LOTOS Zusammenfassung deutsch Version mit Deckblatt · 2011. 1. 3. · die Einführung eines...

18
Logistics towards Sustainability (LOTOS) 1 LOTOS Logistics towards Sustainability Zusammenfassung

Transcript of LOTOS Zusammenfassung deutsch Version mit Deckblatt · 2011. 1. 3. · die Einführung eines...

Page 1: LOTOS Zusammenfassung deutsch Version mit Deckblatt · 2011. 1. 3. · die Einführung eines Verhaltenskodexes (Social Code of Conduct), der den Lieferanten Vorgaben zu der Einhaltung

Logistics towards Sustainability (LOTOS)

1

LOTOS Logistics towards Sustainability

Zusammenfassung

Page 2: LOTOS Zusammenfassung deutsch Version mit Deckblatt · 2011. 1. 3. · die Einführung eines Verhaltenskodexes (Social Code of Conduct), der den Lieferanten Vorgaben zu der Einhaltung

Heike Flämig, Patric Drewes, Peer Seipold, Jutta Wolff

2

Gefördert vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Impressum

Bearbeitung Technische Universität Hamburg-Harburg Institut für Verkehrsplanung und Logistik Prof. Dr.-Ing. Heike Flämig Dipl.-Biol., Dipl.-Kfm. (FH) Peer Seipold Dipl.-Ing. Patric Drewes Dipl.-Logist. Jutta Wolff Dies ist die Zusammenfassung des vom Bundesministerium für Umwelt geförderten Projekts „LOTOS: Logistics towards Sustainability“, das gemeinsam mit dem Unternehmen Tchibo GmbH sowie mit Unterstützung von Schlange & Co GmbH sowie dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung GmbH (gemeinnützig) bearbeitet wurde. Stand: Januar 2010

Page 3: LOTOS Zusammenfassung deutsch Version mit Deckblatt · 2011. 1. 3. · die Einführung eines Verhaltenskodexes (Social Code of Conduct), der den Lieferanten Vorgaben zu der Einhaltung

Logistics towards Sustainability (LOTOS)

3

Logistics towards Sustainability (LOTOS)

Heike Flämig, Patric Drewes, Peer Seipold, Jutta Wolff Institut für Verkehrsplanung und Logistik

Technische Universität Hamburg-Harburg

1 Einleitung Die reale Güterverkehrsentwicklung ist nicht nachhaltig. In der bisherigen Diskussion um die Steuerung von Wirtschaftsverkehrssystemen zu mehr Nachhaltigkeit konzentrieren sich Ansätze häufig auf die externe Kontextsteuerung durch politisch-planerische Vorgaben. Bekanntermaßen zeigen sich bisher nur wenige Steuerungsmechanismen als wirksam; noch ein geringerer Teil von ihnen besitzt auch die politische bzw. gesellschaftliche Akzeptanz. Gleichzeitig wird bei Umsetzungsvorhaben auf die Rationalitäten von Unternehmen und deren Selbststeuerungsfähigkeiten im Bereich des Nachhaltigkeitsmanagements gesetzt. Erfahrungen der unternehmerischen Praxis zeigen, dass die ökologische bzw. nachhaltige Optimierung von Güterverkehren in Unternehmen maßgeblich auf Basis definierter Instrumente oder Strukturen erfolgt (z. B. EMAS oder ISO 14.001). Der Wissenstransfer von Maßnahmen zur nachhaltigen Gestaltung und Steuerung von logistischen Systemen wurde bisher vernachlässigt bzw. bestand darin, die Möglichkeiten einer nachhaltigen Gütermobilität schwerpunktmäßig im Rahmen von Stadt- bzw. City-Logistik-Projekten1 zu realisieren bzw. beschränkte sich auf die Bereitstellung von Handlungsleitfäden zur Bestandsaufnahme von verkehrlichen Umweltauswirkungen2 oder zur Darstellung innovative Konzepte3. Allerdings ist Datenbanken, Workshops, Seminaren u.ä. gemein, dass sie in Ihrer Wirkung primär informativ sind, auf freiwilliger Basis „unidirektional“ wirken und ihren Adressaten selten erreichen. Darüber hinaus werden für diesen Prozess der Informationsgenerierung in Unternehmen erfahrungsgemäß keine bzw. kaum ausreichende personelle Ressourcen eingesetzt. Es fehlt also an einer der Steuerungsfähigkeit vorausgehenden Wissensentwicklung und -umsetzung. Sowohl im Rahmen der systematischen Vorgehensweise bei der Bearbeitung von Umweltmanagementsystemen als auch im Falle der Umsetzung von Leuchtturmprojekten wird erfahrungsgemäß die „Wissensentwicklung“, die eine Steuerung erst möglich macht, primär innerhalb der Unternehmen – unter Nutzung frei verfügbarer Fachmedien (EDV, Internet, Print-Literatur usw.) – durchgeführt. Externes „personelles“ Expertenwissen wird dagegen nur sehr selektiv hinzugezogen. Hierbei muss das aktuell verfügbare Wissen

