Laurent Zeimet im Telecran

6

description

Porträt von Laurent Zeimet im Telecran

Transcript of Laurent Zeimet im Telecran

Page 1: Laurent Zeimet im Telecran
Page 2: Laurent Zeimet im Telecran

a k t u e l l

T E L E C R A N 1 3 / 2 0 1 2 1313

R E P O R T A G ER E P O R T A G E

Bürgermeister Laurent Zeimet

Mitten im Leben

Als CSV-

Spitzenkandidat

zog Laurent Zeimet

vergangenes Jahr

in den Wahlkampf.

Jetzt ist er

Bürgermeister seiner

Heimatgemeinde

Bettemburg. Durch

eine Dreierkoalition

gelang es ihm, die

Sozialisten nach

24 Jahren absoluter

Mehrheit auf die

Oppositionsbank

zu verbannen. Vor

kurzem wählten

ihn die Delegierten

seiner Partei zum

Generalsekretär.

Nun muss sich sein

politisches Talent

auch im Alltag

bewähren.

Fotos: Guy Wolff

Lieblingsplatz zum Entspannen:Als Kind hat Laurent Zeimet im Jacquinot Park gespielt, heute kommt er mit seiner kleinen Tochter hierher.

Page 3: Laurent Zeimet im Telecran

a k t u e l l

14 T E L E C R A N 1 3 / 2 0 1 2

R E P O R T A G E

MARTINE [email protected]

Eigentlich reicht es, einen Blick in sein Büro zu wer-fen, um zu begreifen wo Laurent Zeimet im Moment steht. Hinter seinem Schreibtisch, links und rechts des hohen Fensters, aus dem Sonnenstrahlen in den

mit dunklem Holz getäfelten Raum fallen, sind die Wände leer. Vorübergehend. Zwei Nägel verraten, dass hier einmal Bilder hingen: Gemälde von Fernand Bertemes, dessen fau-vistisch-ausdrucksstarke Kunst auch den Platz neben dem Marmorkamin schmückt. Sie sollen woanders im Rathaus, wo sie besser zu Geltung kommen wieder aufgehängt werden. Seit den vergangenen Kommunalwahlen ist Laurent Zeimet Bürgermeister in seinem Heimat Bettemburg. Viel hat er nicht verändert, als er das Büro von seinem sozialistischen Vorgän-ger Roby Biwer übernahm. Der wuchtige, doch zweckmäßige schwarze Vitrinenschrank ist bis auf ein paar Medaillen, Teller und andere Gemeinde-Memorabilien leergeräumt. Die Büste der Großherzogin Charlotte hat er aufs Fenstersims gestellt. Um den Hals hat er ihr einen Schal gelegt. „Damit sie sich nicht erkältet“, sagt er mit einem verschmitzten Lächeln, was man bei ihm selbst auf offiziellen Fotos oft sieht. Das Tuch sei ein Erinnerungsstück an eine thailändische Hochzeit, wo den Gästen zur Begrüßung ein Schal überreicht wird.

Was er sonst noch an dem Büro verändert hat? „Ich habe Bobby mitgebracht!“ Er zeigt auf eine große gerahmte Fotografie. Ein Mann im Halbschatten, tief in Gedanken versunken, dazu das Kinn in den Händen vergraben. Es ist Robert F. Kennedy, Jurist, Senator und Minister im Kabinett seines Bruders, US-Präsident John F. Kennedy. Beide sind für den 37-jährigen Zeimet poli-tisches Vorbild: charismatisch, fortschrittlich und sozial.

Dann dreht er sich mit einem Schwung in seinem Ledersessel um und greift nach den beiden Papierkörben. „Es gab nur einen, ich hab jetzt zwei“, sagt er. Hat der Vorgänger etwa keinen Müll getrennt? Zeimet vermeidet es, schlecht über den zu reden, der bei den Wahlen die meisten persönlichen Stimmen bekam, den er aber durch eine Koalition mit DP und Grünen auf die Oppositionsbank bugsierte. Wo ihm sonst gerne mal eine spöttische Bemerkung über die Lippen geht, bleibt er betont

GESCHÄFTE,RESTAURANTS, KNEIPEN

In Bettemburg gibt es alles für den täglichen Gebrauch. Wirklich schön

ist die Einkaufsstraße trotzdem nicht. Laurent Zeimet möchte

das ändern.

