Laenderprofil bolivien

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Bolivien Länderprofil Inhalt: 1. Allgemeine Angaben .............................................................................................................................................. 1 2. Kirchliche Situation................................................................................................................................................. 3

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Beispiel für ein Länderprofil

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Bolivien

Länderprofil Inhalt:

1. Allgemeine Angaben .............................................................................................................................................. 1 2. Kirchliche Situation................................................................................................................................................. 3

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1. Allgemeine Angaben

1.1. Landeskunde und demographische Daten

Maßeinheit

Fläche 1.099.000 qkm

Einwohner 9.694.000

Bevölkerungsdichte 9 Einw. / qkm

Bevölkerungswachstum 2,1 % pro Jahr

Indigene Bevölkerung 62,2 % aller Einw.

Afroamerikanische Bevölkerung < 3 % aller Einw.

Großstädtische Bevölkerung 45 % aller Einw.

Bevölkerung unter 15 Jahren 31 % aller Einw.

Bevölkerung über 65 Jahren 5 % aller Einw.

Kindersterblichkeit 45,6 je 1.000 Geburten

Müttersterblichkeit 290 je 100.000 Geburten

Mit HIV infiziert 0,2 % aller Erwachsenen

Lebenserwartung 65,6 Jahre, bei der Geburt

Mit neun Einwohnern pro Quadratkilometer ist Bolivien das Land mit der geringsten

Bevölkerungsdichte in Lateinamerika. Eine Ursache hierfür ist sicherlich die unwirtliche Landschaft des

Altiplano, einer Andenhochebene in 3.800 bis 4.000 m Höhe, die nur wenig Möglichkeiten

landwirtschaftlicher Nutzung bietet. Die Andenregion ist hauptsächlich von indigener, Quechua oder

Aymara sprechenden Bevölkerung besiedelt. Der indigene Bevölkerungsanteil ist mit 62,2 Prozent in

Lateinamerika am höchsten. Insgesamt sind in Bolivien 34 indigene Völker anerkannt.

1.2. Daten zu Gesellschaft und Wirtschaft

Maßeinheit

Bruttoinlandsprodukt pro Kopf 1.720 US$

Human Development Index 0,729

In absoluter Armut lebend 12 % aller Einw.

Gini-Koeffizient 0,582

Zugang zu Trinkwasser haben 86 % aller Einw.

Analphabetenrate der Frauen 17,0 % aller Frauen

Analphabetenrate der Männer 6,2 % aller Männer

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Wirtschaftlich bedeutend im Blick auf die Landwirtschaft ist die Tieflandregion um Santa Cruz, die sich

bis zur brasilianischen Grenze erstreckt. Die Bevölkerung ist hier von weißen Einwanderern geprägt,

die zum Teil sehr große Landflächen besitzen. Wie in den Nachbarländern Paraguay und Brasilien wird

Soja und Zuckerrohr angebaut und auf großen Flächen Viehwirtschaft betrieben.

Neben dieser Exportlandwirtschaft erwirtschaftet Bolivien Devisen durch den Bergbau, der in

Abhängigkeit von den Rohstoffpreisen sich verringert oder ausweitet. In den letzten Jahren hat der

Bergbau wieder an Bedeutung zugenommen und vor allem fernöstliche Länder zeigen sich interessiert

an Investitionen. Einer der größten Lithium-Vorräte befindet sich in Bolivien. Die Gasvorkommen

versorgen Bolivien mit günstiger Energie. Ein Teil des geförderten Gases wird nach Brasilien und

Argentinien verkauft. Knapp die Hälfte des wirtschaftlichen Handels findet im informellen Sektor statt.

Neben dem „geduldeten“ informellen Sektor ist der kriminelle Bereich zu nennen, in dem

Drogengeschäfte und Schmuggel von Wirtschaftsgütern eine Rolle spielen. Die Grundpflanze von

Kokain, der Kokastrauch, stammt aus Bolivien und wird dort von altersher angebaut. Die eingeborene

Bevölkerung kaut Kokablätter und trinkt Kokatee.

Bolivien zählt mit einem Bruttoinlandsprodukt von 1.720 US$ nach Nicaragua und Haiti zu den

ärmsten Ländern von Lateinamerika. Umgerechnet kommen auf eine Person 110 € pro Monat. Auch

die anderen Indikatoren wie Lebenserwartung, Kindersterblichkeit, Analphabetenrate,

Entwicklungsindex und Armutsindex weisen Bolivien als das ärmste Land des südamerikanischen

Kontinentes aus. Der Gini-Koeffizient weist Bolivien als das Land mit der dritthöchsten Ungleichheit in

Lateinamerika aus, nach Haiti und Kolumbien. Bolivien zählt zu den Ländern mit hoher

Korruptionswahrnehmung. Die wirtschaftliche Lage hat sich in den letzten Jahren etwas stabilisiert,

Sozialprogramme bieten eine minimale Grundsicherung.