1 MWMEV (Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Energie und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen) (Hrsg.)

(2000): Modellvorhaben Stadtlogistik NRW 1995-2000. Konzepte - Umsetzung - Empfehlungen.

Abschlussdokumentation. Düsseldorf. (Bearbeitet durch Ingo Einacker, Heike Flämig, Christian Schneider). 2 UBA (Umweltbundesamt) (1999) (Hrsg.): Verkehr im Umweltmanagement – Anleitung zur betrieblichen Erfassung

verkehrsbedingter Umwelteinwirkungen, Berlin. http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-

l/1907.pdf#search=%22UBA% 20%22Prof.%20Mario%20Schmidt%22%20Leitfaden%22 (letzter Aufruf am: 15.09.06). 3 HBS/DGB (Hans-Böckler-Stiftung, Deutscher Gewerkschaftsbund) (Hrsg.) (2001): Strategien für die Mobilität der

Zukunft - Handlungskonzepte für lokale, regionale und betriebliche Akteure. Düsseldorf. (Bearbeitet durch Heike

Flämig, Wulf-Holger Arndt, Markus Hesse).

Page 4: LOTOS Zusammenfassung deutsch Version mit Deckblatt · 2011. 1. 3. · die Einführung eines Verhaltenskodexes (Social Code of Conduct), der den Lieferanten Vorgaben zu der Einhaltung

Heike Flämig, Patric Drewes, Peer Seipold, Jutta Wolff

4

umfassend und zielgruppengerecht ermittelt, bewertet, ausgewählt und auf das jeweilige Unternehmen übertragen werden. Im Rahmen dieser fallbezogenen Beziehung zwischen „Unternehmen“ mit selektiven „Wissensinseln“ wird jedoch nur ein geringer Teil des tatsächlich (in Deutschland) zur Verfügung stehenden Wissens für „nachhaltige logistische Prozesse“ genutzt, da ein umfassender Wissenstransfer in die Praxis beim Unternehmen auch die Kenntnis und den unmittelbaren Zugriff auf ein aktives Netzwerk an externen Kontakten voraussetzt sowie die Fähigkeit, ermittelte „Wissenskontakte“ der relevanten Themenfelder zielführend inhaltlich zu bewerten, aufgabenbezogen zu selektieren und vor allem in einem konkreten Praxisprojekt synergetisch zusammenzuführen. Hier schließt die zentrale Forschungsfrage an, inwieweit das existierende umfangreiche (externe) Potential an anwendungsorientiertem Fachwissen in den Themenbereichen „Nachhaltigkeit“, „Logistik“ und „Gütermobilität“ für die nachhaltige Gestaltung und Steuerung der Logistik eines Unternehmens erschlossen werden kann.

2 Forschungsprojekt: Ziele, Fragen und Methode Vor diesem Hintergrund starteten die Technische Universität Hamburg-Harburg (TUHH) und die Tchibo GmbH, gefördert vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) im November 2006 das Projekt LOTOS – „Logistics towards Sustainability“. Ziel des Projekts ist die Initiierung und die Implementierung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses unter Nachhaltigkeitskriterien zur Reduzierung von Ressourcen-verbräuchen und Kohlenstoffdioxidemissionen entlang der gesamten Gütertransportkette am Beispiel des Unternehmens Tchibo. Da die ökologischen und sozialen Folgen von logistischen Prozessen umfangreich und komplex sind, erfolgte im Projektrahmen eine Beschränkung auf die Emissionsbilanzierung von Kohlendioxid (CO2) als Leitindikator. Vor dem aufgezeigten Hintergrund leiten sich folgende Forschungsfragen ab:

- Welche Vorgehensweise zur Emissionsbilanzierung ist geeignet, Schwachstellen und Potentiale einer nachhaltigen Gütermobilität eines Unternehmens zu identifizieren?

