. Die Fußballer wurden durch ein heftiges Gewitter gestört. Danach wurde als Hö-hepunkt der 10.000-m-Lauf über 25 Runden gestartet. Die Luft war schwer und dennoch waren die Bedin-gungen für die Läufer gut.

Sandor Iharos setzte sich mit einer flotten 66-sec-Runde sofort an die Spitze des Feldes. Leicht und locker zog der 24-jährige, 1,70 m große und 65 kg schwere Athlet seine Bahnen. Die übrige Konkurrenz waren lediglich Mitläufer. Nach 2:47,6 min absolvier-te er den ersten Tausender. Gleichmäßig die folgenden Runden, die dann zu einer sehr guten Durchgangszeit von 14:14,2 min nach 5.000 m führten. Das bedeutete, dass er gegenüber dem Weltrekord von Emil Zatopek einen Vorsprung von 12 sec hatte. Bis km 8 lief al-les wie am Schnürchen. Danach hatte er mit Seitenstichen zu kämp-fen, was ihn einige Sekunden kostete. Iharos war bekannt für sein außergewöhnliches Finish. Das blieb jedoch an diesem Tag aus.

Dennoch endete die letzte Runde mit einer 68er Zeit, die ihn zum neuen Weltrekord in 28:42,8 min führte. Als Zwischenzeit lief er noch einen 6-Meilen-Weltrekord von 27:43,8 min für die 9.656,06 m.

Die ganz großen Erfolge blieben Sandor Iharos verwehrt. Bei sei-nen zwei Olympiateilnahmen 1952 und 1960 hatte er noch nicht bzw. nicht wieder die Form der Jahre 1954/55. Den Spielen in Melbourne 1956 blieb er verletzungsbedingt fern. Was der wahre Grund für sei-nen Verzicht war, nahm er 1996 mit ins Grab. Unmittelbar vor den Spielen fand der ungarische Volksaufstand statt. Sein brillanter Trai-ner Mihaly Igloi - der auch Istvan Rozsavölgyi trainierte - nutzte die Chance, sich nach den Spielen in Australien in die USA abzusetzen und dort eine neue Karriere zu beginnen. Mit neuem Coach konnte Sandor nicht mehr an seine vorherigen Leistungen anknüpfen.

BERLIN 1968 Riesner läuft Meisterschaftsrekord. Die DLV-Marathon-Meister-

schaften am 31. August 1968 in Berlin standen unter einem beson-deren Stern. Erstmals gab es für die Olympischen Spiele in Me-

xiko kein gesamtdeutsches Team, sondern zwei Mannschaften. Entsprechend ambitioniert gingen die Top-Marathonläufer der damaligen Zeit an die deutschen Meisterschaften und der gleichzeitigen Olympiaausscheidung ans Werk. Alle verfügbaren Athleten stellten sich unter tropischen Temperatu-ren und hoher Luftfeuchtigkeit dem Starter. Zwei-mal musste die Strecke zwischen dem Momm-senstadion und zurück durchlaufen werden. Eine Mischung von erfahrenen und weniger Marathon-geübten Läufern nahm diese große Aufgabe in Angriff.

Mit Karl-Heinz Sievers (Preußen Krefeld), dem Meister der Jahre 1965 und 1967, traf ein Routinier auf den Debütanten Paul Angervoorth (Bayer 04 Uerdingen). Voll motiviert auch der heutige „Spi-ridon-Herausgeber“ Manfred Steffny und Friedel Wiggershaus aus Hagen, die das Rennen aufga-ben. Steffny hatte eine Woche zuvor einen Testlauf

für die Marathonspitze im Stundenlauf auf Asche klar gewonnen, sich jedoch Blasen zugezogen, die er aufschnitt und verklebte, doch sich beim Baden im Wannsee („dummerweise“) eine Blutvergif-tung zuzog. Erst kurz vor dem Lauf gaben die Ärzte „grünes Licht“ für einen Start.

