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Life & Law kompakt Aktuelles hemmer! Life&Law 11/2013 839 Life &Law kompakt Examensreport Bayern, Termin 2013-II Hinweis : Die nachfolgenden Übersichten sind keine Musterlösungen. Insbesondere ist der hier verwendete Urteilsstil im ersten Examen nicht vertretbar und allein der knapperen Darstellung in der Life & Law geschuldet. Die Lösungshinweise sollen nur zur besseren Orientierung in Ihrer Examensvorbereitung dienen. Nur wer die Anforderungen des Ex- amens kennt, lernt richtig. A) Zivilrecht Allgemeines/Auffälligkeiten/Trends : Schuldrecht, Sachenrecht, Erbrecht zweimal ZPO schon wieder kein Arbeitsrecht Klausur Nr. 1: Problemstellung : „Schweinehundvariante“ (Herausgabe – und Schadensersatzansprüche des Ei- gentümers bei Diebstahl einer Sache); Versäumnisurteil; einseitige Erledigterklärung Sachverhalt : Der auf der Flucht befindliche Strafgefangene S nimmt das im Eigentum des E stehende Fahrrad (Neupreis: 1.000,- ; Zeitwert: 700,- ) an sich und fährt damit davon. E hatte das Fahrrad am Straßenrand abgestellt und versehentlich nicht abgeschlossen. Unterwegs muss S einem vorschriftswidrig fahrenden Motorradfahrer ausweichen und prallt dabei gegen einen Baum. Da dadurch das Vorderrad verbogen wird, wirft S das Fahrrad in den Chiemsee und flieht zu Fuß weiter. Nachdem E den Verbleib des Fahrrads nicht ermitteln kann, kauft er sich ein neues Fahrrad, das bau- gleich mit dem alten ist, jetzt aber 1.200,- kostet. Eine Woche später entdeckt der Fischer F das Fahrrad im Wasser und zieht es heraus. Er geht davon aus, dass der Eigentümer des Fahrrads dieses „entsorgt“ hat, und behält das Fahrrad zunächst einige Tage für sich. Sein sechzehnjähriger Neffe N überredet ihn jedoch dazu, ihm das Fahrrad zu einem – für den gegenwärtigen Zustand angemessenen – Preis von 300,- zu überlassen. Den Betrag hat sich N von einem Bekannten ohne Wissen seiner Eltern geborgt. Seinen Eltern erzählt N, der F habe ihm das Fahr- rad geschenkt. Anschließend lässt N das verbogene Vorderrad in einer Werkstatt reparieren. Die (markt- üblichen) Reparaturkosten in Höhe von 80,- bezahlt N von seinem Taschengeld. N benutzt das Fahrrad täglich, auch für seinen Weg zur Schule. Dort entdeckt es E eines Tages zufällig. Da mittlerweile auch S festgenommen worden ist, klärt sich bei den Nachforschungen alles auf. Frage 1 : Steht E gegen N ein Anspruch auf Herausgabe des Rads und auf Nutzungsersatz zu? Frage 2 : Kann N die Herausgabe von der Erstattung der Reparaturkosten abhängig machen? Frage 3 : Anspruch des E gegen S auf Schadensersatz wegen Nichtnutzbarkeit des Fahrrads? Frage 4 : Anspruch des E gegen S auf Erstattung der an N gezahlten Reparaturkosten? Frage 5 : Anspruch des E gegen S auf Erstattung des Kaufpreises für das neue Fahrrad? Frage 6 : Kann S von E die Übereignung des alten Fahrrads verlangen? Frage 7a : Welches Gericht ist sachlich für eine Herausgabeklage zuständig? Frage 7b : Muss die Klageschrift dem N oder dessen Eltern zugestellt werden?

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Life & Law kompakt

Examensreport Bayern, Termin 2013-II

Hinweis: Die nachfolgenden Übersichten sind keine Musterlösungen. Insbesondere ist der hier verwendete Urtei lssti l im ersten Examen nicht vertretbar und al lein der knapperen Darstel lung in der Life & Law geschuldet. Die Lösungshinweise sollen nur zur besseren Orient ierung in Ihrer Examensvorbereitung dienen. Nur wer die Anforderungen des Ex-amens kennt, lernt richt ig.

A) Zivilrecht Allgemeines/Auffälligkeiten/Trends: Schuldrecht, Sachenrecht, Erbrecht zweimal ZPO schon wieder kein Arbeitsrecht

Klausur Nr. 1:

Problemstellung: „Schweinehundvariante“ (Herausgabe – und Schadensersatzansprüche des Ei-gentümers bei Diebstahl einer Sache); Versäumnisurteil; einseitige Erledigterklärung

Sachverhalt: Der auf der Flucht befindliche Strafgefangene S nimmt das im Eigentum des E stehende Fahrrad (Neupreis: 1.000,- €; Zeitwert: 700,- €) an sich und fährt damit davon. E hatte das Fahrrad am Straßenrand abgestellt und versehentlich nicht abgeschlossen.

Unterwegs muss S einem vorschriftswidrig fahrenden Motorradfahrer ausweichen und prallt dabei gegen einen Baum. Da dadurch das Vorderrad verbogen wird, wirft S das Fahrrad in den Chiemsee und flieht zu Fuß weiter.

Nachdem E den Verbleib des Fahrrads nicht ermitteln kann, kauft er sich ein neues Fahrrad, das bau-gleich mit dem alten ist, jetzt aber 1.200,- € kostet.

Eine Woche später entdeckt der Fischer F das Fahrrad im Wasser und zieht es heraus. Er geht davon aus, dass der Eigentümer des Fahrrads dieses „entsorgt“ hat, und behält das Fahrrad zunächst einige Tage für sich. Sein sechzehnjähriger Neffe N überredet ihn jedoch dazu, ihm das Fahrrad zu einem – für den gegenwärtigen Zustand angemessenen – Preis von 300,- € zu überlassen. Den Betrag hat sich N von einem Bekannten ohne Wissen seiner Eltern geborgt. Seinen Eltern erzählt N, der F habe ihm das Fahr-rad geschenkt. Anschließend lässt N das verbogene Vorderrad in einer Werkstatt reparieren. Die (markt-üblichen) Reparaturkosten in Höhe von 80,- € bezahlt N von seinem Taschengeld.

N benutzt das Fahrrad täglich, auch für seinen Weg zur Schule. Dort entdeckt es E eines Tages zufällig. Da mittlerweile auch S festgenommen worden ist, klärt sich bei den Nachforschungen alles auf.

Frage 1: Steht E gegen N ein Anspruch auf Herausgabe des Rads und auf Nutzungsersatz zu?

Frage 2: Kann N die Herausgabe von der Erstattung der Reparaturkosten abhängig machen?

Frage 3: Anspruch des E gegen S auf Schadensersatz wegen Nichtnutzbarkeit des Fahrrads?

Frage 4: Anspruch des E gegen S auf Erstattung der an N gezahlten Reparaturkosten?

Frage 5: Anspruch des E gegen S auf Erstattung des Kaufpreises für das neue Fahrrad?

Frage 6: Kann S von E die Übereignung des alten Fahrrads verlangen?

Frage 7a: Welches Gericht ist sachlich für eine Herausgabeklage zuständig?

Frage 7b: Muss die Klageschrift dem N oder dessen Eltern zugestellt werden?

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hemmer! Life&Law 11/2013 840

Frage 8: Welchen Antrag wird E in der mündlichen Verhandlung stellen, wenn N das Fahrrad vor-her herausgegeben hat, aber in der Verhandlung nicht erscheint?

Skizzierung der inhaltlichen Probleme:

Frage 1: Anspruch des E gegen N auf Herausgabe des Fahrrads und auf Nutzungsersatz

A) Anspruch auf Herausgabe

I. Anspruch aus § 985 BGB:

1. N ist unmittelbarer Besitzer des Fahrrads.

2. Zu prüfen war, ob E sein Eigentum am Fahrrad zwischenzeitlich verloren hat.

a) Keine Eigentumsaufgabe gem. § 959 BGB (sog. „Dereliktion“)

E hat das Fahrrad zwar ohne es abzusperren abgestellt. Dadurch hat E aber nicht den Besitz am Fahrrad aufgegeben. Außerdem fehlte dem E der für § 959 BGB erforderliche Wille, das Eigentum am Fahrrad aufzugeben.

b) Kein Eigentumserwerb durch F gem. § 958 BGB

F hat das Fahrrad aus dem See „gefischt“ und in Eigenbesitz genommen. Ein Eigentumserwerb durch Aneignung gem. § 958 I BGB trat dadurch aber nicht ein, da die Sache mangels Dereliktion seitens des E (s.o.) nicht herrenlos war.

c) Kein Eigentumserwerb durch F gem. § 973 BGB

F war zwar Finder einer verlorenen Sache. Da das Fahrrad mehr als 10,- € wert war (vgl. § 973 II BGB), begann die Frist für den Eigentumserwerb nicht zu laufen, da der Fund nicht angezeigt wurde (§ 973 I BGB). Ein Eigentumserwerb nach § 973 I BGB scheidet daher aus.

d) Kein gutgläubiger Erwerb des N gem. §§ 929 S. 1, 932 I S. 1, II BGB

F und N haben sich gem. § 929 S. 1 BGB über den Eigentumsübergang geeinigt. Die beschränkte Ge-schäftsfähigkeit des N (§§ 2, 106 BGB) steht der Wirksamkeit der Einigung nicht entgegen, da diese ledig-lich rechtlich vorteilhaft war, § 107 BGB. Eine Übergabe lag vor. F war zwar Nichtberechtigter (s.o.), je-doch war N gem. der Vermutung des § 932 I S. 1 BGB gutgläubig i.S.d. § 932 II BGB. Da dem E das Fahrrad jedoch abhandengekommen ist, scheidet gem. § 935 I S. 1 BGB ein gutgläubiger Erwerb aus.

3. Fraglich ist, ob dem N gem. § 986 I S. 1 BGB ein Recht zum Besitz (RzB) zusteht.

a) Kein RzB wegen vorgenommener Verwendungen

Die Zahlung des Kaufpreises an F war keine Verwendung, da der Kaufpreis nicht der Sache zugute-kommt. Die für die Reparatur des Fahrrads aufgewendeten 80,- € stellen hingegen eine notwendige Ver-wendung dar. Diese Kosten sind dem minderjährigen N endgültig entstanden, da er die Reparatur mit seinem Taschengeld bezahlt hat (§ 110 BGB). Damit lag das für das Vorliegen einer Verwendung erfor-derliche „Vermögensopfer“ vor. Da die Reparatur zur Erhaltung des Fahrrads erforderlich war, handelte es sich um eine notwendige Verwendung i.S.d. § 994 I S. 1 BGB.

Gem. § 1000 BGB steht dem N ein Zurückbehaltungsrecht (ZBR) zu. Dieses begründet entgegen verein-zelten Entscheidungen des BGH aber kein RzB. Ein ZBR gibt dem Besitzer ein reines Verteidigungsrecht, welches im Falle eines Prozesses anders als ein RzB nicht zur Klageabweisung führt, sondern lediglich zur Verurteilung Zug-um-Zug, vgl. § 274 BGB. Die Bejahung eines RzB wäre auch widersprüchlich, da mit der Vornahme der ersten Verwendungshandlung das Besitzrecht entstehen müsste, sodass ab diesem Moment kein EBV mehr gegeben wäre und damit für weitere Verwendungen die Grundlage für die An-wendung der §§ 994 ff. BGB entfiele!

b) Kein RzB aus § 433 I S. 1 BGB

Ein auf Eigentumsverschaffung gerichteter Anspruch aus § 433 I S. 1 BGB gewährt nach allgemeiner Meinung ein Recht zum Besitz. Dies ist im vorliegenden Fall aber aus zwei Gründen zu verneinen.

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hemmer! Life&Law 11/2013 841

Zum einen kann ein Kaufvertrag zwischen N und F im Verhältnis zu E kein RzB begründen (sog. Relativi-tät der Schuldverhältnisse). Zum anderen war der Kaufvertrag als rechtlich nachteiliges Rechtsgeschäft mangels Einwilligung der Eltern des N gem. § 107 BGB schwebend unwirksam, da der Kaufpreis nicht mit Mitteln erfüllt wurde, die dem N von seinen Eltern überlassen wurden, § 110 BGB. Eine Genehmigung gem. § 108 BGB ist dem Sachverhalt nicht zu entnehmen.

4. Ergebnis: Dem E steht gegen N ein Anspruch auf Herausgabe gem. § 985 BGB zu.

II. Weitere Herausgabeansprüche des E gegen N:

1. Ein Anspruch aus § 861 I BGB entfällt, da der gutgläubige N gegenüber E nicht fehlerhaft besitzt, vgl. § 858 II S. 2 BGB a.E.

2. Ein Anspruch aus § 1007 I BGB entfällt, weil N gutgläubig war.

3. Ein Anspruch aus § 1007 II BGB besteht, da dem E das Fahrrad abhandengekommen ist.

4. Ein Anspruch aus § 812 I S. 1 Alt. 2 BGB entfällt, weil N den Besitz aufgrund einer Leistung des F erlangt hat (Vorrang der Leistungsbeziehung). Eine a.A. ist aufgrund der Wertung des § 935 I BGB ver-tretbar, wird aber von der h.M. nur in den sog. „Einbaufällen“ bejaht, in denen aufgrund des Eigentumsver-lustes gem. §§ 946 ff. BGB ein Anspruch aus § 985 BGB entfällt und damit ein Bedürfnis für einen berei-cherungsrechtlichen Anspruch besteht.

5. Ein Anspruch aus §§ 823 I, 249 I BGB auf Schadensersatz gerichtet auf Naturalrestitution entfällt, da N gutgläubig war und damit nicht schuldhaft das Eigentum des E verletzt hat.

6. Ein Anspruch analog § 816 I S. 2 BGB könnte bejaht werden, wenn man den rechtsgrundlosen Er-werb des Fahrrads durch N einem unentgeltlichen Erwerb gleichstellt.

Diese Gleichstellung wird aber von der h.M. in einem Drei-Personen-Verhältnis abgelehnt. Im Übrigen bestehen mit §§ 985, 1007 II BGB schon Herausgabeansprüche, sodass mangels Regelungslücke eine Analogie zu § 816 I S. 2 BGB ausscheidet.

B) Anspruch auf Nutzungsersatz

I. Anspruch aus § 987 BGB bzw. §§ 990 I, 987 BGB:

Ein derartiger Anspruch entfällt trotz Vorliegens eines EBV. Weder lag Rechtshängigkeit vor noch war N hinsichtlich seines fehlenden Rechts zum Besitz analog § 932 II BGB bösgläubig.

II. Anspruch aus §§ 812 I S. 1 Alt. 2, 818 II BGB:

Nutzungsersatzansprüche aus Eingriffskondiktion entfallen aufgrund der Sperrwirkung des EBV, § 993 I HS 2 BGB.

III. Anspruch aus § 988 BGB analog

N hat den Besitz zwar nicht unentgeltlich erlangt, aber mangels Wirksamkeit des Kaufvertrags rechts-grundlos. Fraglich ist, ob § 988 BGB analog anwendbar ist, also eine Gleichstellung von „unentgeltlich“ und „rechtsgrundlos“ möglich ist.

