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Mitteilungsblatt, Juni 2007 27. Jahrgang, Heft 1 LAGERGEMEINSCHAFT AUSCHWITZ - FREUNDESKREIS DER AUSCHWITZER

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Mitteilungsblatt, Juni 200727. Jahrgang, Heft 1

LAGERGEMEINSCHAFT AUSCHWITZ -FREUNDESKREIS DER AUSCHWITZER

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Inhaltsverzeichnis Seite

Dank unter Freunden 1„Die andere Seite der Welt“ 320 Jahre Internationale Jugendbegegnungsstätte Auschwitz

Rechtsradikalismus und kein Ende 8Heitere Stunden in Auschwitz 14Wie deutsche Künstler ihre mordenden Landsleute im besetzten Polen bei Laune hielten

Orte der Ausgrenzung - Frankfurter Schulen 1933 - 1945 18Nur die Sterne waren wie gestern 28Begegnung mit Henryk Mandelbaum

IAK besorgt über Anstieg rechter Gewalt 30Integriert - interessiert - deportiert 31Buchbesprechung: Jüdische Miniaturen (Alfred Hahn)

Verfolgten-Rente auch für NS-Opfer gefordert 32

Impressum:Herausgeber: Lagergemeinschaft Auschwitz - Freundeskreis der Auschwitzer

Freiherr-vom-Stein-Straße 27, 35516 Münzenberg Internet: www.lagergemeinschaft-auschwitz.de

Redaktion : Hans Hirschmann, Tel. (06101) 32010, Annedore Smith,Albrecht Werner-Cordt

Bankverbindung: Sparkasse Wetterau (BLZ 518 500 79) Konto-Nr.: 20 000 503

Bei Spenden bitte Adresse deutlich schreiben, damit die Bescheinigung für die Steuererklärung zugeschickt werden kann.

Titelfoto: Paul Petzold. Es entstand 2006 bei einem Besuch in Auschwitz

Wir gratulieren Janusz Mlynarski, Auschwitz-Häftling Nr. 355 und Grün-dungsmitglied der Lagergemeinschaft,ganz herzlich zu seinem 85.Geburtstag,dener am 21. Mai feierte. Lieber Janusz, wir rufen dir „Sto lat“ zu und wünschen direine bessere Gesundheit für dich und Ehefrau Barbara, und dass Ihr noch oft ei-nen Spaziergang in der Sonne am Monheimer Ufer des Rheins genießen könnt.

Glückwunsch zum 85. Geburtstag

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Lagergemeinschaft Auschwitz - Freundeskreis der Auschwitzer 1

Die Lagergemeinschaft Auschwitz(LGA) hat nur eine wirkliche Ver-pflichtung:die Verpflichtung gegenüberden Opfern,gegenüber den ehemaligenHäftlingen. In deren Erinnerungen sinddie letzten Worte ihrer Kameraden an-gesichts des Todes gegenwärtig. DieÜberlebenden sollten leben, um derNachwelt zu berichten, was den Inhaf-tierten widerfahren war. Wer der Ver-nichtung entkommen sein würde, sollteweitergeben, was Menschen im Lagerertragen und wahrgenommen hatten.Die nach und mit Auschwitz Weiterle-benden sollten Zeugnis ablegen auchim Namen derer, die zum Verstummengebracht worden waren.

Diesen Auftrag hat der „Freundes-kreis der Auschwitzer“ übernommen.Darin besteht die Aufgabe der Lager-gemeinschaft Auschwitz - Freundes-kreis der Auschwitzer e.V.

Alles andere ist nachrangig. Und al-les steht unter dem Vorzeichen,das Ver-mächtnis der Opfer zu wahren.

Wer die Lagergemeinschaft ist und was sie nicht ist

Selbstverständlich - und so steht esauch in der Satzung - organisiert dieLGA Studienfahrten. Sie bietet Veran-staltungen an. Sie publiziert For-schungsergebnisse zu Auschwitz. Sieengagiert sich im öffentlichen Raum ge-gen Rechtsextremismus. Sie informiertin Schulen und gegenüber den nachge-borenen Generationen. Sie arbeitet mitanderen Organisationen in Fragen derBeratung und Information zusammen.Sie pflegt Beziehungen vor allem auchzu den Vereinigungen der ehemaligenHäftlinge. Sie unterstützt aus Spenden-

mitteln kranke und traumatisierte Op-fer. Sie leistet - ebenfalls aus Spenden -Finanzierungshilfe bei Projekten, dieder Erforschung einzelner Aspekte vonAuschwitz dienen.

Aber deswegen ist die LGA keinReiseunternehmen, kein Veranstaltervon Vorträgen, keine Historiker-Verei-nigung, keine Gesellschaft zur politi-schen Bildung. Dies alles partiell auch,aber sie ist immer eine besondere Ge-meinschaft, in Freundschaft verbunden,einem einzigartigen Auftrag verpflich-tet. Es macht den Unterschied umsGanze aus, ob jemand Mitglied in derLGA wird, weil ihm eine Studienreiseoder ein Vortrag gefallen hat, und wie-der austritt, wenn dies nicht der Fall ist,oder ob jemand der Lagergemeinschaftund dem Freundeskreis im Bewusstseinbeitritt,dass er mit Vertrauensvorschussin einen Kreis von Freunden aufge-nommen wurde.

Rechenschaftsberichtdes Vorstands

In diesem Verständnis von Freund-schaft und Verpflichtung wurde auf derletztjährigen Mitgliederversammlungder Tätigkeitsbericht des Vorstandsvorgetragen. Und so wird es auch aufder diesjährigen Versammlung am 22.September geschehen.

Der LGA-Vorstand hat die Freund-schaft mit den ehemaligen Häftlingenvertieft.Unsere Fahrten dienen wesent-lich diesem Zweck.

So werden wir während des Aufent-halts in Auschwitz vom 19. bis 24. Au-gust 2007 den Spuren der Häftlinge des1. Transports folgen. Überlebende wer-den uns geleiten und vor Ort begleiten.

Dank unter Freunden

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2 Lagergemeinschaft Auschwitz - Freundeskreis der Auschwitzer

Unser gemeinsames Interesse gilt nichtder „Topographie“ als solcher, den Ge-bäuden und ihrer Funktion, den Ortender Todesmaschinerie. Wir nähern uns„Auschwitz“ durch die Erinnerungender Inhaftierten, der Lagerinsassen,derjenigen, die heutzutage „Zeitzeu-gen“ genannt werden. In ihren Erleb-nissen werden wir Auschwitz erfahren.

In diesen Tagen wird die LGA eineweitere Fahrt ins Lager vorbereiten, de-ren Anlass ein unmittelbar politischerist.Marcel Wöll,NPD-Abgeordneter imStadtparlament Butzbach und im Wet-terauer Kreistag, hatte als offenkundi-ger Auschwitz-Leugner gefordert, diestaatlichen Zuschüsse für Fahrten in die„so genannten Vernichtungslager“ zustreichen. Die Antwort des Kreistags:Die Abgeordneten und die politischeSpitze des Wetteraukreises werden de-monstrativ nach Auschwitz fahren. DieZuschüsse wer-den verdoppelt.Dies wird auchAuswirkungenauf den dies-jährigen Hessen-tag im Juni 2007in Butzbach ha-ben, zu demüber eine Milli-on Besucher er-wartet werden.Die LGA wirdmit einem eige-nen Infostand imStädtischen Mu-seum in Butz-bach vertretensein, wo derNachlass vonHermann Rein-eck, dem Grün-der der LGA,

nach Voranmeldung öffentlich zugäng-lich ist.Wir werden uns an die Besucherwenden, um zu verdeutlichen, wasRechtsradikalismus hervorruft:Gewalt,Ausgrenzung und Vernichtung.

Wem gebührt der Dank?

Auch in diesem Jahr werden sich dieFreunde in Polen für unseren Besuch inAuschwitz und für die Einladung nachDeutschland bedanken. Wir sind eben-falls dankbar. Dafür dass wir willkom-men sind und unsere Gäste die be-schwerliche Reise zu uns auf sichnehmen. Bei diesem wechselseitigemDank unter Freunden soll nicht überse-hen werden, wem der Dank letztlichgilt: Die Opfer sind es, die Toten undÜberlebenden. Sie haben uns ihre Le-bensgeschichte anvertraut.

Albrecht Werner-Cordt

Ehemalige KZ-Häftlinge mit jungen Begleitern (Auszubildende vonVW aus Kassel und Wolfsburg) an den Erinnerungstafeln in Birkenau(April 2007). Helena Znidarcic aus Slowenien (von links), Dorota undNoach Flug aus Israel sowie Marija Srpék aus Slowenien, die an die-sem Tag zum ersten Mal nach ihrer Befreiung wieder in Auschwitz war.

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Lagergemeinschaft Auschwitz - Freundeskreis der Auschwitzer 3

„Die andere Seite der Welt“ - mit diesen Worten beschrieb Maurice Goldstein,KZ-Überlebender und damaliger Präsident des Internationalen Auschwitz-Komi-tees, bei der Eröffnung am 7. Dezember 1986 die Internationale Jugendbegeg-nungstätte in Oswiecim. „Die andere Seite der Welt“ - so lautet nun auch der Titeleiner Ausstellung und eines Begleitbuchs,in dessen Einleitung es heißt:„Es ist ein Ver-such der Darstellung von mehreren hundert Veranstaltungen: Seminaren, Studien-reisen,Ausstellungen, Konzerten und Begegnungen, an denen sich immer wieder diepädagogische Konzeption ,Auschwitz als Lernort’ zusammenfügt.Sie ist ein Versuch,Reflexionen und Emotionen, die diesen Prozeß begleiten, festzuhalten. Der Versucheiner Antwort,wie ,die andere Seite der Welt’ heute aussieht. Im Zentrum bleiben im-mer die Begegnungen der Zeitzeugen mit jungen Menschen.“ Über die Feier anläß-lich des 20-jährigen Bestehens der IJBS berichtet Helmut Morlok, deutscher Vorsit-zender des Stiftungsrates und Architekt des Gebäudes.

Von den vielen Veranstaltungenzum Jubiläum der InternationalenJugendbegegnungsstätte (IJBS) inAuschwitz sind zwei besonders zu er-wähnen - das von Aktion Sühne-zeichen Friedensdienste (ASF) organi-sierte Benefizkonzert zu Gunsten derIJBS am 7. Oktober 2006 in Berlin unddie Jubiläumsveranstaltung am 7. De-zember 2006 in Oswiecim. Dabei wur-de zugleich der deutsch-polnische Cha-rakter der IJBS hervorgehoben. Das inBerlin aufgeführte Oratorium „Elias“von Felix Mendelsohn-Bartholdy istein Werk, das den Versöhnungsgedan-ken klar unterstreichen konnte. Diesmachten auch die Redner der Veran-staltung deutlich - Ruth Misselwitz(ASF), Helmut Morlok (Stiftungsrats-vorsitzender der IJBS), Marek Prawda(polnischer Botschafter in Deutsch-land), Paulina Poznanska (Jugendlicheaus Oswiecim) und Lena Peiizel (ehe-malige Freiwillige in der IJBS).

Genau am 20. Jahrestag der Eröff-nung fand die Jubiläumsveranstaltung

in Oswiecim statt. In ihrem Mittel-punkt standen die ehemaligen Häftlin-ge, die teilweise weite Anreisen auf sichnahmen, um dabei zu sein. Der 7. De-zember 2006 war auch der 36. Jahrestagdes Abschlusses der polnisch-deut-schen Verträge zur Normalisierung derBeziehungen zwischen beiden Staaten.

Heimat auf Zeit und Ort des Dialogs

Der Aufruf Lothar Kreyssigs zurGründung der Aktion Versöhnungszei-chen (später Sühnezeichen) im Jahre1958, der Abschluss des „WarschauerVertrags“ mit dem Kniefall WillyBrandts vor dem Denkmal für die Op-fer des Getto-Aufstands im Jahre 1970und die Eröffnung der InternationalenJugendbegegnungsstätte im Jahre 1986sind Meilensteine auf dem Weg zu Ver-söhnung und Frieden.

Die IJBS entstand als eine ge-meinsame Initiative der Aktion Süh-nezeichen Friedensdienste und der

„Die andere Seite der Welt“20 Jahre Internationale Jugendbegegnungsstätte Oswiecim/Auschwitz

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tionalen Jugendaustausches an.Ein wichtiger Bestandteil der

pädagogischen Arbeit ist die Kultur-und Bildungstätigkeit für die Stadtund die Region. Mit Projekten wie:„Tag der offenen Tür“, „Gesprächeüber Toleranz“ oder dem „KrakauerPoesiesalon“ präsentiert die IJBSwichtige Bestandteile des kulturellenTerminkalenders von Oswiecim,Auch die neuen Veranstaltungen, dieim Rahmen des 20-jährigen Beste-hens organisiert und begonnen wur-den, konnten sich zu wichtigen Kultur-ereignissen entwickeln. Erwähnt seienhier nur die Reihe „Begegnung mitPhilosophie“, das „Kulturfestival“und die „1. Biennale des sozialpoliti-schen Plakats“.