Von einem großen Radfahrerpulk begleitet, liefen Riesner und Sievers Brust an Brust. Riesner wusste, dass er im Spurt kaum eine Chance gegen den Vorjahressieger hatte. So löste sich der Krefel-der bei km 38 von seinem Konkurrenten. Bei der 40-km-Marke hat-te Riesner dann einen Vorsprung von 10 sec vor Sievers. Dahinter der stark laufende Debütant Paul Angenvoorth und der Darmstäd-ter Hans Hellbach.

Riesner drückte weiter aufs Tempo. Die letzten 5 km waren in 16:23 min der schnellste Teilabschnitt des gesamten Rennens. Nach 2:20:54,6 h mit neuem Meisterschaftsrekord blieb die Uhr für den Berliner stehen. Die Fahrkarte nach Mexiko hatten er und Sievers in der Tasche. Manfred Steffny bekam jedoch vom DLV eine weitere Chance, sich für Olympia zu qualifizieren. Sein Mentor Dr. med. Ernst van Aaken veranstaltete kurzfristig einen Marathonlauf in Waldniel, den Manfred topfit mit hervorragendem DLV-Rekord von 2:17:13,8 h gewann. Er wurde neben dem Diskuswerfer Jens Rei-mers (Oberhausen) als letzter Olympiateilnehmer für Mexiko no-miniert!

JULI 1974 DDR-Marathonmeisterschaften mit Überraschung. 1974 wurden

die DDR-Marathonmeisterschaften in Weinböhla ausgerichtet. Die Schulsportgemeinschaft Weinböhla hatte die Meisterschaft im Ge-hen und Marathon hervorragend vorbereitet. Die Geher hatten 50 km zu bewältigen. Obgleich im Marathonlauf nicht alle Topathleten am Start – die Magdeburger Eckhard Lesse und Martin Schröder standen nicht in der Teilnehmerliste - fehlte es den Titelkämpfen nicht an Attraktivität.

Nach einem Blick in die Meldeliste konnte man Joachim Truppel (SC Chemie Halle) den erneuten Gewinn einer DDR-Marathonmeis-terschaft zutrauen. Zusammen mit Gerald Umbach und SPIRIDON-Mitarbeiter Dietmar Knies bildeten beide nach 20 km in 1:03:10 h das Spitzentrio. Für die Zuschauer war die Strecke besonders interessant, da die Läufer acht 5-km-Runden zurückzulegen hat-ten. Nach verhaltenem Beginn auf den ersten 10 km in 31:49 min gab es eine temposchnelle vierte Runde in 15:00 min. Das führte dazu, dass außer Umbach keiner dem Titelverteidiger Truppel mehr folgen konnte.

Truppel vom SC Motor Jena schien einem überlegen Sieg ent-gegenzulaufen. Auf den letzten zwei Runden geschah dann das Unerwartete! Bernd Arnhold (SC Chemie Halle) schob sich immer näher an Truppel heran, überlief diesen und siegte in sehr guten 2:16:13,2 h vor Gerald Umbach, der einen enttäuschten Truppel in 2:17:39 h noch auf Rang 3 verweisen konnte. „Erst nach der Hälf-te der Strecke kam ich so richtig ins Rollen. Hier in Weinböhla lief ich bisher immer meine Bestzeiten“, so der überglückliche Überra-schungsmeister 1974.

Artur blickt zurückKolumne Artur Schmidt Was lief

Von Artur Schmidt

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Sandor Iharos, hier links im Bild zu sehen, lief 1954 in Budapest Weltrekord über 10.000 m in 28:42,8 min und 1955 (unser Ar-chivbild) über 1.500 m in 3:40,8 in Helsinki. Rechts in weiß der spätere Weltrekordler Ist van Roszavölgyi. Foto: Yleisurheilu

