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Argumente und Materialien zum Zeitgeschehen www.hss.de Paula Bodensteiner / Hans Käfler (Hrsg.) 5 JAHRE UNIVERSITÄTSSCHULE Bilanz und Perspektiven Sonderausgabe 1/2016

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Argumente und Materialien zum Zeitgeschehen

www.hss.de

Paula Bodensteiner / Hans Käfler (Hrsg.)

5 JAHRE UNIVERSITÄTSSCHULEBilanz und Perspektiven

Sonderausgabe 1/2016

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Paula Bodensteiner / Hans Käfler (Hrsg.)

5 JAHRE UNIVERSITÄTSSCHULE Bilanz und Perspektiven

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Impressum

ISBN 978-3-88795-498-7

Herausgeber Copyright 2016, Hanns-Seidel-Stiftung e.V., München Lazarettstraße 33, 80636 München, Tel. +49 (0)89 / 1258-0 E-Mail: [email protected], Online: www.hss.de

Vorsitzende Prof. Ursula Männle, Staatsministerin a.D.

Hauptgeschäftsführer Dr. Peter Witterauf

Leiter der Akademie für Prof. Dr. Reinhard Meier-Walser Politik und Zeitgeschehen

Leiter PRÖ / Publikationen Hubertus Klingsbögl

Redaktion Prof. Dr. Reinhard Meier-Walser (Chefredakteur, V.i.S.d.P.) Barbara Fürbeth M.A. (Redaktionsleiterin) Susanne Berke, Dipl.-Bibl. (Redakteurin) Claudia Magg-Frank, Dipl. sc. pol. (Redakteurin) Marion Steib (Redaktionsassistentin)

Copyright Fotos Hanns-Seidel-Stiftung, München

Druck Hanns-Seidel-Stiftung, Hausdruckerei, München

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Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung, Verbreitung sowie Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil dieses Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der Hanns-Seidel-Stiftung e.V. reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Davon ausgenommen sind Teile, die als Creative Commons gekennzeichnet sind. Das Copyright für diese Publikation liegt bei der Hanns-Seidel-Stiftung e.V. Namentlich gekennzeichnete redaktionelle Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder.

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INHALT

5 EINFÜHRUNG

Paula Bodensteiner / Hans Käfler

7 DAS BAMBERGER UNIVERSITÄTSSCHULKONZEPT

Detlef Sembill / Jörg Neubauer

17 DIE GESTALTUNG DER UNIVERSITÄTSSCHULE IN NÜRNBERG

Karl Wilbers / Wolfgang Lehner

31 DAS UNIVERSITÄTSSCHULKONZEPT DER UNIVERSITÄT BAYREUTH

Manfred Müller / Dieter Schmidt

39 UNIVERSITÄTSSCHULE AN DER LMU IN MÜNCHEN

Susanne Weber / Michael Schönlein / Josef Guggemos / Martina Friedl

63 DAS UNIVERSITÄTSSCHULKONZEPT FÜR DIE LEHRERBILDUNG AN

BERUFLICHEN SCHULEN AN DER TUM SCHOOL OF EDUCATION

Alfred Riedl

71 DIE UNIVERSITÄTSSCHULE AUS SICHT DER ABSOLVENTEN,

DES STAATLICHEN STUDIENSEMINARS UND DES VLB

77 WORKSHOPERGEBNISSE

79 DISKUSSIONSRUNDE:

„WIE GEHT ES WEITER MIT DEN UNIVERSITÄTSSCHULEN?“

Thomas Hochleitner

83 AUSBLICK

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EINFÜHRUNG

PAULA BODENSTEINER / HANS KÄFLER || In seiner Regierungserklärung vom 26. März 2009 machte Kultusminister Dr. Ludwig Spaenle die Weiterentwicklung der Lehrerbildung zu seinem zentralen

Anliegen und kündigte die Einführung von Universitätsschulen an: „Wir müssen weiter alles daran

setzen, eine optimale Vernetzung von Studium und Schule, Theorie und Praxis in der ersten und

zweiten Phase der Lehrerbildung zu erreichen – zum Beispiel durch eine Universitätsschule, in der

Hochschule und Schulwirklichkeit eine produktive Verbindung eingehen.“ In Analogie zu den Uni-

versitätskliniken sollten sich an den Universitätsschulen Theorie, Praxis und Forschung miteinander

verbinden und die Erfahrungen aus der Schulpraxis auch auf die Arbeit der Lehrstühle zurückwirken.

Bereits im Schuljahr 2009/10 starteten die

Lehrstühle für Wirtschaftspädagogik der Fried-rich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Otto-Friedrich-Universität Bamberg die Kooperation mit ausgewählten Berufsschulen. Die Universität Bayreuth, die Ludwig-Maximi-lians-Universität München und die Technische Universität München vollzogen diesen Schritt im Schuljahr 2011/12. Derzeit kooperieren die einschlägigen Lehrstühle dieser fünf Universitä-ten mit insgesamt 12 beruflichen Schulen, von der Wirtschaftsschule über Berufsschule bis zur beruflichen Oberschule.

Um den Universitäten innovative Ansätze bei der Zusammenarbeit mit Ihren Universitäts-schulen zu ermöglichen, wurden nur wenige Rahmenbedingungen vorgegeben: Die Schulen sollten in örtlicher Nähe zur Universität liegen, eine ausreichende Größe haben und Seminar-schule sein. Lehrkräfte dieser Schulen sollten als Mentoren mindestens 4 Gruppen von jeweils ca. 5 Masterstudenten betreuen. Bei der Arbeit an gemeinsamen Projekten sollten Synergieeffekte entstehen, die Impulse für die Weiterentwick-lung der Lehrerbildung generieren sollten. Es war und ist beabsichtigt, auch die Studienseminare einzubinden, indem etwa Ausbildungsinhalte und -konzepte mit den Universitäten abge-stimmt werden. Über die Seminarvorstände

sollten Erkenntnisse und Impulse aus den Uni-versitätsschulen in die Ausbildung aller Refe-rendare einfließen. Für die Bearbeitung dieser Aufgaben stellte das Kultusministerium zusätz-liche Personalressourcen für die Universitäten und Schulen zur Verfügung.

Wie den anschließenden Berichten der Uni-versitäten zu entnehmen ist, haben sich in den zurückliegenden Jahren auf der Basis der o. g. Vorgaben außerordentlich interessante und sehr erfolgreiche Universitätsschulkonzepte entwi-ckelt. Die Lehrstühle und die beteiligten Schulen haben innovative Modelle entworfen. Hospi-tationen mit intensiver Reflexion fremder und eigener Unterrichtseinheiten ermöglichen den Studenten tiefe Einblicke in die Aufgaben einer Lehrkraft an beruflichen Schulen; Erkundungs-aufträge und Interviews zeigen ihnen die Band-breite schulischer Tätigkeiten auf. Über Projek-te, die von Schule und Universität gemeinsam entwickelt wurden, profitieren nicht nur die Studenten im Rahmen von Seminar- und Mas-terarbeiten, dabei entstehen auch Beiträge für die schulische Arbeit, sei es im Rahmen von komplexen Lehr-Lernarrangements oder bei der Umsetzung von handlungsorientierten Lehrplä-nen in didaktische Jahresplanungen. Kontakte mit Referendaren senken die emotionale Schwel-le, die häufig vor dem Eintritt in die zweite

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Phase der Lehrerbildung steht und vermitteln den Studenten realistischere Vorstellungen über das Referendariat. Wenn es gelingt, das Studi-enseminar noch intensiver in die Universitäts-schulprojekte einzubinden, dann kann dem 2010 gestarteten Vorhaben der Universitätsschule eine rundum erfolgreiche Entwicklung bestätigt werden, die auch zukünftigen Studentengene-rationen zugutekommen soll.

In der vorliegenden Publikation sind die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeitstagung „5 Jahre Universitätsschule – Bilanz und Per-spektiven“ der Hanns-Seidel-Stiftung und des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst veröffentlicht. Die Zielsetzung war, den aktuellen Stand des Projektes „Universitätsschule“ zu dokumentie-ren und die unterschiedlichen Konzepte der einzelnen Hochschulen einander gegenüberzu-stellen sowie Qualitätskriterien und Indikato-ren für den Erfolg der Maßnahme zur weiteren Entscheidung auszuloten.

|| PAULA BODENSTEINER

Referentin für Bildung und Erziehung,

Akademie für Politik und Zeitgeschehen,

Hanns-Seidel-Stiftung, München

|| OSTD HANS KÄFLER

Bayerisches Staatsministerium für Bildung

und Kultus, Wissenschaft und Kunst / Staatliche

Berufsschule I Passau

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DAS BAMBERGER UNIVERSITÄTSSCHULKONZEPT

DETLEF SEMBILL / JÖRG NEUBAUER || An den Schnittstellen zwischen universitärer und staatlicher

Lehreraus- und Lehrerweiterbildung sowie Forschungen bezüglich schul- und betriebspraktischer

Probleme kommt es zu unnötigen Leistungsverlusten. Während traditionell gerne die wechselseitige

Inkompetenz oder Praxisferne (von welcher Praxis auch immer) ins Feld geführt wurden, kommt es

in einer Lerngesellschaft1 für zeitgemäße Ausbildungsstrukturen eher auf die synergetische Entwick-

lung und Nutzung des Könnens der beteiligten Partner an – und das bedeutet, dass alle Leistungs-

träger der Beruflichen Bildung verstärkt kooperieren sollten.

Kooperation setzt voraus, dass sich die betei-

ligten Partner austauschen und die Kommunika-tion zwischen den Verantwortlichen erfolgreich verläuft. Was sich zunächst trivial anhören mag, ist bei näherer Betrachtung keine Selbstverständ-lichkeit, leben doch alle an der Kommunika-tion Beteiligten in ihrem eigenen „Universum“. Sollte Kommunikation schwierig werden, legt das im Folgenden dargestellte Kulturbegegnungs-modell der Kommunikation nahe, „nicht nach Störungen oder gar nach Fehlverhalten zu suchen, sondern das Aneinanderkoppeln von in sich verständlichen, aber zueinander noch nicht kompatiblen Wirklichkeiten als reizvolle Forschungs- und Gestaltungsaufgabe ernst zu nehmen“.2

Die vorhandene Schnittmenge professioneller Begegnung wurde im Rahmen des Universitäts-schulkonzepts durch alle Beteiligten sukzessive erweitert.

ZIELE DES UNIVERSITÄTSSCHULKONZEPTS

Mit der Errichtung von Universitätsschulen wurden die Rahmenbedingungen für die ko-operative Zusammenarbeit der an der berufli-chen Bildung beteiligten Institutionen sowohl verbessert als auch dieser Gestaltungsaufgabe endlich die notwendige Bedeutung beigemes-sen. Zentrale Aufgabe aller Beteiligten war es nun, den Bereich der professionellen Begegnung

(vgl. Abb. 1) systematisch und qualitativ wei-terzuentwickeln und den Austausch zwischen Schule, Universität und Studienseminar zu in-tensivieren. Dazu gehören neben den Aktivitä-ten im Bereich der Lehreraus- und der Lehrer-weiterbildung insbesondere auch flankierende Forschungsaktivitäten, wobei die zentrale Einheit und Zielgröße die Schüler sein sollten, die letzt-endlich davon profitieren müssen. Im Rahmen der Umsetzung sind dabei folgende zentrale Zielvorstellungen verfolgt worden: 1. Gemeinsame Zielvorstellung der an der

Lehrkräftebildung beteiligten Institutionen (Schule, Studienseminar, Universität) ist es, bei den Studierenden die Grundlage für ein professionelles Lehrkräftehandeln zu legen.

2. Erforderlich hierfür sind der wechselseitige Respekt und die Anerkennung für das von den Partnern Geleistete ebenso wie ein Ver-ständnis für unterschiedliche Sichtweisen der Partner und deren Aufgaben im Rahmen der Lehrkräftebildung. Dies schließt eine Ver-ständigung über gemeinsame Zielsetzungen und auch Neben- und Folgeeffekte von Maß-nahmen in unterschiedlichen Subsystemen der Lehrkräftebildung und für die weitere Gesellschaft ein.

3. Der Beitrag der Universität zielt in einem Prozess, der auf professionelles und nicht lediglich praktisches Wissen, Können und

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Abb. 1: Kulturbegegnungsmodell der Kommunikation

Quelle: in Anlehnung an Schmid, Bernd / Messmer, Arnold: Systematische Personal,- Organisations- und Kulturentwicklung. Konzepte und Perspektiven, Bergisch Gladbach, 2. Aufl., 2005, S. 193

Entscheiden gerichtet ist, auf Folgendes ab: theoretische Kategorien für die Planung und Reflexion von Unterricht und Schule sowie Theorien als „Reflexionsfolie“ für das Gelin-gen wie für die Identifikation von Fehlern als Ansätze für Verbesserungen und (diagnosti-sche) Methoden für die Prüfung des eigenen Unterrichts und der Schule angesichts einer dispositionalen „Heterogenialität“ aller In-volvierten zur Verfügung zu stellen.

4. Die Bamberger Universitätsschulinitiative trägt dazu bei, empirisch fundierte Theorie-entwicklung für die Studierenden nutzbar zu machen.

5. Die Bamberger Universitätsschulinitiative zielt darüber hinaus darauf ab, von den beteilig-ten Partnern aufgeworfene Fragestellungen empirisch zu bearbeiten. Für die berufsbil-denden Schulen besteht hier gegenüber den allgemeinbildenden Schulen ein besonders großes Defizit.

6. Die Forschungsergebnisse werden nicht nur unmittelbar, sondern auch langfristig über die universitäre Ausbildung des Lehrkräfte-nachwuchses in den Universitätsschulen ver-ankert. Beispielhaft sind die Forschungen zum Rechnungswesensunterricht, zur Bin-nendifferenzierung und zum Selbstorgani-sierten Lernen zu nennen. Eine Dissemina-

tion in weitere Schulen und Verankerung in QmbS (Qualitätsmanagement an beruflichen Schulen) wird angestrebt.

7. Alle Beteiligten tragen dazu bei, diese Ziel-setzungen im Verständnis der Studierenden sowie der Lehrkräfte in Studienseminar und Schulen zu verankern.

8. Mit dieser gemeinsamen Zielstellung wird auch auf die Verringerung von Reibungs-verlusten zwischen den Ausbildungsphasen, einschließlich der Berufseinstiegsphase und damit auf die Verringerung von psychischen Belastungen seitens der Studierenden, abge-zielt. Das Konzept der Universitätsschulen ver-

spricht vor allem dann einen deutlichen Mehr-wert für die Ausbildung der künftigen Wirt-schaftspädagogen, wenn die Studierenden im Verlauf ihres Studiums immer wieder Kontakt zur schulischen Praxis herstellen. Allerdings sol-len die Studierenden diese Praxis nicht unreflek-tiert übernehmen, sondern diese kritisch – vor dem Hintergrund aktueller Erkenntnisse der Lehr-Lern-Forschung – hinterfragen und wei-terentwickeln (lernen), genauso wie sie dies mit der vorfindbaren Lehre und Forschungspraxis tun sollen, um derentwillen sie eine Universität besuchen.

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STRUKTURMODELL DER „BAMBERGER UNIVERSITÄTSSCHULINITIATIVE“

Mit Blick auf diese Gestaltungsaufgaben wur-de ein Gesamtkonzept (vgl. Abb. 2) entwickelt, wobei das Hauptaugenmerk den Studierenden als zukünftigen Lehrpersonen und deren pro-fessioneller Entwicklung gilt.3 Patenlehrkräfte, Seminarlehrer und universitäre Ansprechpart-ner stehen in einem engen Austausch und ent-wickeln gemeinsam didaktische Konzepte zur Ausbildung der künftigen Lehrer. Um die Qua-lität unserer Arbeit zu sichern, legen wir großen Wert darauf, dass wir die Praxiskontakte regel-mäßig evaluieren. Die Ergebnisse werden sodann einer kommunikativen Validierung unterzogen und schließlich werden Maßnahmen ergriffen, um die didaktischen Konzepte weiter an die Bedürfnisse der Studierenden anzupassen.

Inwieweit die Referendare über die Kontakte mit vereinzelt involvierten Seminarlehrpersonen hinaus im zweiten Ausbildungsabschnitt profi-tieren können, hängt sicherlich davon ab, ob über die formal-institutionelle Restrukturierung hinaus Anschluss an die innovativen Prozesse gesucht wird bzw. gehalten werden kann.

CURRICULARE EINBINDUNG DER VERSCHIEDE-NEN AUFEINANDER AUFBAUENDEN PRAKTIKA

Den Studierenden wird während der ersten beiden Semester im Bachelorstudium ein Hospi-tationspraktikum angeboten. Hier können die Studierenden für zwei Wochen an einer Schule hospitieren. Dabei werden die Studierenden mit einem Hospitationsleitfaden ausgestattet, mit dem gezielt Beobachtungsaufgaben über-nommen werden sollen. Das darauffolgende Seminar „Schulpraktische Übungen“ setzt sich zusammen aus einem Vorbereitungs- und einem Nachbereitungskurs. Zusätzlich wird in den Se-mesterferien oder auch semesterbegleitend das verpflichtende vierwöchige Praktikum (Schul-praktikum und Universitätsschulpraktikum) mit 80 zu hospitierenden Unterrichtsstunden von den Studierenden an den berufsbildenden Schulen absolviert. Dabei dient das Schulpraktikum als Verbindung zwischen dem Vorbereitungs- und dem Nachbereitungskurs. Eine Besonderheit der Bamberger Universitätsschulen ist die Ab-deckung eines großen ländlichen Raumes. Um die damit verbundene Komplexität für die Schulen und Studierenden zu reduzieren und

Abbildung 2: Struktur des Universitätsschulkonzepts

Universität Universitätsschule

Patenlehrkräfte und Lehrkräfte

1. Semester

2. Semester

3. Semester

4. Semester

5. Semester

Bachelorarbeit

7. Semester

8. Semester

9. Semester

Masterarbeit

Koordinator und wissen-schaftlicheMitarbeiter

Universitätsschulpraktikum, Schulpraktikum undHochschuldidaktischesPraktikum

Seminar-lehrkräfte

Hospitationspraktikum

Erarbeitung von Unterrichtsmaterialienund Transfermöglichkeiten von Forschungsergebnissen im Rahmen von Lehrveranstaltungen

Studienseminar

SeminarvorstandSeminarlehrkräfte& Referendare

Quelle: Sembill, Detlef / Bauer, Claus / Neubauer, Jörg: Bericht der

Bam

berger U

niversitätsschulen. Unveröffentlichter Abschlussbericht,

Bam

berg 2014

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den Ansprüchen der Studierenden als auch den Herausforderungen der Schulen zu begegnen, haben die Studierenden die Möglichkeit, das Praktikum entweder semesterbegleitend oder in Blockform zu absolvieren. In diesem müssen die Studierenden mindestens zwei eigenständige Unterrichtsversuche abhalten. Diese Unterrichts-versuche werden von den Patenlehrkräften in-tensiv vor- und nachbereitet. Von den Schulen werden neben der intensiven Betreuung bei der Unterrichtsgestaltung auch verschiedene Veran-staltungen für die Studierenden angeboten wie beispielsweise „Rechtliche Grundlagen des Un-terrichts“, „Beamten- und Schulrecht“, „Aktions- und Sozialformen im Unterricht“, „Fragetech-niken“, „Klassenleitergeschäfte“, „SoLe (Selbst OrganisiertesLernen)“, „Umgang mit Disziplin-problemen“, „Differenzierung im Unterricht“, „Berufsschule Plus“, „Aufbau einer Unter-richtsstunde“, „Organisation der Schule“ und „Schulberatungsfälle“. Der Kontakt zum Semi-nar wird über verschiedene Veranstaltungen hergestellt, in welchen die Referendare sowie Studierende sich gemeinsam Inhalte erarbeiten oder auch größere Projekte planen. Ein Beispiel hierfür ist das Projekt „Schule ohne Rassismus“ an der Universitätsschule Schwabach, welches sowohl von Referendaren als auch von Studie-renden gemeinsam mit den Schülern erarbeitet wurde.

FACHDIDAKTIK IM RAHMEN SCHULPRAKTISCHER ÜBUNGEN

In den schulpraktischen Übungen erhalten die Studierenden zunächst die Möglichkeit, ihre bisher erworbenen einschlägigen theoretischen Kenntnisse zu vertiefen und anschließend die im Schulpraktikum jeweils vorfindliche Praxis anhand dieser Theorien kritisch zu reflektieren. Sie hospitieren hierzu in unterschiedlichen Klassen und Lernfeldern bzw. Fächern, in de-nen sie Unterrichtsversuche abhalten. Ferner reflektieren sie ihre Unterrichtsbeobachtungen und -erfahrungen zusammen mit den Paten-lehrkräften anhand theoriegeleiteter Modelle. Die theoretischen Grundlagen (Lehr-Lern-Para-digma, didaktische Modelle etc.) zur Unter-richtsanalyse und -planung sowie Durchfüh-rung werden im Rahmen dieser Veranstaltung

an der Universität erworben. Der Kurs wird durch eine Onlineplattform ergänzt. Hier kön-nen die Studierenden Literatur zu den ver-schiedenen Themen lesen und selbst erstellte Materialien hochladen. Es finden sich dort gut ausgearbeitete Unterrichtsentwürfe (reflektiert von Lehrkräften und universitären Mitarbeitern) mit unterschiedlichen unterrichtsmethodischen Akzentuierungen ebenso wie Praxisbeispiele schüleraktivierender Lernerfolgssicherungen. Zudem wird im Vorbereitungskurs ein ausge-arbeiteter Unterrichtsentwurf simuliert. Dies wird im Seminar per Video aufgezeichnet und die Studierenden erhalten anschließend ein sys-tematisches Feedback aufgrund theoretischer Modelle. Die abgehaltene Unterrichtssimulation wird anschließend von den Studierenden selbst schriftlich reflektiert. Dies zählt ebenfalls, ne-ben den bereits erwähnten Reflexionen, zu dem Portfolio, welches am Ende des Seminars zur Leistungsbeurteilung herangezogen wird.

Im Rahmen der Nachbereitung des Schul-praktikums werden die eigenen Unterrichts-erfahrungen der Studierenden an den Schulen reflektiert. Diese Eindrücke fließen in Überle-gungen zur Gestaltung von komplexen Lehr-Lern-Arrangements ein und bieten erste An-satzpunkte zur Entwicklung professionellen Lehrerhandelns. Von den Studierenden wird erwartet, dass sie das Praktikum und ihre durchgeführten Unterrichtsversuche am Anfang des Seminars in Schriftform reflektieren. Im Rahmen der Veranstaltung werden die Erfah-rungen der Studierenden aus dem Schulprakti-kum gebündelt, und anhand von Dimensionen sollen die Studierenden ihre Unterrichtskompe-tenz und ihren persönlichen Gesamtnutzen nach dem Praktikum einschätzen. Dies ist der Aus-gangspunkt für eine theoriegeleitete und syste-matische Analyse bezüglich der Lehrprofessio-nalität.

Themenschwerpunkte des Nachbereitungs-seminars sind methodische Großformen (Un-ternehmenssimulation, Leittextmethode, Exper-tenbefragung, Rollenspiel, Projektunterricht, Szenariotechnik, Fallstudie etc.) und die Grund-lagen der pädagogischen Diagnostik (Begriff, Stress und Belastung, Underachiever etc.). Zu-dem wird in Gruppenarbeit eine methodische Großform an der Universitätsschule durchge-

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führt und mit den Seminarlehrkräften und Re-ferendaren reflektiert. Die einzelnen Aktivitäten an den Schulen können den Universitätsschul-berichten entnommen werden.

Als Verbindung zwischen dem Vorberei-tungs- und Nachbereitungsseminar findet ein gemeinsames Wochenende auf Schloss Schney statt, um den Austausch zwischen den Studie-renden, Seminarlehrkräften und Mitarbeitern des Lehrstuhls zu fördern und eine Verbindung zwischen den Methodengroßformen und der einzelnen Unterrichtsstunde herzustellen. Die Studierenden lernen sowohl haptische als auch elektronische Planspiele als Teilnehmer kennen und reflektieren diese, bevor sie diese selbst mit Patenlehrkräften an den Universitätsschulen ein-setzen. Hier eine kleine Auswahl an abgehalte-nen Workshops in den letzten Jahren: ∙ „Ein Blick über den Tellerrand: Ausgewählte

internationale Ansätze der Didaktik.“ ∙ „Fehlerdiagnostik – Grundlage für die indi-

viduelle Förderung von Lernenden.“ ∙ „Kommunikationsstark im Unterricht –

Rhetorik- und Stimmtraining für angehende Lehrkräfte.“ Das Modul Schulpraktische Übungen –

Nachbereitung (Fachdidaktik) hat zum Ziel, dass die Studierenden die Praxis nicht unreflek-tiert übernehmen, sondern Unterricht auf der Basis von theoretischen Grundlagen planen und umzusetzen.

KOOPERATIONSAKTIVITÄTEN MIT DEN UNIVERSITÄTSSCHULEN UND DISSEMINATION DIDAKTISCHER INNOVATIONEN

Durch die intensive Kooperation mit der jeweiligen Universitätsschule eröffnet sich den Studierenden ein mögliches Forschungsfeld für die abschließende Bachelor- oder Masterarbeit, wobei die hierbei verfolgte Forschungsfrage auch in enger Zusammenarbeit mit der betreu-enden Patenlehrkraft entwickelt werden kann. Im Gegenzug erfahren die Universitätsschulen eine stetige Unterstützung bei Unterrichts- und Schulentwicklungsprozessen. Hierzu ist es not-wendig, dass Patenlehrkräfte an universitären Lehrveranstaltungen teilnehmen, um Anschluss an die aktuelle Lehr-Lern-Forschung zu halten

und sich hierdurch auf gemeinsame Forschungs-projekte vorzubereiten. Einen Fortbildungsan-lass gaben hier in der Vergangenheit zum Bei-spiel die vorbereitenden Arbeiten im Vorfeld zur pädagogischen Diagnostik (z. B. Stress und Belastung, Underachiever etc.).

Die Verfügbarmachung empirischer For-schungsbefunde, z. B. auf dem Feld didakti-scher Innovationen, ist jedoch keine auf Uni-versitätsschulen beschränkte Maßnahme. Ein Grundanliegen des Bamberger Universitätsschul-konzepts ist die zügige Verbreitung wesentli-cher Forschungsbefunde und Entwicklungser-gebnisse in die Fläche. Interessierte Lehrkräfte außerhalb des Universitätsschulkreises erhalten daher einen zeitnahen Zugang zu aktuellen Be-funden der Grundlagenforschung sowie zu neu konzipierten und evaluierten Lehr-Lern-Arran-gements (z. B. Planspiele, Selbstorganisiertes Lernen). Deren Dissemination erfolgt im Rah-men von Lehrerfortbildungen an der Universi-tät Bamberg und regionalen Lehrerfortbildun-gen vor Ort.4 Folgende Kernprojekte sind seit Beginn der Universitätsschulinitiative begonnen und umgesetzt worden: 1. Implementation selbstorganisierten Lernens

im Rechnungswesenunterricht. Studierende erarbeiten in arbeitsteiligen Gruppen kom-plexe Lehr-Lern-Arrangements.

2. Planspiele im Einzelhandel. Gezielte Aus-wahl, didaktische Analyse und Implemen-tation von Planspielen im Unterricht.

3. Haptische Unternehmenssimulation im Ein-

steigerunterricht Rechnungswesen. Studie-rende betreuen und evaluieren dieses sehr handlungsorientierte Lehr-Lern-Arrangement als Folgeprojekt zu ihrem Praktikum.

4. Prozessorientierung im Unterricht durch In-

tegration einer ERP-Software. Studierende entwickeln lernfeldorientierte Lehr-Lern-Ar-rangements unter Integration einer ERP-Software im Unterricht von Einzelhandels-klassen.

5. Reduzierung von Belastung und Stress im

Unterricht. Burnout und Langeweile sind u. a. Folge unangemessener Beschulung. Im Sinne eines kontinuierlichen Veränderungs-prozesses werden personale und lernorgani-satorische Kompetenzen auf den Prüfstand gestellt und weiterentwickelt.

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6. Wertethik / Berufsethos. Kulturelle Entäuße-

rungen (Sprache, Handlungen und Artefak-te), die spezifische ethische Werthaltungen implizieren, sind zu reflektieren, um einen adäquaten Umgang mit Integrationsproble-men jeglicher Art zu ermöglichen.

7. Vernetzung der Lehrerausbildungsphasen. Erfassung des Veränderungsbedarfs; Fort-bildungsangebote / Transferförderung und Evaluation.

8. Fachdidaktische Diagnostik. Systematische Fehleranalysen und Konsequenzen für di-daktisches Handeln.

KOOPERATIONSAKTIVITÄTEN MIT DEM STUDIENSEMINAR

Die wenigen vorliegenden Untersuchungen zum Referendariat lassen erkennen, dass diese Ausbildungsphase von Lehramtsanwärtern als anforderungsreich und belastungsintensiv wahr-genommen wird. Deswegen wurde eine Voll-erhebung aller Referendare im beruflichen Be-reich in Zusammenarbeit mit dem Studien-seminar unternommen mit dem Ziel, soziale Unterstützungsmaßnahmen und Kooperations-möglichkeiten zwischen Referendaren sowie Studierenden zu identifizieren. Anhand der Er-gebnisse wurde deutlich, dass eine Mehrheit der Referendare sich Hilfe bei der Unterrichts-gestaltung als denkbare Form der Unterstützung vorstellen kann, vor allem bei der Planung bzw. Vorbereitung des Unterrichtes sowie bei der Unterrichtsdurchführung. Die Referendare ga-ben als konkrete Unterstützungsmaßnahmen vor allem an, dass Studierende sie über einen längeren Zeitraum begleiten und sowohl bei der Unterrichtsvor- und -nachbereitung als auch bei Unterrichtsversuchen unterstützen könnten. Zudem profitierten Referendare von dem Aus-tausch und dem unvoreingenommenen Feed-back und könnten sich von Studierenden Hilfe-stellungen bei Verwaltungsaufgaben, Lehr-proben und Disziplinproblemen vorstellen. Die Befragten bezeichneten außerdem einen gegen-seitigen Transfer von Material, Erfahrung und Wissen als hilfreich. Diesen Austausch könnten sie sich sowohl an der Einsatzschule als auch in der Veranstaltung des Studienseminars sowie an neu zu schaffenden Projekten und Veran-

staltungen vorstellen. Als neu zu schaffendes Projekt gaben die Befragten an, eine Verknüp-fung der universitären Vorlesung und des Stu-dienseminars als sinnvoll zu erachten. Primär umfassten die Nennungen der Referendare eine Hilfestellung in Form von sowohl informatio-neller als auch instrumenteller Unterstützung. Emotionale Unterstützung wurde dabei nur marginal angeführt.

Insgesamt wurde deutlich, dass ein größerer Teil der Referendare (ca. 80 %) einer Zusam-menarbeit mit Studierenden positiv gegenüber-steht. Somit sieht nur ein kleiner Teil der Refe-rendare die Möglichkeit der Zusammenarbeit als zusätzliche Belastung. Des Weiteren liegt es Referendaren am Herzen, auf den Handlungs-bedarf einer Reformierung der Lehrkräfteaus-bildung hinzuweisen. Hier wird insbesondere auf die Redundanz der Inhalte zwischen der ersten und zweiten Ausbildungsphase hingewie-sen und eine verbesserte Abstimmung der bei-den Phasen empfohlen. Dieser Auffassung kann jedoch nicht unreflektiert gefolgt werden, was im Kapitel „Ausblick“ weiter präzisiert wird.

Die beschriebene Befragung bildete jedoch die Basis für eine Weiterentwicklung der Lehr-kräfteausbildung im beruflichen Bereich durch einen noch intensiveren Austausch zwischen der ersten und zweiten Ausbildungsphase. Exem-plarisch hierfür steht eine eintägige gemeinsame Veranstaltung zwischen dem Studienseminar und dem Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik, begleitet durch einen intensiven Dialog über curriculare und inhaltliche Ziele. Eine vielver-sprechende Erkenntnis dieses Austausches war die Verfolgung ähnlicher Ziele von beiden Seiten der Lehrkräfteausbildung. Hierbei spielt z. B. die Entwicklung einer forschenden Haltung der zukünftigen Lehrkräfte eine zentrale Rolle. Die-se forschende Haltung zeigt sich insbesondere in einer kontinuierlichen Reflexion, Transpa-renz, Offenheit für Innovationen und einer Einhaltung von Vereinbarungen. Durch die er-tragreichen Erkenntnisse und gute Kommunika-tion wurde von beiden Seiten vereinbart, dieses Treffen einmal jährlich stattfinden lassen zu wollen, um weiter im Austausch zu bleiben. Die ausführlichen Ergebnisse zu beiden Themen-bereichen können im Universitätsschulbericht 2013/2104 nachgelesen werden.5

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AUSBLICK Um letztendlich nicht vorschnellen Deduk-

tions- und Induktionsschlüssen zu unterliegen und uneingeschränkt den Forderungen der Referendare aus der Befragung nachzugeben, erscheint es notwendig, das in der Bildungsde-batte immer wieder oberflächlich strapazierte, sogenannte „Theorie-Praxis-Problem“ näher zu beleuchten und es somit für die Universitäts-schulinitiative fruchtbar zu machen.

Rein theoretisch sollten wir nach getaner Arbeit praktisch zufrieden einschlafen. Dass das hin- und wieder gelingt, liegt daran, dass Menschen in der Regel hervorragende Löser komplexer Probleme sind: Obwohl zumeist die konkrete Ausgangssituation nicht sicher ist und auch Ziele nicht exakt – und deshalb auch die Wege dorthin nicht exakt – bestimmt werden können, erweisen wir uns i. d. R. als hand-lungsfähig. Im (Berufs-)Alltag ist es eher ein muddling through (ein Durchwursteln), zu dem gern auch mal ein „Verdrängen“ von Schwie-rigkeiten gehört. Je mehr wir jedoch daran in-teressiert sind, dass unsere Handlungen nicht zum bloßen Aktionismus werden, desto besser müssen wir sicherstellen, dass Zielerreichungen unter Berücksichtigung von Neben- und Folge-effekten in der Summe positiv vorwärts gerichtet sind. Unter diesem Anspruch sind wir dauerhaft zur Reflexion aufgefordert:

Theoretisieren als nachgängig, begründetes Reden über Praxis!

Alle Familien, Vereine, Glaubensgemein-schaften, staatliche Institutionen, Wirtschafts-unternehmen etc. entwickeln unter den ihnen möglich erscheinenden / interpretierten Zielvor-gaben und Rahmenbedingungen Programme, die sie im Sinne und in den Grenzen unserer verfassungsmäßigen Grundrechte zu erreichen versuchen. Zwei Dinge scheinen dabei für ihre je eigene Praxis prinzipiell gültig zu sein: 1. Jede sich als eine Einheit verstehende Grup-

pierung hat das Recht, ihre eigene Program-matik zu verfolgen.

2. Für den Umstand, dass unterschiedliche Gruppierungen mit unterschiedlichen Zielpa-rametern und Rahmenbedingungen gemein-same, quasi „Oberziele“ verfolgen, braucht es außerhalb der einzelnen Gruppierung einen gemeinschaftlichen Rahmen und eine

Insgesamt-Programmatik, die die beteiligten Partner arbeitsteilig unter Einbringung ihrer Expertisen gestalten, ohne ihre Gruppen-identität aufgeben zu müssen. Diese gemeinsame Erzeugung eines Produkts

(Kollaboration) setzt die Zusammenarbeit (Kooperation) und diese wiederum die Kom-munikation voraus. Dies wird dauerhaft nur gelingen können, wenn alle Beteiligten diesen Prozess für sich als eine Win-Win-Situation erleben können. Konkret heißt das für die Ver-besserung und Verbreitung von Erkenntnissen der beruflichen Bildung, sprich für die Gestal-tung und Erforschung (vice versa) entsprechen-der didaktischer Prozesse, dass nur ein kon-struktiver Diskurs auf Augenhöhe der einzige zielführende Startpunkt sein kann. Nach fast vier Jahrzehnten empirischer Lehr-Lern-Forschung zeichnet sich auch deutlich der Zeit-Ziel-Raum ab: eine Lerngesellschaft.6 Dies entspricht auch der horizontalen Anordnung der Abbildung 3 und ist damit auch eine Absage an jegliche Idee, einem anderen Funktionsbereich vor-schreiben zu wollen, wie er seine Praxis, die man selbst nicht zu verantworten hat, organi-sieren soll.

