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2018. 128 S., mit 6 Abbildungen und 2 Karten ISBN 978-3-406-71005-6 Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.chbeck.de/24554601 Unverkäufliche Leseprobe © Verlag C.H.Beck oHG, München Diese Leseprobe ist urheberrechtlich geschützt. Sie können gerne darauf verlinken. Jürgen Sarnowsky Die Templer

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2018. 128 S., mit 6 Abbildungen und 2 Karten

ISBN 978-3-406-71005-6

Weitere Informationen finden Sie hier:

https://www.chbeck.de/24554601

Unverkäufliche Leseprobe

© Verlag C.H.Beck oHG, München

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Jürgen Sarnowsky Die Templer

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Kein anderer Orden ist so von Legenden umrankt und von Ge-heimnissen umwittert wie die «Ritterschaft vom Tempel Sa-lomos». Jürgen Sarnowsky erzählt kenntnisreich die bewegteGeschichte des Ordens von den Anfängen im 12. Jahrhundertüber die Zeit der Kreuzzüge bis zur Auflösung im Jahre 1312.Er schildert das religiöse Selbstverständnis der Tempelritter undihre hierarchische Organisation, ihre militärischen Aktivitätenund das Alltagsleben in Burgen und Ordenshäusern. Zur Spra-che kommt auch die enorme Wirkungsgeschichte der Templer,die durch ihren Kampf um das Heilige Land die Weltgeschichtemitprägten, zur Entstehung des Bankwesens beitrugen und inder Neuzeit zum Ideal esoterischer Zirkel avancierten.

Jürgen Sarnowsky, geb. 1955, lehrt als Professor für Mittelalter-liche Geschichte an der Universität Hamburg. Er ist u. a. Zwei-ter Vorsitzender der Historischen Kommission für ost- undwestpreußische Landesforschung und Mitglied der Internatio-nalen Historischen Kommission zur Erforschung des DeutschenOrdens. Zahlreiche Publikationen zu den geistlichen Ritter-orden; in der Reihe C. H. Beck Wissen erschien von ihm außer-dem «Der Deutsche Orden» (2.Aufl. 2012) und «Die Johanni-ter» (2011).

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Jürgen Sarnowsky

die Te mple r

Verlag C.H.Beck

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Mit 6 Abbildungen und 2 KartenKarten © Peter Palm, Berlin

Die 1. Auflage erschien 2009.

2., durchgesehene Auflage. 2017

Originalausgabe© Verlag C.H.Beck oHG, München 2009

Satz, Druck und Bindung: Druckerei C.H.Beck, NördlingenUmschlagmotiv: Zwei Templer mit Ordensbanner zu Pferde,

nach der Chronik des Matthäus Parisiensis,© The Master and Fellows of Corpus Christi College, Cambridge

Umschlagentwurf: Uwe Göbel, MünchenPrinted in Germany

isbn 978 3 406 71005 6

www.chbeck.de

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inhalt

Einleitung 6

I. Anfänge und Aufstieg 11

1. Der Erste Kreuzzug und seine Folgen 11 – 2. Ritter am Heili-gen Grab 15 – 3. Die Reise Hugues’ de Payns und die Synode vonTroyes 20 – 4. Das «Lob der neuen Ritterschaft» 25 – 5. Schen-kungen, päpstliche Anerkennung und erste Strukturen derGemeinschaft 29 – 6. Der Besitzausbau im Heiligen Land 34 –7. Der militärische Einsatz im Heiligen Land 39 – 8. Der Ordenauf der Iberischen Halbinsel 44 – 9. Schenkungen und Aufgabenin den Herkunftsregionen 48 – 10. Die Schlacht von Hattin 1187und ihre Folgen 52

II. Die Templer im 12. und 13. Jahrhundert 57

1. Die Entwicklung der Ordensregel 57 – 2. Die Ämterhierar-chie 61 – 3. Das militärische Engagement 66 – 4. Das «Netz-werk» der Templer 70 – 5. Landwirtschaftliche Grundlagen 74 –6. Die Finanzgeschäfte 78 – 7. Spiritualität und Kultur 84

III. Das Ende des Templerordens 89

1. Krise und neue Aufgaben um 1200 89 – 2. Die Niederlagendes späteren 13. Jahrhunderts 94 – 3. Die Kritik an den Temp-lern 99 – 4. Der Beginn des Templerprozesses 104 – 5. Die Auf-hebung des Ordens 108 – 6. Nachleben 113