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Übergeschwappt ist der Gute-nachtlauf mit 13 Terminen in 2018 auch schon in die Nach-

barländer Österreich und Schweiz. Seit Mai 2018 ist sogar Aarhus in Dänemark als 70. Austragungsstätte dazugekom-men.Auch dort ist es die magische Vollmondnacht, die den Treff taktet. Ob im Winter bei Mondschein oder in der Abenddämmerung der Sommermona-te - um 20.30 Uhr kommen das Läufer-rudel, Laufwillige und Neugierige, die zumeist über soziale Netzwerke vom Lauf in ihrer Stadt erfahren, an jeweils zentralen Treffpunkten zusammen. Und dann gehts im Laufschritt los, in den Teilnehmern angepasstem Tempo durch die Stadt und Parks, bis zu 10 km. Nicht nur, um anschließend endorphin-gesättigt gut schlafen gehen zu können. Der beiläufige Hauptzweck gilt dem Ziel, gegen die grausamen Missstände der Nutztierhaltung vorzugehen. Wer mitmacht - eine vorherige Anmeldung ist nicht nötig - gibt den als Leiter vor Ort eingespannten Vereinsmitgliedern von LgL wenigstens 1 €, der in den gro-ßen Laufen-gegen-Leiden-Pott fließt und später als Gesamtbetrag einer Tier-schutzorganisation überwiesen wird. „Unsere gemeinsame Runde ist kein Trainingslauf und hat auch keinen Wett-kampfcharakter, wir bleiben zusam-men“, erläutert Timo Vogelfänger, der Düsseldorfer Betreuer, den Charakter.

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Laufen gegen Leiden e.V. / Gutenachtlauf Was läuft

Bei Laufveranstaltungen fallen sie durch T-Shirts mit dem Schriftzug „Laufen ge-gen Leiden e.V.“ (LgL) oder Infoständen zum Thema vegane Ernährung auf. Der gemeinnützige Sportverein engagiert sich vornehmlich für den Tierschutz und verbindet das mit dem Laufsport. Mit dem Gutenachtlauf (5 - 10 km) hat der mittlerweile 350 Mitglieder starke Verein sein größtes Laufprojekt auf die Bei-ne gestellt. Einmal im Monat, immer zur Vollmondnacht, kommen dabei unter-schiedlichste Menschen zusammen, die ein Ziel unterstützen: Mit einer kleinen (Teilnahme-) Spende den Tierschutz in der industriellen Landwirtschaft voranbrin-gen. Der Treff wird derzeit in 70 Städten angeboten.

Von Nina Wille

Zurzeit stemmen 100 Vereinsmitglieder, zumeist selbst erfahrene Läufer, als Be-treuer das bundesweite Lauf-Netzwerk, welches aus der Mitte der Laufszene heraus entstand.

Das war im Jahr 2011, als den Läufer Marc Hofmann die Art unserer Massen-tierhaltung nachdenklich stimmte. Er will nicht mehr mitmachen beim Kon-sumwahn lebendiger Ware. Mit 35 Jah-ren beschließt er, generell auf tierische Erzeugnisse zu verzichten. Aufmerk-samkeit sucht und findet er auf Laufver-anstaltungen mit dem Slogan „Laufen gegen Leiden“. Als Marathonläufer und mehrfacher Ironman demonstrierte Hofmann, dass Leistungssport und Ve-ganismus einander nicht ausschließen. Der Slogan traf in der Laufszene einen Nerv, sodass auf die Aktion eines einzel-nen eine Vereinsgründung folgte. Dem Grundsatz folgen seitdem alle Mitglie-der des Vereins - sie leben vegan.