Alle diese Aktionen wurden vonden Festrednern am 7. Dezember2006 gewürdigt.

So brachte Helmut Morlok für dendeutschen Stiftungsrat zum Ausdruck,dass er sich glücklich schätze, diesesHaus in den vergangenen 20 Jahrenmit seiner Kultur und Freundlichkeitimmer wieder selbst erlebt zu haben.

Wlodzimierz Paluch (polnischerVorsitzender des Stiftungsrates) hältdas Haus für einen Glücksfall für Os-wiecim. Dank der Begegnungsstättegenieße die Stadt bei Jugendlichenweltweit ein positives Image.

Für Ruth Misselwitz (Vorsitzendeder Aktion Sühnezeichen Friedens-dienste) ist diese Einrichtung einSymbol für Dialog und Versöhnung.

August Kowalczyk (ehemaligerAuschwitz-Häftling) begrüßte es, dassdieses offene Haus den ehemaligenHäftlingen ein Betreten Hand in Handmit der Geschichte ermöglicht.

Stadt Oswiecim. Gemäß dem Vorha-ben seiner Gründer wurde das Hauszu einem Ort, in dem junge Menschenaus Polen und Deutschland mit Ju-gendlichen aus der ganzen Welt einenTreffpunkt haben. Dort sollen sie ineiner Heimat auf Zeit unter einemDach miteinander leben und mit aufdie Zukunft gerichteter Perspektivedie schmerzhafte Vergangenheit erör-tern. Die Geschichte und ihre wahr-heitsgemäße Übermittlung sind dieBasis für Diskussionen über unter-schiedlichste Themen, die der Begriff„Auschwitz“ hervorruft. Deshalb sindProblembereiche wie Menschenrech-te, Toleranz, Rechtsextremismus oderVorurteile immer Bestandteil der inder IJBS angebotenen Programme.

Die Autorität der ehemaligen KZ-Häftlinge

Die Entstehung und die Entwick-lung dieses Hauses wäre ohne diemoralische Unterstützung der ehe-maligen Häftlinge des Konzentrati-onslagers Auschwitz nicht möglichgewesen. Sie haben bei den entschei-denden Gesprächen für den Bau derIJBS an diesem Ort votiert. Sie habenmit ihrer Autorität überzeugt unddafür gesorgt, dass es möglich wurde,über deutsch-polnische Versöhnungunter Einschluss von „Auschwitz“ zusprechen. So wurde die IJBS zu ei-nem Ort des Dialogs und der Diskus-sion über Versöhnung. Die pädagogi-sche Abteilung des Hauses bietet da-zu Studienreisen, Themenseminare,Bildungsseminare für Lehrer und an-dere Multiplikatoren, Workshops undProgramme im Rahmen des interna-

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von Hoffnungslosigkeit aus der Ge-schichte hin zu Hoffnung für kom-mende Generationen.

Piotr Womela (Direktor desDeutsch-Polnischen Jugendwerks) be-tonte, dass die Gründung der IJBS inOswiecim ein Meilenstein im deutsch-polnischen Versöhnungsprozess war.

Als Ehrengast überbrachte Hans-Jochen Vogel (SPD-Politiker, ehema-liger Justizminister in der RegierungSchmidt, Mitbegründer des 1993 ge-schaffenen Vereins „Gegen Vergessen

Johannes Dö-scher (Freiwilligerin der IJBS) stell-te fest, dass Zeit-zeugengesprächean diesem Ortden größten Ein-druck bei Jugend-lichen hinterlas-sen.

Piotr Kucka(Vorsitzender desStadtrates vonOswiecim) lobtedie Arbeit allerBeschäftigten, diefür die gute At-mosphäre imHause sorgen.

Noach Flug(Präsident desInternationalenAuschwitz-Komi-tees) bestätigte,dass die IJBS fürdie ehemaligenHäftlinge sehrwichtig ist. Erhält es für lebens-notwendig, dassjunge Menschen hierher kommen, ummit eigenen Augen zu sehen und vonZeitzeugen zu erfahren, was hier ein-mal geschehen ist.

Für Ewelina Milon (Jugendlicheaus Oswiecim) gibt es in Oswiecimkeine andere Einrichtung, derenTüren immer so weit offen stehen wiedie der IJBS.

Piotr Cywinski (Direktor der Ge-denkstätte Auschwitz-Birkenau) hältdie 20-jährige Arbeit dieses Hausesfür bedeutend, um weg zu kommen

Teilnehmer der Jubiläumsveranstaltung unter einem Plakat der Aus-stellung „Die andere Seite der Welt“. Foto: Tomasz Mól

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- Für Demokratie“) die Grüße derBundesrepublik Deutschland. Er be-tonte, dass es der IJBS gelungen sei,in den vergangenen 20 Jahren tausen-den junger Menschen die Geschichtevon Auschwitz näher zu bringen undmit ihnen am Versöhnungsprozess zu

arbeiten, um diesen mit Leben zu er-füllen. Für ihn ist das nicht nur eineAufgabe für heute, sondern vor allemauch für die Zukunft.

Thomas Gläser (deutscher Konsulin Krakau) erklärte, dass es für ihnsehr wichtig war, bei einem seinerersten Besuche in Polen Oswiecim,Auschwitz und die IJBS kennenzuler-nen. Er überreichte als „Geburtstags-geschenk“ einen Holzschnitt vonHAP Grieshaber.

Das größte „Geburtstagspräsent“überbrachten die Repräsentanten desVW-Konzerns. Sie übergaben derIJBS zwei Autobusse. Ralph Linde(VW Coaching AG) betonte dieWichtigkeit, dass Auszubildende vonVW jedes Jahr nach Oswiecim kom-men, da man erst hier richtig begrei-

Eingangsbereich zur Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oswiecim

IJBS-Direktor Leszek Szuster und RalfKrieg, der vor 20 Jahren als erster Freiwil-liger der Aktion Sühnezeichen in der Ein-richtung arbeitete. Foto: Tomasz Mól

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fen kann, was an diesem Ort einst ge-schehen ist. Sein Kollege GerardoScarpino betonte, nichts sei mehr wievorher, wenn man aus Auschwitzzurück in den Alltag komme.

Ausstellung und Begleitbuch

Alle Redner haben das in Wortenwiedergegeben, was in einer Ausstel-lung unter dem Motto „Die andereSeite der Welt“ gezeigt wird - jungeMenschen treffen über 20 Jahre hin-weg auf ehemalige Häftlinge. Der Ti-tel dieser Ausstellung basiert auf ei-nem Ausspruch von Baron MauriceGoldstein bei der Eröffnung der IJBSam 7. Dezember 1986. Die Schau wur-de nun im Rahmen des Jubiläums prä-sentiert. Einleitende Worte sprachenHenryk Mandelbaum (ehemaligerHäftling des Sonderkommandos inBirkenau) und Ralf Krieg (erster Frei-williger in der IJBS). Zur Ausstellungerschien eine Publikation, die vonLeszek Szuster vorgestellt wurde. Siewurde nur durch die großzügige För-derung über die Friedrich-Ebert-Stif-tung möglich, die von Marta Koszuts-ka repräsentiert wurde.

Das 20-jährige Bestehen einerEinrichtung, die ein eindeutigespädagogisches Konzept verwirklicht,ist nicht nur eine Zäsur zur Reflexionsondern auch der richtige Zeitpunktfür den Blick in die Zukunft. Dabeimuss die Antwort auf die Frage nachder eigenen Position in einer von derGeschichte so schmerzhaft geprägtenStadt präzisiert werden. Es müssenIdeen entstehen, wie die einzigartigeAufgabe der Zeitzeugen in Zukunft

ersetzt werden kann. Und es muss ei-ne nachhaltige Absicherung derpädagogischen Arbeit in finanziellerHinsicht garantiert werden.

Förderverein der Internationalen Jugendbegegnungsstätte

Für alle Unterstützer der Idee„Jugendbegegnung in Oswiecim“ gibtes die Möglichkeit, einen finanziellenBeitrag zu leisten. Der Fördervereinfür die Internationale Jugendbegeg-nungsstätte in Oswiecim (Auschwitz)ist in Deutschland als spendenberech-tigt anerkannt und bietet sowohl dieMöglichkeit einer Mitgliedschaft alsauch die Möglichkeit für Einzelspen-den an. Die LGA gehört bereits zuden Förderern und begrüßt jedeForm weiterer Unterstützung.

Kontaktadresse der Vorsitzendendes Fördervereins: Viktoria DorisGraenert, Hans-Guldin-Straße 29 in88316 Isny,Telefon (07562) 4266. Kon-tonummer: MittelbrandenburgischeSparkasse Potsdam, BLZ 160 500 00,Kontonummer 350 202 65 98.

Helmut Morlok

Helmut Morlokist Architekt,deutscher Vor-sitzender desStiftungsratesder IJBS undauch Mitgliedder LGA.

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8 Lagergemeinschaft Auschwitz - Freundeskreis der Auschwitzer

Man erinnere sich an die Bürger-meisterwahl Ende Januar 2007 in Butz-bach. Die NPD stellt einen Kandidatenauf, den niemand kennt, denn erkommt von außerhalb. Man will auchnicht den Bürgermeister stellen, daswäre chancenlos, aber die Nazis wollen„Flagge“ zeigen und sie sprechen voneinem „Testlauf“ für die Landtagswahlim Januar 2008. Eingeordnet ist dasVorgehen der NPD in ein „Feuerwerkder Propaganda“, so jedenfalls schreibtder junge Nazi Marcel Wöll, der nichtnur Bewohner und Inhaber des „brau-nen Bauernhofs“ im Butzbacher Stadt-teil Hoch-Weisel ist, sondern auchStadtverordneter in Butzbach, Landes-vorsitzender der NPD in Hessen undüber ein Nachrückverfahren zudemnoch Kreistagsabgeordneter im Wet-teraukreis.

Allein diese Häufung an „Äm-tern“ in Verbindung mit Aufmärschenund öffentlichen Provokationen sindso Zeit füllend, dass von einer gere-gelten Arbeit Wölls nichts bekannt istund sich die Frage stellt, wer das allesfinanziert. Von Gerhard Frey, demHerausgeber der Nationalzeitungund Verleger rechter Hetzbücher, istseit Jahrzehnten die millionenschwe-

re Unterstützung der Naziszene be-kannt. Die NPD verfügt zudem übereine Wahlkampf-Kostenpauschaleund dank ihrer zweifelhaften Tätig-keiten - zum Beispiel im sächsischenLandtag - über erhebliches Geld. Wiekonkret das viele Geld zu den örtli-chen Nazis kommt, ist vielleicht demVerfassungsschutz bekannt, dieseraber schweigt sich aus und unter-nimmt zumindest erkennbar nichts,um solche Geldflüsse zu unterbre-chen (Stichwort: Stopp der Unterstüt-zung terroristischen Vereinigungen).

Aufmärsche mit Fahnen und Propaganda-Aktionen

In Butzbach kommt unter diesenBedingungen die NPD bei der Bür-germeisterwahl im Stadtteil mit demSitz des „braunen Bauernhofs“ auf4,6 Prozent der Stimmen und imNachbar-Stadtteil Fauerbach sogarauf 7,5 Prozent. Daran beschönigendie „nur“ 1,7 Prozent für die Gesamt-stadt nichts. Die NPD fühlt sich offen-kundig gestärkt und inszeniert an dreiWochenenden in Folge Fahnen- undTrommelaufmärsche, Kundgebungenauf dem Marktplatz und Schriftde-

Rechtsradikalismus und kein EndeWie funktionieren die neuen Nazis?

Im vorletzten Mitteilungsblatt haben wir an einem „exemplarischen“ Beispiel dar-gestellt, wie sich Rechtsradikalismus in einer kleinen Stadt wie Butzbach in Mittel-hessen entwickelt. Junge NPD-Nazis kauften sich mit viel Geld einen Bauernhof,nutzen diesen als „Ruhe“- und Schulungsstätte, agieren von hier im Internet undwerden täglich dreister. Wie sie handeln und wie Parteien, Verbände, die Öffentlich-keit und weitere Institutionen einschließlich der Lagergemeinschaft Auschwitz -Freundeskreis der Auschwitzer (LGA) darauf reagieren, ist Gegenstand diesesBerichts des 2. LGA-Vorsitzenden Diethardt Stamm.

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monstrationen („GegenSystem und Kapital -unser Kampf ist natio-nal“).

Allerdings gibt esjetzt Widerstand aus derBevölkerung. Die Regio-nalzeitungen erhaltenviele engagierte Leser-briefe. Butzbach ist imJuni 2007 „Hessentags-stadt“, repräsentiert alsodas Bundesland Hessenund sich selbst. Da gehtdie Angst vor der „brau-nen Soße“ um. So tau-chen auch Forderungenauf: „Es ist Zeit für Butz-bach, Farbe zu bekennen;Farbe gegen Braun!“Auffällig sind bei der Le-serbriefkampagne vieleZuschriften mit dem Ver-merk „Name und An-schrift der Redaktion be-kannt“. Manchmal be-gründen das die Schrei-ber selbst: „Ich fürchteRepressalien.“ Da kom-men Erinnerungen an SA-Schläger-trupps in der Weimarer Republik auf.

