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VEREINTE NATIONEN 2/2009 51 Liese | Die Nahrungsmittelkrise Konkurrenzdruck, Ineffizienz und mangelnde Un- terstützung seitens der Mitgliedstaaten haben die Welternährungsorganisation (FAO) in eine schwere Krise gebracht. Vor dem Hintergrund der gegen- wärtigen Nahrungsmittelkrise geht der Beitrag der Frage nach, ob es der FAO durch ihr Krisenmanage- ment gelungen ist, ihre Position unter den vielen er- nährungspolitischen Institutionen zu stärken. Nach einer Darstellung der zentralen Aufgaben, Probleme und Strategien der Organisation gelangt der Beitrag zu der Einschätzung, dass die FAO weiterhin nicht genügend Vertrauen genießt. Ihre komparativen Vorteile in den Vordergrund zu stellen, vor allem ih- re breite legitimatorische Basis, könnte der FAO je- doch einen Weg aus der Krise weisen. Seit dem drastischen Preisanstieg für Agrarerzeug- nisse in den ersten Wochen des Jahres 2008 und den folgenden Unruhen in fast 40 Staaten sind die Ursa- chen der Nahrungsmittelkrise in aller Munde. Die Preise für Dünger, Saatgut und Tierfutter waren um 98, um 72 beziehungsweise um 60 Prozent gestie- gen. 1 Der Weltmarktpreis für Mais erhöhte sich im Jahr 2008 um 36 Prozent gegenüber dem Jahresmit- telwert von 2007. 2 Mehr als ein Dutzend Staaten, darunter Ägypten, China, Indien, Kirgisistan und Thailand, verhängten Exportbeschränkungen. Nach Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschafts- organisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organization – FAO) stieg die Anzahl der Hungernden in Folge erhöhter Preise um 75 Millionen auf weltweit 923 Millionen Menschen. Für 2008 ging die FAO von einem zusätzlichen Anstieg um weitere 40 Millionen aus. Betroffen sind vor al- lem der Asien-Pazifik-Raum und Afrika südlich der Sahara. 3 Die Erreichung des ersten Millenniums-Ent- wicklungsziels, die Halbierung des Anteils der Hun- gernden zwischen 1990 und 2015, auf 420 Millio- nen Menschen ist somit in unerreichbare Ferne ge- rückt. Die FAO schätzt, dass jährlich 30,5 Milliar- den US-Dollar zur Erreichung des Zieles bereitge- stellt werden müssten. 4 Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die Tätigkeit der FAO und fragt, warum sie die Ver- schlechterung der Welternährungslage nicht verhin- dern konnte. Da der politische Problemdruck der FAO zwar negative Schlagzeilen eingebracht hat, aber auch Potenzial zur Veränderung birgt, fragt der Beitrag zudem nach den Auswirkungen der Nah- rungsmittelkrise auf die ohnehin krisengeschüttelte Organisation. Kann sie die sich bietende Chance nut- Die Nahrungsmittelkrise: Chance oder Krise der Welternährungsorganisation? * Prof. Dr. Andrea Liese, geb. 1969, ist Junior- professorin für Inter- nationale Politik an der Humboldt-Uni- versität zu Berlin. zen und zusätzliche politische und finanzielle Unter- stützung für ihre Aufgaben mobilisieren? Aufgaben der FAO Die FAO war im Jahr 1945 mit dem Ziel gegrün- det worden, zu besserer Ernährung und höherem Lebensstandard beizutragen, die Herstellung und Verteilung von Nahrungsmitteln und landwirtschaft- lichen Produkten effizienter gestalten zu helfen, die Lebensbedingungen der ländlichen Bevölkerung zu verbessern und somit Weltwirtschaftswachstum zu ermöglichen. 5 Seit einer Verfassungsergänzung im Jahre 1965 ist die FAO zudem beauftragt, die Mensch- heit von Hunger zu befreien. Art. 1 der Verfassung legt drei wesentliche Aufgaben fest: 1. Das Sammeln, Auswerten und Verbreiten von Informationen über die Landwirtschaft. 6 2. Die Förderung verschiedener nationaler und in- ternationaler Bemühungen zur Entwicklung der Landwirtschaft, zum Schutz natürlicher Ressour- cen und der verbesserten Verarbeitung und Ver- teilung von Nahrungsmitteln und landwirtschaft- lichen Erzeugnissen. 3. Die Einrichtung und Durchführung von Entwick- lungsprogrammen und Programmen der techni- schen Hilfe. Andrea Liese * Ich danke Heike Mewes und Philip Schleifer für ihre Unterstützung bei der Recherche zu diesem Beitrag. 1 Jacques Diouf, Rede zur Eröffnung der Hochrangigen Konferenz über Nahrungsmittelsicherheit (High-level Conference on World Security. The Challenges of Climate Change and Bioenergy), Rom, 3.6.2008. 2 Diese und weitere Zahlen zum Anstieg von Grundnahrungsmit- teln finden sich in: World Bank, Commodity Market Review, Washing- ton, D.C. 2009. 3 FAO, The State of Food Insecurity in the World 2008. High Food Pri- ces and Food Security – Threats and Opportunities, Rom 2008, S. 4, 10. 4 FAO, The World Only Needs 30 Billion Dollars a Year to Eradicate the Scourge of Hunger, Rom 2008. http://www.fao.org/newsroom/ EN/news/2008/1000853/index.html 5 Vgl. die Präambel in: FAO, Basic Texts of the Food and Agriculture Organization, Vol. 1, Rom 2008. 6 Der Begriff Landwirtschaft schließt stets die Fischerei- und Forst- wirtschaft mit ein.

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VEREINTE NATIONEN 2/2009 51

Liese | Die Nahrungsmittelkrise

Konkurrenzdruck, Ineffizienz und mangelnde Un-terstützung seitens der Mitgliedstaaten haben dieWelternährungsorganisation (FAO) in eine schwereKrise gebracht. Vor dem Hintergrund der gegen-wärtigen Nahrungsmittelkrise geht der Beitrag derFrage nach, ob es der FAO durch ihr Krisenmanage-ment gelungen ist, ihre Position unter den vielen er-nährungspolitischen Institutionen zu stärken. Nacheiner Darstellung der zentralen Aufgaben, Problemeund Strategien der Organisation gelangt der Beitragzu der Einschätzung, dass die FAO weiterhin nichtgenügend Vertrauen genießt. Ihre komparativenVorteile in den Vordergrund zu stellen, vor allem ih-re breite legitimatorische Basis, könnte der FAO je-doch einen Weg aus der Krise weisen.