Ausblick 119

Quellen und Literatur 122Liste der Meister 125Register 125

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einleitung

Templer sind heute in allen Medien präsent. Im Internet fin-den sich zahllose Seiten, die sich – von ernsthaft bis wenig ver-trauenswürdig – mit Templern beschäftigen. Literatur und Fil-me für ein Millionenpublikum gewinnen ihre Anziehungskraftnicht zuletzt daraus, dass sie Templer auftreten lassen. Im Zeit-alter des «Infotainments» kann sich dem auch das Fernsehennicht verschließen und verbindet scheinbar seriöse Bericht-erstattung mit der Suche nach magischen Kräften, mythischenFiguren und dem – immer wieder neu postulierten – Templer-schatz, der sich jedoch hartnäckig der Entdeckung entzieht. Invielen populären Büchern geht der Einfluss der Templer weitüber Europa hinaus, erstreckt sich bis nach Nordamerika, dasschon Ende des 14. Jahrhunderts (oder noch früher) auf Temp-lerschiffen erreicht worden sein soll, oder auch nach Südindien.Überall sind neue Templer-Gesellschaften entstanden, darunterauch viele, die sich durchaus ehrenwerten Zielen verschriebenhaben.

Allerdings hat diese moderne Faszination für die Templer we-nig mit dem historischen Orden der «Ritter vom Tempel desHerrn zu Jerusalem» zu tun, der schon 1312 durch Papst Cle-mens V. aufgehoben wurde. Sie beruht vielmehr auf dem Temp-ler-Mythos, der sich seit dem 18. Jahrhundert entwickelt hat.Auch wenn diese Aufhebung nicht bei allen Zeitgenossen aufZustimmung stieß, bedeutete sie doch das faktische Ende derGemeinschaft. Die verbliebenen Brüder wurden auf Lebenszeitaus geistlichen Besitzungen versorgt, und der Besitz des Ordenswurde sukzessive den Johannitern übergeben. Nur in Einzelfäl-len – und nur auf der Iberischen Halbinsel – entstanden Nach-folgeinstitutionen. Erst die Fantasie späterer Jahrhundertewollte dieses jähe Ende der Templer nicht akzeptieren, sondernglaubte an ein Fortbestehen der Gemeinschaft im «Untergrund».

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Die Freimaurer des 18. Jahrhunderts sahen sich in ungebro-chener Kontinuität zu den Templern. Sie beriefen sich auf Ge-heimlehren des Ordens, die als Vermächtnis des letzten Groß-meisters Jacques de Molay auf sie gekommen seien, und sahendiese Lehren als eigentliche Ursache der Aufhebung des Temp-lerordens an.

Einer der deutschen Gründerväter der als «Templerismus»bezeichneten Strömung der Freimaurer war der 1776 verstor-bene Reichsfreiherr Karl Gotthelf von Hund, der behauptete,über verlorene Templer-Dokumente zu verfügen. Er gründetedie Loge «Zu den drei Säulen», deren Mitglieder in historisie-render Ordenskleidung auftraten, und ließ sich im Habit einesTemplermeisters bestatten. Der hessische Hofprediger JohannAugust Starck versuchte sogar, in seine Neutempler einen eige-nen Ordensklerus zu integrieren. Im Templerismus wurde dieursprüngliche Gleichheit der Freimaurer durch die Rangord-nungen der Strikten Observanz ersetzt, unter Einschluss ritter-licher Grade. Mit dem berüchtigten Georg Friedrich Johnson,der 1765 auf der Wartburg gefangengesetzt wurde, kamen ersteVerschwörungstheorien in die Welt. Er warf den Freimaurerndie Einflussnahme auf die polnische Königswahl, die Ermor-dung von Papst Clemens XIV. und von König Ludwig XV. so-wie Kollaboration mit den Jesuiten vor. In der Epoche der Re-volutionen zwischen 1789 und 1848 wurden die an den Temp-lern orientierten Freimaurer immer wieder mit Umstürzen undAnarchie in Verbindung gebracht. Sie wurden als Erben anti-christlicher Sekten und Gemeinschaften verstanden, die diechristliche Ordnung zu untergraben suchten. In den roman-tischen Novellen Ivanhoe (1819) und The Talisman (1825) vonWalter Scott wird daraus die Vorstellung, der einstmals kirchen-treue Orden sei durch moralischen Verfall zu einer finsteren Ge-heimgesellschaft von nie da gewesener Macht geworden. Eine –wenn auch durchaus ironische – Spiegelung davon bietet nochder Roman Das Foucaultsche Pendel von Umberto Eco (1988).