Wenn man einen gemeinsamen Funktions-bereich kreieren will, gelten wieder die oben formulierten Prinzipien und Gelingensbedin-gungen. Wird dieser Diskurs nicht begangen oder führt er zu keinem Ergebnis, können sich notwendige Veränderungen nicht einstellen und die Ausgangsdifferenzen werden somit eher stabilisiert. Daher wurde der Kritikpunkt der Referendare zur besseren Abstimmung der ers-ten und zweiten Phase zum Anlass genommen, sich mit Vertretern der Studienseminare zu tref-fen und sich über die Kompatibilität der Curri-cula auszutauschen. Insgesamt ist zu diesem Punkt zu konstatieren, dass das Studiensemi-nar und die universitäre Ausbildung in weiten Bereichen an der Erreichung übereinstimmen-der und kompatibler Ziele interessiert sind. Dabei spielt das Entwickeln einer forschenden Haltung bei den zukünftigen Lehrenden eine zentrale Rolle in beiden Phasen der Lehrkräfte-ausbildung.

Um es in der Summe noch einmal deutlich zu betonen:

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D E T L E F S E MB I L L / J Ö R G N E U B AU E R

14 AR GUMEN T E U ND M A T E R I A L I E N Z UM Z E I T G E S C H E H E N S A 1 / 2 0 1 6

Abbildung 3: System didaktischer Theoriebildung

Quelle: Sembill, Detlef: Erforschung didaktischer Prozesse, in: Handbuch Schule und Unterricht, Band 4.2, hrsg. von Walter Twellmann, Düsseldorf 1981, S. 827-845

Gerade die gemeinsame Universitätsschul-

initiative stellt sicher, dass Prozesse der Wissens-generierung unter kognitiven, motivationalen und emotionalen Determinanten funktions- und zielführend im jeweiligen anderen Praxisbereich zu anderen individuellen und sozialen Ausfor-mungen führen können, und teilweise auch führen müssen, ohne die Wirkungsweise sol-cher Prozesse prinzipiell in Frage zu stellen. Deshalb führen die Aufnahme von Erkenntnis-sen von Wissenschaft und erster Phase in die zweite Phase der Lehrkräfteausbildung und in die tägliche Schulpraxis zu keiner Dopplung,

sondern stellen eher eine Kalibrierung von in-dividual- und situationsangemessenen Parame-tern unter jeweils anderen Rahmenbedingungen dar.

|| PROF. DR. DETLEF SEMBILL

Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik, Otto-Friedrich-Universität Bamberg

|| JÖRG NEUBAUER, DIPL. KFM.

Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik, Otto-Friedrich-Universität Bamberg

Page 16: LMU München - Sonderausgabe 1/2016 Argumente und ......Abb. 1: Kulturbegegnungsmodell der Kommunikation Quelle: in Anlehnung an Schmid, Bernd / Messmer, Arnold: Systematische Personal,-

D A S B AM B E R G E R U N I V E R S I T Ä T S S C HU L K ON Z E P T

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LITERATUR

Bauer, Claus / Neubauer, Jörg: Bericht der Bamberger Universitätsschulen. Unveröffentlichter Abschluss-bericht, Bamberg 2013.

Blum, Ewald: Lehrerfortbildung und Transfer – Längs-schnittstudie am Beispiel von Unternehmensplan-spielen (Posterbeitrag), in: Nationale und regionale empirische Bildungsforschung. Abstractband der Sektionstagung für empirische Bildungsforschung, hrsg. von Michelle Mitchell und Jürgen Abel, Bam-berg 2011.

Sembill, Detlef: Emotionen in ihrer Funktionalität für das Lernen, in: Handbuch Berufs- und Wirtschafts-pädagogik, hrsg. von Reinhold Nickolaus, Günter Pätzold und Holger Reinisch, Bad Heilbrunn / Obb. 2010, S. 80-84.

Sembill, Detlef / Seifried, Jürgen: Empirische Erkenntnisse zum handlungsorientierten Lernen in der kaufmän-nischen Bildung, in: Lernen & Lehren 98/2010, S. 61-67.

Sembill, Detlef / Seifried, Jürgen: Selbstorganisiertes Lernen in der kaufmännischen Erstausbildung, in: Bildungspsychologie, hrsg. von Christine Spiel, Ralph Reimann und Barbara Schober, Göttingen 2010, S. 158-162.

Weyland, Ulrike / Wittmann, Eveline: Zur Einführung von Praxissemestern: Bestandsaufnahme, Zielset-zungen und Rahmenbedingungen, in: Grundlagen-forschung zum Dualen System und Kompetenzent-wicklung in der Lehrkräftebildung, hrsg. von Uwe Faßhauer, Bärbel Fürstenau und Eveline Wuttke, Opladen 2011, S. 49-60.

ANMERKUNGEN

1 Sembill, Detlef: Berufliche Bildung in einer Lernge-sellschaft, in: Return to work – Arbeit für alle, hrsg. von Andreas Weber, Ludger Peschkes und Wout de Boer, Stuttgart 2015, S. 83-93.

2 Schmid, Bernd / Messmer, Arnold: Systematische Personal,- Organisations- und Kulturentwicklung. Konzepte und Perspektiven, Bergisch Gladbach, 2. Aufl., 2005.

3 Seifried, Jürgen / Ziegler, Birgit: Domänenbezogene Professionalität, in: Lehrerprofessionalität – Bedin-gungen, Genese, Wirkungen und Messung, hrsg. von Olga Zlatkin-Troitschanskaia, Klaus Beck und Detlef Sembill, Weinheim 2009, S. 83-92.

4 Bauer, Claus / Blum, Ewald / Sembill, Detlef: Bam-berger Universitätsschulen leisten wertvollen Beitrag für die regionale Lehrerfortbildung, in: vlb-akzente 6/2011, S. 16-18.

5 Sembill, Detlef / Bauer, Claus / Neubauer, Jörg: Be-richt der Bamberger Universitätsschulen. Unveröf-fentlichter Abschlussbericht, Bamberg 2014.

6 Sembill: Berufliche Bildung in einer Lerngesellschaft, S. 83-93.

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Schautafeln, die während der Fachtagung im Foyer aufgestellt waren, erklären die unterschiedlichen

Universitätsschulkonzepte und bieten viel Diskussionsstoff.

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DIE GESTALTUNG DER UNIVERSITÄTSSCHULE IN NÜRNBERG

KARL WILBERS / WOLFGANG LEHNER || Das in diesem Beitrag beschriebene Nürnberger Univer-sitätsschulmodell sieht die Bildung regionaler professioneller Lerngemeinschaften vor, die der Professions-, Schul- und Systementwicklung und Forschung dienen. Neben der Ausbildung von Studierenden der Berufs- und Wirtschaftspädagogik steht die Weiterentwicklung der beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie der beteiligten Lehrkräfte, Seminarlehrkräfte und Schulleitungen im Fokus.

GRUNDANNAHMEN Berufs- und wirtschaftspädagogische Profes-

sionals sind in einem nicht klar abgrenzbaren Aufgabenfeld tätig, dessen Aufgaben anspruchs-volle fachwissenschaftliche und pädagogisch-didaktische Kompetenzen adressieren. Ein zen-trales Aufgabenfeld wird durch die Tätigkeit als Lehrkraft an einer beruflichen Schule abgesteckt. Dieses Tätigkeitsfeld beinhaltet die Vorbereitung, Durchführung und Reflexion von Unterricht. Diese Tätigkeit ist heute jedoch vielgestaltiger und verlangt beispielsweise auch kollegiale Aufgaben in der didaktischen Jahresplanung oder dem Qualitätsmanagement und der Schulentwicklung. Wissenschaftliche Theorien und Modelle können – so eine Grundannahme am Nürnberger Lehrstuhl – Unterstützung bei der Bewältigung dieser vielfältigen Aufgaben bieten. Dies verlangt jedoch eine praxisnahe Auseinandersetzung mit den entsprechenden wissenschaftlichen Modellen und Theorien, ohne jedoch praktizistisch zu werden. Nur im intensiven Austausch können die Möglichkeiten und Grenzen – und Fortentwicklungsmöglich-keiten – von wissenschaftlichen Modellen und Theorien und praktischer Gestaltung erörtert werden. Die in diesem Papier vorgestellte Uni-versitätsschule nach dem Nürnberger Modell bietet dazu eine exzellente Plattform.

LEITBILD DER NÜRNBERGER UNIVERSITÄTSSCHULE

Die Ausbildung der Studierenden im Rah-men des Nürnberger Universitätsschulmodells dient der Entwicklung der wirtschaftsdidakti-schen bzw. berufspädagogisch-didaktischen Kompetenz der Studierenden. Ziel ist u. a. die Gestaltung einer modernen Lehrkräfteausbil-dung, in der „die Studierenden wissenschaftlich gestützt praxisnah“1 auf die spätere Berufstätig-keit vorbereitet und in den Bestand der didakti-schen Theorien eingeführt werden. Nach dem Universitätsschulgedanken arbeiten dafür ausge-wählte Seminarschulen der Region eng mit der Universität zusammen und es werden bewährte Elemente der Lehrkräfteausbildung mit Perso-nalentwicklungsinstrumenten, wie z. B. Men-toring, verknüpft.

Konzeptionell und inhaltlich wurde neben der Studiengangmatrix, in der die Ziele und an-zustrebenden Kompetenzen des Studiengangs ausgewiesen sind, das Basiscurriculum für das universitäre Studienfach Berufs- und Wirt-schaftspädagogik im Rahmen berufs- und wirt-schaftspädagogischer Studiengänge, der Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Deut-schen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, berücksichtigt. Darüber hinaus wurden die ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen

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K AR L W I L B E R S / W O L F G AN G L E H N E R

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für die Fachwissenschaften und Fachdidakti-ken in der Lehrkräftebildung,2 die die aktuellen Standards der Kultusministerkonferenz darstel-len, integriert.

Bei der Konzeption wurden u. a. auch in-ternationale Forschungsergebnisse aus der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften einbezogen. Hohe Bedeutung haben zudem Elemente, die dem forschenden Lernen zuzuordnen sind und die zum Beispiel die Entwicklung der von Wei-nert und Helmke geforderten „quasi-experi-mentelle[n] Einstellungen zur eigenen Unter-richtspraxis“3 verfolgen. Nach Wilbers ist dabei „die forschungsmethodische Ausbildung kei-neswegs nur forschungsrezipierend und auf den Erwerb basaler Methodenkompetenz angelegt“,4 sondern es sollen schrittweise diagnostische Fä-higkeiten erlernt und es soll an praxis- und pro-blemorientierter Forschung mitgewirkt werden.

Angestrebt wird zudem die Bildung kleiner Gruppen, um den Studierenden eine intensive Betreuung mit individuellen Entwicklungsmög-lichkeiten zu bieten. Die Studierenden sollen durch spezielle Arbeitsaufträge Schritt für Schritt an die Planung und Umsetzung von Unterricht herangeführt werden und einen pädagogisch-didaktischen „Werkzeugkasten“ für ihre spätere Berufstätigkeit entwickeln. Am Lernort Schule erleben die Studierenden Praxis, nehmen zusätz-lich an Konferenzen und Veranstaltungen der Schule teil und führen Gespräche mit der Schul-leitung und diversen Expertinnen und Experten (z. B. Schulpsychologinnen und Schulpsycholo-gen, Qualitätsmanagementverantwortlichen etc.) und begleiten deren Arbeit. Sie sollen somit das breite Spektrum des Lehr- und Schulalltags kennenlernen und können die gesammelten Erfahrungen für ihre Berufswahlentscheidung nutzen. Es soll deutlich werden, dass das Un-terrichten eine Kernaktivität einer Lehrkraft ist, aber das Berufsfeld weitere herausfordernde Arbeiten bereithält. Weiterhin sollen auch u. U. vorhandene Vorurteile, z. B. gegenüber bestimm-ten Schülerinnen- und Schülergruppen, wie den Klassen im Berufsvorbereitungsjahr (BVJ), abge-baut werden. Zudem soll sich den Studieren-den erschließen, welche Unterstützungsmög-lichkeiten Lehrkräfte unter Umständen nutzen können (z. B. Schulpsychologie) und sie sollen die zentralen Anlaufstellen kennenlernen.

Von zentraler Bedeutung ist in Nürnberg der Austausch von Know-how und Erfahrungen mit dem Hochschullehrer, mit Mentorinnen und Mentoren, mit Expertinnen und Experten an den Schulen und Mitstudierenden. Die Stu-dierenden sollen unterschiedliche Schulen und Unterrichtsstile kennenlernen und sollen Schul-kultur, Schulentwicklung, Schulorganisation und schulisches Qualitätsmanagement erleben. Damit verbunden ist immer das Nachdenken über sich selbst, d. h. die Selbstreflexion, und die Reflexion der gesammelten Erfahrungen und Erlebnisse. Reflexion und Selbstreflexion werden durch diverse Arbeitsaufträge angeregt und durch Literatur und Arbeitshilfen unter-stützt.

All dies soll dazu beitragen, die Studierenden mit deutlich mehr Praxis- und Unterrichtser-fahrung und näher an der Realität der Schulen ausgebildet, an die zweite Phase zu übergeben, ohne jedoch praktizistisch zu werden. Dadurch kann die zweijährige Ausbildung im Referen-dariat im Idealfall auf einem höheren Kompe-tenzniveau starten und nicht nur die Universi-tätsschulen, sondern auch die Seminar- und Einsatzschulen profitieren von einer insgesamt höheren Ausbildungsqualität. Zudem soll da-durch ein möglicher Praxisschock der angehen-den Lehrkräfte, der bei Eintritt in das Referen-dariat entstehen kann,5 verhindert werden.

In der Nürnberger Universitätsschule geht es jedoch nicht nur um die Kompetenzentwicklung der Studierenden. Das Leitbild der Nürnberger Universitätsschule sieht die Bildung regionaler professioneller Lerngemeinschaften (Professional Learning Communities) der Professions-, Schul- und Systementwicklung und Forschung vor.6 Institutionell betrachtet geht es dabei um die Weiterentwicklung der Universität und der be-teiligten Schulen, d. h. neben den Studierenden sollen auch die beteiligten Lehrkräfte, die Se-minarlehrkräfte, die Schulleitungen und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler pro-fitieren und gemeinsam praxisnahe Berufsbil-dungsforschung leisten.7 Die Forschung soll zur Entwicklung praxisnaher Unterrichtskonzepte, des Qualitätsmanagements und der Schulent-wicklung beitragen und somit zu einer produk-tiven Verbindung zwischen Universität und Schulwirklichkeit führen. Die gewonnenen Er-

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A R GUMEN T E U ND M A T E R I A L I E N Z UM Z E I T G E S C H E H E N

kenntnisse und Forschungsergebnisse sollauch über die Universitätsschulen hinaus nutbar gemacht werden.

ZIELGRUPPE UND BETEILIGTE SCHULEN

Zielgruppe der Nürnberger Universitätschule sind Studierende des MasterstudiengangsWirtschaftspädagogik der Rechtsschaftswissenschaftlichen Fakultät und desMasterstudiengangs Berufspädagogik Technik der Technischen Fakultät der Friedrichder-Universität Erlangen-Nürnberg. An der FAUwerden pro Studienjahr ca. 100Wirtschaftspädagogik und ca. 25der Berufspädagogik in den Masterstudiengägen und somit auch in der Univausgebildet (s. Abb. 1).

Am Nürnberger Konzept sind insgesamt vierberufliche Seminarschulen als Universitätsschlen beteiligt. Für die Studierenden der Wirschaftspädagogik stehen die Berufliche Schuleund die Berufliche Schule 6 der Stadt Nürnberg

Abbildung 1: Personen, Institutionen und Standorte der

Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen

D I E G E S T A L T UN G D E R U N I V E R S I T Ä T S S C H U L E I N N Ü R

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kenntnisse und Forschungsergebnisse sollen auch über die Universitätsschulen hinaus nutz-

LIGTE SCHULEN Zielgruppe der Nürnberger Universitäts-

schule sind Studierende des Masterstudiengangs Wirtschaftspädagogik der Rechts- und Wirt-

akultät und des Masterstudiengangs Berufspädagogik Technik der Technischen Fakultät der Friedrich-Alexan-

Nürnberg. An der FAU werden pro Studienjahr ca. 100 Studierende der Wirtschaftspädagogik und ca. 25 Studierende

agogik in den Masterstudiengän-gen und somit auch in der Universitätsschule

Am Nürnberger Konzept sind insgesamt vier berufliche Seminarschulen als Universitätsschu-len beteiligt. Für die Studierenden der Wirt-

die Berufliche Schule 4 6 der Stadt Nürnberg

sowie die Staatliche LudwigFürth und für die Studierenden der Berufspdagogik die Staatliche Berufsschule Erlangen zur Verfügung. An den vier Universitätsschulen unterstützen zurzeit insgesamt 22die didaktische Ausbildung und begleiten die Studierenden als Mentorinnen und Mentoren.

VERANKERUNG IM STUDIUM

Der Universitätsschulgedanke ist in Nürberg in allen vier Semestern der Masterstudiegänge durch entsprechende Veranstaltungenverankert. Die Studienpläne sehen im ersten und zweiten Semester des Masters die Verastaltung „Berufs- und wirtschaftspädagogische Didaktik“ vor, die verpflichtend für alle Stdierenden insgesamt 20 ECTS umfasst. Dies entspricht umgerechnet einer studentischenArbeitsbelastung von 600 Arbeitsstunden. DieVeranstaltung folgt dem Prozess des Nürnbeger Didaktikmodells, das nachfolgend nocherläutert wird und beinhaltet universitäre Prä

: Personen, Institutionen und Standorte der Nürnberger Universitätsschule

Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Fachbereich Wirtschaftswissenschaften

R S I T Ä T S S C H U L E I N N Ü RN B E R G

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sowie die Staatliche Ludwig-Erhard-Schule in Fürth und für die Studierenden der Berufspä-dagogik die Staatliche Berufsschule Erlangen zur Verfügung. An den vier Universitätsschulen

rstützen zurzeit insgesamt 22 Lehrkräfte die didaktische Ausbildung und begleiten die Studierenden als Mentorinnen und Mentoren.

UM Der Universitätsschulgedanke ist in Nürn-

berg in allen vier Semestern der Masterstudien-rechende Veranstaltungen

verankert. Die Studienpläne sehen im ersten und zweiten Semester des Masters die Veran-

und wirtschaftspädagogische Didaktik“ vor, die verpflichtend für alle Stu-

ECTS umfasst. Dies mgerechnet einer studentischen

Arbeitsstunden. Die Veranstaltung folgt dem Prozess des Nürnber-ger Didaktikmodells, das nachfolgend noch erläutert wird und beinhaltet universitäre Prä-

Universitätsschule

Wirtschaftswissenschaften

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20 AR GUMEN T E U ND M A T E R I A L I E N Z UM Z E I T G E S CH E H E N

senzveranstaltungen, Veranstaltungen an den Universitätsschulen und ein umfangreiches, ausdifferenziertes Selbststudium, das neben indviduellen Studienleistungen auch PartnerGruppenleistungen vorsieht.

Hinzu kommt im zweiten Mastersemester verpflichtend für alle Studierenden das Mdul „Empirische Forschung“ im Umfang von5 ECTS. In diesem Modul bearbeiten die Stdierenden im Sinne eines forschenden Lernens Forschungsprojekte zusammen mit desitätsschulen. Abhängig von der Problemstelung werden die Projekte quantitativ bzw. qualtativ empirisch erforscht. Häufig bietet sich aucheine Kombination der beiden Forschungsmthoden an, um Antworten auf die Forschungfrage zu finden und aussagekräftige Daten zu generieren. Der Prozess der empirischen Foschung, der innerhalb der Projekte zugrundgelegt wird, erstreckt sich vom Prozessschritt„Idee entwickeln“ über „Forschungsfrage und Forschungsstand entfalten“, „Forschung vo

Abbildung 2: Empirische Forschung: Prozess

Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen

AN G L E H N E R

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senzveranstaltungen, Veranstaltungen an den Universitätsschulen und ein umfangreiches, aus-differenziertes Selbststudium, das neben indi-viduellen Studienleistungen auch Partner- und

Hinzu kommt im zweiten Mastersemester verpflichtend für alle Studierenden das Mo-dul „Empirische Forschung“ im Umfang von ECTS. In diesem Modul bearbeiten die Stu-

dierenden im Sinne eines forschenden Lernens Forschungsprojekte zusammen mit den Univer-sitätsschulen. Abhängig von der Problemstel-lung werden die Projekte quantitativ bzw. quali-ativ empirisch erforscht. Häufig bietet sich auch eine Kombination der beiden Forschungsme-thoden an, um Antworten auf die Forschungs-

gekräftige Daten zu generieren. Der Prozess der empirischen For-schung, der innerhalb der Projekte zugrunde-gelegt wird, erstreckt sich vom Prozessschritt „Idee entwickeln“ über „Forschungsfrage und

„Forschung vor-

bereiten“, „Forschung designen“erheben“ bis hin zum „Reporten“.

Beiden Modulen, also sowohl dem Modul Berufs- und wirtschaftspädagogische Didaktik als auch dem Modul Empirische Forschung, die beide in der Nürnberger Universitätsschule verankert sind, liegen damit klare Prozesse zgrunde (s. Abb. 2). Die Studierenden können darüber hinaus in Nürnberg noch weitere optionaleUmfang von bis zu 25 ECTS im Kontext derUniversitätsschule belegen. So kann im dritten Mastersemester aus verschiedenen Wahlseminren eine Veranstaltung mit Universitätsschulveknüpfung gewählt werden. Die Studierenden bearbeiten in diesem Seminar Forschungsprjekte, die zusammen mit den Universitätsschlen definiert werden und die aktuelle und relvante Problemstellungen der SchulenExpertinnen und Experten der jeweiligen Schuleund der Universität begleiten das Seminar und stehen unterstützend zur Sei

: Empirische Forschung: Prozess

Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Fachbereich Wirtschaftswissenschaften

hung designen“ und „Daten erheben“ bis hin zum „Reporten“.

Beiden Modulen, also sowohl dem Modul und wirtschaftspädagogische Didaktik

als auch dem Modul Empirische Forschung, die beide in der Nürnberger Universitätsschule

it klare Prozesse zu-

Die Studierenden können darüber hinaus in Nürnberg noch weitere optionale Module im

ECTS im Kontext der Universitätsschule belegen. So kann im dritten Mastersemester aus verschiedenen Wahlsemina-ren eine Veranstaltung mit Universitätsschulver-knüpfung gewählt werden. Die Studierenden bearbeiten in diesem Seminar Forschungspro-jekte, die zusammen mit den Universitätsschu-len definiert werden und die aktuelle und rele-vante Problemstellungen der Schulen aufgreifen. Expertinnen und Experten der jeweiligen Schule und der Universität begleiten das Seminar und stehen unterstützend zur Seite.

Nürnberg (FAU), Fachbereich Wirtschaftswissenschaften

Page 22: LMU München - Sonderausgabe 1/2016 Argumente und ......Abb. 1: Kulturbegegnungsmodell der Kommunikation Quelle: in Anlehnung an Schmid, Bernd / Messmer, Arnold: Systematische Personal,-

D I E G E S T A L T UN G D E R U N I V E R S I T Ä T S S C H U L E I N N Ü RN B E R G

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Abbildung 3: Übersicht über den Masterstudiengang Wirtschaftspädagogik

Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Fachbereich Wirtschaftswissenschaften

Des Weiteren kann von den Studierenden im

Rahmen ihrer Masterarbeit ein Thema bearbei-tet werden, das zusammen mit den Universi-tätsschulen formuliert und erforscht wird und wofür die Universitätsschulen als Praxispartner zur Verfügung stehen und den Studierenden Unterstützung bieten. Bei der Anfertigung von Qualifikationsarbeiten besteht auch eine Koo-perationsmöglichkeit mit anderen beruflichen Schulen. Sowohl Bachelor- als auch Masterar-beiten können von den Studierenden neben den Universitätsschulen auch in Kooperation mit anderen Schulen erstellt werden. Die Schulen können mit geeigneten Forschungsfragen bzw. Themenstellungen, die für sie relevant sind, an den Lehrstuhl herantreten oder sich als Praxis-partner für Themenstellungen des Lehrstuhls anbieten.

In den Nürnberger Studiengängen hat die Universitätsschule somit einen für alle Studie-renden verpflichtenden Anteil von 25 ECTS und kann, bei entsprechender Wahl der Studie-renden, insgesamt einen Umfang von bis zu 50 ECTS einnehmen. Das entspricht über 40 % (50 von 120 ECTS) des Gesamtstudiums und verdeutlicht den hohen Stellenwert des Kon-zepts (s. Abb. 3).

DAS DIDAKTISCHE DESIGN IM ÜBERBLICK

Blended Learning Bei der Konstruktion der Nürnberger Uni-

versitätsschule wurden die an Universitäten ty-pischen Lehrgefäße „Vorlesung“ und „Übung“ durch Lehr- und Lernformen des integrierten Ler-nens (Blended Learning) ersetzt.8 Dabei werden ein mediengestütztes Selbststudium, geblockte universitäre Präsenzveranstaltungen, Mentoring an den Universitätsschulen und weitere curricu-lare Elemente kombiniert.9

Die Kombination aus verschiedenen curricu-laren Gefäßen, des zeitlichen Umfangs der Ver-anstaltung und der Zusammenarbeit mit meh-reren externen Partnern, führen zu einer sehr komplexen Struktur. Die Komplexität macht eine detaillierte Erläuterung der Bestandteile und klare Regelungen, u. a. im Hinblick auf die Organisation, die Zusammenarbeit und die Prüfung, erforderlich. Die Regelungen und die Beschreibung einzelner Elemente wurden sehr detailliert in einem Bulletin zusammengefasst, das die Grundlage für die Zusammenarbeit aller an der Universitätsschule Beteiligten bildet. Das Bulletin ist allen Mitwirkenden zugänglich und soll als Informationsquelle und Nachschlagewerk

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K AR L W I L B E R S / W O L F G AN G L E H N E R

22 AR G UME N T E U N D M A T E R I A L I E N Z UM Z E I T G E S C H E H E N

für organisatorische Fragen, z. Stammgruppen und Tandems, den Ablauf des Mentorings, die Aktivitäten in der Schule und das Prüfungsportfolio betreffend, genutzt weden. Selbststudium und Lernaufträge

Den Ausgangspunkt für das Konzept bildet ein spezifisches didaktisches Modell zur Unterichtsvor- und Unterrichtsnachbereitung, das Nürnberger Didaktikmodell.10 Das Modell ufasst die fünf Prozesselemente: ∙ Idee entwickeln, ∙ makrodidaktisch planen, ∙ mikrodidaktisch planen, ∙ evaluieren und ∙ revidieren.11

Das Modell, das in der Tradition der Berliner

Schule der Didaktik steht,12 kombiniert dabei

Abbildung 4: Nürnberger Didaktikmodell

Quelle: Friedrich-Alexander-Universität

AN G L E H N E R

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B. die Arbeit in Stammgruppen und Tandems, den Ablauf des Mentorings, die Aktivitäten in der Schule und

fend, genutzt wer-

Selbststudium und Lernaufträge Den Ausgangspunkt für das Konzept bildet

ein spezifisches didaktisches Modell zur Unter-und Unterrichtsnachbereitung, das

Das Modell um-

Das Modell, das in der Tradition der Berliner kombiniert dabei

„eine Vorstellung zur Struktur deeiner Vorstellung zum Prozess der Unterrichtplanung“.13 Es umfasst zusätzlich zu den fünf Prozesselementen die drei Strukturelemente„Absicht und Thema“, „Methode“ sowie „Bdingungen“ (s. Abb. 4).14

Dieses Modell bildet die Grundlage für das Selbststudienmaterial, in dem die vier Prozesschritte weiter untergliedert und in 24 Kapiteln ausdifferenziert sind. Aus hocschuldidaktischen Gründen folgen diese Kapiteldem Prozessmodell allerdings nicht durchgängiglinear, sondern wurden denzum Teil vor- oder nachgelagert. Ein Kapitel desfür die Universitätsschulen entwickelten Matrials entspricht einer Lerneinheit. Die Studirenden studieren in Nürnberg über einen Zeiraum von zwei Semestern, in chronologischer Reihenfolge, wöchentlich eine dieser Lerneiheiten und bearbeiten dazugehörige Arbeitsauf

: Nürnberger Didaktikmodell

Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Fachbereich Wirtschaftswissenschaften

„eine Vorstellung zur Struktur der Planung mit einer Vorstellung zum Prozess der Unterrichts-

Es umfasst zusätzlich zu den fünf Prozesselementen die drei Strukturelemente

„Methode“ sowie „Be-

Dieses Modell bildet die Grundlage für das Selbststudienmaterial, in dem die vier Prozess-schritte weiter untergliedert und in insgesamt

Kapiteln ausdifferenziert sind. Aus hoch-schuldidaktischen Gründen folgen diese Kapitel dem Prozessmodell allerdings nicht durchgängig linear, sondern wurden den Prozesselementen

oder nachgelagert. Ein Kapitel des für die Universitätsschulen entwickelten Mate-rials entspricht einer Lerneinheit. Die Studie-renden studieren in Nürnberg über einen Zeit-raum von zwei Semestern, in chronologischer

e, wöchentlich eine dieser Lernein-heiten und bearbeiten dazugehörige Arbeitsauf-

Nürnberg (FAU), Fachbereich Wirtschaftswissenschaften

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A R GUMEN T E U ND M A T E R I A L I E N Z UM Z E I T G E S C H E H E N

träge. Die Lerneinheiten 1 bis 13 werden dabei im ersten Semester und die Lerneinheiten 14 bis24 im zweiten Semester behandelt. Unterstützt werden die Studierenden durch verschiedenArbeitshilfen (Tools), wie z. B. Kriterienkataloge,Checklisten, Vorlagen und Übersichten, die in einer Toolbox zusammengefasst sind.

Dieses umfangreiche didaktischedas in der Nürnberger Universitätsschule eingsetzt wird, kann auch außerhalb der Universtätsschule über die Homepage unterricht-gestalten.de bezogen werden. Neben dem kompletten Lehrbuch und den Arbeitshifen, die in der Toolbox zusammengefasst sind, stehen auch das Prozessmodell, das Kompetenzmodell und diverse Abbildungen zum Dowload zur Verfügung. Die Nutzung des Materials und diverse damit verbundene Rückmeldkanäle zur Erweiterung und Verbesserung deMaterialien ermöglichen allen Interessierten, ander Universitätsschule zu partizipieren.

Die Lerneinheiten und die Arbeitsaufträge werden von den Studierenden in drei Präsenblöcken pro Semester zusammen mit einem Hochschullehrer an der Universität vertbesprochen. Die Studierenden werden dazu in

Abbildung 5: Präsenzveranstaltungen an der Universität

Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen

D I E G E S T A L T UN G D E R U N I V E R S I T Ä T S S C H U L E I N N Ü R

A R GUMEN T E U ND M A T E R I A L I E N Z UM Z E I T G E S C H E H E N

1 bis 13 werden dabei im ersten Semester und die Lerneinheiten 14 bis 24 im zweiten Semester behandelt. Unterstützt werden die Studierenden durch verschiedene

B. Kriterienkataloge, Checklisten, Vorlagen und Übersichten, die in einer Toolbox zusammengefasst sind.15

Dieses umfangreiche didaktische Material, das in der Nürnberger Universitätsschule einge-setzt wird, kann auch außerhalb der Universi-tätsschule über die Homepage www.wirtschafts

bezogen werden. Neben dem kompletten Lehrbuch und den Arbeitshil-fen, die in der Toolbox zusammengefasst sind, stehen auch das Prozessmodell, das Kompetenz-modell und diverse Abbildungen zum Down-load zur Verfügung. Die Nutzung des Materials und diverse damit verbundene Rückmelde-kanäle zur Erweiterung und Verbesserung der Materialien ermöglichen allen Interessierten, an der Universitätsschule zu partizipieren.

Die Lerneinheiten und die Arbeitsaufträge werden von den Studierenden in drei Präsenz-blöcken pro Semester zusammen mit einem Hochschullehrer an der Universität vertieft und besprochen. Die Studierenden werden dazu in

vier Gruppen von bis zu maximal 30 Personen eingeteilt. Jede dieser Gruppen bespricht und diskutiert für die Dauer von mindestens vier Wochenstunden pro Präsenzblock die Lereinheiten und die Arbeitsauftkenntnisse und Erfahrungen aus den Unterichtsbeobachtungen oder sen, mit dem Hochschullehrer

Verbunden mit dem Selbststudium ist ein wöchentlicher Aufenthalt der Studierenden von mindestens vier zusammenhängerichtsstunden an den Universitätsschulen. Dzu werden sie in feste Gruppen von bis zu fünf Personen eingeteilt, die für mindestens ein Semester stabil bleiben. Während ihres Aufenhalts begleiten und betreuen ausgewählte Lehkräfte die Studierenden als Mentorinnen und Mentoren (s. Abb. 6).

Auch sie bearbeiten die Lerneinheiten und diskutieren diese wöchentlich während desAufenthalts der Studierenden an der Schule mit ihnen. So wird u. a. die Theorie mit der Praxis verglichen, Schwierigkeiten bei der Umsetzung bestimmter theoretischer Konzepte erörtert swie deren Chancen und Grenzen aus Sicht von Praktikerinnen und Praktikern aufgezeigt.

: Präsenzveranstaltungen an der Universität

Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Fachbereich Wirtschaftswissenschaften

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vier Gruppen von bis zu maximal 30 Personen eingeteilt. Jede dieser Gruppen bespricht und diskutiert für die Dauer von mindestens vier Wochenstunden pro Präsenzblock die Lern-einheiten und die Arbeitsaufträge, die auch Er-kenntnisse und Erfahrungen aus den Unter-richtsbeobachtungen oder -planungen umfas-sen, mit dem Hochschullehrer (s. Abb. 5).

Verbunden mit dem Selbststudium ist ein wöchentlicher Aufenthalt der Studierenden von mindestens vier zusammenhängenden Unter-richtsstunden an den Universitätsschulen. Da-zu werden sie in feste Gruppen von bis zu fünf Personen eingeteilt, die für mindestens ein Semester stabil bleiben. Während ihres Aufent-halts begleiten und betreuen ausgewählte Lehr-

en als Mentorinnen und

Auch sie bearbeiten die Lerneinheiten und diskutieren diese wöchentlich während des Aufenthalts der Studierenden an der Schule mit

a. die Theorie mit der Praxis verglichen, Schwierigkeiten bei der Umsetzung bestimmter theoretischer Konzepte erörtert so-wie deren Chancen und Grenzen aus Sicht von

kern aufgezeigt.

Wirtschaftswissenschaften

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Abbildung 6: Mentorin bzw. Mentor und Stammgruppe

Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Fachbereich Wirtschaftswissenschaften

Grobskizzierung des Mentorings Zu Beginn des ersten Semesters liegt der

Schwerpunkt auf der Analyse von Unterricht. Dazu erhalten die Studierenden entsprechende Analyse- und Beobachtungsaufträge, die sie zu bearbeiten haben und wozu sie in der Regel entsprechende Arbeitshilfen aus der Toolbox nutzen können. In der zweiten Hälfte des ers-ten Semesters werden die Studierenden stärker in das Unterrichtsgeschehen eingebunden und übernehmen einzelne Sequenzen des Unterrichts von der Lehrkraft. Unter einer Unterrichtsse-quenz wird zum Beispiel die Übernahme des Unterrichtseinstiegs oder einer ausgewählten Er-arbeitungs- oder Sicherungsphase verstanden. Die Studierenden sollen erst einmal kleine, überschaubare Teile einer in der Regel für An-fängerinnen und Anfänger komplexen Unter-richtsstunde übernehmen und schrittweise durch die Mentorin bzw. den Mentor begleitet und an

die Übernahme kompletter Unterrichtseinhei-ten herangeführt werden. Im zweiten Semester werden von den Studierenden zu Beginn wei-terhin erst einmal einzelne Sequenzen des Un-terrichts der Lehrkraft übernommen, bevor sie im weiteren Verlauf des Semesters komplette Unterrichtseinheiten in der Klasse durchführen (s. Abb. 7).