Seit dem drastischen Preisanstieg für Agrarerzeug-nisse in den ersten Wochen des Jahres 2008 und denfolgenden Unruhen in fast 40 Staaten sind die Ursa-chen der Nahrungsmittelkrise in aller Munde. DiePreise für Dünger, Saatgut und Tierfutter waren um98, um 72 beziehungsweise um 60 Prozent gestie-gen.1 Der Weltmarktpreis für Mais erhöhte sich imJahr 2008 um 36 Prozent gegenüber dem Jahresmit-telwert von 2007.2 Mehr als ein Dutzend Staaten,darunter Ägypten, China, Indien, Kirgisistan undThailand, verhängten Exportbeschränkungen. NachSchätzungen der Ernährungs- und Landwirtschafts-organisation der Vereinten Nationen (Food andAgriculture Organization – FAO) stieg die Anzahlder Hungernden in Folge erhöhter Preise um 75Millionen auf weltweit 923 Millionen Menschen. Für2008 ging die FAO von einem zusätzlichen Anstiegum weitere 40 Millionen aus. Betroffen sind vor al-lem der Asien-Pazifik-Raum und Afrika südlich derSahara.3 Die Erreichung des ersten Millenniums-Ent-wicklungsziels, die Halbierung des Anteils der Hun-gernden zwischen 1990 und 2015, auf 420 Millio-nen Menschen ist somit in unerreichbare Ferne ge-rückt. Die FAO schätzt, dass jährlich 30,5 Milliar-den US-Dollar zur Erreichung des Zieles bereitge-stellt werden müssten.4

Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick überdie Tätigkeit der FAO und fragt, warum sie die Ver-schlechterung der Welternährungslage nicht verhin-dern konnte. Da der politische Problemdruck derFAO zwar negative Schlagzeilen eingebracht hat,aber auch Potenzial zur Veränderung birgt, fragt derBeitrag zudem nach den Auswirkungen der Nah-rungsmittelkrise auf die ohnehin krisengeschüttelteOrganisation. Kann sie die sich bietende Chance nut-

Die Nahrungsmittelkrise: Chance oder Krise der Welternährungsorganisation?*

Prof. Dr. Andrea Liese,geb. 1969, ist Junior-professorin für Inter-nationale Politik ander Humboldt-Uni-versität zu Berlin.

zen und zusätzliche politische und finanzielle Unter-stützung für ihre Aufgaben mobilisieren?

Aufgaben der FAO

Die FAO war im Jahr 1945 mit dem Ziel gegrün-det worden, zu besserer Ernährung und höheremLebensstandard beizutragen, die Herstellung undVerteilung von Nahrungsmitteln und landwirtschaft-lichen Produkten effizienter gestalten zu helfen, dieLebensbedingungen der ländlichen Bevölkerung zuverbessern und somit Weltwirtschaftswachstum zuermöglichen.5 Seit einer Verfassungsergänzung imJahre 1965 ist die FAO zudem beauftragt, die Mensch-heit von Hunger zu befreien. Art. 1 der Verfassunglegt drei wesentliche Aufgaben fest:

1. Das Sammeln, Auswerten und Verbreiten vonInformationen über die Landwirtschaft.6

2. Die Förderung verschiedener nationaler und in-ternationaler Bemühungen zur Entwicklung derLandwirtschaft, zum Schutz natürlicher Ressour-cen und der verbesserten Verarbeitung und Ver-teilung von Nahrungsmitteln und landwirtschaft-lichen Erzeugnissen.

3. Die Einrichtung und Durchführung von Entwick-lungsprogrammen und Programmen der techni-schen Hilfe.

Andrea Liese

* Ich danke Heike Mewes und Philip Schleifer für ihre Unterstützung

bei der Recherche zu diesem Beitrag.

1 Jacques Diouf, Rede zur Eröffnung der Hochrangigen Konferenz

über Nahrungsmittelsicherheit (High-level Conference on World

Security. The Challenges of Climate Change and Bioenergy), Rom,

3.6.2008.

2 Diese und weitere Zahlen zum Anstieg von Grundnahrungsmit-

teln finden sich in: World Bank, Commodity Market Review, Washing-

ton, D.C. 2009.

3 FAO, The State of Food Insecurity in the World 2008. High Food Pri-

ces and Food Security – Threats and Opportunities, Rom 2008, S. 4, 10.

4 FAO, The World Only Needs 30 Billion Dollars a Year to Eradicate

the Scourge of Hunger, Rom 2008. http://www.fao.org/newsroom/

EN/news/2008/1000853/index.html

5 Vgl. die Präambel in: FAO, Basic Texts of the Food and Agriculture

Organization, Vol. 1, Rom 2008.

6 Der Begriff Landwirtschaft schließt stets die Fischerei- und Forst-

wirtschaft mit ein.

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Liese | Die Nahrungsmittelkrise

Bis Anfang der siebziger Jahre war die FAO die inter-national führende Landwirtschaftsorganisation. Siehatte keine institutionelle Konkurrenz und verzeich-nete einen steten Mittelzuwachs. In ihren ersten Jah-ren wirkte sie vor allem als agrarpolitische Beratungs-organisation. Sie legte einen Schwerpunkt auf dieAusbildung von Bauern und stellte diesen Technolo-gie zur Verfügung. Zugleich sammelte sie die bisheute unter dem Kürzel FAOSTAT erfassten Datenzu (mittlerweile über 1000) land-, forst- und wald-wirtschaftlichen Rohstoffen und Produkten. Zudemunterstützte sie die internationale Standardsetzung.

In den sechziger Jahren leistete die OrganisationPionierarbeit beim integrierten Pflanzenschutz durchSchädlingsbekämpfung und rief die internationaleGemeinschaft zu mehr Engagement bei der Beseiti-gung des Hungers auf. Im Jahr 1961 schufen dieFAO und die Weltgesundheitsorganisation (WHO)die Kodex-Alimentarius-Kommission, um Qualitäts-standards für Nahrungsmittel festzulegen. Mit fi-nanzieller Unterstützung der internationalen Finanz-institutionen berät sie im Rahmen des ›InvestmentCenter‹ (TCI) seit 1964 Regierungen bei der Formu-lierung von Programmen zur Förderung landwirt-schaftlicher Investitionen. Hohe Zuwendungen desUN-Entwicklungsprogramms (UNDP), die zwei Drit-tel der außerbudgetären Zuwendungen der FAO aus-machten, ermöglichten zudem eine starke Präsenz derOrganisation im Feld.

Durch die Welternährungskrise (1972–1974) ge-riet die FAO erstmals in die Kritik. Zwar warnte derdamalige Generaldirektor Addeke Boerma im Febru-ar 1973 vor der bevorstehenden Krise, doch wurde

der Organisation vorgeworfen, die Krise nicht vor-hergesehen und nicht adäquat auf sie reagiert zu ha-ben. Die 1974 einberufene Welternährungskonferenzfand unter Schirmherrschaft der UN, nicht der FAO,statt. Sie beauftragte zwei neu zu gründende Institu-tionen mit Aufgaben im Bereich der Landwirtschaft(den Internationalen Fonds für landwirtschaftlicheEntwicklung – IFAD) beziehungsweise der Ernäh-rungssicherung (den Welternährungsrat). Deren Ent-stehen und damit auch die zunehmende Konkurrenzin der Agrar- und Ernährungspolitik sind bereits ei-ner frühen Unzufriedenheit der Mitgliedstaaten mitder FAO geschuldet.

