LE 8: (Nationale) Instrumente der Umweltpolitik und ... · Endokrin wirksame Stoffe Kassandra W...

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Prof. Dr. iur. Dr. h.c. G.W.Wittkämper SoSe 2014 Umweltpolitik LE 8: (Nationale) Instrumente der Umweltpolitik und -verwaltung* 8.1 Risiken und Instrumente 8.2 Instrumente-Infrastruktur 8.3 Ansatzpunkte und Kriterien 8.4 Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) 8.5 Planungsinstrumente 8.6 Die Agenda 21 8.7 Instrumente der direkten Steuerung 8.8 Instrumente der indirekten Steuerung 8.9 Informelle Instrumente 8.10 Emissionszertifikate und -lizenzen 8.11 Andere ökonomische Instrumente * Spezifische transnationale Instrumente siehe LE 12 1

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LE 8: (Nationale) Instrumente der Umweltpolitik und -verwaltung*

8.1 Risiken und Instrumente

8.2 Instrumente-Infrastruktur

8.3 Ansatzpunkte und Kriterien

8.4 Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)

8.5 Planungsinstrumente

8.6 Die Agenda 21

8.7 Instrumente der direkten Steuerung

8.8 Instrumente der indirekten Steuerung

8.9 Informelle Instrumente

8.10 Emissionszertifikate und -lizenzen

8.11 Andere ökonomische Instrumente

* Spezifische transnationale Instrumente siehe LE 12

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8.1 Risiken und Instrumente (1 von 2) (vgl. Hansjürgens (ed.): Umweltrisikopolitik. Sonderheft 10/99 ZAU)

8.11 Risikotypen im Jahresgutachten 1998 des WBGU

(W=Eintrittswahrscheinlichkeit; A=Schadensausmaß)

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Risikotyp Charakterisierung Beispiele

Damokles W gering (gegen 0), Abschätzungssicherheit von W hoch A hoch (gegen unendlich), Abschätzungssicherheit von A hoch

Kernenergie, Großchemische Anlagen, Staudämme, Meteroriteneinschläge

Zyklop W ungewiss, Abschätzungssicherheit von W ungewiss A hoch, Abschätzungssicherheit von A eher hoch

Überschwemmungen, Erdbeben, Vulkaneruptionen

Pythia W ungewiss, Abschätzungssicherheit von W ungewiss A ungewiss (potenziell hoch), Abschätzungssicherheit von A ungewiss

Sich aufschaukelnder Treibhauseffekt, Freisetzung und Inverkehrbringen transgener Pflanzen, bestimmte Anwendungen der Gentechnologie, Instabilität der westantarktischen Eisschilde

Pandora W ungewiss, Abschätzungssicherheit von W ungewiss A ungewiss (nur Vermutungen), Abschätzungssicherheit von A eher hoch

Persistente organische Schadstoffe (POP), Endokrin wirksame Stoffe

Kassandra W eher hoch, Abschätzungssicherheit von W eher gering A eher hoch, Abschätzungssicherheit von A eher hoch, Verzögerungswirkung hoch

Anthropogener schleichender Klimawandel, Destabilisierung terrestrischer Ökosysteme

Medusa W eher gering, Abschätzungssicherheit von W eher gering A eher gering (Exposition hoch), Abschätzungssicherheit von A eher hoch, Mobilisierungspotenzial hoch

Elektromagnetische Felder

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8.1 Risiken und Instrumente (2 von 2)

8.12 Strategien und Instrumente für den Risikotyp Zyklop. Das Hauptproblem bei diesem Risikotyp ist die Ungewissheit bei der Eintrittswahrscheinlichkeit

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Strategien Instrumente

1. Eintrittswahrscheinlichkeit W ermitteln

• Forschung zur Ermittlung von W • Internationales Monitoring durch o Nationale Risikozentren o Institutionelle Vernetzung o Internationales „Risk Assessment Panel“

•Technische Maßnahmen zur Abschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit

2. Gegen Überraschungen vorbeugen

• Gefährdungshaftung •Versicherungspflicht für Risikoerzeuger (z.B. Überschwemmungen, Siedlungen) • Stärkung der Kapazitäten (Genehmigung, Überwachung, Ausbildung usw.) •Technische Maßnahmen • Internationale Überwachung

3. Katastrophenmanagement sicherstellen bzw. Schadensausmaß reduzieren

• Stärkung der persönlichen und institutionellen Kapazitäten (Notfallschutz) • Reduzierung des Schadensausmaßes •Ausbildung, Bildung, Empowerment •Technische Schutzmaßnahmen, inklusive Begrenzungsstrategien • Internationale Hilfsgruppen (z.B. Feuerwehr, Strahlenschutz usw.)