Heute besteht der ständig um Wei-terentwicklung bemühte Verein aus den drei Vorstandsvorsitzenden Viktoria Gie-sen, Martina Schmidt und Dieter Stein-hauer sowie ca. 350 Mitgliedern, die den Gutenachtlauf initiierten. Mit der wachsenden Anhängerschaft steigen auch Reichweite und Spenden. Gewon-nen werden konnten zuletzt Betreuer für Jena, Mettmann im Neandertal, Er-furt, Forchheim und Ebikon bei Luzern

Beim Gutenachtlauf ist jeder herzlich willkommen. Timo Vogelfänger (2. v.l.) führt die Gruppe durch den Düsseldorfer Südpark. Foto: Wille

...ob Sommer oder Winter, immer in der Vollmondnacht kommt das Läu-ferrudel zum Laufen gegen Leiden zusammen. Foto: Ben Alraum

Trikot zeigen: Beim Regensburg Marathon 2018 war mit Vereinsmitglied Cornelia Müller auch „Laufen gegen Leiden e.V.“ präsent.

Das Rudel heult in der Vollmondnacht

in der Schweiz. Und auch wenn Gute-nachtläufer in den einzelnen Städten noch meist in überschaubaren Gruppen unterwegs sind, konnten beim Lauftreff Ende April insgesamt 1.141,90 € an den Verein „Animals‘ Angels“ überreicht werden, der den Schutz der Tiere wäh-rend langer Transportwege vorantreibt. Beeindruckende 63.000 € für diverse Tierschutz- und Tierrechtsorganisatio-nen wurden bereits erlaufen.

Anschaulich und begehbar ist das unterstützte Projekt „Land der Tiere“. Ein „Lebenshof“ in Mecklenburg-Vor-pommern für ehemals in der Landwirt-schaft genutzte Tiere, vorgesehen als eine Bildungs- und Begegnungsstätte, die Interessierten und Schulklassen of-fen steht. Die Message ist klar: Die Hal-tung von Nutztieren muss artgerech-ter werden, die in Kauf genommenen Leiden sind nicht zu akzeptieren. Wer diesen Eindruck teilt, ist bei den Gute-nachtläufern bestens aufgehoben. Die Diskussion ist schon lange eröffnet und in vollem Gange. Eine Übersicht aller Termine und Städte mit Gutenachtlauf sind zu finden unter:www.laufengegenleiden.de.

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Als ich mit lockerem Schritt an den Feldwegen unserer Ortschaft an Kolonnen von parkenden Autos

vorbeijoggte und viele Menschen zum erhöht liegenden abgeernteten Kornfeld ausschwärmen sah, war ich kurz irritiert. Es war 21.15 Uhr, das Abendrot im Westen erhellte die Szene. Nie hatte ich hier auf dieser leichten rechtsrheinischen Erhö-hung zwischen dem Bergischen Land und dem Rheintal so viel Betrieb erlebt. Dort wo ich morgens oft allein unter Vögeln der einzige Mensch auf meinem bevorzugten kleinen Wendepunktkurs war. Nicht nur das. Es war ganz anders als bei ähnlichen Massenau�äufen in der Natur wie etwa bei der zufällig zur gleichen Zeit laufenden Tour de France in den Alpen oder Pyrenä-en, kein Vergleich mit einem Open-air-Konzert, die Stimmung war eher feierlich. Gruppen- und pärchenweise standen und saßen erwartungsvoll die Leute zunächst mit Blick nach Westen, um gelassen das letzte Abendrot zu betrachten. Nur einige warfen immer wieder den Kopf gen Süden und Südosten, um den Himmel zu prüfen, wo später der Mond auftauchen sollte und sich die Mond�nsternis abspielen werde. Junge Leute hatten die wenigen Park-bänke besetzt, spielten auf ihren Smart Phones Zeitabläufe ab, breiteten Decken aus und lagerten Getränkereserven. Fa-milienverbunde diskutierten mit Blick auf den Horizont über die bevorstehende Mond�nsternis, bei dem sich das Gestirn durch den engen, uns nicht sichtbaren Sonnenstrahlschlauch in Rot verwandeln sollte. Einige Paare kümmerten sich über-haupt nicht um das Geschehen rundum, sondern genossen in sich versunken die Abendkühle und das Beisammensein. Das alles geschah in relativer Ruhe, eine selte-ne Demonstration der Stille angesichts der �ackernden Objekte am Himmel. Dazwi-schen einige Solisten mit baumelnden Ka-meras, Stativen und Fototaschen. Sie ga-ben die Richtung an, von woher der Mond nun bald sichtbar sein werde.