Im Anschluss an die Welternährungskonferenz er-richtete die FAO ein weltweites Informations- undFrühwarnsystem für Ernährung und Landwirtschaftein (Global Information and Early Warning Systemon Food and Agriculture – GIEWS), das Daten zurErnährungssicherheit sammelt und Gebiete identifi-ziert, in denen Nahrungsmittelknappheit zu befürch-ten ist. Trotz Kritik wuchs die Organisation bestän-dig an. Nach dem Amtsantritt Edouard Saoumas, der1976 das Programm für technische Zusammenar-beit einrichtete, entwickelte sie sich zunehmend zu ei-ner Entwicklungsorganisation, die Projekte der tech-nischen Hilfe plant und durchführt. Sie legte verschie-dene Programme zur Ernährungssicherheit auf undverstärkte ihr Engagement vor Ort.

In den neunziger Jahren knüpfte sie an ihre früheTätigkeit als Themensetzer an, die sich bereits inder ›Freedom from Hunger Campaign‹ (1960–1970) gezeigt hatte: Sie verstärkte ihre Bemühun-gen zur Verwirklichung des Konzepts der Ernäh-rungssicherheit und des Rechts auf Nahrung.7 AlsErgebnis des Welternährungsgipfels im Jahr 1996verpflichteten sich die Regierungen auf das heutigeerste Millenniums-Entwicklungsziel, die Halbierungder weltweit Hungernden bis 2015. Zudem wurdeein ›Food Insecurity and Vulnerability Informationand Mapping System‹ (FIVIMS) eingerichtet, für dasdie FAO das technische Sekretariat stellt und in demsie in enger Zusammenarbeit mit den anderen bei-den in Rom ansässigen Organisationen, IFAD undWelternährungsprogramm (WFP), Informationen alsGrundlage für Frühwarnung und Politikberatungbereitstellt.

In jüngerer Zeit hat die FAO globale Instrumente(weiter-)entwickelt: die FAO-Konferenz verabschie-dete im Jahr 1995 den Verhaltenskodex für verant-wortungsvolle Fischerei, im Jahr 2001 den Interna-tionalen Vertrag über pflanzengenetische Ressourcenfür Ernährung und Landwirtschaft, ein Jahr später ei-ne revidierte Fassung des Internationalen Verhaltens-kodex für das Inverkehrbringen und die Anwendungvon Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungs-mitteln nebst technischen Richtlinien und im Jahr2004 die Freiwilligen Richtlinien für das Recht aufNahrung.

Durch dieWelternährungs-krise (1972–1974)

geriet die FAO erst-mals in die Kritik.

Quelle: FAO, März 2009

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Liese | Die Nahrungsmittelkrise

Nur noch eine unter vielen

Die in Rom ansässige FAO mit 191 Mitgliedstaatenist zwar die derzeit älteste internationale Organisationzur Förderung der weltweiten Ernährungssicherheitund eine der großen UN-Sonderorganisationen; spä-testens seit den siebziger Jahren ist sie jedoch nur nocheine unter vielen: Über 30 multilaterale Institutionensind im Bereich der Ernährungssicherung tätig.8 DieFAO verlor ihre herausgehobene Stellung und ihrpolitisches Gewicht. Allein in Rom sind zwei weite-re UN-Institutionen ansässig.

1. Das Welternährungsprogramm (World Food Programme – WFP)

Das WFP wurde 1963 als zunächst dreijähriges Pro-gramm der Nahrungsmittelhilfe ins Leben gerufen.Es sollte Ernteüberschüsse aus den Industrieländernzur Abwehr und Linderung von Hungerkatastrophenverteilen. Was als Unterabteilung der FAO begann,wurde im Jahr 1965 in eine ständige und mittler-weile in die größte UN-Hilfsorganisation überführt.Während des Kalten Krieges betätigte sich das WFPvor allem in Entwicklungsprojekten; seit den neun-ziger Jahren ist es dagegen vorrangig in der Nothilfeaktiv. Neben den Hilfsprogrammen in Katastrophen-gebieten, bei denen das WFP Nahrungsmittel verteiltund Hilfsmaßnahmen koordiniert, führt es Schul-speisungen durch und gewährt finanzielle Hilfen fürRegierungen in Entwicklungsländern, die Projektezugunsten von Frauen in ländlichen Gebieten durch-führen. Anders als die UN-Sonderorganisationenwird das WFP ausschließlich aus freiwilligen finanzi-ellen Zuwendungen, vor allem aus den USA und denEU-Staaten, finanziert und erhält zudem Sachleistun-gen, zumeist in Form von Transport- und Nahrungs-mitteln. Der Mittelbedarf stieg durch Preisanstiegeund Katastrophen in den letzten Jahren stark an. DasWFP war in dieser Situation beim Einwerben vonGeldern sehr erfolgreich. Von 2007 auf 2008 ver-doppelte sich sein Haushalt fast, nämlich von 2,71auf fünf Milliarden US-Dollar.9 Damit übersteigt esden Haushalt der FAO um das Sechsfache.

2. Der Internationale Fonds für landwirtschaftlicheEntwicklung (International Fund for AgriculturalDevelopment – IFAD)

Der IFAD wurde im Jahr 1977 als Antwort auf dieweltweite Ernährungskrise (1972–1974) und imNachgang der Welternährungskonferenz von 1974gegründet. Ziel war, Gelder für landwirtschaftlicheProjekte zu mobilisieren, die der Nahrungsmittel-produktion in Entwicklungsländern dienen. Bis heu-te vergibt der Fonds sowohl niedrigverzinste als auchrückzahlungsfreie Kredite für Projekte, die vor allemder armen Landbevölkerung und Kleinbauern zugutekommen. Die Organisation erstellt und veröffentlichtzudem Analysen zu ländlicher Armut, engagiert sich

im Aufbau von Partnerschaften, kofinanziert denGlobalen Mechanismus zum Übereinkommen zurBekämpfung der Wüstenbildung und betätigt sichals Ausführungsorganisation der Globalen Umwelt-fazilität.

Der Konkurrenzdruck, dem die FAO ausgesetztist, hat seither weiter zugenommen.

■ Mitte der sechziger Jahre avancierte die Handels-und Entwicklungskonferenz der Vereinten Na-tionen (UNCTAD) zum Zentrum der Verhand-lungen über den internationalen Handel mit Roh-stoffen und eine neue Weltwirtschaftsordnung.Seit Gründung der Welthandelsorganisation(WTO) im Jahr 1995, ist das Thema Handel vonAgrarprodukten von der WTO besetzt.

■ Programme zur Agrarentwicklung und ländlichenEntwicklung wurden zunächst vom IFAD, aberauch von Organisationen der bilateralen Entwick-lungszusammenarbeit und der Weltbank finan-ziert. In den sechziger bis achtziger Jahren stie-gen die Kredite für die Landwirtschaft von 150Millionen US-Dollar pro Jahr auf vier Milliar-den US-Dollar pro Jahr.10

■ Die landwirtschaftliche Forschung ist seit Anfangder siebziger Jahre Schwerpunkt der von der FAOanfänglich nur zögerlich mitgeförderten Bera-tungsgruppe für Internationale Agrarforschung(Consultative Group on International Agricultu-ral Research – CGIAR).