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8.2 Die Instrumente- Infrastruktur

• Politische Kapazität/Agendasetting

• Finanzielle/wissenschaftlich-technische/ökonomische Kapazität

• Bewusstsein und Information

• Institutionen und Verfahren

• Definitionen/Begriffe

• Indikatoren

• Bewertungsmaßstäbe

• Daten und Datenbasen

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8.3 Ansatzpunkte und Kriterien des Instrumenteeinsatzes (1 von 2)

8.31 Ansatzpunkte: • Strukturen, z.B.

• der Administration

• der Produktion

• der Märkte

• Prozesse, z.B.

• Konsum

• Gebrauch

• Investition

• Akteure,

• Zielgruppen

• Individuen

• Medien der Umwelt

• Boden

• Luft

• Wasser

• Klima

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8.3 Ansatzpunkte und Kriterien des Instrumenteeinsatzes (2 von 2)

8.32 Kriterien (gleichrangig)

• Risikotyp (siehe LE 8.1)

• Ökologische Effektivität

• Verteilungswirkungen

• Durchführbarkeit

• Kosten/Nutzen-Relation

• Akzeptanz/Politisch-Soziale Kapazität

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8.4 Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) (1 von 2)

UVPG, Fassung vom 24.02.2010, zuletzt geändert 2012

§ 1 Zweck des Gesetzes. Zweck dieses Gesetzes ist es sicherzustellen, dass bei bestimmten öffentlichen und privaten Vorhaben sowie bei bestimmten Plänen und Programmen zur wirksamen Umweltvorsorge nach einheitlichen Grundsätzen

1.die Auswirkungen auf die Umwelt im Rahmen von Umweltprüfungen (Umweltverträglichkeitsprüfung und Strategische Umweltprüfung) frühzeitig und umfassend ermittelt, beschrieben und bewertet werden,

2.die Ergebnisse der durchgeführten Umweltprüfungen

a) bei allen behördlichen Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben,

b) bei der Aufstellung oder Änderung von Plänen und Programmen so früh wie möglich berücksichtigt werden.

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8.4 Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) (2 von 2)

§ 2 Begriffsbestimmungen (1) Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist ein unselbständiger Teil verwaltungsbehördlicher Verfahren, die der Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben dienen. Die Umweltverträglichkeitsprüfung umfasst die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Vorhabens auf

1. Menschen, einschließlich der menschlichen Gesundheit, Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt,

2. Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft,

3. Kulturgüter und sonstige Sachgüter sowie

4. die Wechselwirkung zwischen den vorgenannten Schutzgütern.

Sie wird unter Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt. Wird über die Zulässigkeit eines Vorhabens im Rahmen mehrerer Verfahren entschieden, werden die in diesen Verfahren durchgeführten Teilprüfungen zu einer Gesamtbewertung aller Umweltauswirkungen zusammengefasst.

(2) Ein Vorhaben ist

1. nach Maßgabe der Anlage 1

a) die Errichtung und der Betrieb einer technischen Anlage,

b) der Bau einer sonstigen Anlage,

c) die Durchführung einer sonstigen in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahme,

2. die Änderung, einschließlich der Erweiterung,

a) der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer technischen Anlage,

b) der Lage oder der Beschaffenheit einer sonstigen Anlage,

c) der Durchführung einer sonstigen in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahme.

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8.5 Planungsinstrumente (1 von 2)

Alle Planungsinstrumente dienen dem Einfluss auf über den Raum beeinflussbare Umweltprobleme (vgl. ausführlich: Erbguth/Schlacke, a.a.O., S. 86-91)

8.51 Räumliche Gesamtplanungen

• Transnational, z.B. Elbe, Alpen, Ostsee

• National (abhängig von Kompetenzen)

• Landesplanung

• Regionalplanung

• Stadt-, Gemeindeplanung

• Bauleitplanung (Flächennutzungsplan, Bebauungsplan)

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8.5 Planungsinstrumente (2 von 2)

8.52 Fachplanungen

• mit Vorrang Umweltschutz (=umweltspezifische Fachplanungen)

• die Abfallwirtschaftsplanung (KrW-/AbfG)