1. Der BGH setzt den unentgeltlichen Besitzerwerb dem rechtsgrundlosen Besitz gleich und erreicht somit über die Rechtsfolgenverweisung des § 988 BGB die Haftung des Besitzers nach § 818 BGB.

2. Diese Gleichstellung ist aber mit der h.L. jedenfalls in den Fällen abzulehnen, in denen – wie im vorlie-genden Fall - die Sache von einem Dritten rechtsgrundlos erlangt wurde, da dann der Besitzer N dem Ei-gentümer E gegenüber nach § 988 BGB verpflichtet wäre, ohne diesem gegenüber einen Gegenanspruch wegen des rechtsgrundlos gezahlten Kaufpreises entgegenhalten zu können (Argument des Einwen-dungsverlustes).

Ergebnis: Dem E steht gegen N kein Anspruch auf Nutzungsersatz zu.

Frage 2: Kann N die Herausgabe von der Erstattung der Reparaturkosten abhängig machen?

Die Reparaturkosten stellen eine notwendige Verwendung dar (s.o.), sodass dem N gegen den Heraus-gabeanspruch gem. § 1000 S. 1 BGB ein Zurückbehaltungsrecht zusteht.

Hinweis: Die Fragestellung war etwas unglücklich, da diese Problematik schon beim Herausgabeanspruch in Frage 1 zu prüfen war. Es wäre daher vertretbar gewesen, das Vorliegen einer Verwendung erst in der Frage 2 zu prüfen.

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hemmer! Life&Law 11/2013 842

Frage 3: Anspruch des E gegen S auf Schadensersatz wegen Nichtnutzbarkeit des Fahrrads?

I. Einschlägige Anspruchsgrundlagen auf Schadensersatz

Als Anspruchsgrundlagen auf Schadensersatz kommen in Betracht §§ 990 I, 989 BGB, da S unrechtmä-ßiger und bösgläubiger Besitzer war. Da sich S den Besitz durch eine Straftat und verbotene Eigenmacht verschafft hat, kommt trotz der grds. Sperrwirkung des EBV (vgl. § 993 I HS 2 BGB) wegen § 992 BGB (Rechtsgrundverweisung) auch ein Anspruch aus § 823 I BGB und aus § 823 II BGB, § 242 StGB bzw. § 248b StGB in Betracht.

Des Weiteren besteht ein Anspruch aus § 826 BGB, der vom EBV nicht verdrängt wird. Außerdem sind §§ 687 II S. 1, 678 BGB und §§ 1007 III S. 2, 989, 990 I BGB einschlägig.

II. Rechtsfolge: § 251 I BGB

Da wegen Zeitablaufs eine Wiederherstellung des vorherigen Zustandes nicht mehr möglich ist, kommt lediglich ein Anspruch auf Schadensersatz in Geld in Betracht, § 251 I BGB. Die entgangene Nutzungs-möglichkeit stellt aber einen immateriellen Schaden dar, der gem. § 253 I BGB grds. nicht in Geld ersetzt wird.

Fraglich ist, ob sich es sich deshalb um einen materiellen Schaden handelt, da die Nutzungsmöglichkeit eines Fahrrads kommerzialisiert, also auf dem freien Markt gegen Entgelt (Miete eines Fahrrads) erhält-lich ist, sog. „Kommerzialisierungsgedanke“. Dem ist zu entgegnen, dass nahezu alle Leistungen kom-merzialisiert sind, sodass die Anwendung des Kommerzialisierungsgedankens die Grenzen zwischen den materiellen und immateriellen Schäden verwischen würde.

Der BGH schränkt den Kommerzialisierungsgedanken daher ein und stuft die entgangene Nutzungsmög-lichkeit nur dann als materiellen Schaden ein, wenn es sich um ein Wirtschaftsgut handelt, dessen ständi-ge Verfügbarkeit für die Lebensführung von zentraler wirtschaftlicher Bedeutung ist. Außerdem müssen ein Nutzungswille und eine hypothetische Nutzungsmöglichkeit bestehen.

Diese Voraussetzungen sind für ein Fahrrad zu bejahen, sodass dem E gegen S eine laut Bearbeiterver-merk nicht zu beziffernde Nutzungsausfallentschädigung zusteht (a.A. vertretbar).

Frage 4: Anspruch des E gegen S auf Erstattung der an N gezahlten Reparaturkosten

I. Einschlägige Anspruchsgrundlagen auf Schadensersatz

Anspruchsgrundlagen sind wieder die in Frage 3 genannten Schadensersatzansprüche. Problematisch war, ob S die Eigentumsverletzung durch den Unfall verschuldet hat. Darauf kam es aber nicht entschei-dend an, da S den Besitz durch eine unerlaubte Handlung erlangt hat und damit gem. §§ 992, 848 BGB verschuldensunabhängig auch für einen zufälligen Untergang haftet.

II. Rechtsfolge: § 249 II S. 1 BGB

Bei den Reparaturkosten handelt es sich um Wiederherstellungskosten i.S.d. § 249 II BGB. Dass nicht E, sondern N das Rad repariert hat, ist irrelevant, weil E dem N diese Reparaturkosten gem. § 994 I S. 1 BGB erstatten muss und damit der materiell Geschädigte ist. Vor der Zahlung der 80,- € an N kann E von S die Freistellung von der Verbindlichkeit gegenüber N verlangen, § 249 I BGB.

Frage 5: Anspruch des E gegen S auf Erstattung des Kaufpreises für das neue Fahrrad

I. Einschlägige Anspruchsgrundlagen auf Schadensersatz

Anspruchsgrundlagen sind erneut die in Frage 3 genannten Schadensersatzansprüche.

Hinweis: Die Fragen 3 bis 5 unterschieden sich nur in der Rechtsfolge, welche Art von Schadensersatz verlangt werden kann. Die Anspruchsgrundlagen bleiben gleich. Dies wird den einen oder anderen Bear-beiter irritiert haben.

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II. Rechtsfolge: § 249 II BGB

1. E konnte von S gem. § 249 I BGB die Wiederherstellung des vorherigen Zustandes verlangen. Eine „Selbsthilfe“ bzgl. der Naturalrestitution ist grds. erst zulässig, nachdem der Gläubiger dem Ersatzpflichti-gen zur Herstellung eine angemessene Frist mit der Erklärung gesetzt hat, dass er die Herstellung nach dem Ablauf der Frist ablehnt. Erst nach dem Ablauf der Frist kann der Gläubiger den Ersatz in Geld ver-langen, vgl. § 250 BGB. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass zur Zeit der Ersatzbeschaffung der S unauf-findbar war und es damit auf unabsehbare Zeit nicht möglich war, den S zur Ersatzbeschaffung aufzufor-dern. Daher ist auf die Ersatzbeschaffung § 249 II BGB anzuwenden, sodass dem E ohne vorherige Frist-setzung der Anspruch auf Ersatz der Ersatzbeschaffungskosten zusteht.

2. Gegen die Schadensminderungsobliegenheit des § 254 II S. 1 BGB hat E nicht verstoßen, da S für jeden Tag, an dem E das Fahrrad nicht zur Verfügung steht, eine Nutzungsausfallentschädigung zahlen muss, und daher der E dazu angehalten war, sich ein Fahrrad zu beschaffen. Dass dem E die Anschaf-fung eines gleichwertigen, gebrauchten Fahrrads möglich gewesen wäre, lässt sich dem Sachverhalt nicht entnehmen.

3. Der Umstand, dass E nun ein neues Fahrrad hat, muss jedoch im Wege der Vorteilsanrechnung durch einen Abzug „neu für alt“ berücksichtigt werden.

Frage 6: Kann S von E die Übereignung des alten Fahrrads verlangen?

Das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot verbietet es, dass E sowohl Schadensersatz für die Ersatzbeschaffung eines neuen Fahrrads verlangt und zusätzlich das Eigentum am alten Fahrrad behält. Die schadensersatzrechtliche Bereicherung kann aber nicht dadurch abgewendet werden, dass man den Restwert des Fahrrads vom Schaden abzieht, da dies für den Geschädigten E ein unzumutbares Verwer-tungsrisiko bedeuten würde.

E ist daher verpflichtet, gem. § 255 BGB das Fahrrad an S zu übereignen, da dieser Schadensersatz für den Verlust einer Sache schuldet. Diesen Gegenanspruch kann S dem E als ZBR gem. § 273 BGB einre-deweise entgegenhalten. E kann zwar nicht seinen Anspruch aus § 985 BGB an S abtreten, da § 985 BGB nicht abtretbar ist. Er kann jedoch seinen Anspruch aus § 1007 II BGB an S abtreten und damit die Übergabe gem. § 931 BGB ersetzen.

Frage 7a: Welches Gericht ist sachlich für eine Herausgabeklage zuständig?

Gem. § 1 ZPO, § 23 Nr. 1 GVG ist das Amtsgericht zuständig, da der Streitwert (vgl. § 6 S. 1 ZPO) 5.000,- € nicht übersteigt und kein Fall des § 71 II GVG vorliegt.

Frage 7b: Muss die Klageschrift dem N oder dessen Eltern zugestellt werden?

N ist als beschränkt Geschäftsfähiger (§§ 2, 106 BGB) prozessunfähig, § 52 I ZPO. Gem. § 170 I S. 2 ZPO ist die Zustellung an eine nicht prozessfähige Person unwirksam. Daher muss die Klage den Eltern des N als dessen gesetzliche Vertreter zugestellt werden, vgl. § 170 I S. 1 ZPO, §§ 1629 I, 1626 I BGB. Es genügt aber die Zustellung gegenüber einem Elternteil. Dies folgt aus § 170 III ZPO, der insoweit eine lex specialis zu § 1629 I S. 2 HS 2 BGB darstellt.

Frage 8: Welchen Antrag wird E in der mündlichen Verhandlung stellen, wenn N das Fahrrad vor-her herausgegeben hat, aber in der Verhandlung nicht erscheint?

Da N säumig war, wird N den Erlass eines Versäumnisurteils gem. § 331 I ZPO beantragen. Da die Klage durch die Herausgabe des Fahrrades unbegründet wurde, hat sich der Rechtsstreit erledigt. E wird daher den Antrag stellen, dass das Gericht festzustellen hat, dass der Rechtsstreit erledigt ist. Diese sog. einsei-tige Erledigterklärung stellt als Beschränkung des Antrages einen Fall einer stets zulässigen Klageände-rung dar, vgl. § 264 Nr. 2 ZPO. Dieser geänderte Antrag muss dem N nicht schriftsätzlich mitgeteilt wer-den, sodass der Erlass eines Versäumnisurteils nicht nach § 335 I Nr. 3 HS 2 ZPO unzulässig ist.

hemmer-Trainingsplan-Info: Ein „absolut geiler Fall“, der für unsere Kursteilnehmer sehr gut machbar war. Sämtliche Probleme wurden im Hauptkurs mehrere Male besprochen. Ansprüche des Eigentümers gegen einen Dieb sind ein Dauerbrenner in unserem Kurs. Bereits im BGB-AT in den Fällen 14 und 18 wird diese klassische Konstellation als Schwerpunkt behandelt. Im SchuldR-AT sind es die Fälle 12 und 22 (früher Fall 1, BerR). Im Sachenrecht unter anderem die Fälle 1, 4 und 6.

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hemmer! Life&Law 11/2013 844

Die Kommerzialisierung bei der Nutzungsausfallentschädigung wird in den Fällen 17 und 18, SchuldR-AT behandelt. Sämtliche Fragen zu §§ 249 ff. BGB werden in Fall 17, SchuldR-AT dargestellt. Der Abzug „neu für alt“ als Vorteilsanrechnung ist Gegenstand des Falles 7 SchuldR-BT. Das in § 255 BGB zum Ausdruck kommende schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot wird in Fall 18 und Fall 22, SchuldR-AT (früher Fall 1, BerR) behandelt.

Die prozessualen Probleme wurden im Hauptkurs ZPO I in Fall 2 (Versäumnisurteil und minderjähriger Beklagter) und in Fall 5 (einseitige Erledigterklärung) bearbeitet.

Klausur Nr. 2:

Problemstellung: Finanzierungsleasing durch einen Unternehmer; Abtretungskonstruktion A ist Prokuristin der M GmbH & Co. KG (M). Alleiniger Geschäftsführer der Komplementärin (M GmbH) ist B. Im März 2013 schloss A im Namen der M mit der Finanzkauf AG (F) einen „Finanzierungsleasingver-trag“ über einen neuen Server inkl. zugehöriger Standard-Software. In dem Vertrag verpflichtete sich F, den gewünschten Server nebst Software bei der L-OHG (L) zu erwerben und die L anzuweisen, der M den Server nebst Software spätestens ab dem 02.04.2013 zur Verfügung zu stellen.

M entschied sich deshalb für das Leasing des Gesamtpakets (Server und Software), da der Paketpreis deutlich günstiger war als das getrennte Leasing der Einzelkomponenten.

M sollte für das Gesamtpaket an die F monatliche Leasingraten in Höhe von 60,- €, fällig erstmals am 02.04.2013, sodann jeweils am Monatsersten, zahlen. Die Vertragslaufzeit wurde auf drei Jahre festge-setzt und der Leasingnehmerin wurde eine Verlängerungsoption eingeräumt.

In den AGB der F war geregelt, dass der Leasingnehmerin M wegen etwaiger Mängel des Leasingguts keine Rechte gegen die F zustehen, aber die F stattdessen sämtliche Gewährleistungsrechte gegen den Lieferanten L an die M abtritt.

F erwarb sodann absprachegemäß am 14.03.2013 bei L einen Server nebst zugehöriger Standard-Software. In dem Vertrag, welcher im Wege des Schriftverkehrs geschlossen wurde, verwies die L auf ihre AGB für Verträge zwischen Unternehmern, die nicht beigefügt waren. Darin war ebenfalls ein vollumfäng-licher Gewährleistungsausschluss der kaufrechtlichen Mängelrechte enthalten.

F zahlte das vereinbarte Entgelt für den Server und die zugehörige Standard-Software vollständig an L und wies diese an, der M den Server nebst Software zur Verfügung zu stellen. Am 02.04.2013 lieferte L den Server an M und installierte ihn inkl. Standard-Software in deren Geschäftsräumen.

Das Programm funktionierte zunächst anstandslos. Am 11.04.2013 und in den folgenden Tagen kam es dann aber immer wieder zu Systemabstürzen, die auf einen von Anfang an vorhandenen Softwarefehler zurückzuführen waren. A rügte den Mangel am 11.04.2013, 12.04.2013 und 15.04.2013 gegenüber F. Auch informierte A die L in einem Schreiben vom 11.04.2013 über den Mangel und forderte „Reparatur“. Wegen einer Unachtsamkeit des Postboten traf das Schreiben erst am 19.04.2013 bei L ein.

„Aus Kulanz“ versuchte L an drei verschiedenen Tagen von Neuem vergeblich, das Programm zum stö-rungsfreien Funktionieren zu bringen. Am 15.05.2013 erklärte daher B namens der M den Rücktritt vom Vertrag mit L, dies sowohl gegenüber der F als auch gegenüber der L. M zahlte für den Monat Juni 2013 keine Leasingrate an F und verweigerte auch die Zahlung weiterer Raten für die Zukunft.