■ Schätzungen der Weltbank zufolge, konkurrierenderzeit 280 internationale Organisationen undInitiativen um Gelder.11

■ Die Weltbank bestimmt zunehmend die Agendabei der Bekämpfung von Hunger und Unterer-nährung. Im Jahr 1993 berief sie die ›Word Con-ference on Global Hunger‹ ein.12 Die Bank unter-stützt die ›Global Alliance on Improved Nutriti-on‹, eine Öffentlich-Private Partnerschaft, an derdie FAO nicht mitwirkt. Sie hat ferner im Mai2008, nach der Nahrungsmittelkrise, ein ›GlobalFood Response Program‹ geschaffen.13 Dieses Pro-gramm finanziert Maßnahmen zur kurzfristigenNothilfe und sofortigen Stärkung der landwirt-

7 Vgl. dazu den Beitrag von Michael Windfuhr, Das Recht auf Nah-

rung und die Nahrungsmittelkrise, in diesem Heft, S. 66–71.

8 Shaw, World Food Security. A History since 1945, Houndmills 2007,

S. 206f.

9 http://www.wfp.org/node/7358 und http://www.wfp.org/node/7359

10 John Abbott, Politics and Poverty. A Critique of the Food and Agri-

culture Organization of the United Nations, London/New York 1992, S. 28.

11 World Bank, The Changing Aid Architecture, Washington, D.C. 2007.

12 Shaw, World Food Security, a.a.O. (Anm. 8), S. 318.

13 World Bank, World Bank launches 1.2 Billion US-Dollar Fast-Track Fa-

cility for Food Crisis, Pressemitteilung Nr. 2008/334/VPU v. 29.5.2008.

Über 30 multilateraleInstitutionen sind imBereich der Ernäh-rungssicherung tätig.Die FAO verlor ihreherausgehobeneStellung und ihrpolitisches Gewicht.

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Liese | Die Nahrungsmittelkrise

schaftlichen Produktion. Es sieht zudem länger-fristige Maßnahmen vor, wie die Untersuchungder Auswirkungen des Einsatzes von Biotreib-stoffen, Politikberatung, die Aufstockung vonKrediten für die Landwirtschaft und Einflussnah-me auf die internationale Handelspolitik.

Unter den vielen Institutionen mit ernährungspoliti-schem Bezug nimmt die FAO weiterhin eine heraus-gehobene Rolle bei der Standardsetzung, der Bereit-stellung von Daten und der Beratung ein. In der in-terinstitutionellen Zusammenarbeit, die stark vonKonkurrenz und Revierkämpfen geprägt ist, nimmtsie bislang jedoch keine Führungsrolle bei der Koor-dinierung von Maßnahmen der Ernährungssicherungein. Die institutionelle Trennung wird durch die un-terschiedlichen Konzepte von UN-Organisationenund internationalen Finanzinstitutionen noch ver-stärkt: Die FAO kritisierte insbesondere die Welt-bank wegen der negativen Auswirkungen ihrer Struk-turanpassungsprogramme auf die Ernährungssicher-heit. Die FAO steht derzeit zudem unter erheblichemReformdruck und genießt weder die nötige Unter-stützung der Staatengemeinschaft noch die Auto-rität im UN-System, derer es zur Übernahme einerFührungsrolle bedarf.

Unter Reformdruck

Die Herausforderungen, vor denen die FAO heutesteht, haben sich seit den siebziger Jahren kaum ver-ändert. Weiterhin ist sie nur noch eine von vielenAkteuren im Bereich der internationalen Agrar- undErnährungspolitik. Zudem verfügt die Organisationnur noch über äußerst knappe Mittel. Das finanzielleGängelband und die im Jahr 2007 erfolgte unabhän-gige externe Evaluierung14 sind Zeichen des gesunke-nen Vertrauens einer Koalition finanzstarker Mit-gliedstaaten in die Arbeit des Generaldirektors undder Entscheidungsgremien der Organisation. Die FAOist nun gezwungen, ihre komparativen Vorteile ge-genüber anderen Organisationen hervorzuheben undihre Effektivität und Effizienz zu erhöhen. Wie kames zu diesem Reformdruck?

Finanzkrise

Mit Verweis auf die vermeintliche Politisierung derOrganisation kürzten mehrere westliche Mitglied-staaten, insbesondere die USA, in den achtziger Jah-ren ihre Pflichtbeiträge. Gleichzeitig sanken die Mit-telzuweisungen durch das UNDP, das im Jahr 1976beschloss, nationale Projekte durchzuführen und dieMöglichkeit schuf, Subunternehmer einzusetzen. DieFAO verlor daher ihren Sonderstatus und folglichden Hauptgeber ihrer außerbudgetären Zuwendun-gen: der UNDP-Anteil sank von 74 Prozent (1970) auffünf Prozent (2000).15 Die unzähligen Reformbemü-hungen des seit 1994 amtierenden Generaldirektors

Jacques Diouf konnten den Trend fallender Beitrags-zahlungen nicht aufhalten. Der ordentliche Haushaltder FAO sank von 1994 auf 2005 effektiv um 22Prozent.16 Die Mitgliedstaaten stellen aber außer-budgetäre Mittel bereit, bei denen sie die Verwen-dung selbst beeinflussen können. Im Zweijahres-haushalt 2008/2009 verfügt die Organisation übereinen Gesamthaushalt in Höhe von 1,746 Milliar-den US-Dollar.17

Mangelnde Prioritätensetzung

Trotz knapper Ressourcen hat die FAO daran fest-gehalten, analog zu den in der Verfassung genann-ten Aufgaben, Expertise bereitzustellen, Standardszu setzen, Regierungsstellen zu beraten und Projek-te vor Ort durchzuführen. Einmal begonnene Auf-gaben und angestoßene Programme wurden seltenaufgegeben, was ihr heute als fehlende Prioritäten-setzung angelastet wird. Die unabhängige externeEvaluierung führt dieses Beharren auf einem ausdif-ferenzierten Tätigkeitsspektrum auf eine »Koalitionvon betroffenen Sekretariatsmitgliedern und Ver-waltungsratsvertretern« zurück, die ihre Pfründesichern will.18

Gemischte Erfolgsbilanz

Im Zusammenspiel von sinkenden Einnahmen undfehlender Prioritätensetzung büßte die FAO an Ef-fektivität und Reputation ein. Während sie bis heu-te in einigen Bereichen wertvolle Arbeit leistet, ist siein anderen wenig erfolgreich. Hinsichtlich der Samm-lung, Verarbeitung und Weitergabe von Informatio-nen, der Beratung von Regierungen und der Standard-setzung gilt sie in der Wissenschaft und bei nicht-staatlichen Organisationen (NGOs) als unverzicht-bar, ihre fachliche Kompetenz ist unbestritten.19 Mit-gliedstaaten schätzen die Neutralität der Organisationals Forum, ihren Beitrag zur sektorspezifischen Bera-tung (etwa in der Fischerei- und Forstwirtschaft) undNormentwicklung (etwa zum Pflanzenschutz, zurSchädlingsbekämpfung), die Qualität und Neutralitätihrer Daten, Analysen und Berichte sowie ihre Schu-lungsprogramme und Aktivitäten zum Aufbau natio-naler Kapazitäten. Entwicklungsländer messen derEntwicklung rechtlich verbindlicher Standards imRahmen der FAO weniger Bedeutung bei als die In-dustrieländer. Die unabhängige externe Evaluierungbescheinigt ihr in einigen Gebieten gar »intellektuel-le Führung«20, etwa bei der nachhaltigen Fischerei,beim nachhaltigen Management pflanzengenetischerRessourcen und ihrem Fokus auf Kleinbauern alsEntscheidungsträger.