Einer der Autoren, die durch ihre Darstellung der Geschichteder Templer auf die eigene Gegenwart einzuwirken suchten, warder österreichische Orientalist Joseph Freiherr von Hammer-

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Purgstall (1774–1856). Allerdings ist seine Deutung eher demBereich der Mythenbildung zuzuordnen. Er brachte die Templerinsbesondere mit den spätantiken Gnostikern in Verbindung,ohne jedoch die Unterschiede zwischen den gnostischen Lehrenund den nicht das Ordensleben spiegelnden Vorwürfen gegendie Templer zu berücksichtigen. Dabei verband er den Templer-Mythos mit der Gralslegende, die er für einen Ausdruck gnos-tischer Lehren hielt. Auch wenn Wolfram von Eschenbach inseinem Parzival, der die Gralslegende thematisiert, Templer er-wähnt, entbehrt diese Verbindung jeder Grundlage. Sie wurdedennoch seither immer wieder hergestellt. Überhaupt war dieTempler-Legende vielfach einsetzbar. Politisch wurde sie vonkonservativen wie von radikalen Kräften instrumentalisiert,Romantiker wie Scharlatane griffen auf sie zurück. Den Temp-lern wurden die Vermittlung geheimen Wissens aus alten Zeitenund mysteriöse Einflüsse auf die Gegenwart zugeschrieben.

Die verschlungenen Wege der weiteren Ausgestaltung desTempler-Mythos sind ein eigenes Thema und können hier nichtweiter verfolgt werden. Es ist keineswegs so, dass sie nicht dieAufmerksamkeit der Geschichtswissenschaft verdienten, erlaubtdie Beschäftigung mit ihnen doch interessante Einblicke in dieVorstellungswelt und soziale Realität der jeweiligen Epoche.Der Mythos sagt jedoch nichts über die Geschichte des histo-rischen Templerordens selbst aus, die vielleicht sogar reizvollerund vielgestaltiger als der Mythos ist.

Die Anfänge des Ordens der Templer gehören in den Kontextder Massenbewegung des Ersten Kreuzzugs (1096–1099). Des-sen Teilnehmer zogen im Namen Christi in den Krieg, um denChristen des Orients zu Hilfe zu kommen und die Stätten des«Heiligen Landes» aus der Hand der «Sarazenen» zu befreien.Schon 1096 legten viele Kreuzfahrer ein Gelübde ab, und späterbanden sich zahlreiche Ritter auf Zeit an die gewachsenen Insti-tutionen im Heiligen Land, um die Erfolge des Kreuzzugs, dieEroberung Jerusalems und die Errichtung der Kreuzfahrerstaa-ten abzusichern. So fand sich um 1119 auch eine Gruppe vonRittern um den aus der Champagne stammenden Adligen Hu-gues de Payns zusammen, die streng nach monastischen Regeln

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lebten, aber zugleich für den Schutz der nach Jerusalem kom-menden Pilger kämpfen wollten. Eine gewisse Unsicherheit überdie Zukunft der Gemeinschaft führte zur Reise Hugues’ nachFrankreich. Diese erbrachte nicht nur die erste schriftlich nie-dergelegte Regelung der Lebensform, sondern auch die Unter-stützung durch den vielleicht prominentesten Vertreter der Kir-che in seiner Zeit, den Zisterzienser Bernhard von Clairvaux,der mit seiner Schrift «Über das Lob der neuen Ritterschaft»eine grundlegende Rechtfertigung der Verbindung von Mönch-und Rittertum unternahm. Päpstliche Privilegien und zahlreicheSchenkungen folgten. Aus bescheidenen Anfängen erwuchs soschließlich eine einflussreiche und wirkungsmächtige Korpora-tion, deren Mitglieder mit Päpsten und Königen Umgang pfleg-ten und in vielen Regionen Europas und im Heiligen Land prä-sent waren. Schätzungsweise zählte die Korporation im 13. Jahr-hundert rund 7000 Ritter- und Priesterbrüder, Sergeanten unddienende Brüder, die im lateinischen Westen rund 870 Burgen,Komtureien und weitere Besitzungen des Ordens verwalteten.Die materiellen und personellen Ressourcen des Herkunfts-gebiets ermöglichten den Einsatz im sog. Heidenkampf, sowohlim Heiligen Land als auch in Spanien. Das Netzwerk von Temp-lerhäusern, das den Transport von Männern, Pferden, Waffenund Lebensmitteln organisierte, versorgte allein im HeiligenLand wohl bis zu 600 Ritterbrüder und 2000 Sergeanten.