• die Lärmminderungsplanung (BImSchG)

• die Landschaftsplanung (BNatSchG)

• die Luftreinhalteplanung (BImSchG)

• die wasserwirtschaftliche Planung (WHG)

• mit Berücksichtigung Umweltschutz (=umweltrelevante Fachplanungen)

• die Eisenbahnplanung (AEG)

• die Planung von Flughäfen (LuftVG)

• die Flurbereinigungsplanung (FlurbG)

• die Straßenplanung (FStrG)

• die Wasserwegeplanung (WaStrG)

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8.6 Die Agenda 21 (1 von 5)

7.61 Begriff Agenda 21

• Die Agenda 21 ist das Ergebnis der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro.

• Die Agenda 21, die mit ihren 40 Kapiteln alle wesentlichen Politikbereiche einer umweltverträglichen, nachhaltigen Entwicklung anspricht, ist das in Rio von mehr als 170 Staaten verabschiedete Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert, nach ihrer Präambel (1.6) „ein dynamisches Programm“ für „den Beginn einer neuen globalen Partnerschaft …, die auf eine nachhaltige Entwicklung ausgerichtet ist.“

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8.6 Die Agenda 21 (2 von 5)

8.62 Das integrierte Steuerungsmodell der Agenda 21 (Jänicke/Jörgens, 2004, a.a.O., S. 306f.)

• Zentrale Merkmale des integrierten Steuerungsmodells der Agenda 21 sind:

• Strategischer Ansatz: eine langfristig angelegte konsensuale Ziel- und Strategieformulierung auf breiter Basis (Kap. 8, 37, 38 der Agenda 21).

• Integration: die Integration von Umweltbelangen in andere Politikfelder und Sektoren, insbesondere von Umwelt und Entwicklung (Kap. 8).

• Partizipation: die breite Beteiligung von Verbänden und Bürgern (Kap. 23-32).

• Kooperation: das Zusammenwirken staatlicher und privater Akteure in umweltrelevanten Entscheidungs- und Vollzugsprozessen (durchgängig durch alle Kapitel).

• Monitoring: eine Erfolgskontrolle mit differenzierten Berichtspflichten und Indikatoren (Kap. 40).

• Mehrebenen-Steuerung von der globalen bis zur lokalen Ebene (ins. Kap. 38).

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8.6 Die Agenda 21 (3 von 5)

8.62 Das integrierte Steuerungsmodell der Agenda 21 (Jänicke/Jörgens, 2004, a.a.O., S. 306f.)

Die Agenda 21 macht Vorgaben für die zentralen Problemfelder und für die

einzelnen Handlungsebenen. Sie stellt speziellen Akteursgruppen wie den

Unternehmen, den Wissenschaften oder den Kommunen konkrete Aufgaben.

Anstelle nachträglicher, additiver Umweltschutzmaßnahmen von Fall zu Fall soll

insgesamt eine globale, nationale und lokale Anstrengung auf breiter Basis hin zu

einer ökologisch zukunftsverträglicheren, zugleich global gerechteren Entwicklung

unternommen werden.“

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8.6 Die Agenda 21 (4 von 5)

8.63 Die lokale Agenda 21 (Global denken, lokal handeln)

• Aus Kapitel 28 Agenda 21:

„28.3 Jede Kommunalverwaltung soll in einen Dialog mit ihren Bürgern, örtlichen Organisationen und Privatwirtschaft eintreten und eine „kommunale Agenda 21“ beschließen. Durch Konsultation und Herstellung eines Konsenses würden die Kommunen von ihren Bürgern und von örtlichen Organisationen, von Bürger-, Gemeinde-, Wirtschaftsund Gewerbeorganisationen lernen und für die Formulierung der am besten geeigneten Strategien die erforderlichen Informationen erlangen. Durch den Konsultationsprozess würde das Bewusstsein der einzelnen Haushalte für Fragen der nachhaltigen Entwicklung geschärft.“

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8.6 Die Agenda 21 (5 von 5)

7.64 Die drei Dimensionen einer Lokalen Agenda

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Das Ziel: Langfristiges Handlungsprogramm für eine zukunftsbeständige Gemeinde • Aufstellung eines langfristigen kommunalen Handlungskonzeptes – für die ökologische, ökonomische und soziale Entwicklung – mit auf Dauer aufrecht erhaltbaren Strukturen – und dem Ziel der Zukunftsbeständigkeit – im 21. Jahrhundert

Die politische Kultur: Konsensfindung zwischen allen gesellschaftlichen Gruppen • Gesellschaftlicher Diskurs über Leitbilder, Entwicklungspfade, Werte und Weichenstellungen – mit allen gesellschaftlichen Kräften – in einem partizipatorischen Prozess – mit dem Ziel des größtmöglichen Konsenses, damit die LA 21 Durchschlagskraft erhält.