1.3. Sozioökonomische, politische und kulturelle Besonderheiten

Präsident des Landes ist seit dem 22. Januar 2006 Evo Morales. Am 25. Januar 2009 wurde mit großer

Mehrheit eine neue Verfassung von der Bevölkerung angenommen. Sie bezeichnet Bolivien als einen

Staat mehrerer Nationen („estado plurinacional“) und räumt der indigenen Bevölkerung eigene Rechte

ein. Der neue Staat wird laizistisch definiert, die bisherige Staatsreligion abgeschafft. Evo Morales wird

hauptsächlich von der MAS, dem Movimiento al Socialismo (Bewegung zum Sozialismus), unterstützt.

Die politische Bewegung strebt eine stärkere Beteiligung der Bevölkerung an den Produktionsgütern

an. Wichtige Firmen, insbesondere im Bereich der Gas- und Ölindustrie, wurden nationalisiert. Die

Trennung von Kirche und Staat wird vorangetrieben. Sie wirkt sich vor allem im Schulbereich und in

den sozialen Tätigkeitsfeldern der Kirche aus.

Die starken wirtschaftlichen Ungleichgewichte und die kulturellen Unterschiede sowie die schlechten

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Erfahrungen mit politischer Führung auf allen Ebenen haben zu einer Protestkultur geführt, die sich

häufig in Blockaden und Streiks äußert. Eine unsichere politische Lage verhindert ausländische

Investitionen. 2008 haben Autonomiebestrebungen der Regionen des Tieflandes das Land fast in eine

Spaltung geführt.

2. Kirchliche Situation

2.1. Statistische Daten/Kirchliche Verhältnisse

2008 zum Vergleich: 1998

Getaufte Katholiken 8.386.000 6.936.000

Anteil an der Bevölkerung 88 % 87 %

Firmungen je 10.000 Katholiken 76 90

Jurisdiktionen 18 18

Pfarreien 616 542

Weltpriester 552 549

Ordenspriester 659 660

Ständige Diakone 70 83

Ordensfrauen 2.648 2.658

Ordensbrüder 266 239

Katecheten 18.000 8.000

Priesterseminare 9 8

Seminaristen 713 839

Kirchliche Schulen 1.342 753

Wohlfahrtseinrichtungen 788 697

2.2. Landesspezifische kirchliche Herausforderungen

Die explizite Trennung von Kirche und Staat mit der neuen Verfassung von 2009 bringt neue

Herausforderungen für die bolivianische Kirche mit sich. Die Kirche verliert finanzielle Mittel, die

bisher vom Staat gezahlt wurden aufgrund von Konkordaten oder mündlichen Abmachungen zur

Entschädigung früherer Enteignungen. Der Staat versucht, den Einfluss der Kirche auf gesellschaftliche

Bereiche zurückzudrängen. In Bolivien werden viele Schulen, die mit Hilfe der Kirche und der

Bevölkerung errichtet wurden, von der Kirche verwaltet. Der Staat zahlt dabei die Gehälter der Lehrer

und sonstiger Angestellter. Die Kirche oder Trägervereine können über diese Stellen hinaus weitere

Stellen finanzieren. Bisher konnten die kirchlichen Träger über die Stellenbesetzungen mitentscheiden.

Jetzt nimmt der Staat zunehmend Einfluss und bestimmt vor allem über die Besetzung der Stellen von

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leitenden Angestellten. Damit wird eine Leitung der Schule im kirchlichen Sinne zunehmend in Frage

gestellt. Die inhaltlichen Aspekte des Religionsunterrichtes wurden neu definiert und das Fach in

„Unterricht in Religionen, Spiritualität, Ethik und Moral“ umbenannt. Bei der Ausgestaltung der

Curricula sind die kirchlichen Institutionen im Gespräch mit den staatlichen Stellen. Eine eigene

Ausbildung der Religionslehrer ist mit dem neuen Schulgesetz nicht mehr möglich.

Auch wenn sich die große Mehrheit der Bolivianer zum katholischen Glauben bekennt, ist die

politische Stimmung antikirchlich geprägt. In politischen Gemeinden mit einer Mehrheit zugunsten der

staatlichen Führungspartei kann die Kirche nicht mehr auf eine positive Unterstützung zum Beispiel

beim Bau einer Kirche oder Kapelle rechnen. In einem Fall hat eine Gruppe von Nachbarn ein

kirchliches Gebäude in Beschlag genommen und zugunsten einer geplanten Gesundheitsstation

abgerissen. Nach Protesten der Kirche wird die Pfarrei eine finanzielle Entschädigung erhalten.