An die vier Unterrichtsstunden, in denen be-obachtet und analysiert wird sowie Unterrichts-sequenzen und -einheiten übernommen werden, schließt sich ein wöchentliches Gespräch mit der Mentorin bzw. dem Mentor (Mentoringge-spräch) von mindestens einer Unterrichtsstun-de an. Während des Mentorings werden u. a. Erfahrungen ausgetauscht, Unterrichtsbeob-achtungen und -analysen reflektiert, implizite Unterrichtskonzepte hinterfragt, die Inhalte der Lerneinheiten diskutiert und es wird ein gegen-seitiger Feedbackprozess initiiert (s. Abb. 8).

Page 26: LMU München - Sonderausgabe 1/2016 Argumente und ......Abb. 1: Kulturbegegnungsmodell der Kommunikation Quelle: in Anlehnung an Schmid, Bernd / Messmer, Arnold: Systematische Personal,-

A R GUMEN T E U ND M A T E R I A L I E N Z UM Z E I T G E S C H E H E N

Abbildung 7: Unterrichtsanalyse, Unterrichtssequenzen, Unterrichtseinheiten und Mentoring

Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen

Abbildung 8: Gestaltung der Arbeit der Studierenden an den Universitätsschulen

Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen

(Selbst-)Reflexionsbänder

Unterstützt werden das Mentoring, die Abeitsaufträge und die Praxiserfahrung durch drei (Selbst-)Reflexionsbänder, die sich über die ersten zwei Mastersemester erstrecken: Team(selbst-)reflexion, kollegiale (Selbstsowie individuelle Selbstreflexion

Die Studierenden sind angehalten und durchdas Prüfungsportfolio verpflichtet, individuell über die gesammelten Erfahrungen und über ire eigene Entwicklung zu reflektieren. Hilfeste

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: Unterrichtsanalyse, Unterrichtssequenzen, Unterrichtseinheiten und Mentoring

Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Fachbereich Wirtschaftswissenschaften

: Gestaltung der Arbeit der Studierenden an den Universitätsschulen

Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Fachbereich Wirtschaftswissenschaften

Unterstützt werden das Mentoring, die Ar-erfahrung durch

Reflexionsbänder, die sich über die erstrecken: Team-

)reflexion, kollegiale (Selbst-)Reflexion sowie individuelle Selbstreflexion (s. Abb. 9).

Die Studierenden sind angehalten und durch das Prüfungsportfolio verpflichtet, individuell über die gesammelten Erfahrungen und über ih-

gene Entwicklung zu reflektieren. Hilfestel-

lung bietet bei der individuellen Selbstreflexion ein Selbstassessment- und Fremdreflexionsinstrument (SAFARI).ist, dass die Studierenden jeweils zu Beginn des Semesters ein Selbstassessmd. h. die Studierenden sollen sich und ihre Kopetenzen selbst einschätzen. Danach erfolgt ein Peerassessment, d. h. eine fest zugeordnete Kommilitonin bzw. ein Kommilitone schätzen Studierende bzw. den Studierenden auf Grunlage der vorhergehenden Zusammenar

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: Unterrichtsanalyse, Unterrichtssequenzen, Unterrichtseinheiten und Mentoring

Wirtschaftswissenschaften

: Gestaltung der Arbeit der Studierenden an den Universitätsschulen

Wirtschaftswissenschaften

lung bietet bei der individuellen Selbstreflexion und Fremdassessment-

reflexionsinstrument (SAFARI).16 Vorgesehen ist, dass die Studierenden jeweils zu Beginn des Semesters ein Selbstassessment durchführen, h. die Studierenden sollen sich und ihre Kom-

petenzen selbst einschätzen. Danach erfolgt ein h. eine fest zugeordnete Kom-

militonin bzw. ein Kommilitone schätzen die Studierende bzw. den Studierenden auf Grund-

vorhergehenden Zusammenarbeit und

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26 A RG UME N T E U ND M A T E R I A L I E N Z UM Z E I T G E S C H E H E N S A 1 / 2 0 1 6

Abbildung 9: Drei Reflexionsbänder in der Universitätsschule

Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Fachbereich Wirtschaftswissenschaften

Beobachtungen ein. Das Selbstassessment und das Peerassessment werden abgeglichen und diskutiert. In der zweiten Hälfte eines jeden Semesters erfolgt eine erneute Selbsteinschät-zung der Studierenden, der wieder eine Fremd-einschätzung folgt, allerdings nicht von einem Peer, sondern von der Mentorin bzw. dem Mentor der Studierenden. Selbst- und Fremd-assessement werden wieder abgeglichen und diskutiert.

Im Zuge der kollegialen (Selbst-)Reflexion erfahren die Studierenden Unterstützung von einer fest zugeordneten Tandempartnerin bzw. einem fest zugeordneten Tandempartner. Die Studierenden verfassen Tagebucheinträge, in denen sie eigene Erfahrungen und Erlebnisse thematisieren und beschreiben. Die Tandem-partnerin bzw. der Tandempartner liest diese Tagebucheinträge und kommentiert sie, formu-liert schriftliches Feedback, eröffnet die eigene Sichtweise auf die Schilderungen und soll der Kommilitonin bzw. dem Kommilitonen helfen, das Erlebte einzuordnen und ggfs. Anregungen zur Problemlösung geben. Umfang und Art des Feedbacks werden von den beiden Parteien im Vorfeld diskutiert, vereinbart und schriftlich in einem Tandemvertrag fixiert. Zusätzlich werden Absprachen bezüglich der Rahmenbedingun-gen, z. B. Vereinbarung der Vertraulichkeit des Offenbarten und Feedbackehrlichkeit, im Ver-trag getroffen. Der Prozess des Tagebuchschrei-bens und Tagebuchkommentierens wird am Ende eines jeden Semesters von beiden Parteien schriftlich in einer Tandembilanz reflektiert.

Die Studierenden sind während des Semes-ters in 5er-Teams gruppiert. Als Gruppe wird der Praxis in den Universitätsschulen begegnet, das Mentoring gestaltet und die Mehrzahl der Arbeitsaufträge erledigt. Eine Team(selbst-)refle-xion soll die Arbeit im Team, d. h. den Team-prozess und die Entwicklung des Teams und der Teammitglieder, unterstützen.

Die Grundlage bildet ein zu Beginn eines Semesters von der Gruppe geschlossener Team-vertrag. Er regelt u. a. die Art der Zusammen-arbeit, die Kommunikation, Teamziele, Ver-antwortlichkeiten, Arbeitspakete, Meilensteine, Konsequenzen bei Verstößen etc. und wird schriftlich verfasst sowie von allen Teammit-gliedern durch ihre Unterschrift ratifiziert.

Während des Semesters wird die Zusam-menarbeit innerhalb des Teams schriftlich re-flektiert und mit dem Teamvertrag abgegli-chen. Die Regelungen im Teamvertrag sollen auf Grundlage der Reflexionen verbessert und erweitert werden. Am Ende eines jeden Semes-ters wird die Zusammenarbeit der Gruppe in einer Teambilanz bilanziert.

Zusammenfassend lässt sich das Design wie folgt darstellen: Grundlage ist das Nürnberger Prozessmodell zur Gestaltung von Unterricht. Die wissenschaftliche Theorie wird in 24 Lern-einheiten, Präsenzblöcken und Aufträgen präzi-siert. Die wissenschaftliche Theorie leitet Unter-richtsanalyse, Unterrichtssequenzen und Unter-richtseinheiten der Studierenden an. Dies wird durch das Mentoring und drei (Selbst-)Reflexi-onsbänder begleitet (s. Abb. 10).

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A R GUMEN T E U ND M A T E R I A L I E N Z UM Z E I T G E S C H E H E N

Abbildung 10: Prozess der Nürnberger

Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen

ERGÄNZUNG DURCH SCHULPRAKTIKA Die Nürnberger Universitätsschule umfasst

u. a. eine umfangreiche Praxisphase, die es den Studierenden ermöglicht, Schul- erfahrung zu sammeln. Die in den Studiengägen in Nürnberg bereits etablierten Möglickeiten, Praxiserfahrungen zu sammeln, blieben bei der Implementierung der Universiunangetastet, d. h. im Studienplan der Bachlor- wie auch der Masterstudiengänge Wirschafts- und Berufspädagogik sind in Nürnbnach wie vor die Schulpraktischen Sgesehen.

Die Schulpraktischen Studien sind ein seit vielen Jahren in den Studiengängen der Berufsund Wirtschaftspädagogik bewährtes Instrment, das es den Studierenden bereits während des Bachelor- sowie des Masterstudiums ermölicht, Unterricht zu analysieren und Unterrichterfahrung zu sammeln. Sie haben sich in Nür

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Nürnberger Universitätsschule – 1. und 2. Mastersemester

Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Fachbereich Wirtschaftswissenschaften

LPRAKTIKA r Universitätsschule umfasst

a. eine umfangreiche Praxisphase, die es den und Unterrichts-

erfahrung zu sammeln. Die in den Studiengän-Nürnberg bereits etablierten Möglich-

keiten, Praxiserfahrungen zu sammeln, blieben bei der Implementierung der Universitätsschule

h. im Studienplan der Bache-wie auch der Masterstudiengänge Wirt-

und Berufspädagogik sind in Nürnberg nach wie vor die Schulpraktischen Studien vor-

Die Schulpraktischen Studien sind ein seit vielen Jahren in den Studiengängen der Berufs- und Wirtschaftspädagogik bewährtes Instru-ment, das es den Studierenden bereits während

es Masterstudiums ermög-licht, Unterricht zu analysieren und Unterrichts-erfahrung zu sammeln. Sie haben sich in Nürn-

berg sowohl vom zeitlichen Umfang als auch von der Gewichtung nicht verändert, wurden aber zu reflexiven Praktika weiterentwickelt.Die Schulpraktischen Studien im Masterstudengang bauen dabei auf die in der Universitätschule anvisierten Kompetenzen auf.

Die Schulpraktischen Studien können anallen beruflichen Schulen in Bayern, an allenberuflichen Schulen in Deutschland oder vegleichbaren Schulen im Ausland (z.rufsbildungszentrum (BBZ) am Instituto Balleter, einer deutschen Schule in Buenos Aires), diesich dazu bereit erklären, Studierende aufznehmen und zu betreuen, abgeleistet werden. Der Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik sonalentwicklung der Friedrichversität Erlangen-Nürnberg (FAU) zurzeit mit über 100 Schulen. In Abgrenzung zu den Universitätsschulen wird hier von „Kotaktschulen“ gesprochen.

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Mastersemester

Nürnberg (FAU), Fachbereich Wirtschaftswissenschaften

berg sowohl vom zeitlichen Umfang als auch von der Gewichtung nicht verändert, wurden aber zu reflexiven Praktika weiterentwickelt.17

lpraktischen Studien im Masterstudi-engang bauen dabei auf die in der Universitäts-schule anvisierten Kompetenzen auf.18

Die Schulpraktischen Studien können an allen beruflichen Schulen in Bayern, an allen beruflichen Schulen in Deutschland oder ver-

n Schulen im Ausland (z. B. dem Be-rufsbildungszentrum (BBZ) am Instituto Balles-ter, einer deutschen Schule in Buenos Aires), die sich dazu bereit erklären, Studierende aufzu-nehmen und zu betreuen, abgeleistet werden. Der Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik und Per-sonalentwicklung der Friedrich-Alexander-Uni-

Nürnberg (FAU) kooperiert Schulen. In Abgrenzung

zu den Universitätsschulen wird hier von „Kon-

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Die Betreuungslehrkräfte für die Schulprak-tischen Studien an den Kontaktschulen werden jährlich in einer Veranstaltung an der Universi-tät in Nürnberg über den Ablauf und Inhalt der Schulpraktischen Studien informiert. Die Da-ten aus dem Qualitätsmanagement der Schul-praktischen Studien werden an die Lehrkräfte zurückgespiegelt und Konsequenzen erwogen. Außerdem werden didaktische Vorstellungen bzw. Modelle erläutert, zum Beispiel das Ver-ständnis von Kompetenzorientierung, das der Forschung und Lehre am Lehrstuhl zugrunde liegt. Aufgrund einer unterschiedlichen Zielset-zung werden die betreuenden Lehrkräfte an den Kontaktschulen, anders als die Mentorin-nen und Mentoren der Universitätsschule, zwar aufgefordert, aber nicht verpflichtet, sich derart intensiv mit den Inhalten der didaktischen Aus-bildung an der Universität auseinanderzuset-zen.19

ROLLE DES REFERENDARIATS

Die Ausbildung in der Universitätsschule stellt keine Alternative zum Referendariat dar, sondern soll dazu beitragen, „die Studierenden besser ausgebildet an die zweite Phase, das Referendariat, [zu] übergeben“.20 Dadurch soll über die zwei Phasen gesehen eine insgesamt bessere Ausbildungsqualität von Lehrkräften erreicht werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine Abstimmung und Kooperation mit der zweiten Phase wichtig. Jede Nürnberger Univer-sitätsschule ist deshalb, wie durch das KMS vom 18. Dezember 2009 vorgegeben, gleichzeitig Seminarschule und die Seminarlehrkräfte der Nürnberger Universitätsschulen waren von Be-ginn an in die Konzeptentwicklung eingebun-den. Die Seminarlehrkräfte beteiligen sich u. a. durch die Teilnahme an den universitären Prä-senzveranstaltungen, stehen für die Studierenden als Ansprechpartner zur Verfügung, sie integrie-ren die Studierenden zum Teil in Seminarsitzun-gen und formulieren Forschungsprojekte und begleiten diese. Dadurch entstehen Synergie-effekte, von denen beide Seiten profitieren und es ergeben sich für beide Seiten Anregungen für die Weiterentwicklung der Lehrkräftebildung.21 Die Kooperation, auch mit den Referendarin-nen und Referendaren, soll, wenn möglich, in Zukunft noch weiter intensiviert werden. Dies

setzt aber strukturelle Veränderungen, z. B. eine zeitliche Entlastung der Referendarinnen und Referendare an anderer Stelle, voraus. Weitere Kooperationsformen und strukturelle Verände-rungen werden zurzeit diskutiert.

|| PROF. DR. KARL WILBERS

Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

|| WOLFGANG LEHNER

Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

VERTIEFENDE INFORMATIONEN Die Nürnberger Universitätsschule ist

ein komplexes Gebilde, das sich über das gesamte Masterstudium erstreckt und viele verschiedene Elemente zur Ausbildung und Forschung beinhaltet. Vertiefende Informa-tionen zur Nürnberger Universitätsschule und deren Elemente enthält die Veröffent-lichung „Die Ausbildung berufs- und wirt-schaftspädagogischer Professionals in Uni-versitätsschulen – Eine Beschreibung der Nürnberger Universitätsschulkonzeption“, die online unter www.wirtschaftspaedago gik.de/forschung/berichte abgerufen wer-den kann.

ANMERKUNGEN

1 Wilbers, Karl: Wirtschaftsunterricht gestalten. Lehr-buch. Eine traditionelle und handlungsorientierte Didaktik für kaufmännische Bildungsgänge, Berlin, 2. Aufl., 2014, S. IX.

2 Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.10.2008 i. d. F. vom 16.5.2013.

3 Weinert, Franz / Helmke, Andreas: Der gute Lehrer: Person, Funktion oder Fiktion?, in: Die Institutiona-lisierung von Lehren und Lernen. Beiträge zu einer Theorie der Schule, hrsg. von Achim Leschinsky, Weinheim 1996, S. 223-233.

4 Wilbers, Karl: Ausbildung von Pädagogen in Uni-versitätsschulen, Nürnberg 2009, S. 2.

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5 Terhart, Ewald: Lehrerberuf und Lehrerbildung. Forschungsbefunde, Problemanalysen, Reformkon-zepte, Weinheim 2001, S. 20-33.

6 Wilbers, Karl: Wirtschaftspädagogische Ausbildung in Universitätsschulen: Der neue Nürnberger Weg im wirtschaftspädagogischen Master, in: vlb-akzente 10/2009, S. 8-10.

7 Ebd. 8 Ebd. 9 Ebd. 10 Wilbers: Wirtschaftsunterricht gestalten, S. VIII, S. 16. 11 Ebd., S. 17-20. 12 Ebd., S. 3. 13 Ebd., S. 16. 14 Ebd., S. 21-22. 15 Ebd., S. V. 16 Lehner, Wolfgang / Riebenbauer, Elisabeth / Stock,

Michaela / Wilbers, Karl: Ausgewählte Instrumente zur Förderung der Selbstreflexion in schulpraktischen Phasen. Was ein Grazer Raster und eine Nürnberger Safari mit Hamburg verbindet, www.bwpat.de/pro fil3/lehner_etal_profil3.pdf, S. 7-13.

17 Wilbers: Wirtschaftspädagogische Ausbildung in Universitätsschulen, S. 8-10.

18 Wilbers: Wirtschaftsunterricht gestalten, S. IX. 19 Wilbers: Wirtschaftspädagogische Ausbildung in

Universitätsschulen, S. 8-10. 20 Wilbers: Wirtschaftsunterricht gestalten, S. IX. 21 Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und

Kultus [StMUK]: „Kooperation, Koordination, Kommunikation“ – Reform der Lehrerbildung an beruflichen Schulen, München 2011, S. 5.

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Gespräche am Rande der Konzeptpräsentationen der einzelnen Universitäten.

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DAS UNIVERSITÄTSSCHULKONZEPT DER UNIVERSITÄT BAYREUTH

MANFRED MÜLLER / DIETER SCHMIDT || Die Konzeptumsetzung in Bayreuth bezieht sich auf den

konsekutiven Studiengang Berufliche Bildung Fachrichtung Metalltechnik (Ba./Ma.Ed.), in den sich

jährlich etwa 10 Studierende immatrikulieren. Dargestellt wird die Verzahnung von universitärem

Wissen und schulpraktischem Können sowie von Studium und Referendariat an der Staatlichen

Berufsschule I Bayreuth, die erst 2011 zur Universitätsschule berufen wurde.

LEHRANGEBOT UND PERSONALKONZEPT Während sich die Situation an den meisten

Universitätsstandorten mit Universitätsschulen durch ein standortspezifisch ausgeprägtes Men-toring- / Patensystem auszeichnet, ist der Bay-reuther Weg durch ein Lehrangebot gekenn-zeichnet, das in Personalunion vermittelt wird. Danach sind Lehrpersonen der Universitäts-schule per Lehrauftrag sowohl für die wissen-

schaftliche Ausbildung an der Universität als auch für die schulpraktische Ausbildung an der Schule verantwortlich (vgl. Abb. 1).

Nach diesem Personalkonzept betreut der Dozent für Fachdidaktik II, StD Schmidt, der an der Schule als Seminarlehrer I für Metalltech-nik tätig ist, gleichzeitig das fachdidaktische Praktikum. Damit wird eine enge Verzahnung sowohl zwischen Wissen und Können als auch

Abbildung 1: Lehrangebot und Personalkonzept der UniSchule BS I BT

Quelle: Universitätsschule BS I Bayreuth Stand: Januar 2015

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32 A R G U M E N T E U N D M A T E R I A L I E N Z U M Z E I T G E S C H E H E N S A 1 / 2 0 1 6

zwischen Studium und Referendariat aus einer Hand ermöglicht. Unterstützt wird er sowohl auf universitärer wie auf schulpraktischer Seite durch OStR Zimmermann, der als Lehrbeauf-tragter an der Universität Fachdidaktik I lehrt und die schulpraktisch relevanten Kompeten-zen als Lehrer und Koordinator der Techniker-schule sowie des Fachbereiches Kfz-Technik der Berufsschule mit einbringt.

Das Fach Arbeitskunde, das sich in Bayreuth inhaltlich im Wesentlichen mit soziologischen und psychologischen Aspekten beruflicher Erst-ausbildung beschäftigt, wird von StD Hoos ver-antwortet. Er ist im Fachbereich Mechatronik als Berufsschullehrer tätig und zudem als Schul-psychologe sowohl an der Schule wie auch in der regionalen Schulberatung aktiv.

Die Berufspädagogik (einschließlich Berufs-kunde sowie Qualitäts- und Teamentwicklung) wird auf universitärer Seite von PD Dr. Müller vertreten, der seine Vorlesungen eng mit der schulpraktischen Ausbildung verzahnt. So kann – wie im Fall der Verbindung von Fachdidaktik und fachdidaktischem Praktikum – zum einen eine starke Kopplung von berufspädagogischer Theorie (Wissen) und schulischer Praxis (Kön-nen) erzielt werden. Zum anderen ist auf diese Weise eine intensive Betreuung der Studieren-den gewährleistet, die durch das Team „Uni-Schule“1 unterstützt wird. Als Leiter der Schule obliegt PD Dr. Müller die Gesamtverantwortung für die Umsetzung des Universitätsschulkon-zepts auf schulischer Ebene. Die Umsetzung auf universitärer Seite wird vom Lehrstuhl Metalli-sche Werkstoffe (Prof. Dr. Ing. Glatzel) verant-wortet. Die Aufgaben des Studiengangmodera-tors übernimmt dort Dr. Ing. Scherm.

ERSTE EVALUATIONSERGEBNISSE

Die Umsetzung des Lehrangebots in Perso-nalunion ist der ressourcenarmen Personalaus-stattung des Studiengangs Berufliche Bildung an der Universität geschuldet. Dennoch wird dieses Personalkonzept von allen Akteuren mit einem hohen Maß an Idealismus mitgetragen, weil damit zum einen ein Beitrag zur Verringe-rung des Lehrermangels in der beruflichen Fach-richtung Metalltechnik geleistet werden kann. Zum anderen findet der Einsatz der Akteure bei den Studierenden eine positive Resonanz, wie

folgende Stellungnahmen aus einer ersten Kon-zept-Evaluation im Frühjahr 2014 verdeutlichen können:2

Student A

„UniSchule ist das Beste, was einem Lehr-amtsstudenten passieren kann. Durch sehr gute Anleitung seitens der Dozierenden wurde wis-senschaftliche Theorie und schulische Praxis in Einklang gebracht. Durch die ständigen Ein-blicke in die Praxis, die Besprechung und ver-knüpfte theoretische Betrachtung war die Ver-bindung eine enorme Hilfe für das Lernen. Auch die Theorie im Vorlesungsteil wurde immer mit bereits erlebten Eindrücken von Hospitationen verbunden und so zum leichteren Verständnis gebracht. Der Erfolg hängt jedoch stark von den beteiligten Personen ab. Dozenten und Be-treuer müssen für die Aufgabe in der UniSchule qualifiziert sein. Die vielen verschiedenen An-sichten der Studenten und die Diskussionen der Meinungen erweiterten den eigenen Blick. Das Konzept sollte nicht nur erhalten bleiben, son-dern ausgebaut werden.“

Student B

„UniSchule ist für mich ein gutes Konzept, das Theorie und Praxis sehr nahe zusammen-bringt. Da man einige Seminare und Vorlesun-gen direkt an der UniSchule hatte, wurde ver-sucht, die gewonnenen Erkenntnisse möglichst bald auch in eigenen Unterrichtsversuchen an-zuwenden. So konnten Schwierigkeiten bei der Umsetzung, Vor- und Nachteile von unterricht-lichen Ansätzen und vieles mehr sehr effektiv ausprobiert und besprochen werden. Ein weite-rer guter Punkt war, dass man eine Klasse über ein ganzes Halbjahr mit begleiten konnte, man aber auch viele verschiedene Lehrerpersönlich-keiten kennenlernen konnte. Insgesamt habe ich in diesem Jahr an der UniSchule sehr viel lernen können, worauf ich später in meiner Lehrer-laufbahn zurückgreifen kann.“

Student C

„UniSchule ist für mich ein Konzept, das überall in der Lehrerbildung eingeführt werden sollte. Durch die thematische und zeitliche Ab-stimmung der Dozenten an Universität und Be-rufsschule wird theoretisches Hintergrundwis-sen besser mit in der Praxis Erlebtem verknüpft

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und damit begreifbarer. Wenn man verschie-dene Konzepte wie die instruktionsorientierte und die konstruktionsorientierte Unterrichts-gestaltung direkt im Unterricht ausprobieren kann, wird man sich der Auswirkungen und Unterschiede viel deutlicher bewusst, als wenn man deren Vor- und Nachteile aus einer Tabelle entnimmt. Trotzdem ist die theoretisch fundier-te Bildung Voraussetzung, damit Unterricht auf mehr als zufälligem Ausprobieren basiert. Nur so sind überhaupt die unterschiedlichen Hand-lungsmöglichkeiten zu erkennen, die Wirkun-gen richtig einzuschätzen und kann der Blick auf die wichtigen Details gelenkt werden. Ich halte das UniSchulkonzept für die Lehrerbil-dung deswegen besonders und nicht nur für die Berufsschule geeignet, da es weder Theorie noch Praxis vernachlässigt, sondern miteinan-der verbindet, wodurch positive Synergieeffekte entstehen.“

Studienreferendar

„Die UniSchule ist für mich ein gutes Kon-zept, um Lehramtsstudenten der beruflichen Bildung in die tägliche Praxis des Unterrichts einzuführen. Durch die praxisnahe Ausbildung wird den Studenten die Möglichkeit gegeben, selbst Unterrichtsversuche durchzuführen und erste Erfahrungen mit dem Kollegium auszutau-schen. Fachdidaktische Inhalte können somit zeitnah in den Praktika umgesetzt werden. Da die Berufsschule I zugleich Seminarschule für das erste Vorbereitungsjahr im Bereich Metall-technik ist, treten die Studierenden und die Re-ferendare in einen gemeinsamen Austausch. Das hat den Vorteil, dass unterschiedliche Heran-gehensweisen an verschiedene Problemstellun-gen beleuchtet und diskutiert werden. Dadurch entstehen neue Impulse, die von beiden Seiten genutzt werden können, z. B. hinsichtlich der Ausarbeitung für Unterrichtsstunden. Für mich als Referendar hat die Zusammenarbeit dazu gedient, Erfahrungen untereinander auszutau-schen und gleichzeitig die Theorie hinter der Praxis nicht aus den Augen zu verlieren.

Studienrat, Mitglied im Team „UniSchule“

„UniSchule ist für mich die Möglichkeit, dass ich als junge Lehrkraft direkt an der Leh-rerausbildung dran bleibe. Auf diese Weise er-

fahre ich aktuelle Trends und Entwicklungen rund um das Themengebiet Didaktik und Unter-richt. Ich möchte dieses Konzept unterstützen, weil ich es als Bereicherung für die Lehreraus-bildung empfinde: Endlich haben die Studieren-den die Möglichkeit, einen fundierten Einblick in den Schulalltag zu gewinnen und zu reflek-tieren. Durch die begleitenden Veranstaltungen können Lehrversuche durchgeführt und weiter-entwickelt werden. Es geht nichts über selbst (durch-)gemachte Erfahrungen (positive und negative)! So wird ein wichtiger Grundstein von beruflicher Profession gelegt. Ein weiterer Punkt ist, dass ich durch das Konzept UniSchule mit meinen zukünftigen Kollegen vertrauensvoll zu-sammenarbeite. Durch die Rückmeldungen bei Hospitationen verspreche ich mir wichtige Im-pulse für die Entwicklung meines eigenen Unter-richts und meiner Lehrerpersönlichkeit. Rückbli-ckend bin ich sogar etwas neidisch, diesen Aus-bildungsinhalt im Studium verpasst zu haben.“

Ein Hauptgrund für das positive Feedback ist neben dem dargestellten Personalkonzept auch die methodische Vorgehensweise sowohl bei der Verzahnung von Wissen und Können als auch bei der Kopplung von Studium und Referenda-riat.

METHODISCHE VORGEHENSWEISE BEI DER VERBINDUNG VON WISSEN UND KÖNNEN

Am Beispiel der Verzahnung von Berufspä-dagogik II mit den Schulpraktischen Studien II soll die verzahnte Vermittlung von universitä-rem Wissen (Theorie) und schulpraktischem Können (Praxis) erläutert werden.

Für den Lernbereich Vorbereitung, Durch-führung und Evaluation von Unterricht vollzieht sich gemäß Abbildung 2 die Verzahnung in fünf Schritten: ∙ Startpunkt ist die gemeinsame Hospitation

von Studierenden und Dozenten im regulä-ren Unterricht einer Lehrperson aus dem Lehrerteam „UniSchule“.

∙ Unmittelbar nach der Hospitation findet an der UniSchule die Unterrichtsreflexion statt, die sich im Fall der Hospitation bei einer Lehrkraft aus dem Team „UniSchule“ in zwei (a und b), im Fall eines Lehrversuchs durch Studierende in drei Phasen (a, b und c) un-tergliedert:

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Abbildung 2: Wissen-Können-Verbindung am Beispiel der Verzahnung von Berufspädagogik II

(BP II) & Schulpraktische Studien II (SPS II)

Quelle: Universitätsschule BS I Bayreuth Stand: Januar 2015

a) Unterrichtsreflexion der unterrichtenden Lehrkraft. Die im Unterricht besuchte Lehr-kraft expliziert zunächst ihre Lehrziele und schätzt den Zielerreichungsgrad ein (lautes Denken). b) Austausch der Unterrichtswahrnehmun-gen. Studierende und Dozent richten auf der Grundlage eigener Wahrnehmungen Fragen an die Lehrkraft. Ziel ist es, einen wechsel-seitigen Austausch der gewonnenen Erfah-rungen zu erreichen sowie Begründungen für einzelne Teilhandlungen zu erfahren – ggf. auch zu hinterfragen. Gut reflektierte Praxis-erfahrungen sowie der Aufbau metakogniti-ver Reflexionsschemata gehören in diesem Schritt zu den Hauptzielen. c) Auswertung der erbetenen Rückmeldun-gen von den unterrichteten Schülern zum erlebten Unterricht in häuslicher Alleinarbeit (Individualfeedback).

∙ Im Rahmen der sich anschließenden „Vorle-sung“ vermittelt der Dozent wissenschaftli-che Theorien, Konzepte und Modelle unter direkter Bezugnahme auf die im vorherigen

Schritt sichtbar gewordenen subjektiven The-orien. Für die Kompetenzentwicklung der Studierenden nimmt dieser Schritt eine zen-trale Bedeutung ein, weil Verknüpfungen zwischen Theorie und unmittelbar vorher wahrgenommener Praxis direkt, d. h. so-wohl zeitlich als auch örtlich, möglich sind. Anvisiert wird hierbei eine Weiterentwick-lung der subjektiven Theorien aller an der Unterrichtsreflexion beteiligten Personen in Orientierung an wissenschaftlichen Theo-rien, Modellen und Konzepten.

∙ Für eine systematische Entwicklung profes-sioneller Handlungskompetenzen haben die Studierenden im vierten Schritt eine selbst-ständige Unterrichtsplanung zu leisten. Ziel ist es, die vermittelten Theorien aus dem vor-herigen Schritt (bzw. aus zurückliegenden Zyklen der in Abb. 2 dargestellten Praxis-Theorie-Kopplung) anzuwenden. Dies ge-schieht in einem Unterricht zum gleichen Thema, der von einem Studierenden in einer anderen Klasse durchgeführt wird. In diesem „Wiederholungsunterricht“ soll entweder

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eine qualitative Verbesserung ausgewählter Unterrichtsphasen versucht oder eine andere Vermittlungsstrategie aus dem breiten Spek-trum zwischen instruktions- und konstruk-tionsorientierten Unterrichtskonzepten han-delnd erprobt werden. Damit kann sicher-gestellt werden, dass alle Bedingungs- und Entscheidungsfelder der Unterrichtsgestal-tung auf eine konkrete Schulklasse bezogen und nicht etwa abstrakt abgehandelt wer-den. Der Dozent nimmt in dieser Phase die Rolle eines Lernbegleiters ein.

∙ Im fünften Schritt findet analog zu Schritt 1 die Unterrichtsdurchführung statt, die von einem – oder phasenweise auch von meh-reren – Studierenden eigenverantwortlich übernommen wird. In dieser Phase steht das Können von unterrichtlichen Teilhandlun-gen auf der Basis vorher vermittelten Wis-sens im Vordergrund. Ziel ist es, vermittel-tes Wissen auch tatsächlich zur Anwendung zu bringen. Aufgrund der zeitlichen und örtlichen Kopplung stehen die Chancen gut, ein hohes Maß an explizitem Handlungswis-sen zu entwickeln, das handlungssteuernd wirkt und der professionellen Reflexion und Begründung von Unterricht dienlich ist. Die verbleibende Gruppe und der Dozent sowie die regulär unterrichtende Lehrkraft aus dem Team „UniSchule“ begleiten den Un-terrichtsversuch durch Hospitation und an-schließende Reflexion. Der fünfte Schritt ist analog zum ersten zu

sehen, so dass der dargestellte Zyklus während eines Semesters wiederholt durchlaufen werden kann. Deutlich werden sollte: Die Wissen-Kön-nen-Verbindung erfolgt auf dem Bayreuther Weg induktiv, d. h. sie beginnt und endet in der Praxis. Diese Vorgehensweise ist mit dem dargestellten Personalkonzept problemlos rea-lisierbar.

METHODISCHE VORGEHENSWEISE BEI DER VERBINDUNG VON STUDIUM UND REFERENDARIAT

Bei dieser Zielsetzung geht es in Bayreuth vor allem darum, den Austausch von Kenntnissen und Erfahrungen zwischen Studierenden und Re-ferendaren so anzuregen, dass beide Gruppen

wechselseitig voneinander profitieren. Dies ist z. B. durch gemeinsame Unterrichtsplanungen möglich, in die Wissen, Können und Einstellun-gen zur Frage nach dem guten Unterricht aus verschiedenen Perspektiven einfließen. Wie die Verzahnung erfolgt, zeigt Abbildung 3.

Die Vorgehensweise, die nach einer länge-ren Vorphase, in der Studierende und Referen-dare getrennt voneinander unterrichtet werden, jeweils etwa in der Mitte des betreffenden Se-mesters verortet ist, beginnt mit dem Auftrag, eine Unterrichtseinheit gemeinsam zu planen, durchzuführen und auszuwerten (Schritt 1). Bei diesem Schritt fungieren beide Lehrpersonen (Se-minarlehrer und Dozent für Berufspädagogik) sowohl als Instruktoren wie auch als Lernbeglei-ter. So wurde z. B. im aktuellen WS 2014/15 aus dem Lernbereich „Klassenführung“ folgende Aufgabe gestellt: Erarbeiten Sie eine Unterrichts-einheit, die das Ziel verfolgt, einen störungs-armen Unterricht in Klassen der Metalltechnik anzustreben. Ausgangsbasis dafür war ein pä-dagogischer Tag an der Schule zum gleichen Thema, an dem auch Referendare und Studie-rende teilnahmen.

Beim 2. Schritt steht das eigenverantwortli-che Unterrichtshandeln eines Studierenden oder Referendars im Mittelpunkt, das durch angelei-tete Hospitation von den Mitstudierenden und Mitreferendaren, dem Dozenten für Berufspäda-gogik, dem Seminarlehrer und einer Lehrkraft aus dem Team „UniSchule“, die die Klasse regulär unterrichtet, beobachtet wird (Gruppenhospi-tation).