Die NPD agiert auf der Straße mitFlugblattaktionen und in den Kommu-nalparlamenten mit provokativen An-tragstellungen weiter. „Die StadtButzbach soll überprüfen, ob sich imUmfeld der Jugendverbände und derJugendeinrichtungen der Stadt Butz-bach Linksextremisten und Autonomebefinden und diese ggf. ausschließen.Des weiteren soll das Stadtparlamentsich öffentlich von so genannten Anti-faschisten distanzieren“, schreibt der

„Stadtverordnete Marcel Wöll“.Auf der demokratischen Seite ist

man den Umgang mit den Nazis nichtgewohnt. Manche Parteienvertreterpropagieren „Ignorieren“, manche„vorsichtiges Diskutieren“ und ande-re die inhaltliche parlamentarischeAuseinandersetzung. Außerhalb derParteien gibt es auch keine Linie.Empfindlichkeiten sind bei verschie-denen Organisationen festzustellen,gemeinsames Handeln wird verstärktgewünscht, kommt aber nur partiellzum Tragen.

Im Februar 2007 agitieren Hessens NPD-VorsitzenderMarcel Wöll und Anhänger in der Innenstadt von Bad Nau-heim (Bild oben). „Ledermäntel und Leder in Schwarz wardie dominierende Farbe“ rund um den Propaganda-Tisch,so der Wetterauer Antifaschist Peter Hartung. NPDFlug-blätter wurden von den meist älteren Passanten leider öfterangenommen als abgelehnt, so Hartungs Beobachtung. Bildunten: Junge Leute vom Bündnis gegen Rechts blockierenmit zwei Transparenten die Sicht auf den NPD-Stand.

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Der Arbeitskreis „Demokrati-sches Hoch-Weisel“ gilt der regiona-len Antifa als nicht „links“ genug, undin Vereinen wird über die „Angst vorder roten Fahne“ diskutiert. Ge-spräche zur Bestimmung der Positionlaufen in der Kirchengemeinde, beiVertretern von Schulen, der Polizei,der Gewerkschaften, in einigen Verei-nen und schließlich auch in der erstengemeinsamen Runde von Vertreternverschiedener Parteien und der LGA.

Erwartungsdruck vor allem an dieKommunalpolitik wird größer

Es gibt keine Patentrezepte. DerErwartungsdruck insbesondere andie Kommunalpolitik wird größer.Dort tauchen aber zunächst mehrFragen als Antworten und Lösungenauf:

1.) „Soll man diese (die Nazis)über Änderungen der Geschäftsord-nung von der Teilhabe fern halten?

2.) Wie geht man mit Anträgenum, die wortidentisch mit dem Wahl-programm einer demokratischen Par-tei sind?

3.) Kann man diese so einfach ab-lehnen oder sollte man aus Sachgrün-den zustimmen?

4.) Was sollte bei außerparlamen-tarischen Aktivitäten beachtet wer-den?“

„Gute“ Antworten und Analysenkommen von einzelnen Bürgern, dieeher in Zweier- und Dreiergruppenzusammenarbeiten und sich nicht ver-einnahmen lassen. Studiendirektora.D. Adolf Frohwein und sein KollegeGünter Strube sind dabei mutige Ak-

teure im einschlägigen StadtteilHoch-Weisel. Sie geben Lösungenvor, wie man damit umgehen sollte,wenn die Nazis das Programm einerdemokratischen Partei als Antrag ein-bringen: „Wortidentisch ist nicht be-deutungsidentisch“, sagen sie . Sieschlagen vor, jeden NPD-Antrag imParlament mit einer einheitlichen Be-gründung abzulehnen. Insbesonderebei gestohlenen Inhalten von anderenParteien soll dabei auf die Nicht-glaubwürdigkeit der Nazis und derenundemokratischen Charakter hinge-wiesen werden.

Und es wird eine Erklärung abge-geben: „Der Extremismus jeglicherArt im gesellschaftlichen Alltag er-fordert eine gesamtgesellschaftlicheStrategie von parlamentarischer De-mokratie und Zivilgesellschaft, dieaußerparlamentarische Aktivitätenund eine Politik der Bürgernäheeinschließt. Ein Butzbacher Bündnisals Bürger- und Bildungsinitiativewürde den wertvollen Konsens derdemokratischen Parteien Butzbachsvom 7. Februar 2006 in diesem Sinnebestätigen und ausbauen!“

Wenn die neuen Nazis in „Ruhe“ihre Provokationen planen

Am 1. März 2007 ist es so weit:Der frisch gewählte Bürgermeisterlädt zur ersten Sitzung eines „Butzba-cher Bündnisses gegen Rechts“. Auchdie LGA diskutiert mit. Sie ist Mit-glied im Wetterauer Bündnis gegenRechts, gilt aber bei den „gestande-nen“ Kommunalgrößen als ein exter-ner Faktor. Sie ist wegen jahrelangerVeranstaltungen zum 9. November

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zwar nicht un-bekannt in derRegion, sollsich aber ersteinmal zu ihremparteipoliti-schen Standortäußern. Dieslehnt die LGAab. Sie möchtesich von keinerPartei verein-nahmen lassen.

Zwei Tagespäter: 80 NPD-Nazis treffensich in der „Lin-de“ zu Wohn-bach, 10 Kilo-meter weit ab-gelegen vonButzbach. Der Wirt sieht „kein Pro-blem in den Zusammenkünften“ underklärt dies genüsslich der Presse,schließlich mache er das öfters. Die Po-lizei stellt ein großes Aufgebot, er-wähnt dies aber nicht in den Polizeibe-richt für die Presse. Sie bestätigt ledig-lich im nachhinein die „Ruhe“ vor Ortund handelt sich damit die Kritik der„Aktiven AntifaschistInnen Wetterau“(AAW) ein. In dieser „Ruhe“ heckendie Nazis die nächste Provokation undSteigerung ihres Handelns aus.

Wöll beantragt, Zuschüsse für Auschwitz-Fahrten zu streichen

Am 14. März 2007 ist Kreistagssit-zung. Vor über 20 Jahren hatte derVerfasser dieses Berichts (DiethardtStamm) einen Antrag für den Kreis-tag geschrieben, wonach Fahrten

nach Auschwitz bezuschusst werdensollten. Er wurde diskutiert, und eskam vor einer Entscheidung zu demWunsch, dass Kreistagsabgeordnetesich über Auschwitz vor Ort informie-ren. Organisator der damaligen Fahrtwar die LGA. Hermann Reineck alsLGA-Mitbegründer, Vorsitzenderund ehemaliger Häftling kümmertesich persönlich um die Gruppe unddie Führungen in Auschwitz. Mitge-fahren waren unter anderem der heu-tige Landtagspräsident in Hessen,Norbert Kartmann (CDU), der heuti-ge FDP-Landesvorsitzende Jörg-UweHahn und der heutige Landrat RolfGnadl (SPD).

Nach der Fahrt wurden einstim-mig Gelder für Fahrten insbesonderevon Jugendgruppen nach Auschwitzbeschlossen. Auch in den folgendenJahrzehnten mit wechselnden Koali-

Momentaufnahme von einer Demonstration „Schüler gegen Rechts“in Köln. „Deutschland ist geil?! Gülcan auch ...“, hat ein Schüler aufsein Shirt geschrieben. Foto von Paul Petzold, selbst noch Schüler inKöln und Mitglied unseres Freundeskreises.

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zehnt verstorbene Hermann Reineckwird nicht mehr persönlich dabeisein, aber in seinem Sinne werdendie Politiker durch das StammlagerAuschwitz und das VernichtungslagerBirkenau geführt. Diethardt Stammfährt selbst mit, und es wird im Au-gust 2007 Treffen geben unter ande-rem mit unseren Mitgliedern undFreunden Tadeusz Sobolewicz, JozefPaczynski und Kazimierz Albin, so-fern diese ehemaligen Häftlinge ge-sundheitlich dazu in de Lage sind. Siewerden als lebende Beweise aufzei-gen, dass die Kreistagsäußerungenvon Marcel Wöll nicht nur dreisteLüge sind sondern darüber hinausverbrecherische Worte.

Butzbacher Bündnis für Demokratie und Toleranz

Die Ereignisse im Kreistag habenden Wunsch der Demokraten in Butz-bach, sich zusammen zu schließen, be-flügelt. Das „Butzbacher Bündnis fürDemokratie und Toleranz“ wird end-gültig ins Leben gerufen. Es verstehtsich als ein „Zusammenschluss ver-schiedener Organisationen, wie z.B.Vereinen, Gewerkschaften, Schulen,Kirchengemeinden, Parteien, Orts-beiräten sowie interessierter Bürge-rinnen und Bürger“. Das ButzbacherBündnis für Demokratie und Tole-ranz lehnt jede Form von politischemund religiösem Extremismus ab. Eswendet sich „gegen extremistischeTendenzen, Rassenhass und Auslän-derfeindlichkeit“. Es tritt ein „für denErhalt der Demokratie, für Men-schenwürde, für Völkerverständigungund Integration“.

tionen hielt der Beschluss und wurdespäter noch auf weitere KZs ausge-dehnt. Doch am 14. März 2007 bean-tragt die NPD, die Zuschüsse „zu denso genannten Stätten des nationalso-zialistischen Terrors“ zu streichen.Gleichzeitig spricht der Nazi MarcelWöll von „Gehirnwäsche“, die mitden jugendlichen Besuchern betrie-ben werde. Es ist nicht mehr zu über-bieten: Die Nazis pöbeln im Kreistagund leugnen frech den Holocaust.

Die Fraktionen, der Kreistagsvor-sitzende und die drei Hauptamtlichenin der Kreisregierung reagierenschnell und ausgesprochen vorbild-lich. Die Parteien weisen die schamlo-sen Ungeheuerlichkeiten zurück, derKreistagsvorsitzende spricht eine Rü-ge aus, und der 1. KreisbeigeordneteOswin Veith erklärt als Kämmererdie Verdopplung der Mittel für dieFahrten in KZs. Parteiübergreifenderklären Landrat Rolf Gnadl (SPD),1. Kreisbeigeordneter Oswin Veith(CDU) und Kreisbeigeordneter Ott-mar Lich (FWG/UWG) der Pressegegenüber ihren Abscheu gegenüberrechtsradikalem Gedankengut undtreten für die wach zu haltende Erin-nerung ein. Es kommt zudem zu meh-reren Strafanzeigen wegen Leugnungdes Holocausts und Volksverhetzung.

Kurz danach folgt der Beschluss,mit der kompletten Kreisregierung,den Fraktionsvorsitzenden und Aus-schussmitgliedern nach Auschwitz zufahren. 20 Personen der „nachge-wachsenen“ Politikergeneration wol-len sich so wie ihre Kollegen vor über20 Jahren vor Ort informieren. Undwieder soll die LGA der Organisatorsein. Nur der vor rund einem Jahr-

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sammenarbeit mit dem Museum an-hand der Aufarbeitung des Nachlas-ses von Hermann Reineck. Zudemwerden Fahrten nach Auschwitz vor-gestellt, und es wird auf die Gefahrder neuen Nazis hingewiesen.

Die LGA beschäftigt sich mit dem„exemplarischen Fall Butzbach“ sointensiv, weil einige Personen im Vor-stand vor Ort wohnen und weil manviel Typisches an dem Treiben der Na-zis erkennen kann. Bekannt sind al-lerdings viele solche Beispiele, ob inKirdorf in Hessen oder in Lüden-scheid oder in kleinen Städtchen inSachsen, wo die NPD immerhin mit9,2 Prozent der Wählerstimmen imLandtag sitzt. Leider lässt sich dasakute Naziproblem nicht auf dieSchnelle lösen, weshalb das „Bei-spiel“ weiter beobachtet und be-schrieben werden muss.

Diethardt Stamm

Die Bündnisstruktur wird vonEinzelpersonen entworfen. Wieder istes Adolf Frohwein, der sich um eineSchirmherrschaft, eine Steuerungs-gruppe, verschiedene Arbeitsgruppensowie Bündnis- und AnsprechpartnerGedanken macht. Die LGA ist dabeiein „Mitwirker“, hält sich aber auskommunalen Gärprozessen heraus.Die LGA arbeitet nicht in der vorder-sten Linie mit sondern gibt Ratschlä-ge, wendet sich selbständig gegen fa-schistische Umtriebe und verweistimmer wieder auf Auschwitz. Die Er-innerung wach zu halten, ist wichtigfür die Gegenwart.