- Inwieweit lassen sich die vorhandenen „Wissensinseln“ für die unmittelbare Wissensanwendung und -umsetzung auf eine reale Unternehmenssituation nutzen?

- Wie sind die Maßnahmen hinsichtlich ihrer Umsetzung zu bewerten? Zur Beantwortung dieser Forschungsfragen kamen neben der klassischen logistischen Prozessanalyse drei Vorgehensweisen bzw. Instrumente zur Anwendung. Eine detaillierte Beschreibung wird auf der Homepage des Projekts (unter http://www.vsl.tu-harburg.de/LOTOS) veröffentlicht. Für die Emissionsbilanzierung wurde im Rahmen des Projekts ein dreistufiges Vorgehen entwickelt. Zunächst gilt es die Bilanzierungsgrenzen zu bestimmen, um den Rahmen für die Bilanzierung bewusst zu wählen, die Bilanzierung vorzubereiten, um alle notwendigen Parameter und Hilfsmittel zu identifizieren, um dann die eigentliche Bilanzierung durchzuführen, indem die eigentliche Kalkulation und Auswertung realisiert wird. Die folgende Abbildung 1 gibt eine Übersicht über den Dreischritt der Bilanzierung.

Page 5: LOTOS Zusammenfassung deutsch Version mit Deckblatt · 2011. 1. 3. · die Einführung eines Verhaltenskodexes (Social Code of Conduct), der den Lieferanten Vorgaben zu der Einhaltung

Logistics towards Sustainability (LOTOS)

5

Bestimmen der Bilanzierungsgrenzen

Vorbereiten der Bilanzierung

- Auswählen geeigneter Indikatoren

- Identifizieren der wesentlichen Transporte

- Abschätzen der Einflussmöglichkeit auf die Transporte

- Festlegen der Bilanzierungsgrenzen

- Gewinnen von Daten

- Auswählen einer geeigneten Berechnungsweise

- Festlegen der Emissionsfaktoren

Durchführen der Bilanzierung

- Aufbauen des Berechnungsinstrumentes

- Durchführen der Datenaufnahme

- Berechnen der CO2-Emissionen

- Analysieren der Ergebnisse

Abbildung 1: Dreischritt der Bilanzierung

Für die Maßnahmengewinnung und -auswahl zur nachhaltigen Gestaltung und Steuerung der Transportketten wurde das „Konzept der Wissensinseln“ entwickelt. Es baut auf der Idee auf, das existierende umfangreiche Potential an anwendungsorientiertem Fachwissen in den Themenbereichen „Nachhaltigkeit“, „Logistik“ und „Gütermobilität“ für eine praxisbezogene Aufgabenstellung zu erschließen. Dieses Wissen verteilt sich auf ganz unterschiedliche – in der Regel themenspezifische – „Wissensinseln“, wie Universitäten, Verbände, Öffentliche Institutionen und NGO’s (Non-Governmental Organization). Jede „Wissensinsel“ verfügt wiederum über ein eigenes, selektives Netzwerk zu anderen Wissensinseln. Diese kleinen Netzwerke werden im Rahmen des Konzeptes als so genannte „Wissensatolle“ bezeichnet.

Page 6: LOTOS Zusammenfassung deutsch Version mit Deckblatt · 2011. 1. 3. · die Einführung eines Verhaltenskodexes (Social Code of Conduct), der den Lieferanten Vorgaben zu der Einhaltung

Heike Flämig, Patric Drewes, Peer Seipold, Jutta Wolff

6

Abbildung 2: Innovatives Vorgehen – Verknüpfung von „Wissensinseln“

Das Wissensinselnkonzept bildet zusammen mit Methoden der Maßnahmenverdichtung, die Grundlage für die Maßnahmengewinnung und -auswahl. Für die Anwendung des Wissensinselnkonzepts sind zunächst geeignete Experten zu identifizieren und zu gewinnen, um zielorientiert an den zentralen Fragestellungen arbeiten zu können. Die Einbindung der Experten in moderierten Workshops und ein detailliertes Workshopkonzept sichert die effiziente, zielorientierte Wissensübertragung zu möglichen Maßnahmen. Für die eigentlich Maßnahmenauswahl kommen die klassischen Instrumente der Cluster4- und Nutzwertanalyse56 zum Einsatz. Die finale Auswahl erfolgt in der Regel durch die Geschäftsleitung eines Unternehmens in Abstimmung mit dem Basisteam.