Im 3. Schritt findet die Reflexions- und Feed-backphase statt, die in enger Kooperation zwi-schen Dozenten und Seminarlehrern moderiert wird. Hier werden in der Regel die verschiede-nen Sichtweisen beider Gruppierungen auf die Frage nach dem guten Unterricht deutlich. Dies ist mit dem Ziel wechselseitiger Bereicherung auch so gewünscht. Die Studierenden lernen bei dieser Vorgehensweise u. a. prüfungsrele-vante Beurteilungs- und Bewertungskriterien von Unterricht aus der Perspektive des Studien-seminars kennen. Ziele und curriculare Bestand-teile des späteren Referendariats können auf diese Weise bereits in die Studienplanung ein-fließen und den viel besagten Praxisschock im Ausmaß minimieren. Die Referendare lernen

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Abbildung 3: Methodisches Vorgehen bei der gemeinsamen Vorbereitung, Durchführung und Evalua-

tion des Unterrichts von Studierenden und Referendaren

Quelle: Universitätsschule BS I Bayreuth Stand: Januar 2015

theoretische Konzepte und Modelle kennen, die professionelles Handeln aus universitärer Sicht fördern sollen. Mit Blick auf die Referendare kann dadurch die Gefahr einer allzu schnellen Engführung der Unterrichtsgestaltung auf prag-matische Lösungsansätze, die sich an Lehrpro-benvorgaben oder an eine dogmatische Favorisie-rung einzelner Unterrichtskonzepte orientieren, genauso vermieden werden wie die Vermittlung von realitätsfernen Theorien aus dem Elfenbein-turm, die eher in der universitären Ausbildung als Gefahr lauert. In der Auseinandersetzung um die „richtige“ Unterrichtsgestaltung, die sich in der Regel zwischen wissenschaftlicher Programmatik und prüfungsrelevanten Anfor-derungen des Vorbereitungsdienstes vollzieht, können Studierende und Referendare wechsel-seitig voneinander lernen.

Im 4. Schritt geht es um eine gemeinsame Nachbereitung des durchgeführten Unterrichts mit dem Ziel, eine optimierte Planung zu ent-wickeln und in einer anderen Klasse erprobend durchzuführen (Schritt 5). Nach mehreren Durchläufen wird der optimierte Unterrichts-

plan allen Lehrkräften der Schule zur Verfü-gung gestellt. In diesem Zusammenhang kann auch der Nutzen für die pädagogische Weiter-entwicklung der Schule deutlich werden, der sich durch das Universitätsschulkonzept vor Ort ergibt.

Durch die zeitnahe, phasenübergreifende Verzahnung von Wissen und Können werden zudem die Chancen für einen systematischen und kumulativen Kompetenzaufbau deutlich, wie er von der Kultusministerkonferenz gefor-dert wird.3 Der bisherige Weg einer zeitversetz-ten Wissen-Können-Verbindung gemäß der Auffassung, die Vermittlung der Theorie habe an der Universität und die Förderung des prak-tischen Könnens im Referendariat zu erfolgen, stößt bei der Wissen-Können-Verbindung al-lein schon wegen der großen Zeitverschiebung auf kaum überwindbare Hürden. Die mit der Entwicklung von Fertigkeiten (Referendariat) zu verknüpfenden Wissensinhalte (Studium) sind dem Bewusstsein dann häufig nicht mehr direkt zugänglich oder sie wurden bereits ver-gessen …

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AUSBLICK: PERSONENUNABHÄNGIGE WEITERENTWICKLUNG DES BAYREUTHER PERSONALKONZEPTS

Mit den weiteren Ausführungen soll abschlie-ßend grob umrissen werden, wie das erreichte Lehrangebot für den Studiengang Berufliche Bildung in Bayreuth (vgl. Abb. 1) sichergestellt und personenunabhängig weiterentwickelt wer-den kann. Um die dargestellten Chancen des Personalkonzepts zu erhalten, kommt es im We-sentlichen darauf an, zumindest in den Kernfä-chern des universitätsschulischen Lehrangebots Lehrpersonen einzusetzen, die sowohl die wis-senschaftliche als auch die schulpraktische Ausbildung verantworten können. Im Fall einer schulisch institutionalisierten Lehrkraft ist dies nach derzeitiger Rechtslage entweder durch Lehrauftrag oder Teilabordnung an die Univer-sität, im Fall der Institutionalisierung an der Universität durch Teilabordnung zum Schul-dienst an die UniSchule möglich. In beiden Fäl-len sind hinsichtlich zukünftiger Personalaus-wahl Überlegungen zur erforderlichen akade-mischen Qualifikation anzustellen. Da es sich beim Universitätsschulkonzept um ein Angebot der 1. Phase der Lehrerbildung handelt, ist für eine Lehrtätigkeit in dieser Phase eine Promoti-on im Bereich Erziehungswissenschaften wün-schenswert. Unseres Erachtens wäre für einen Lehrauftrag auch ein herausragender Master-abschluss (oder Diplom oder Staatsexamen) ausreichend, wenn die betreffende Person in Forschungsprojekten an der Universität einge-bunden ist – im Idealfall mit dem Ziel der Pro-motion. Da sich unter den bisherigen Master-studierenden bereits einzelne Personen für einen solchen Weg interessieren und auch Lehrperso-nen aus dem Team „UniSchule“ dafür geeignet sind, erscheinen die angestellten Überlegungen zielführend und praktisch umsetzbar.

Um Missverständnissen vorzubeugen, sei ausdrücklich betont, dass aus unserer Sicht weder der Schulleiter einer UniSchule noch die Seminarlehrkraft über eine Promotion zwin-gend verfügen muss. Die Promotion kann als wünschenswerte Qualifikation auch von einem leitenden Mitglied des Teams „UniSchule“ ein-gebracht werden, der sich bei der inhaltlichen und organisatorischen Umsetzung des Konzepts um ein hohes Maß an wissenschaftlicher und

schulpraktischer Qualität kümmert. Wer dafür auch immer zuständig ist: Es kommt darauf an, die wissenschaftliche Grundausrichtung des Lehrangebots sowie eine forschende4 Grund-haltung der Lehrpersonen nicht aus dem Blick zu verlieren.

ZUSAMMENFASSENDE THESEN

Die Vorgehensweise auf dem Bayreuther Weg eröffnet sehr gute Chancen für eine effektive Umsetzung der bisherigen Kernaufgaben einer Universitätsschule. Diese Chancen sollen insbe-sondere im Hinblick auf die enge Verzahnung von universitärem Wissen und schulpraktischem Können, die das Kernanliegen auf dem Bayreu-ther Weg darstellt, mit vier Thesen nochmals zusammenfassend vor Augen geführt werden.

Die im Universitätsschulkonzept intendierte phasenübergreifende Verbindung von universi-tärem Wissen und schulpraktischem Können zur Förderung professioneller Handlungskom-petenz angehender Lehrpersonen kann auf effi-ziente Weise erreicht werden, wenn: ∙ diese Verbindung bereits in der 1. Phase der

Lehrerbildung an konkreten Unterrichtser-fahrungen in der Schulpraxis ansetzt,

∙ sie möglichst unmittelbar danach im Rah-men einer dialogbereiten Vorlesung sowohl auf der Grundlage praktischer Erfahrungen als auch mittels der damit korrespondieren-den wissenschaftlichen Theorien, Modelle und Konzepte (aus Studium und Referenda-riat) vollzogen wird,

∙ die so vorgenommene Verbindung wiederum möglichst zeitnah von den Studierenden, phasenweise auch in Kooperation mit den Referendaren, mit dem Ziel der Entwick-lung professioneller Handlungskompetenz handelnd erprobt werden kann und wenn

∙ die dafür erforderliche Lernbegleitung von Lehrpersonen geleistet wird, die (a) sowohl an der Universität als auch an der Schule tätig sind, (b) über die zu vermittelnde pro-fessionelle Handlungskompetenz einer Lehr-person selbst verfügen und (c) diese Kom-petenz an beiden Lernorten, d. h. an der Universität und an der Schule, kontinuier-lich weiterentwickeln.

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|| PD DR. MANFRED MÜLLER

Leiter der Staatlichen Berufsschule I mit Fach-schule für Fahrzeugtechnik und Elektromobilität

sowie Lehrbeauftragter für Berufspädagogik an

der Universität Bayreuth

|| DIETER SCHMIDT

Seminarlehrer I für Metalltechnik an der Staatlichen Berufsschule I mit Fachschule für Fahrzeugtechnik und Elektromobilität sowie

Lehrbeauftragter für Fachdidaktik Metalltechnik

an der Universität Bayreuth

LITERATURVERZEICHNIS

Kultusministerkonferenz (Hrsg.): Rahmenvereinbarung über die Ausbildung und Prüfung für ein Lehramt der Sekundarstufe II (berufliche Fächer) oder für die beruflichen Schulen (Lehramtstyp 5). Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 12.5.1995 i. d. F. vom 7.3.2013, http://www.kmk.org/dokumentation/ rechtsvorschriften/uebersicht-lehrerpruefungen.html

Neuweg, Georg Hans: Emergenzbedingungen pädagogi-scher Könnerschaft, in: Verwertbarkeit. Ein Qualitäts-kriterium (erziehungs-)wissenschaftlichen Wissens?, hrsg. von Helmut Heid und Christian Harteis, Wiesbaden 2005, S. 205-228.

Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Deut-schen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) (Hrsg.): Basiscurriculum für das universitäre Studien-fach Berufs- und Wirtschaftspädagogik, Jena 2003.

Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Deut-schen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) (Hrsg.): Basiscurriculum für das universitäre Studi-enfach Berufs- und Wirtschaftspädagogik, bei der Herbsttagung 2014 genehmigter Entwurf, Jena 2014.

ANMERKUNGEN

1 Zum Team „UniSchule“ gehören derzeit folgende Lehrkräfte: OStR Dechert, StD Feneis, StR Fichtel, StR Grieger, StD Hoos, FL Hübner, OStR Hütt-mann, StR Roderer, StD Schmidt, FOL Sommer, OStR Ziegler, OStR Zimmermann. Der Einsatz ist u. a. abhängig vom Zweitfach der Studierenden. Zu betonen ist die für eine gewerblich-technische Aus-bildung wichtige Berücksichtigung beider Qualifi-kationsebenen (4 und 3).

2 Dier, M.: Universitätsschulkonzept BS I Bayreuth. Exzellenz in der Lehrerbildung durch Theorie-Pra-xis-Verzahnung an der Staatlichen Berufsschule I Bayreuth, Unveröffentlichte Studienarbeit im Fach-gebiet Berufspädagogik, Lehrstuhl Schulpädagogik der Universität Bayreuth, Bayreuth 2014.

3 Kulturministerkonferenz (Hrsg.): Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften. Beschluss der KMK vom 16.12.2004 i. d. F. vom 12.6.2014, http://www.kmk.org/dokumentation/rechtsvorschriften /uebersicht-lehrerpruefungen.html

4 Auf dem dargestellten Bayreuther Weg ergab sich bisher eine Reihe von Anknüpfungspunkten für eine anwendungsorientierte Unterrichtsforschung. Mit den bisher gegebenen Ressourcen konnten diese leider nicht weiterverfolgt werden. Da die Bedeu-tung von Forschungsaktivitäten als Aufgabenfeld von Universitätsschulen (noch) nicht hinreichend geklärt ist, soll zumindest an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass Universitätsschulen dafür über ein Potenzial verfügen, das zukünftig stärker genutzt werden sollte – z. B. in Kooperation mit anderen Einrichtungen der Lehrerbildung.

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UNIVERSITÄTSSCHULE AN DER LMU IN MÜNCHEN

SUSANNE WEBER / MICHAEL SCHÖNLEIN / JOSEF GUGGEMOS / MARTINA FRIEDL1 || Die Universi-tätsschule an der LMU versteht sich als Studienelement professioneller Lehrerbildung zur Unter-

stützung eines kooperativen, nachhaltigen lebenslangen Lernens über die verschiedenen Phasen

hinweg. Ziel ist es, theorie- und forschungsbezogenes Reflexionswissen, praktisches Handlungs-

wissen sowie selbstreflexives Wissen auf- und auszubauen. In der kooperativen Arbeit bietet sie

allen Akteuren ein Lern- und Entwicklungspotenzial. Der Beitrag umfasst die Zielsetzung und theo-

retischen Grundlagen, die konzeptionelle und die organisationale Umsetzung, die Relevanz der

Universitätsschule für eine nachhaltige Entwicklung im Lehrerberuf und ein erstes Meinungsbild

der verschiedenen Akteure.

ZIELSETZUNG UND THEORETISCHE GRUNDLAGEN DER UNIVERSITÄTSSCHULE LMU MÜNCHEN

Die Universitätsschule an der LMU versteht sich als Studienelement professioneller Lehrer-bildung im beruflichen Bereich in deren erster Phase. Ziel der Universitätsschule ist es, die drei Phasen der Lehrerbildung (Universität, Stu-dienseminar, Weiterbildung) miteinander zu verknüpfen sowie ein nachhaltiges lebenslanges Lernen zu initiieren und zu fördern. Theoretisch basiert das Konzept der Universitätsschule an der LMU sowohl auf professionstheoretischen2 und lehr-lern-theoretischen3 als auch bildungs-ökonomischen Überlegungen4 sowie einer bil-dungspolitischen Perspektive5 unter Berücksich-tigung des Zusammenspiels der verschiedenen Sichtweisen und Verantwortungsbereiche der Akteure und Lernorte. Die damit einhergehen-den Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten so-wie Herausforderungen werden für den Bereich der beruflichen Erstausbildung detailliert her-ausgearbeitet.6 Dabei ist für eine gelingende Lehrerbildung das Vorhandensein dieses „Dif-ferenzbewusstseins“ zentrale Voraussetzung.7

Entsprechend ist das Ziel unserer Arbeit in der Universitätsschule, theorie- und forschungs-bezogenes Reflexionswissen, praktisches Hand-

lungswissen sowie selbstreflexives Wissen auf- und auszubauen.8 Ferner ist es das Ziel für eine gelingende kooperative Arbeit, sich die Bedeu-tung und Grenzen des je unterschiedlichen Wissens und der zugrundeliegenden Expertisen bewusst zu machen, eine gemeinsame Sprache zu erarbeiten und die jeweiligen einzubringen-den Beiträge, Funktionen und Potenziale der be-teiligten Personen in Wissenschaft und Praxis herauszuarbeiten. In der kooperativen Arbeit bietet die Universitätsschule allen Akteuren ein Lern- und Entwicklungspotenzial durch das Sammeln von realitätsnahen Erfahrungen, die Erarbeitung evidenz-basierter Lösungen und Materialien, die Ermöglichung von Erfahrungs-austausch sowie die Aus- und Weiterbildung aller Beteiligten:

a) Für Studierende: • Lernen von Fach- und fachdidaktischem

Wissen (theoretisches Reflexionswissen) • Umsetzung ausgewählter „Lehrerbildungs-

standards“, didaktischer Jahresplanungen, fachdidaktischen Wissens (z. B. wirtschafts-instrumentelles Rechnungswesen) sowie der Einsatz hieraus entwickelter Materialien und Instrumente zur Unterstützung des Lehrer-handelns in der Schulpraxis (praktisches

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Handlungswissen): Lernen durch Experimen-tieren, forschendes Lernen, Lernen durch Teilnahme an der Unterrichtspraxis

• Reflexion der Erfahrungen gemeinsam mit den Mentoren, Seminarlehrern, Kommilito-nen, Universitätsmitarbeitern, Professoren, interessierter Öffentlichkeit (selbstreflexives

Wissen): Überprüfung der Berufswahl und Berufseignung in der Realität, Ausloten von Karriereoptionen in der Lehrerlaufbahn, Identifikation von Gestaltungs- und Selbst-verwirklichungsfreiräumen im Lehrberuf so-wie Exploration von alltäglichen beruflichen Tätigkeitsfeldern

b) Für Mentoren: • Erweiterung, Auffrischung und Konsolidie-

rung von Fach- und fachdidaktischem Wis-sen in Workshops, Gastvorträgen der Uni-versität, Phasen des Erfahrungsaustausches – auch mit den Studienseminaren – sowie in gemeinsamen Projekten mit den Studieren-den (theoretisches Reflexionswissen)

• Umsetzung traditioneller und aktueller The-men, Strategien und Kategorien in die Unter-richtspraxis sowie Überprüfen von innovati-ven Konzepten in der Praxis in gemeinsamen Projekten mit den Studierenden (praktisches

Handlungswissen): Weiterbildung durch Experimentieren und forschendes Lernen; gemeinsame Bearbeitung von schulischen Alltagsfragen / -problemen

• Reflexion der Erfahrungen im Mentoren-Team, mit Seminarlehrern, Studierenden, Universitätsmitarbeitern, Professoren, inte-ressierter Öffentlichkeit (selbstreflexives Wis-

sen): Bewusstwerdung der Position als „Role Model“

c) Für Schulleitungen: • Anregung für Schulentwicklung und Lehrer-

weiterbildung mittels neuem Fach- und fach-didaktischen Wissen in Abschlusspräsentatio-nen der erarbeiteten Projekte, Gastvorträgen der Universität, Phasen des Erfahrungsaus-tausches (theoretisches Reflexionswissen)

• Implementierung von gemeinsam erarbeite-ten Projekten im Sinne von Transfer in das Qualitätsmanagement an Schulen (QSE 2.0 bzw. QbM) und Nachhaltigkeit (praktisches

Handlungswissen)

• Reflexion der Erfahrungen gemeinsam mit den Mentoren, Seminarlehrern, Studierenden, Universitätsmitarbeitern, Professoren, interes-sierter Öffentlichkeit (selbstreflexives Wissen): Nutzen von Potenzialen der kooperativen Zusammenarbeit, Nutzung der Zusammen-arbeit für ein gezieltes Recruiting

d) Für Studienseminare: • Anregung für forschungsbasierte Lehre, Aus-

einandersetzung mit neuem Fach- und fach-didaktischen Wissen in Abschlusspräsenta-tionen der erarbeiteten Projekte, Gastvorträ-gen der Universität, Workshops, Phasen des Erfahrungsaustausches (theoretisches Refle-

xionswissen) • Implementierung, Überprüfung und Wei-

terentwicklung von gemeinsam erarbeiteten Projekten für die Entwicklung einer gemein-samen Sprache sowie der Förderung von Transfer und Nachhaltigkeit (praktisches

Handlungswissen) • Reflexion der Erfahrungen gemeinsam mit

den Mentoren, Seminarlehrern, Referenda-ren, Studierenden, Universitätsmitarbeitern, Professoren, interessierter Öffentlichkeit (selbstreflexives Wissen): Nutzen von Poten-zialen der kooperativen Zusammenarbeit, Erarbeitung einer gemeinsamen Sprache, Wahrnehmung von Änderungen in den Wer-ten, im Bildungsverhalten, in den Karriere-zielen, Berufswünschen und Arbeitsplatz-erwartungen der Studierenden

e) Für die Universität: • Produzieren, Evaluieren, Aufbereiten und

Vermitteln von neuem Fach- und fachdidakti-schen Wissen (theoretisches Reflexionswissen)

• Unterstützung der Umsetzung der „Lehrer-bildungsstandards“, Entwicklung und Ein-satz von Materialien und Instrumenten zur Unterstützung des Lehrerhandelns in der Schulpraxis sowie Überprüfen von neuen Konzepten an der Praxis in gemeinsamen Projekten mit den Studierenden (praktisches

Handlungswissen): Lernen durch Experimen-tieren, forschendes Lernen, Lernen durch Teilnahme an der Unterrichtspraxis

• Reflexion der Erfahrungen gemeinsam mit den Mentoren, Seminarlehrern, Studieren-

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den, Universitätsmitarbeitern, Professoren, interessierter Öffentlichkeit (selbstreflexives

Wissen): Nutzen von Potenzialen der koope-rativen Zusammenarbeit, Erarbeitung einer gemeinsamen Sprache, Wahrnehmung von Änderungen in den Werten, im Bildungs-verhalten, in den Karrierezielen, Berufswün-schen und Arbeitsplatzerwartungen der Stu-dierenden

f) Für die Lehrerbildung insgesamt: • Bereitstellung eines aktuellen und internatio-

nal anschlussfähigen Fach- und fachdidakti-schen Wissens; Aufbau von fachlichem und überfachlichem Humankapital (theoretisches

Reflexionswissen) • Über die Phasen hinweg abgestimmtes pro-

fessionelles evidenz-basiertes Lehrerhandeln (Lehrerbildungsstandards), das effizientes und effektives Lehren und Lernen ermöglicht; Aufbau von Humankapital und Sozialkapi-tal – durch das Knüpfen von Kontakten mit Kommilitonen, Referendaren, Lehrenden, Schulleitungen, Seminarlehrkräften, Univer-sitätspersonen (praktisches Handlungswissen)

• Reflexion der Erfahrungen gemeinsam mit den Mentoren, Seminarlehrern, Referenda-ren, Studierenden, Universitätsmitarbeitern, Professoren, interessierter Öffentlichkeit (selbstreflexives Wissen): Transparenz des Vorgehens; Sicherung einer hohen wissen-schaftlichen und praktischen Anerkennung; Unterstützung von Orientierungswissen (Be-rufswahl, Studiengestaltung, Karriereweg, Vorstellung über konkrete berufliche Tätig-keit insbes. für Studierende ohne vorherige Berufsausbildung)9 Aus der bewussten Nutzung der Differenz

zwischen den verschiedenen Lernorten und den damit verbundenen Lerngelegenheiten sowie Entwicklungsmöglichkeiten ergeben sich Chan-cen, die einen Mehrwert für alle Akteure und insbesondere für Studierende generieren.10

Das übergreifende Ziel besteht darin, in der gemeinsamen Arbeit und dem Zusammenspiel der verschiedenen Akteure über die institutio-nellen Grenzen hinweg unter Nutzung der ver-schiedenen vielfältigen Wissensbestände und der jeweiligen Ermöglichung von Lerngelegen-

heiten eine gemeinsame moderne, forschungs-basierte und international ausgerichtete Vision zur Professionalisierung von Lehrenden an be-ruflichen Schulen zu entwickeln und diese im Rahmen der jeweils gegebenen Möglichkeiten zielbezogen umzusetzen. Dieses beinhaltet eine Vernetzung der Curricula innerhalb und zwi-schen den Phasen der Lehrerbildung, die Ent-wicklung eines „evidence-based teaching“ sowie eines forschungsgeleiteten Assessments.11 Damit werden im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten Ansatzpunkte eröffnet, zentralen Hauptkritik-punkten der Lehrerbildung zu begegnen.12

KONZEPTIONELLE UMSETZUNG Die Universitätsschule an der LMU erstreckt

sich über das 1. und 2. Semester der Master-studiengänge Wirtschaftspädagogik I (Studien-richtung ohne schulisches Nebenfach) und Wirtschaftspädagogik II (Studienrichtung mit schulischem Nebenfach) und ist für beide Stu-dienrichtungen identisch.

TmP I – Lehrerbildungsstandards

Im 1. Semester wird die Veranstaltung „Theory meets Practice (TmP) I“ angeboten. Diese Veranstaltung ist verpflichtend für alle Studierenden. Ausgehend von der internationa-len Diskussion zu Lehrerbildungsstandards und einem „evidence-based teaching“13 ist es das Ziel dieser Veranstaltung, dass die Studierenden (bzw. alle Akteure) sich das bereits existierende (kodifizierte) Fach- und fachdidaktische Wissen zu ausgewählten Lehrerbildungsstandards als Grundlage und Bestandteil eines theoretischen Reflexionswissens erarbeiten. Hierzu greifen wir vor allem auf die Arbeiten im Lehrbuch von Cooper14 zurück und beziehen diese explizit auf den Bereich der beruflichen Bildung. Bearbeitet werden dabei u. a. die Lehrerbildungsstandards: 1. Reflexion und der effektive Lehrer, 2. Lernzie-le formulieren, 3. Unterrichtsplanung, 4. Schü-lerunterstützendes Handeln, 5. Fragetechnik, 6. Differenzierung, 7. Cultural Responsive Teach-ing, 8. Classroom Management, 9. Kooperatives Lernen, 10. Assessment.

Im Folgenden soll die Durchführung des Seminars TmP I am Beispiel des Lehrerbildungs-standards „Fragetechnik“ erläutert werden.

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S U S A NN E WE B E R / M I C H A E L S C HÖ N L E I N / J O S E

42 AR G UME N T E U ND M A T E R I A L I E N Z UM Z E I T G E S C H E H E N

Abbildung 1: Erarbeitung von Fach

Es existiert bereits kodifiziertes Wissen zu Fragetechniken

Warum stellen Lehrende Fragen?

• Fragen sollen Denk- und Lernprozesse anregen

• Fragen helfen den Lehrenden, im Zeitplan zu bleiben und al

• Fragen helfen, Lernchancen

• Fragen sollen den Lernenden in den Unterricht einbinden

• Fragen können zur Diagnose des W

• Fragen können als Feedback fungieren

• …

Wonach lassen sich Fragen im Unte

• Auf das Lernniveau abgestimmte Fragen

• Fragen im Hinblick auf Offenheit

• Abgrenzung zum Impuls

• …

Aus der Lehr-Lern-Forschung wissen wir:

• Lehrende stellen in einer 40Bei 20 Unterrichtsstunden pro Woche sind dieses ca. 800 bis 1.600

• 80 % der Fragen zielen auf Wi

• Je mehr Fragen die Lehrenden stellen, desto zumeist vom eigentlichen

• Lernende richten selten Fragen an LehrerAn drei Schultagen hört der Lernende ca. 800

• Die Häufigkeit der Lehrerfragen korreliert negativ mit d

• …

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Erarbeitung von Fach- und fachdidaktischem Wissen (theoretisches Reflexionswissen)

Es existiert bereits kodifiziertes Wissen zu Fragetechniken …

Warum stellen Lehrende Fragen?

und Lernprozesse anregen

Fragen helfen den Lehrenden, im Zeitplan zu bleiben und alle „Inhaltsbereiche“

Fragen helfen, Lernchancen „gerechter“ zu verteilen

den in den Unterricht einbinden

Fragen können zur Diagnose des Wissensstandes eingesetzt werden

n können als Feedback fungieren

Wonach lassen sich Fragen im Unterricht klassifizieren?

Auf das Lernniveau abgestimmte Fragen

Fragen im Hinblick auf Offenheit / Geschlossenheit

Forschung wissen wir:

Lehrende stellen in einer 40- bis 50-minütigen Stunde 40 bis 80 Fragen Unterrichtsstunden pro Woche sind dieses ca. 800 bis 1.600 Fragen

% der Fragen zielen auf Wissens- und Gedächtnisleistungen

Je mehr Fragen die Lehrenden stellen, desto „schlichter“ werden die Fragen und führen Fragegegenstand weg

Lernende richten selten Fragen an Lehrer / Dozenten: tagen hört der Lernende ca. 800 Lehrerfragen und stellt eine eigene Frage

Die Häufigkeit der Lehrerfragen korreliert negativ mit der Häufigkeit der Schülerfragen

F R I E D L

(theoretisches Reflexionswissen)

le „Inhaltsbereiche“ abzudecken

werden die Fragen und führen

en und stellt eine eigene Frage

er Häufigkeit der Schülerfragen

Page 44: LMU München - Sonderausgabe 1/2016 Argumente und ......Abb. 1: Kulturbegegnungsmodell der Kommunikation Quelle: in Anlehnung an Schmid, Bernd / Messmer, Arnold: Systematische Personal,-

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Handlungsempfehlungen auf der Basis des kodifizierten Wissens und der Praxis:

Lehrende sollten …

• … weniger Fragen stellen

• … Fragen bezogen auf die individuellen Anforderungen der Lernenden stellen

• … Fragen variierend und zielgerichtet im Hinblick auf die Tiefe (Taxonomiestufe, Hinweise, Unterstützung) und die Breite (geschlossene / offene Fragen) des Inhaltsbereiches und der kognitiven Struktur stellen

• … eine angemessene Zeit warten, bevor sie eine weitere Frage stellen

• … mit Fragen gezielt Lernchancen unter den Lernenden verteilen

• … mit Fragen unterstützendes und informierendes Feedback geben

• … mehr mit Impulsen arbeiten

• …

Quelle: Zusammengestellt in Anlehnung an: Frey, K. / Frey-Eiling, A.: Allgemeine Didaktik, Zürich 1993, Kap. 13.1; Cooper, J. M.: Classroom Teaching Skills, Belmont, CA 2014, S. 121-167

Sammeln von Erfahrungen im praktischen

Handlungsfeld (praktisches Handlungswissen)

In einem gemeinsamen Projekt erarbeiten die Studierenden mit den Mentoren ein Konzept (unter Einbeziehung von Instrumenten, Zeit-plänen, Hospitationsklassen, Kollegen, Organi-sation etc.) zur Beobachtung und Umsetzung, zum Experimentieren, zum Forschen und zur Dokumentation ihres bearbeiteten Lehrerbil-dungsstandards in der Unterrichtspraxis (Erar-beitung des praktischen Handlungswissens). Hierzu bietet das Lehrbuch von Cooper „Class-room Teaching Skills“15 hilfreiche Materialien; das gilt auch für das Buch von Borich „Obser-vation Skills for Effective Teaching“16, das zahlreiche und sehr verschiedene Instrumente zur Beobachtung von Unterrichtsprozessen vor-schlägt. Mit Hilfe dieser Literatur werden die Studierenden dafür sensibilisiert, I. zunächst die übergreifende Situation näher

zu spezifizieren (inkl. der Beschreibung des sozio-kulturellen und ökonomischen Hin-tergrundes), um die Beobachtungen und das Lehrerhandeln in einem übergreifenden, sinngebenden Kontext zu verorten.

II. Anschließend sind Kategorien auszuwählen, mittels derer die Unterrichtsprozesse zum

entsprechenden Lehrerbildungsstandard beobachtet werden könnten (z. B. anhand der Anzahl sowie der Qualität (bzgl. Breite, Tiefe) der gestellten Fragen, der verteilten Lernchancen durch die gestellten Fragen, des Formats und der Formulierung der Fra-gen im Rahmen eines Feedbacks).

III. Zudem werden Instrumente zur Beobach-

tung von Unterrichtsprozessen vorgestellt: 1. narrative Berichte (z. B. ethnographische Berichte, anekdotische Berichte, themati-sche Notizen, visuelle Skizzen), 2. Rating-Skalen (z. B. Checklisten, Summenskalen, Fünf-Punkte-Likert-Skalen) oder 3. Kodier-systeme zur Abbildung von Klassenraum-interaktionen (z. B. Zählsysteme, Symbol-systeme). Im Anschluss an die systematische Doku-

mentation der Unterrichtsbeobachtung wird das praktische Lehrerhandeln gemeinsam mit Men-toren, Seminarlehrkräften, Universitätspersonen unter Nutzung der erarbeiteten wissenschaft-lichen Kategorien sowie der von Oser u. a.17 vorgeschlagenen Evaluationsdimensionen und Referenzsysteme diskutiert, evaluiert und be-wertet.

Page 45: LMU München - Sonderausgabe 1/2016 Argumente und ......Abb. 1: Kulturbegegnungsmodell der Kommunikation Quelle: in Anlehnung an Schmid, Bernd / Messmer, Arnold: Systematische Personal,-

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Abbildung 2: Beobachtungsbogen

Auszug aus dem Beobachtungsbogen für „Fragetechnik“ aus dem Lehrbuch vo

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: Beobachtungsbogen

Auszug aus dem Beobachtungsbogen für „Fragetechnik“ aus dem Lehrbuch vo

F R I E D L

Auszug aus dem Beobachtungsbogen für „Fragetechnik“ aus dem Lehrbuch von Cooper18:

Page 46: LMU München - Sonderausgabe 1/2016 Argumente und ......Abb. 1: Kulturbegegnungsmodell der Kommunikation Quelle: in Anlehnung an Schmid, Bernd / Messmer, Arnold: Systematische Personal,-

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Bezogen auf den Lehrerbildungsstandard

„5. Fragetechnik“ könnte die Evaluation der Beobachtungen anhand der Dimensionen von Oser u. a.19 wie folgt vorgenommen werden:

• Wie werden die Fragen im Hinblick auf Einfühlsamkeit und Empathie gestellt?

• Werden Fragen bei Bedarf flexibel um-formuliert (ggf. im Hinblick auf Niveau, Inhalt, Format)?

• Werden die Fragen engagiert und moti-vierend vorgetragen?

• Wie werden Fragen im Spannungsver-hältnis von „Autonomie und Kontrolle“ eingesetzt?

• Werden die Fragen entsprechend zum individuellen Lernniveau des angespro-chenen Lernenden formuliert?

• Inwiefern werden Fragen zur Steuerung eines angemessenen Lerntempos gestellt?

• Entsprechen die Fragen dem zu vermit-telnden Inhalt?

• …

Zur Bewertung ließen sich danach die folgen-

den Referenzsysteme bzw. Benchmarks gemäß Oser u. a.20 heranziehen:

• Existieren kulturelle Normen (z. B. soll-ten keine Ja / Nein-Fragen in kulturellen Kontexten gestellt werden, in denen aufgrund des kulturellen Wertesystems kein klares ablehnendes „Nein“ zum Ausdruck gebracht wird)?

• Gibt es Referenzen aus der Wissenschaft (d. h. gibt es Studien, die eine klare Empfehlung zulassen: Z. B. empfehlen Frey und Frey-Eiling21 Lehrkräften, min-destens 3 Sekunden auf eine Antwort zu warten, bevor sie eine weitere Frage stellen bzw. nochmals 3 Sekunden nach der Schülerantwort warten)

• Existieren Durchschnittswerte von Exper-ten oder Praktikern (inwiefern weichen die Ergebnisse der Unterrichtsbeobach-tung von diesen Durchschnittswerten ab)?

• Existiert in der Fach-Community ein Konsensus (welche Auffassung wird in der Lehrerbildung in Bayern, in einem Studienseminar etc. vertreten, und in-wiefern stimmen die Beobachtungen mit diesen Auffassungen überein)?

Im Rahmen des forschenden Lernens und

Experimentierens wird ausgewählten Fragen nachgegangen wie z. B.:

• Wie lassen sich die Beobachtungen und Diskussionsargumente auf die Dimen-sionen und Benchmarks von Oser u. a.22 sowie auf Aussagen aus der Theorie aufgrund entsprechender Forschungser-gebnisse beziehen?

• Durchspielen von Antworten auf die Frage „Was wäre, wenn, …“ zu ausge-wählten Lehrerhandlungen: Was waren besonders gut gelungene Teilhandlun-gen? Wie lassen sich möglicherweise ausgewählte Teilhandlungen optimie-ren?

• Suche nach Erklärungen für eingetrete-ne Wirkungen ausgewählter Teilhand-lungen.

• Simulation bzw. Ausprobieren von Teil-handlungen (z. B. Formulierung von Fra-gen auf verschiedenen Niveaustufen zur Initiierung von bestimmten Lernaktivi-täten oder zur Steuerung der Lehr- und Lerngeschwindigkeit).

Aktivitäten und Ergebnisse im Rahmen

von Reflexionen (selbstreflexives Wissens)

Im Anschluss sind die erarbeiteten theore-tischen Kategorien, die Beobachtungen, die eigenen Erfahrungen, die Ergebnisse möglicher Experimente sowie gemeinsamer Reflexionen systematisch in einer öffentlichen Abschluss-präsentation allen Studierenden und Akteuren (inklusive weiteren Interessierten wie z. B. Stu-dienseminarleitung, andere Seminarlehrkräfte, Ministerium) vorzustellen und zu verteidigen.

Page 47: LMU München - Sonderausgabe 1/2016 Argumente und ......Abb. 1: Kulturbegegnungsmodell der Kommunikation Quelle: in Anlehnung an Schmid, Bernd / Messmer, Arnold: Systematische Personal,-

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Hier werden neben konkreten Fach- und fach-didaktischen Reflexionen sowie Reflexionen zu eigenen Unterrichtserfahrungen auch übergrei-fende Selbstreflexionen zur Rolle der Lehrkraft, zur Modellbildung, Steuerung und Wirkung so-wie zur eigenen Berufswahl, Karriereinteressen, Joberwartungen und Tätigkeitsfeldern initiiert und durchgeführt (Entwicklung eines selbstre-flexiven Wissens).

Kommentare aus der Abschlussveranstaltung:

• Beim Unterrichten habe ich mich wohl und sicher gefühlt. Meinem Feedback zufolge wirkte ich auch sehr selbstbe-wusst, wodurch mich die Schüler von Anfang an als Autorität akzeptierten.

• Meine Eindrücke lassen sich so zusam-menfassen, dass ich mir nun sehr gut vorstellen kann, Lehrerin zu werden, um mich auch weiterhin im Rahmen der Entwicklung von Persönlichkeiten über-raschen zu lassen und ihnen dabei zur Seite zu stehen.