„Wir, die aktiven Mitglieder derLGA, sind es, die bei Holocaust- undAuschwitz-Leugnung etwas zu sagenhaben und handeln müssen. Deshalbbieten wir auch den ButzbacherStadtverordneten, dem Magistrat undParteivorsitzenden eine Fahrt nachAuschwitz an.Wir sind auchbeim „Hessen-tag“ aktiv undzeigen den er-warteten eineMillion Besu-chern, wie wirarbeiten undwarum dies sowichtig ist“, er-klärt der Vor-stand. Am 2. Ju-ni und am 7. Ju-ni 2007 betreibtdie LGA einenStand im Butz-bacher Muse-um. Dort zeigtsie die gute Zu-

Diethardt Stamm, 2. Vorsitzender der Lagergemeinschaft Auschwitz- Freundeskreis der Auschwitzer, mit Noach Flug, Holocaust-Über-lebender und Präsident des Internationalen Auschwitz-Komitees(IAK) bei der IAK-Generalversammlung im April in Oswiecim.

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14 Lagergemeinschaft Auschwitz - Freundeskreis der Auschwitzer

Wo deutsche Besatzer wüten, de-korieren deutsche Künstler das Ver-nichtungswerk. Am 20. März 1941wird in Lublin, im besetzten Polen, dieErrichtung eines Juden-Ghettos be-kannt gegeben. Genau eine Wochespäter eröffnet Lublins neues deut-sches Stadttheater mit Schillers Kaba-le und Liebe. Intendant ist AribertGrimmer. Als prominenten Gastdar-steller nennt die Intendanz denStaatsschauspieler Gustav Knuth.

Lublin ist ein Zentrum des Juden-mords. Hier residiert SS-Obergruppen-führer Odilo Globocnik, Herr der Ver-nichtungslager Belzec, Sobibor, Treb-linka. Das KZ Majdanek befindet sicham Stadtrand. Manchmal riecht manden Gestank verbrannten Fleisches.Das Theater bespielt regelmäßig dieOrte Chelm, Deblin-Irena, Pulawy,Radzyn Podlaski, Zamosc, Krasnik Fa-bryczny und Budzyn - alle sind Stand-orte von Ghettolagern, Mordstätten.

In Lódz, das nach dem 1936 ver-

Heitere Stunden in AuschwitzWie deutsche Künstler ihre mordenden Landsleute

im besetzten Polen bei Laune hielten

Von Ernst Klee

Der NS-Forscher Ernst Klee deckt in seinem neuesten Buch die vielfach unrühm-liche Rolle von Künstlern und Kulturschaffenden während der NS-Zeit auf. An-knüpfend ans Format seines 2003 erschienenen „Personenlexikon zum DrittenReich“ enthält auch das neue „Kulturlexikon“ rund 4.000 Kurzbiografien vonmehr oder weniger gut bekannten Persönlichkeiten, deren Namen hier in einenneuen Zusammenhang gestellt werden. Von vielen erfährt man in diesem einzig-artigen Nachschlagewerk erstmals,wie willig sie das NS-Regime unterstützt haben.Andere werden in ihrer Opferrolle gewürdigt. Als besonders perfide wertet Kleedie Auftritte von Künstlern an den Orten des Massenmords selbst, insbesonderein Auschwitz. Dazu im folgenden ein Artikel des Autors:

storbenen preußischen General undglühenden Nationalsozialisten KarlLitzmann in Litzmannstadt umbe-nannt worden ist, vegetieren 160.000Juden auf vier Quadratkilometern, zu-meist in Gebäuden ohne Wasser- undAbwasserleitungen. Während dieMenschen im Ghetto krepieren, spie-len die Städtischen Bühnen Hamlet,Die verkaufte Braut oder den Zigeu-nerbaron. Intendant ist Hans Hesse, einCousin des Dichters Hermann Hesse.Er eröffnet im September 1942 dieSpielzeit mit dem Betriebsappell: „Allestehen unter der Berufung, der deut-schen Kultur im Osten den Weg zu eb-nen.“ Im selben Monat werden 16.000Menschen in das VernichtungslagerChelmno deportiert und in Gaswagenqualvoll erstickt. Danach feiert Litz-mannstadt eine Kulturwoche.

Selbst in Auschwitz, abgeriegelt vonder Außenwelt, gehen Schauspieler,Musiker und Artisten ein und aus. Esmüssen Hunderte gewesen sein, doch

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Lagergemeinschaft Auschwitz - Freundeskreis der Auschwitzer 15

archisch gestaffelt. Die ersten Reihenbelegen SS-Führer und Gattinnen, esfolgen Aufseherinnen des Frauenlagersund SS-Unterführer, von Reihe 16 annimmt die Truppe ohne Unterschiedder Dienstgrade Platz. Organisator derVeranstaltungen ist der Volksschulleh-rer und SS-Unterscharführer KurtKnittel, wegen seiner salbungsvollenStimme „Truppen-Jesus“ genannt. Erleitet von Oktober 1941 an die Abtei-lung VI („Truppenbetreuung“, „weltan-schauliche Schulung“). Knittels GattinAnnemarie, Scharleiterin eines Spiel-kreises der NS-Frauenschaft, zieht imMai 1942 nach. Kein angenehmerWohnort. „Der Geruch, der sich bei derVerbrennung der Leichen entwickelte“,klagte Knittel später, „lag manchmalüber ganz Auschwitz.“

Der erste dokumentierte Kultur-abend ist im Rundschreiben der Kom-mandantur vom 9. Februar 1943 ange-zeigt, eine Woche nach Stalingrad. InAuschwitz werden zu dieser Zeit Men-schen aus dem französischen LagerDrancy und dem holländischen Lager

Westerbork antranspor-tiert, selektiert, vergast.Unter den Mordopfernbefindet sich die Schau-spielerin Dora Gerson,die erste Frau von VeitHarlan, Regisseur desHassfilms Jud Süß, derauch in Auschwitz vorge-führt wird.

„Am Montag, den 15.Februar 1943, 20 Uhr“, solautet die Ankündigung,„findet im kleinen Saaldes Kameradschaftshei-mes der Waffen-SS ein

nur einer hat davon berichtet: DerSchauspieler Dieter Borsche war1943/44 Spielleiter der StädtischenBühnen Breslau. Borsche erzähltenach dem Krieg dem NS-Dokumenta-risten Joseph Wulf, er habe im Winter1943 „innerhalb des VernichtungslagersAuschwitz vor den dortigen SS-Wach-mannschaften gespielt“.

Wulf rekapituliert das Gespräch:„Die Schauspieler wurden dort großzü-gig bewirtet, von Häftlingen bedient undsahen auch mit eigenen Augen die Häft-lingskolonnen. Sie staunten darüber,daß diese im Winter nur die gestreiftenSträflingskittel trugen; aber das Wichtig-ste ist, dass Dieter Borsche zu berichtenwusste, er habe von mehreren SS-Leu-ten gehört, verschiedene Theaterensem-bles spielten sehr oft innerhalb des Kon-zentrationslagers für sie.“

In Auschwitz gibt es regelmäßig sol-che Veranstaltungen. Sie finden im„Kameradschaftsheim der Waffen-SS“statt auf dem Gelände der SS-Wirt-schaftsgebäude. Der Besuch der Aben-de ist Dienst. Das Publikum sitzt hier-

Im Sommer 1944 gehörten 4500 SS-Männer zur Auschwitz-garnison. Für ihre „höheren“ kulturellen Bedürfnisse wardie Abteilung VI-SS Truppenbetreuung zuständig. Foto:Archiv des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau.

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Abend statt unter dem Motto ,Goethe -ernst und heiter’ ... Diese Veranstaltungbietet Gelegenheit, gerade die Volks-deutschen mit den höheren Güterndeutscher Kultur vertraut zu machen.“Unterzeichnet hat SS-Hauptsturmfüh-rer Robert Mulka, der später, 1965 imFrankfurter Auschwitz-Prozess, wegenBeihilfe zu gemeinschaftlichem Mordzu 14 Jahren Haft verurteilt wird.

Im Frühjahr 1943 sind in Ausch-witz-Birkenau die neuen Gaskammernund Krematorien fertig. Das fabrik-mäßige Morden beginnt. Am 4. Aprilgeben die Städtischen Bühnen Katto-witz den Schwank Gitta hat einen Vogelvon Karl Hans Jaeger, laut KZ-Kom-mandant Rudolf Höß „unter Mitwir-kung des Verfassers“. Kattowitz liegtnur 30 Kilometer von Auschwitz ent-fernt. Die Städtischen Bühnen haltenein Kartenkontingent für das KZ-Per-sonal vor und gastieren spätestens seit1943 regelmäßig im Lager. Am 21. Mai1943 haben sich Mitglieder des Katto-witzer Opernhauses mit Stücken vonHaydn, Mozart, Schubert, Dvorák undBoccherini zu einer Stunde heitererMusik angesagt. Die zweite Violinespielt Fred Malige, ein Mann mit einerbesonderen Karriere. 1923 war erKPD-Aktivist und Leiter einer rotenBlaskapelle, 1940 dann Kapellmeisterin Kattowitz. Später lebte er in derDDR, komponierte 1952 eine Lenin-Kantate und 1959 das Werk Präludiumund Fuge über F-D-G-B - die Initialender DDR-Einheitsgewerkschaft.

Das Beuthener Theater gibt in derSpielzeit 1943/44 die Operette Maskein Blau und ein Stück namens Ernte-fest. Als Gäste sind der dänische TenorHelge Roswaenge angezeigt und der

Heldenbariton Wilhelm Rode, der esnicht genug zu rühmen weiß, „dassmein Führer, der wie nie zuvor unseredeutsche Kunst schützt und fördert,mich allein dreiundvierzigmal als HansSachs anhörte!“

Auch 1944 herrscht an Musik, anTanz und Gesang im Vernichtungsla-ger Auschwitz kein Mangel. Im Aprilkommt das Opernhaus Breslau, unddas Theater Mährisch-Ostrau gibt dieOperette Paganini von Franz Lehár.Dessen Librettist Fritz Löhner-Beda istzwei Jahre zuvor in Auschwitz ermor-det worden. Von Mai 1944 an werdenallein aus Ungarn insgesamt 437.000Menschen antransportiert. Weiter öst-lich wird die Lage schon bedrohlich,die sowjetischen Truppen rücken aufLublin vor. Am 22. Juli, nach derErmordung der letzten Juden - die„Aktion“ läuft unter dem Decknamen„Erntefest“ -, flüchten die noch verblie-benen Deutschen aus der Stadt.

Am 20. August 1944 verordnetGoebbels die Schließung aller deut-schen Theater. Bereits zwei Tage vorherheißt es im Standortbefehl, im Zuge derEinschränkung des kulturellen Lebenssei es notwendig, „künstlerische Kräftedes SS-Standortes Auschwitz“ zu erfas-sen. SS-Männer, die als Sänger, Schau-spieler, Musiker, Artisten oder Tänzerin Frage kommen, sollen sich bei Knit-tel melden.Am 2. November 1944 wer-den die Vergasungen eingestellt. Knit-tel, inzwischen Oberscharführer, hältden Vortrag Das Reich in Gefahr.

Im 60 Kilometer entfernten Krakausteht das Kulturleben derweil noch inschönstem Flor. Hier residiert Gene-ralgouverneur Hans Frank, genannt„der Polenschlächter“. Zu seinen

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Lagergemeinschaft Auschwitz - Freundeskreis der Auschwitzer 17

Land oder Grube Morgenrot. Der Kat-towitzer Intendant und SA-Oberfüh-rer Otto Wartisch wird Konzertdirigentin München.

SS-Oberscharführer Kurt Knittelwird im Dezember 1948 Dramaturg ei-ner in Villingen stationierten Wander-bühne. Bald arbeitet er auch wieder alsLehrer; 1957 wird er Referent imOberschulamt Karlsruhe; 1959 erfolgtdie Ernennung zum Regierungsschul-rat. Er ist im Schulfunkbeirat des Süd-deutschen Rundfunks, wird Geschäfts-führer der Karlsruher Volksbühne, Lei-ter der Jugendbühne und sitzt im Ver-waltungsrat der Badischen Hochschulefür Musik. Eine schöne Karriere für ei-nen Mann, der einst Kulturreferent imVernichtungslager Auschwitz war.

(Ernst Klee: „Das Kulturlexikon zumDritten Reich. Wer war was vor undnach 1945“, S. Fischer, Frankfurt amMain, 2007; ISBN 978-3-10-039326-5,720 Seiten, 29,90 Euro)

Freunden gehören Winifred Wagner,die Bayreuther Prinzipalin, sowie dieKomponisten Richard Strauss undHans Pfitzner. Hans Knappertsbuschist mit den Wiener und den BerlinerPhilharmonikern an Franks „Hof“ zuGast, auch der Pianist Wilhelm Kempffund natürlich Kempffs Kollegin EllyNey, die 1937 heißen Herzens bekann-te, ihr einziges Bestreben sei es, derdeutschen Jugend „die Einheit des ge-waltigen Geschehens durch unserenFührer mit den erhabenen Schöpfungenunserer Meister nahezubringen“.

Zu Propagandazwecken hatteFrank auch eine „Philharmonie desGeneralgouvernements“ gegründet, dieausschließlich mit polnischen Spitzen-musikern besetzt war. Das letzte Kon-zert in Auschwitz findet am 9. Januar1945 statt. Auf dem Programm stehtFranz Schuberts Achte Sinfonie, dieUnvollendete.