Die kirchliche Arbeit wird durch die geringe Bevölkerungsdichte erschwert. Mit Ausnahme der großen

Städte lebt die Bevölkerung in sehr kleinen Dörfern weit verstreut auf dem Land. Erst in den letzten

Jahren entstanden befestigte Landstraßen, die mit einem Allradfahrzeug befahrbar sind. Nach und

nach werden die Regionen elektrifiziert. Manche überregionale Straßen erhalten einen Asphalt. Viele

Dörfer sind tagsüber ausgestorben, die Bevölkerung befindet sich bei der Landarbeit. Um der

Einsamkeit zu entgehen – in den Dörfern gibt es keine Infrastruktur – bilden viele Pfarrer

Wohngemeinschaften und betreuen mehrere Pfarreien gemeinsam. Oder sie betreuen die Pfarreien

von der nächsten Stadt aus. Das hat zur Folge, dass die kirchliche Infrastruktur oft über viele Jahre und

Jahrzehnte vernachlässigt wurde.

Die bolivianische Kirche ist nahe bei der Bevölkerung und nahe bei den Armen. Mehr als 40 %

erzieherischer Einrichtungen werden von der Kirche getragen, teilweise mit staatlicher Unterstützung.

Viele Gesundheitszentren und Einrichtungen für Behinderte, für Kinder und die arme Bevölkerung sind

kirchlich. Ebenso werden viele Entwicklungsprojekte im Bereich der Landwirtschaft und

Bürgerbeteiligung von kirchlichen Organisationen durchgeführt.

Die Bolivianische Bischofskonferenz hat einen langfristigen Pastoralplan entwickelt. Dieser geht auf

die Situation des Landes und seiner Bevölkerung ein und setzt die Beschlüsse der

lateinamerikanischen Bischofskonferenz von Aparecida um. Das Zeugnishafte und Missionarische der

Kirche wird ergänzt um die Gemeinschaft, Aspekte der Erziehung und des Lebens. Für 2011 ist ein

Hirtenwort der Bolivianischen Bischofskonferenz zur Bewahrung der Schöpfung geplant, das den

Klimawandel in den Blick nimmt. Viele Diözesen haben eigene Pastoralpläne entwickelt und arbeiten

kontinuierlich an diesem Prozess, in der Regel unter Einbeziehung aller aktiven pastoralen Mitarbeiter.

In vielen Pfarreien sind Basisgemeinden aktiv. Die Einheit der Bischofskonferenz äußert sich unter

anderem darin, dass sie einheitlich auf staatliche öffentliche Angriffe antwortet.

Die Volksreligiosität spielt im Leben der Bolivianer eine große Rolle. Viele große Feste sind kirchlich

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geprägt. Die Feste der kirchlichen Wallfahrtsorte werden groß begangen. Dabei gibt es ein

Nebeneinander von christlichen Gebräuchen und Ritualen indigener Religionen. Der andine Heiler hat

seinen Platz direkt vor der Kirche und führt selbstverständlich seine Rituale mit Weihrauch durch.

Gedruckte Geldscheine („Spielgeld“) werden zum Altar gebracht ebenso wie Blumen und

Gegenstände, die man sich wünscht, wie Modell-Autos, Modell-Lastwagen oder das Modell eines

schönen Hauses. Bei der Einweihung eines Hauses wird der Heiler ebenso bemüht wie der Priester. Die

Kirche versucht, Aspekte der indigenen Religionen in die pastorale Arbeit einzubeziehen. Dem hohen

Anteil indigener Bevölkerung wird auch dadurch Rechnung getragen, dass die liturgischen Texte in

Aymara und Quechua zur Verfügung stehen.

Die Zahl der Seminaristen ist in den letzten zehn Jahren leicht zurückgegangen. Die Zahl der Priester

und Ordensschwestern ist in etwa gleich geblieben, so dass sich an der schwierigen

Versorgungssituation der Pfarreien mit hauptamtlichen pastoralen Kräften kaum etwas geändert hat.

Auf einen Priester kommen statistisch gesehen 6.925 Katholiken. Der Anteil ausländischer Priester

und Ordensschwestern ist sehr hoch. Nur neun der 25 Bischöfe stammen aus Bolivien. Elf gehören

einem Orden oder einer Kongregation an. Die Zahl der Katecheten hat sich in den letzten Jahren

verdoppelt. Eine wichtige Herausforderung ist die Aus- und Weiterbildung der Katecheten und eine

kontinuierliche Berufungspastoral.

Wie in ganz Lateinamerika, so haben auch in Bolivien protestantische und evangelikale Kirchen

zugenommen, am stärksten in den 1980er Jahren. Die meisten Konvertiten finden sich unter der

ländlichen indigenen Bevölkerung. Dieser Anstieg zusammen mit der von der aktuellen Regierung

geförderten zunehmenden Bedeutung andiner Religionen und Glaubensvorstellungen führt dazu, dass

die katholische Kirche in der bolivianischen Gesellschaft an Gewicht verliert.

Autor: Martin Hagenmaier