• Zusammenfassend verlief die Unterrichts-stunde sehr gut, und die Schülerinnen und Schüler arbeiteten motiviert mit. Es war sehr interessant, die Lehrerrolle zu übernehmen und den Unterricht vom Pult aus zu beobachten bzw. zu leiten. Das im Anschluss stattfindende Feed-back war sehr konstruktiv und sowohl die positiven als negativen Hinweise werde ich bei der nächsten Unterrichts-gestaltung beachten.

• Die Hospitation insgesamt war eine sehr wertvolle Erfahrung, die mich bei späte-ren beruflichen Entscheidungen sicher-lich unterstützen wird.

Curricular ist die Veranstaltung TmP I ver-

knüpft mit der Vorlesung und Übung „Beruf-liche Kompetenzen“, in der Fragen und Aspekte der Curriculumtheorie,23 der Instruktions-Theo-rie24 sowie von Theorien des Assessments25 bearbeitet werden. Parallel läuft die Veranstal-tung „Schulpraktische Studien“, in der neben

allgemein unterrichtlichen auch schulorganisa-torische, bildungspolitische und karriereorien-tierte Erfahrungen in zusätzlichen Hospitati-onsstunden gesammelt werden (hier ist auch traditionell mindestens ein Unterrichtsversuch zu erbringen, wozu ein tabellarischer Unter-richtsverlaufsplan (UVP) zu verfassen ist; Pla-nung, Durchführung, Reflexion von Unterricht sind anschließend mit dem / der Betreuungs-lehrer/in zu diskutieren). Nachgelagert sind freiwillige Praktika in der vorlesungsfreien Zeit in den Universitätsschulen und den Kooperati-onsschulen, aber auch die freiwillige vertiefen-de Veranstaltung TmP II im darauffolgenden Sommersemester (s. Abb. 3).

Für die vorlesungsfreie Zeit zwischen dem 1. und 2. Semester empfehlen wir, ein selbstver-antwortetes freiwilliges Praktikum in der Schule zu absolvieren, um die gemachten Erfahrungen zu vertiefen und weitere Erfahrungen zu sam-meln.26 Die Mentoren und Betreuungslehrkräfte sowie die Universitätsschulen und die Koope-rationsschulen zeigen hier vorbildlich ein hohes Commitment für die zusätzliche Ermöglichung von Lehr- / Lern- und Entwicklungsgelegenhei-ten.

TmP II – Ausgewählte Vertiefungen – z. Z. Didaktische Jahresplanung im Rechnungswesen

Im 2. Semester der Masterstudiengänge wird die Veranstaltung „Theory meets Practice (TmP) II“ angeboten. Diese Veranstaltung ist frei wählbar und offen für alle Studierenden der Wirtschaftspädagogik. Ausgehend von zentra-len aktuellen unterrichtspraktischen Fragestel-lungen sowie Alltagsherausforderungen werden ausgewählte Themen, die sich entlang der Leh-rerbildungsstandards verorten lassen, vertieft bearbeitet (vgl. Themen und Inhalte sowie die Überblicksliste im Anhang 1). Dabei ist es das Ziel bei allen Themen – auch wenn einzelne temporär fokussiert werden –, den übergrei-fenden Zusammenhang zwischen „Curriculum“ (Frage nach den Lern- und Entwicklungszielen), „Instruktion“ (Frage nach der didaktischen Umsetzung und Vermittlung) und „Assessment“ (Frage nach der Evaluation und den Evidenzen des Gelernten) im Auge zu behalten.27

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Abbildung 3: Konzept der Universitätsschule an der LMU

Quelle: Eigene Darstellung

Entsprechend der Ergebnisse der Lehr

Forschung reicht ein primär umfangreichesFachwissen (akademische Disziplin) und Wisen in den Kulturtechniken (Rechnen, Lesen, Schreiben) allein nicht aus, um künftige private und berufliche Situationen erfolgreich bewältgen zu können. Ebenso scheint ein vorwiegend einseitiger Frontalunterricht nicht erfolgreich zu sein, um überdauernd kognitive Strukturen aufzubauen sowie eine kognitive Flexibilität und Transfer sicherzustellen. Umgekehrt schenen einseitig konstruktivistische offene Lerformen wiederum zu verhindern, dass notwediges handlungsleitendes Wissen in mentalen Modellen strukturiert auf- und ausgebaut und damit kompetentes berufliches Handeln gefödert wird. Zudem bleiben Maßnahmen zur Leistungsfeststellung (i. S. e. summativen Assessments) oder zur Diagnose durch ein formatives Assessment zumeist ausgeblendet.

In der beruflichen Bildung haben sich daher Curricula in der Form von „Lernfeldern“ etaliert, die es erlauben, neben disziplinorientietem Wissen28 auch praktisches Handelndie Entwicklung der PersönlichkeitLernziele aufzunehmen. Als Konstrukt der Lei

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r Universitätsschule an der LMU

Entsprechend der Ergebnisse der Lehr-Lern-Forschung reicht ein primär umfangreiches Fachwissen (akademische Disziplin) und Wis-sen in den Kulturtechniken (Rechnen, Lesen, Schreiben) allein nicht aus, um künftige private und berufliche Situationen erfolgreich bewälti-gen zu können. Ebenso scheint ein vorwiegend

nicht erfolgreich zu sein, um überdauernd kognitive Strukturen aufzubauen sowie eine kognitive Flexibilität und Transfer sicherzustellen. Umgekehrt schei-nen einseitig konstruktivistische offene Lern-formen wiederum zu verhindern, dass notwen-

leitendes Wissen in mentalen und ausgebaut und

damit kompetentes berufliches Handeln geför-dert wird. Zudem bleiben Maßnahmen zur Leis-

e. summativen Assess-ments) oder zur Diagnose durch ein formatives

essment zumeist ausgeblendet. In der beruflichen Bildung haben sich daher

in der Form von „Lernfeldern“ etab-liert, die es erlauben, neben disziplinorientier-

auch praktisches Handeln29 und die Entwicklung der Persönlichkeit30 mit als

ziele aufzunehmen. Als Konstrukt der Leis-

tung wird derzeit das integrierte Kompetenkonstrukt (Verknüpfung von Dispositionen undPerformanz) von Weinert31 Anlehnung an die internationalen Vergleichstudien wie z. B. PISA, PIACC herangezogeDie Instruktion erfolgt daher anhand komplexer,authentischer Tätigkeitsfelder und Handlungprozesse (u. a. Geschäftsprozesse), die Lernglegenheiten bieten, um die verschiedenen currcular strukturierten Lernziele und Inhalte auf den entsprechenden Taxonomiestufen erreichenzu können.34 Entsprechend der identifizierten Kompetenzfacetten, Lernziele und Inhalte swie der korrespondierenden Evidenzen werden derzeit verschiedene Ansätze zur Modellierung und Messung beruflicher Kompetenzen erabeitet:35 für den Bereich des summativenAssessments;36 für den Bereich des formativen Assessments und der individuellen Lernfördrung.37

Vor diesem Hintergrund und auf dieser Litraturbasis erfolgt ganz eng angelehnt an unsereForschungsprojekte die Bearbeitung der Thmen in den Veranstaltungen der Universitätschule – hier: zur Didaktischen Jahresplanung (DJP).

N D E R LMU I N MÜ NC H E N

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tung wird derzeit das integrierte Kompetenz-konstrukt (Verknüpfung von Dispositionen und

und Winterton32 in Anlehnung an die internationalen Vergleichs-

B. PISA, PIACC herangezogen.33 erfolgt daher anhand komplexer,

authentischer Tätigkeitsfelder und Handlungs-a. Geschäftsprozesse), die Lernge-

legenheiten bieten, um die verschiedenen curri-cular strukturierten Lernziele und Inhalte auf

Taxonomiestufen erreichen Entsprechend der identifizierten

Kompetenzfacetten, Lernziele und Inhalte so-wie der korrespondierenden Evidenzen werden derzeit verschiedene Ansätze zur Modellierung und Messung beruflicher Kompetenzen erar-

den Bereich des summativen für den Bereich des formativen

Assessments und der individuellen Lernförde-

Vor diesem Hintergrund und auf dieser Lite-raturbasis erfolgt ganz eng angelehnt an unsere Forschungsprojekte die Bearbeitung der The-men in den Veranstaltungen der Universitäts-

hier: zur Didaktischen Jahresplanung

Page 49: LMU München - Sonderausgabe 1/2016 Argumente und ......Abb. 1: Kulturbegegnungsmodell der Kommunikation Quelle: in Anlehnung an Schmid, Bernd / Messmer, Arnold: Systematische Personal,-

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„Curriculum“

In einem ersten Schritt analysieren die Stu-dierenden gemeinsam in ihren Arbeitsgruppen mit den Mentoren die existierenden Lehrplä-ne.38 In weiteren Schritten führen sie systemati-sche Analysen (i. S. e. Domänenanalyse) durch, um sich einen Überblick über die aktuellen Herausforderungen und pädagogischen Ansprü-che im Kontext des Lernfeldes zu erarbeiten. Dabei wählen sie sehr unterschiedliche Zugänge: Analysen von Schulbüchern, IHK-Abschluss-prüfungen und Stellenanzeigen, Durchführung von Experteninterviews.39

Anschließend kristallisieren sie die soge-nannte „Big Idea“40 sowie die Zusammenhän-ge zwischen den Schwerpunkten des Lernfeldes heraus, die dann in Form von auszubildenden Kompetenzfacetten und Lernzielen auf verschie-denen Taxonomiestufen zu formulieren sind.41 In diesem Kontext legen wir Wert darauf, dass sich die Studierenden auch klar darüber wer-den, anhand welcher beobachtbaren Eviden-zen für dieses Lernfeld die intendierte Leistung bzw. das angestrebte berufliche Handeln ge-messen und bewertet werden sollen (z.B. die Schüler wählen eine AfA-Methode aus und be-gründen diese mit mindestens zwei plausiblen Argumenten unter Nutzung relevanter Fachbe-griffe; die Schüler nutzen bei der Erarbeitung eines Projektplans das Tool Excel).

„Instruktion“

Ausgehend von den curricularen Analysen wird eine didaktische Jahresplanung (DJP) so-wie eine Gesamtsituation entwickelt, die ganz-heitliche betriebliche Prozesse abbildet und entsprechende Lernziele formulieren hilft. Nach intensiver Reflexion mit den Mentoren werden komplexe authentische Lernsituationen in An-lehnung an den lehr-lern-theoretisch fundierten didaktischen „Four Component Instructional Design“-Ansatz von van Merriënboer und Kirsch-ner42 konstruiert. Dabei werden die Four Com-ponents mit ihren 10 Steps to Complex Learning nach Kriterien des „evidence-based teaching“ ausgearbeitet.

Danach werden in einem ersten Schritt kor-respondierend zu den formulierten Lernzielen und Taxonomiestufen Aufgaben formuliert, die

es erlauben, entsprechende kognitive, motiva-tionale und emotionale Dispositionen anzuregen und zu entwickeln. Dabei stehen die einzelnen Aufgaben im übergeordneten Zusammenhang mit der für das Lernfeld herauskristallisierten „big idea“ und lassen sich in Aufgabenklassen bündeln. Die Lernsituation wird dabei mit selbst konstruierten Aufgabenblättern und Belegen initiiert.

In einem zweiten Schritt wird das systema-tische Wissen zum Aufbau mentaler Modelle und Handlungsschemata identifiziert und für jede Aufgabenklasse portioniert und gestaltet. Dieses kann – wie in diesem Beispiel – mit Auszügen aus Lehrbüchern oder aber als Infor-mation im Rahmen einer Fallstudie präsentiert werden.

In einem dritten Schritt werden Algorithmen und pragmatische Problemlösestrategien für jede Aufgabe und Aufgabenklasse identifiziert und so aufbereitet, dass sie „just-in-time“ bei Bedarf im Prozess der Aufgabenbearbeitung ab-gerufen werden können. Die Aufbereitung kann in Form von Videoclips, Arbeitsblättern, Formu-laren, Mustervorlagen etc. geschehen.

In einem vierten Schritt werden für diesen Lernkontext immer wiederkehrende Denk- und Arbeitshandlungen identifiziert und versucht, zu Routinen auszubilden, um den „Cognitive Load“ zu reduzieren und die kognitive Verar-beitungskapazität für die eigentliche Problem-lösung (die „Anstrengung des Begriffs“) nutzbar zu machen.

Dieses instruktionale Design transformieren

die Studierenden in einen „Unterrichtsver-laufsplan“ (UVP) und setzen diesen im realen Unterricht um. Im Anschluss wird der selbst gehaltene Unterricht in der Kleingruppe mit den Mentoren individuell reflektiert (s. Abb. 4).

In einer öffentlichen Abschlusspräsentation

werden die curricularen, instruktionalen und assessment-orientierten Überlegungen, die kon-kreten Ausarbeitungen und Erfahrungen mit der Umsetzung im eigenen Unterricht sowie die individuellen Feedbacks einem breiten inte-ressierten (Fach-)Publikum vorgestellt sowie gemeinsam mit allen Akteuren der Universitäts-schule diskutiert und reflektiert (s. Abb. 5).

Page 50: LMU München - Sonderausgabe 1/2016 Argumente und ......Abb. 1: Kulturbegegnungsmodell der Kommunikation Quelle: in Anlehnung an Schmid, Bernd / Messmer, Arnold: Systematische Personal,-

UN I V E R S I T Ä T S S C H U L E A N D E R LMU I N MÜ NC H E N

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Abbildung 4: Erstellung eines Unterrichtsverlaufsplans und Umsetzung im realen Unterricht

Quelle: Zusammengestellt aus dem Vortrag Weber, S. / Schönlein, M.: Konzept Universitätsschule LMU München, 2014

Abbildung 5: Präsentation, Diskussion und Reflexion der DJP sowie des Unterrichts

Quelle: Zusammengestellt aus dem Vortrag Weber, S. / Schönlein, M.: Konzept Universitätsschule LMU München, 2014

Phase Inhalt Medien/ Mate-

rial

Methode Zeit

1 Einstieg Das Schreiben der Sparkasse wird aufgelegt. Ein Schüler liest vor.

OHP Folie Schrei-ben Sparkasse

Impuls 2/2

2 Prob-lemana-lyse und

- vertie-fung

NN, können Sie der Klasse kurz schildern, was durch dieses Schreiben in der KF KG passiert ist?

- Finanzsituation � Schulden bei der Bank? - Bankkonto prüfen Welche Folgen hat dies für die Konrad Fied

KG? - Kann i-Phones nicht beschaffen

- droht illiquide zu werden.

Hauptbuch BA 5

LSG 8/10

3 Strate-gie

Droht unsere Anschaffung der i-Phones nun zu kippen, oder hätten wir noch andere Mög-

lichkeiten diese zu finanzieren/ zu bezahlen? - Kasse prüfen

- Forderungen prüfen � Mahnungen fehlen! - Lieferanten gewähren uns auch noch Kredi-te. L führt über Impulse (Folie Außenbeziehun-

gen, BA 6) zur Privateinlage des Herrn Fied. Tafelüberschrift: Wie verbucht die Konrad Fied KG die Pri-vateinlage des Herrn K. Fied?

Tafel LSG

4 Erarbei-tung

Die S. erarbeiten den Buchungssatz nach dem bekannten Schema. L listet Hilfestellung

Konzeptpapier Kontenplan Checkliste Puzzle

DinA3 Blatt

Einzelarbeit Gruppenarbeit

10/20

5 Lö-sungszu-

sammen-führung

Das Moderatorenteam moderiert die Klas-senmeinung am Haus.

(Moderatorenteam geht nach der Checkliste vor.)

Der L. leistet wenn nötig Hilfestellung und hilft vor allen Dingen durch seine eigene Erklärungskompetenz. Hilfsimpulse:

Vorstellung von der Auflösung des Unter-nehmens Rechte Seite der Bilanz Ebenen des Unternehmensmodells beachten

Metaplanwand Pfeile

Konten Außenbezie-

hungen

S.moderation S.präsentation

10/30

6 Abs-traktion

Das Moderatorenteam sichert den gewonne-nen Buchungssatz am Haus und im Grund- und Hauptbuch.

Sicherungspa-pier Folie Grund- und Hauptbuch auf Folie

S.moderation 10/40

7 Refle-

xion

Die Klasse reflektiert die Frage, ob die An-

schaffung der i-Phones angesichts der aktu-ellen Situation noch sinnvoll ist und welche

Rolle die Einlage des Herrn Fied dabei spielt.

Tafel LSG 5/45

Umsetzung im realen Rechnungswesenunterricht und individuelle Reflexion mit Mentoren

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„Assessment“

Gegenwärtig und zukünftig arbeiten wir da-ran, ausgehend von den lernziel-basierten defi-nierten „Evidenzen“ komplexe authentische Testaufgaben zu entwickeln, die es erlauben, die angestrebten Kompetenzfacetten abzubilden – hier zunächst für ein formatives Assessment. Wir verfolgen mit unserem Assessment das Anlie-gen, die bisherige Leistungsfeststellungspraxis – zumindest bezogen auf zentrale Kompetenzen der kaufmännischen beruflichen Bildung – zu verbessern:43

Derzeit werden (das gilt für alle Lehr-Lern-Bereiche) primär Testaufgaben nach einem all-gemeinen Plausibilitätscheck („Augenscheinva-lidität“) formuliert und Lernleistungen mittels intuitiver Testtheorie44 bestimmt. Das bedeutet u. a., dass die Schwierigkeiten der eingesetzten Aufgaben intuitiv angenommen werden. Indem diese Theorie jedoch lediglich die aufsummier-ten Punkte berücksichtigt, die eine Person in einem Test erreicht hat, bleibt offen, ob diese implizierten Aufgabenschwierigkeiten tatsäch-lich gelten. Daraus ergeben sich u. a. drei zent-rale Probleme:

1. Zwei Personen, die beispielsweise 50 Punk-te in einem traditionellen Test erreichen, wird dieselbe Leistungsfähigkeit bescheinigt, unab-hängig davon, ob die eine Person (A) diese Punktezahl mit eher leichten Aufgaben und die andere Person (B) mit eher schwierigen Aufga-ben erreicht haben. Nach probabilistischer Test-theorie validierte Tests enthalten nur trenn-scharfe Aufgaben (u. a. verschiedener Schwie-rigkeitsstufen). Personen unterschiedlicher Leis-tungsfähigkeit – wie oben skizziert – würden in diesem Test mit hoher Wahrscheinlichkeit un-terschiedlich viele Aufgaben lösen können. Die eher leistungsschwache Person (A) würde nur die leichten Aufgaben, die eher leistungsstarke Person (B) würde sowohl die leichten als auch die schweren Aufgaben lösen können. Im Er-gebnis wird Person B einen berechtigterweise höheren Summenscore haben – was eine höhe-re Leistungsfähigkeit impliziert – als Person A (fehlende psychometrische Validität).

2. Testaufgaben werden zwar nach gutem Wissen und Gewissen sowie auf der Basis eines umfassenden Erfahrungswissens für die verschie-denen Taxonomiestufen formuliert; ob aber die

Prüfungsaufgabe die darin zur Bewältigung der jeweiligen Aufgaben implizierten kognitiven Prozesse auch tatsächlich erforderlich macht oder nicht, bleibt offen. Dieses Phänomen zeigt sich in verschiedenen Schulbuchanalysen und Analysen von Prüfungsaufgaben, die zu dem Ergebnis kommen, dass viele – auch noch so sorgfältig und komplex gestaltete Aufgaben – primär nur deklaratives Fachwissen auf einem niedrigen kognitiven Niveau abprüfen (fehlen-de kognitive Validität).

3. Darüber hinaus sind Aufgabenformate und Prüfungssituationen oft so gewählt, dass die Lernenden bei der Bearbeitung der Testaufgabe die gewünschten Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht angemessen zeigen können. So erfordern z. B. Aufgabenformate mit sehr langen Aufga-ben- und Fallbeschreibungen häufig nicht pri-mär die zu prüfenden beruflichen Fähigkeiten und Fertigkeiten, sondern eher allgemeine Lese-fähigkeit, Ausdauer, Konzentrationsvermögen, Bearbeitungsgeschwindigkeit, Lösungstaktik etc. (fehlende Inhalts- und Konstruktvalidität). Zusammenfassend:

Auch wenn traditionelle – eher intuitive – Testverfahren in fast allen Bildungsprozessen gängige Praxis sind, messen sie oft nicht das, was sie zu messen beabsichtigen! Wenn Ergeb-nisse von Leistungsmessungen unter einer Out-putorientierung jedoch zunehmend an Bedeu-tung gewinnen – mit allen Konsequenzen für politische Steuerung –, dann muss Assessment neu gedacht werden. Ebenso, wenn individuel-le Leistungsförderung und damit pädagogische Diagnostik bildungspolitisch gewollt wird und ernsthaft umgesetzt werden soll.

Mit unserem Ansatz streben wir in Anleh-nung an die internationale Diskussion und For-schung zur Leistungsfeststellung an, das Konzept des Assessment neu zu denken und zu fassen: Dabei versuchen wir, auf der Basis einer inten-siven Domänenanalyse, die intendierte und in den Curricula angestrebte Kompetenz in einem theoretischen Modell (das sich auf das Ende der Unterrichtseinheit, das Schuljahr oder die kaufmännische Ausbildung mit den insgesamt zu beobachtenden Fähigkeiten und Fertigkeiten beziehen lässt) zu formulieren und hierauf be-zogen Aufgaben zu entwickeln, die es erlauben, die intendierten Denk- und Handlungsweisen

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zu beobachten (d. h. Evidenz zu haben über das Erreichen der zuvor formulierten Lernziele) sowie ein statistisches Modell zu erarbeiten, das über die reine Zählung von Punkten hin-ausgeht. Daher greifen wir mit diesem neuen Ansatz auf Verfahren der probabilistischen Testtheorie zurück, mit deren Hilfe Lösungs-wahrscheinlichkeiten für das ganze Modell in-klusive der a) Annahmen über einfache und schwierige Aufgabenmerkmale sowie gleichzei-tig b) der Annahmen über die erforderlichen kognitiven bzw. psychologischen Ressourcen berechnet werden.

Der Vorteil dieser „model-based measure-ment“-Ansätze liegt auf der Hand: Wenn es uns umfassend gelänge, für zentrale Kompetenzen der beruflichen Bildung derart modellgeleitet Aufgaben für verschiedene Schwierigkeitsstufen evidenz-basiert zu konstruieren, dann könnten wir hiermit modellgeleitet Leistungsstände von Lernenden feststellen und zielgerichtet und evi-denz-basiert „Lücken“ schließen sowie „Talen-te“ fördern.45

Deutlich wird auch, dass ein solches Assess-ment nicht nur eine rein statistische Heraus-forderung darstellt, sondern definitiv curriculare und lehr-lern-theoretische Grundlagen sowie didaktische Kreativität und Erfahrung voraus-setzt.

Daher ist unser Ansatz von der Überzeugung getragen, dass effiziente und effektive Lehr-Lern- und Entwicklungsprozesse nur unter Ein-haltung der „Curriculum-Instruktion-Assess-ment“-Triade46 gelingen können. Alle drei Dimensionen, die sich von ihrer Komplexität her zu entsprechen haben, werden damit zum Gegenstand der Auseinandersetzung und die-nen der Orientierung in der Universitätsschule an der LMU – eine hierfür perfekte Plattform, auf der die verschiedenen Akteure der Lehrer-bildung aufeinandertreffen und ihre jeweils ver-schiedenen Wissens- und Erfahrungsbestände als komparative Vorteile einbringen und i. S. d. Professionalisierung von Lehrenden nutzbar machen können.

Weitere Themen, die in der Veranstaltung „Theory meets Practice II (TmP II)“ bearbeitet wurden:

Thema: „Lernstrategien“ (entspricht der Kompetenz 3: „Lehrerinnen und Lehrer fördern

die Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern zum selbstbestimmten Lernen und Arbeiten): die Absolventen „vermitteln und fördern Lern- und Arbeitsstrategien“.47 Zum Beispiel: • Entwicklung, Implementierung und Evaluati-

on eines Hilfsmittels zur Förderung kognitiver

und metakognitiver Lernstrategien (Munzert, Friedl, Weber)

• Einsatz von Concept Maps im wirtschaftsin-

strumentellen Rechnungswesen zur Wissens-

diagnostik und Förderung von Lernstrategien (Kraft, Friedl, Weber) Thema: „Assessment“ (Kompetenzen 7:

„Lehrerinnen und Lehrer diagnostizieren Lern-voraussetzungen und Lernprozesse von Schüle-rinnen und Schülern“ und 8: „Lehrerinnen und Lehrer erfassen Leistungen von Schülerinnen und Schülern auf der Grundlage transparenter Beurteilungsmaßstäbe“ der KMK).48 Zum Bei-spiel: • Assessment neu gedacht: Analyse von Assess-

ment-Ergebnissen (Weber, Bley, Wiethe-Körprich, Schönlein, Guggemos)

• Misconceptions im Rechnungswesen bei Indus-

triekaufleuten (Reimer, Herrmann, Schön-lein, Guggemos)

• Welche Kompetenzen und welche Tätigkeiten

des Rechnungswesens müssen Absolven-

ten/innen nach Abschluss ihrer Ausbildung

am Arbeitsmarkt besitzen bzw. bewältigen? (Mutke, Munzert, Kraft, Reimer, Herrmann, Wiethe-Körprich, Schönlein, Guggemos) Thema: „Didaktischer Jahresplan“ (Kom-

petenz 1: „Lehrerinnen und Lehrer planen Un-terricht fach- und sachgerecht und führen ihn sachlich und fachlich korrekt durch.“49 • Didaktische Jahresplanung im Rechnungswesen

(Mutke, Munzert, Kuhtz, Herrmann, Schön-lein, Guggemos)

• Lehrerbildungsstandards in der Unterrichts-

praxis (Mutke, Munzert, Kuhtz, Reimer, Herrmann, Schönlein, Guggemos) Parallel oder nachgelagert werden weiter-

führende Veranstaltungen wie z. B. „Internati-onale Lehrerbildungsstandards“ oder „Projekt-kurs zur Kompetenzmessung“ angeboten, die von den Studierenden gewählt werden können.

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S U S A NN E WE B E R / M I C H A E L S C HÖ N L E I N / J O S E F G U G G EMO S / M A R T I N A F R I E D L

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ORGANISATIONALE UMSETZUNG Die Bearbeitung der ausgewählten Standards

im Rahmen der Veranstaltung TmP I als auch der vertieften Themen in der Veranstaltung TmP II erfolgt in Partnerarbeit bzw. Kleingrup-pen gemeinsam von Studierenden, Mentoren und Universitätspersonen. Dabei werden von einem Mentor fünf Studierende betreut. In vor-gelagerten Workshops sprechen die Mentoren, die Seminarlehrkraft sowie die Universitätsper-sonen die Themen ab, diskutieren die organisa-torische Umsetzung, formulieren Zeitpläne und stellen Literatur zusammen. In Eigenarbeit, aber auch in Workshops mit Fachvorträgen und Impulsreferaten aus Abschlussarbeiten von Studierenden werden die Themen gemeinsam erschlossen (Train-the-Trainer; Programme und Ringvorlesungen für Studierende, Mentoren, Seminarlehrkräfte, Universitätspersonen) und das Betreuungskonzept je nach Projekt abge-stimmt.

In der ersten Semesterwoche werden die Studierenden in einer Kick-Off-Veranstaltung mit dem Projekt sowie dem Zeit- und Arbeits-plan vertraut gemacht. Entsprechend können sie sich dann den jeweiligen Themen und Klein-gruppen zuordnen.

Aufgrund der regelmäßigen Rückmeldungen der Beteiligten hat es sich als günstig erwiesen, einen festen Termin pro Woche für die regel-mäßigen Treffen der Studierenden mit ihren Mentoren in den Universitätsschulen und den sie betreuenden abgeordneten Lehrkräften an der Universität über das Semester hinweg fest-zusetzen. Auf diese Weise können die Schullei-tungen die Mentoren für den Zeitslot ausbuchen und die Studierenden den Termin fest in ihren Stundenplan einbauen. Ziel ist es, einen festen Rahmen für Besprechungen und Reflexion aus-gewählter Erfahrungen, die Besprechung des UVP sowie für einen allgemeinen Erfahrungs-austausch zwischen Studierenden und Mento-ren zu schaffen.

Als zusätzliche Kernzeit haben wir einen weiteren Tag pro Woche über das Semester hinweg in der Universitätsschule fixiert, der zur Erarbeitung der Themen, Erprobung im Unterricht, Reflexion und weitere Aktivitäten genutzt werden kann.

Zudem findet in regelmäßigen Abständen ein Treffen an der Universität statt, um auf-kommende inhaltliche und organisatorische Fragen und Probleme zu klären und zugleich Erfahrungen auszutauschen. Die abgeordneten Lehrkräfte reflektieren die Praxiserfahrungen gemeinsam mit den Studierenden, strukturieren diese mit Hilfe theoretischer Modelle und legen die theoretischen Grundlagen für die folgenden Praxisaufträge und -themen (z. B. Grundlagen und Funktionsweise des wirtschaftsinstrumen-tellen Rechnungswesens, Grundlagen der didak-tischen Jahresplanung) fest.

Die betreuenden Mentoren und abgeordne-ten Lehrkräfte unterstützen die Studierenden primär mit ihrer praktischen Erfahrung sowie ihren Netzwerken und organisatorischen Mög-lichkeiten. Zugleich finden sie hier Anregungen und Impulse für einen Transfer der Arbeit in ihren Unterrichtsalltag. Insbesondere für die verpflichtende Veranstaltung TmP I (Lehrerbil-dungsstandards) sind wir auf die Unterstützung von weiteren Betreuungslehrkräften in weite-ren Kooperationsschulen angewiesen, die sich mit großem Engagement hier zusätzlich ein-bringen.

Die Projektarbeit der Kleingruppen ist a) schriftlich zu dokumentieren sowie b) als tabella-rischer Unterrichtsverlaufsplan (UVP) und c) zu-sammenfassend bzw. ausschnitthaft im Team in der Abschlusspräsentation zum Semesterende vor einem breiten Publikum zu präsentieren – und kann somit unter vielfältigen Perspektiven diskutiert werden. Hieran nehmen alle Akteure der Universitätsschule sowie Interessierte teil (regelmäßig nehmen teil: Studierende, Mento-ren, Seminarlehrkräfte, Seminarvorstand, Schul-leitungen, Fachlehrerteams, Universität, Minis-terium).

Die Leistungsnachweise werden im Rahmen von 3 ECTS für die Veranstaltungen TmP I und mit 6 ECTS für die Veranstaltung TmP II bewer-tet. Zusätzlich erhalten die Studierenden eine Bestätigung ihres Engagements bei der Arbeit in der Universitätsschule.

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BEITRAG ZUR NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG FÜR DEN LEHRBERUF

Unser Konzept der Universitätsschule ist nichtauf einzelne, isoliert auf einen Punkt bezogene kurzfristige Lernaktivitäten abgestellt, sondern mit vor- und nachgelagerten Veranstaltungen vernetzt. Insbesondere mit der Ermöglichung eines freiwilligen Praktikums in der vorlesungfreien Zeit erhalten die Studierenden (bzw. alle Akteure) die Gelegenheit, regelmäßig gemeisame Aktivitäten (an einem Tag der Woche sowie im Block intensiv im freiwilligen Praktikum) über ein ganzes Jahr hinweg an der Universtäts- / Kooperationsschule wahrzunehmen.Somit stellt unser Ansatz von Universitätsschuleeine solide Basis für Transfer und Nachhaltikeit i. S. e. Weiterentwicklung und Professionlisierung von Lehrenden in der beruflichen Bidung dar (vgl. Abb. 6).51

Auf diese Weise vermag das Studienelement „Universitätsschule“ einen Beitrag zu leisten, mittels dessen die intendierten Lernwicklungsziele wie zum Beispiel theoretisches Reflexionswissen, praktisches Handlungswissen

Abbildung 6: Einbindung in das übergreif

Quelle: Eigene Darstellung

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A R GUMEN T E U ND M A T E R I A L I E N Z UM Z E I T G E S C H E H E N

LEHRBERUF

Unser Konzept der Universitätsschule ist nicht auf einzelne, isoliert auf einen Punkt bezogene kurzfristige Lernaktivitäten abgestellt, sondern

und nachgelagerten Veranstaltungen vernetzt. Insbesondere mit der Ermöglichung eines freiwilligen Praktikums in der vorlesungs-

e Studierenden (bzw. alle Akteure) die Gelegenheit, regelmäßig gemein-same Aktivitäten (an einem Tag der Woche so-wie im Block intensiv im freiwilligen Praktikum) über ein ganzes Jahr hinweg an der Universi-

Kooperationsschule wahrzunehmen.50 llt unser Ansatz von Universitätsschule

eine solide Basis für Transfer und Nachhaltig-e. Weiterentwicklung und Professiona-

lisierung von Lehrenden in der beruflichen Bil-

Auf diese Weise vermag das Studienelement „Universitätsschule“ einen Beitrag zu leisten, mittels dessen die intendierten Lern- und Ent-wicklungsziele wie zum Beispiel theoretisches Reflexionswissen, praktisches Handlungswissen

und selbstreflexives Wissen gefördert werden können: So lassen sich dieerkundung und den schulpraktischen Studiengemachten Berufswahlentscheidungen und erten Erkenntnisse über die Aufgaben von Lehkräften und deren didaktische ArbeitUniversitätsschule (TmP I) anhand realer unterichtspraktischer Arbeit (Lehrerbildungsstadards) und individuellen Mentorings nochmals überprüfen. In der Veranstaltung TmPdann fundierte Kenntnisse über fachspezifische Arbeitsweisen, die Vorbereitung und Analyse von Unterricht sowie intensivere umfassende eigene Unterrichtsaktivitäten erworben, die denÜbergang ins Referendariat erleichtern und enen eventuellen Praxisschock abmildern können.Die breit angelegte und vertiefende unterrichtpraktische Ausbildung der Lehrkräfte erfolgt in der anschließenden zweijährigen Ausbildungphase in den Studienseminaren. Weitergehede Vertiefungen und Spezialisierungen sowie notwendige Erfahrungen zur Ausbildung einer Expertise sind Gegenstand von Unterrichtsprxis in Kombination mit Weiterbildung.

: Einbindung in das übergreifende Ausbildungskonzept der LMU

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und selbstreflexives Wissen gefördert werden können: So lassen sich die in der Berufsfeld-erkundung und den schulpraktischen Studien gemachten Berufswahlentscheidungen und ers-ten Erkenntnisse über die Aufgaben von Lehr-kräften und deren didaktische Arbeit in der

I) anhand realer unter-rbeit (Lehrerbildungsstan-

dards) und individuellen Mentorings nochmals überprüfen. In der Veranstaltung TmP II werden dann fundierte Kenntnisse über fachspezifische Arbeitsweisen, die Vorbereitung und Analyse von Unterricht sowie intensivere umfassende

ne Unterrichtsaktivitäten erworben, die den Übergang ins Referendariat erleichtern und ei-nen eventuellen Praxisschock abmildern können. Die breit angelegte und vertiefende unterrichts-praktische Ausbildung der Lehrkräfte erfolgt in

hrigen Ausbildungs-phase in den Studienseminaren. Weitergehen-

und Spezialisierungen sowie notwendige Erfahrungen zur Ausbildung einer Expertise sind Gegenstand von Unterrichtspra-xis in Kombination mit Weiterbildung.