In anderen Bereichen steht die FAO nicht erst seitder Nahrungsmittelkrise in der Kritik. Ihre Politikhabe »nicht immer der effektiven Förderung weltwei-ter Ernährungssicherheit« gedient,21 vor allem die Ar-beit im Feld gilt als Schwachstelle. Die Industrielän-der, insbesondere die USA, kritisierten das Programm

Die FAO steht der-zeit unter erheb-

lichem Reformdruckund genießt weder

die nötige Unter-stützung der

Staatengemeinschaftnoch die Autorität

im UN-System.

Die unzähligenReformbemühungenvon GeneraldirektorJacques Diouf konn-

ten den Trend fallen-der Beitragszahlun-

gen nicht aufhalten.

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der technischen Zusammenarbeit. Kritiker warfendem Generaldirektor vor, mit diesem Programm ei-ne »Schmiergeldkasse« geschaffen zu haben, die esihm ermögliche, sich zu politischen Zwecken, etwaseiner Wiederwahl, bei Entwicklungsländern »anzu-biedern«22. Auch die im Zuge der Krise der Organisa-tion in Auftrag gegebene unabhängige externe Evalu-ierung kritisiert, dass die FAO zu viele kleine Projek-te durchführt, die wenig Wirkung zeigen.23 Dem Pro-gramm für technische Zusammenarbeit fehle einSchwerpunkt, weshalb es nicht effektiv sein könne.Darüber hinaus bemängeln die Gutachter das gene-rell konservative Verhalten der FAO, die falsche Aus-führungsart bei der Umsetzung kluger Entscheidun-gen, ineffiziente, hochgradig zentralisierte und büro-kratische Verfahrensweisen, das Fehlen klarer Prio-ritäten und eine mangelnde Anpassung an sich ver-ändernde Bedürfnisse. Die FAO sei gegenüber demFortschritt im entwicklungspolitischen Denken ei-nen Schritt zurückgeblieben, lege ihren Schwerpunktzu sehr auf wirkungslose Kleinprojekte zum Trans-fer von Produktionstechnologie und zeige zu wenigkomparative Vorteile.24 Schließlich werden ihr Inno-vationspotenzial und ihre Partnerschaftsstrategie kri-tisiert: Der eigene Forschungsbeitrag der FAO wirdals (zu) gering eingestuft. Aufgrund ihrer Skepsis ge-genüber dem Privatsektor komme es nicht zu einerZusammenarbeit mit der Agrarindustrie.25

Medienwirksam forderte der senegalesische Prä-sident Abdoulaye Wade im Mai 2008 die »Verschrot-tung« der FAO, da sie Geld verschwende, kaum Re-sultate zeige und die Schuld an der Nahrungsmittel-krise trage.26

Die Nahrungsmittelkrise als Krise der FAO …

Die gegenwärtige Nahrungsmittelkrise wird der FAO,von einigen Polemiken abgesehen, nicht direkt an-gelastet. Die Wissenschaft ist sich weitgehend einigin der Ursachenanalyse,27 die ein deutliches Politik-versagen offenbare: Es fehlen Investitionen in die land-wirtschaftliche Produktion, so dass viele Entwick-lungsländer Nahrungsmittel importieren müssen.

Auch wenn der FAO die Nahrungsmittelkrisenicht angelastet werden kann, so muss gefragt wer-den, warum es der Organisation nicht gelang, durchihre Warnungen und langjährigen Bemühungen zurErnährungssicherung einen Kurswechsel herbeizu-führen. Schließlich bemängelt die FAO schon seitJahren die zu geringen Investitionen in die Landwirt-schaft und die ungenügenden Fortschritte bei derUmsetzung des ersten Millenniums-Entwicklungs-ziels.28 Die Organisation bemüht sich mit Hilfe vonDaten, Analysen und Appellen darum, das ThemaErnährungssicherheit auf der politischen Agenda zuhalten. Sie erhebt und verbreitet Daten und Analy-sen zu Preisentwicklungen, misst den Einfluss vonPreissteigerungen auf die Anzahl der Unterernähr-

ten und verbreitet Schätzungen zur Zahl chronischunterernährter Menschen. Sie hat zudem weitere Pro-gramme zur Ernährungssicherung durchgeführt: 1. das›Special Programme for Food Security‹ (SPFS) und2. das Anti-Hunger-Programm:

1. Das SPFS war im Jahr 1994, nach der Amts-übernahme Dioufs, zur Ankurbelung der Nahrungs-mittelproduktion in Entwicklungsländern gegründetworden und ist mittlerweile das Flaggschiff der FAOzur Halbierung der weltweit Hungernden.29 Das be-reits von 106 Staaten in Anspruch genommene Pro-gramm wendet sich vor allem an Länder mit gerin-gem Einkommen und fehlenden Nahrungsmitteln.Es berät diese bei der Entwicklung und Umsetzungvon nationalen und regionalen Programmen der Er-nährungssicherheit und fördert Investitionen in dieländliche Infrastruktur.

2. Auf dem ›Welternährungsgipfel: Fünf Jahre da-nach‹ stellte die FAO das Anti-Hunger-Programmvor, das einen zweigleisigem Ansatz zur Armutsbe-

14 Vgl. FAO, FAO: The Challenge of Renewal. Report of the Indepen-

dent External Evaluation of the Food and Agriculture Organization of

the United Nations, Rom, September 2007, FAO Doc. C 2007/7A.1-Rev.1,

ftp://ftp.fao.org/docrep/fao/meeting/012/k0827e02.pdf

15 Ebd., S. 61.

16 Ebd., S. 64.

17 FAO, 2008–09. The Director General’s Programme of Work and

Budget, FAO Doc. C2007/3, August 2007, http://www.fao.org/pwb/

2008/index_en.htm

18 FAO: The Challenge, a.a.O. (Anm. 14), S. 149, Übersetzung d. V.

19 Vgl. Thomas Siebold, FAO, in: Jörn Altmann/Margareta Kulessa

(Hrsg.), Internationale Wirtschaftsorganisationen, Stuttgart 1998, S. 76–

80; Wolfgang Hein, Die FAO: Ernährungs- und Landwirtschaftsorgani-

sation, in: AgrarBündnis (Hrsg.), Der kritische Agrarbericht, Bonn 1996,

S. 78–86, hier S. 86.

20 FAO: The Challenge, a.a.O. (Anm. 14), S. 37.

21 Hein, Die FAO, a.a.O. (Anm. 19), S. 86.

22 D. John Shaw, Global Food and Agricultural Institutions, New York

2009, S. 109.