EIN HAUCH NOSTALGIEIn der alten Dorfschule hat Laurent

Zeimet früher den Unterricht besucht.

Page 4: Laurent Zeimet im Telecran

a k t u e l l

T E L E C R A N 1 3 / 2 0 1 2 15

R E P O R T A G E

fair: Im Rathaus sei der Abfall bereits vorher getrennt worden, doch er habe den Putzfrauen die Arbeit erleichtern wollen. Die Übergabe sei ohnehin sehr kollegial verlaufen. „Schließlich war ich selbst in der Opposition und weiß, wie bitter eine Niederlage sein kann.“ Überhaupt sei er jetzt erstmal damit beschäftigt, die Projekte aus der vergangenen Wahlperiode zu Ende zu führen, bevor er die eigenen in Angriff nehmen könne. Der neue Schöffenrat wolle eine behutsame Veränderung, bei der alle in der Verwaltung an einem Strang ziehen. Einfach zu sagen „Hoppla, hier sind wir! Jetzt wird alles anders!“, damit hole man niemanden ins Boot.

Neuer Politikstil. Die Koalition strebt nach 24 Jahren LSAP-Alleinherrschaft einen neuen Politikstil an. Das sei bei drei Part-nern unterschiedlicher Couleur auch gar nicht anders möglich, findet Laurent Zeimet. Als sie selbst noch in der Opposition waren, haben die Ratsmitglieder von CSV, DP und Grünen der sozialistischen Mehrheit wiederholt mangelnde Transparenz vorgeworfen. Vor allem der heutige zweite Schöffe Gusty Graas (DP) ärgerte sich im Gemeinderat wiederholt laut darüber, vor vollendete Tatsachen gestellt worden zu sein. Laut neuem Reglement sollen die Rechte der Räte nun gestärkt werden. Sie sollen schneller, einfacher und vor allem vollständiger über die Arbeit im Rathaus informiert werden „Wir haben Mitglieder der Opposition als Vertreter in den interkommunalen Syndikaten vorgeschlagen“, nennt Laurent Zeimet als Beispiel. „Das hat es in 24 Jahren nicht gegeben.“

Auch den Bürger will der neue Schöffenrat in die Entschei-dungsfindung einbinden. Es soll mehr Meinungsaustausch und dadurch mehr Demokratie in der Gemeinde geben. Der Anfang ist bereits gemacht: Bei Glatteistemperaturen waren rund 200 Teilnehmer Ende Januar zur Vorstellung des neuen Programms gekommen. Das hat sogar Laurent Zeimet überrascht, der große Stücke auf „seine“ Bettemburger hält.

Er, der Sohn eines Bäckers, ist in dem Ort aufgewachsen, der viele Jahrzehnte lang die Eisenbahnersiedlung schlechthin war. Hier stört sich niemand am Lärm quietschender Zugbremsen, der Tag und Nacht aus dem Rangierbahnhof dringt. Auch das ununterbrochene Rauschen der Autobahn nimmt man in Kauf, wohlwissend, dass andere Gemeinden von einer derart günsti-gen Verkehrsanbindung nur träumen können. Gleichzeitig gerät

DER NEUE CHEFMit den Angestellten der Gemeindeverwaltung will Laurent Zeimet an einem Strang ziehen.

„Ich brauche wohl noch ein bisschen Zeit, bis ich richtig angekommen bin.“ Für Laurent Zeimet hat sich das Leben nach den Gemeindewahlen schlagartig verändert.

Page 5: Laurent Zeimet im Telecran

a k t u e l l

16 T E L E C R A N 1 3 / 2 0 1 2

R E P O R T A G E

der Ortskern immer mehr zur Ausweichroute für Pendler, die versuchen, den Stau auf der völlig verstopften A3 zu umfahren. Bis zu 1700 Autos wälzen sich täglich durch Bettemburg. Das immense Verkehrsaufkommen Richtung Frankreich hält vor allem die freiwilligen Retter der Einsatzzentrale Bettemburg auf Trab: 2500 Mal im Jahr werden sie bei Notfällen gerufen. Zwei haupt-berufliche Sanitäter unterstützen die Mannschaft seit kurzem.