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EVALUATION IM SINNE EINES ERSTEN MEINUNGSBILDES

Aufgrund regelmäßiger Feedbacks und aus-giebiger Diskussionen in Nachbereitungsveran-staltungen mit allen Beteiligten waren wir in der Lage, das hier vorgestellte Konzept der Univer-sitätsschule zu gestalten. Obwohl wir diese ers-ten Jahre als Aufbau- und Gestaltungsphase be-trachten, in der das Konzept zudem aufgrund des Übergangs vom Diplom in die Bachelor- und Masterstudiengänge umzugestalten und an die neuen Rahmenbedingungen anzupassen war, lässt sich aus einer evaluativen Perspektive das nachstehende Meinungsbild zeichnen:

a) Aus der Perspektive der Studierenden (Stu-

dierende (A); Referendare, die in ihrer Stu-dienzeit TmP I und II absolviert haben (B)):

Positiv erlebt wurde: + Explizites und umfassendes Zeitfenster, um

sich auf den Perspektivenwechsel (Schüler-Lehrer) einzulassen und sich damit ausein-anderzusetzen (insbes. in TmP I) (A)

+ Parallel kann man noch einmal am Ernstfall die Berufsentscheidung überprüfen, Karriere-wege ausloten und vielfältige Tätigkeitsfelder kennenlernen (A)

+ Vertiefter Erwerb einschlägiger Kompetenzen (insbes. in TmP II) (A)

+ Erleben von eigener Wirksamkeit (A) + Erleben und Überprüfen der Wirkung von

theoretisch postulierten Kategorien in der Praxis (A)

+ eine Möglichkeit, sich Techniken von Ex-perten abzuschauen und diese im Anschluss mit den Experten zu diskutieren – hilft mir heute im Referendariat bei der Unterrichts-vorbereitung und -umsetzung (B)

+ Literaturquellen zur Fachdidaktik des Rech-nungswesens und Methoden der Unterrichts- und Aufgabengestaltung sind heute noch präsent und werden bei aktuellen Problem-stellungen nachgelesen (B)

+ Motivation, nach dem Referendariat auch als Mentor zu arbeiten (B)

Noch zu verbessern wäre: – Mehr Zeit für Mentorengespräche und Vor-

bereitung auf den Unterrichtsversuch (A)

– Berücksichtigung evtl. freiwilliger Praktika an Schulen bei der späteren Personalauswahl bzw. Anrechnung im Referendariat (A)

– Zeitliche Abstimmung zwischen unterrichts-praktischen Arbeiten und theoretischer Auf-arbeitung (B)

– eine noch stärkere „Mitmachkultur“ entwi-ckeln (B)

b) Aus der Perspektive der Universitätsschulen

(Schulleitungen und Mentoren):

Positiv erlebt wurde: + Eröffnung des Meinungsaustausches zwi-

schen Kollegen, Studienseminar, Studieren-den, Universität

+ Möglichkeit der Mitgestaltung des Universi-tätsschulkonzepts in der Lehre

+ Anregungen aus der Projektarbeit (sowohl aus Theorie und Praxis) für eigene Unterrichts-gestaltung

+ Bereitschaft des Kollegiums, in der Universi-tätsschule mitzuwirken

+ Weitreichender Einblick für die Studieren-den in die Arbeit des Lehrers

+ Bereicherung der Schule durch „junge Leute“

Noch zu verbessern wäre: – Die Spannung zwischen Forschung und

Praxis noch besser zu balancieren (Taktung Schulstoff / Zeitplan Universität)

– Die im Projekt erarbeiteten Inhalte ließen sich bisher nicht immer organisatorisch in der Praxis umsetzen (dieses war insbesondere in den Vollzeitschulen (FOS / BOS) der Fall)

– Die gemeinsamen Richtlinien für die Bewer-tung der Studienleistungen erwiesen sich mit-unter in der Anwendung als schwierig

c) Aus der Perspektive des Studienseminars

(Seminarlehrkraft):

Positiv erlebt wurde: + Zusammenarbeit zwischen 1. und 2. Phase

der Lehrerausbildung + Frühzeitige Umsetzung der Theorie in die

Praxis + Aktuelles Praxisgeschehen wird mit aktuel-

len Theorien verknüpft und damit z. T. neu strukturiert

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UN I V E R S I T Ä T S S C H U L E A N D E R LMU I N MÜ NC H E N

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+ Anregungen aus den gemeinsamen Projek-ten sowohl aus der Theorie als auch aus den Umsetzungsversuchen

Noch zu verbessern wäre: – Organisatorische Umsetzung regelmäßiger

Treffen zum Austausch zwischen Universität und Studienseminar

d) Aus der Perspektive der Universität (Profes-

sorin, Universitätspersonen, abgeordnete Lehrkräfte):

Positiv erlebt wurde: + Auseinandersetzung mit schulbezogenem

theoretischen Wissen + Erprobung ausgewählten theoretischen Wis-

sens im Unterricht (i.S.e. „evidence-based teaching“)

+ Rückmeldung über Umsetzbarkeit und Trans-formationsnotwendigkeit theoretischen Wis-sens in die Unterrichtspraxis

+ Einnehmen einer experimentellen Haltung gegenüber Unterrichtsprozessen

+ Chancen des Perspektivenwechsels (von der Theorie zur Praxis und zurück)

Noch zu verbessern wäre: – alle wünschbaren und durchaus relevanten

Themen gleichzeitig auf einem entsprechend angemessenen Niveau zu behandeln

– Bewältigung der für die Universitätsschule notwendigen, jedoch äußerst zeitaufwändi-gen Kommunikations-, Koordinations- und Kooperationsprozesse

Zusammenfassend können wir mit Blick auf

unsere Zielsetzung – Universitätsschule als Studienelement – resümieren, dass wir zentrale Gelingensbedingungen für diese Praxisphase unter Berücksichtigung der Ziel-Mittel-Rela-tion und gezielten Nutzung der Differenz52 und Governance53 weitestgehend erfolgreich umset-zen und damit einen entscheidenden Beitrag zur Professionalisierung von Lehrenden im Bereich der beruflichen Bildung leisten konnten.

Für die zukünftige gemeinsame Arbeit sehen wir noch Weiterentwicklungsmöglichkeiten bei der Etablierung einer gemeinsamen Sprache, der Ausbalancierung von Möglichkeiten und Gren-

zen bzw. Ansprüchen und Erwartungen, die an das Konzept der Universitätsschule als ein Stu-dienelement zur Professionalisierung gerichtet sind – und eine Verständigung darüber, was sie letztendlich zu leisten in der Lage wäre. Wichtig ist dabei, dass eine „Anerkennung der Differenz der unterschiedlichen Wissensbestände und somit die Besinnung auf die eigentlichen Auf-gaben von Wissenschaft und Praxis“ erfolgt54 und die Diskussion sowie alle Aktivitäten in eine reflektierte und realisierbare Ziel-Mittel-Relation gestellt werden.55 Neben der konkreten Imple-mentierung stellt die Kommunikation, Koordi-nation und Kooperation eine der zentralsten und ressourcenintensivsten Herausforderungen dar.

|| UNIV.-PROF. DR. SUSANNE WEBER

Institut für Wirtschaftspädagogik, Munich School of Managment, Ludwig-Maximilians-Universität

München

|| OSTR DIPL.-FINANZW., DIPL.-HDL. MICHAEL SCHÖNLEIN

Institut für Wirtschaftspädagogik, Munich School of Managment, Ludwig-Maximilians-Universität

München (Teilabordnung ab WiSe 2012/13) und

Städt. Berufsschule für Rechts- und Verwaltungsberufe

|| STR DIPL.-HDL. JOSEF GUGGEMOS

Institut für Wirtschaftspädagogik, Munich School of Managment, Ludwig-Maximilians-Universität

München (Teilabordnung ab WiSe 2012/13) und

Studienrat an der Staatlichen Berufsschule Starnberg

|| STRIN DIPL.-HDL. MARTINA FRIEDL

Institut für Wirtschaftspädagogik, Munich School of Managment, Ludwig-Maximilians-Universität

München (Teilabordnung bis SoSe 2012) und

Berufliche Oberschule Weilheim, Staatliche Fach-oberschule und Berufsoberschule

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ANMERKUNGEN

1 Unter Mitarbeit von: Stephan Mutke / Kathrin Munzert / Kerstin Kuhtz (ab SS 13) / Eva Kraft (bis SS 13) || Städtische Be-rufsschule für Bürokommunikation und Industrie-kaufleute, Riesstraße 36, 80992 München (OStD Bernd Rockenmayer); Susanne Reimer (bis WS 13/14) / Gerlinde Herr-

mann || Therese-von-Bayern-Schule: Staatliche Beruf-liche Oberschule für Wirtschaft, Fachoberschule und Berufsoberschule, Lindwurmstraße 90, 80337 Mün-chen (OStDin Claudia Römer); Nikolaus Stein || Staatliches Studienseminar für das Lehramt an beruflichen Schulen, Luisenstraße 9, 80333 München (Leitender Seminarvorstand: OStD Georg Hirner); Sandra Bley / Michaela Wiethe-Körprich || Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Wirtschaftspädagogik, Ludwigstr. 28, RG, III, 80539 München (Lehrstuhl Prof. Dr. Susanne Weber)

2 Shulman, L. S.: The Wisdom of Practice, San Fran-cisco, CA 2004; Baumert, J. / Kunter, M.: Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften, in: Zeit-schrift für Erziehungswissenschaft 9/2006, S. 469-520.

3 Van Merriënboer, J. J. G. / Kirschner, P. A.: Ten Steps to Complex Learning. A systematic approach to four-component instructional design, New York, NY, 2. überarb. Aufl., 2013; Cooper, J. M. (Hrsg.): Classroom Teaching Skills, Belmont, CA, 10. Aufl., 2014.

4 Sarcletti, A.: Die Bedeutung von Praktika und stu-dentischen Erwerbstätigkeiten für den Berufsein-stieg, München 2009.

5 Busemeyer, M. R. / Trampusch, C. (Hrsg.): The Political Economy of Collective Skill Formation, New York, NY 2012.

6 Weber, S. / Lehtinen, E.: Transition From School-to-Work and its Challenges, in: Unterrichtswissen-schaft 3/2014, S. 194-205.

7 Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern in Nordrhein-Westfalen. Empfehlungen der Expertenkommission zur Ersten Phase, Düsseldorf 2007.

8 Weyland, U.: Zur Intentionalität schulpraktischer Studien im Kontext universitärer Lehrerausbildung, Paderborn 2010, S. 320, in Anlehnung an Bayer, M. / Carle, U. / Wildt, J.: Editorial, in: Brennpunkt: Lehrerbildung. Strukturwandel und Innovationen im europäischen Kontext, hrsg. von M. Bayer, U. Carle und J. Wildt, Opladen 1997, S. 7-16 und Huber, L.: Hochschuldidaktik als Theorie der Bil-dung und Ausbildung, in: Ausbildung und Sozialisa-tion in der Hochschule, hrsg. von Dems., Stuttgart 1983, S. 114-138.

9 In Anlehnung an Sarcletti: Die Bedeutung von Praktika.

10 Weber / Lehtinen: Transition From School-to-Work; Busemeyer / Trampusch: The Political Economy of Collective Skill Formation.

11 Vgl. u. a. Pellegrino, J. W.: The Design of an Assess-ment System for the Race to the Top: A Learning Sciences Perspective on Issues of Growth and Mea-surement, Princeton, NJ 2010.

12 Zum Überblick vgl. die Expertise von Weyland, U. / Wittmann, E.: Expertise. Praxissemester im Rahmen der Lehrerbildung. 1. Phase an hessischen Hoch-schulen, Frankfurt 2011 sowie die von Weyland, U.: Expertise zu den Praxisphasen in der Lehrerbildung in den Bundesländern, Hamburg 2012 auf der Basis von Terhart, E. (Hrsg.): Perspektiven der Lehrer-bildung in Deutschland, Weinheim / Basel 2000 sowie Keuffer, J. / Oelkers, J.: Reform der Lehrer-bildung in Hamburg. Abschlussbericht der von der Senatorin für Schule, Jugend und Berufsbildung und der Senatorin für Wissenschaft und Forschung ein-gesetzten Hamburger Kommission Lehrerbildung (im Auftrag der Senatorinnen und der Kommission herausgegeben von J. Keuffer und J. Oelkers), Weinheim und Basel 2001 und dem Baumert-Gut-achten: Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen: Ausbildung von Lehrerinnen und Leh-rern in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 2007.

13 Cooper: Classroom Teaching Skills; Oser, F. / Bau-der, T. / Salzmann, P. u. a.: Ohne Kompetenz keine Qualität, Bad Heilbrunn 2013; Kultusministerkonfe-renz (KMK): Standards für die Lehrerbildung: Bil-dungswissenschaften. Sekretariat der Ständigen Kon-ferenz der Kultusminister der Länder in der Bundes-republik Deutschland, Berlin 2004, http://www.km k.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/20 04/2004_12_16-Standards-Lehrerbildung.pdf; Oser, F. / Oelkers, J.: Die Wirksamkeit der Lehrerbildungs-systeme, Chur 2001.

14 Cooper: Classroom Teaching Skills. 15 Ebd. 16 Borich, G. D.: Observation Skills for Effective Tea-

ching, Upper Saddle River, 4. Aufl., 2003. 17 Oser / Bauder / Salzmann u. a.: Ohne Kompetenz

keine Qualität. 18 Cooper: Classroom Teaching Skills, S. 141. 19 Ebd. 20 Ebd. 21 Frey, K. / Frey-Eiling, A.: Allgemeine Didaktik, Zü-

rich, 6. Aufl., 1993, Kapitel 13, S. 7. 22 Oser / Bauder / Salzmann u. a.: Ohne Kompetenz

keine Qualität. 23 Insbes. von Schiro, M. S.: Curriculum theory. Con-

flicting visions and enduring concerns, Thousand Oaks, CA 2008.

24 Insbes. mit dem didaktischen Ansatz von Van Mer-riënboer / Kirschner: Ten Steps to Complex Learn-ing.

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25 Insbes. Kompetenzmessung Weber, S. / Trost, S. / Wiethe-Körprich, M. u. a.: Intrapreneur: An Entre-preneur Within a Company – An Approach on Modeling and Measuring Intrapreneurship Compe-tence, in: Becoming an Entrepreneur, hrsg. von S. Weber, F. Oser, F. Achtenhagen u. a., Rotterdam / Boston / Taipei 2014, S. 289-312.

26 Weyland: Expertise zu den Praxisphasen in der Lehrerbildung, S. 10.

27 Pellegrino: The Design of an Assessment System for the Race.

28 Scholar academic: Schiro: Curriculum theory. 29 Social efficiency: Schiro: Curriculum theory. 30 Learner centered: Schiro: Curriculum theory. 31 Weinert, F. E.: Vergleichende Leistungsmessung in

Schulen – eine umstrittene Selbstverständlichkeit, in: Leistungsmessungen in Schulen, hrsg. von Dems., Weinheim 2002, S. 17-31.

32 Winterton, J.: Competence across Europe: Highest common factor or lowest common denominator? in: Journal of European Industrial Training 33/2009, S. 681-700.

33 U. a. Weber, S. / Schönlein, M.: Konzept Universi-tätsschule LMU München. Vortrag auf der Tagung: 5 Jahre Universitätsschule – Bilanz und Perspekti-ven, Wildbad Kreuth 2014.

34 Vgl. vor allem die didaktischen Ansätze zu kom-plexen Lehr-Lern-Arrangements: Achtenhagen, F. (Hrsg.): Forschungsgeleitete Innovation der kauf-männischen Berufsausbildung – insbesondere am Beispiel des Wirtschaftsgymnasiums, Bielefeld 2002; Anchored Instruction Approach: Cognition and Technology Group at Vanderbilt (CTGV): The Jasper Project: Lessons in curriculum, instruction, assess-ment, and professional development, Mahwah, NJ 1997; 10 Steps to Complex Learning: Van Merriën-boer, J. J. G. / Kirschner, P. A.: Ten Steps to Complex Learning. A systematic approach to four-component instructional design, New York, NY, 2. überarb. Aufl., 2013.

35 Vgl. ASCOT-Initiative des BMBF: http://www.ascot- vet.net/; Weber / Trost / Wiethe-Körprich u. a.: Intrapreneur: An Entrepreneur Within a Company.

36 Weber / Trost / Wiethe-Körprich u. a.: Intrapreneur: An Entrepreneur Within a Company.

37 Helm, C. / Bley, S. / George, A. C. u. a.: Potenziale kognitiver Diagnosemodelle für den berufsbildenden Unterricht, in: Kompetent – wofür? Life-Skills – Beruflichkeit – Persönlichkeitsbildung, hrsg. von M. Stock, P. Schlögl, K. Schmid u. a., Innsbruck (im Druck).

38 Vgl. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungs-forschung (ISB) / Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung (ALP): Didaktische Jahrespla-nung: Kompetenzorientierten Unterricht systema-tisch planen, Dillingen 2012.

39 Guggemos, J. / Schönlein, M.: Analyse der Domäne Externes Rechnungswesen, München 2014.

40 U. a. Pellegrino: The Design of an Assessment Sys-tem for the Race.

41 Vgl. Marzano, R. J. / Kendall, J. S.: The New Taxonomy of Educational Objectives, Thousand Oaks, CA 2007; Marzano, R. J. / Kendall, J. S.: Designing & Assessing Educational Objectives. Applying the New Taxonomy, Thousand Oaks, CA 2008.

42 Van Merriënboer / Kirschner: Ten Steps to Complex Learning.

43 Pellegrino, J. W. / Chudowsky, N. / Glaser, R. (Hrsg.): Knowing What Students Know – The Science and Design of Educational Assessment, Washington, DC 2001; Pellegrino, J. W. / DiBello, L. V. / Brophy, S. P.: The Science and Design of As-sessment in Engineering Education, in: Cambridge Handbook Engineering Education Research, hrsg. von A. Johri und B. M. Olds, Cambridge 2014, S. 571-600.

44 Braun, H. I. / Mislevy, R. J.: Intuitive test theory, in: Phi Delta Kappan 86/2005, S. 488-497.

45 Embretson, S. E.: Measuring Psychological Constructs with model-based Approaches: An Introduction, in: Measuring Psychological Constructs. Advances in Model-Based Approaches, hrsg. von Dems., Washington, DC 2010, S. 1-7; Bühner, M. / Zieg-ler, M.: Statistik für Psychologen und Sozialwissen-schaftler, München u. a. 2009; Pellegrino / DiBello / Brophy: The Science and Design of Assessment.

46 Pellegrino: The Design of an Assessment System for the Race.

47 Vgl. Kultusministerkonferenz (KMK): Standards für die Lehrerbildung, S. 8.

48 Ebd., S. 11. 49 Ebd., S. 7. 50 Keuffer / Oelkers: Reform der Lehrerbildung in

Hamburg, S. 59-60; Weyland: Expertise zu den Praxisphasen in der Lehrerbildung, S. 8.

51 Keuffer / Oelkers: Reform der Lehrerbildung in Hamburg, S. 60; Weyland: Expertise zu den Praxis-phasen in der Lehrerbildung, S. 8.

52 I.S.v. Weber / Lehtinen: Transition From School-to-Work.

53 Busemeyer / Trampusch: The Political Economy of Collective Skill.

54 Weyland / Wittmann: Expertise. Praxissemester im Rahmen der Lehrerbildung, S. 22; Weyland: Exper-tise zu den Praxisphasen in der Lehrerbildung, S. 57; Weber / Lehtinen: Transition From School-to-Work; Busemeyer / Trampusch: The Political Economy of Collective Skill.

55 Wissenschaftsrat: Empfehlungen zur künftigen Struk-tur der Lehrerbildung, Berlin 2001, S. 1-78, hier S. 31, online unter: www.wissenschaftsrat.de/texte/ 5065-01.pdf, Stand: 3.1.2015.

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Anhang 1: Übersicht über alle bearbeiteten Inhalte

Semester Schultyp Themen Stichwort

I. Lernstrategien (Weber, Friedl)

SoSe 2011 Berufsschule Strategische Planung & Durchführung einer Fort- und Weiterbildungsmesse (Mutke)

Fort- und Weiterbildungsmesse

Studierende: 20 (5 pro Gruppe / Mentor/in)

Entwicklung, Implementierung und Evaluation eines Hilfsmittels zur Förderung kognitiver und metakogni-tiver Lernstrategien (Munzert)

Förderung kognitiver und metakognitiver Lernstrategien

Concept Mapping (Kraft) Concept Mapping

FOS / BOS Einführung eines Lernjournals in der 11. Jahrgangsstufe der Fachoberschule zur Förderung der Studierfähigkeit (Reimer)

Lernjournale

WiSe 2011/12 Berufsschule Wie werden im handlungsorientierten Unterricht Lernstrategien ausgelöst? (Mutke)

Lernstrategien im handlungs-orientierten Unterricht

Operationalisierung der Anwendung von Lernstrategien anhand eines Kompetenzrasters (Munzert)

Operationalisierung von Lernstrategien mittels eines Kompetenzrasters

Studierende: 25 (5 pro Gruppe / Mentor/in)

Einsatz von Concept Maps im wirt-schaftsinstrumentellen Rechnungs-wesen zur Wissensdiagnostik und Förderung von Lernstrategien (Kraft)

Concept Mapping im Rewe-Unterricht

FOS / BOS Weiterentwicklung und Implementie-rung eines Reflexionsheftes zur Prü-fungsvorbereitung (Reimer)

Reflexionen zur Prüfungsvorbereitung

FOS / BOS Analyse der Motivations- und Emo-tionsstrategie – Ergebnisse einer qualitativen Befragung zur Lernmoti-vation anhand der Bedingungen für selbstbestimmt motiviertes Lernen (Herrmann)

Analyse der Motivation von Schülern

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UN I V E R S I T Ä T S S C H U L E A N D E R LMU I N MÜ NC H E N

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Semester Schultyp Themen Stichwort

SoSe 2012 Berufsschule Optimierung eines Unterrichts-evaluationsbogens, z. B. durch Erar-beitung einer Liste von potenziellen Lehreraktionen, mit welchen Lern-strategien ausgelöst werden sollen. (Mutke)

Optimierung eines Unterrichts-evaluationsbogens zur Beobach-tung von Lehreraktivitäten zur Förderung von Lernstrategien

Studierende: 25 (5 pro Gruppe / Mentor/in)

Inwieweit kann durch die Verwen-dung eines Reflexionsheftes das Bewusstsein, Wissen und Anwenden von Lernstrategien gefördert werden? (Munzert)

Reflexionsheft zur Förderung von Lernstrategien

Der Advance Organizer – das A & O zur Aktivierung von Lernstrategien (Kraft)

Concept Mapping im Rewe-Unterricht

FOS / BOS Zeitmanagement – Konstruktion eines Moduls zur Optimierung des Zeitmanagements beim Erstellen einer Seminararbeit an der Staat-lichen Fach- und Berufsoberschule für Wirtschaft in München (Reimer)

Zeitmanagement

FOS / BOS Analyse und Förderung ausgewählter Lernstrategien sowie Entwicklung und Implementierung eines Lehr- und Lernheftes (Herrmann)

Lehr- und Lernheft

II. Assessment (Weber, Bley, Wiethe-Körprich;

Schönlein, Guggemos)

WiSe 2012/13 Berufsschule • Sammlung, Modifikation, Einsatz und Evaluation von Prüfungsauf-gaben zum Bereich „Beschaffung“

• Analyse der Assessment-Ergebnisse

(Mutke, Munzert, Kraft)

Assessment-Triade: Curriculum-Instruktion-Assessment

Assessment neu gedacht: transparente Beurteilungs-maßstäbe

Studierende: 20 (4 pro Gruppe / Mentor/in)

FOS / BOS • Sammlung, Modifikation, Einsatz und Evaluation von Prüfungsauf-gaben zum Bereich „Marketing“

• Analyse der Assessment-Ergebnisse

(Reimer, Herrmann)

Assessment-Triade: Curriculum-Instruktion-Assessment

Assessment neu gedacht: transparente Beurteilungs-maßstäbe

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Semester Schultyp Themen Stichwort

II. Assessment (Weber, Schönlein, Guggemos)

SoSe 2013 Berufsschule Identifikation von zentralen Anforde-rungselementen im Rechnungswesen für Industriekaufleute (Mutke, Munzert, Kuhtz)

Curriculum: Lernziele und Inhalte

Analysen von Schulbüchern, IHK-Prüfungen, Lehrplänen

(Was sollen die Azubis lernen? Auf welchen Anforderungs-niveaus?)

Studierende: 20 (4 pro Gruppe / Mentor/in)

FOS / BOS Identifikation von zentralen Misconceptions im Rechnungswesen für Industriekaufleute (Reimer, Herrmann)

Curriculum: Lernziele und Inhalte

Analysen von Schulbüchern, IHK-Prüfungen, Lehrplänen, Interviews mit Lehrenden

(Was sollen die Azubis lernen? Auf welchen Anforderungs-niveaus?)

WiSe 2013/14 Berufsschule Interviews mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen verschiedener Ausbildungsbetriebe und Stellen-anzeigenanalysen (Mutke, Munzert, Kuhtz)

Curriculum: Welche Kompetenzen?

Welche Tätigkeiten des Rech-nungswesens müssen Absolven-ten/innen nach Abschluss ihrer Ausbildung bewältigen können bzw. werden am Arbeitsmarkt gefordert? (Erwartungshaltung der Betriebe)

Studierende: 10 (2 pro Gruppe / Mentor/in)

FOS / BOS Interviews mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen verschiedener Ausbildungsbetriebe und Stellen-anzeigenanalysen (Reimer, Herrmann)

Curriculum: Welche Kompetenzen?

Welche Tätigkeiten des Rech-nungswesens müssen Absolven-ten/innen nach Abschluss ihrer Ausbildung bewältigen können bzw. werden am Arbeitsmarkt gefordert? (Erwartungshaltung der Betriebe)

Start mit dem Masterprogramm

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UN I V E R S I T Ä T S S C H U L E A N D E R LMU I N MÜ NC H E N

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Semester Schultyp Themen Stichwort

III a. Lehrerbildungsstandards

(TmP I) (Weber, Schönlein, Guggemos)

WiSe 2013/14 Berufsschule Erarbeitung von Fach- und fachdi-daktischem Wissen zu ausgewählten Lehrerbildungsstandards, Beobach-tung im Unterricht und Reflexion (Mutke, Munzert, Kuhtz)

Lehrerbildungsstandards

Studierende: 16 (2 pro Gruppe / Mentor/in)

FOS / BOS Erarbeitung von Fach- und fachdi-daktischem Wissen zu ausgewählten Lehrerbildungsstandards, Beobach-tung im Unterricht und Reflexion (Herrmann)

Lehrerbildungsstandards

IV a. Didaktische Jahresplanung

(TmP II) (Weber, Schönlein, Guggemos)

SoSe 2014 Berufsschule Studierende verknüpfen fachwissen-schaftliche und fachdidaktische Argumente, planen und gestalten Unterricht, wählen Inhalte und Methoden, Arbeits- und Kommunika-tionsformen unter Nutzung der neuen Medien aus, setzen ausgewählte Unterrichtseinheiten gemeinsam mit den Mentoren/Mentorinnen um und reflektieren die Unterrichtsgestal-tung sowie ihren eigenen Einsatz (Mutke, Munzert, Kuhtz)

Didaktische Jahresplanung zum Rechnungswesen

Studierende: 16 (4 pro Gruppe / Mentor/in)

FOS / BOS Studierende verknüpfen fachwissen-schaftliche und fachdidaktische Argumente, planen und gestalten Unterricht, wählen Inhalte und Methoden, Arbeits- und Kommunika-tionsformen unter Nutzung der neuen Medien aus, setzen ausgewählte Unterrichtseinheiten gemeinsam mit den Mentoren/Mentorinnen um und reflektieren die Unterrichtsgestal-tung sowie ihren eigenen Einsatz (Herrmann)

Didaktische Jahresplanung zum Rechnungswesen

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Semester Schultyp Themen Stichwort

III b. Lehrerbildungsstandards

(TmP I) (Weber, Schönlein, Guggemos)

WiSe 2014/15 Berufsschule Erarbeitung von Fach- und fachdi-daktischem Wissen zu ausgewählten Lehrerbildungsstandards, Beobach-tung im Unterricht und Reflexion (Mutke, Munzert, Kuhtz)

Lehrerbildungsstandards

Studierende: 10 (2 pro Gruppe / Mentor/in)

FOS / BOS Erarbeitung von Fach- und fachdi-daktischem Wissen zu ausgewählten Lehrerbildungsstandards, Beobach-tung im Unterricht und Reflexion (Herrmann)

Lehrerbildungsstandards

IV b. Didaktische Jahresplanung

(TmP II) (Weber, Schönlein, Guggemos)

SoSe 2015 Berufsschule Studierende verknüpfen fachwissen-schaftliche und fachdidaktische Argumente, planen und gestalten Unterricht, wählen Inhalte und Methoden, Arbeits- und Kommunika-tionsformen unter Nutzung der neuen Medien aus, setzen ausgewählte Unterrichtseinheiten gemeinsam mit den Mentoren/Mentorinnen um und reflektieren die Unterrichtsgestal-tung sowie ihren eigenen Einsatz (Mutke, Munzert, Kuhtz)

Didaktische Jahresplanung zum Rechnungswesen

Studierende: 16 (4 pro Gruppe / Mentor/in)

FOS / BOS Studierende verknüpfen fachwissen-schaftliche und fachdidaktische Argumente, planen und gestalten Unterricht, wählen Inhalte und Methoden, Arbeits- und Kommunika-tionsformen unter Nutzung der neuen Medien aus, setzen ausgewählte Unterrichtseinheiten gemeinsam mit den Mentoren/Mentorinnen um und reflektieren die Unterrichtsgestal-tung sowie ihren eigenen Einsatz (Herrmann)

Didaktische Jahresplanung zum Rechnungswesen

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DAS UNIVERSITÄTSSCHULKONZEPT FÜR DIE LEHRERBILDUNG AN BERUFLICHEN SCHULEN AN DER TUM SCHOOL OF EDUCATION

ALFRED RIEDL || Die Lehrerbildung für berufliche Schulen an der TUM School of Education ermöglicht

angehenden Lehrkräften den Erwerb praxisorientierter Kompetenzen. Das Universitätsschulkonzept

erweitert die bisherigen schulpraktischen Studienanteile. Es baut auf dem vorhandenen empiri-

schen Wissen über die erfolgreiche Gestaltung von Bildungsprozessen auf und intensiviert deutlich

die Wissenschaft-Praxis-Verzahnung, indem es konsequent berufsschulpraktische Problemfelder

mit universitären Studieninhalten verbindet.

AUSGANGSPUNKT Die Technische Universität München sieht

ihr kontinuierliches Bestreben nach einer quali-tativ hochwertigen Lehrerbildung als Teil ihrer gesamten Hochschulstrategie. Als erklärtes Ziel der Universität versteht sie diese Aufgabe im Lehramt an beruflichen Schulen und im Lehr-amt an Gymnasien als wesentlich im Dienst der Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft. Lehrkräfte nehmen eine wichtige Rolle für die Entwicklung junger Menschen ein, damit sich Heranwachsende ihren Aufgaben in Staat, Ge-sellschaft und Privatleben kompetent und ver-antwortungsvoll stellen können.

Lehrkräfte an beruflichen Schulen leisten im Rahmen der beruflichen Bildung einen besonde-ren Beitrag zur ganzheitlichen Persönlichkeits-entwicklung. Gleichzeitig tragen sie als Teil des beruflichen Bildungssystems in unserer Gesell-schaft zur nationalen Fachkräfteversorgung sowie zur systematischen Förderung des Inno-vationspotenzials in den Betrieben und Unter-nehmen bei.

Derzeit ist die Verbesserung der Qualität der Lehrerbildung national wie international ein höchst relevantes Thema.1 Dabei geht es besonders darum, angehenden Lehrkräften den Erwerb praxisorientierter Kompetenzen zu er-

möglichen. Fachliches, fachdidaktisches und erziehungswissenschaftliches Wissen muss eng miteinander verschränkt und mit hohem Bezug zu schulischen Anforderungen an Bildungs-prozesse vermittelt werden. Gleichzeitig ist für die Lehrerbildung das einschlägige vorhandene empirische Wissen über Unterricht und Lernen zu berücksichtigen. In diesem Kontext erfreuen sich Schulpraktika in der Lehrerbildung seit Längerem einer besonderen Zuwendung. Sie sind vielerorts reformiert worden, ihr relativer Anteil im zeitlichen Umfang zur Studienzeit hat sich vergrößert. Mittlerweile sind sie auch zum viel beachteten Gegenstand einer Lehrer-bildungsforschung geworden.2

Die TUM School of Education sieht sich in den Lehramtsstudiengängen dem Verständnis einer kompetenzorientierten und evidenzbasier-ten Lehrerprofessionalisierung verpflichtet. Mit ihrer Gründung als eigenständige Fakultät für Lehrerbildung und Bildungsforschung im Jahr 2009 wird die Lehrerbildung an der TU Mün-chen besonders herausgehoben und die TUM School of Education dafür richtungsweisend. Sie übernimmt die Verantwortung für Kohärenz und Abstimmung sowie Qualität der Lehre und Ressourcen in allen Belangen des Lehramtsstu-diums.3

Page 65: LMU München - Sonderausgabe 1/2016 Argumente und ......Abb. 1: Kulturbegegnungsmodell der Kommunikation Quelle: in Anlehnung an Schmid, Bernd / Messmer, Arnold: Systematische Personal,-

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BACHELOR UND MASTER BERUFLICHE BILDUNG AN DER TU MÜNCHEN

Für das Lehramt an beruflichen Schulen bietet die TU München die sechs gewerblich-technischen beruflichen Fachrichtungen Agrar-wirtschaft, Bautechnik, Ernährungs- und Haus-wirtschaftswissenschaft, Elektrotechnik und Informationstechnik, Gesundheits- und Pflege-wissenschaft sowie Metalltechnik an. Zu der gewählten beruflichen Fachrichtung kommt ei-nes der wählbaren 14 Unterrichtsfächer hinzu (Biologie, Chemie, Informatik, IT-Technik, Ma-thematik, Mechatronik, Physik, evangelische und katholische Religionslehre, Sozialkunde, Deutsch, Englisch, Sport, Sprache und Kom-munikation Deutsch). Evangelische und katho-lische Religionslehre, Deutsch, Englisch sowie Sprache und Kommunikation Deutsch werden im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung von der LMU München angeboten. Mit wenigen Einschränkungen4 sind nahezu alle Kombinati-onen möglich – insgesamt 75. Seit 2015 besteht zudem die Möglichkeit, ab dem 3. Semester ein zweites Unterrichtsfach als Erweiterung zu stu-dieren.

Die an der TU München seit 2008 in eine Bachelor- und Masterphase aufgeteilten Studi-engänge für das Lehramt an beruflichen Schu-len umfassen eine berufliche Fachrichtung, ein Unterrichtsfach und die Sozialwissenschaften. Für beide Phasen ist jeweils eine Abschlussar-beit vorgesehen (siehe Abb. 1).

SCHULPRAKTIKA IN DER LEHRERBILDUNG FÜR BERUFLICHE SCHULEN AN DER TU MÜNCHEN

Die Lehrerbildung für berufliche Schulen an der TU München ist im Jahr 1964 von der alten Gewerbelehrerbildung in eine akademisierte Lehramtsausbildung mit dem Studium für das „Höhere Lehramt an beruflichen Schulen“ über-gegangen. Über mehrere Entwicklungsstufen wie z. B. die Ausweitung der Mindeststudien-dauer auf acht Semester und die gleichzeitige Einführung eines obligatorischen Zweitfaches im Jahr 1972, die ab 1999 neu hinzugekomme-ne berufliche Fachrichtung Gesundheits- und Pflegewissenschaft oder den 2004 anstelle des Staatsexamens eingeführten Diplomstudiengang Berufspädagogik für die technischen Fachrich-tungen Bau / Elektro / Metall erfolgte 2008 die

Abbildung 1: Studienstruktur Bachelor und Master Berufliche Bildung an der TU München mit Angabe

der ECTS-Punkte in den jeweiligen Bereichen

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D A S U N I V E R S I T Ä T S S C HU L K ON Z E P T A N D E R T UM S CH OO L O F E D U C A T I O N

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konsequente und weitreichende Umstellung auf Bachelor- und Masterstrukturen. Bereits seit 1979 sind in den beruflichen Lehramtsstudien-gängen drei Schulpraktika enthalten, die das Lehramtsstudium praxisbezogen ausrichten. Mit dem Anspruch an eine möglichst praxisnahe Lehrerbildung findet in der Bachelor-Phase das TUMpaedagogicum als erstes Orientierungs-praktikum statt. In der Masterphase folgen das Fachdidaktische Blockpraktikum (FBP) im Un-terrichtsfach und das Studienbegleitende Fach-didaktische Praktikum (SFP) in der beruflichen Fachrichtung (siehe Abb. 1).