23 FAO: The Challenge, a.a.O. (Anm. 14), S. 37, 97 und 149.

24 Ebd., S. 37.

25 Ebd., S. 108, 117, 131, 149 und 160.

26 Siehe »UN food body ›should be scrapped‹«, BBC News, 5.5.2008,

http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/7383628.stm

27 Vgl. unter anderem die folgenden Studien: Daniel De La Torre Ugarte/

Sophia Murphy, The Global Food Crisis: Creating an Opportunity for Fairer

and More Sustainable Food and Agriculture Systems Worldwide, EcoFair

Trade Dialogue Discussion Paper Nr. 11, Oktober 2008; Derek Heady/

Shenggen Fan, Anatomy of a Crisis. The Causes and Consequences of Sur-

ging Food Prices, IFPRI Discussion Paper Nr. 00831, Dezember 2008.

28 FAO, Rome Declaration on World Food Security, World Food Sum-

mit, 13.–17. November 1996, Rom 1996; Jacques Diouf, Foreword, in:

FAO, The World Food Summit: Five Years Later. Mobilizing the Political

Will and Resources to Banish Hunger, Rom 2008.

29 Shaw, Global Food and Agricultural Institutions, a.a.O. (Anm. 22), S. 104.

Die FAO bemüht sich mit Hilfe vonDaten, Analysen undAppellen darum, dasThema Ernährungs-sicherheit auf derpolitischen Agendazu halten.

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Liese | Die Nahrungsmittelkrise

kämpfung verfolgt: Es sieht einerseits kurzfristige So-forthilfe bei Nahrungsmittelkrisen vor, setzt anderer-seits auf langfristige Maßnahmen wie Wissenstrans-fer oder die Schaffung eines günstigen politischenUmfelds auf nationaler und internationaler Ebene.30

Der geringe Erfolg der FAO lässt sich im Wesent-lichen auf drei Ursachen zurückführen: 1. die man-gelnde Koordinierung mit anderen internationalenOrganisationen, 2. die Führungskrise im Verwal-tungsstab, 3. die Uneinigkeit der Mitgliedstaaten.

1. Mangelnde Koordinierung

Die mangelhafte Koordinierung ihrer Aktivitäten mitanderen Organisationen gilt vielen als ein Grund fürdie Ineffektivität der FAO.31 Zur Doppelung der Auf-gaben und zu Unübersichtlichkeit tragen über 30UN-Gremien bei, die in ernährungsrelevante Aktivi-täten eingebunden sind. Dabei mangelte es nie anKoordinierungsaktivitäten, war doch das Problembereits früh erkannt worden. Im Jahr 1974 fordertebeispielsweise32 die Welternährungskonferenz die Ein-richtung eines Mechanismus zur erfolgreichen Ko-ordinierung der Politik aller UN-Organisationen indiesem Bereich. Der von der UN-Generalversamm-lung im Jahr 1975 einberufene Welternährungsratwurde jedoch 17 Jahre später aufgelöst, weil er die-sem Auftrag nicht gerecht geworden war.

2. Führungskrise im Verwaltungsstab

Seit den siebziger Jahren ist die FAO wegen des Füh-rungsstils ihrer Generaldirektoren kontinuierlich starkkritisiert worden.33 Westliche Regierungen, insbeson-dere Großbritannien und die USA, bemängelten zu-nächst den Führungsstil und die Autonomie von Ge-neraldirektor Saouma (1976–1994); die USA hieltMitgliedsbeiträge zurück. Saouma hatte nicht nur dasProgramm der technischen Zusammenarbeit aufge-baut, sondern im Zuge seiner Dezentralisierungsinitia-tive 78 Länderbüros eingerichtet.34 Unter Diouf, derseit 1994 Generaldirektor ist, besteht die Vertrauens-krise fort. Auch die unabhängige externe Evaluierungführt das schlechte öffentliche Image der FAO vorallem auf »eine stark zentralisierte, belastende undübermäßig komplexe Amtsführung« zurück, die ei-ne schon an sich »risikoscheue Kultur« noch weiterverfestige.35

3. Uneinigkeit der Mitgliedstaaten

Wie in den anderen UN-Sonderorganisationen auch,werden in der FAO Entscheidungen mit der Mehr-heit der Mitgliedstaaten nach dem Grundsatz gefällt,dass jedes Land eine Stimme hat. Die Entwicklungs-länder haben somit, wenn sie geschlossen auftreten,vergleichsweise viel Macht, während die Industrie-länder sich bei Entscheidungen häufig nicht durch-setzen können, obwohl sie den Großteil des Haus-halts tragen. Saouma nutzte diese Konstellation, umgegen den Willen der Industrieländer ein steigendes

Budget durchzusetzen, während Diouf vor allem sei-ne Wiederwahl mit den Stimmen der Entwicklungs-länder sicherte. Den Entscheidungsgremien der FAO(Konferenz, Rat, sechs technische Ausschüsse sowieje ein Programm-, Rechts- und Finanzausschuss) istes jedoch nicht gelungen, die divergierenden Interes-sen der Mitgliedstaaten einander anzunähern undder FAO ein einheitliches Profil zu geben. Insofernist die Organisation in einem fortgesetzten Nord-Süd-Konflikt gefangen und seit Jahrzehnten Opferder gravierenden Interessenskonflikte zwischen denG-77 und den OECD-Staaten.

… oder als Chance der FAO?

Trotz gezielter Aktivitäten und der Warnung Dioufsvor einer Zunahme der Nahrungsmittelunsicherheitim Juli 200736 ist die FAO durch die Krise weder po-litisch noch finanziell gestärkt worden. Sie zeigt al-lerdings auch erst seit kurzem die Bereitschaft, vonalten Konzepten abzuweichen und ihre Rolle alsWissensorganisation und Forum zu betonen.

Reaktionen der FAO auf die Nahrungsmittelkrise

Zunächst reagierte die FAO mit den gewohnten Re-zepten: Zur Bekämpfung der Nahrungsmittelkriserief sie im Dezember 2007 die ›Initiative on SoaringFood Prices‹ (ISFP)37 ins Leben. Mit der Kombinationkurz- und langfristiger Strategien, die die landwirt-schaftliche Produktion steigern sollen, steht es in derTradition der früheren Programme, SPFS und Anti-Hunger-Programm. Für die kurzfristigen Maßnah-men im Rahmen der Initiative bis Ende 2009 hat dieFAO 1,7 Milliarden US-Dollar veranschlagt. Hier-mit sollen Saatgut, Dünger, Futter und Arbeitsgerätbereitgestellt, Regierungsstellen beraten und die Ko-ordinierung globaler, regionaler und nationaler Pro-gramme übernommen werden. Das im Frühjahr 2008angelaufene Programm wird in 95 Ländern durchge-führt. Allerdings ist es der FAO bislang lediglich ge-lungen, 73 Millionen US-Dollar einzuwerben. Ge-meinsam mit den 36 Millionen US-Dollar aus sei-nem Programm für technische Zusammenarbeitstehen somit erst etwas über sechs Prozent der Mit-tel bereit.38

Diouf rief dazu auf, einem Welternährungsgipfelnoch im Jahr 2009 abzuhalten, um die Kohärenz derMaßnahmen zu verbessern sowie einen Nothilfefondseinzurichten. Ferner wollte er sich um Zusagen fürdie jährlich benötigten 30 Milliarden US-Dollar zurVerbesserung der ländlichen Infrastruktur und Er-höhung der landwirtschaftlichen Produktivität be-mühen.39

An den aktuellen Bemühungen zeigt sich, dass dieFAO weiterhin in einer Autoritäts- und Vertrauens-krise steckt. Die Geber trauen ihr nicht zu, ein wirk-sames Programm der Hungerbekämpfung durchzu-führen. Hatten doch die unabhängige externe Eva-

Die mangelhafteKoordinierung ihrer

Aktivitäten mitanderen Organi-

sationen gilt vielenals ein Grund für die Ineffektivität

der FAO.