A möchte wissen, ob nicht vielleicht ein Anspruch gegen L auf Rückzahlung des „Kaufpreises“ an M be-stehe. Wenn dies nicht der Fall sei, müsse doch wenigstens ein Anspruch gegen L auf Rückzahlung des „Kaufpreises“ an F bestehen, welche in dem Fall ja wohl kaum weitere Leasingraten von M beanspruchen bzw. schon durch M gezahlte Leasingraten behalten könne.

Frage 1: Welche Ansprüche hat die M gegen L?

Frage 2: Unterstellt, L wird verurteilt, den von F geleisteten Betrag an diese zurückzuzahlen:

a) Kann die F von M die Zahlung der noch nicht beglichenen Leasingraten für die Monate Juni bis September 2013 verlangen?

b) Kann M von F die bereits gezahlten Leasingraten zurückverlangen?

Hinweis: Auf etwaige von den Beteiligten gezogene Nutzungen ist nicht einzugehen.

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hemmer! Life&Law 11/2013 845

Skizzierung der inhaltlichen Probleme:

Frage 1: Welche Ansprüche hat M gegen L?

M könnte nach erklärtem Rücktritt aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Rückzahlung des Kauf-preises für den Server und die Software gegen L gem. §§ 398 S. 2, 346 I BGB haben.

Fraglich ist, ob das Recht zum Rücktritt und die daraus entstehenden Ansprüche von F wirksam an M abgetreten wurden.

A) Wirksame Abtretung

F hat ihre etwaigen Mängelrechte gegen L an M abgetreten; dabei wurde M von A gem. §§ 48, 49 I HGB vertreten.

I. Abtretbarkeit des Rücktrittsrechts:

Fraglich ist, ob von der Abtretung auch das Gestaltungsrecht „Rücktritt“ erfasst war.

Gestaltungsrechte sind höchstpersönliche Rechte und daher nach teilweise vertretener Ansicht nicht ab-tretbar. Nach Ansicht des BGH ist ein Gestaltungsrecht gem. §§ 413, 398 BGB aber dann abtretbar, wenn die damit verbundene Forderung mitabgetreten wird.

Beim kaufvertraglichen Mängelrecht ist der Rücktritt mit dem auf Nacherfüllung gerichteten Primäran-spruch verbunden. Da auch dieser als Mängelrecht (§§ 437 Nr. 1, 439 BGB) mit abgetreten wird, war die damit verbundene Abtretung der Gestaltungsrechte daher wirksam.

II. Reichweite der Abtretung:

Fraglich ist, welche Ansprüche überhaupt von der Abtretung erfasst waren. Unstreitig sind die Ansprüche auf Nacherfüllung (§ 437 Nr. 1 BGB) und auf Schadensersatz (§ 437 Nr. 3 BGB) und die Ausübung der Gestaltungsrechte abgetreten worden.

Nach zutreffender Ansicht des BGH sind aber die sich aus der Ausübung von Gestaltungsrechten erge-benden Rückzahlungsansprüche nicht von der Abtretung erfasst. Diesen Anspruch behält der Leasingge-ber, da er anderenfalls das Eigentum an der Sache zurückübertragen müsste, ohne den Kaufpreis zu-rückzuerhalten. Der Leasingeber wäre auf die ungesicherten Ansprüche gegen den Leasingnehmer an-gewiesen und würde dessen Insolvenzrisiko tragen. Im Übrigen kann ein Leasingnehmer nicht die Rück-zahlung eines Kaufpreises verlangen, den er selbst nie gezahlt hat.

Zwischenergebnis: Da der Rückzahlungsanspruch an M nicht abgetreten wurde, kann dieser allen-falls ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises an die F zustehen.

B) Wirksame Ausübung des von F an M abgetretenen Rücktrittsrechts

Ein Anspruch der M gegen L auf Rückzahlung des Kaufpreises an F setzt voraus, dass der F ein abtretba-res Rücktrittsrecht zustand und M wirksam den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt hat.

I. Rücktrittserklärung der M

Eine Rücktrittserklärung (§ 349 BGB) der M lag vor, da diese durch B, den Geschäftsführer der Komple-mentär-GmbH, wirksam vertreten wurde, vgl. §§ 161 II, 125 I, 170 HGB i.V.m. § 35 I S. 1 GmbHG. Die Erklärung des Rücktritts erfolgte (zumindest auch) gegenüber L.

II. Vorliegen eines Kaufvertrags zwischen F und L, § 433 BGB

Zwischen F (vertreten durch den Vorstand, § 78 AktG) und L (vertreten durch die Gesellschafter, § 125 I HGB) wurde ein Vertrag über die Lieferung von Hardware (Server) und der entsprechenden Software geschlossen. Da L aber Standard-Software liefern sollte, liegt hinsichtlich beider Komponenten ein Kauf-vertrag vor (Hardware: § 433 BGB; Software: § 433 BGB bzw. § 453 I BGB). Die Installation der Software und des Servers bei M war lediglich eine Nebenleistungspflicht im Rahmen des Kaufvertrags.

III. Sachmangel bei Gefahrübergang, §§ 434 I S. 2, 446 S. 1 BGB

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Da die Software regelmäßig zu Systemabstürzen führte, eignete sich diese nicht für die vertraglich vor-ausgesetzte bzw. gewöhnliche Verwendung. Damit lag gem. § 434 I S. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 BGB ein Mangel vor, der bereits bei Übergabe und damit bei Gefahrübergang vorhanden war.

IV. Entbehrlichkeit der Fristsetzung gem. § 440 S. 1 Var. 2, S. 2 BGB

Die grundsätzlich vor Erklärung des Rücktritts erforderliche Fristsetzung zur Nacherfüllung (§ 323 I BGB) war vorliegend entbehrlich, da bereits mehrere Nachbesserungsversuche fehlgeschlagen waren, vgl. § 440 S. 1 Var. 2 BGB i.V.m. § 440 S. 2 BGB.

V. Kein Ausschluss des Rücktrittsrechts gem. § 377 II HGB

Das Rücktrittsrecht könnte jedoch wegen unterlassener Rüge gem. § 377 I, II HGB ausgeschlossen sein, da für alle Beteiligten ein beiderseitiges Handelsgeschäft vorlag (§§ 343, 344 HGB i.V.m. § 3 I AktG, § 6 I HGB für F bzw. § 6 I HGB für L) und beim Finanzierungsleasing im Falle einer Direktlieferung vom Ver-käufer an den Leasingnehmer diesen – ähnlich wie beim Streckengeschäft – die Rüge- und Untersu-chungsobliegenheit trifft.

Eine unverzügliche Rüge seitens M lag aber trotz des postalisch bedingten verspäteten Eintreffens der Mängelrüge bei L vor, da gem. § 377 IV HGB zur Erhaltung der Rechte die rechtzeitige Absendung der Rüge durch M genügt.

VI. Kein Ausschluss des Rücktrittsrechts aufgrund der Verkäufer-AGB

Ein Rücktrittsrecht könnte aber deswegen entfallen, weil die L in ihren AGB sämtliche Mängelansprüche der F ausgeschlossen hat.

1. Die AGB wurden auch ohne Beifügung Vertragsbestandteil, da bei einer Verwendung von AGB gegen-über einem Unternehmer (§ 14 BGB) die Vorschrift des § 305 II BGB keine Anwendung findet, vgl. § 310 I S. 1 BGB.

2. Die Klausel der L ist nicht gem. § 309 Nr. 8b) aa) BGB unwirksam, weil diese Vorschrift gem. § 310 I S. 1 BGB gegenüber einem Unternehmer keine Anwendung findet, vgl. § 310 I S. 1 BGB.

3. Der komplette Ausschluss der Mängelrechte beim Verkauf einer neuen Sache ist aber aufgrund der Indizwirkung des § 309 Nr. 8b) aa) BGB gem. § 307 BGB als unangemessene Benachteiligung anzuse-hen und damit unwirksam, vgl. § 310 I S. 2 HS 1 BGB.

Eine vollständige Freizeichnung von der Mängelhaftung bei neuen Sachen ist ein Verstoß gegen die Kar-dinalpflichten des Kaufrechts, die ist mit den gesetzlichen Grundgedanken nicht vereinbar ist und auch nicht durch im Handelsverkehr geltende Gewohnheiten und Gepflogenheiten gerechtfertigt werden kann, vgl. § 310 I S. 2 HS 2 BGB.

VII. Kein Ausschluss des Rücktrittsrechts gem. § 323 V S. 1 und/oder S. 2 BGB

Problematisch war im vorliegenden Fall die Tatsache, dass ein Gesamtpaket (Hardware und Software) verkauft wurde und lediglich ein Teil (Software) mangelhaft war. Der Rücktritt vom ganzen Vertrag könnte daher gem. § 323 V S. 1 BGB davon abhängig sein, dass M kein Interesse mehr an der Teilleistung hat bzw. dass die Pflichtverletzung nicht unerheblich war, § 323 V S. 2 BGB. Bei einer Teilleistung kommt § 323 V S. 1 BGB zur Anwendung (Interessenfortfall als Voraussetzung des Rücktritts vom ganzen Ver-trag), bei einer Schlechtleistung ist hingegen § 323 V S. 2 BGB (Unerheblichkeit der Pflichtverletzung als Einwendung gegen den Rücktritt vom ganzen Vertrag) einschlägig.

Wegen der strengeren Voraussetzungen des § 323 V S. 1 BGB und der unterschiedlichen Beweislast kommt es auf das Verhältnis dieser beiden Vorschriften zueinander an. Am überzeugendsten dürfte es sein, bei einer teilweise mangelhaften Leistung eines Gesamtpakets beide Normen heranzuziehen.

Letztlich bedarf diese umstrittene Frage aber im Ergebnis dann keiner Entscheidung, wenn der Rücktritt vom ganzen Vertrag an keiner dieser Vorschriften scheitert. Da der Server täglich mehrfach abstürzt und damit kaum zu gebrauchen ist, liegt keine unerhebliche Pflichtverletzung vor, § 323 V S. 2 BGB. Außer-dem hat M kein Interesse, den Server zu behalten und sich lediglich die Software neu zu beschaffen, da laut Sachverhalt die Einzelkomponenten deutlich teurer sind als das Gesamtpaket. M hat daher kein Inte-resse daran, sich die Software teuer zu beschaffen, sondern im Gegenteil ein berechtigtes Interesse dar-an, sich komplett ein anderes Gesamtpaket zu beschaffen. Der für § 323 V S. 1 BGB erforderliche Inte-ressenfortfall lässt sich daher auch bejahen.

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Hinweis: Dieses Problem war knifflig. Andererseits muss die Angabe im Sachverhalt, dass der Paketpreis günstiger war als der Erwerb der Einzelkomponenten, in der Lösung irgendwo auftauchen („Echoprinzip“). Vertretbar erscheint es auch, mit dem Rechtsgedanken des § 139 BGB zu argumentieren. Entscheidend ist lediglich, dass man das aufgeworfene Problem erkennt.

C) Ergebnis zu Frage 1:

M kann aufgrund des wirksam erklärten Rücktritts aus abgetretenem Recht die Rückzahlung des Kauf-preises an die F verlangen, §§ 346 I, 398 S. 2 BGB.

Frage 2a: Kann die F von M die Zahlung der noch nicht beglichenen Leasingraten für die Monate Juni bis September 2013 verlangen?

I. Anspruch aus § 535 II BGB (analog)

Der im Gesetz nicht geregelte Finanzierungsleasingvertrag ist ein entgeltlicher Gebrauchsüberlassungs-vertrag und damit ein atypischer Mietvertrag. Die Vorschriften des Mietrechts werden auf den Leasingver-trag daher zumindest analog angewendet, sodass ein Anspruch auf Bezahlung der Leasingraten gem. § 535 II BGB durch den wirksamen Vertragsschluss zwischen M und F zunächst entstanden ist.

II. Erlöschen des Anspruchs aufgrund Minderung gem. § 536 I S. 1 BGB (analog)

1. Aufgrund der mangelhaften Software könnte der Anspruch auf Zahlung der Leasingrate ipso iure ge-mindert sein, sodass in Höhe der Minderung der Anspruch erloschen ist (Einwendung).

2. Allerdings wurde in den wirksam in den Vertrag einbezogenen AGB der F geregelt, dass dem Leasing-nehmer M wegen etwaiger Mängel des Leasingguts keine Rechte gegen die F zustehen.

Fraglich ist, ob dieser Gewährleistungsausschluss wirksam war.

a) Eine Unwirksamkeit gem. § 309 Nr. 8b) aa) BGB kommt nicht in Betracht, da M Unternehmer war, § 310 I S. 1 BGB.

b) Eine Unwirksamkeit gem. § 307 BGB wegen der Indizwirkung des § 309 Nr. 8b) aa) BGB (vgl. § 310 I S. 2 BGB) kommt auch nicht in Betracht, da § 309 Nr. 8b aa) BGB nicht auf Gebrauchsüberlassungsver-träge anwendbar ist, sondern nur auf Verträge über die Lieferung von Sachen (§§ 433, 651 BGB) und über Werkleistungen (§ 631 BGB).

c) Da der M stattdessen die kaufrechtlichen Mängelrechte abgetreten wurden und der Ausschluss der kaufrechtlichen Mängelrechte seinerseits unwirksam war (siehe Frage 1), lag auch keine Rechtlosstellung vor, § 307 I, II BGB.

d) Zu beachten ist aber, dass zu den Mängelrechten auch der Anspruch auf Schadensersatz gem. § 536a BGB (analog) gehört und ein pauschaler Ausschluss von Schadensersatzansprüchen nicht der Klausel des § 309 Nr. 7 BGB standhält. Aufgrund der Indizwirkung für § 307 BGB (vgl. § 310 I S. 2 BGB) könnte daher der Ausschluss der Mängelrechte unwirksam gewesen sein.

Hierfür spricht, dass Zweifel bei der Auslegung von AGB gem. § 305c II BGB zu Lasten des Verwenders gehen. Sollte die Klausel so zu verstehen sein, dass sie auch Schadensersatzansprüche ausschließt, wäre sie gem. §§ 307 I, 310 I S. 2, 309 Nr. 7 BGB unwirksam (sog. kundenfeindlichste Auslegung). Nach Ansicht des BGH und der h.L. hätte F ausdrücklich Ansprüche auf Schadensersatz vom Ausschluss der Mängelrechte ausklammern müssen bzw. die Klausel so formulieren müssen, dass sie der Vorschrift des § 309 Nr. 7 BGB standhält.

Zwischenergebnis: Damit war der Ausschluss der mietrechtlichen Gewährleistungsrechte insgesamt un-wirksam, sodass der Anspruch auf Zahlung der Leasingraten ipso iure gemindert war.

Hinweis: Eine andere Ansicht ist hier natürlich genauso gut vertretbar, insbesondere mit dem Hinweis darauf, dass die AGB gegenüber einem Unternehmer verwendet wurden. Da sich die Frage, ob der Aus-schluss der Gewährleistungsansprüche der M gegen F wirksam war, auf die weitere Lösung auswirkt, haben wir im Examensreport beide Lösungswege dargestellt. Im Examen sollten Sie dies nicht machen, da Sie kein Alternativgutachten anfertigen dürfen.