Das TUMpaedagogicum in einer frühen Phase im Studiengang Bachelor Berufliche Bildung

Das TUMpaedagogicum liegt am Beginn des Bachelorstudiums für das Lehramt an berufli-chen Schulen. Es umfasst 30 Praktikumstage an einer Berufsschule oder Berufsfachschule und erstreckt sich – integriert in das Modul „Beglei-tete Schulpraktische Studien“ – über die ersten drei Semester. Dieses Modul beinhaltet drei Praktikumsphasen an der Schule sowie drei flankierende, universitäre Lehrveranstaltungen am Lehrstuhl für Pädagogik. Die erste Prakti-kumsphase liegt in der vorlesungsfreien Zeit zwischen 1. und 2. Semester und umfasst ca. 15 Tage im Block. Die zweite Phase findet mit 5 bis max. 15 Tagen studienbegleitend im 2. Se-mester statt. Die dritte Phase mit 5 bis 15 Tagen im Block schließt sich in der vorlesungsfreien Zeit vor dem 3. Semester an. Das Praktikum durchlaufen ca. 150 bis 180 Studierende pro Studienjahr. Die universitären Lehrveranstaltun-gen werden in bis zu sieben Parallelveranstal-tungen angeboten. Die verschiedenen Dozenten setzen ein gemeinsam ausgearbeitetes Lehr-konzept um, das mit der Einführungsvorlesung Grundlagen der Didaktik5 eng abgestimmt ist. Für den schulpraktischen Teil müssen sich die Studierenden selbst um eine Praktikumsschule bemühen und sich dort für das TUMpaedago-gicum bewerben.

Kernelemente der pädagogischen Intention des TUMpaedagogicums sind die frühzeitige Chance zu einer geleiteten Reflexion über die Eignung zum Lehrerberuf, das Kennenlernen des gesamten Aufgabenspektrums einer Lehr-kraft über das Kerngeschäft Unterricht hinaus

sowie die Verknüpfung wissenschaftlicher Stu-dieninhalte mit ersten Erfahrungen aus der Schulpraxis. Am Ende dieses Schulpraktikums findet ein verbindlich vorgeschriebenes Refle-xionsgespräch zur Lehrereignung statt, das eine erfahrene Betreuungslehrkraft mit dem Studie-renden führt und bei dem es in erster Linie um die personellen und sozialen Aspekte einer Lehrereignung geht. Der Blick von außen und das Feedback sollen Hilfestellungen geben, die individuelle Eignung für den angestrebten Be-ruf realistisch einzuschätzen, eigene Potenziale zu erkennen und Optimierungsmöglichkeiten aufzudecken.6

Das Fachdidaktische Blockpraktikum im Master Berufliche Bildung

Das Fachdidaktische Blockpraktikum (FBP) im Unterrichtsfach ist in der Masterphase an einer weiterführenden beruflichen Schule abzu-leisten, an der eine Hochschulzugangsberechti-gung erworben werden kann. Es findet während der vorlesungsfreien Zeit statt und dauert 15 Ta-ge in drei zusammenhängenden Wochen. Das FBP ist je nach Unterrichtsfach in ein oder meh-rere Fachdidaktik-Module eingebettet. Wich-tige Ziele sind das Kennenlernen des jeweiligen Fachlehrplans, Unterrichtsbeobachtungen im Hinblick auf individuelle Förderungsmöglichkei-ten der Schüler einschließlich der Analyse ihrer fachspezifischen Lernschwierigkeiten, Medien-einsatz im Fach, Verfahren zur Kontrolle des Lernerfolgs sowie die Analyse der erzieherischen Wirkungen des Unterrichts im gewählten Fach. Im FBP bereiten die Studierenden mindestens zwei eigene Unterrichtsversuche vor, führen die-se durch und analysieren sie zusammen mit der Betreuungslehrkraft.

Das Studienbegleitende Fachdidaktische Praktikum im Master Berufliche Bildung

Das Studienbegleitende Fachdidaktische Prak-tikum (SFP) ist in der Masterphase in der beruf-lichen Fachrichtung an einer Berufsschule ab-zuleisten. Es findet im Wintersemester während der Vorlesungszeit an einem bestimmten Wo-chentag am Vormittag statt. Das SFP umfasst drei Unterrichtsstunden zuzüglich einer einstün-digen Besprechung. Es ist in ein oder mehrere Fachdidaktik-Module eingebettet. Die Ziele sind

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ein Kennenlernen fachspezifischer Arbeitswei-sen, Unterrichtsbeispiele und Unterrichtsprojek-te in verschiedenen Jahrgangsstufen sowie die Vorbereitung und Analyse unterrichtlicher Vor-haben auch in eigenen Unterrichtsversuchen. Die universitäre Lehrperson in der Fachdidak-tik und die Praktikumslehrkraft bzw. die Prak-tikumsschule arbeiten in diesem Praktikum eng zusammen. Die Praktikumslehrkraft wird von den Schulbehörden in Abstimmung mit der je-weiligen Schulleitung und der TUM School of Education ernannt. Die universitären Lehrver-anstaltungen zur Fachdidaktik in den jeweiligen beruflichen Fachrichtungen knüpfen an eine Vorlesung und Übung zur Didaktik der berufli-chen Bildung an.7

DAS UNIVERSITÄTSSCHULKONZEPT AN DER TU MÜNCHEN

Im Bestreben der weiteren Verbesserung der Qualität der Lehrerbildung an der TUM School of Education zielt das Universitätsschulkonzept darauf, fachliches, fachdidaktisches und erzie-hungswissenschaftliches Wissen noch enger als bisher aufeinander zu beziehen. Das Universi-tätsschulkonzept an der TU München baut auf dem vorhandenen empirischen Wissen über die erfolgreiche Gestaltung von Bildungsprozessen

auf. Es erweitert die Möglichkeiten einer Wis-senschaft-Praxis-Verzahnung in der Lehrerbil-dung. Lehramtsstudierende an der TUM verfü-gen in der Masterphase bereits über ein solides Fundament an fachwissenschaftlichen und er-ziehungswissenschaftlichen Kenntnissen. In Lehr-veranstaltungen des Universitätsschulkonzepts erschließt sich ihnen ein erweiterter Erfahrungs-raum, der konsequent erziehungswissenschaft-liche und unterrichtspraktische Fragestellungen aufeinander bezieht und die Professionalisierung von Lehrkräften stützt. Studierende erfassen das Tätigkeitsspektrum einer Lehrkraft aus der Schulperspektive und können die Unterrichts-praxis durch theoriegeleitetes Handeln in kon-tinuierlicher wissenschaftlicher Reflexion durch-dringen. Die Universitätsschule wird zum Ar-beits- und Begegnungsraum für gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, die sich in dieser Form intensiv und differenziert bearbeiten lassen. Ausbildungsinhalte und -kon-zepte der Lehrerbildung an der TUM und dem Studienseminar werden besser aufeinander abgestimmt. Studierende tragen zusammen mit den Hochschullehrern durch ihre aktive, hin-terfragende Teilnahme am Schulleben dazu bei, dass Handlungsabläufe in Unterricht und Schule gemeinschaftlichen, phasenübergreifenden Ana-

Abbildung 2: Universitätsschulkonzept an der TU München

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lyse- und Reflexionsprozessen unterzogen wer-den. Diese Prozesse generieren wiederum Impul-se für die Ausbildung im Studienseminar sowie die Unterrichts- und Personalentwicklung der Schule. AKTUELLER STAND – UNIVERSITÄTSSCHULEN DER TUM SCHOOL OF EDUCATION

Seit dem Schuljahr 2011/2012 ist die Berufs-schule für Fertigungstechnik (BSFT) in München Universitätsschule der TUM. Die bereits davor bestehende Zusammenarbeit mit der BSFT in Forschungsarbeiten, in der Fachdidaktik Me-talltechnik, dem TUMpaedagogicum, bei Ab-schlussarbeiten sowie einem fachwissenschaftli-chen Modul konnte dadurch deutlich intensiviert werden. Es entstanden in der Masterphase des Studiengangs Lehramt Berufliche Bildung zwei neue Seminarkonzepte zusammen mit der BSFT, an denen bisher ca. 95 Studierende teilgenom-men haben: ∙ Das Seminar Handlungsorientiertes Lernen

in Lernfeldern befasst sich insbesondere mit den Herausforderungen und Realisierungs-möglichkeiten von schülerzentriertem Un-terricht in metall- und elektrotechnischen Domänen und der adressatenorientierten Differenzierung von Lernmöglichkeiten. Die Studierenden erhalten hier einen tiefgehen-den Einblick in die Anforderungen an einen Unterricht in Lernfeldern aus Sicht der Un-terrichtsorganisation, -planung und -durch-führung. Sie durchlaufen Lernsituationen in der Rolle von Lernenden und konzipieren eine handlungsorientierte Unterrichtseinheit.

∙ Das Seminar Interkulturelle Bildung und Er-ziehung vertieft Themenaspekte eines globa-len Lernens und einer damit verbundenen Sensibilisierung und Wertevermittlung. Die Studierenden entwickeln Unterrichtseinhei-ten zu einer breiten Themenpalette, die sie dokumentieren und im Unterricht selbst durchführen.

Weitere Lehrveranstaltungen in den Erzie-

hungswissenschaften (z. B. Benachteiligtenförde-rung in der beruflichen Bildung, Schwerpunkte der Berufspädagogik)8 nutzen die Zugangsmög-lichkeiten zur BSFT immer wieder phasenweise als Erfahrungsraum für ausgewählte Themen-

aspekte. Weiter sind bisher seit dem Schuljahr 2011/2012 ca. 30 Masterarbeiten in Koopera-tion mit dieser Schule entstanden, die sich breit gefächerten Themen zuwenden.

Seit dem Schuljahr 2014/2015 ist die Berufs-schule für das Hotel-, Gaststätten- und Brau-wesen (BS Gastro) in München ebenfalls Uni-versitätsschule der TUM. Auch hier bestehen seit Langem gemeinsame Aktivitäten in der Leh-rerbildung in der Fachdidaktik Ernährungs- und Hauswirtschaftswissenschaft, dem TUMpaeda-gogicum und bei Abschlussarbeiten. Derzeitige Arbeitsfelder der Zusammenarbeit im Rahmen des Universitätsschulkonzeptes sind: Umsetzung von universitär erarbeiteten Lernsituationen, wissenschaftliche Betrachtung der Bewertung von Kompetenzen, Ansätze für den individuel-len Umgang mit Heterogenität, ein strukturier-tes Konzept zur Einführung schüleraktivieren-der Methodik und Kooperationen mit weiteren Seminar- und Berufsschulen des Nahrungsge-werbes. Im Wintersemester 2014/2015 findet erstmalig ein neu konzipiertes Seminar statt, das sich an der BS Gastro vertiefend dem Thema Umgang mit Heterogenität auch in Kooperati-on mit dem dort beheimateten Studienseminar zuwendet. Masterarbeiten zu den vereinbarten Arbeitsfeldern sind angelaufen.

EINSCHÄTZUNGEN ZUM UNIVERSITÄTSSCHUL-KONZEPT DER TUM SCHOOL OF EDUCATION

Evaluationsergebnisse aus der Befragung von Studierenden

Im Oktober 2014 wurden alle Studierenden, die bisher an Lehrveranstaltungen im Rahmen des Universitätsschulkonzepts an der TUM teil-genommen hatten, in einer Lehrveranstaltungs-evaluation befragt. Kontaktiert wurden 92 Stu-dierende, wovon 3 aufgrund einer ungültigen E-Mail Adresse nicht erreichbar waren. Es konn-ten insgesamt 89 Studierende kontaktiert wer-den. 54 Befragungsteilnehmer antworteten, was einer Rücklaufquote von 59 % entspricht. Die Fragen setzen sich aus gebundenen und offe-nen Antwortformaten zusammen. Die in meh-rere Fragebereiche gegliederten Items umfassen Fragen mit Auswahlantworten zu bisherigen Vorstellungen vom Beruf einer Lehrkraft an be-ruflichen Schulen und einer durch das Univer-

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sitätsschulkonzept weiter ausdifferenzierten bzw. veränderten Vorstellung, zur individuellen Kompetenzentwicklung und zu den als beson-ders wichtig empfundenen Merkmalen des Uni-versitätsschulkonzeptes. Die offenen Antwor-ten fragen nach Gründen für die Teilnahme an einer Lehrveranstaltung des Universitätsschul-konzepts, den Bereichen, in denen die Studie-renden ihrer Ansicht nach besonders viel gelernt haben, dem Eindruck oder dem Ereignis (positiv wie negativ), das ihnen besonders in Erinnerung blieb, dem besonderen Ertrag des Universitäts-schulkonzepts für die Universitätsschule, den Veränderungserfordernissen für dieses Kon-zept, was ihnen daran am besten gefiel und die abschließende Frage: „Was ich sonst noch sa-gen wollte“.

Aus den Auswahlantworten und den um-fangreichen und sehr differenzierten Antworten auf die offenen Fragen geht hervor, dass die durchgeführten Seminarkonzepte als äußerst erfolgreich eingeschätzt werden und zu einer deutlichen Erhöhung des Praxisbezugs im Stu-dium geführt haben. Die Vorstellungen vom Beruf einer Lehrkraft an beruflichen Schulen haben sich weiter ausdifferenziert. Die Kompe-tenzen der Studierenden haben sich ihren Ein-schätzungen nach in verschiedenen Bereichen je nach Seminarschwerpunkt weiterentwickelt. In der Umsetzung des Universitätsschulkonzep-tes werden als besonders wichtig das erhaltene Feedback und die erhaltenen Hilfestellungen von Seiten der Lehrkräfte an der Berufsschule bewer-tet. Der vorhandene und genutzte individuelle Gestaltungsspielraum bei der Ausarbeitung der gestellten Aufgaben wird sehr geschätzt. Gleich-zeitig betonen die Studierenden die Bedeutung einer engen Betreuung durch die Lehrkräfte an der Schule, was durch deren hohe Präsenz und deren hohes Engagement sichergestellt werden kann. Sehr positiv schätzen die Befragten die erlebte, große Offenheit und „Ehrlichkeit“ der Lehrkräfte in allen Belangen ein. Dies ermög-licht ihnen vertiefte Einblicke in die Schul- und Unterrichtsrealität. Es entsteht bei den Studie-renden so das Gefühl, „ernst genommen zu wer-den“ und den Lehrkräften auf „Augenhöhe“ zu begegnen, was den erforderlichen Perspekti-venwechsel und die Entwicklung hin zur Über-nahme der Rolle einer Lehrkraft unterstützt.

Bei den durchweg positiv dargestellten Ein-drücken oder Erlebnissen steht für die Studie-renden die Freude an der Arbeit mit den Schü-lern und deren durchweg als „überraschend engagiert“ wahrgenommene Mitarbeit bei den eigenen Unterrichtsversuchen an erster Stelle. Weiter ist das angenehme, offene Arbeitsklima an der Schule und die wertschätzende Koope-ration mit erfahrenen Lehrkräften ein wichtiger Punkt. Das Universitätsschulkonzept wird aus Sicht der Befragten durch eine enge Zusammen-arbeit und Abstimmung zwischen den Hoch-schullehrern und den Lehrkräften an der Berufs-schule getragen.

Ein substanzieller Veränderungsbedarf des Universitätsschulkonzepts wird von den Befrag-ten nicht gesehen. Änderungshinweise beziehen sich meist auf Einzelaspekte wie studienorgani-satorische Schwierigkeiten, die Erwartung, dass die unterrichteten Schüler aus der gleichen beruf-lichen Fachrichtung kommen sollten, oder noch klarere organisatorische Hinweise und Arbeits-aufträge. Der in dieser Kategorie auch mehr-fach geäußerte Wunsch nach einer Ausweitung des Universitätsschulkonzepts auf andere Be-rufsschulen und weitere Fachrichtungen spricht klar für diesen Ansatz in der Lehrerbildung.

Am besten gefallen hat den Befragten an diesem Konzept, dass sie einen ganzheitlichen Einblick in Prozessabläufe an einer Berufsschule gewinnen sowie umfangreiche praktische Erfah-rungen sammeln konnten und sich sehr gut an der Schule angenommen und betreut fühlten. Was die Studierenden „sonst noch sagen woll-ten“, lässt sich mit dieser Aussage zusammen-fassen: „Es war sehr interessant und kurzweilig. Ich finde das Universitätsschulkonzept ist eine gelungene Ergänzung zum reinen Universitäts-betrieb.“ Insgesamt zeigt sich aus der Qualität der offenen Antworten, dass die befragten Stu-dierenden eine klare Vorstellung von der von ihnen gewünschten Form der Lehrerbildung haben und dies begründen können.

Reflexion aus Sicht der Lehrenden

Die bisher realisierte, hohe Qualität der Lehrveranstaltungen im Universitätsschulkon-zept an der TUM School of Education basiert auf einer von Offenheit, Vertrauen und gegen-seitiger Wertschätzung getragenen Kooperation

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D A S U N I V E R S I T Ä T S S C HU L K ON Z E P T A N D E R T UM S CH OO L O F E D U C A T I O N

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der beteiligten Partner. Die gemeinsame Kon-zeptentwicklung für das jeweilige Seminar mit der intensiven Abstimmung zwischen der uni-versitären und schulischen Seite setzt ein hohes Engagement aller Beteiligten voraus. Aus der gemeinsamen Abstimmung erhalten Hochschul-dozenten, Lehrkräfte und Vertreter aus dem Studienseminar Anregungen aus den korrespon-dierenden Bereichen, die sie gewinnbringend in das eigene Lehr- und Arbeitsumfeld einbinden können. Der phasenübergreifende Austausch über Lehrkonzepte und Lehrinhalte trägt dazu bei, bestehende Redundanzen zu verringern.

Für die Studierenden der TU München er-öffnet sich ein Erfahrungsraum, in dem sie zu-sammen mit Lehrkräften und Studienreferenda-ren die Unterrichtspraxis aufsuchen und darin den Erklärungswert erziehungswissenschaftli-cher Theorie erfahren. Sie finden die Zeit und Ruhe, sich mit aktuellen Problemen und Frag-stellungen in der Schul- und Unterrichtspraxis zu befassen und sie reflexiv aufzuarbeiten. Die teilnehmenden Studierenden, die sich in ihrem Masterstudium bewusst diesem Wahlangebot zuwenden, zeigen zu großen Teilen, dass sie in der Lage sind, die bearbeiteten Problemberei-che zu analysieren, darauf bezogene Kernfragen zu benennen und sie kritisch zu hinterfragen. Es vollzieht sich für die Studierenden damit zwar die unmittelbare Teilhabe am Schulalltag, aber noch ohne den ständigen Handlungsdruck, der sich in der postuniversitären Phase rasch einstellt und dem eine Lehrkraft im tagtäglichen Unterrichtsbetrieb durchgängig unterliegt. Da-mit bietet das Universitätsschulkonzept ideale Möglichkeiten für eine universitäre Lehrerbil-dung, die an der konkreten Berufspraxis ausge-richtet ist. Gleichzeitig bereitet es mit der klaren Blickrichtung auf Unterrichtspraxis und Schul-alltag auf den Übergang Universität – Vorberei-tungsdienst vor.

Die Lehrkräfte an den Universitätsschulen sind in die Betreuung und Beratung von Studie-renden und Referendaren eingebunden. Sie nehmen eine Vermittlungsfunktion ein, indem sie für Studierende wie Referendare das Theo-riewissen der Universität mit dem Handlungs-wissen im Lehrberuf verknüpfen. Dazu werden sie von der TUM School of Education auf ihre Aufgaben vorbereitet und bei Bedarf beraten.

Die Lehrkräfte befassen sich so mit dem gegen-wärtigen, wissenschaftlichen Stand der Lehrer-bildung, den sie an dem Praxisfeld ihrer Schule reflektieren. Dadurch profitieren sowohl die Lehrkraft als auch die Schule insgesamt aus den daraus hervorgehenden Impulsen für eine gemeinsame Unterrichtsentwicklung, die auch als Schul- und Personalentwicklung Wirkungen entfaltet. Ein erkennbarer und von den Lehr-kräften besonders positiv wahrgenommener Ertrag aus dem Universitätsschulkonzept kann z. B. die Überarbeitung oder die Neuentwick-lung von Lernsituationen (auch im Rahmen von Masterarbeiten) sein, die für die langfristige Umsetzung im Unterricht geeignet sind.

Referendarinnen und Referendare stehen in der postuniversitären Phase ihrer Lehrerbildung im Vorbereitungsdienst. Damit geht ein Rollen- und Perspektivenwechsel einher, der für ihre berufliche Enkulturation von besonderer Bedeu-tung ist. Das Universitätsschulkonzept ermög-licht, auch in dieser Übergangsphase die Bedeu-tung des theoretisch reflektierten beruflichen Handelns einer Lehrkraft zu betonen. Durch den Austausch mit Studierenden und die gemein-same Arbeit an wissenschaftlich wie unterrichts-praktisch aktuellen und gleichermaßen relevan-ten Fragestellungen erschließt sich beiden ge-nannten Personengruppen, wie wichtig der reversible Bezug theoretischer wie schulprakti-scher Blickrichtungen ist. Referendarinnen und Referendare können als Ansprechpartner für Studierende fungieren, indem sie z. B. bei der Umsetzung eines entwickelten Unterrichts- oder Förderkonzepts (auch im Rahmen von Master-arbeiten) mitarbeiten. Studierende wie Referen-dare erhalten darüber Möglichkeiten für eine wissenschaftliche Selbstreflexion zum eigenen Lehrerhandeln. Gleichzeitig bauen sie ihre Ana-lysefähigkeit zum eigenen Unterricht und zum Handeln in der Institution Schule weiter aus. In der bisherigen Umsetzungsform des Universi-tätsschulkonzepts sind Studienreferendare zwar punktuell eingebunden worden, ihr Mitwirken an gemeinsamen Lehrveranstaltungen ist jedoch ausbaubar und damit Ziel der Weiterentwick-lung dieses Konzepts.

Grundsätzlich stellt sich bei einer Weiterent-wicklung in der Lehrerbildung wie dem Uni-versitätsschulkonzept immer auch die Ressour-

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cenfrage, die eine Sachausstattung, insbesondere aber die personelle Ausstattung von Schulen, Studienseminar und beteiligter Universität be-trifft. Die Universitätsschulen erhalten für ihre Partizipation entsprechende Anrechnungsstun-den. Die TU München übernimmt die zusätz-lich anfallenden Aufgaben bisher mit der an der TUM School of Education vorhandenen Lehr-kapazität. Gleiches gilt für den Bereich des Studienseminars. Die bisher realisierte, hohe Qualität der Lehrveranstaltungen im Universi-tätsschulkonzept basiert – wie bereits genannt – auf dem außerordentlichen Engagement aller Verantwortlichen und Beteiligten.

AUSBLICK

Das Universitätsschulkonzept ist nun seit einigen Jahren an den bayerischen Universitä-ten, die mit der Lehrerbildung an beruflichen Schulen betraut sind, auf dem Weg. Es hat je nach Standort und den dort bestehenden Start- und Rahmenbedingungen sehr unterschiedli-che Ausgestaltungsformen hervorgebracht. Die berufliche Lehrerbildung an der TU München enthält bereits seit vielen Jahren drei Schul-praktika. Das Universitätsschulkonzept in der Masterphase im Wahlpflichtbereich intensiviert darüber hinaus deutlich die Wissenschaft-Praxis-Verzahnung. Es verbindet konsequent berufs-schulpraktische Problemfelder mit universitären Studieninhalten. Fachliche, fachdidaktische und erziehungswissenschaftliche Inhalte werden unmittelbar auf die Schulpraxis übertragen und theoriegeleitet reflektiert.

Durch das kontinuierlich hohe Interesse der Studierenden stoßen die beiden bisher involvier-ten Münchener Universitätsschulen der TUM School of Education, die Berufsschule für Fer-tigungstechnik und die Berufsschule für das Hotel-, Gaststätten- und Brauwesen, an ihre kapazitären Grenzen. Aufgrund ihrer jeweils auf ein Berufsfeld bezogenen inhaltlichen Ausrich-tung sind besonders zwei der insgesamt sechs beruflichen Fachrichtungen an der TUM ange-sprochen. Mit der Integration weiterer berufli-cher Fachrichtungen an anderen Schulstandor-ten ließen sich die Breite der zu bearbeitenden Themen und Fragestellungen, die Attraktivität des Konzepts für einen weiteren Adressatenkreis und damit insgesamt die aus dem Universitäts-

schulkonzept hervorgehenden Lerneffekte weiter erhöhen. Um die Lehrerbildung an beruflichen Schulen insgesamt phasenübergreifend zu refor-mieren, muss dieser erfolgversprechende Ansatz seine zentralen Anliegen und Realisierungsstra-tegien stärker als bisher gegenüber allen an der Lehrerbildung Beteiligten darstellen und die ge-genseitige Abstimmung zwischen den Lehrer-bildungsphasen und -standorten intensivieren. || PROF. DR. ALFRED RIEDL

School of Education,

Technische Universität München

ANMERKUNGEN

1 Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland: Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften (Beschluss der Kultusminister-Konferenz vom 16.12.2004 i. d. F. vom 12.06.2014), Bonn / Berlin 2014; Terhart, Ewald: Wie wirkt Lehrerbildung? Forschungsprobleme und Gestaltungsfragen, in: Zeitschrift für Bildungsfor-schung 2/2012, S. 3-21.

2 Zum Überblick siehe Arnold, Karl-Heinz / Gröschner, Alexander / Hascher, Tina (Hrsg.): Schulpraktika in der Lehrerbildung – Pedagogical field experi-ences in teacher education, Münster 2014.

3 Ausführlicher hierzu Prenzel, Manfred / Reiss, Kristi-na / Seidel, Tina: Lehrerbildung an der TUM School of Education, in: Erziehungswissenschaft 43/2011, S. 47-56.

4 IT-Technik ist nur mit Elektrotechnik und Infor-mationstechnik kombinierbar, Mechatronik nur mit Elektrotechnik und Informationstechnik sowie Metalltechnik.

5 Riedl, Alfred: Grundlagen der Didaktik, Stuttgart 2010.

6 Ausführlicher siehe Müller, Markus / Fiebig, Edda / Schelten, Andreas: TU München stärkt die Stellung schulischer Praktika: TUMpaedagogicum Pflicht im Bachelor Berufliche Bildung, in: vlb-akzente 3-4/2010, S. 17-20. Zur Organisation, zur inhaltlichen Ausge-staltung und zu den verfügbaren Unterlagen zum TUMpaedagogicum siehe http://www.paed.edu.tum. de/lehre/lehrveranstaltungen/tumpaedagogicum.

7 Riedl, Alfred: Didaktik der beruflichen Bildung, Stuttgart 2011.

8 Zum Aufbau des Studiengangs Master Berufliche Bildung an der TUM und die zu durchlaufenden Module siehe http://www.edu.tum.de/studium/stu diengaenge/lehramt-an-beruflichen-schulen/pruefu ngsordnungen/

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DIE UNIVERSITÄTSSCHULE AUS SICHT DER ABSOLVENTEN, DES STAATLICHEN STUDIENSEMINARS UND DES VLB

Im Rahmen der Arbeitstagung „5 Jahre Universitätsschule – Bilanz und Perspektiven“ waren auch

Universitätsschulabsolventen, das Staatliche Studienseminar für das Lehramt an beruflichen Schulen

sowie der Verband der Lehrer an beruflichen Schulen in Bayern e.V. (VLB) eingeladen, aus ihren

Erfahrungen mit der Universitätsschulinitiative zu berichten. Zentrale Punkte ihrer Feststellungen

werden im Folgenden skizziert.

DIE UNIVERSITÄTSSCHULE AUS DER SICHT VON ABSOLVENTEN

Nach fünfjähriger Modellphase der Univer-sitätsschulen ist es Zeit, auch aus Sicht der Ab-solventen dieses zukunftsweisende Konzept zu beleuchten. Dabei variieren die Modelle und Schwerpunktsetzungen der Universitätsschulen je nach Hochschulstandort und Ausbildungs-richtung. Aus Sicht der Studierenden verfügen jedoch alle Konzepte über eine gemeinsame Präambel mit dem Ziel, den Übergang von Uni-versität zu Referendariat für die Studierenden optimal zu gestalten und damit den vielfach zitierten „Praxisschock“ zu verringern.

Bei dem Kongress „5 Jahre Universitätsschu-le – Bilanz und Perspektiven“ vom 6. bis 7. No-vember 2014 in Wildbad Kreuth erfolgte ein Austausch über Erfahrungen und Eindrücke zwischen allen Beteiligten der Berufs- und Wirt-schaftspädagogik aus ganz Bayern. Dabei wurde festgestellt, dass jedes Universitätsschulkonzept individuelle Vorteile für die Studierenden bietet und die lokalen Präferenzen und Gegebenheiten des Standortes berücksichtigt. Kernbestandteil eines jeden Universitätsschulkonzepts sind: ∙ die Präsenzphasen an den Universitätsschu-

len mit Unterrichtsbesuchen und Unterrichts-versuchen,

∙ die Verknüpfung von Universitätsschulen mit aktuellen Forschungsprojekten und

∙ die enge Zusammenarbeit von Lehrstuhl und Universitätsschulen. Die verschiedenen Ausprägungen des Uni-

versitätsschulkonzeptes sind mit einem hohen Zeit- und Arbeitsaufwand für die Studierenden verbunden. Sie fordern von den Studierenden auf der einen Seite ein effektives Zeitmanage-ment, um der hohen Arbeitsbelastung gerecht zu werden. Auf der anderen Seite wird eine gute Koordination zwischen Mentor und Studieren-den benötigt, um inhaltlich komplexe Arbeits-aufträge zu aktuellen Themen der Didaktik und Methodik bewältigen zu können. Dem Arbeits- und Zeitvolumen stehen aus Sicht der Studieren-den die Vorzüge der Universitätsschule gegen-über, die im Folgenden erläutert werden.

Die Universitätsschule bietet den angehen-den Lehrkräften aus dem Bereich Berufs- und Wirtschaftspädagogik die Gelegenheit, schon in-nerhalb der universitären Ausbildung wichtige Einblicke in die Lebenswelt Schule zu gewinnen und so die erlernten Theorien mit den Themen der Praxis verknüpfen zu können. Dabei treten sie in direkten Kontakt mit den Lehrkräften und lernen unterschiedlichste Schulklassen, Berufs-

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bereiche und Fächer bzw. Lernfelder an Berufs-schulen kennen. Die Studierenden erhalten so-mit einen exklusiven Einblick in den Alltag einer Lehrkraft. Dies verhindert bzw. mildert den gefürchteten Praxisschock bei Eintritt in das Referendariat.

Teilnehmer der Universitätsschule können gezielt bei erfahrenen Lehrkräften und Mento-ren Unterricht besuchen, analysieren und dabei die Bedingungen von Unterricht einschätzen sowie in der Gruppe diskutieren. Darüber hin-aus erfolgt standortspezifisch die Vermittlung der berufspädagogischen und fachdidaktischen Inhalte in den Vorlesungen jeweils auf Basis gemeinsam gemachter Erfahrungen in den Un-terrichtsbesuchen, an denen auch der jeweilige Dozent teilnimmt. Auch erste Unterrichtserfah-rungen können in der Universitätsschule gesam-melt werden. Die Studierenden haben die Mög-lichkeit, ohne Druck Unterrichtssequenzen und komplette Unterrichtseinheiten anhand aktuell wissenschaftlich diskutierter didaktischer und fachdidaktischer Konzepte zu planen, durch-zuführen und anschließend gezielt zu reflektie-ren, um die eigenen Kompetenzen schrittweise aufzubauen. Zudem werden die Studierenden bezüglich aktueller didaktischer und schulorga-nisatorischer Herausforderungen sensibilisiert, wie z. B. durch die Einführung von handlungs-orientiertem Unterricht mit Lernsituationen so-wie die selbständige Erstellung einer didaktischen Jahresplanung.

Durch den ständigen Austausch von Erfah-rungen unter Studierenden, Lehrkräften sowie Mentoren bietet die Universitätsschule die Mög-lichkeit, die eigene Reflexionsfähigkeit auf- und auszubauen. Dabei werden sowohl das eigene Verhalten als Lehrkraft als auch zu bearbeitende Arbeitsaufträge und Unterrichtsversuche in der Gruppe thematisiert, aber auch zum Gegenstand für Selbstreflexionen gemacht.

Hinzu kommen der uneingeschränkte Zu-tritt zum Lehrerzimmer und ein erster Perspek-tivenwechsel vom Lernenden zum Lehrenden. Dabei versuchen die Studierenden in die Rolle des Lehrenden zu „schlüpfen“ und haben damit Gelegenheit, sich schrittweise in der neuen, noch ungewohnten Rolle zurechtzufinden.

Die Kooperation zwischen Universitätsschu-len und Universität ist auch eine gute Voraus-

setzung, um aktuelle Forschungsprojekte durch-zuführen. Durch die Vernetzung der beiden Institutionen bietet sich eine ideale Basis für Studierende, aktuellen Themen der Berufs- und Wirtschaftspädagogik forschend zu begegnen und somit einen konkreten Beitrag zur Gestal-tung von Bildung zu leisten.

Alle studentischen Teilnehmer der Arbeits-tagung bewerteten die Universitätsschule mit ihren verschiedenen Konzepten trotz hoher Ar-beitsbelastung als durchweg positiv und plädie-ren für eine Fortschreibung des Projektes. Das Universitätsschulkonzept ermöglicht somit den Studierenden schon während des ersten Aus-bildungsabschnittes an der Hochschule einen detaillierten und differenzierten Blick in den Schulalltag. Damit gelingt die wichtige, frühzei-tige Verknüpfung zwischen universitärer, wis-senschaftlicher Theorie und schulischer Praxis.

DIE UNIVERSITÄTSSCHULE AUS DER SICHT DES STAATLICHEN STUDIENSEMINARS

Es steht außer Frage: Das Universitäts-schulkonzept ist erfolgreich. Es schafft diese „produktive Verbindung“ von universitärer Lehrerausbildung und schulischer Realität, die Staatsminister Ludwig Spaenle in seiner Regie-rungserklärung vom 26. März 2009 forderte. Vielfältige positive Effekte sind zu beobachten, so dass aus Sicht des Staatlichen Studiensemi-nars eine Weiterführung des Konzepts absolut wünschenswert ist. In der Folge werden nun zunächst die positiven Effekte kurz dargestellt, anschließend ein paar weiterführende Gedanken formuliert.

Positive Effekte für die Studierenden

Der zentrale positive Effekt des Universitäts-schulkonzepts ist, dass der Umfang an Mög-lichkeiten, die schulische Realität bereits in der 1. Phase der Lehrerausbildung zu erleben, deut-lich ansteigt. Es bieten sich den Studierenden vielfältige Chancen, die eigenen Vorstellungen von Schule und Unterricht in einen Abgleich mit aktuellen Erfahrungen zu bringen. Dies ist umso wertvoller, da die durch das Universitäts-schulkonzept geschaffenen Reflexionsoptionen in ein Ausbildungskonzept eingebunden sind. Dadurch findet statt, was effizientes Lernen erst

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möglich macht: Die zielgerichtete Rückmeldung durch professionelle Begleiter.

Ein zweiter positiv zu bewertender Effekt ist, dass das Universitätsschulkonzept von den Stu-dierenden die gemeinsame Analyse schulischer Rahmenbedingungen und die darauf folgende gemeinsame Planung von umfassenderen Un-terrichtseinheiten im Sinne eines auf einander abgestimmten Handelns erfordert. Genau dieses Vorgehen ist das Wesen kompetenzorientierten Unterrichtens an den beruflichen Schulen. Die Studierenden müssen sich von Grund auf mit dieser intensiv vernetzten Herangehensweise an das Unterrichten auseinandersetzen und können diese bereits erleben. Nun geht es aber beim Universitätsschulkonzept neben dem gemeinsa-men Planen von Unterricht vor allem aber auch um das Entwickeln von relevanten Fragestel-lungen und daraus resultierender Projekte. Dies wird erst durch die professionell begleitete, ge-meinsame Arbeit am Thema Schule und Unter-richt möglich. Dadurch entstehen die Fragen, die dann zu neuen Impulsen für die schulische Praxis führen können. Das Universitätsschul-konzept schafft hierfür den Rahmen.