Trotz gezielterAktivitäten und der

Warnung Dioufs voreiner Zunahme der

Nahrungsmittel-unsicherheit im Juli

2007 ist die FAOdurch die Krise

weder politisch noch finanziell

gestärkt worden.

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Liese | Die Nahrungsmittelkrise

luierung der FAO und eine frühere Evaluierung desSPFS bestätigt, dass die Projekte der FAO vor Ortein schlechtes Image haben und deshalb eine Stär-kung der FAO als Wissensorganisation empfohlen.40

Michael Windfuhr ist daher wenig verwundert überdie geringe finanzielle Unterstützung der Initiativegegen steigende Nahrungsmittelpreise: »Für die Stär-kung der FAO war es sicherlich nicht hilfreich, dassdiese seit Dezember für ein Sonderprogramm ge-worben hat, mit dessen Hilfe sie Saatgut und Dün-gemittel an Kleinbauern verteilen wolle. Angesichtsder schlechten Evaluierungsergebnisse für die prak-tische Arbeit vor Ort hat die Organisation in derKrise genau das Falsche angeboten: Programme vorOrt statt Koordinierung der UN«.41 Es steht also zubefürchten, dass die vom Evaluierungsteam beob-achtete Entfremdung der Mitgliedstaaten, ihr nach-lassendes Interesse und ihre fehlende Identifikationmit der Organisation42 auch nach der Nahrungsmit-telkrise fortbestehen.

Die Stellung der FAO im hochrangigen Prozess

Ebenso umstritten ist die Fähigkeit der FAO, im glo-balen System Führung zu zeigen und die Aktivitätender Regierungen, internationalen Organisationen undNGOs nach der Nahrungsmittelkrise zu koordinie-ren: Schon vor der Krise war die FAO im UN-Sys-tem aktiv in mehrere ernährungspolitische Arbeits-gruppen einbezogen und hatte den Vorsitz von zweiArbeitsgruppen im ›United Nations System StandingCommittee on Nutrition‹ (SCN) inne. Jedoch fehlteihr, so der Befund der Evaluierung, die »intellektuel-le Führung«.43 An der von UNICEF und WFP ent-wickelten Initiative zur Beendigung von Hunger undUnterernährung bei Kindern (ECHUI) wurde sie erstgar nicht beteiligt.44 Die Nahrungsmittelkrise hat zueiner internationalen Debatte über eine Umstruktu-rierung der globalen Ernährungssicherungsarchitek-tur geführt:

In der von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon imApril 2008 eingerichteten Hochrangigen Arbeitsgrup-pe für die weltweite Nahrungsmittelkrise (High-le-vel Task Force on the Global Food Security Crisis –HLTF) hat Jacques Diouf zwar den stellvertretendenVorsitz inne, dennoch sehen Beobachter die Weltbankals die maßgebliche Institution im Prozess an.45 Sofolgt der von der HLTF ausgearbeitete umfassendeRahmenaktionsplan (Comprehensive Framework forAction – CFA) zwar dem grundsätzlichen Ansatz derFAO, kurzfristige mit langfristigen Maßnahmen zukombinieren, doch gesteht er einzig der Weltbankeine Beteiligung am ganzen Aktivitätsspektrum zu.Der »Weckruf« der Krise, so das Dokument, biete dieGelegenheit, die Nahrungsmittelproduktion vonKleinbauern stärker zu erhöhen.46 Der Rahmenakti-onsplan schlägt vor, den sofortigen Zugang zu Saat-gut und Düngemitteln zu garantieren, in agrartech-nologische Forschung und Infrastruktur zu investie-

ren und die Maßnahmen mit nachhaltigem Umwelt-schutz in Einklang zu bringen. Schließlich beziehtdas Dokument Stellung in Streitfragen des Welthan-dels und verweist auf die Notwendigkeit, landwirt-schaftliche Subventionen im Allgemeinen und Sub-ventionen von Biotreibstoffen im Besonderen zu über-denken.47 Die Weltbank hat die Aufgabe, sich an dersofortigen Nahrungshilfe zu beteiligen (unter ande-rem gemeinsam mit dem WFP), auf eine Anpassungder Handelspolitik hinzuwirken (gegen Einfuhr- undAusfuhrbeschränkungen von Nahrungsmitteln) undmakroökonomische Folgen der Krise zu bewältigen(unter anderem mit dem IWF).

An der langfristigen Aufgabe der Weltbank, die in-ternationalen Märkte für Nahrungsmittel zu verbes-sern, indem auf den Abbau von Agrarsubventionenund einen Abschluss der Doha-Runde der WTO hin-gewirkt werden soll, ist eine Beteiligung der FAOnicht vorgesehen. Insgesamt wird der FAO jedocheine führende Rolle beim Auftrag zuteil, Kleinbauernbei der Erhöhung der Produktion von Nahrungsmit-teln durch Beratung und technische Hilfe zu unter-stützen, in der Debatte über Biotreibstoffe eine ge-

30 FAO, Anti-Hunger Programme. A Twin-Track Approach to Hunger

Reduction. Priorities for National and International Action, Rom 2003.

31 Hein, Die FAO, a.a.O. (Anm. 19), S. 86; Siehe D. John Shaw, Multila-

teral Development Co-operation for Improved Food Security and Nu-

trition, in: Uwe Kracht/Manfred Schulz (Hrsg.), Food Security and Nu-

trition. The Global Challenge, Münster, S. 555–580, hier S. 563f.

32 Eine ausführlichere Aufstellung findet sich in: Shaw, Multilateral

Development Co-operation, a.a.O. (Anm. 31), S. 563f.

33 Hein, Die FAO, a.a.O. (Anm. 19), S. 10–13.

34 Shaw, Global Food and Agricultural Institutions, a.a.O. (Anm. 22),

S. 97.

35 FAO: The Challenge, a.a.O. (Anm. 14), S. 46.

36 FAO, Crop Prospects and Food Situation, Nr. 4, Rom 2007.

37 FAO, Initiative for Soaring Food Prices. Programme Document. Aiming

to Reduce the Food Insecurity Caused by Soaring Food Prices, Rom 2008.

38 Siehe FAO-Homepage: http://www.fao.org/isfp/about/en/

39 FAO, Statement of the Director-General, FAO Doc. C2008/INF/5,

Rom, 18.–22. November 2008, ftp://ftp.fao.org/docrep/fao/meeting/

014/k3729e.pdf

40 FAO: The Challenge, a.a.O. (Anm. 14), S. 13, 61 und 97.

41 Michael Windfuhr, Viele Initiativen, wenig Koordination. Die Welt-

ernährungskrise legt die Schwächen der internationalen Steuerung im

Ernährungsbereich offen, welt-sichten, 8/2008, S. 36–38, hier S. 37.