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III. Erlöschen aufgrund außerordentlicher Kündigung gem. § 543 I, II S. 1 Nr. 1 BGB (analog)

1. Wer der Ansicht war, dass der Gewährleistungsausschluss wirksam war, der musste diesen Aus-schluss auch auf das außerordentliche Kündigungsrecht gem. § 543 I, II S. 1 Nr. 1 BGB (analog) erstre-cken, da es sich hierbei ebenfalls um ein Mängelrecht im weitesten Sinne handelt. Anderenfalls würde der Ausschluss der Mängelrechte seinen Sinn verlieren.

2. Wer hingegen – wie hier vertreten – der Meinung war, dass der Gewährleistungsausschluss unwirksam war, musste das außerordentliche Kündigungsrecht wegen Nichtgewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs (§ 543 II S. 1 Nr. 1 BGB) bejahen.

IV. Erlöschen des Anspruchs wegen Störung der Geschäftsgrundlage (GG), § 313 BGB

1. Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Voraussetzungen der Störung der GG für den Finanzierungsleasingvertrag gegeben sind, wenn aufgrund der abgetretenen oder kraft Ermächti-gung ausgeübten kaufrechtlichen Mängelrechte der Kaufvertrag mit dem Hersteller/Lieferanten in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wurde.

Der Leasingnehmer kann die Störung der GG aber nicht schon mit der einseitigen Erklärung des Rück-tritts vom Kaufvertrag herbeiführen, sondern erst dann, wenn der Rücktritt vom Lieferanten anerkannt wurde oder der Lieferant rechtskräftig verurteilt wurde und der Leasinggeber an die gerichtliche Entschei-dung gebunden ist.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt, da nach dem Bearbeitervermerk zu unterstellen war, dass L rechtskräftig verurteilt wurde, den Kaufpreis an die F zurückzuzahlen.

2. Die Rechtsfolgen der Störung der GG ergeben sich aus § 313 I, III BGB. Danach kann der Schuldner unter den Voraussetzungen des § 313 I BGB Vertragsanpassung verlangen. Diese macht aber nur dann Sinn, wenn der Leasingnehmer gegenüber dem Verkäufer die Minderung erklärt hätte. Da aber eine Ver-tragsanpassung ohne Leasingsache nicht möglich ist, kann der Leasingnehmer nach § 313 III S. 1 BGB zurücktreten oder nach § 313 III S. 2 BGB den Finanzierungsleasingvertrag kündigen (vgl. dazu auch Frage 2b).

Frage 2b: Kann M von F die bereits gezahlten Leasingraten zurückverlangen?

1. Wer - wie hier vertreten – der Meinung war, dass der Gewährleistungsausschluss unwirksam war, musste zunächst einen Anspruch aus § 812 I S. 1 Alt. 1 BGB prüfen.

F hat die Gutschrift der Leasingraten in Höhe der kraft Gesetzes eingetretenen Minderung (vgl. nochmals § 536 I S. 1 BGB) ohne Rechtsgrund durch Leistung der M erhalten.

2. Wer der Ansicht war, dass der Gewährleistungsausschluss wirksam war, der konnte unter Hinweis auf den Ausschluss der Mängelrechte den Anspruch aus § 812 I S. 1 Alt. 1 BGB kurz ansprechen bzw. gar nicht mehr erwähnen.

In diesem Fall musste man die umstrittene Frage klären, ob der Leasingnehmer nach § 313 III S. 1 BGB zurücktreten oder nach § 313 III S. 2 BGB den Finanzierungsleasingvertrag lediglich kündigen kann. Nach h.M. hat sich durch die Schuldrechtsreform nichts am Bedürfnis geändert, dass der Leasingnehmer vom Finanzierungsleasingvertrag zurücktreten können muss. Dies entspricht der beim Leasing allgemein anerkannten Abtretungskonstruktion, die dem Leasingnehmer quasi die Stellung eines Käufers einräumt und daher die auf „typische“ Dauerschuldverhältnisse zugeschnittene Kündigung nicht passt.

hemmer-Trainingsplan-Info: Auch hier ein Volltreffer!!! Die Klausur war sehr anspruchsvoll und vom Aufbau nicht leicht in den Griff zu kriegen. Zum Glück für unsere Kursteilnehmer hatten wir diese Konstel-lation nahezu identisch in unserem Hauptkurs SchuldR-BT in Fall 11, Frage 2. Man musste sich hier kurz fassen, wenn man die Klausur in fünf Stunden bewältigen wollte, da eine Menge an Problemen zu bear-beiten waren. Das Ergebnis spielt in dieser Klausur keine Rolle. Entscheidend ist eine stringente Argu-mentation.

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hemmer! Life&Law 11/2013 849

Klausur Nr. 3:

Problemstellung: Erbrecht; Vermächtnis; Drittschadensliquidation; Vollstreckungsabwehrklage; gesetzliche Prozessstandschaft gem. § 2039 BGB; Abgrenzung zu § 2040 BGB

Sachverhalt: Der in München wohnende E bittet Rechtsanwältin R in zwei Sachverhalten um Rat:

Teil 1: Am 07.07.2013 verstarb W, der Onkel des E, im Alter von 89 Jahren. Das Gesamtvermögen des W belief sich im Zeitpunkt seines Todes auf acht Millionen Euro. W hat ein handschriftliches und eigenhändig unterschriebenes Testament hinterlassen, das wie folgt lautet:

Mein letzter Wille! Im Vollbesitz meiner geistigen und körperlichen Kräfte bestimme ich für den Fall meines Todes Folgendes: Meine Motoryacht auf der Donau erbt mein Neffe E, mit dem ich bei gemeinsamen Bootsausflügen immer sehr viel Freude hatte. Mein restliches Vermögen vermache ich meiner lieben Ehefrau M. Sie war mir in all den Jahren unserer langen Ehe immer die größte Stütze. 11. Januar 07 Werner Weber

Am 08.08.2013 begab sich S in der Nacht unbefugt auf die im Testament erwähnte Motoryacht, um dort auf dem Oberdeck eine Zigarette zu rauchen. Da er die Zigarette danach nicht richtig ausdrückte und den noch leicht glühenden Zigarettenstummel aus Unachtsamkeit auf der holzvertäfelten Motoryacht zurück-ließ, fing diese Feuer und brannte binnen kürzester Zeit vollständig ab.

S gibt das Geschehene zwar zu, weigert sich aber, dem E den Zeitwert der nicht versicherten Yacht (300.000,- €) zu ersetzen. Unter anderem behauptet er, E hätte schon allein deswegen keine Rechte, weil ein Testament ohne Ortsangabe unwirksam sei. Auch M, die Witwe des W, weigert sich, dem E für die zerstörte Yacht etwas zu bezahlen, weil sie der Ansicht ist, mit dem Brand nichts zu tun haben.

Teil 2: E und dessen Schwester P haben ihren Vater V, der am 12.10.12 verstorben ist, zu je 1/2 beerbt. Der Nachlass, in dem sich unter anderem ein Reihenhaus in München befindet, ist bislang noch nicht auseinandergesetzt.

Das Reihenhaus wurde durch B renoviert. Für den fälligen Werklohnanspruch des B i.H.v. 20.000,- € hatte sich V gegenüber B am 07.02.2012 vor einem Notar der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterworfen. B, dessen Wohnsitz und Bauunternehmen sich in Augsburg befinden, betreibt seit zwei Wochen aus dieser Urkunde die Zwangsvollstreckung in den Nachlass des V. Eine ordnungsgemäße vollstreckbare Ausfertigung gegen E und P wurde dem B zuvor erteilt.

P und E sind der Auffassung, dass die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde unzulässig sei, da sie am 01.02.2013 gegenüber B die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch i.H.v. 23.500,- € erklärt haben, der aufgrund einer von B verschuldeten Beschädigung der Wasserleitung am Reihenhaus entstanden ist.

Da P wegen einer Weltreise nicht zu Hause in Wiesbaden ist, möchte E allein und nur in seinem Namen die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 07.02.2012 gerichtlich für unzulässig erklären lassen.

E würde das Verfahren gerne in München führen, befürchtet aber, eine Klage sei ohne seine Schwester nicht zulässig. Außerdem könnte die Rechtskraft der Urkunde einer Klage entgegenstehen.

Frage 1: Bestehen Ansprüche des E gegen S und M?

Frage 2: Wäre die Klage, wie E sie beabsichtigt, zulässig und welches Gericht wäre zuständig?

Skizzierung der inhaltlichen Probleme:

Frage 1: Bestehen Ansprüche des E gegen S und M?

A) Ansprüche des E gegen S

I. Anspruch aus § 823 I BGB bzw. § 823 II BGB

Da für vertragliche Ansprüche keinerlei Anhaltspunkte bestehen, könnte E allenfalls aus Delikt von S Schadensersatz verlangen, wenn der Tatbestand des § 823 I BGB verwirklicht wäre.

1. Rechtsgutverletzung?

a) Eigentum des E an der Yacht?

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hemmer! Life&Law 11/2013 850

Da W der ursprüngliche Eigentümer der Yacht war, läge eine Eigentumsverletzung des E nur dann vor, wenn er im Wege der Universalsukzession gem. § 1922 BGB (zumindest Mit-)Erbe nach E geworden wäre.

aa) Wirksames Testament, §§ 1937, 2247 BGB

W hat ein handschriftlich ge- und unterschriebenes Testament gem. § 2247 I BGB errichtet. Die fehlende Ortsangabe (Sollangabe nach § 2247 II BGB) steht der Wirksamkeit nicht entgegen, da sich hieraus keine Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments ergeben, § 2247 V S. 1 u. 2 BGB.

bb) Inhalt des Testaments

Nach dem Wortlaut des Testaments sollte E die Yacht „erben“. Gegen eine dingliche Beteiligung am Nachlass (§ 1922 BGB) spricht jedoch der erkennbar gewordene Wille des W, der gem. § 133 BGB dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks vorgeht. Motiv für die Zuwendung der Yacht waren gelegentliche Bootsausflüge mit E. Seine Ehefrau hingegen war in allen Ehejahren die größte Stütze.

Außerdem beträgt der Wert des Nachlasses acht Millionen Euro, sodass der Wert der Yacht (300.000,- €) im Vergleich hierzu minimal (3,75 %) ist.

Die Auslegung ergibt daher, dass E Vermächtnisnehmer sein und damit lediglich eine schuldrechtliche Beteiligung am Nachlass erhalten sollte.

Dieses Auslegungsergebnis wird durch die gegenüber § 133 BGB subsidiäre Auslegungsregel des § 2087 I, II BGB (lediglich) bestätigt.

b) Auch keine Verletzung eines sonstigen Rechts des E

aa) E war zur Zeit der Beschädigung der Yacht noch nicht deren berechtigter Besitzer.

bb) Der schuldrechtliche Anspruch des E gegen M auf Übereignung der Yacht gem. §§ 2174, 2147 BGB ist kein von § 823 I BGB geschütztes sonstiges Recht. Forderungen verpflichten nur eine bestimmte Per-son (hier die M) und stellen somit relative und keine absoluten Rechte dar.

2. Keine Schutzgesetzverletzung?

Eine Verletzung des drittschützenden Straftatbestandes der fahrlässigen in Brandsetzung eines Wasser-fahrzeugs gem. §§ 306d, 306 I Nr. 4 StGB scheitert daran, dass E als Vermächtnisnehmer nicht Eigentü-mer der Yacht war.

Ergebnis: Ein Anspruch auf Schadensersatz gegen S besteht nicht.

B) Ansprüche des E gegen M

I. Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung, §§ 280 I, III, 283 BGB i.V.m. §§ 2174, 2147 BGB

E steht aufgrund des Vermächtnisses ein schuldrechtlicher Anspruch aus §§ 2174, 2147 BGB auf Über-eignung der Yacht zu (Schuldverhältnis). Die Erfüllung dieses Anspruchs ist der M durch die Zerstörung infolge des Brandes nachträglich unmöglich geworden, § 275 I BGB. M kann sich aber gem. § 280 I S. 2 BGB exkulpieren, da ihr das schuldhafte Verhalten des S nicht zugerechnet werden kann.

Ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung entfällt daher.

II. Mangels Rechtsgutverletzung des E (s.o.) entfallen auch deliktische Ansprüche.

III. Anspruch auf Abtretung etwaiger Ansprüche der M gegen S gem. § 285 I BGB

1. Ansprüche der M gegen S

a) Ansprüche aus §§ 989, 990 BGB entfallen, da S nicht Besitzer der Yacht war.

b) Mangels Vorliegens eines EBV kommen daher deliktische Ansprüche aus § 823 I BGB wegen schuld-hafter Eigentumsverletzung und aus § 823 II BGB, §§ 306d, 306 I Nr. 4 StGB wegen fahrlässiger Brand-stiftung in Betracht. Allerdings hat die M hierdurch keinen Schaden erlitten. M war ohnehin verpflichtet, die Yacht an E zu übereignen, sodass die Yacht für M wirtschaftlich „verloren“ war. Durch den Brand ist M von ihrer Übereignungspflicht an E befreit worden, ohne diesem dafür Schadensersatz leisten zu müssen (s.o).

2. Ansprüche der M gegen S nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation

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hemmer! Life&Law 11/2013 851

In Betracht kommt aber, dass der Schaden des E nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation zum Anspruch der M „gezogen“ wird und M den nach diesen Grundsätzen wertungsmäßig zu bejahenden sog. „normativen“ Schadensersatzanspruch dann an E abtreten muss.

Hierzu müssten die Voraussetzungen der Drittschadensliquidation vorliegen.

a) E hat bei wirtschaftlicher Betrachtung einen Schaden (Verlust des Übereignungsanspruches der Yacht gem. §§ 2174, 275 I BGB), aber deswegen weder einen Anspruch gegen S noch gegen M.

b) M hat hingegen einen Anspruch gegen S aus § 823 I, II BGB, aber keinen Schaden.

c) Aus Sicht des S ist das Auseinanderfallen von Schaden und Anspruchsgrundlage ein ungerechtfertig-tes „Geschenk des Himmels“, sodass auch die Voraussetzung der „zufälligen Schadensverlagerung“ zu bejahen ist.

3. Rechtsfolge:

M muss nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation i.V.m. § 285 I BGB ihre Ersatzansprüche gegen S an E abtreten bzw. etwaige von S erhaltene Schadensersatzzahlungen an E herausgeben.

Frage 2: Wäre die Klage, wie E sie beabsichtigt, zulässig und welches Gericht wäre zuständig?

Zu prüfen ist, ob E allein ohne seine Schwester P in München die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde gerichtlich für unzulässig erklären lassen kann.

A) Zulässigkeit der Klage

I. Statthafte Klageart: Vollstreckungsabwehrklage, §§ 795 I, 767 I ZPO

E möchte sich als Vollstreckungsschuldner gegen die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde - einem Vollstreckungstitel i.S.d. § 794 I Nr. 5 ZPO - mit dem Einwand wehren, dass der beurkundete An-spruch des B infolge der erklärten Aufrechnung gem. § 389 BGB erloschen ist. E möchte also eine Ein-wendung gegen den titulierten Anspruch selbst geltend machen. Statthaft hier ist die Vollstreckungsab-wehrklage gem. § 767 I ZPO, die gem. § 795 S. 1 ZPO nicht nur gegen die Zwangsvollstreckung aus Ur-teilen, sondern auch gegen die Zwangsvollstreckung aus den in § 794 ZPO genannten Titeln statthaft ist.