Blechlawinen im Feierabendverkehr. Eine Umgehungsstraße könnte Bettemburg vor dem Verkehrskollaps retten. „Doch dafür gibt es derzeit keine Mehrheit im Gemeinderat“, sagt Laurent Zeimet, der dieser Idee nicht abgeneigt ist. Er möchte die Möglichkeiten einer Verkehrsentlastung mit Nachhaltig-

keitsminister Claude Wiseler diskutieren. In den Wohngebieten sollen ab diesem Frühjahr erste Tests für ein Tempo-30-Limit anlaufen. „Was außerdem fehlt, ist ein Mobilitätskonzept für den gesamten Raum Bettemburg-Düdelingen“, so Zeimet. Die Gemeinde will weiterhin Knotenpunkt sein, doch nicht um jeden Preis. Deshalb sieht die neue Mehrheit den Bau eines Fußballstadions mit angrenzender Shopping-Mall auch skep-tisch. Auch das geplante Logistikzentrum auf dem Gelände des ehemaligen WSA-Depots wird mehr Verkehr bringen.

Oberste Priorität hat für Laurent Zeimet die Ausarbeitung eines neuen allgemeinen Bebauungsplans. Die Koalition lehnt ein forciertes Wachstum ab. Das von den Sozialisten geplante Neubaugebiet in Hüncheringen ist damit vom Tisch. Die neue Mehrheit will sich auf das Schließen von Baulücken konzent-rieren. Denn je mehr Familien nach Bettemburg ziehen, umso größer der Bedarf an Schulen, Kinderkrippen und anderen öffentlichen Einrichtungen. Die Finanzen der Gemeinde sind dank einiger großer Unternehmen darunter die Fima Lamesch, der Hela Baumarkt oder International Lacquers, der weltweit drittgrößte Nagellackproduzent, vergleichsweise gesund. Dennoch könne man sich keine allzu großen Sprünge leisten, sagt Laurent Zeimet. Der Familienvater weiß auch privat, was es heißt die Kosten zu kalkulieren. Für seine Familie baut er gerade ein Haus – zufälligerweise direkt neben seinem zweiten Schöffen Gusty Grass.

Journalist, Politiker, Familienvater. Ehefrau Diane und Töch-terchen Laura werden bald öfter auf ihn verzichten müssen. Obwohl sein neuer Arbeitsplatz nur einen Steinwurf von ihrer derzeitigen Wohnung entfernt liegt. Jetzt, wo die CSV-Delegier-ten ihn mit 63 Prozent der Stimmen zum Generalsekretär ihrer Partei gewählt haben, werden noch mehr Termine auf Laurent Zeimet zukommen. Zum zweiten Mal innerhalb von sechs Mo-naten wird er seinen Berufsalltag umkrempeln müssen. Doch er nimmt es sichtlich gelassener als noch im Oktober, als er sich bei dem Gedanken, plötzlich Oberhaupt einer Gemeinde

„Wer meint, ich würde mir mit dem Job die Taschen füllen, irrt.“ Laurent Zeimet wird für seine Arbeit als CSV-Generalsekretär nicht bezahlt.

MODERATES WACHSTUMSteigende Einwohnerzahlen

erfordern den Bau neuer Schulen und Betreuungseinrichtungen für Kinder.

Deshalb will der neue Schöffenrat verhindern, dass Bettemburg

zu schnell wächst.

POLITIK DER KURZEN WEGEDas Büro der beiden Schöffen

liegt auf der anderen Seite des Flures. Laurent Zeimet, Josée

Lorsché und Gusty Graas führen die Dreierkoalition im Gemeinderat

an und streben dort eine konsensorientierte Meinungsfindung

an.

Page 6: Laurent Zeimet im Telecran

a k t u e l l

T E L E C R A N 1 3 / 2 0 1 2 17

R E P O R T A G E

von fast 10 000 Einwohnern zu sein, doch etwas vor der eigenen Courage er-schreckt hat. „Plötzlich wurde ich in ein Amt katapultiert, auf das einen nichts und niemand vorbereitet“, erinnert er sich. Laurent Zeimet ist jetzt Chef von rund 300 Angestellten. Für den Jour-nalisten, der seit sieben Jahren beim „Luxemburger Wort“ beschäftigt ist und sich einen Namen als politischer Redakteur und Kommentator mit spit-zer Feder gemacht hat, durchaus eine Umstellung: „Meine Lebensplanung war eine andere“, sagt er.