Es waren immer noch über 30 Grad, der Beobachter lief in seinen hartgesottenen Marathonschuhen über die Stoppeln des Roggenfeldes, auch mit Kamera um den Hals. Ganz im Süden war das Bayer-Kreuz von Leverkusen sichtbar, im Westen der beleuchtete Düsseldorfer Fernsehturm, dazwischen war das Rheintal zu erahnen. Eine Hundertschaft stapfte nun über die Sandwege einer Baumschule hin zum aus-gedehnten Kornfeld des Hardtberges. Für den leichtfüßigen Beobachter wirkte die Szenerie eher lächerlich. Keine erhabene Bergprozession wie während einer Voll-mondnacht auf der Insel Bali erlebt und

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Glosse Mondfinsternis Was lief

keine hektische Unterquerung der Them-se von Lau�ans rüber zur Isle of Dogs, um die mittlere Phase des London Marathon hautnah zu erleben.

ALLSEITS GEBANNTES WARTEN Real ist nichts zu sehen außer den

Falschmeldungen, wenn jemand per Fern-rohr auf einer Landstraße das Rücklicht eines Autos im Visier hatte. Leicht aufstei-gender Dunst störte den Erwartungshori-zont. Anruf an die kroatische Küste. Seht ihr etwas? Ja, hieß es vom Balkon mit Blick über die Adria. Der Mond ist erst schwarz, dann rot. Soll ich ein Foto schicken? Tief steht der Mond hingegen bei uns, taucht als irres rötliches Fragezeichen zwischen einem Baumbestand auf, nur durch das Teleobjektiv von einer Fata Morgana un-terscheidbar. Inzwischen ist es halb Elf. Gut dass ich keinen Schrittzähler habe, der Raumgewinn beschränkte sich allmählich auf zwei Fußballfelder. Hier spielte sich vorerst nichts ab, denn erst später erschien der aufsteigende Mond sichtbar am kla-ren Himmel.

Das werden wir gleich alles im Fernse-hen sehen, verabschiedete ich mich von einem kleinen Grüppchen, das sich plau-dernd die Wartezeit versüßt hatte und das kostenlose Vergnügen durchziehen wollte. Ich aber legte den Vorwärtsgang ein und eilte nach Hause, wusste ich doch von den letzten Tagen, dass der Mond mich bis zum Ausblick von meiner Terasse nicht überholen könne. Schließlich hatten die Astronomen 103 Minuten für die längs-te Mond�nsternis in diesem Jahrhundert errechnet. So lief ich nun wirklich 2 km scharf durch die Dunkelheit, allerdings im

Zickzack, denn mir begegneten Gruppen von Neuankömmlingen, und ich ver�ng mich etwas in einem Brennnesselfeld am Wegesrand. Daheim wechselte ich dann virtuell von TV-Sender zu TV-Sender und real zum Blick aus dem Fenster. Ich sah im Fernsehen eine runde Kugel aus Perth, klar, die Australier sind wie zum neuen Jahr immer schneller, ich sah die mir von der Adria zugemailte schwarzrote Murmel am dunklen Himmel, dann schließlich um Mitternacht bei RTL überzeugende Bilder vom Drachenfels im Siebengebirge. Und dann setzte ich mich auf die Terasse. Es waren immer noch 26 Grad, die Luft war angenehm, und da kroch allmählich gut sichtbar mein Mond durch unser nahes Pappelwäldchen hinweg gen Westen. Ich begrüßte ihn mit einem kräftigen Schluck eiskalten Bieres. Er befreite sich von links nach rechts aus einer Art schwarz herab-fallendem Vorhang, langsamer als jede Striptease-Tänzerin (nur in Deutschland ist „la lune, la luna“ männlich und umgekehrt die Sonne weiblich). Endlich tauchte mein Mond wieder glänzend weiß leuchtend in üppiger Fassung auf und verdunkelte das Firmament. Das ungewöhnliche Himmels-spiel war für mich zu Ende.