Hinweis: Möglich wäre es gewesen, an dieser Stelle die Vollstreckungsabwehrklage von der Drittwider-spruchsklage (§ 771 ZPO) und der Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) abzugrenzen. Geht es nicht um materiell-rechtliche, sondern um formelle Einwendungen, ist die Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO statthaft. Klagt nicht der Schuldner, sondern ein Dritter, kommt die Drittwiderspruchsklage in Be-tracht, § 771 ZPO. Die Klage auf vorzugsweise Befriedigung (§ 805 ZPO) ist nicht auf Einstellung der Zwangsvollstreckung gerichtet, sodass ein Eingehen hierauf überflüssig war.

II. Rechtsschutzbedürfnis

Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, sobald und solange ein Titel vorliegt, der zur Zwangsvollstreckung geeignet ist. Da B hier sogar schon die Zwangsvollstreckung betreibt, ist das Rechtsschutzbedürfnis auf jeden Fall zu bejahen.

III. Keine entgegenstehende Rechtskraft

Die Befürchtung des E, dass die „Rechtskraft der Urkunde“ einer Klage entgegenstehen könnte, erweist sich als unberechtigt. Zum einen kann eine notarielle Urkunde schon gar nicht in Rechtskraft erwachsen, da nur richterliche Entscheidungen der Rechtskraft fähig sind, vgl. § 322 ZPO.

Im Übrigen ist es gerade das Ziel der Vollstreckungsabwehrklage, nachträgliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch geltend zu machen. Der Schutz der Rechtskraft von Entscheidungen wird bei der Vollstreckungsabwehrklage über die Vorschrift des § 767 II ZPO sichergestellt, wonach Einwendungen, die im gerichtlichen Verfahren hätten geltend gemacht werden können, im Rahmen der Vollstreckungs-abwehrklage präkludiert sind.

Diese Vorschrift findet auf eine nicht in Rechtskraft erwachsende Urkunde zum einen aber schon gar kei-ne Anwendung (vgl. § 797 IV ZPO), zum anderen wäre die Präklusion nach § 767 II ZPO auch keine Fra-ge der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Vollstreckungsabwehrklage.

IV. Prozessführungsbefugnis aufgrund gesetzlicher Prozessstandschaft nach § 2039 S. 1 BGB?

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Problematisch ist allerdings, dass die von E geltend gemachte Einwendung nicht ihm selbst, sondern der Erbengemeinschaft E und P zusteht. E macht daher (teilweise) ein fremdes Recht in eigenem Namen geltend, handelt also als Prozessstandschafter. Hier könnte § 2039 S. 1 BGB einschlägig sein, der jeden Miterben berechtigt, in gesetzlicher Prozessstandschaft für die Erbengemeinschaft zum Nachlass gehö-rende Ansprüche ohne deren Mitwirkung auch klageweise geltend zu machen.

a) Allerdings macht E keine Forderungen der Erbengemeinschaft geltend. Er verteidigt die Erbengemein-schaft vielmehr mittels einer Vollstreckungsabwehrklage gegen die Inanspruchnahme seitens B. Aus die-sem Grund kann man an der Anwendbarkeit des § 2039 S. 1 BGB zweifeln. Konsequenz wäre, dass es zumindest eines Mehrheitsbeschlusses der Miterben nach §§ 2038 I S. 2, II, 745 I BGB bräuchte. Da die Vollstreckungsabwehrklage eine prozessuale Gestaltungsklage ist, ist sogar die Anwendbarkeit des § 2040 BGB in Betracht zu ziehen, sodass ein gemeinschaftliches Vorgehen aller Miterben erforderlich sein könnte, da die Ausübung eines Gestaltungsrechts eine Verfügung darstellt.

Hinweis: Bei lediglich zwei Miterben besteht faktisch hier dann kein Unterschied.

b) § 2040 BGB gilt aber nur für rechtsgeschäftliche Verfügungen. Bei der Vollstreckungsgegenklage hat aber nur das richterliche Urteil Gestaltungswirkung. Die bloße Einkleidung der Vollstreckungsgegenklage als Rechtsgestaltungsklage ändert dagegen nichts daran, dass die Klage nur das Mittel ist, den vom Klä-ger behaupteten (materiellen) Anspruch durchzusetzen.

§ 2039 BGB ist damit auch für die Verteidigung mittels einer Vollstreckungsabwehrklage einschlägig, so-fern sich ein Erbe mit einer – wie hier – zum Nachlass gehörenden Forderung verteidigt.

Ergebnis: Die Vollstreckungsabwehrklage ist damit zulässig.

B) Zuständigkeit des Gerichts

1. Bei einer vollstreckbaren Urkunde ergibt sich die örtliche Zuständigkeit aus §§ 797 V, 802 ZPO. Aus-schließlich zuständig ist demzufolge das Gericht, bei dem Schuldner E seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, §§ 12, 13 ZPO i.V.m. § 7 BGB, vorliegend also München.

2. Die sachliche Zuständigkeit ist in § 797 V ZPO nicht geregelt, sodass auf die streitwertabhängige Zu-ständigkeit nach § 1 ZPO, §§ 23 Nr. 1, 71 I GVG zurückzugreifen ist. Der Streitwert bestimmt sich nach § 6 ZPO und liegt damit bei 20.000,- €, sodass das Landgericht sachlich zuständig ist.

3. Aus Art. 4 Nr. 14 BayGerOrgG ergibt sich damit die Zuständigkeit des LG München I.

hemmer-Trainingsplan-Info: Auch diese Klausur war für unsere Kursteilnehmer ein dankbarer Fall. Der „Urfall“ der Drittschadensliquidation wird in der Einführung unseres Erbrechtskurses besprochen. Weitere Fälle zur Drittschadensliquidation werden in den Fällen 4 und 6, SchuldR-AT besprochen. Die Formwirk-samkeit des Testaments wird in Fall 2, ErbR behandelt. Dass aus einem Vermächtnis nur schuldrechtli-che Ansprüche folgen und keine dinglichen Rechte, wird eingehend in den Fällen 1 und 2, ErbR erläutert. Der anspruchsvolle prozessuale Teil ist einem Urteil des BGH nachgebildet, welches in der Li-fe & Law 10/2006, 675 ff. = FamRZ 2006, 941 ff. besprochen wurde.

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hemmer! Life&Law 11/2013 853

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Examensreport Bayern, Termin 2013/2

B) Strafrecht: Allgemeines / Auffälligkeiten / Trends:

Wie schon im letzten Termin gut machbar im Umfang Schwerpunkte gemischt aus AT und BT

Klausur Nr. 4: Problemstellungen: Diebstahl, §§ 242 I, 244 I StGB; Hausfriedensbruch, § 123 StGB; versuchter Mord in Mittäterschaft, §§ 212 I, 211 II, 22, 23 I, 25 II StGB; Rücktritt, § 24 II StGB; gefährliche Kör-perverletzung (in Mittäterschaft), §§ 223 I, 224 I, (25 II) StGB; Notwehr, § 32 StGB; Belehrungs-pflicht eines Sachverständigen bzgl. „Zusatztatsachen“; Beweisverwertungsverbot

Teil I: A und B langweilen sich und beschließen eines Morgens, sich einen „Adrenalin-Kick“ dadurch zu verschaffen, dass sie einen Menschen möglichst lautlos und ohne Aufsehen zu erregen töten. Ihre Wahl fällt zufällig auf ihren allein lebenden gemeinsamen Bekannten C, ohne dass es hierfür einen besonderen Grund gibt. Jeder von ihnen steckt sich ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 25 cm, das jeweils zur Tötung des C eingesetzt werden soll, in die Jackeninnentasche. Danach begeben sich A und B zu dem Mehrparteienhaus, in dem C wohnt. Nachdem sie dort angekommen sind, betätigt A die Klingel an der Haustüre, während B etwas abseits einen auf seinem Handy eingehenden Anruf beantwortet. Als nicht geöffnet wird, geht A (zutreffend) davon aus, dass C wie so oft zu Hause, aber zu faul ist, aufzustehen, durch das Treppenhaus zu gehen und die über Nacht stets verschlossene Haustüre zu öffnen. A ist be-kannt, dass der Hausbewohner H häufig vergisst, am Abend nach dem Abschließen der Haustüre den Schlüssel abzuziehen. Daher drückt A ein nur angelehntes Fenster neben der Haustüre auf und greift mit seinem ganzen Arm durch die Fensteröffnung. So kann er den innen im Schloss steckenden Schlüssel, den der Hausbewohner H dort tatsächlich vergessen hat, ergreifen, herausziehen und mit Hilfe des Schlüs-sels die Haustüre von außen öffnen. Den Schlüssel zieht A danach ab und steckt ihn in die Hosentasche. Er beabsichtigt von Anfang an, den Schlüssel zunächst zu behalten und im Laufe des Tages wegzuwerfen, um den Eigentümer des Schlüssels zu ärgern. B bekommt von alldem nichts mit und geht davon aus, dass C die Türe mittels des elektronischen Türöffners geöffnet hat. Nachdem B das Telefonat beendet hat, be-treten A und B das Haus, gehen durch das Treppenhaus zur Wohnungstüre des C und klopfen dort an.

A und B werden von C, der mit einem Jogginganzug bekleidet ist, in die Wohnung gelassen und setzen sich im Wohnzimmer auf das Sofa. C bereitet in der zum Wohnzimmer offenen Küche Kaffee für seine Bekannten zu und bemerkt nicht, womit A und B sich beschäftigen. Nach einem zustimmenden Kopfnicken des B nutzt A die Gelegenheit, schleicht von hinten auf C zu und sticht diesem mit dem bis dahin in der Jackeninnentasche des A verborgenen Messer kraftvoll von der rechten Seite in den Brustkorb. C erleidet hierdurch eine Stichwunde, schafft es aber, mit einem schweren Tonkrug nach A zu schlagen und diesen am Kopf zu treffen, wobei der Krug zerbricht. A zieht sich dadurch eine Wunde an der Stirn zu. Sodann steht B vom Sofa auf und geht dro-hend auf C zu, um diesen nun selbst zu töten. C gelingt es, den B mit einem kräftigen Tritt in den Bauch zu treffen. B stürzt dadurch – wie von C beabsichtigt – gegen ein Metallregal, das scheppernd zusammenfällt, wobei B Schnittwunden am Arm erleidet. C herrscht A und B an, sie sollten sofort aus seiner Wohnung ver-schwinden. Hiervon unbeeindruckt fordert A den B auf: „Du bist dran! Mach ihn endlich fertig!“ B zieht nun sein Messer, das er bis dahin in der Jackeninnentasche verborgen gehalten hat, und macht einen Schritt auf C zu. Als C aber laut zu schreien beginnt, A und B sollten verschwinden, gibt B dem A mittels einer Geste zu verste-hen, dass sie besser gehen sollten. A ist einverstanden und verlässt gemeinsam mit B die Wohnung des C. A und B sind dabei der Ansicht, ihr ursprünglicher Plan, den C möglichst lautlos zu töten, sei wegen der bisheri-gen Lautstärke des gesamten Vorfalls nicht mehr zu verwirklichen, wobei beide jedoch erkennen, dass sie C in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang noch tödliche Stiche hätten zufügen können. Sie haben aber inzwi-schen wegen der „Scherereien“ den Spaß an der Sache verloren. A und B gehen zutreffend davon aus, dass sich C wegen seiner Stichwunde nicht in Lebensgefahr befindet und dass er in der Lage ist, selbstständig ei-nen Arzt aufzusuchen.

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hemmer! Life&Law · 11/2013 854

Teil II: Im Strafverfahren gegen B wird der psychiatrische Gutachter G bestellt, welcher die Schuldfähig-keit des B beurteilen soll. Im Rahmen eines der Gespräche, die zwischen G und B zu diesem Zweck statt-finden, befragt er B auch zum objektiven Ablauf der Tat, ohne ihn zuvor zu belehren. B schildert dem G daraufhin den Tatverlauf. In der Hauptverhandlung berichtet G dem Gericht als Zeuge von diesem „Ges-tändnis“ und gibt dessen Inhalt wieder.

Vermerk für die Bearbeiter:

Zu Teil I: Wie haben sich A, B und C nach dem StGB strafbar gemacht? Eventuell erforderliche Strafan-träge sind gestellt.

Zu Teil II: Darf das Gericht die Aussage des G verwerten, wenn B der Verwertung in der Hauptverhand-lung widerspricht?

Skizzierung der wesentlichen inhaltlichen Probleme:

Zu Teil I: Aus Gründen der Übersichtlichkeit ist nach Handlungsabschnitten zu unterteilen.

1. Handlungsabschnitt (Das Hineingelangen in das Mehrparteienhaus): Zu prüfen ist hier insbesondere die Strafbarkeit des A. In Betracht kommt zunächst ein Diebstahl am Schlüssel. Die Wegnahmehandlung ist jedenfalls dadurch vollendet, dass A den Schlüssel, eine fremde bewegliche Sache, einsteckte und ihn so in eine Gewahrsamsenklave überführte. Des Weiteren müsste A mit Zueignungsabsicht i.S.d. § 242 I StGB ge-handelt haben. Vorsatz bzgl. einer dauerhaften Enteignung ist anzunehmen, da A vorhatte, den Schlüssel wegzuwerfen. Fraglich ist, ob A mit Absicht handelte, sich die Sachsubstanz des Schlüssels – als allein denk-bares Aneignungsobjekt – zumindest vorübergehend anzueignen. Dafür könnte sprechen, dass A den Schlüs-sel erst im Laufe des Tages wegwerfen wollte. Allein dieser zeitliche Aspekt dürfte jedoch nicht genügen, um die Aneignungskomponente zu begründen. Ausreichend sollte hingegen sein, dass A den Schlüssel innen aus dem Schloss zog, um ihn anschließend zur Öffnung der Tür zu benutzen, er sich so als Eigentümer gerierte. Mit dieser Begründung lässt sich die Aneignungskomponente und damit letztlich § 242 I StGB bejahen. Ver-wirklicht sein könnte überdies § 244 I Nr. 1a Alt. 2 StGB, da A ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 25 cm i.S.d. Norm bei sich führte. Sehr strittig ist, wie der Begriff des „gefährlichen Werkzeugs“ in diesem Sinne zu verstehen ist. Teilweise wird allein auf die abstrakte Gefährlichkeit bzw. die objektive „Waffenähnlichkeit“ abgestellt. Andere Stimmen fordern eine hinreichende Konkretisierung des Willens des Täters im Sinne eines „Verwendungsvorbehalts“. Jedenfalls bei einer Klingenlänge von 25 cm kann § 244 I Nr. 1a Alt. 2 StGB mit guten Gründen bejaht werden. Sodann ist § 244 I Nr. 3 StGB zu prüfen. Diskussionswürdig ist bereits, ob das Treppenhaus zur „Wohnung“ in diesem Sinne gehört. Jedenfalls fehlt es aber an einer tauglichen Tathandlung, insbesondere wird kein falscher Schlüssel benutzt, da nicht von einer Entwidmung durch den Inhaber auszu-gehen ist. Schließlich ist § 123 I StGB zu prüfen. Problematisch ist die Tathandlung „Eindringen“ (Alt. 1). Hier ist zu differenzieren zwischen dem Aufdrücken des angelehnten Fensters, dem Hineingreifen sowie dem Hin-eintreten nach dem Öffnen der Tür mit dem Schlüssel. Nur letzteres ist darauf ausgerichtet, den Raum zu Be-treten. Fraglich ist insoweit, ob insoweit ggf. ein Einverständnis in Betracht kommt. Stellt man allein auf C ab, käme dies durchaus in Betracht. Stellt man in einem Mehrparteienhaus hingegen auch auf die übrigen Haus-bewohner ab, dürfte dies zu verneinen sein. Bejaht man vor diesem Hintergrund § 123 I StGB, ist Tateinheit zu § 244 I Nr. 1a Alt. 2 StGB anzunehmen, § 52 StGB.