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Zwei Templer zuPferde (wie auf demältesten Siegel) mitOrdensbanner, nachder Chronik desMatthäus Parisiensis

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Das Ideal des Templerordens – die Verbindung von Mönch-tum und «Heidenkampf» – entwickelte eine ungeheuere Anzie-hungskraft. Nach seinem Vorbild bildete sich ein ganzer Or-denszötus, die Gruppe der geistlichen Ritterorden, die sich am«Lob der neuen Ritterschaft» Bernhards von Clairvaux orien-tierten. So wurden die als Hospitalgemeinschaft gegründetenJohanniter ebenso nachträglich «militarisiert» wie der 1190 vorAkkon gegründete spätere Deutsche Orden, dem 1198 unteranderem die Templerregel übertragen wurde, und in Spanienwie im Baltikum entstanden Neugründungen nach dem Vorbildder Templer. Alle diese Orden, aber insbesondere die drei großeninternationalen Orden der Templer und Johanniter sowie derDeutsche Orden, wurden im 13. Jahrhundert immer stärker indie Verteidigung der verbliebenen Kreuzfahrerterritorien einge-bunden. Zwar gerieten sie in eine Krise, als diese nach und nachverloren gingen, am Ende konnten sich die meisten von ihnenjedoch behaupten. Der weitaus verhängnisvollere Schlag trafdie Brüder des Templerordens, als sie durch den französischenKönig Philipp IV. seit 1307 zahlreicher Vergehen und Verbre-chen beschuldigt wurden. Das sich lange hinziehende Verfahrenendete schließlich in der Aufhebung des Ordens auf dem Konzilvon Vienne 1312.

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Bleibulle Bertrands de Blanchefort, 1168, Vorder- und Rückseite

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i. Anfänge und Aufstieg

1. Der Erste Kreuzzug und seine Folgen

Der Beginn der Kreuzzugsbewegung, aus der auch der Templer-orden hervorgehen sollte, lässt sich chronologisch genau be-stimmen. Papst Urban II. rief am 27. November 1095 auf einemFeld vor der Stadt Clermont dazu auf, den Christen des Os-tens zu Hilfe zu kommen, nachdem er nachdrücklich ihre Lei-den beschrieben hatte. Er reagierte damit zwar auf einen Hilfs-appell des byzantinischen Kaisers Alexios I. Komnenos vomMärz 1095, doch folgte dieser Aufruf eigenen, abendländischenBahnen.

Das Christentum hatte Krieg und Kriegsdienst lange ableh-nend gegenübergestanden. Die Wandlung des Christentums zurStaatsreligion machte einen neuen Ansatz erforderlich, derChristen den Dienst in den Heeren des mittlerweile von vielenSeiten bedrängten Römischen Reiches ermöglichte. Es war ins-besondere der Kirchenvater Augustinus († 430), der die Grund-lagen für die weiteren Diskussionen legte, ausgehend von anti-ken Vorbildern. Krieg blieb grundsätzlich – als Folge der Erb-sünde – negativ besetzt, doch nahm Augustinus die Existenz«gerechter Kriege» an, die vier Voraussetzungen erfüllen muss-ten. Sie bedurften einer legitimen Autorität, die den Krieg er-klärte, eines gerechten Grundes (etwa die Verteidigung des eige-nen Landes, die Bestrafung von Unrecht oder die Rückgewin-nung verlorenen Gutes) und konnten nur begonnen werden,wenn Alternativen für eine friedliche Lösung fehlten und dasVorgehen angemessen war. Daneben nahm er auch mit gött-licher Autorität geführte Kriege an, die an sich gerecht seien,und entwickelte in seiner Schrift Über den Gottesstaat eine Frie-densontologie. Augustinus ging davon aus, dass alle Kriege –auch die ungerechten – im Grunde der Herstellung des Friedensdienen sollten, wenn auch unter verschiedenen Vorzeichen.