Physisch am beeindruckendsten an die-ser Nacht blieb das Brennen auf meinen Beinen nach dem Lauf durch die Brenn-nesseln. Langsam bestrich ich Waden und Oberschenkel mit Apfelessig und legte mich schlafen. Irgendwie habe dann von einem Karnevalszug mit Mondgesichtern geträumt. Oder war es doch der balinesi-sche Drachen, der den Mond verschlingen wollte?

Manfred Ste�ny

Mondfinsternis über Zürich. Foto: Herbert Steffny

Schwarz oder rot? HEFT 9-2018

Forsch und fordernd war er als Trainer, als jüngerer Läufer war er bei einem Long Jog seinen

Schützlingen oft weit voraus. Weichei-er waren ihm verhasst, mit soften Me-daillensammlern konnte er wenig an-fangen. Seine Trainingsanforderungen im „Greif-Club“ waren entsprechend. Immer wieder hatte er neue Ideen und durchbrach manchmal den konformen Betrieb von DLV-Lehrgängen und Maß-stäben. Er selbst ließ sich zum DLV-A-Trainer ausbilden. Mit seinem erfolgrei-chen Buch „Greif - For Running Life“mit der typischen persönlichen Ansprache beschämte er als erfahrener Praktiker und Studio Runnisus so manchen kno-chentrockenen Sportwissenschaftler, für den die Welt aus Laktatwerten besteht. Der Blog in seinem Newsletter war im-mer wieder lesenswert, gab zumindest zu Diskussionen Anlass.

Am Straßenrand war Greif bei den großen Marathons der lauteste Schrei-er. Engagiert trieb er seine Leute vor-wärts. Respekt zollten ihm auch die-jenigen, die seine Anforderungen für etwas zu hart oder als verletzungsanfäl-lig ansahen. Manch einem, der partout trotz eines Wochenpensums von 100

22 Laufmagazin SPIRIDON 9/18

Zum Tod von Peter Greif Was läuft

Forsch, fordernd und pfundigAm 30. Juli verstarb mit Peter Greif im Alter von 75 Jahren einer der letzten Re-cken der Lauf- und Trainingsszene. Für uns so schockierend wie eine vom Blitz getroffene Eiche, hatte man ihn doch als Inbegriff der Vitalität in Erinnerung. Als aktiver Läufer hat der studierte Diplom-Bierbrauer in seiner Heimat Seesen im Harz eine erfolgreiche Langlaufabteilung mit einigen Spitzenläufern aufgebaut, z. B. der deutschen Marathonmeisterin von 2000, Ines Cronjäger, einen florieren-den Sporthandel gegründet und als einer der ersten Pioniere Trainingsurlaube vor allem in der Türkei und Spanien durchgeführt.

Von Manfred Steffny

km wieder mal knapp über der Drei-Stunden-Marke im Marathon geblieben war, sagten auch wir: „Dann versuch es mal mit Greif, dann gehst du entweder kaputt oder du schaffst es.“ Natürlich wusste er die ganze Läuferpalette zu bedienen, auch die Vier-Stunden-Läufer. Die waren seine besten Kunden in sei-nem Sporthandel und Versand mit weit gefächertem Schuhhandel, individuel-len Artikeln, allerlei Pillen und Säftchen. Er pflegte sein Image als harter Hund, war aber privat durchaus pflegeleicht, eine ehrliche Haut mit manchmal kratz-bürstigem Humor. So düpierte er bei Marathonmessen fröhlich grinsend mit einem Körperfettmessgerät die Leute inklusive des Autors und stellte deren Übergewicht fest.