2. Handlungsabschnitt (Geschehnisse in der Wohnung des C): A und B könnten sich wegen versuchten Mordes an C in Mittäterschaft strafbar gemacht haben, §§ 212 I, 211 II, 22, 23 I Alt. 1, 25 II StGB. Voraus-setzung für eine Mittäterschaft ist, dass beide aufgrund eines gemeinsamen Tatplans handelten und jeder einen objektiven Beitrag hierzu leisten sollte. Aufgrund des anvisierten arbeitsteiligen Vorgehens ist dies zu bejahen. Beide handelten mit Tatentschluss, „heimtückisch“ i.S.d. § 211 II Gr. 2 Var. 1 StGB zu handeln. Dass B selbst erst eingriff, als C sich bereits eines Angriffs versah, schadet indes nicht, da sich C im rele-vanten Zeitpunkt des Versuchsbeginns durch A keines Angriffs versah und A und B in diesen nach der herr-schenden Gesamtlösung gleichzeitig eintreten, bzw. eine wechselseitige Zurechnung nach § 25 I StGB statt-findet. In Betracht kommt zudem bei A und B das Motiv der „Mordlust“, § 211 II Gr. 1 Var. 1 StGB. Für eine Bejahung spricht die Austauschbarkeit des Opfers nach dem Vorstellungsbild von A und B. Fraglich ist hin-gegen, ob es für die Annahme einer Befriedigung aus der Tötungshandlung bzw. dem Tötungserfolg genügt, wenn die Täter sich einen „Adrenalin-Kick“ verschaffen wollen. Jedenfalls ein niedriger Beweggrund i.S.v. § 211 II Gr. 1 Var. 4 StGB ist sicher anzunehmen. A und B haben auch gemeinschaftlich zur Tat angesetzt. Zu problematisieren ist schließlich, ob sie gem. § 24 II S. 1 StGB gemeinschaftlich die Vollendung der Tat freiwillig verhindert haben. Hierfür dürfte kein fehlgeschlagener Versuch vorliegen. Da ein gemeinschaftli-ches, mehraktiges Geschehen vorliegt, ist zu klären, auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist.

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hemmer! Life&Law 11/2013 855

Zu folgen ist hier der Gesamtbetrachtungslehre. Damit ist zu erörtern, ob A und B, nachdem C begonnen hatte zu schreien, noch davon ausgingen, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln in zeit-räumlicher Nähe die Tat vollenden zu können. Dagegen könnte sprechen, dass ihr ursprünglicher Plan, C möglichst lautlos zu töten, nicht mehr zu verwirklichen war. Dieses Motiv allein zeichnet jedoch nicht die Tat i.S.v. § 212 I StGB bzw. § 211 StGB aus. Integraler tatbestandlicher Bestandteil ist zudem jeweils die Tötung eines Menschen. Die Erfüllung dieses tatbestandlichen Erfolges hielten A und B jedoch in unmit-telbar zeitlichem Zusammenhang noch für möglich. Auf dieser Grundlage war ihr Versuch nicht fehlge-schlagen. Da C nicht lebensgefährlich verletzt ist, ist der Versuch unbeendet und die Verzichtsleistung des Beendens der Tatausführung nach § 24 I StGB hinreichend. Überdies ist zu klären, ob A und B beide entsprechend der Lehre vom Rücktrittshorizont die Vollendung der Tat freiwillig verhinderten. An autono-men Motiven könnte deshalb zu zweifeln sein, weil A und B wegen der „Scherereien“ den Spaß an der Sache verloren hatten. Folgt man dem psychologischen Ansatz, könnte die Freiwilligkeit deshalb zu ver-neinen sein. Nach „allgemeiner Verbrechervernunft“ hätten A und B die Tat im strafrechtlichen Sinne je-doch ohne weiteres fortführen können. Auch der Gedanke des Opferschutzes spricht für die Bejahung eines freiwilligen Handelns seitens A und B. Eine „zu honorierende Verzichtsleistung“ ist nach h.M. nicht erforderlich. Es dürfte bei entsprechender Begründung jedoch sowohl die Bejahung als auch die Vernei-nung eines Rücktritts vertretbar sein. Schließlich ist die Strafbarkeit von A und B gem. §§ 223 I, 224 I Nr. 2 Alt. 2, Nrn. 3, 4 und 5, 25 II StGB aufgrund des Messerstiches des A zu prüfen. Fraglich ist, ob dieses Handeln dem B gem. § 25 II StGB zugerechnet werden kann. Aufgrund des Zunickens ist ein gemeinsa-mer Tatplan zu bejahen. Fraglich ist jedoch, ob B hierzu einen tauglichen Tatbeitrag leistete. Da die Kör-perverletzung mit Vollendung auch beendet ist (vgl. BGH, Beschl. v. 08.06.2009 = Life & Law 2010, 31 ff.), scheidet ein sukzessiver Tatbeitrag durch das spätere Zugehen auf C aus. Da sich B auch nicht beim Hineingelangen in das Haus strafbar gemacht hat (s.o.), dürfte eine Zurechnung zu Lasten des B insoweit ausscheiden (a.A. vertretbar). § 224 I Nr. 1 Alt. 2 und Nr. 4 StGB sind erfüllt. Problematisch ist hingegen die Verwirklichung von § 224 I Nr. 3 StGB. Dies setzt voraus, dass der Täter planmäßig seine Verletzungsabsicht verbirgt. Ein bloßes Ausnutzen eines Überraschungsmoments genügt hingegen nicht. Angesichts eines fehlenden konkreten Plans seitens A und B dürfte § 224 I Nr. 3 StGB zu verneinen sein. Bezüglich der Verwirklichung von § 224 I Nr. 5 StGB ist der klassische Streit zu erörtern, ob eine konkrete oder abstrakte Lebensgefahr erforderlich ist. Die besseren Argumente sprechen für letzteres, sodass die-se Variante vorliegend erfüllt ist. Bei der Strafbarkeit des C ist einerseits eine Körperverletzung gem. §§ 223 I, 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB gegenüber A (Schlag mit dem schweren Tonkrug) und andererseits eine Körperverletzung gem. §§ 223, 224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB gegenüber B (Tritt in Bauch, sodass B in Metallre-gal stürzt) zu prüfen. Beide Handlungen sind im Ergebnis jedoch aufgrund von Notwehr gem. § 32 StGB gerechtfertigt, sodass C straflos bleibt.

Zu Teil II: Zu klären ist, ob die Angaben des Gutachters G in der Hauptverhandlung als Zeuge (vgl. § 85 StPO) vom Hörensagen trotz erfolgtem Widerspruch für das Gericht verwertbar sind. Dies wäre dann zu verneinen, wenn ein Beweisverwertungsverbot (im Folgenden: „BVV“) zu bejahen ist. Ein unselbstständi-ges BVV setzt zunächst voraus, dass Verfahrensvorschriften verletzt wurden. Vorliegend könnte dies deshalb anzunehmen sein, weil G im Rahmen seiner Befragung als bestellter Gutachter (Sachverständi-ger) nach dem Ablauf der Tat fragte, ohne zu belehren. Anerkannt ist, dass Sachverständige keine Ver-nehmungsbefugnis i.S.v. § 136 StPO haben, sodass insoweit grundsätzlich eine Belehrungspflicht aus-scheidet. Jedoch könnte eine sinnentsprechende Anwendung erwogen werden, wenn der Sachverständi-ge sog. „Zusatztatsachen“ erhebt. Hierfür spricht, dass der Beschuldigte B aufgrund der amtlichen Bestel-lung des G von einer Aussagepflicht ausgegangen sein könnte. Andererseits handelt es sich bei Gutach-tern gerade nicht um Strafverfolgungsorgane wie die StA oder Polizei. Die besseren Gründe dürften für die Verneinung einer Belehrungspflicht sprechen. Wichtig ist an dieser Stelle (wie häufig) weniger das Ergebnis als eine sachgerechte Argumentation. Wer einen Verfahrensfehler bejaht, hat anschließend umfassend abzuwägen, ob dieser so schwer wiegt, dass dies tatsächlich zu einem unselbstständigen Beweisverwertungsverbot führt. Ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot (kraft Gesetz bzw. Wertung von Art. 1, 2 GG) ist vorliegend nicht ersichtlich.

hemmer-Trainingsplan-Info: Der Fall erweist sich sowohl vom Umfang als auch inhaltlich für unsere Kursteilnehmer als gut machbar. Die zugrunde liegenden AT-Probleme sind mehrfach Gegenstand unse-res Haupt- und Klausurenkurses (etwa Fall 5 des Hauptkurses für § 25 II StGB sowie Fall 2 des Haupt-kurses bezüglich Rücktritt). Auch die zu prüfenden BT-Vorschriften sind regelmäßiger Gegenstand unse-res Kursprogramms. Der StPO-Teil erweist sich als nahezu klassisch: Wie zuletzt sehr häufig ging es wieder um die Frage der Verwertbarkeit eines Beweismittels. Spezielles Wissen für die Lösung des Falles war nicht erforderlich. Gefragt war hier vor allem eigene Argumentation und eine klare Argumentations-struktur. Insgesamt wurde somit eine faire Klausur ohne ein „Abprüfen“ aktueller Rechtsprechung gestellt.

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hemmer! Life&Law · 11/2013 856

C) Öffentliches Recht:

Allgemeines/Auffälligkeiten/Trends:

Schwerpunkt im Allgemeinen Verwaltungsrecht, Sicherheits- und Baurecht wieder kein Europarecht ausnahmsweise kaum Verfassungsrecht

Klausur Nr. 5:

Problemstellung: Die erste öffentlich-rechtliche Klausur hatte ihre Schwerpunkte im Verwaltungsprozess-recht, dem allgemeinen Verwaltungsrecht und dem Sicherheitsrecht.

Sachverhalt: In der Innenstadt der mittelfränkischen kreisfreien Stadt N sind seit über fünf Jahren zur Freude der Tankstellenbetreiber viele „Nachtfeiernde“ dazu übergegangen, nachts und in den frühen Mor-genstunden noch zu in der Nähe des Stadtzentrums gelegenen Tankstellen zu wandern, um dort alkoholi-sche Getränke für ihren Konsum im Freien zu erwerben. Seither kommt es vornehmlich in den frühen Morgenstunden zu Lärmbelästigungen durch angeheiterte Personen. Nach regelmäßigen Beschwerden der Anwohner in den letzten fünf Jahren erlässt die Stadt N am 09.08.2013 nach vorheriger Anhörung Verbotsbescheide an alle Tankstellenbetreiber im Umkreis von 1,5 km zum Stadtzentrum, um die nächtli-chen Lärmbelästigungen zu verhindern. Darin wird den Tankstellenbetreibern täglich in der Zeit von 20:00 Uhr bis 06:00 Uhr der Verkauf von alkoholischen Getränken an andere Personen als Kraftfahrer und deren Mitfahrer untersagt. Insofern liege kein Reisebedarf im Sinne von § 2 II LadSchlG vor. Ferner sei der Ordnungswidrigkeitstatbestand des § 24 LadSchlG erfüllt.

Auch Tankstellenbetreiber P, dessen Tankstelle nur 500 m vom Stadtzentrum entfernt in der Nähe einer gut frequentierten Diskothek liegt, erhielt diesen Bescheid. P eröffnete die Tankstellte vor drei Jahren, nachdem ihm die Stadt N im Jahr 2010 „zusicherte“, auch künftig den Verkauf von kleineren Mengen al-koholischer Getränke keiner Beschränkung zu unterwerfen, sofern die Vorschriften des JuSchG eingehal-ten würden. Ohne diese „Zusicherung“ hätte P die Tankstelle gar nicht eröffnet.

Zur Vermeidung von Kosten versendet die Stadt N die Bescheide lediglich per E-Mail unter Beifügung einer qualifizierten elektronischen Signatur, sofern eine E-Mail-Adresse des jeweiligen Betroffenen wenigstens im Internet auffindbar war. P hat vor zwei Jahren seine private E-Mail-Adresse „[email protected]“ (wird nur 1x/Woche abgerufen) mit der Adresse seiner Tankstelle in einem Online-Tankstellenverzeichnis veröffentlicht. Ihm geht der Verbotsbescheid per E-Mail am 09.08.2013 zu. Darin wird auch ausdrücklich die dem P im Jahre 2010 erteilte „Zusicherung“ aufgehoben und dies begründet: Selbst wenn die Aufhebung der „Zusicherung“ scheitern würde, stehe dies dem Verkaufsverbot nicht entgegen. Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist beigefügt.

Nach aufgekommenen Zweifeln über die Wirksamkeit des Bescheids vom 09.08.2013 erlässt die Stadt N u.a. gegenüber P am 12.08.2013 die Verbotsverfügungen zur Sicherheit nochmals inhaltsgleich in schrift-licher Form und gibt den schriftlichen Bescheid nebst Rechtsbehelfsbelehrung am 12.08.2013 mit einfa-chem Brief zur Post.

P erhebt schriftlich am 16.09.2013 Klage zum VG Ansbach und beantragt „die Aufhebung des Bescheids der Stadt N“. In der Begründung führt er aus, dass das Vorgehen der Stadt N der schriftlichen „Zusiche-rung“ aus dem Jahre 2010 widerspreche. Diese „Zusicherung“ sei bindend und könne nicht einfach auf-gehoben werden, da sie rechtmäßig ergangen sei. Der Verkauf kleiner Mengen alkoholischer Getränke auch zur Nachtzeit an andere Personen als Kraftfahrer und deren Mitfahrer sei nach dem LadSchlG zu-lässig. Auch sei das Verbot willkürlich, zumal weiter außerhalb der „Bannmeile“ gelegene Konkurrenten diese Verkäufe weiterhin ohne eine entsprechende Einschränkung tätigen dürfen.

Hat die Klage des P Aussicht auf Erfolg? Es wird auf §§ 1 bis 3, 6, 8 I, 9 I LadSchlG (Sartorius Nr. 805) hingewiesen. Art. 12 und 14 GG sind nicht zu prüfen.

Skizzierung der inhaltlichen Probleme:

Die Klage hat Aussicht auf Erfolg, wenn sämtliche Sachentscheidungsvoraussetzungen vorliegen und soweit sie begründet ist. Mangels aufdrängender Sonderzuweisung richtet sich die Eröffnung des Verwaltungs-rechtswegs nach § 40 I S. 1 VwGO. Streitentscheidende Normen sind solche des LStVG, sodass eine öf-fentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt (Subordination).

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hemmer! Life&Law 11/2013 857

Es liegt eine nichtverfassungsrechtliche Streitigkeit vor. Auch eine abdrängende Sonderzuweisung ist nicht einschlägig. Eine Abgrenzung von präventiver und repressiver Maßnahme ist beim Handeln von Sicher-heitsbehörden, wie es etwa bei polizeilichen Maßnahmen angezeigt sein kann, verfehlt. Demnach ist der Verwaltungsrechtsweg gem. § 40 I S. 1 VwGO eröffnet.