42 FAO: The Challenge, a.a.O. (Anm. 14), S. 39.

43 Ebd., S. 133.

44 Ebd.

45 Rudolf Buntzel, Nach der Krise, E + Z, 49. Jg., 11/2008, S. 408–412,

hier S. 410.

46 High-level Task Force on the Global Food Security Crisis, Compre-

hensive Framework for Action, Juli 2008, S. 3, http://www.un.org/

issues/food/taskforce/Documentation/CFA%20Web.pdf

47 Ebd., S. 4.

Es steht zu befürch-ten, dass die vomEvaluierungsteambeobachteteEntfremdung derMitgliedstaatenauch nach derNahrungsmittelkrisefortbestehen wird.

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Liese | Die Nahrungsmittelkrise

eignete Politik zu entwickeln und globale Informa-tions- und Überwachungssysteme zu stärken. IhreKompetenz als Beratungsorganisation und neutra-les Forum zur Standardsetzung wurde somit aner-kannt.

Haltung zur GFPA

Aktuell bemüht sich die FAO um eine zentrale Rol-le bei der Verwirklichung eines von Frankreich undGroßbritannien auf der Hochrangigen Konferenz fürErnährungssicherheit im Juni 2008 in Rom vorge-brachten und von der G-8 übernommenen Vorschlagsfür eine ›Globale Partnerschaft für Ernährung undLandwirtschaft‹ (Global Partnership for Food andAgriculture – GFPA). Nach den Vorstellungen derG-8 soll die GFPA Regierungen, internationale Or-ganisationen, den Privatsektor und die Zivilgesell-schaft zusammenbringen, um umfassende und kohä-rente Strategien zur kurz-, mittel- und langfristigenBewältigung der Welternährungskrise zu entwickeln.48

Im Rahmen der GPFA ist zudem die Schaffung eineshochrangigen Expertennetzwerks vorgesehen, daswissenschaftliche Analysen zur Welternährungssi-tuation, zu den zukünftigen Risiken und zum Hand-lungsbedarf erstellt. Während die Idee einer zentra-len Koordinierungsinstanz weitestgehend begrüßtwird, ist die zentrale Streitfrage, ob die GFPA als ei-genständige Institution geschaffen oder in bestehen-de Institutionen integriert werden solle. Diese Streit-frage verhinderte, dass die Partnerschaft bereits, wiegeplant, auf dem Hochrangigen Treffen ›Zur Nah-rungssicherheit für alle‹ im Januar 2009 in Madridbeschlossen werden konnte.49 In der Diskussion umdie institutionelle Ausgestaltung der GPFA bemühtsich Diouf mit Unterstützung der FAO-Konferenzum eine Anbindung der GFPA und eines hochran-gigen Expertenausschusses an die eigene Organisa-tion und um eine Stärkung des FAO-Ausschussesfür Welternährungssicherheit (Committee on WorldFood Security – CFS) bei der Verbesserung vonKohärenz und Koordinierung in der globalen›food governance‹.50

Perspektiven

Trotz aller Kritik bleibt die FAO als neutrales undvon Entwicklungsländern geschätztes zwischenstaat-liches Forum, das unter anderem die Rechte der länd-lichen Bevölkerung einfordert und wichtige Standardssetzt, ohne Alternative. So kommt auch die Evaluie-rung zu dem Schluss: »Wenn es die FAO nicht gäbe,müsste sie erfunden werden«.51 Das Problem derOrganisation ist jedoch nach wie vor, dass sich diefinanzstarken Mitgliedstaaten in ihrer Funktion alsGeber und als Gestalter der multilateralen Ordnungeher an Weltbank und WFP wenden. Obwohl dieFAO seit langem Investitionen in die Landwirtschaftanmahnt, zweigleisige Programme durchführt und

Kleinbauern fördert, sind andere Organisationen nunin diesem Bereich aktiv und werben erfolgreich finan-zielle Mittel ein.

Die ihr vom Evaluierungsteam und den OECD-Staaten zugedachte Funktion als Wissensorganisationfüllt die FAO in der gegenwärtigen Krise bislang nochunzureichend aus. Ihre Reaktion auf die Nahrungs-mittelkrise in Form der Initiative gegen steigendeNahrungsmittelpreise war zunächst von einer Neu-auflage althergebrachter Konzepte geprägt. Die jüngs-te Diskussion um eine Umstrukturierung der insti-tutionellen Landschaft hat die FAO nun aber dazuangeregt, im Sinne der Evaluierungsergebnisse ihreRolle als Wissensorganisation zu stärken und etwadie Anbindung des im Rahmen der Globalen Partner-schaft geplanten Expertennetzwerks an ihren Aus-schuss für Welternährungssicherheit zu forcieren.

Bei ihren Bemühungen könnte die angeschlagenegrand dame nun Unterstützung durch zivilgesell-schaftliche Organisationen erhalten, die eine zentra-le Rolle der UN-Organisationen in der ›global foodgovernance‹ fordern.52 Denn die FAO ermöglicht, an-ders als die mit ihr konkurrierenden UN-Hilfsorga-nisationen und die internationalen Finanzinstitutio-nen, die gleichberechtigte Partizipation aller Mitglied-staaten und eine Beteiligung der Zivilgesellschaft. Dieihr zugeschriebene Neutralität und Legitimität stellteinen wichtigen komparativen Vorteil der Organisa-tion dar, den die FAO nun unbedingt betonen sollte,um Rückendeckung bei ihren Initiativen als Wis-sensorganisation und neutralem Forum zu erhalten.Ironischerweise wird somit eines ihrer Hauptproble-me, die gleichberechtigte Stimme aller Mitgliedstaa-ten, zu ihrem möglichen Rettungsanker.

48 G8 Leaders Statement on Global Food Security, 8.7.2008. http://

www.mofa.go.jp/policy/economy/summit/2008/doc/doc080709_0

4_en.html

49 FIAN, Pressemitteilung zur Welternährungskonferenz in Madrid:

Im Schneckentempo gegen den Hunger, 27.1.2009.

50 FAO, Statement of the Director-General, FAO Doc. C2008/INF/5,

Rom 2008, S. 6.

51 FAO: The Challenge, a.a.O. (Anm. 14), S. 37.

52 International Planning Committee for Food Security (IPC), Accelera-

ting into Disaster – When Banks Manage the Food Crises (Gemeinsame

Erklärung zivilgesellschaftlicher Organisationen zum Madrid-Gipfel),

http://www.foodsovereignty.org/public/new_attached/60_State

ment%20Madrid%20meeting-EN.pdf; Brot für die Welt, Welternäh-

rungskrise erfordert Stärkung der Vereinten Nationen – keine insti-

tutionellen Sandkastenspiele, Pressemitteilung, 27.1.2009.

Trotz aller Kritik bleibt die

FAO als neutralesund von Entwick-

lungsländerngeschätztes

zwischenstaat-liches Forum

ohne Alternative.

Ironischerweise wirdeines ihrer Haupt-

probleme, die gleich-berechtigte Stimme

aller Mitglied-staaten, zu ihrem

möglichenRettungsanker.