4 Backhaus, Klaus; Bernd Erichson; Wulff Plinke; Rolf Weiber: Multivariate Analysemethoden : eine

anwendungsorientierte Einführung. 11., überarbeitete Auflage. Springer Verlag, Berlin, 2006, S. 490 5 Bechmann, Arnim: Nutzwertanalyse, Bewertungstheorie und Planung. Hrsg. Prof. Dr. Egon Tuchtfeldt. Band 29 in der

Schriftreihe: Beiträge zur Wirtschaftspolitik. Verlag Paul Haupt, Bern Stuttgart, 1978 6 Zangemeister, Christof: Nutzwertanalyse in der Systemtechnik: Eine Methodik zur multidimensionalen Bewertung und

Auswahl von Projektalternativen. 4. Auflage, Wittemann Verlag, München 1976

Page 7: LOTOS Zusammenfassung deutsch Version mit Deckblatt · 2011. 1. 3. · die Einführung eines Verhaltenskodexes (Social Code of Conduct), der den Lieferanten Vorgaben zu der Einhaltung

Logistics towards Sustainability (LOTOS)

7

Expertenakquise

Wissensübertragung

- Identifizieren von Experten

- Gewinnen von Experten

- Durchführen von Expertenworkshops

Maßnahmenauswahl

- Durchführen einer Clusteranalyse

- Durchführen einer Nutzwertanalyse

- Finales Auswählen der Handlungsoptionen

Abbildung 3: Dreischritt der Maßnahmengewinnung und -auswahl

Die Maßnahmenumsetzung wird mit dem Instrumentarium der Planungsanalyse7 bewertet. Gegenstand bildet die Untersuchung der Inhalte (Outputs), der Folgen (Impacts/Outcomes) und der Entstehungsbedingungen (unternehmens)politische Handelns. Dabei zielt insbesondere die Berücksichtigung der Organisationsstrukturen (Aufbau- und Ablauf-organisation) und der Entscheidungsprozesse (Akteursarena und das Verhalten der Akteure) auf die Erfassung sowohl harter (z. B. technische, organisatorische) als auch weicher (z. B. Handeln, Verhalten) Steuerungsbedingungen. Die Planungsanalyse umfasst fünf Analyseebenen: • Die Situationsanalyse liefert einen Überblick über den Planungsgegenstand bzw. über das

Planungsobjekt, die Ausgangsbedingungen und die strukturellen Merkmale. • Die Zielanalyse liefert die zu Grunde liegenden Handlungsorientierungen. • Die Maßnahmenanalyse bildet die einzelnen Maßnahmen, Ansätze oder Konzepte

möglichst wertfrei ab und liefert eine systematische Beschreibung der Systeminterventionen.

• Die Wirkungsanalyse prüft die Wirkungen des unternehmerischen, planerischen oder politischen Handelns (Handlungswirkungsanalyse: Abweichung des geplanten und realisierten Handelns) und der umgesetzten Maßnahmen hinsichtlich ihres Zielerreichungsgrads (Maßnahmenwirkungsanalyse: Aussagen zu Luftemissionen, Lärmimmissionen, Verschleiß, Sicherheit usw., also zu den substanziellen Wirkungen).

• Die Determinantenanalyse untersucht die Aufbau- und Ablauforganisation (Organisationsanalyse) sowie die Akteursarena und Entscheidungsabläufe (Handlungsanalyse) unter Berücksichtigung der gegebenen Rahmenbedingungen, um die Entstehungs- und Umsetzungsbedingungen des Planungsprozesses nachzuzeichnen und die Erfolgsfaktoren und Hemmnisse benennen zu können.