Der planerische Weg: Systematischer Planungsprozess in Stufen • gibt Ziel und Verfahren eine umsetzbare Struktur, • unterstützt die Konzentration auf das Wesentliche, • verhindert, dass sich die LA 21 im Nichts unendlicher Diskussionen auflöst. Quelle: ICLEI 1997 (International Council of local environmental initiatives

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8.7 Instrumente der direkten Verhaltenssteuerung

(vgl. Erbguth/Schlacke, a.a.O., S. 91ff.)

• Vorhabenkontrolle

• Zulassungsverfahren

• Auflagen

• Überwachung

• Eingriffe

• Anordnungen (Gebote)

• Untersagungen/ Rücknahme von Zulassungen

• Eigenvornahme

• Verbote

• Verträge

• Androhungen

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8.8 Instrumente der indirekten Verhaltenssteuerung

(vgl. Erbguth/Schlacke, a.a.O., S. 117-132)

• Instrumente mit öffentlichen Einnahmen

• Abgaben (Steuern, Gebühren, Beiträge, Sonderabgaben)

• Instrumente mit finanziellen und anderen Anreizen

• z.B. steuerliche Vorteile, Hilfen für Netzwerke

• Haftung

• Schadensersatz (ziviles Haftungsrecht)

• Strafrecht

• Qualifikationsvorschriften

• Organisationsvorschriften

• z.B. betriebliche Umweltschutzbeauftragte (hierzu Erbguth/Schlacke, a.a.O., S. 56)

• Warnungen/Empfehlungen

• Informationspflichten

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8.9 „Informelle“ Instrumente (Grundlegende Instrumente)

• Ethik

• Hochethik

• Institutionenethik/Corporate Culture

• Sozialethik

• Individualethik

• Symbole (z. B. Blauer Engel)

• Umweltpreise

• Öffentlichkeitsarbeit

• Bildung/Erziehung

• Allgemeine und berufliche Bildung

• Vorschule bis Senioren

• Lernziele/Erziehungsziele

• kognitive

• emotional-affektive (Grundhaltungen)

• Konative (Lernorte/Handlungsorte)

• Durch neue Grundhaltungen bzw. Grundüberzeugungen zu neuem Verhalten (Öko muss „in“ sein)

(vgl. Bericht der Bundesregierung zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. BT

Drucksache 16/13800 vom 24.07.2009)

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8.10 Emissionszertifikate und Lizenzen (1 von 4)

8.10.1 Aktueller Anlass

Im Kyoto-Protokoll vom 11.12.97, in Kraft seit dem 16.02.05, hat sich die EU dazu verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bezogen auf das Basisjahr 1990 um 8% bis 2012 zu senken. Deutschland allein hat sich dazu verpflichtet, eine Reduktion von 21% zwischen 1990 und 2012 vorzunehmen. Unter den flexiblen Instrumenten, die das Protokoll vorsieht (siehe LE 10), ist auch der Emissionsrechtehandel, der seit langem diskutiert wurde (vgl. Bonus, Holger (Hrsg.): Umweltzertifikate, der steinige Weg zur Marktwirtschaft. Zeitschrift für angewandte Umweltforschung, Sonderheft 9/1998).

Die EU hat dieses flexible Instrument eingeführt und zwar durch die Richtlinie 2003/87/EG vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgas-Emissionszertifikaten in der Gemeinschaft (zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG). Dadurch wurde der Bund verpflichtet, die Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen. Das geschah durch das TEHG (Treibhausgasemissionshandelsgesetz) und die Zuteilungsverordnung, beide aus 2004.

(vgl. Bonus (ed.): Umweltzertifikate. Der steinige Weg zur Marktwirtschaft. Sonderheft

9/1998 ZAU; Böhringer/Löschel: Internationaler Emissionshandel, in: ZfU 2/2003, S. 129 ff.