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem klägerischen Begehren, § 88 VwGO. P möchte die „Aufhebung des Bescheids der Stadt N“ erreichen, der sowohl ein Verkaufsverbot als auch die ausdrückliche Aufhebung der „Zusicherung“ beinhaltet. Das Verbot ist ein VA i.S.d. Art. 35 S. 1 BayVwVfG, sodass insoweit jedenfalls die Anfechtungsklage gem. § 42 I Alt. 1 VwGO statthaft ist. Im Hinblick auf die ausdrückliche Aufhebung der „Zusi-cherung“ ist deren Rechtsnatur zu bestimmen, da die Aufhebung die Rechtsnatur der aufzuhebenden Maß-nahme teilt (actus contrarius). Die Zusicherung nach Art. 38 BayVwVfG ist etwa von der Auskunft gem. Art. 25 I S. 2 BayVwVfG oder einer unverbindlichen Zusage abzugrenzen. Nachdem P die Tankstelle ohne „Zusiche-rung“ nicht eröffnet hätte, ist von einer „echten“ Zusicherung i.S.d. Art. 38 BayVwVfG auszugehen, die schrift-lich erteilt wurde. Ob eine solche Zusicherung einen Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 S. 1 BayVwVfG darstellt, ist aber gerade strittig. Problematisch ist die Regelungswirkung, da die Zusicherung primär eine künftige Rege-lung in Aussicht stellt. Auch Art. 38 II BayVwVfG spricht gegen die Qualifikation als Verwaltungsakt, da ande-renfalls die dort zur Anwendung kommenden Normen ohnehin anwendbar wären. Andererseits begründet die Zusicherung gerade einen Anspruch des Bürgers auf eine bestimmte künftige Regelung und stellt insoweit auch selbst bereits eine Regelung dar, sodass mit der wohl h.M. von einem Verwaltungsakt auszugehen ist. Damit ist die Aufhebung der Zusicherung ebenfalls ein Verwaltungsakt, sodass hiergegen auch die Anfech-tungsklage statthaft ist. Eine andere Ansicht ist in diesem Punkt sicherlich vertretbar, statthaft wäre bei Vernei-nung eines Verwaltungsakts eine allgemeine Feststellungsklage.

Die Klagebefugnis gem. § 42 II VwGO ergibt sich aus § 6 II LadSchlG, da möglicherweise insoweit das Verkaufsrecht des P verletzt sein könnte. Ferner ist P Adressat eines belastenden VA, Art. 2 I GG. Über-dies kann ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gem. Art. 3 I GG nicht von vornherein aus-geschlossen werden. Das Vorverfahren ist nach § 68 I S. 2 VwGO i.V.m. Art. 15 II AGVwGO unstatthaft.

Ein Schwerpunkt der Bearbeitung lag i.R.d. Zulässigkeit auf der Klagefrist der Anfechtungsklage. Nach § 74 I S. 2 VwGO gilt die Monatsfrist ab Bekanntgabe. Fraglich ist, ob auf die E-Mail vom 09.08. oder den schriftli-chen Bescheid vom 12.08. abzustellen ist. Grundsätzlich kann ein VA gem. Art. 37 II S. 1 BayVwVfG auch elektronisch erlassen werden. Von den Anforderungen des Art. 37 III S. 1 BayVwVfG konnte vorliegend aus-gegangen werden. Allerdings gilt es für die elektronische Kommunikation Art. 3a BayVwVfG zu berücksichti-gen. Es ist demnach zu prüfen, ob P der Stadt N den Zugang für den E-Mail-Bescheid eröffnet hat. Dies ist abzulehnen, da es sich um die private E-Mail-Adresse des P handelt (vgl. auch Vorname und Geburtsdatum als E-Mail-Präfix). Auch wurde die E-Mail-Adresse nicht der Behörde zum Zwecke der Kommunikation mitge-teilt (Online-Tankstellenverzeichnis). Wenngleich nach dem Wortlaut des Art. 3a BayVwVfG durchaus von einer Zugangseröffnung ausgegangen werden könnte, ist nach dies nach dem Sinn und Zweck zu verneinen: Der Bürger muss der Behörde unmissverständlich sein Einverständnis mit der elektronischen Kommunikation zu verstehen geben. Dies ist vorliegend nicht erfolgt, sodass am 09.08. keine Bekanntgabe erfolgte und damit die Frist des § 74 I S. 2 VwGO nicht zu laufen begann. Der schriftliche Bescheid gilt gem. Art. 41 II S. 1 BayVwVfG am 15.08. (Mariä Himmelfahrt, Art. 1 I Nr. 2 FTG) als bekanntgegeben. Hier konnte kurz die Frage aufgeworfen werden, ob auf die Fiktion des Art. 41 II S. 1 BayVwVfG § 193 BGB bzw. § 222 II ZPO Anwen-dung findet. Dies ist abzulehnen, da es sich insoweit gerade nicht um ein Fristende und schon gar nicht um eine Frist, sondern eine Fiktion handelt. Nachdem eine Rechtsbehelfsbelehrung (§ 58 I VwGO) vorlag, beginnt die Klagefrist am 16.08. um 00:00 Uhr zu laufen, § 57 II VwGO, § 222 I ZPO, § 187 I BGB. Sie endete am Montag, dem 16.09. um 24:00 Uhr, §§ 187 I, 188 II, 193 BGB, sodass die Klage des P fristgerecht erfolgte. P war gem. §§ 63 Nr. 1, 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO beteiligungsfähig und gem. § 62 I Nr. 1 VwGO i.V.m. §§ 2, 104 ff. BGB prozessfähig. Die Stadt N war gem. §§ 63 Nr. 2, 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO beteiligungsfähig; im Prozess wird sie gem. § 62 III VwGO i.V.m. Art. 38 I GO durch ihren ersten Bürgermeister vertreten. P hat die Klage gem. § 81 I S. 1 VwGO schriftlich ordnungsgemäß erhoben.

Das VG Ansbach ist gem. §§ 45, 52 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 1 II Nr. 4 AGVwGO zuständiges Gericht. Demnach sind beide Klagen zulässig.

Die Anfechtungsklagen sind begründet, wenn sie sich gegen den richtigen Beklagten richten, die angegrif-fenen Verwaltungsakte rechtswidrig sind und P dadurch in seinen Rechten verletzt wird, §§ 78 I Nr. 1, 113 I S. 1 VwGO.

Die kreisfreie Stadt N ist jeweils richtiger Klagegegner gem. § 78 I Nr. 1 VwGO (Rechtsträgerprinzip).

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hemmer! Life&Law · 11/2013 858

Die Zusicherung könnte gem. Art. 38 II, 49 II BayVwVfG widerrufen worden sein. Ein Verstoß gegen § 6 II LadSchlG war abzulehnen, da es sich bei alkoholischen Getränken um Genussmittel und damit Reisebedarf i.S.d. § 2 II LadSchlG handelt. Auch ist der Verkauf in § 6 II LadSchlG nicht an Reisende beschränkt, was sich e contrario aus §§ 8 II, 9 I S. 2 LadSchlG a.E. ergibt. Folglich lag eine rechtmäßige Zusicherung vor. Rechtsgrundlage für die Aufhebung ist somit Art. 49 BayVwVfG. Da aber kein Widerrufsgrund des Art. 49 II BayVwVfG einschlägig ist, ist der Widerruf rechtswidrig. Folglich ist die Anfechtungsklage gegen die Aufhe-bung der Zusicherung begründet, da P als Adressat auch in seinen subjektiven Rechten verletzt ist.

Als Rechtsgrundlage für das Verbot kommt mangels leges speciales Art. 7 II LStVG in Betracht. Die Stadt ist nach Art. 6 LStVG für die Gefahrenabwehr zuständig. Insoweit war nicht auf § 22 I LadSchlG abzustel-len. Auch wurde P zuvor angehört, Art. 28 I BayVwVfG. Ferner wurde das Verbot begründet, Art. 39 I S. 1 u. 3 BayVwVfG. Folglich war das Verkaufsverbot formell rechtmäßig.

Im Hinblick auf die materielle Rechtmäßigkeit war zunächst der Tatbestand des Art. 7 II Nr. 1 LStVG i.V.m. § 24 I Nr. 2a LadSchlG zu prüfen. Mangels Verstoßes gegen § 6 II LadSchlG (s.o.) war eine Ord-nungswidrigkeit abzulehnen, so dass anschließend Art. 7 II Nr. 3 LStVG zu prüfen war. In der ständigen Lärmbelästigung kann eine Gesundheitsgefahr (Art. 2 II S. 1 GG) gesehen werden. Anschließend war die fehlerfreie Ermessensausübung der Stadt an Art. 8 f. LStVG, § 114 S. 1 VwGO zu messen. Hierbei müss-te es sich bei P zunächst um den Störer im sicherheitsrechtlichen Sinn handeln, Art. 9 LStVG. Nach dem maßgeblichen Unmittelbarkeitskriterium sind jedoch die Kunden des P die Lärmverursacher. Gleichwohl könnte P als sog. Zweckveranlasser Störer sein. Sowohl nach dem objektiven Ansatz (typischerweise Folge von Alkoholkonsum im Freien ist Lärmbelästigung) als auch dem subjektiven Ansatz (billigende Inkaufnahme der Störung) ist hier P Zweckveranlasser und damit Störer (a.A. vertretbar).

Ferner müsste das Verkaufsverbot im Übrigen verhältnismäßig sein. Der Schutz der Anwohner vor Lärm-belästigung ist ein legitimer Zweck und wird durch das Verbot gefördert. Eine mengenmäßige Verkaufs-beschränkung wäre zwar ebenfalls geeignet, jedoch nicht gleich effektiv wie ein vollständiges Verbot. Im Rahmen der Angemessenheit ist der Sachverhalt vollends auszuschöpfen. Hierbei ist auf die Ungleichbe-handlung der Konkurrenten des P außerhalb der „Bannmeile“ einzugehen. Zwar kann ein urbaner Wohn-ort von vornherein gewissem Lärm ausgesetzt sein (Verkehr), jedoch kann der typischerweise sehr beleb-te Stadtkern mit Diskotheken als sachliches Differenzierungskriterium zur Grenzziehung der „Bannmeile“ herangezogen werden, sodass im Ergebnis wohl nicht von Willkür auszugehen sein wird.

Schließlich ist die Planungssicherheit und das Vertrauen in die Zusicherung des P gegen mögliche Ge-sundheitsgefahren durch Lärmbelästigung abzuwägen, wenn die Bindungswirkung der Zusicherung nicht gem. Art. 38 III BayVwVfG entfallen ist. Nachdem 2010 bereits seit zwei Jahren Beschwerden der Anwoh-ner in der Stadtverwaltung bekannt waren, lag keine veränderte Sachlage i.S.d. Art. 38 III BayVwVfG vor. Die Zusicherung entfaltet demnach Bindungswirkung und führt zu einer Ermessensreduzierung auf Null.

Das Verkaufsverbot war demnach rechtswidrig, sodass die Klage des P auch insoweit begründet ist.

hemmer-Trainingsplan-Info: Eine Klausur, die mit soliden Kenntnissen im allgemeinen Verwaltungs-recht, Verwaltungsprozessrecht und Sicherheitsrecht machbar war. Die Frage, ob eine Zusicherung selbst Verwaltungsakt ist oder nur einen solchen in Aussicht stellt, gehört zum Standardrepertoire des allgemei-nen Verwaltungsrechts. Dass die E-Mail keine fristauslösende Bekanntgabe darstellt, ist klausurtaktisch nahezu zwingend. Hier erschließt sich die Lösung über die genaue Lektüre der Art. 3a, 37 BayVwVfG. Die Rücknahme und der Widerruf von Verwaltungsakten, hier der Zusicherung, ist absoluter Dauerbrenner im Examen und entsprechend oft Gegenstand von Fällen in unserem Hauptkurs (Fall 6 und 7, Verwaltungs-recht AT; Fall 9, Kommunalrecht; Fall 9, Polizeirecht; Fall 4, Baurecht). Mit den im Hauptkurs erwor-benen Kenntnissen war diese Klausur machbar!

Klausur Nr. 6:

Problemstellung: Im ersten Teil war die Rechtmäßigkeit einer Baugenehmigung zu prüfen. Der zweite Teil beschäftigte sich mit der Aufhebung einer Baugenehmigung infolge einer geänderten Sachlage und einer Nutzungsuntersagung. Prozessrecht war ausnahmsweise nicht gefragt.

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Aktuelles Life & Law kompakt

hemmer! Life&Law 11/2013 859

Sachverhalt: Der Landwirt G lebt in der kreisangehörigen Gemeinde Pechbrunn in der Oberpfalz (Landkreis Tirschenreuth). Auf dem in seinem Eigentum stehenden Außenbereichsgrundstück möchte er eine Nerz-zuchtfarm für 800 Tiere errichten, die aus mit dem Erdboden fest verbundenen Käfiganlagen und einem in unmittelbarer Nähe der Käfiganlagen gelegenen unterkellerten Versorgungsgebäude mit 150 m² Grundflä-che besteht. G kann das Futter für die Nerze nicht selbst erzeugen. In der näheren Umgebung stehende Scheunen und Lagerhallen ähneln in Größe und Erscheinungsbild den von G geplanten Neubauten.

N, unmittelbarer Nachbar des G und Eigentümer des angrenzenden Grundstücks am äußersten Rand des Innenbereichs, ist von den Plänen des G wenig begeistert, da durch die geplante Anlage „mit stinkendem Getier“ mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen für alle Familienmitglieder zu rechnen sei. N verweigert daher seine Zustimmung. Dennoch reicht G am 03.08.2011 einen Bauantrag nebst sämtlicher erforderli-chen Unterlagen für seine Zuchtfarm bei der Gemeinde Pechbrunn ein. Diese leitet den Antrag unverzüg-lich an das zuständige LRA Tirschenreuth weiter. Zweifel des LRA an der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens werden durch ein Sachverständigengutachten ausgeräumt, wonach die zu erwartenden Ge-ruchsimmissionen nicht gesundheitsgefährdend seien. Daraufhin erhält G – nach Erteilung des gemeindli-chen Einvernehmens – im Dezember 2011 die beantragte Baugenehmigung. Zur Begründung führt das LRA Tirschenreuth unter anderem aus, dass eine ausreichende Erschließung gesichert sei. Außerdem stünden dem Vorhaben des G keine öffentlichen Belange im Sinne des § 35 BauGB entgegen. N, dem eine Ausfertigung dieser Baugenehmigung zugestellt worden ist, will sich damit nicht abfinden. Seine form- und fristgerecht erhobene Anfechtungsklage weist das zuständige Verwaltungsgericht jedoch ab; sein Antrag auf Zulassung der Berufung wird vom BayVGH abgelehnt.