7 Flämig, H.: Güterverkehrssysteme in Verdichtungsräumen: Empirische Analysen, Umsetzungsprozesse,

Handlungsempfehlungen. ECTL Working Paper 28, Hrsg.: Technische Universität Hamburg-Harburg, Institut für

Verkehrsplanung und Logistik, Hamburg 2004, Dissertation

Page 8: LOTOS Zusammenfassung deutsch Version mit Deckblatt · 2011. 1. 3. · die Einführung eines Verhaltenskodexes (Social Code of Conduct), der den Lieferanten Vorgaben zu der Einhaltung

Heike Flämig, Patric Drewes, Peer Seipold, Jutta Wolff

8

3 Der Anwendungsfall

3.1 Das Unternehmen Tchibo Die Tchibo GmbH ist eines der größten deutschen weltweit tätigen Konsumgüter- und Einzelhandelsunternehmen. Neben zahlreichen Röstkaffeeprodukten (Food) bietet Tchibo in verschiedenen europäischen Ländern ein wöchentlich wechselndes Angebot an Gebrauchsartikeln (Non Food) an. Das Unternehmen setzte im Geschäftsjahr 2008 mit ca. 12.000 Beschäftigten rund 3,2 Mrd. Euro um. Der Bereich Corporate Responsibility der Tchibo GmbH wurde im Oktober 2006 geschaffen und ist verantwortlich für das strategische und koordinierende Management ökologischer und sozialer Auswirkungen der Geschäftstätigkeit des Unternehmens. Dazu gehört beispielsweise die Einführung eines Verhaltenskodexes (Social Code of Conduct), der den Lieferanten Vorgaben zu der Einhaltung von Sozialstandards gibt, wie zum Beispiel das Verbot von Kinderarbeit, die höchst zulässigen Arbeitszeiten und Entlohnung der Beschäftigten oder dem Recht auf Gewerkschafts- und Tarifverhandlungsfreiheit. Den Anspruch eines nachhaltigen Rohkaffeeanbaus verfolgt Tchibo mit einem wachsenden Anteil verantwortlich angebauter Kaffees, die nach den Standards der Organisationen „Rainforest Alliance“, „Fairtrade“ und „4C Association“ oder der EG Ökoverordnung angebaut wurden. Bereits vor der Einrichtung des Bereichs CR wurde in der Tchibo Logistik auf die Nutzung der umweltfreundlichen Verkehrsträger Bahn und Binnenschiff großen Wert gelegt. Die Errichtung der Distributionszentren z.B. in Bremen und Neumarkt folgte daher in geographischer Nähe zu Güterverkehrszentren. Die Belieferung der Kaffeeproduktion in Marki sowie die Versorgung der Distributionszentren aus dem zentralen Vorratslager in Bremen wurde bereits weitgehend von der Straße auf die Schiene umgestellt. Der Vortransport von Hamburg und Bremerhaven nach Bremen erfolgt überwiegend per Binnenschiff und Bahn.

3.2 Logistische Struktur bei Tchibo Die Beschaffungslogistik erfolgt getrennt für die Bereiche Non Food und Food von den Abgangshäfen bis zu dem zentralen Vorratslager. Die Distributionslogistik ab diesem Lager zu den Verkaufsstätten erfolgt gebündelt. Im Bereich Non Food erfolgt die Beschaffung vom Abgangshafen in Übersee über die deutschen Empfangshäfen bis zum zentralen Vorratslager. Die Ware läuft über das zentrale Vorratslager in Bremen, das mit über 200.000 Paletten-Stellplätzen eines der größten Läger in Europa ist. Die Distribution der Non Food Artikel erfolgt ab dem Vorratslager über die Distributionszentren bis zum Verkaufspunkt, wobei auf bestimmten Relationen die Transporte über Umschlagspunkte gesteuert werden, wenn Bündelungseffekte bis dorthin genutzt werden können. Im Bereich Food erfolgt die Beschaffung in Abhängigkeit von den jeweiligen Produkten. Grundsätzlich läuft die Beschaffung ab dem Seehafen in Übersee, über den Seehafen in Deutschland, über das Vorratslager im Hafen bis zur Produktion. Die Distribution erfolgt analog zu den Non Food-Artikeln. Der Vertrieb von Food- und Non Food-Artikeln erfolgt entweder über die eigenen Filialen, die so genannten Depots im Lebensmittel- und Fachhandel oder über den Versandhandel.