Seine Karriere verlief nicht immer so gradlinig, wie sein Senkrechtstart als derzeit jüngster Bürgermeister in einer Proporzgemeinde ver-muten lässt. Zeimet studierte Rechtwissenschaften in Köln und Paris. Er bewarb sich nach seinem Abschluss aber nicht als Jurist, sondern als Redakteur beim „Luxemburger Wort“ – und wurde abgelehnt. Einstellungsstopp. Gezwungen, seine Zukunftspläne zurückzustellen, absolvierte er in der Kanz-lei seines Parteikollegen Jean-Louis Schiltz das zweijährige Pflichtreferendariat für Anwälte. Später klappte es dann auch mit dem Job bei der Tageszeitung.

Journalist sei einfach sein Traumberuf gewesen. Es sei ihm nicht leicht gefallen, diesen aufzugeben. „Ich vermisse die Kollegen und meine Samstagskolumne. Manchmal käme ihm sein neues Leben noch sehr ungewohnt vor, gesteht er. „Ich brauche wohl noch ein bisschen Zeit, bis ich richtig angekommen bin.“ Bei der Zeitung gab die Nachrichtenlage den Tagesrhythmus vor. Parteipolitisch hat er sich damals weitaus weniger engagiert, als während seiner Zeit als Vorsitzender der Christlich-Sozialen Jugend, obwohl er aus seiner politischen Gesinnung als Autor keinen Hehl machte. Auf die Frage, mit wie viel Karrierekalkül

die Kandidatur zum Generalsekretär seiner Partei verbunden war, reagiert Laurent Zeimet mit gespielter Entrüs-tung. Er weiß, dass politische Beob-achter mit ihm in den kommenden Jahren rechnen. Schließlich wäre er nicht der erste CSV-Generalsekretär, der erst in den Abgeordnetenrängen und später auf der Regierungsbank Platz nimmt. „Wer aber meint, ich würde mir mit dem Job die Taschen füllen, irrt“, betont Zeimet. „Der Ge-neralsekretär kriegt für seine Arbeit keinen Cent.“

Laurent Zeimet ist ein Vereins-mensch. Jemand, der gerne unter

Leuten ist, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Er war als Jugendlicher bei den Pfadfindern, den Messdienern und im Turnverein. Er spielte Tuba und Trompete bei der Harmo-nie Bettemburg, deren Präsident er heute ist. Deshalb will er während seiner Amtszeit als Bürgermeister die Vereine besser unterstützen, in dem er sie bei großen kulturellen Ver-anstaltungen als Partner einbezieht. „Wir müssen aufpassen, dass wir mit unserem kulturellen Angebot den Vereinen keine Konkurrenz machen.“ Riesige Rockspektakel wie einst unter dem damals ebenfalls jungen Bürgermeister Lucien Lux, zu denen Michael Jackson und Bon Jovi auf den „Krakelshaff“ kamen, wird es wohl nicht mehr geben. Der Schöffenrat plane ein Literaturfestival nach dem Vorbild der „Lit.Cologne“, bei dem Autoren an ungewöhnlichen Plätzen aus ihren Werken lesen. Dazu sollen auch von außerhalb die Menschen nach Bettemburg kommen. Das Erfolgskonzept der „Nuit des Mer-veilles“ soll weitergeführt und die Party am Vorabend des Nationalfeiertags mit der multikulturellen „Fête de l’Amitié“ zusammengelegt werden. Schließlich hat es auch was Gutes, wenn sich die Wege an einem Ort kreuzen.

KUNST UND IDOLEDie Möbel und auch die Deko hat Laurent Zeimet von seinem Vorgänger übernommen. Nur das Foto von seinem politischen Vorbild Bobby Kennedy hat er bei seinem Einzug mitgebracht.

Der Ortskern gerät immer mehr zur Ausweichroute für Pendler, die versuchen, den Stau auf der völlig verstopften A3 zu umfahren. Bis zu 1700 Autos wälzen sich täglich durch Bettemburg.