Den allerletzten Kulturabend inAuschwitz sollte der Schriftsteller KurtHielscher bestreiten, Autor vonBüchern wie „Burgen im BozenerLand“. Er will am 18. Januar 1945 überDeutsche Kultur in Siebenbürgen re-den. An diesem Tag jedoch beginnt dieEvakuierung des Lagers. Zurück blei-ben einige tausend Kranke, die am 27.Januar von Soldaten der Roten Armeebefreit werden. Lódz ist bereits seitdem 19. Januar von den Russen be-setzt. Intendant Hesse, der einst derdeutschen Kultur den Weg ebnen woll-te, hat sich rechtzeitig davongemacht.Er stirbt 1954 in Erlangen, laut Deut-schem Bühnen-Jahrbuch „als Heimat-vertriebener“. Der Lubliner IntendantAribert Grimmer findet zur ostzonalenDefa und spielt in Filmen wie Freies

Ernst Klee bei einer Lesung der Lagerge-meinschaft 2003 in Bad Nauheim.

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„So lernte ich schon sehr früh dieUngerechtigkeit der Stärkeren ken-nen.“ Diese von der Frankfurter Zeu-gin Jehova Doris Kaltwasser als Schü-lerin gemachte Erfahrung, trifft fürdie meisten Kinder und Jugendlichenzu, die aus rassistischen, antisemiti-schen und politischen Gründen schi-kaniert, diffamiert, bedroht, stigmati-siert, verfolgt und in sehr vielen Fäl-len ermordet wurden. „FrankfurterSchulen 1933 -1945: Orte der Aus-grenzung“ lautete die Überschrift derVeranstaltung, zu welcher der Ar-beitskreis Ausgegrenzte Opfer undder DGB (Region Frankfurt) amAbend vor dem internationalen Ge-denktag an die Opfer des Nationalso-zialismus am 27. Januar ins Gewerk-schaftshaus eingeladen hatten.

Unter den rund hundert Gästen be-fanden sich mit den Schwestern HellaUhrig und Edith Erbrich zwei Überle-bende des KZ Theresienstadt, sowiemit Wolfgang Breckheimer, dessenMutter Cäcilie als Jüdin in Auschwitz

ermordet wurde, ein ehemaliger Häft-ling der Frankfurter Gestapo.

Ebenfalls begrüßt wurden RuthWasserkampf, Ehefrau des zwangs-sterilisierten Friedolin Wasserkampf,sowie Hilde Kremer, die Witwe des2005 verstorbenen FrankfurterOpernsängers Franz Kremer, dessenFamilie drei Monate lang nichts vonihm hörte, weil ihn die Gestapo alsMitglied der „Swing-Jugend“ gefan-gen hielt. Er wurde gefoltert, um Ge-ständnisse zu erpressen. In seinen Er-innerungen hat er, der damals dieBergiusschule besuchte, geschrieben:„Wir waren genau das Gegenteil vonden Nazis, wir trugen weite Hosenund weiche Hüte und die Haare bisauf den Kragen.“ Für die Nazis be-deutet dies, dass die „Swing-Jugend“weder Disziplin noch Moral kenneund „jüdische Negermusik“ höre.

Anwesend waren auch eine ganzeReihe von Nazi-Verfolgten der Ge-werkschaftssenioren wie zum Bei-spiel Lorenz Knorr, der 99-jährige

Frankfurter Schulen 1933 - 1945Orte der Ausgrenzung

Gedenkveranstaltung der Arbeitsgruppe Ausgegrenzte Opfer am 26. Januar 2007 in Frankfurt am Main

Die Lagergemeinschaft Auschwitz - Freundeskreis der Auschwitzer arbeitet vonAnbeginn in der 1998 gegründeten Arbeitsgruppe Ausgegrenzte Opfer mit, in dermehrere Initiativen und Vereine aus Frankfurt am Main kooperieren. Es sind diesder DGB-Seniorenkreis Region Frankfurt-Rhein-Main, der Förderverein Roma,die Initiative 9. November, die Geschichtsforschung der Zeugen Jehovas in Frank-furt, die Initiative gegen das Vergessen, der Bund der Euthansiegeschädigten undZwangssterilisierten sowie der Studienkreis deutscher Widerstand 1933-1945. MitAusnahme von 2006 wurde seit 1999 jedes Jahr eine Veranstaltung zum Gedenk-tag an die Opfer des Nationalsozialismus (27.Januar,dem Befreiungstag von Aus-chwitz) durchgeführt. In diesem Jahr fand sie am Vortag, 26. Januar, im Gewerk-schaftshaus in der Wilhelm-Leuschner-Straße statt.

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Hans Schwert und andere, die teilwei-se jahrelang in Gestapo-Gefängnis-sen einsassen.

Ausgrenzung als Vorstufe zur Vernichtung

Nach 1933 fand die NS-Ideologiein allen Schulfächern Eingang in Formvon Rassenkunde, Geopolitik, Wehr-und Militärgeschichte. Zudem wurdeSport zu einem wichtigen Bestandteildes Schulunterrichts - zur Herausbil-dung einer „gesunden Herrenrasse“und zur Vorbereitung auf den Krieg.An Beispielen aus dem Helmholtz-Gymnasium, der Liebig-Oberreal-schule, der Ackermann-Schule, derMerianschule, dem Philanthropin, derWöhler-Schule, der Pestalozzi-Schule,der Bergius-Schule, der Taubstum-menerziehungsanstalt und dem Schul-

landheim Wegscheide wurde mit Foto-grafien, Dokumenten und Texten diezunehmende Ausgrenzung von Schul-kindern in der NS-Zeit dargestellt.

Es waren jüdische Kinder, Kinderder Sinti und Roma, behinderteMädchen und Jungen, Kinder derZeugen Jehovas und Kinder,deren El-tern im Widerstand waren. Für jüdi-sche Kinder und Angehörige der Sintiund Roma bedeutete die Ausgrenzungdie Vorstufe zur späteren Vernichtung.Erinnert wurde auch an jugendlicheZwangsarbeiter, die in den Kriegsjah-ren in Frankfurter Schulen unterge-bracht waren.

Der letzte Mohikaner kommt ans Philanthropin

Das Philanthropin war vor 1933 ei-ne weit über die Frankfurter Stadtgren-

Blick in den Saal: Wolfgang Breckheimer (2. Reihe, links), Marc Lehnert, Lorenz Knorr,Hella Uhrig und Edith Erbrich (1. Reihe von links).

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zen hinaus bekannte jüdische Bildungs-einrichtung. Beim Novemberpogrom1938 wurden viele Lehrer und auchSchüler in die Konzentrationslager Bu-chenwald und Dachau verschleppt.Nach einiger Zeit wurden die meistenwieder freigelassen und nahmen denUnterricht wieder auf. Der damals 18-jährige Abiturient Robert Goldmannerinnert sich: „Es war alles äußerstschwierig.(...) Man sah,wie sie behandeltworden waren,aufrecht konnte kaum ei-ner noch stehen.“ Robert Goldmannkonnte im März 1938 am Philanthropinnoch sein Abitur ablegen - allerdingsnicht in Deutsch und Geschichte, denndiese Fächer zu begreifen seien - so dasSchulamt - „jüdische Schüler per Defi-nition“ nicht in der Lage.

Im Sommer 1938 wechselte auchKarl Robert Würzburger ans Philan-thropin. Vom Direktor wurde er mitden Worten „Hier kommt der letzte

der Mohikaner“ begrüßt, denn er warder letzte jüdische Schüler, der nocheine nichtjüdische öffentliche Schulebesuchte. 1934 hatte der 1922 gebore-ne Karl Robert, Sohn des erblindetenOrganisten der Westendsynagoge, miteiner zionistischen Gruppe noch einenAusflug in die Schweiz machen kön-nen, in ein Land, in dem man frei redenkonnte. Nach dieser Erfahrung emp-fand er nach der Rückkehr die Atmos-phäre der Angst und Repression inFrankfurt bedrückender als je zuvor.Bei einem Besuch im Brentano-Bad1935 notierte er ein stilles Gebet: „Bit-te Gott, mache, dass Hitler sieht, dass erfalsch von den Juden denkt und wenn erPapa und Mama und unsere Familieund Freunde kennen würde, wüsste er,dass wir Deutsche nicht ausbeuten wol-len und keine habsüchtigen Judensind.“ Im August 1939 erreichte er mitdem letzten Kindertransport England.

Ken Ward bei einem Besuch in Frankfurt als im Januar 2007 in der Bockenheimer Land-straße 9 vor dem früheren Haus seiner Familie „Stolpersteine“ für seine Eltern Siegfriedund Gertrude Würzburger sowie seinen Bruder Hans, die in Chelmno ermordet wurden.

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Er nahm den Namen Ken Ward an undkam 1945 als englischer Soldat zurück.Seine Eltern und sein Bruder Hans wa-ren deportiert und im Vernichtungsla-ger Chelmno ermordet worden.

Die Farce um denGedenkgarten der Wöhlerschule

Bevor Würzburger 1938 ans Phi-lanthropin wechselte, hatte er dieWöhlerschule besucht, die dann auchwie gewünscht „judenrein“ wurde.Rund 50 Jahre später forschte eine Ar-beitsgruppe an der Wöhlerschule nachehemaligen jüdischen Mitschülernund richtete nach sechs Jahren For-schung in Archiven einen Gedenkgar-ten auf dem Schulgelände ein, in demmit 27.Granittafeln an die ermordetenjüdischen Schüler erinnert wurde.Schon in der Nacht vor seiner Eröff-nung, bei der auch der heute in Lon-don lebende Ken Ward anwesend war,wurde er teilweise von Unbekanntenzerstört und mit Hakenkreuzen be-schmiert. Von den Schülern wiederaufgebaut, war er fünf Jahre ein Ortdes Gedenkens, bis er trotz Interventi-on von Lehrern und Schülern bei derStadt und einer Zusage der Schonungdurch die grüne Schulrätin JuttaEbeling im Frühjahr 2006 endgültigzerstört wurde, um dem Bau einerMensa zu weichen.

In der Vorhölledes „Zigeunerlagers“ Dieselstraße

Roma- und Sintikinder fallen unterdie Ächtung und Diskriminierungdurch die rassistische Gesetzgebung.Siemüssen mit ihren Familien ihre Woh-

nungen verlassen und in Lager ziehen.In Frankfurt waren die Lager in derDiesel- und in der Kruppstraße.Dort le-ben sie unter unglaublich beengten Ver-hältnissen und sind ihrer Freizügigkeitberaubt. Herbert Ricky Adler erinnertsich später: „Das Leben im Lager wardie Vorhölle.Statt in einer großen Woh-nung hausten wir nun in einem kleinenalten Bauwagen, sechs Meter lang, zweiMeter breit,mit zwei schmalen Fenster-luken. (...) Dieselstraße, das hieß, Ab-schied nehmen von den Schulkamera-den, von den Nachbarkindern und ineinem Bauwagen wohnen statt in einerWohnung. Es waren Abtritte vorhan-den, die schlimmsten hygienischen Ver-hältnisse. Appelle, Befehle, Ausgehver-bot, Zwangsarbeit und diese Kälte.Dieselstraße - das bedeutete zum erstenMal:Angst!“

Auch der damals zwölf Jahre alteSinto Jakob Müller wurde im Septem-ber 1940 mit seiner ganzen Familie indas „Zigeunerlager“ in der Diesel-straße gesperrt: „Wir durften ein Jahrlang in die Schule gehen, und zwar indie Riederwaldschule,dann hat sich dieBevölkerung darüber mokiert; zuletztmussten wir alle ganz hinten in einemBlock sitzen. Dann kam der Frankfur-ter Erlass, und da durften wir Kindernicht mehr die Schule besuchen.“

„VerhängnisvolleZerstörung von Rassestolz“

Die Initiative, die zum Schulverbotfür Sinti-Kinder führte, ging auf Dr.Körten zurück, damals Ratsherr undReferent des Rassenpolitischen Am-tes der NSDAP-Gauleitung Hessen-Nassau. Körten hielt es in einem

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Schreiben vom 6. Mai 1940 an denFrankfurter Oberbürgermeister Krebsfür unzumutbar, dass „eine ganze An-zahl von Zigeunerkindern zusammenmit unseren deutschen Kindern dieGrundschulen ... besuchen“: „Das sit-tenverderbende Benutzen gemeinsa-mer Schulräume, Schulhöfe, Lehrmit-tel und sozialer Einrichtungen“ würdeso Körten „zu einer verhängnisvollenZerstörung von Rassenstolz und -be-wusstsein in den jungen aufnahme-

fähigen Seelen unse-rer Kinder führen.“

Im Frühjahr 1943werden die Bewohnerder Frankfurter „Zi-geunerlager“ nachAuschwitz-Birkenaudeportiert. Darunterauch Herbert „Ricky“Adler mit Vater, Mut-ter, Geschwistern undweiteren Verwandten.Den Tag der Befrei-ung erlebten vier von29 Familienangehöri-gen: Herbert selbst,sein älterer Bruder,seine Schwester Wan-da und ein Bruder sei-nes Vaters.