Bereits kurz nach Inbetriebnahme der Anlage im April 2013 wird der von den Tieren verursachte Geruch für N und seine Familie unerträglich. Ein von N in Auftrag gegebenes neues Gutachten stellt fest, dass sich die Sachlage nun im Lichte neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse anders darstelle: In der Zwischenzeit habe die Forschung nämlich herausgefunden, dass der Umfang der Geruchsimmissionen, denen sich Menschen aus-setzen können, ohne gesundheitliche Schäden davonzutragen, deutlich niedriger ist, als im Erstgutachten auf Basis der damaligen wissenschaftlichen Erkenntnisse noch angenommen. Die von 800 Nerzen verursachten Geruchsimmissionen würden diese Schwelle überschreiten. Ferner seien zwischenzeitlich alle Nerze aufgrund der Haltung in den engen Käfigen erkrankt und bedürften dauerhaft einer medizinischen Behandlung. Der Ab-bau der verabreichten Medikamente im Körper der Tiere produziere weitere unangenehme Gerüche, die schon für sich gesehen für Menschen gesundheitsgefährdende Geruchsimmissionen darstellten.

Unter Berücksichtigung dieser beiden Aspekte in ihrer Gesamtheit dürfe die Farm mit höchstens 400 Tieren bestückt werden. Die dann noch von der Anlage ausgehenden Emissionen seien in der ländlichen Umgebung hinzunehmen. Am 10.09.2013 wendet sich N unter Vorlage des neuen Gutachtens an das LRA und bittet dar-um, im Hinblick auf die neuen Erkenntnisse über den Bauantrag des G neu zu befinden und eine Baugeneh-migung gar nicht oder zumindest in geringerem Umfang zu erlassen. Nach seiner Ansicht stehe dem nicht die Unanfechtbarkeit der Baugenehmigung entgegen. Ferner beantragt N, nach erneuter Entscheidung über den Bauantrag eine entsprechende Nutzungsuntersagung gegenüber G zu erlassen. G wird dazu angehört. Er erklärt am 17.09.13 gegenüber dem LRA Tirschenreuth, die Anträge des N seien abzulehnen und begründet dies unter anderem mit seinem schutzwürdigen Vertrauen in den Bestand der Baugenehmigung.

Frage 1: Wurde G die Baugenehmigung im Dezember 2011 zu Recht erteilt?

Frage 2: Wird das LRA Tirschenreuth auf das Schreiben des N hin von neuem über den Bauantrag des G entscheiden? Wird es ggf. eine Baugenehmigung gar nicht oder zumindest in ge-ringerem Umfang erteilen und ggf. eine entsprechende Nutzungsuntersagung gegen G er-lassen?

Skizzierung der inhaltlichen Probleme:

Frage 1:

Die Baugenehmigung vom Dezember 2011 wurde zu Recht erteilt, wenn die formellen und materiellen Voraussetzungen für den Erlass der Baugenehmigung vorlagen.

Die Baugenehmigung wurde vom zuständigen LRA Tirschenreuth erteilt, Art. 53 I S. 1, 54 I HS 1 BayBO, Art. 37 I S. 2 LKrO. Der Bauantrag kann nach Art. 64 I S. 1 BayBO bei der Gemeinde eingereicht werden, die ihn dem LRA vorlegt, Art. 64 I S. 2 BayBO. Von der Einhaltung der Schriftform gem. Art. 68 II S. 1 HS 1 BayBO ist auszugehen. Die Baugenehmigung ist formell rechtmäßig.

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Life & Law kompakt Aktuelles

hemmer! Life&Law · 11/2013 860

Die Baugenehmigung ist materiell rechtmäßig, wenn das Vorhaben genehmigungspflichtig und genehmi-gungsfähig ist. Die Genehmigungspflichtigkeit richtet sich nach Art. 55 I BayBO, der ein grundsätzliches Verbot mit Erlaubnisvorbehalt normiert. Hierfür müsste eine Anlage i.S.d. Art. 2 I S. 4 BayBO vorliegen. Hier liegt eine bauliche Anlage i.S.d. Art. 2 I S. 1 BayBO vor, zumal die Käfiganlagen fest mit dem Erdbo-den verbunden werden. Nachdem kein Bebauungsplan vorliegt, ist Art. 58 BayBO nicht einschlägig; das gleiche gilt für die Art. 56, 57 BayBO. Das Vorhaben des G ist demnach genehmigungspflichtig.

Die Genehmigungsfähigkeit richtet sich nach Art. 68 I S. 1, 59 f. BayBO. Ob ein Sonderbau vorliegt, kann hier nicht abschließend geklärt werden. Da sich jedoch allenfalls Fragen betreffend das Bauplanungsrecht stellen, muss dies im Ergebnis nicht entschieden werden, da der Prüfungsumfang beider Verfahrensarten die §§ 29 ff. BauGB umfasst. Demnach müsste zunächst eine bauliche Anlage i.S.d. § 29 I BauGB vorliegen. Aufgrund Art. 74 I Nr. 18 GG, der dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für das Bodenrecht verleiht, setzt eine „bau-liche Anlage“ i.S.d. BauGB eine bau- oder bodenrechtliche Relevanz voraus. Hier könnten die gesunden Wohnverhältnisse betroffen sein, sodass bodenrechtliche Relevanz vorliegt, vgl. § 1 VI Nr. 1 BauGB.

Die Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich nach § 35 BauGB, wobei der Außenbereich negativ als Ab-grenzung zum Plan- und Innenbereich bestimmt wird. Zunächst kommt insoweit § 35 I Nr. 1 BauGB in Betracht. Allerdings fällt vorliegend die Nerzhaltung, die einen eigenständigen Betrieb darstellt und nicht Teil des schon betriebenen Bauernhofs ist, nicht selbst unter den Landwirtschaftsbegriff des BauGB (§ 201 BauGB), da G das Futter nicht selbst erzeugt. Es liegt aber ein privilegiertes Vorhaben nach § 35 I Nr. 4 BauGB vor. Insbesondere die Geruchsbelästigung begründet insoweit eine Privilegierung. Schließ-lich dürfen keine öffentlichen Belange entgegenstehen. Nachdem § 35 III S. 1 BauGB von einer Beein-trächtigung spricht, ist zunächst klarzustellen, dass die Anforderungen an ein „Entgegenstehen“ höher sind. Die Belange des S können daher nur Ausgangspunkt für eine Einzelfallabwägung sein.

Als öffentlicher Belang in diesem Sinne kommt zunächst § 35 III S. 1 Nr. 3 Alt. 1 BauGB in Betracht. Bei schäd-lichen Umwelteinwirkungen handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der voll justiziabel ist. Die Legaldefinition des § 3 I BImSchG ist zur Auslegung heranzuziehen. Die entscheidende Frage an dieser Stelle war, ob bei der Beurteilung der Immissionen nur auf das damals vorliegende Gutachten oder auch auf das später erstellte Gutachten abzustellen ist. Grundsätzlich ist bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Ver-waltungsakts auf den Zeitpunkt der Erteilung des Verwaltungsakts abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt lag das zweite Gutachten noch nicht vor. Allerdings beurteilt das zweite Gutachten lediglich die vorhandenen Fakten anders, nämlich derart, dass die Baugenehmigung von Anfang an nicht hätte erteilt werden dürfen. Die h.M. berücksichtigt in einem solchen Fall das zweite Gutachten bei der Beurteilung der Baugenehmigung, sodass diese als von Anfang an rechtswidrig einzustufen ist, da die schutzwürdige Wohnbebauung der Nachbarn un-zumutbarerweise schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt wird (a.A. vertretbar).

Keine Rolle spielt bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung die spätere Behandlung mit Medikamenten, da jedenfalls diese im maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht vorgenommen wurde. Wei-ter konnte § 35 III S. 1 Nr. 5 BauGB kurz geprüft und abgelehnt werden. Das Vorliegen einer Splittersied-lung war nach dem Bearbeitervermerk auszuschließen.

Nach der hier vertretenen Auffassung war die Baugenehmigung somit von Anfang rechtswidrig und hätte nicht erteilt werden dürfen.

Frage 2:

Gefragt ist, ob das LRA auf den Antrag des N hin erneut entscheiden wird. Nach Art. 51 I Nr. 1 BayVwVfG hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen zu entscheiden, wenn sich die dem VA zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Antragstellers geändert hat.

N ist antragsberechtigt im Sinne dieser Vorschrift. Dieser Begriff entspricht der Klagebefugnis. N kann sich als Nachbar im baurechtlichen Sinn auf die drittschützende Vorschrift des § 35 III S. 1 Nr. 3 Alt. 1 BauGB berufen. Die Antragsfrist des Art. 51 III BayVwVfG ist gewahrt. Begründet ist der Antrag, wenn ein Wiederaufgreifensgrund i.S.d. Art. 51 I BayVwVfG vorliegt und Art. 51 II BayVwVfG dessen Geltend-machung nicht entgegensteht. Abs. 2 ist nach h.M. entgegen seines Wortlauts wohl eine Frage der Be-gründetheit und nicht der Zulässigkeit. Nachdem N auch erfolglos Drittanfechtungsklage erhoben hat und die Berufung nicht zugelassen wurde, trifft N kein Verschulden i.S.d. Art. 51 II BayVwVfG, sodass er nicht präkludiert ist.

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Aktuelles Life & Law kompakt

hemmer! Life&Law 11/2013 861

Erkenntnisfortschritte hinsichtlich der von Immissionen ausgehenden Risiken stellen eine Änderung der Sachlage i.S.d. Art. 51 I Nr. 1 BayVwVfG dar. Wird dies verneint, kann eine veränderte Sachlage mit Blick auf die Verabreichung von Medikamenten angenommen werden, die für sich genommen eine schädliche Umwelteinwirkung entfaltet. Insoweit besteht ein Anspruch auf erneute Entscheidung durch das LRA, im Rahmen derer aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse nunmehr von einer schädlichen Umwelt-einwirkung i.S.d. drittschützenden § 35 III S. 1 Nr. 3 Alt. 1 BauGB auszugehen ist. Demnach könnte die Baugenehmigung nunmehr nicht mehr erteilt werden. N hat einen Anspruch auf Wiederaufnahme durch das LRA unter Berücksichtigung der geänderten Sachlage. In dem zweiten Gutachten kann nach h.M. wohl auch ein neues Beweismittel i.S.d. Art. 51 I Nr. 2 BayVwVfG gesehen werden.

Folge des Wiederaufgreifens ist nach h.M., dass die Baugenehmigungsbehörde durch einen Zweitbe-scheid neu über den Bauantrag entscheiden muss. Eine ausdrückliche Aufhebung des Erstbescheides ist nicht zwingend notwendig. Der Zweitbescheid muss unter Berücksichtigung des zweiten Gutachtens als modifizierte Gewährung derart ergehen, dass abweichend vom Bauantrag nur 400 Tiere gehalten werden dürfen. Darüber hinaus könnte sich ein Anspruch des N auf (teilweise) Aufhebung aus Art. 51 V, 48 f. BayVwVfG ergeben, der unabhängig neben Art. 51 I BayVwVfG besteht. Da die Baugenehmigung rechtswidrig erteilt wurde (s. o.), ist eigentlich Art. 48 I BayVwVfG einschlägig. Die Rücknahme einer rechtswidrigen Baugenehmigung ist aber erst recht dann möglich, wenn sogar eine rechtmäßige Geneh-migung nach Art. 49 II BayVwVfG widerrufen werden könnte. Nach h.M. sind Art. 48, 49 BayVwVfG ent-gegen des Wortlauts des Art. 51 V BayVwVfG vollständig neben Art. 51 BayVwVfG anwendbar.

Als Widerrufsgrund kommt Art. 49 II S. 1 Nr. 3 BayVwVfG in Betracht. Hier wäre zu diskutieren, ob neue wissenschaftliche Erkenntnisse nachträglich eingetretene Tatsachen sind. Nach dem Zweck der Norm soll auch die Neubewertung aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse als neue Tatsachen in diesem Sinne verstanden werden. Vertretbar erscheint es, auch die bloße Neubewertung alter Tatsachen aus dem Anwendungsbereich auszuklammern und auf die Medikamentenverabreichung abzustellen, die je-denfalls als ein nachträgliches Ereignis nach Erlass der Baugenehmigung eine neue Tatsache begründet. Ohne den Widerruf wird das öffentliche Interesse der Volksgesundheit gefährdet. Folglich liegt ein Wider-rufsgrund vor. Weiter kann Art. 49 II S. 1 Nr. 5 BayVwVfG geprüft und je nach Begründung angenommen oder abgelehnt werden. Ferner müsste das Widerrufsermessen auf Null reduziert sein, um einen An-spruch des N zu begründen. Eine derart weitreichende Annahme lässt der Sachverhalt indes wohl nicht zu (a.A. vertretbar mit entsprechender Begründung).

Schließlich war ein Anspruch des N auf Erlass einer Nutzungsuntersagung gegen G zu prüfen. Ein sol-cher Anspruch auf Nutzungsuntersagung kann sich aus Art. 76 S. 2 BayBO ergeben. Aus dem Vergleich zu Art. 76 S. 1 BayBO ergibt sich, dass für die Nutzungsuntersagung die formelle Illegalität ausreichend ist. Wird ein Zweitbescheid erlassen, ist die bisherige Nutzung in der Form der Haltung von 800 Tieren formell illegal. Überdies könnte hier ausnahmsweise auch materielle Illegalität notwendig sein. Faktisch besteht hier die Nutzungsuntersagung darin, dass 400 Tiere entfernt werden müssen. Da hier jedoch die Tierhaltung von mehr als 400 Tieren gegen § 35 III S. 1 Nr. 3 BauGB verstößt, liegt auch materielle Illega-lität vor. Die Ermessensreduzierung ist wiederum mit den unerträglichen Geruchsimmissionen zu begrün-den. Im Ergebnis hat N auch einen Anspruch auf Nutzungsuntersagung, da sonst die Verletzung des dritt-schützenden § 35 III S. 1 Nr. 3 BauGB zu besorgen ist.

hemmer-Trainingsplan-Info: Der Termin 2013/II endete mit einer „unangenehmen“ Klausur, die sicher-lich vielen Bearbeitern schwer fiel - schon deshalb, weil ausnahmsweise nur nach dem materiellen Recht gefragt war und die gewohnte prozessuale Einkleidung fehlte. Andererseits sollte zumindest Frage 1 für alle Bearbeiter machbar gewesen sein. Die Zulässigkeit von Außenbereichsvorhaben nach § 35 BauGB ist ein Dauerbrenner im Staatsexamen und dementsprechend auch immer wieder Gegenstand von Hauptkursfällen (Fall 6, Verwaltungsrecht AT; Fälle 3, 5, 6, 8, 9, Baurecht). Ein Schwerpunkt der Fra-ge 1 war die Frage, ob das erst nach Erteilung der Baugenehmigung erstellte zweite Gutachten bei der Beurteilung derer Rechtmäßigkeit noch berücksichtigt werden darf oder nicht. Dies ist sicherlich eine sehr spezielle Fragestellung, andererseits ist diese im Sachverhalt deutlich angelegt. Aus diesem Grund legen wir in unseren Hauptkursen extrem großen Wert auf die Sachverhaltsanalyse. Nur wer die Hinweise des Klausurerstellers im Sachverhalt richtig zu deuten vermag, wird im Examen bestehen. Reines „Lernen“ hilft hier nicht weiter, das richtige Training entscheidet! Das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach Art. 51 BayVwVfG ist sicherlich keine einfache Materie, gehört aber andererseits zu den Grundzügen des allge-meinen Verwaltungsrechts und wird deshalb in Fall 7, Verwaltungsrecht AT ausführlich behandelt. Mit dem Rüstzeug aus unserem Hauptkurs war damit auch dieser Fall kein unüberwindbares Hindernis!