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Augustinus’ Lehre vom gerechten Krieg fand erst im Hoch-mittelalter wieder stärkere Beachtung, zum Beispiel in der kir-chenrechtlichen Sammlung des Bologneser Juristen Gratian,dem für das Kirchenrecht grundlegenden, um 1140 entstande-nen Decretum Gratiani. Dort wird sie zusammen mit den durch-aus widersprüchlichen biblischen Stellen vergleichend analysiertund kommentiert. Davor wurden die Überlegungen Augustinskaum rezipiert. So kam es, dass man noch im 10. Jahrhundertvon den Teilnehmern eines Krieges Bußleistungen verlangte,wenn sie im Kampf, auch gegen Friedensbrecher, getötet hatten.Dennoch spielten die Grundzüge der augustinischen Lehre nichtzuletzt in den Konfliktregionen zwischen muslimischen undchristlichen Territorien eine wichtige Rolle. Man wollte ehemalschristliche Territorien zurückgewinnen und sah sich damit nichtnur in einem gerechten, sondern auch geheiligten Krieg. In derKreuzzugsbewegung gewann daneben noch die augustinischeForderung nach der richtigen Intention des Kriegführenden anBedeutung, der z. B. nicht aus Besitzgier oder Hass handelndurfte.

Ein wichtiger Aspekt der Entwicklung war die «Christianisie-rung des Rittertums», das heißt die Einbindung der zuvor aneher heidnischen Idealen orientierten Kriegerschicht in diechristliche Vorstellungswelt. Kämpfte der miles Christi, derKrieger Christi, zunächst nur mit geistlichen Waffen, als Geist-licher in der Welt oder häufiger als Mönch hinter Klostermau-ern, übertrug sich dieser Begriff nun auf das Rittertum. DieseVeränderungen wurden nicht zuletzt durch den Einsatz vonRittern in der sog. Gottesfriedensbewegung und in päpstlichgeführten Unternehmen hervorgerufen. In den Gottesfriedensetzten die Bischöfe angesichts schwacher weltlicher Gewaltenregionale, zunächst zeitlich oder auf Personengruppen begrenzteFrieden durch, indem sie mit Hilfe von weltlichen Herrschafts-trägern gegen Friedensstörer vorgingen. Das Reformpapsttumsetzte Krieger gegen seine Gegner ein. So rief Leo IX. 1053 Krie-ger zum Kampf gegen die Normannen in Süditalien und ver-sprach ihnen dafür den Erlass der von der Kirche verhängtenBußstrafen, setzte also geistliche Privilegien für weltliche Ziele

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ein. Ähnlich sagte Alexander II. 1064 den französischen Teil-nehmern am Feldzug gegen das noch muslimische BarbastroAblässe zu, und Gregor VII. wollte 1074 wohl auf ähnlicheWeise gegen die Normannen und nach Kleinasien ziehen. DieseVerquickung von weltlichen und geistlichen Mitteln wurdedurch den Einsatz von Fahnen unterstrichen, so 1066 durch dieVersendung der päpstlichen Petersfahne an den Eroberer Eng-lands, Herzog Wilhelm von der Normandie.

Der Aufruf Papst Urbans II. von 1095 stand somit bereits ineiner längeren Tradition. Er erhielt jedoch seine besondere, auchvom Papst nicht intendierte Kraft durch die Verbindung mitdem Wallfahrts- und Bußgedanken. Obwohl aus der Überliefe-rung nicht klar hervorgeht, ob Urban auch Jerusalem als Zielnannte oder nur die Hilfe für die Christen des Ostens in denMittelpunkt seiner Rede stellte, wurde bald die Befreiung Jeru-salems und der Heiligen Stätten zum eigentlichen Ziel. HeiligeOrte, die sich durch heilswirksame Geschehnisse oder auch be-deutende Bauten und Reliquien auszeichneten, hatten nicht nurim Christentum besondere Bedeutung. Am besonderen Segendieser Orte suchte man durch Pilgerreisen und von dort mitge-brachte Berührungs- oder Sekundärreliquien teilzuhaben, wennman sich nicht sogar dorthin begab, um zu sterben. So wurdenauch Pilgerreisen ins Heilige Land seit der Mitte des 11. Jahr-hunderts häufiger. Auch wenn diese Pilger traditionell unbe-waffnet waren, machte Urbans Aufruf den geplanten Zug nachJerusalem doch zur Pilgerfahrt – bis hin zur begrifflichen Gleich-setzung von Pilgern und Kreuzfahrern.