Positive Effekte für die Universitätsschulen

Der zentrale Zugewinn liegt in einem kontinu-ierlichen pädagogischen und didaktisch-metho-dischen „Update“. Nicht nur, dass Universitäts-schulen gleichzeitig immer auch Seminarschulen im Rahmen der zweiten Phase der Lehrerbil-dung sind und dadurch ohnehin ein erhöhter Austausch stattfindet. Nun kommen zusätzlich regelmäßig Lehramtsstudierende in die Kolle-gien hinein, die mit spezifischen Aufträgen und Fragestellungen den Gesprächen in den Schu-len wertvolle Impulse geben. Darüber hinaus wurden aus den Kollegien heraus die Mentoren gewonnen, die im Universitätsschulkonzept die Begleitung und Anleitung der Studierenden leisten. Die Mentoren bilden die Bindeglieder zwischen den Lehrstühlen an den Universitäten und den Schulen. Durch deren Einbindung in die Diskussionen an den Lehrstühlen werden diese Themen in die Kollegien getragen. Es findet also an sich eine niederschwellige, aber dafür kontinuierliche „schulinterne Fortbildung“ statt. Diese erfolgt nicht systematisch, sondern eher zufällig – dennoch wirken diese Impulse.

Neben den genannten Punkten ist aber auch der Prestigegewinn für die Universitätsschulen nicht zu vernachlässigen, die insgesamt eine stärkere pädagogische Ausrichtung erfahren.

Positive Effekte für Studienreferendare

Der Zugewinn für die Studienreferendare ist nicht mehr so eindeutig zu benennen. Sie haben den universitären Teil ihrer Ausbildung eben ab-geschlossen und sind z.T. im ersten Abschnitt des Vorbereitungsdienstes noch recht stark mit dem vorangegangenen Studium verhaftet. Ein echter Zugewinn ist evtl. in einer weiteren Form von Rückmeldung zu sehen, wobei auch hier anzumerken ist, dass die Referendare oh-nehin vielfältige Rückmeldungen durch die Seminarlehrkräfte und Studienreferendarkolle-ginnen und -kollegen erhalten, so dass sie gele-gentlich eine hohe Dichte an Rückmeldungen beklagen. Auch die Tatsache, dass Studienrefe-rendare in gemeinsamen Sitzungen von ihren Erfahrungen berichten können, ist nur bedingt als positiver Effekt zu bezeichnen.

Weiterführende Gedanken

Einer der Kerngedanken des Universitäts-schulkonzepts ist die Entwicklung gemeinsamer pädagogischer Vorhaben. Dies soll im Zusam-menwirken von Lehrstuhl, Universitätsschule und Studienseminar stattfinden. Und tatsäch-lich werden an den Universitätsschulen pädago-gisch relevante Fragestellungen entwickelt und in Projekten umgesetzt. Das Universitätsschul-konzept erweist sich hier als eine echte Weiter-entwicklung der Ausbildung und nicht nur als ein ausgeweitetes Praktikum. Das wird deutlich. Daher ist eine Weiterführung des Konzepts ab-solut wünschenswert. Ein zentraler Aspekt, der dann aber aus Sicht des Studienseminars zu klären ist, ist die Rolle des Studienseminars im Zusammenwirken der grundsätzlich Beteiligten. Natürlich finden Treffen mit den Vertretern der Lehrstühle statt, auch ist das Studienseminar an den Universitätsschulen präsent, da diese auch Seminarschulen sind. Eine kontinuierliche Kooperation bei der Umsetzung gemeinsamer Projekte findet allerdings nicht wie ursprünglich vorgesehen statt.

Eine weitere bedeutsame Frage, die zu klä-ren ist, ist die Frage nach der Kapazitätsgrenze

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einer Universitäts- und damit auch einer Semi-narschule. Wenn eine Kooperation von Semi-nar- und Studierendengruppen stattfinden soll, dann wird man die Zahl der Studierenden pro Schule begrenzen müssen.

Ein aus Sicht des Studienseminars relevan-ter Aspekt wird zukünftig die Integration des Universitätsschulkonzepts in den Prozess des Qualitätsmanagements in der Lehrerausbildung (QmL) sein, der für die 2. Phase bereits ange-laufen ist. Damit ist auch die Frage nach der Bedeutung des Universitätsschulkonzepts über die Universitätsschule hinaus angesprochen. Die Ergebnisse und Erfahrungen sind generell als wertvolle Impulse zu betrachten, die nicht bei den Beteiligten des Konzepts bleiben sollten.

Um den Kreis wieder zu schließen: Das Uni-versitätsschulkonzept ist erfolgreich. Eine Weiter-führung ist wünschenswert. Einzelne kritische Anmerkungen sind als Überlegungen zur Wei-terentwicklung zu betrachten.

DIE UNIVERSITÄTSSCHULE AUS DER SICHT DES VERBANDS DER LEHRER AN BERUFLICHEN SCHULEN IN BAYERN E.V. (VLB)

Vorüberlegungen

Professionelle Wissensvermittlung setzt die ständige Aktualisierung des eigenen Wissens, also die Auseinandersetzung mit fachlichen, fachdidaktischen und bildungswissenschaftli-chen Erkenntnissen und Forschungsergebnissen, voraus (Nationales MINT Forum).

Im Mittelpunkt unserer kritischen Betrach-tung steht die Frage, inwieweit das Universi-tätsschulkonzept uns bei der Zielsetzung hin zu einer Weiterentwicklung und Verbesserung der Lehrerausbildung in der ersten und zweiten Phase unterstützt, und zwar über die bisherigen Ansätze in der Lehrerbildung hinaus.

Dabei ist es naheliegend, zunächst einmal nach Kriterien oder Kennzeichen Umschau zu halten, anhand derer gewissermaßen die Vor-stellung für eine ideale Lehrerausbildung fest-zumachen ist. Mit den „KMK-Standards für die Lehrerbildung“ liegen uns solche Prüfkriterien vor. Die Kultusministerkonferenz (KMK-Be-schluss vom 16.12.2004 i. d. F. vom 12.6.2014) hat folgende Grundlagen für die inhaltlichen

Standards für die Lehrerbildung in den Bil-dungswissenschaften formuliert: „Die Ausbil-dung ist in zwei Phasen gegliedert, die universi-täre Ausbildung und den Vorbereitungsdienst, und findet in staatlicher Verantwortung statt. Beide Phasen enthalten sowohl Theorie- als auch Praxisanteile mit unterschiedlicher Ge-wichtung. Ausgehend von dem Schwerpunkt Theorie erschließt die erste Phase die pädago-gische Praxis, während in der zweiten Phase diese Praxis und deren theoriegeleitete Reflexion im Zentrum stehen. Das Verhältnis zwischen universitärer und stärker berufspraktisch aus-gerichteter Ausbildung ist so zu koordinieren, dass insgesamt ein systematischer, kumulativer Erfahrungs- und Kompetenzaufbau erreicht wird. Ergänzend sei angemerkt, dass auch die Fort- und Weiterbildung als dritte Phase der Lehrerbildung berücksichtigt wird. Sie wird im Folgenden nicht ausdrücklich thematisiert, je-doch sind die dargestellten Kompetenzen auch Ziele des lebenslangen Lernens im Lehrerberuf.“

Mit der Verzahnung von erster und zweiter Phase der Lehrerbildung – wie sie als grundle-gendes Prinzip im Universitätsschulkonzept an-gelegt ist – kann dieser von der KMK geforderte Erfahrungs- und Kompetenzaufbau ermöglicht werden. Damit ein systematischer und kumula-tiver Kompetenzaufbau erreicht wird, bedarf es einer engen und gelungenen Koordination und Kooperation zwischen Universität und Studi-enseminar hinsichtlich Zielsetzung und Anfor-derungsprofil. Eine Verzahnung beider Phasen muss für den Studenten / Referendar deutlich sichtbar werden. Eine gelungene Umsetzung schafft eine Reihe von Synergieeffekten, die je-doch keinesfalls zu einer zeitlichen Verkürzung der Ausbildung führen dürfen, sondern zur weiteren Qualitätsverbesserung zu nutzen sind. Als Beispiele hierfür mögen die Förderung im Bereich der pädagogischen Diagnostik, der In-klusion und der Individualisierung dienen. Ent-scheidend ist, dass das didaktische Konzept an der Universität eingehend studiert und dieses dann an der Schule umgesetzt wird, Schwierig-keiten erlebt und beobachtet sowie Alternativen der Umsetzung diskutiert und hinterfragt wer-den können. Daraus ergibt sich eine wesentli-che Verbesserung der Lehre, da am konkreten Umsetzungsfall die didaktischen Konzepte le-

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bendig und von den Studenten in ihrer Wirkung differenziert wahrgenommen werden können.

Einen wesentlichen Unterschied zum reinen Praktikum sieht der VLB in der kontinuierlichen Verzahnung zwischen Theorie und Praxis, also zwischen Universität und Schule, und das im-mer anhand konkreter didaktischer und metho-discher, ggf. auch psychologischer Fallarbeit. Die Theorie bleibt nicht grau, sondern wird in der Praxis erprobt und auch kritisch hinter-fragt, also auf ihre Praxistauglichkeit überprüft. Damit wird auch der Nutzen theoriegeleiteten Arbeitens sichtbar. Der geforderte Praxisbezug wird durch das Universitätsschulkonzept deut-lich verstärkt und der oft beklagte „Praxisschock“ beim Übergang in die zweite Phase der Lehrer-bildung vermieden, zumindest aber deutlich abgeschwächt.

Kompetenzentwicklung

Laut KMK wird die Entwicklung zentraler Lehrerkompetenzen u. a. durch folgende didak-tisch-methodischen Ansätze gefördert: ∙ „die persönliche Erprobung und anschließen-

de Reflexion eines theoretischen Konzepts … in natürlichen Unterrichtssituationen …

∙ die Erprobung und den Einsatz unterschied-licher Arbeits- und Lernmethoden und Me-dien in Universität, Vorbereitungsdienst und Schule …

∙ die Mitarbeit an Schulentwicklungsprojekten sowie an schul- und unterrichtsbezogener Forschung

∙ die Kooperation bei der Planung sowie gegen-seitige Hospitation und gemeinsame Refle-xion

∙ die Kooperation und Abstimmung der Aus-bilderinnen und Ausbilder in der ersten und zweiten Phase

∙ forschendes Lernen in Praxisphasen“. Bei den zitierten sechs didaktisch-methodi-

schen Ansätzen sind wir der Auffassung, dass das Universitätsschulkonzept mit seinem ganz-heitlichen Ansatz in hohem Maße in der Lage ist, zentrale Kompetenzen im Bereich der Bil-dungswissenschaften zu erreichen. Konkret be-deutet dies zum Beispiel, dass ein didaktisches Konzept an der Hochschule erarbeitet, das dann in der Schule auf seine Praxistauglichkeit erprobt

und hinsichtlich seiner Wirksamkeit reflektiert wird. Hier bietet das Universitätsschulkonzept durch die enge Kooperation von Schule, Uni-versität und Studienseminar tatsächlich eine wesentliche Weiterentwicklung zur bisherigen Ausbildungsstruktur.

Die Mitarbeit an schul- und unterrichtsbezo-gener Forschung eröffnet zudem – im Vergleich zu anderen Ansätzen in der Lehrerbildung – Chancen für die Universitäten.

Beispiele haben die Universitäten in ihren Präsentationen aufgezeigt und erläutert.

Aus der engen Kooperation zwischen den Beteiligten ergeben sich eine Reihe von Syner-gieeffekten, z. B. bei der Rekrutierung von Be-treuungs- und Seminarlehrkräften sowie Koo-perationsbeauftragten. Zudem können die Er-kenntnisse aus der gelebten Kooperation in die Unterstützungssysteme für die Fort- und Wei-terbildung der Lehrkräfte einfließen, z. B. bei schulinternen Lehrerfortbildungsangeboten oder der Entwicklung eines Fortbildungscurriculums.

Erfolgsfaktoren

Für das Gelingen des Universitätsschulkon-zeptes ist es unseres Erachtens wichtig, dass ei-ne systematische, institutionalisierte Erschlie-ßung der pädagogischen Praxis erfolgt. Durch eine enge Kooperation zwischen den Beteiligten (Studienseminar, Universität, Schule) ist eine Rückkoppelung auf der Basis gemeinsamer Ziel-setzungen und Mindeststandards sicherzustel-len. Dabei sind individuelle Ausprägungen und Schwerpunktsetzungen der einzelnen an der Lehrerbildung beteiligten Institutionen denkbar und wünschenswert.

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D IE UN IVERS ITÄTSSCHULE AUS S ICHT DER ABSOLVENTEN , D ES STUD IENSEM INARS UND DES V LB

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Wichtig ist ein gemeinsamer Nenner, d. h. ein gemeinsames Grundkonzept, das die Umset-zung der KMK-Vorstellungen gewährleistet. Dies erfordert jedoch ein einheitliches methodisch-didaktisches sowie pädagogisch-psychologi-sches Verständnis von dem, was wir gemeinsam wollen.

An dieser Stelle sei der Bayerische Staatsmi-nister Spaenle zitiert, der Folgendes zum Univer-sitätsschulkonzept ausführt: „Die ‚Universitäts-schulen‘, die besonders eng mit Universitäten bei der Lehramtsausbildung kooperieren, bau-en wir weiter aus. Wir bauen auf eine engere Verzahnung der ersten beiden Phasen der Lehrer-bildung. Denn Kooperation schafft Synergien, der oft zitierte ‚Praxisschock‘ ist Vergangen-heit.“ (Regierungserklärung von Staatsminister Dr. Ludwig Spaenle, 19.6.2012)

Fazit

Das Bayerische Universitätsschulkonzept bietet – aus Sicht des VLB – mit seinem ganz-heitlichen Ansatz eine formale Konzeption, die – bei entsprechender Ausgestaltung und Res-sourcenausstattung – die Grundlagen für eine hochwertige zukunftsweisende Lehrerausbildung und eine kontinuierliche zeitgemäße Personal-entwicklung von Lehrern schafft.

Der VLB unterstützt das Konzept der Uni-versitätsschulen und sieht hierin eine Chance für eine wesentliche Neuausrichtung und wei-tere Verbesserung der Lehrerbildung für das Lehramt an beruflichen Schulen.

AUTORENVERZEICHNIS

Universitätsschulabsolventen

Dier, Moritz, Student Universität Bayreuth, E-Mail: [email protected]

Gerlach, Cornelia, Studentin Otto-Friedrich-Universität Bamberg, E-Mail: [email protected]

Hager, Michael, Student Technische Universität München, E-Mail: [email protected]

Huber, Karina, Studentin Ludwig-Maximilians-Universität München, E-Mail: [email protected]

Solf, Christina, Studentin Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, E-Mail: [email protected]

Staatliches Studienseminar für das Lehramt an beruflichen Schulen

Ehlers, Dr. Volker, Oberstudiendirektor Staatliches Studienseminar für das Lehramt an beruflichen Schulen, Dienststelle Nürnberg, Marienstraße 21, 90402 Nürnberg, E-Mail: [email protected]

Verband der Lehrer an beruflichen Schulen in Bayern e.V. (VLB)

Männlein, Pankraz, Oberstudiendirektor Staatliche Berufsschule III Bamberg, Dr.-von-Schmitt-Straße 12, 96050 Bamberg, E-Mail: [email protected]; Stv. Landesvorsitzender des VLB, Dachauer Straße 4, 80335 München, E-Mail: [email protected]

Neumann, Max-Peter, Studiendirektor Staatliche Berufsschule Weiden, Stockerhutweg 52, 92637 Weiden in der Oberpfalz, E-Mail: [email protected]; Referent für Lehrerbildung und Lehrerfortbildung beim VLB, Dachauer Straße 4, 80335 München, E-Mail: [email protected]

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WORKSHOPERGEBNISSE

In allen Workshops wurde deutlich, welch großes Engagement die am Universitätsschulprojekt Betei-

ligten mitbringen und dass sie in diesem Projekt eine echte Verbesserung der Lehrerbildung in der

1. Phase sehen. Das Universitätsschulprojekt scheint ein effektiver Beitrag zur Lösung eines alten

strukturellen Problems zu sein, den Abstand zwischen universitärer Lehre und schulischer Praxis

zu reduzieren

In den Workshops diskutierten die Teilneh-

mer Gelingensbedingungen für das Universitäts-

schulprojekt. Die auf Plakaten und Stellwänden

festgehaltenen Ergebnisse wurden abschließend

im Plenum vorgestellt. In sämtlichen Workshops

wurde die Bedeutung gegenseitigen Vertrauens,

einer Kultur der Wertschätzung und einer

Kommunikation auf Augenhöhe betont. Diese

„weichen“ Faktoren bilden die notwendige

Grundlage für eine effektive Zusammenarbeit

der heterogenen Partner. Die Verschiedenheit

der Beteiligten sollte auch beibehalten werden,

um nach dem Motto „jeder macht das, was er

besser kann“ das Ziel einer engeren Heranfüh-

rung der Studenten an die spätere Berufstätig-

keit zu erreichen.

In den einzelnen Workshops erarbeiten die Teilnehmer die Gelingensbedingungen für das Universitäts-

schulkonzept.

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W O R K S H O P E R G E B N I S S E

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Auch die Unterschiedlichkeit der Universi-

tätsschulkonzepte der einzelnen Universitäten

wurde grundsätzlich positiv gesehen, da es darum

geht, die inhaltlichen Konzepte der jeweiligen

Universität an der Schulwirklichkeit zu erpro-

ben und über Rückwirkungsprozesse zu ver-

bessern.

Um sich im Rahmen des Projektes als Lern-

gemeinschaft zu verstehen, muss die Organisa-

tion der Zusammenarbeit funktionieren. Für die

Zielabsprachen, die Vorbereitungstreffen und

die Aktivitäten der Studenten an den Schulen

ist eine effektive Kommunikation wichtig. Eben-

so wichtig ist auch die Dokumentation der Pro-

jektmaßnahmen. Die vom Ministerium dafür

bereitgestellten Ressourcen reichen aus, sollten

aber keinesfalls gekürzt werden.

Einige Schulvertreter sprachen den Zuwachs

an Professionalität und die intensivere Diskus-

sion über aktuelle pädagogische Themen im

Kollegium an. Studien- und Masterarbeiten über

spezielle schulbezogene Themen würden den

Schulen unmittelbar zugute kommen und die

Studenten an die schulische Realität heranfüh-

ren.

Die Universitätsschulen sind fast ausschließ-

lich auch Seminarschulen. Dadurch ergeben sich

für die Studenten Möglichkeiten, sich durch die

Begegnung mit den Referendaren vielfältig zu

informieren und „Legenden“ über das Referen-

dariat auf ihren Wahrheitsgehalt zu testen. Da

die Seminarlehrer den Referendaren die Praxis

des Unterrichtens beibringen sollen, die Univer-

sitäten aber einen eher theoretischen Auftrag

haben, ergeben sich über den informationellen

Austausch hinaus eher geringe direkte Anknüp-

fungspunkte für die Studenten an den Semi-

narbetrieb. Eine direkte Zusammenarbeit der

Universitäten mit dem Studienseminar könnte

deshalb eher über engere Kontakte mit den

Seminarvorständen oder über Informationsver-

anstaltungen für die Seminarlehrer geschehen.

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DISKUSSIONSRUNDE: „WIE GEHT ES WEITER MIT DEN UNIVERSITÄTSSCHULEN?“

THOMAS HOCHLEITNER || In der Diskussionsrunde wird von allen Beteiligten das Bekenntnis zum

System der Universitätsschulen noch einmal bekräftigt. Trotz der vielen Stärken dieser auf die Inten-

sivierung der Praxiserfahrungen der Studierenden ausgerichteten Studienphase werden Ideen zur

Verbesserung angesprochen und Handlungsfelder identifiziert.

Moderiert wird die Diskussionsrunde von

Prof. Dr. Karl Wilbers, Leiter des Lehrstuhls für Wirtschaftspädagogik und Personalführung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Es diskutieren:

German Denneborg, Ministerialdirigent, Bayeri-sches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, München; Gerlinde Herrmann, Lehrkraft, BOS Wirtschaft München; Dr. Manfred Müller, Schulleiter, Staatliche BS I Bayreuth; Prof. Dr. Eveline Wittmann, Universität Bam-berg.

Karl Wilbers, der Moderator, zeigt zu Beginn der Diskussionsrunde fünf Handlungsfelder auf, die anhand vier gestellter Fragen in der folgen-den Diskussion erörtert werden: ∙ Das erste Feld, quasi die „weichen“ Fakto-

ren, werden durch die Erfolgsfaktoren einer Kultur des gegenseitigen Vertrauens, der Wertschätzung und der Anerkennung der Unterschiedlichkeit gebildet. Da hier in den Workshops ein weitgehender Konsens vor-handen war, werden diese in der Diskussion nicht weiter behandelt.

∙ Im zweiten Handlungsfeld sollen Themen der Forschung diskutiert werden. Speziell geht es um die Herangehensweise, den Prozess der Forschung und die unterschiedlichen Ansatzpunkte (= Frage 1).

∙ Der dritte Bereich umfasst die Kommuni-kation und die Kooperation zwischen den Universitäten und den Universitätsschulen (= Frage 2).

∙ Im vierten Handlungsfeld wird die Frage der Evaluation und des Qualitätsmanagements aufgeworfen (= Frage 3).

∙ Das letzte Handlungsfeld nimmt sich der Fra-ge der Zuständigkeitsverteilung an: Es geht hierbei um die Aufgaben der Schulen, der Regierungen, des Ministeriums, aber auch um die teilweise noch ungeklärte Rolle des Seminars (= Frage 4).

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T H OM A S H O CH L E I T N E R

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Karl Wilbers: Die Konzepte der Universi-

tätsschulen sind an verschiedenen Standorten

unterschiedlich ausgeprägt. Wie ist die Sicht

sowohl der Berufsbildner als auch der Allge-

meinbildner von außen bzw. innen auf diese

Konzepte? (Frage 1)

Eveline Wittmann findet die Heterogenität der Ziele vertretbar, wenn sie nach innen und außen transparent kommuniziert werden. Durch die unterschiedlichen Partner ist dies auch sinn-voll und notwendig. Ziel muss es sein, sich auf Forschung einzulassen und die Herangehens-weise an Themen zu systematisieren. Folgende Punkte zählt sie in diesem Zusammenhang auf: ∙ Die Ausbildung muss auf aktuellem empiri-

schem Forschungsstand erfolgen. Hier stellt sich die Frage, ob die ganze Breite behan-delt werden oder eine Betonung einzelner Bereiche erfolgen soll.

∙ Die Kooperation mit den Universitäten ist im Vergleich zur Situation vor dem Projekt-beginn ein großer Fortschritt.

∙ Es müssen metakognitive Beziehungen her-gestellt werden. Was ist der Unterschied zwischen Theorie und Praxis und wie kann man dies füreinander nutzbar machen?

∙ Wichtig ist Praxisbezug und nicht Praxis-schock.

∙ Es muss ein Raum für Nachhaltigkeit gefun-den werden.

∙ Es sollten Konzepte erarbeitet werden, die zum Verstehen der Jugendlichen jenseits der unmittelbaren Vorbereitungsarbeit führen. Gerlinde Herrmann sieht als Mentorin an

einer Universitätsschule besonders die Praxis-seite. Sie betont die Lücke zwischen der Theorie der Forschungsergebnisse in von den Universi-täten festgelegten Themen und der Umsetzung an den Schulen.

Manfred Müller merkt an, dass der Wunsch in Bayern nach einer Verknüpfung von Lehrer-bilddung der 1. Phase und der Schulpraxis sehr groß ist. Der Versuch wird in den Universitäts-schulen sehr intensiv und systematisch verfolgt. Intensive Forschung an den Universitäten muss hier Ansatzpunkte für die Praxis liefern, die dann als Themen in den Schulablauf eingebun-den werden können. Die Übergänge von Uni-Seminar und Schule müssen optimiert werden.

German Denneborg konstatiert, dass es das ursprüngliche Ziel der Veranstaltung war, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Die Einbindung der Seminarvorstände als Einzelpersonen hat sich als schwierig gezeigt. Den Universitäten sollte ein Angebot gemacht werden, sich mit den an-deren Bildungspartnern zum gegenseitigen Nut-zen zu vernetzen. Die Universitäten haben die-sen Spielraum so gestaltet, wie sie ihn für richtig gehalten haben, und das Ministerium hat sie bei diesem Vorhaben unterstützt. Dies hat eine eigene Dynamik gebracht, die sehr spannende Ergebnisse bringt. Eine gegenseitige Neugierig-keit für die Ziele der Schulen und der Universi-täten bietet eine förderliche Weiterentwicklung.

Aus dem Auditorium wird die Befürchtung einer zu starken Einengung durch Zielformu-lierungen und die Erzeugung von Ängsten bei den Partnern genannt, jedoch auch widerlegt, da Normen maximal gültig und nicht bewiesen werden könnten.

Das Aufeinanderzugehen und die Verschrän-kung von theoretischen und berufspraktischen Fragestellungen ist deutlich sichtbar.

Es wird auch zu Bedenken gegeben, dass die Spezialisten der Universitäten nicht auf alles ei-ne Antwort auf Grundlage von ausgearbeiteten, niveauvollen Konzepten geben können, da sich die Fragestellungen zu schnell entwickeln und eine Beschränkung in der Forschungsbreite vor-genommen werden muss.

Karl Wilbers: Mehr Kooperation ist einfach

gefordert. Wie sieht dies jedoch in der Realität

aus, wenn Wissenschaft und Praxis sich be-

gegnen? (Frage 2)

In Bamberg werden nach Angaben von Eve-line Wittmann regelmäßige Treffen unter Beteili-gung der Studienseminare und weiterer Akteure durchgeführt. Strukturierte Rahmenbedingun-gen sind hier sehr hilfreich. Ob ein Einheits-konzept für alle Universitätsschulen sinnvoll ist, stellt sie in Frage.

Manfred Müller nennt die Personalunion von Lehrkräften, sowohl als Unterrichtende an den Universitätsschulen als auch als Dozierende an der Universität, als besonders gewinnbringend und synergetisch. Ein Defizit sieht er aber im-mer noch in der Vermittlung von Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Als Resultate der Ver-

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D I S K U S S I O N SR UND E : „ W I E G E H T E S W E I T E R M I T D E N U N I V E R S I T Ä T S S C HU L E N ? “

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knüpfung nennt er den gewachsenen Wissens-stand des Kollegiums in Fragen der Forschung und deren Umsetzung im Unterricht.

German Denneborg möchte die Universitä-ten nicht als weiteren Baustein der Lehreraus-bildung nach LPO 3 sehen. Ursprungsgedanke war nicht eine weitere Normierung, sondern ein neues Element einzuführen, was beiden Tei-len hilft, ohne den Spielraum zu beschränken. „Unterschiedlichkeit ist keine Bedrohung“ ist hier die Devise von Denneborg.

Gerlinde Herrmann sieht an ihrer Schule ei-nen offenen Dialog zwischen den Universitäten mit ihren Themen und der Schule mit der Prü-fung auf Umsetzbarkeit. Diese Zusammenarbeit ist äußerst gewinnbringend und wird problem-los praktiziert.

Karl Wilbers konstatiert, dass die 2. Phase nicht am Podium vertreten ist und gibt deshalb dem Auditorium Gelegenheit zu Rückmeldun-gen.

Von Seiten der Seminarvorstände wird be-merkt, dass es Ziel sein muss, die aktuellen wissenschaftlichen Strömungen stärker bei den Seminarlehrern zu verankern und nicht nur an den Universitätsschulen zu belassen. Universi-tätsschulen könnten als Ideenschmieden bzw. Laborschulen genutzt werden. Die Rollenver-teilung sollte genau geklärt werden und mit den Zielen des Studienseminars in Verbindung gebracht werden.

Der Begriff Laborschule bzw. die Begrenzung auf wenige Schulen wird aus dem Auditorium kritisiert, da jeder Student die Chance haben soll, eine frühzeitige Einbindung in die Schule zu erleben.

Als Ziel werden die Verbesserung der Aus-bildung und die Effizienzsteigerung genannt, die durch die Formulierung von etwa ein Dutzend Einzelziele aufgefächert werden sollte.

Karl Wilbers: Evaluation ist auf allen Ebenen

zur Selbstverständlichkeit geworden. Wie sieht

es mit dem Qualitätsmanagement im Universi-

tätsschulkonzept aus? (Frage 3)

German Denneborg ist der Meinung, dass „nachschauen“ das Vertrauensverhältnis nicht zerstören muss. Im System Schule ist das üblich und wird von Lehrerseite auch regelmäßig an-gewandt. Eine Pflicht – vor allem im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung von Geldern – ist natürlich gegeben und wird auch regelmäßig vom Rechnungshof eingefordert. Eine Zielüberprüfung ist regelmäßig durchzu-führen. Eine dieser Zielüberprüfungen ist laut Denneborg diese Veranstaltung, die Teilnehmer in einer noch nie dagewesenen Konstellation unter dem Fokus „zwei Welten zusammenzu-führen“ miteinander ins Gespräch bringt.

Es wird der Wunsch geäußert, in einer wis-senschaftlichen Reflexion kriteriengeleitet den Mehrwert durch die Beteiligung am Universi-tätsschulkonzept für die einzelnen Beteiligten zu erklären.

Eveline Wittmann wirft die Frage auf, wie untersucht werden soll. Hier fehlen nicht ge-eignete Instrumente, sondern eine Einigung auf Metakriterien. Dazu gibt es eine Reihe von Fra-gestellungen wie Mitarbeiterzahl, Betreuungs-relation, aber auch Reichweite und Qualität der Finanzenverwendung, die noch intensiv disku-tiert werden müssen.

Es diskutieren (v.l.n.r.): Gerlinde Herrmann, German Denneborg, Manfred Müller und Eveline Wittmann.

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Aus dem Auditorium kam die skeptische

Nachfrage, ob diese Instrumente bei kritischen Reflexionsprozessen geeignet seien, da hierzu einheitliche Inhalte nötig sind, die eventuell bei der gegebenen Heterogenität nicht zu finden sind.

German Denneborg meint dazu, dass er sich hierzu eine Forschung wünscht, die auf der Prozessebene bleibt und praxisnahe Fragestel-lungen dazu findet, ob die Referendare besser auf den Schulalltag vorbereitet sind und über ein geeignetes Portfolio an Instrumenten und Methoden verfügen.

Gerlinde Herrmann sieht hier die Grenzen der einzelnen Universitätsschule, die hier nur beobachtend die Wirkung auf die Studenten aufzeigen kann. Interessant wäre auch die Aus-wirkung auf das Kollegium insgesamt und die Schulkultur (z. B. Lerntagebücher, SchiLF).

Dass es ohne eine Evaluation nicht geht, meint Manfred Müller. Er führt an, dass dies bei den Schülerinnen und Schülern erwartet wird und deshalb selbstverständlich auch auf die Schule als Ganzes sowohl summativ als auch normativ übertragen werden müsse. Er gibt der normativen Untersuchung den Vorzug und bringt die Instrumente der externen Evaluation als gewinnbringend ins Spiel.

Aus dem Auditorium kommt die Rückmel-dung, dass die breite Umsetzung der Erkennt-nisse an allen Schulen wichtig ist, um keine „Eliteschulen“ zu bekommen.

In unterschiedlichen Beiträgen wird die prin-zipielle Bedeutung der Untersuchungen heraus-gestellt, jedoch scheint eine Einheitlichkeit von Tests unmöglich zu sein. Auch die unterschied-liche Vorbildung der Studenten mit und ohne Universitätsschulvorgeschichte wird problema-tisiert.

Karl Wilbers sieht die Stoßrichtung im Sinne einer formativen Evaluation im Rahmen eines Qualitätsmanagements mit angepassten Test-instrumenten an verschiedenen Standorten.

German Denneborg stellt noch klar, dass die Studenten hier nicht vornehmlich in einem wei-teren Seminar sitzen sollen, sondern von schul-eigenen Mentoren intensiv betreut werden. Hans Käfler wird diesbezüglich bei seinen Schulbe-suchen wertvolle Anregungen geben. Nicht die Universitätsschulen sollen flächendeckend an-

geboten werden, sondern die Studenten sollen ihre Kompetenz in Schulen in ganz Bayern ein-bringen.

Karl Wilbers: Welche Rolle hat die Universi-

tätsschule im Wirkungsfeld Seminarvorstände,

Seminarlehrer und Referendaren? (Frage 4)

Gerlinde Herrmann stellt fest, dass ihre Schule keine Seminarschule ist. Sie wünscht sich eine optimierte Abstimmung sowohl unter den einzelnen Seminarvorständen als auch von der Lehrerbildung Phase 1 und 2.

Manfred Müller sieht die Rollenverteilung momentan als gelungen an seiner Schule an. Es gibt einen regen und systematischen Austausch zwischen Seminarlehrern, Dozenten sowie Stu-denten und Referendaren, von dem alle Beteilig-ten profitieren. Ein Problem sieht er in der end-lichen Kapazität der Seminarlehrer, dies könnte eventuell durch einen Lehrauftrag der Seminar-lehrer verbessert werden.

Eveline Wittmann schlägt vor, die intensive Betreuung nicht auf alle Referendare auszuwei-ten, sondern sich dann auf die Universitätsschul-absolventen zu beschränken.

Karl Wilbers beendet die Podiumsdiskussion mit der Frage an German Denneborg nach der Zukunft der Universitätsschulen. „Wir machen natürlich weiter!“ ist dessen Schlusswort.

|| THOMAS HOCHLEITNER

Leiter der Abteilung Berufliche Schulen, Staats-institut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB), München

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AUSBLICK

Das Format des hier dokumentierten Kongresses ermöglichte in gelungener Weise den erstmaligen

intensiven Austausch aller relevanter Beteiligten und gewährte über die Institutionengrenzen hin-

weg einen hervorragenden Einblick in die verschiedenen Universitätsschulkonzepte.

Ministerialrat Claus Pommer vom Bayrischen

Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wis-senschaft und Kunst bedankte sich bei allen Akteuren dieser Tagung für die interessanten inhaltlichen Beiträge, die die Veranstaltung zu einem aus seiner Sicht großen Erfolg verhalfen. Gleichzeitig regte er an, folgende exemplari-schen Fragestellungen künftig noch zu vertie-fen: ∙ Hat sich die jeweilige Organisationsstruktur

im Sinne der ursprünglichen Zielsetzung be-währt? Gibt es Verbesserungsbedarf? Welche Gelingensfaktoren tragen dazu bei?

∙ Wie erfolgt ggf. eine sinnvolle Abstimmung zu bereits bestehenden schulpraktischen Stu-dien an den jeweiligen Standorten?

∙ Welche Institution fungiert im Rahmen ge-meinsamer Projekte als Themengeber? Haben auch die Universitätsschulen selbst genügend Gestaltungsspielräume?

∙ Wie kann es künftig vermehrt gelingen, Studienreferendare gewinnbringend in die Projekte mit einzubeziehen?

∙ Wie kann ein Transfer der Erkenntnisse und Erfahrungen in die Lehrerkollegien der Uni-versitätsschulen und darüber hinaus in an-dere Schulen ermöglicht werden? In seinem anschließenden Ausblick betont

Claus Pommer die Notwendigkeit einer Verste-tigung des gegenseitigen – idealerweise selbst-organisierten – Informationsaustausches und avisiert im Rahmen freier verfügbarer Mittel und Ressourcen einen weiteren Ausbau des Universi-tätsschulkonzeptes in Form von weiteren beruf-

lichen Fachrichtungen und Standorten. Außer-dem regt er eine gute schriftliche Dokumenta-tion der Projekte durch die Universitäten sowie Überlegungen zu einer eventuellen Evaluation des Konzeptes an.

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VERANTWORTLICH

Prof. Dr. Reinhard Meier-Walser

Leiter der Akademie für Politik und Zeitgeschehen, Hanns-Seidel-Stiftung, München;

er lehrt Internationale Politik an der Universität Regensburg.

HERAUSGEBER

Paula Bodensteiner

Referentin für Bildung und Erziehung, Akademie für Politik und Zeitgeschehen, Hanns-Seidel-Stiftung

OStD Hans Käfler

Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst / Staatliche Berufsschule I Passau

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