Über das Sinti-Kind Margarete Weißfinden sich in demZeugnisbuch der Pes-talozzi-Schule folgen-de, jegliche Realitätverzerrende Eintra-gungen: „Schuljahr1942/43: kein Zeugnis,da vom Schulamt vomSchulbesuch befreit.

Entlassen nach erfüllter Schulpflichtam 31. März 1944.“ Zu diesem Zeit-punkt war Margarete Weiß bereits tot- sie war im Alter von 14 Jahren am 1.Oktober 1943 in Auschwitz-Birkenauermordet worden.

Zwangssterilisation alsOpfer für die Volksgemeinschaft

Am 1. Januar 1934 tritt das „Gesetzzur Verhütung erbkranken Nachwuch-

1994 wurden zwei Gedenktafeln an die Verfolgung, Deportationund Ermordung der Frankfurter Roma und Sinti angebracht. Ei-ne an das Gebäude in der Dieselstraße 30 und eine weitere an derU-Bahnhaltestelle „Kruppstraße“ (Borsigallee). Beide Tafelnwurden durch private Spenden ermöglicht. Die Stadt Frank-furt/Main hatte ihren diesbezüglichen Etat bereits aufgebrauchtund die beiden an die Ermordung der Roma und Sinti erinnern-den Tafeln kurzerhand aus der Finanzierung gestrichen. Das La-ger Dieselstraße war 1942 in die Kruppstraße verlegt worden,weildie Firma Matra, die heute noch auf dem Gelände Rüstungsgü-ter produziert, das Grundstück erworben hatte. Sie benötigte esfür Zwangsarbeiter aus mehreren europäischen Ländern.

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Lagergemeinschaft Auschwitz - Freundeskreis der Auschwitzer 23

ses“ in Kraft. Behinderte Kinder wer-den im Rahmen der sog.Euthanasie er-mordet oder sie werden zwangsweisesterilisiert. Hilfsschulen übernehmendie Aufgabe, behinderte Kinder, wiezum Beispiel Gehörlose, für die Sterili-sation auszuwählen. Auch im Unter-richt haben es gehörlose Kinder nichtleicht.Gebärdensprache ist dort verbo-ten.Wie es gehörlosen Schülern oft er-gangen ist, zeigt das Beispiel des 1950nach Frankfurt zugezogenen FridolinWasserkampf. Sein Vater, selbst gehör-los, war von den Ideen der Nazis ange-tan.Der hörende Großvater war Frido-lins Vormund. Mit einem Brief vom 23.Dezember 1940 wurde der fast 16-jähri-ge aufgefordert, sich unfruchtbar ma-chen zu lassen. Der Großvater küm-merte sich sehr engagiert darum,diesesSchicksal zu umgehen, er legte Be-schwerde ein, auch eine Volkspflegerinschaltete er ein und ging mit ihrer Hil-fe bis zum Erbgesundheitsobergericht.

Wer Fridolin angezeigt hatte, weißer bis heute nicht.Denn sowohl die an-zeigende Person als auch alle damitverbundenen Vorgänge musstenstreng geheim bleiben.Typisch für dasVorgehen war der Aufruf der evange-lischen Taubstummen-Seelsorge mitdem Titel: „Ein Wort an die erbkran-ken evangelischen Taubstummen“„Die Obrigkeit hat befohlen: Niemanddarf über Unfruchtbarmachung spre-chen.Du selbst auch nicht.Merke wohl:Du darfst zu keinem Menschen darü-ber sprechen! Auch deine Angehörigennicht! Und der Arzt, der Richter, sie al-le müssen darüber schweigen!“

Die Volkspflegerin von der evan-gelischen Mission schrieb nach derletzten Gerichtsentscheidung: „Es tut

mir leid, aber ich bin sicher, dass Siestark genug sind, dies Opfer freiwilligfür die Volksgemeinschaft zu brin-gen.“ Fridolin musste sich schließlichdem Eingriff unterziehen. Zu seinergroßen Überraschung bekam er alsBettnachbar seinen eigenen Vater - sowusste er, auch sein Vater war davonbetroffen. Noch bis heute haben vieleGehörlose große Probleme über dieerlittene Zwangssterilisation zu reden.

Verweigerte Ausbildung -grausamer Scherz

Zu den grundsätzlich verfolgtenOpfern Nazi-Deutschlands gehörenauch die Zeugen Jehovas, die den NS-Organisationen aus Glaubensgründenfern blieben, zudem nicht nur denKriegsdienst verweigerten sondernauch den Hitlergruß. Der jungen Do-ris Kaltwasser wurde deshalb die ge-wünschte Ausbildung zur Kunstge-werblerin unmöglich gemacht. BeideEltern wurden verhaftet. Über dieseZeit berichtet Doris: „Ich habe in mei-nem Leben nicht mehr so viel geweintwie damals. Ich lernte aber auch, michzu beherrschen und niemand wußte,was mit mir los war und wie es mir ging.Ich kann heute noch nicht ohne Kloßim Hals über die Besuche im Gefängnissprechen. Den Vater im Gerichtsge-fängnis,die Mutter im FrauengefängnisPreungesheim.“

Die Mutter kam zwar nach relativkurzer Zeit wieder frei, allerdings wardie Armut der verbleibenden Familieunbeschreiblich. Außerdem standensie unter der ständigen Überwachungdurch die Polizei. Schließlich bekamensie noch „besonderen“ Besuch:die Ge-

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stapo und ein Vertreter Himmlers. Sieließen sich den Haftverlauf des Vaterserzählen; Frankfurt-Hammelsgasse,Preungesheim, Walchum, Papenburg,Frankfurt-Gerichtsgefängnis, Dachauund Mauthausen. Doris berichtet dar-über:„Diese Herren machten uns großeHoffnung, dass der Vater bald heim kä-me. Heute weiß ich, dass sie sich an un-serem Leid ergötzten, denn der Vaterkam heim, aber in einer Urne. Es warennur Tage später,dass wir ein Telegrammerhielten mit dem Wortlaut: Ehemannheute im Lager verstorben näheresdurch Polizei.Es war der 19.April 1940.Einen Tag vor Hitlers Geburtstag. Vorder so genannten Amnestie.“

Markige Reden gegen „jüdisch,bolschewistische Plutokratie“

Wie Kinder von Mitgliedern despolitischen Widerstandes drangsaliertund isoliert wurden,wurde an den Bei-spielen von Artur Roth und WolfgangBreckheimer verdeutlicht. Wegen desVerdachts auf Mitgliedschaft in der il-legalen KPD waren Artur Roths El-tern zeitweise in Haft. In seinen Erin-nerungen schreibt er: „Für mich wardies eine schwere Zeit. Ich lebte bei mei-nen Großeltern. (...) Ostern 1933 kamich in die Ackermann-Schule, eine Jun-genschule.Wenn meine Mitschüler überihr Elternhaus sprachen, zog ich michzurück. Was hätte ich auch erzählensollen. Mir war wohl klar, dass ich überdie Verfolgung meiner Eltern nicht re-den konnte. Das hatte zur Folge, dassich sehr isoliert war. Da die meistenSchüler in der naheliegenden Siedlungwohnten, hatte ich mit niemand einengemeinsamen Schulweg. Ich ging im-

mer allein in die andere Richtung.“ Wie in der Riederwaldschule der

Machtantritt der Nazis sich auswirkte,beschreibt Wolfgang Breckheimer inseinen Erinnerungen: „In der Schulezog der Geist der Unduldsamkeit ein.Die Lehrer prostituierten sich vor denneuen Herren. Bei vielen Gelegenhei-ten, mussten die Schüler aller Klassenim Hof oder in der Aula antreten.Dannwurden markige Reden von der ‘natio-nalen Erhebung gegen jüdische, bol-schwistische Plutokratie’ und ‘von derBefreiung vom Versailler Vertrag’ ge-halten. Zum Schluss wurden dasDeutschlandlied und das Horst-Wes-sel-Lied gesungen. Solange diese Lie-der erklangen, musste die Hand zumHitlergruß gehalten werden.“

Die Nürnberger Gesetze von 1935stempelten Wolfgang Breckheimerzum „Halbjuden“ Seine Mutter Cäci-lie wurde zu Beginn des Jahres 1943nach Auschwitz deportiert.Im Sommerwurde die Familie benachrichtigt, dassCäcilie Breckheimer an „allgemeinerKörperschwäche“ gestorben sei.

Vormilitärische Erziehung im Landschulheim Wegscheide

Generationen Frankfurter Schul-kinder erinnern sich an ihren Aufent-halt im Schullandheim Wegscheide - anNatur und Wald, gute Luft,Abenteuerund Spiele. Kaum eines erfuhr jedochetwas über die Geschichte der Weg-scheide, obwohl dieser Ort wie kaumein anderer die Geschehnisse des 20.Jahrhunderts zwischen Krieg und Frie-den widerspiegelt. Nach dem erstenWeltkrieg in den Baracken des ehema-ligen Truppenübungsplatzes errichtet,

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bestand das Kinderdorf bis in denSommer 1939. In der Weimarer Repu-blik gehörte das Ehepaar Artur undWilhelmine von Weinberg zu den För-derern der Wegscheide,er war Jude,sieChristin. Mit ihren Spenden wurden1929 drei neue Häuser errichtet, einesbekam den Namen Wilhemine-Haus,den es bis heute trägt.Vergessen ist derLeidensweg ihres Mannes, der 1943 indas KZ Theresienstadt deportiert wur-de und dort verhungerte.

Was in den Jahren der WeimarerRepublik noch Geländespiele und Na-turromantik waren, wurde ab 1933 zurvormilitärischen Erziehung.Die „Weg-scheide-Erziehung“ war eine Erzie-hung der Unterwerfung des Individu-ums unter die „Volksgemeinschaft“.Zur gleichen Zeit fanden in unmittel-barer Nähe des Kinderdorfes die Vor-bereitung des Zweiten Weltkrieges

statt:Auf dem BombenabwurfgeländeVillbach-Lettgenbrunn erprobte dieLuftwaffe die Wirkung neuer Bomben;sie sollten als erstes der Zivilbevölke-rung von Guernica den Tod bringen,wenig später den Menschen in War-schau, Rotterdam, Coventry ...

Bereits im August 1939 übernahmdie Wehrmacht das Kinderdorf undrichtete in den Unterkünften dasKriegsgefangenenlager Stalag IX BBad Orb-Wegscheide ein. Bis zu 25.000Kriegsgefangene verschiedener Natio-nen waren hier interniert. Als im De-zember 1941 ein Transport mit 2000 so-wjetischen Gefangenen eintraf, gab esfür sie - von der Wehrmacht zu „Unter-menschen“ erklärt - keine Unterkünfte.Sie mussten den harten Winter in selbst-gegrabenen Erdhöhlen verbringen;Spuren dieser quer zum Hang gegrabe-nen Höhlen sind noch heute zu erken-

Das Orchester der Wöhlerschule mit Lehrer Detlef Münkler bei ihrem Auftritt währendder Gedenkveranstaltung am 26. Januar 2007 im Gewerkschaftshaus Frankfurt am Main.

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versuchten, den bedrohten Schülern zuhelfen. So überlebte Lehrerin FriedaLöhnert das KZ Ravensbrück.Sie mus-ste nach dem Krieg um ihre Wiederein-stellung in den Schuldienst und darüberhinaus elf Jahre um ihre Anerkennungals politisch Verfolgte kämpfen.An derMerianschule erinnert seit 1989 eineGedenktafel an drei von den National-sozialisten ermordete jüdische Lehr-kräfte, denen Frieda Löhnert ihreFreundschaft bewahrte.

Frieda Löhnert kehrte im Sommer1945 nach Frankfurt zurück. DasSchulamt bot ihr zunächst die Früh-pensionierung an mit der diffamieren-den Unterstellung, dass sie nicht denEindruck mache, arbeiten zu wollen.Sie antwortete:„Eine Pensionierung istmir durchaus unerwünscht. Ich möchtenicht wegen meiner politischen Einstel-lung im Dritten Reich so Unsäglichesgelitten haben und beinahe ums Lebengekommen sein, um nachher in der De-mokratie kaltgestellt zu werden. Wennich mich ein Vierteljahr nach meinerRückkehr noch nicht kräftig genug fürden Dienst fühlte, so ist das nicht meineSchuld, sondern die Schuld derer, die

nen. Im Frühjahr1942 waren 1430dieser sowjetischenGefangenen denauf Vernichtungzielenden Lagerbe-dingungen erlegen.An sie erinnert der„Russenfriedhof“an der Straße nachVillbach-Lettgen-brunn.

Der Verein„Die Wegscheidemahnt,den Frieden sichern“ hat in den1990er Jahren einen historischen Wan-derweg angelegt: er führt u.a. zu einemWaldaltar aus der Zeit des ErstenWeltkrieges, an dem die jungen Re-kruten von evangelischen und katholi-schen Pfarrern „kriegsreif“ gepredigtwurden, zum bereits erwähnten „Rus-senfriedhof“ und zum Hindenburg-Stein. Die dort aufgestellte Tafel erin-nert an die Rolle Hindenburgs bei derErrichtung der nationalsozialistischenDiktatur. Dies Tafel wird immer wie-der beschmiert - wohl von den gleichenPersonen, die es nicht lassen können,jedes Jahr zum Geburtstag des Gene-ralfeldmarschalls Gebinde mitschwarz-weiß-roten Schleifen nieder-zulegen.