Pilger und Kreuzfahrer standen gleichermaßen unter demSchutz der Kirche, beide konnten sich von ihren Handlungendie Sicherung des Seelenheils erhoffen. Wurden Pilgerfahrtenteilweise als kirchliche Bußen verhängt, nahmen nun die Kreuz-fahrer die Beschwernisse ihres Zuges bewusst auf sich, weil sieden Zug als Akt der Buße für die von ihnen begangenen Sündenverstanden. Der Papst hatte in seiner Rede an die Notwendig-keit erinnert, sich von seinen Sünden zu läutern, und hattegleichzeitig einen Ablass der irdischen Bußstrafen für jene ver-sprochen, die mit der richtigen Intention, aus Liebe zu Gott,

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dem Aufruf folgten. Dies gewann in der Verbreitung durch dieKreuzzugsprediger eine eigene Dynamik. Sie stellten den Teil-nehmern des Kreuzzugs auch den Erlass der jenseitigen Sünden-strafen in Aussicht und machten ihnen Hoffnung, im Todesfallunmittelbar ins Paradies einzuziehen. Urban II. scheint dem inspäteren Aufrufen partiell gefolgt zu sein, und der erste schrift-liche Kreuzzugsaufruf, den Eugen III. 1145 zum Zweiten Kreuz-zug erlassen sollte, schrieb diesen weiten Ablass schließlich dau-erhaft fest.

Der Erfolg der Kreuzzugspredigt Urbans war überwältigend.War der Papst zunächst nur von begrenzten Kontingenten vonRittern ausgegangen, machten sich letztlich umfangreiche Heerein drei Wellen auf den Weg nach Osten. Die erste bildeten un-organisierte, aus allen Schichten kommende Scharen, die demKreuzzugsaufruf nahezu unmittelbar Folge leisteten. Sie zogendurch den Donauraum und über den Balkan nach Konstantino-pel, plünderten und bedrängten die Einwohner der Region,wurden aber in Kämpfen gegen die Seldschuken in Kleinasienvöllig aufgerieben.

Das zweite Heer, das aus verschiedenen Kontingenten be-stand, wurde von Fürsten und Rittern aus Nordfrankreich,Flandern, Südfrankreich und Süditalien angeführt, unter ande-rem vom Grafen Raimund IV. von Toulouse und dem Norman-nen Bohemund von Tarent. Die Kontingente trafen seit Ende1096 in Konstantinopel ein, konnten mit byzantinischer Unter-stützung die Seldschuken zweimal schlagen und erreichten imOktober 1097 Antiochia. Die Stadt wurde nach sieben Mona-ten eingenommen, doch machte sich das Heer nach internenStreitigkeiten erst Anfang 1099 wieder auf den Weg nach Sü-den. Schließlich gelang trotz erneuter Rückschläge am 15. Juli1099 die Eroberung Jerusalems, auch mit Unterstützung vonSee. Vier unabhängige Kreuzfahrerstaaten entstanden: das Kö-nigreich Jerusalem, die Grafschaften Tripolis und Edessa sowiedas Fürstentum Antiochia.

Diese Territorien konnten erst in einem längeren Prozess sta-bilisiert werden, da die dritte Welle von Kreuzfahrern, die demAufruf Urbans II. gefolgt waren, das Heilige Land nicht mehr

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erreichte. Das Heer brach im Jahr 1100 auf, wurde aber 1101in mehreren Schlachten von den Seldschuken vernichtend ge-schlagen und löste sich völlig auf. Die meisten Überlebendendes Ersten Kreuzzugs gingen in ihre Herkunftsregionen zurück,nur wenige etablierten sich im Heiligen Land. Obwohl auch la-teinische Siedler ins Land kamen und ein gewisser Herrschafts-und Landesausbau einsetzte, blieben die Kreuzfahrerstaaten inder Folge – vor allem in Krisenzeiten – auf Hilfe aus dem Wes-ten angewiesen. Dabei spielten die italienischen Seestädte einewesentliche Rolle, Genua, Venedig und Pisa, die für ihren Ein-satz insbesondere bei der Eroberung der Küstenstädte Anteilean der Herrschaft erhielten, aber auch die Versorgung mit Men-schen und Material aus dem Westen sicherstellten. Zudem ge-lang dem ersten König von Jerusalem Balduin I. zwischen 1100und 1118 die Eroberung der Golanhöhen und transjordanischerGebiete, und im Bündnis mit dem Emirat von Damaskus konntediese weite Ausdehnung christlicher Herrschaft bis in die Zeitdes Zweiten Kreuzzugs 1147/48 behauptet werden.

2. Ritter am Heiligen Grab 15

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