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8.10 Emissionszertifikate und Lizenzen (2 von 4)

8.10.2 Grundidee

Grundidee des seit dem 1. Januar 2005 in der EU möglichen Emissionshandels ist es,

dass jeder Verursacher von Emissionen nur die Menge an Schadstoffen in einer

Periode freisetzen darf, wie er dafür an Emissionsrechten besitzt. Dem Emittenten

steht es nun frei, ob er die maximale Menge an Schadstoffen freisetzt oder aber

versucht, die Schadstoffmenge zu verringern. Dies kann durch Einsparungen oder

technische Innovationen geschehen, wie zum Beispiel durch eine Verbesserung der

Produktionsverfahren. Gelingt ihm eine Reduzierung der Emissionen, besitzt er

überschüssige Emissionsrechte. Diese kann er nun an andere Emittenten

weiterverkaufen, für die eine Verhaltensänderung höhere Kosten verursacht als der

Erwerb zusätzlicher Emissionsrechte. Es bildet sich ein Markt, auf dem die

Emissionsrechte gehandelt werden können.

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8.10 Emissionszertifikate und Lizenzen (3 von 4)

8.10.3 Die Umsetzung von TEHG mit Zuteilungsverordnung

(Quelle: iwd Nr. 3 vom 20.01.05, S.2)

Deutschland gehört zu den EU-Ländern, die zum vorgeschriebenen Stichtag 1. Januar 2005 alle Voraussetzungen erfüllt haben, um am Emissionshandel teilnehmen zu können. Die Deutsche Emissionshandelstelle (DEHSt), die beim Umweltbundesamt angesiedelt ist, hat Ende Dezember 2004 den beteiligten Unternehmen ihre Emissionsberechtigungen zugeteilt. Danach sind in der Bundesrepublik 1.849 Industrieanlagen von rund 1.200 Unternehmen der Energiewirtschaft sowie der energieintensiven Industrie in den Emissionshandel einbezogen worden.

Insgesamt wurden den Unternehmen Zertifikate für 1.485 Millionen Tonnen CO2 zugeteilt.

Dabei handelt es sich um das Gesamtbudget für die kommenden drei Jahre – der ersten Handelsperiode. Bei einem Preis von 8-9 Euro für ein Zertifikat (ein Zertifikat berechtigt zur Emission von einer Tonne CO2 je Kalenderjahr) entspricht das einem Marktvolumen von 12 bis 13 Milliarden Euro.

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8.10 Emissionszertifikate und Lizenzen (4 von 4)

8.10.3 Die Umsetzung von TEHG mit Zuteilungsverordnung

(Quelle: iwd Nr. 3 vom 20.01.05, S.2)

Die Emissionsberechtigungen für die Periode 2005-2007 wurden in jedem Kalenderjahr zum 28. Februar in drei gleichen Tranchen ausgegeben. Die Betreiber der am Emissionshandel beteiligten Anlagen (Betroffen sind von der Richtlinie Stromerzeuger, Raffinerien sowie Fabriken, die Eisen und Stahl, Zement, Glas, Ziegel, Papier und Karton herstellen. Das sind nach Angaben der Brüsseler Kommission EU-weit 12.000 Industrieanlagen, auf deren Konto fast die Hälfte der CO2-Emissionen der Gemeinschaft geht.) müssen bis zum 31. März des folgenden Jahres, erstmals also zum 31. März 2006, einen Emissionsbericht vorlegen. Darin müssen sie Auskunft geben über ihre Emissionen – und in diesem Umfang Zertifikate bei der Behörde einreichen. Wer mehr CO2 ausgestoßen hat als zertifiziert, muss von anderen Firmen – im In- oder Ausland, Rechte dazukaufen und umgekehrt.

(vgl. auch Internetseiten DEHG)

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8.11 Andere ökonomische Instrumente

• Betriebliche Instrumente (Auswahl)

• Umwelt-Audit (UAG i.d.F. vom 4.9.2002)

• Nachhaltigkeitsberichte/Umweltberichte (vgl. Labbé/Stein: in: Der Betrieb. 49/2007, S. 2661 ff.)

• Umwelt-Bilanzen (z. B. Energiebilanz, Abfallbilanz)

• Umwelt-Prämien (Budgets)

• Makroökonomisch

• Umweltökonomische Gesamtrechnung (Vgl. Bartelmus/Albert/Tschochohel: Wie teuer ist (uns) die Umwelt. Zur

umweltökonomischen Gesamtrechnung in Deutschland. In: ZfU 3/2003, S.

333 ff.)

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