Lehrerin Frieda Löhnert - eine widerständige Frau

Zur Sprache kamen bei der Ge-denkveranstaltung am 26.Januar einigevon den wenigen Beispielen,wo antina-zistisch eingestellte Lehrerinnen undLehrer entweder direkten Widerstandleisteten oder wenigstens unauffällig

Gedenktafel an der Merianschule, die an die jüdischen Lehrkräf-te Nelly Fuchs, Aron Albrecht und Carl Beicht erinnert, die vonNazi-Deutschland im KZ ermordet wurden.

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Mein Vater wird gesucht,er kommt nicht mehr nach Haus.Sie hetzen ihn mit Hunden,vielleicht ist er gefunden - und kommt nicht mehr nach Haus

Oft kam zu uns SA und fragte, wo er sei.Wir konnten es nicht sagen,sie haben uns geschlagen,wir schrien nicht dabei.

Die Mutter aber weint,wir lasen im Bericht,der Vater sei gefangen und hätt’ sich aufgehangen - das glaub’ ich aber nicht.

Er hat uns doch gesagt,so etwas tät’ er nicht.Es sagten die Genossen,SA hätt’ ihn erschossen - ganz ohne ein Gericht.

Heut’ weiß ich ganz genau,warum sie das getan.Wir werden doch vollenden,was er nicht konnt’ beenden -und Vater geht voran!

Das Lied „Mein Vater wird gesucht“ wur-de 1935 oder 1936 (unterschiedlicheQuellenangaben!) von dem LaiendichterHans Drach verfaßt, der den Text zur Ver-tonung an die nach Prag emigrierte Kom-ponistin Gerda Kohlmey sandte. Es wur-de im deutschen Untergrund, vor allemaber von Emigranten im Exil gesungen. Eswurde mit Noten in der zu diesem Zeit-punkt ebenfalls bereits nach Prag emi-grierten „Arbeiter-Illustrierten-Zeitung“veröffentlicht und so unter den Antifa-schistInnen vieler Länder verbreitet. Inder Bundesrepublik fand es durch politi-sche Musikgruppen wie ZupfgeigenhanselVerbreitung.

mir zu zweieinhalb Jahren Gefängnisbzw. KZ verholfen haben, nachdem siemich vorher schon jahrelang gehetzthatten.“ Am 1.April 1946 konnte Frie-da Löhnert wieder unterrichten.

1951 erhielt sie einen Bescheid vonder Behörde, dass sie nicht „wieder-gutmachungsberechtigt“ sei.Es dauer-te noch elf Jahre, bis sie die Anerken-nung als politisch Verfolgte und einekleine Rente wegen des im KZ erlitte-nen Gesundheitsschadens erhielt. Siestarb 1979 im Alter von 85 Jahren; siehatte verfügt,dass auf ihrem Grabsteinauf dem Hauptfriedhof der Ort ihrerKZ-Haft - Ravensbrück - und ihr Be-ruf - Lehrerin - Zeugnis für ihr wider-ständiges Verhalten und die erlitteneVerfolgung ablegen.

Lieder aus dem Widerstand

Den musikalischen Teil der Ge-denkfeier gestaltete das Orchester derWöhler-Schule unter Leitung von Mu-siklehrer Detlef Münkler. Sie spieltendrei Lieder: ein Lied der Zeugen Jeho-vas, das in einem Außenkommandodes KZ Neuengamme entstanden ist,das Lied aus dem Widerstand „MeinVater ist gefangen“ und zum Abschlussder Veranstaltung das Buchenwald-lied, das alle Gefangenen vereinte inder Hoffnung auf ihre Befreiung.

Dieser Beitrag beruht auf Texten,die erarbeitet und am 26. Januar 2007

vorgetragen wurden von Ulla Dieckmann, Sabina Kirsch,

Erika und Günther Krämer,Ursula Krause-Schmitt, ElisabethLeuschner und Willi Malkomes.

Zusammenstellung:Hans Hirschmann

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Henryk Mandelbaum war Häftlingim jüdischen Sonderkommando im Ver-nichtungslager Auschwitz-Birkenau.Ihm ist die Ausstellung „Nur die Sternewaren wie gestern“ gewidmet,die im Ja-nuar dieses Jahres im evangelischen Ge-meindehaus Rodgau-Dudenhofen beiFrankfurt zu sehen war. Henryk Man-delbaum war bei der Eröffnung anwe-send und hat zudem bei zwei weiterenTerminen in der Umgebung über „seineArbeit“ im Sonderkommando erzählt.

Dieses Kommando des Grauens musstedie Leichen der ermordeten Opfer ausden Gaskammern zerren,sie in den Kre-matorien oder auf Scheiterhaufen ver-brennen; vorher waren ihnen die Haareabgeschnitten und die Goldzähne zurweiteren „Verwertung“ herausgebro-chen worden.

Die Ausstellung stellt den MenschenMandelbaum in den Mittelpunkt. Siemacht die Wirkung von Geschichte undPolitik auf ein menschliches Einzel-

schicksal sichtbar. Gezeigtwird, wie Henryk Mandel-baum vor dem Krieg mitseiner Familie lebte, derkurze, schreckliche Wegder jüdischen Familie voneinem normalen Leben inVerachtung, Verfolgungund Vernichtung; gezeigtwird, wie der junge Man-delbaum in sein eigenesLeben trat, was die Nazisihm angetan haben undwie er aus der Einsamkeitseines Leidens ins Lebenhat zurückfinden können.

Die Ausstellung ist indeutsch-polnischer Ko-operation entstanden undwurde 2005 in Oswiecimzum ersten Mal gezeigt.Beteiligt sind das Bil-

Nur die Sterne waren wie gesternBegegnung mit Henryk Mandelbaum

Nach meinem ersten Arbeitstag wollte ich nicht mehr leben. Ich habe in derNachtschicht gearbeitet. Für das, was ich in dieser Nacht erlebt habe, gibtes keine Worte. Nach dieser Nacht war die Welt nicht mehr die vom Tag da-vor, mein Leben war nicht mehr das alte. Ich war nicht mehr der von ge-stern. Nur die Sterne waren wie gestern. Sie waren mein einziger Trost.

Henryk Mandelbaum

Näheres zur Wanderausstellung im Internet unter www.bildungswerk-ks.de.Der Katalog „Nur die Sterne waren wiegestern - Henryk Mandelbaum, Häftling im Sonderkom-mando von Auschwitz 1944/1945“ (ISBN 3-00-018142-3) istim Buchhandel oder beim Bildungswerk Stanislaw Hantz(Kassel) zum Preis von 12.50 Euro erhältlich.

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dungswerk Stanislaw Hantz aus Kassel,die Internationale Jugendbegegnungs-stätte in Auschwitz und der Verein ge-gen Vergessen für Demokratie. DieWanderausstellung wurde konzipiertvon der Buchautorin Karin Graf („Zi-tronen aus Kanada, das Leben des Sta-nislaw Hantz“),die auch mehrere Studi-enfahrten der LGA geleitet hat, derHamburger Historikerin und Politolo-gin Tina Henkel sowie dem KasselerFotografen Andreas Dahlmeier.

Als ich Henryk Mandelbaum bei derEröffnung der Ausstellung erlebt habe,war dies für mich ein sehr bewegenderund beglückender Moment,diesen trotzseiner grauenhaften Lebenserfahrun-gen so liebenswürdigen und humorvol-len Menschen persönlich kennenzuler-nen und mich im Anschluss an seinenVortrag mit ihm unterhalten zu können.

Seinen Glauben an Gott hat er, wie ersagte, in der Hölle von Auschwitz verlo-ren.Und doch empfand ich bei unseremGespräch eine unzerstörbare Hoffnungund ein unzerstörbares menschlichesUrvertrauen bei ihm. Auch seine hu-morvollen,teils witzig-sarkastischen Be-merkungen während des Vortrags ha-ben mich beeindruckt.Glücklich bin ich,dass er mir das Standardwerk über dasSonderkommando (das von Eric Fried-ler,Barbara Siebert und Andreas Kilianherausgegebene Buch „Zeugen aus derTodeszone“) persönlich signiert hat.

Ich habe ihn eingeladen, uns bei derdiesjährigen Studienfahrt vom 19.bis 24.August nach Auschwitz als Zeitzeuge zubegleiten, was er, wie er mir sagte, gernetun werde.Ich bin guter Dinge und freuemich auf ein Wiedersehen.

Gerhard Herr

Mit viel Ausdauerund Engagementist es dem Club derehemaligen KZ-Häftlinge in Zgor-zelec gelungen,dassdas von ihren Mit-gliedern projektier-te Denkmal zur Er-innerung an dieOpfer der NS-Zeitin der Stadt reali-siert wurde. DieLGA gratuliert zudiesem Erfolg.Club-Präsident Sta-nislaw Hantz hiermit einem Foto desneuen Denkmals.

Neues Denkmal in Zgorzelec

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IAK besorgt über Anstieg rechter GewaltBald keine nachhaltige Opferberatung mehr möglich

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Das Bundesinnenministerium hatden brisanten Rekord offiziell bestätigt:Die Zahl rechtsextremer Straftaten hatmit mehr als 18.000 Delikten im vorigenJahr einen Höchststand erreicht. Vergli-chen mit 2005 stieg die Zahl der rechten(Un)Taten um 14 Prozent. Für 2006 sei„der bisher höchste Stand politischrechts motivierter Straftaten zu ver-zeichnen“, sagte eine Sprecherin des In-nenministeriums der Berliner tageszei-tung (taz). Demnach ist nicht nur dieZahl der sogenannten Propaganda-delikte weiter in die Höhe geschnelltsondern auch die Gewalt von rechts -um acht Prozent auf rund 1.100 Über-griffe. Das heißt: Im Durchschnitt ereig-neten sich in Deutschland täglich dreirechtsextreme Gewaltdelikte.

Bei der Generalversammlung desInternationalen Auschwitz-Komitees(IAK) in Oswiecim erläu-terte DiethardtStamm vom Vor-stand der Lagerge-meinschaft Ausch-witz - Freundeskreisder Auschwitzer(LGA), diese statisti-schen Zahlen an Handvon konkreten Beispielen. Er berichte-te, wie NPD und andere rechtsextremi-stische Gruppen in der Wetterau auftre-ten und sich Einfluss verschaffen (sieheBericht auf S. 8). Dies fand auch Ein-gang in eine am 23. April 2007 veröf-fentlichte Presseerklärung des IAK zurGeneralversammlung: „Neben Fragender zukünftigen pädagogischen Arbeitder Gedenkstätte Auschwitz und derUnterstützung und Betreuung derÜberlebenden in vielen Ländern wurdemit großer Besorgnis über den Anstieg

von Rechtsextremismus und Antisemi-tismus in Europa und die Rolle der neo-faschistischen NPD bei der Vereinigungder rechtsextremen Kräfte in Deutsch-land diskutiert: ,Die Rolle der NPD istabsolut alarmierend. Für uns ist es inak-zeptabel, dass einer Partei, die ihre Geg-ner mit Gewalt bedroht und Freiheit undDemokratie beseitigen will, von der Ge-sellschaft ein solcher Aktionsrahmen zu-gebilligt wird’, betonte Noach Flug, alterund neu gewählter Präsident des IAK.“

Die LGA sieht einen Zusammen-hang des Anstiegs von rechten Gewalt-taten und politischen Versäumnissender Bundesregierung sowie der Landes-regierungen. So fehlte es beispielsweisean politischem Willen, bestehende Pro-jekte der Opferberatung gegen rechtsdauerhaft finanziell abzusichern. Die ei-

gentlich erfolgrei-chen Projektträgermussten Mitarbei-ter kündigen undmühsam aufge-baute Infrastruk-turen preisgeben.Dies gab rechten

Gewalttätern undihren offenkundigen wie klammheimli-chen Gesinnungsfreunden Auftrieb.

Nach Protesten sah es so aus, alswürde ein vom Bundesfamilienministe-rium mit 5 Millionen Euro ausgestatte-tes Beratungskonzept einen Neuan-fang oder eine teilweise Weiterarbeit er-möglichen. Der Entwurf für die Umset-zung macht diese Hoffnung jedoch zu-nichte. Anders als die bisherigen Bera-tungsteams, sollen nun „mobile Krise-ninternventionsteams“ nicht mehr lang-fristig arbeiten, sondern „anlassbezo-gen“ und „zeitlich befristet“ um Hilfe

Aus: die tageszeitung, vom 28. März 2007

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rufende Kommunen beraten. Sie sollenjedes Mal neu zusammengestellt wer-den - je nach Anlass mit Juristen, Psy-chologen und Polizisten besetzt.