MANN MIT VIELEN IDEEN Er selbst schonte sich als großer,

schwergewichtiger Mann kein bisschen, ob beim Training hoch auf den Brocken oder beim Kilometer-Fressen im Flach-land. Er durchstand Verletzungsphasen und wusste darum auch, dass man vor dem zweiten oder dritten Anlauf die Flinte nicht ins Korn werfen darf.

Allein seine eigene läuferische Karrie-re lohnt einer näheren Betrachtung. Als

ehemaliger Handballer begann er mit 107 kg zu joggen und lief 1972 bereits nach einem Jahr Marathon in Bensberg in 2:41 h. Bis 1976 verbesserte er sich auf 2:29 h, ehe er 1977 durch eine Band-scheibenoperation gestoppt wurde, die zu einer Lähmung im linken Bein führte. Drei Monate Rollstuhl, bleibende mit 25% bewertete Behinderung. Das sport-liche Aus war die Folge. Doch als Trainer fing er wieder an zu laufen und wurde – oh Wunder! – bald das beste Rennpferd im Stall der LG Seesen.

Mit großem Vorsprung gewann er 1984 „Deutschlands pfundigsten Mara-thon“, den der Autor als Spendenlauf für Kenia unter dem Dach des Road Runner Club Deutschland e.V. organisiert hatte. Nur Läufer über 80 kg durften teilneh-men und Frauen, weil sie immer pfundig sind. Der Lauf wurde ein Riesenerfolg mit dem zu diesem Zeitpunkt gerade Herbert Schade und den Autor besu-chenden Olympiasieger Emil Zatopek als Ehrengast bei der späteren Scheck-übergabe in einem Hildener Gymnasi-um. Peter Greif gewann mit zu diesem Zeitpunkt 90 kg auf dem Waldkurs von fünf Runden diesen Wintermarathon in 2:33 h. Im Mai 1984 hatte Greif weiter abgespeckt und erzielte mit 41 Jahren seine PB von 2:24:12 h beim Hoechst Marathon in Frankfurt. Da fällt mir zum Vergleich nur Jack Bacheler ein, der US-Olympiateilnehmer von 1972, der mit 77,0 kg eine PB von 2:20:29 h hatte.

Eine sportlich denkwürdige Begeg-nung für Peter und mich war der dama-lige DB-Marathon 1990 in München, wo es in allen Altersklassen um Trophäen für die Gesamtwertung der Rennen von Frankfurt, Leipzig und München ging. Wir beide in der Klasse M45. Einige Ki-lometer vor dem Ziel tauchte in der da-mals großen Schar der Läufer zwischen 2:40 und 2:45 h vor mir die Gestalt von Peter Greif auf. Ich wusste, dass ich ihn einholen würde, ich wusste aber auch, dass er mich nicht vorbei laufen ließe und mich am Schluss im Spurt nieder-machen würde, der harte Hund. Ich kam ihm immer näher. An einem Rondell ca. eine Meile vor dem Ziel lief Peter rechts rum und ich nahm verdeckt oder ver-steckt mit einem kleinen Zwischenspurt die etwas weitere linke Seite und war vor ihm. Erst im Zielkanal, den er 4-5 Plätze hinter mir erreichte, beide mit ei-ner Zeit um 2:42 h, erblickte er mich wie-der und fragte verdutzt: „Wo kommst du denn her?“

Nach persönlichen Schicksalsschlä-gen im letzten Jahr versiegte sein Elan, das Herz machte nicht mehr mit. So war der bei ihm erbetene Beitrag für die März-Ausgabe von SPIRIDON schon eine Art Nachruf. Eine wichtige Stim-me im allgemeinen „Trallala“ fetziger Eventläufe wird uns fehlen. Sein Trai-ningsbuch ist sein Vermächtnis. Wohl wissend, wo er seine beste Kundschaft finden würde, schaltete regelmäßig An-zeigen in SPIRIDON. Den Peter-Greif-Club wird es weiter geben mit neuer Führung.1984 war Peter Greif, Mitte, Deutschlands pfundigster Marathonläufer. Foto: Horstmüller