Lorenz Korgel, Koordinator derMobilen Beratungsteams ist über-zeugt, dass die geplanten kurzfristigenFeuerwehreinsätze gegen rechts zumScheitern verurteilt sind. „Die Leutein den betroffenen Orten wollen nie-manden, der einfliegt, ihnen sagt, wieman es besser macht, und dann wiederabhaut“, warnt er. „In einer so kurzenZeit wird niemand mit dir kooperie-

ren.“ Dem stimmt auch Karl-GeorgOhse, Leiter des Mobilen Beratung-steams Schwerin, zu: „Kurzfristige Kri-seneinsätze sind kein probates Mittelgegen die Faschisierung der Provinz“,sagt er.

Auch die Wissenschaftler, von de-nen die Modellprojekte begleitet undbeurteilt worden sind, waren bei derEntwicklung des Entwurfs nicht betei-ligt. Der Bielefelder Politologe ArminSteil sagte der taz: „Wir empfehlen,mehr auf Kontinuität zu setzen“.

Hans Hirschmann

Integriert - interessiert - deportiertIntegriert - interessiert - deportiert.

So lautet der Untertitel einer Skizzeüber Alfred Hahn,einen ehemaligen Di-rektor der Dresdner Bank. Er wurde1873 in Berlin geboren, warsehr an Kunst interessiert,wurde 1942 mit Ehefrau Cla-ra nach Theresienstadt de-portiert. Beide sowie auchviele Familienangehörigewurden Opfer des Holocaust.So hatten weder Tochter Elsenoch Schwiegersohn AlfredWerthan als Gehörlose nachihrer Ankunft in Auschwitz 1943 eineÜberlebenschance.

Viel Sichtbares ist von Alfred Hahnnicht geblieben - außer seinem Haus amWannsee und einem nicht auffindbarenLiebermann-Gemälde. Zumindest Teileseines Schicksals und dem weiterer An-gehöriger hat seine Urgroßnichte So-phie-D. Fleisch recherchiert und in dervon der Stiftung Neue Synagoge Berlin -Centrum Judaicum herausgegebenenReihe „Jüdische Miniaturen“ veröffent-licht. Sie kann dabei Bezüge zu der vornoch nicht allzu langer Zeit veröffent-lichten Studie über die Dresdner Bankherstellen.„Hahns Karriere - vom einfa-

chen Lehrling bis zum angesehenen Di-rektor - und deren abruptes Ende ma-chen die unausweichliche Verknüpfungdes Einzelschicksals mit gesellschaft-

lichen Geschehnissen nach-vollziehbar“,urteilt HermannSimon,Herausgeber der „Mi-niaturen“-Reihe. Sophie-D.Fleisch hat anonymen Zahlenin Arisierungsakten konkreteNamen von Opfern und Tä-tern zugeschrieben. So kannsie die unmittelbare Verant-wortung Albert Speers für die

Deportation der Geschwister Hahnnachweisen sowie allgemein das Zusam-menwirken von Behörden und Unter-nehmen bei der „Vermögensverwer-tung“. Sophie-D. Fleischs „Miniatur“sollte nicht zuletzt auch als Anregungund Aufforderung verstanden werden,die Suche nach Verwandten nicht aufzu-geben, so Hermann Simons Wunsch imNachwort des Bandes.

Sophie-D. Fleisch: Alfred Hahn(1873-1942), Berlin 2006, 5,90 Euro,ISBN 3-938485-30-2. Weitere Informa-tionen zu Alfred Hahn und der Auto-rin: www.sdfleisch.de.

Clara, Else und AlfredHahn im Jahr 1933

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Die Bundesrepublik Deutschlandist staatlicher Nachfolger des DrittenReiches sowie seit 1990 auch Nachfol-ger der DDR. Dass die Bundesregie-rungen seitdem versuchen, das Un-recht, das in der DDR den von derStasi verfolgten Menschen zugefügtwurde, als unrechtmäßig anzuerken-nen und „zumindest materiell wieder-gutzumachen“, ist zu begrüßen. MitBlick auf die NS-Opfer ist jedoch zufragen, warum diesen es unendlichschwerer gemacht wurde und wird,materiell entschädigt zu werden. Fest-stellbar sind gravierende Unterschie-

de, die in keiner Weise zu rechtfertigensind.

Deutschland hat während der NS-Zeit die Verfolgung und den Völker-mord geradezu zur Staatsdoktrin erho-ben, zudem einen völkerrechtswidrigenKrieg vom Zaun gebrochen, der Millio-nen Todesopfer forderte. So schlimmEinzelschicksale von Verfolgten desDDR-Staates auch waren, so wäre esdoch perfide, Opfer des NS-Regimesund solche der DDR gegeneinanderaufzurechnen.

Nun sind aber bei „Wiedergutma-chungsleistungen“ die Opfer des SED-

Regimes deutlich bes-ser gestellt als NS-Op-fer. Dies werde erneutdeutlich bei der vonder CDU-SPD-Bun-desregierung geplan-ten Gesetzesnovelle,wie Michael Teupenvom „BundesverbandInformation und Be-ratung für NS-Verfolg-te“ bei der Generalver-sammlung des Inter-nationalen Auschwitz-Komitees erläuterte.Dabei betonte er aus-drücklich, dass die Ent-schädigung von SED-

Verfolgten-Rente auch für NS-Opfer gefordert

Michael Teupen vom „Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolg-te“ in Köln berichtete bei der Generalversammlung des Internationalen Auschwitz-Komitees im April 2007 in Oswiecim über die Versuche, bei der BundesregierungEinfluß zu nehmen, dass NS-Opfern eine Verfolgten-Rente zuerkannt wird. Der„Bundesverband“ wurde 1990 von verschiedenen NS-Verfolgtenverbänden, PaxChristi und der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste gegründet. Die Gelder dervielen komplizierten Gesetzesregelungen und Härtefonds sind derart gut „ver-steckt“, dass viele Opfer keine Wege durch die bundesdeutsche Bürokratie fanden,um ihre Ansprüche geltend zu machen. Hier ist der Bundesverband für alle Opfer-gruppen kompetenter Ansprechpartner. Internetauftritt: www.nsberatung.de.

Ehemalige Häftlinge bei der Kranzniederlegung im Hof vonBlock 11 vor der Todeswand. Vordere Reihe v. links: KazimierzAlbin, Tadeusz Sobolewicz, Noach Flug, Henryk Mandelbaum.

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(BEG) nur bei einer verfolgungsbe-dingten Minderung der Erwerbs-fähigkeit von mindestens 25 Prozent

• Keine Rente für berufliche Schäden sondern höchstens eine Einmalzah-lung

• Keine Berücksichtigung im Bundes-versorgungsgesetz

• Heil und Krankenbehandlung, z. B.Anspruch auf Kurmaßnahmen (zur-zeit nur möglich bei Nachweis derKausalität)

• Gesetzlich zugesicherte ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt.

Wenn es zu einer tatsächlichenGleichstellung der materiellen Ent-schädigung und Wiedergutmachungder Opfergruppen kommen soll, müss-te eine rückwirkende angemesseneRentenzahlung für die Opfer des NS-Regimes gefordert werden - und zwarmit Ansprüchen, die vererbbar sind, be-kräftigte Michael Teupen gegenüberden überlebenden KZ-Häftlingen beider IAK-Versammlung.

Als Rechenbeispiel führt er an:Rente seit 1960 in Höhe von 250 DMmonatlich, 562 Monate x 250 DM =138.000 DM, ca. 69.000 Euro. „Da einesolche Forderung eher nicht durchsetz-bar ist, ist zumindest die sofortigetatsächliche Gleichbehandlung der Op-fergruppen zu verlangen“, betont Teu-pen. Dies würde heißen, dass NS-Opferzwar nicht rückwirkend eine Rente er-halten, aber zumindest ab dem Zeit-punkt, zu dem den SED-Opfern einezugesprochen wird.

Die Lagergemeinschaft Auschwitz -Freundeskreis der Auschwitzer schlies-sen sich diesen Ausführungen und For-derungen mit Nachdruck an.

Hans Hirschmann

Unrecht zu begrüßen ist. Gleichzeitighob er jedoch kritisch hervor, dass beiden derzeitig erörterten Voraussetzun-gen sowie der in Aussicht gestelltenHöhe von Rentenzahlungen anAnspruchsberechtigte „die erneuteBenachteiligung der Opfer des NS-Re-gimes deutlich“ zu Tage trete.

Opfern des SED-Regimes soll nachden bisher zur Diskussion stehendenPlänen eine Rente von 250 Euro mo-natlich zugesprochen werden. Voraus-setzung ist, dass mindestens sechs Mo-nate Freiheitsentzug vorliegen, der ausnicht rechtsstaatlichen Gründen erfolgtwar.

Die geplante Gesetzes-Novellemüsse im Zusammenhang mit den bei-den ersten Gesetzen zur Unrechtsbe-seitigung des SED-Regimes gesehenwerden, führte Teupen weiter aus. Die-se zuletzt 1999 geänderten Gesetzeschreiben Ansprüche hinsichtlich einerstrafrechtlichen, einer beruflichen undeiner verwaltungsrechtlichen Rehabili-tierung fest. So erhält zum Beispiel werzu Unrecht Freiheitsentzug erlitten hat,einen Betrag von 600 D-Mark proHaftmonat. Für haftbedingte Gesund-heitsschäden wird eine Beschädigten-versorgung nach dem Bundesversor-gungsgesetz gewährt. Bei beruflichenBenachteiligungen ergeben sich zudemFolgeansprüche und weitere renten-rechtliche Begünstigungen.

Inwieweit die NS-Opfer gegenüberden Opfern des DDR-Regimes be-nachteiligt sind, machte Michael Teu-pen mit folgender Auflistung deutlich:

NS-Opfer haben erhalten:• Für einen Monat Haft Entschädi-

gung in Höhe von 150 DM • keine Rentenzahlung• Gesundheitsschadensrente nach

dem Bundesentschädigungsgesetz

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Diese ursprünglich im JüdischenMuseum gezeigte Ausstellung ist in einerverkleinerten Version im Geschichts-büro Friedberger Anlage im Hochbun-ker zu sehen. Der 1942 errichtete Bun-ker steht auf den Fundamenten dergrößten Frankfurter Synagoge, die am10. November 1938 zerstört und späterabgerissen wurde. Die „Initiative 9. No-vember“ bemüht sich, diesen Ort zu ei-nem Ort der Erinnerung, des Lernensund der Auseinandersetzung mit Ge-schichte und Gegenwart zu machen.

Die Ausstellung ist geöffnet sonntagsvon 11 bis 14 Uhr. Führung jeweils ab11.30 Uhr oder für Gruppen und Schul-klassen auch nach telefonischer Verein-barung mit dem Jüdischen Museum,Te-lefon (069) 21238804. Eintritt 2 Euro,Führung zusätzlich 1,50 Euro.

Die „Initiative 9. November“ berei-tet für den 29. und 30. September 2007ein Symposion zum zukünftigen Nut-zungskonzept des Bunkers vor. WeitereInformationen demnächst im Internet:www.synagoge-friedberger-anlage.de.

Studienreise nach Auschwitz

Mitgliederversammlung

Für unsere Studienfahrt nach Auschwitz vom 19. bis 24.August 2007 können sichInteressenten noch anmelden. Die Teilnehmer treffen sich am Sonntag, 19. August,in Frankfurt/Main mit Janusz Mlynarski (Auschwitz-Häftling Nr. 355). Am Abenderfolgt der Abflug nach Krakau. In Polen finden Treffen mit den ehemaligen Häft-lingen Kazimierz Albin (Nr. 118),Tadeusz Sobolewicz (Nr. 25053), Henryk Mandel-baum (jüdisches Sonderkommando), Josef Paczynski (Nr. 121) und Prof. HenrykPierzchala (Nr. 152904) statt. Die Fahrt wird geleitet von den VorstandsmitgliedernAlbrecht Werner-Cordt und Gerhard Herr. Die Teilnahme kostet 450 Euro, plusKosten für eine Übernachtung in Krakau. Anfragen per E-Mail unter der [email protected]. Informationen zu LGA-Studien-reisen im Internet: www.lagergemeinschaft-auschwitz.de.

Die Lagergemeinschaft Auschwitz - Freundeskreis der Auschwitzer lädt fürSamstag, 22. September, um 15 Uhr zur Mitgliederversammlung mit Neuwahl desVorstands in die Ton- und Bildstelle der EKHN,Rechneigrabenstraße 10 in Frank-furt am Main, ein. Persönliche Einladungen an die Mitglieder folgen. Auch inter-essierte Nicht-Mitglieder sind willkommen.

Ausstellung im Hochbunker Friedberger Anlage 5/6 in Frankfurt/MainOstend - Blick in ein jüdisches Viertel

Neo-Nazis haben für Samstag, 7. Juli 2007, eine Großdemonstration in Frankfurtam Main angemeldet. Zu Gegenaktionen haben das Römerbergbündnis sowie dieAnti-Nazi-Koordination aufgerufen. Infos im Internet (www.nogonazi.de.vu/). Aufaktuelle Entwicklungen bitte auch in den Tageszeitungen achten.

Stoppt Nazi-Aufmarsch am 7. Juli in Frankfurt