Page 9: LOTOS Zusammenfassung deutsch Version mit Deckblatt · 2011. 1. 3. · die Einführung eines Verhaltenskodexes (Social Code of Conduct), der den Lieferanten Vorgaben zu der Einhaltung

Logistics towards Sustainability (LOTOS)

9

3.3 CO2-Bilanzierung Aufbauend auf der Bestandsaufnahme des transportlogistischen Systems wurden die CO2-Emissionen der Transporte für das Jahr 2006 bilanziert. Bei der Bilanzierung standen folgende Ziele im Vordergrund: • Transparenz über die Ressourcenverbräuche • Identifizierung von Hot Spots für die Maßnahmenableitung • Vorbereitung der Implementierung einer jährlichen CO2-Bilanzierung bei Tchibo Die Bilanzgrenzen wurden wie folgt gewählt:

„Es werden alle außerbetrieblichen Waren- und Gütertransporte betrachtet, die im Namen und/oder im Auftrag der Tchibo GmbH zur Abwicklung der Geschäftstätigkeiten durchgeführt und bezahlt werden.“ Geschäftstätigkeiten umfassen in diesem Zusammenhang den Verkauf von Food und Non Food in den Filialen, dem Lebensmittel- und Fachhandel (inkl. Coffee-Bar), sowie die Bereiche Tchibo Direct, Coffee-Service und den Kaffee-Export.

Die Festlegung dieser Betrachtungsgrenzen war maßgeblich davon bestimmt, dass das Unternehmen Tchibo sich zum einen zunächst auf den selbstbestimmten Aktionsraum beschränken wollte und zum anderen die Datenverfügbarkeit innerhalb dieser Grenzen deutlich besser war. Darüber hinaus wurden lediglich die beim Transport entstehenden CO2-Emissionen ohne die dazugehörige Vorkette betrachtet - mit Ausnahme der elektrifizierten Bahntransporte, da in diesem Fall der Hauptteil der Emissionen bei der Stromerzeugung entsteht. Ohne Betrachtung der Vorketten bei den elektrifizierten Bahnen wäre zudem Vergleich zu den anderen Verkehrsmitteln schwierig. Als Grundlage für die detaillierte Analyse der Transportströme wurde eine erste Bestandsaufnahme der Transporte bei Tchibo für das Jahr 2006 durchgeführt und die damit verbundenen CO2-Emissionen ermittelt. Die Datenbeschaffung im Unternehmen wurde in direkter Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Tchibo durchgeführt. Verarbeitet wurden die Daten über ein in MS-Excel angelegtes Berechnungsinstrument. Die identifizierten Daten- und Informationslücken wurden soweit es ging geschlossen. Wenn Annahmen getroffen wurden, sind diese umfassend dokumentiert. In Tabelle 1 ist das Gesamtergebnis der Bilanzierung des Transportaufwands und der emittierten CO2-Emissionen verteilt auf die Verkehrsträger absolut und anteilig dargestellt. Im Jahr 2006 wurden durch das Unternehmen Tchibo rund 6,77 Mrd. Tonnenkilometer generiert und insgesamt ca. 128.500 Tonnen CO2 emittiert.

Verkehrsträger CO2-Emissionen [t] Anteile Transportaufwand [tkm] Anteile Binnenschiff 113 0,1% 3.561.032 0,1%Flugzeug 506 0,4% 624.700 0,0%Schiene 2.333 1,8% 102.929.478 1,6%Strasse 26.647 20,8% 167.250.589 2,6%Seeschiff 98.820 77,0% 3.215.068.437 95,8% 128.419 6.489.434.236

Tabelle 1: Gesamtergebnis Emissionsberechnung 2006 verteilt über die Verkehrsträger

Page 10: LOTOS Zusammenfassung deutsch Version mit Deckblatt · 2011. 1. 3. · die Einführung eines Verhaltenskodexes (Social Code of Conduct), der den Lieferanten Vorgaben zu der Einhaltung

Heike Flämig, Patric Drewes, Peer Seipold, Jutta Wolff

10

Als Schlussfolgerung aus der prozentualen Verteilung der Gesamtemissionen wurde der Hauptfokus auf die Transportarten gelegt, die den höchsten Anteil an den gesamten transportbedingten CO2-Emissionen aufweisen: Seeschifftransporte mit einem Anteil von 77 Prozent und Straßentransporte mit einem Anteil von 21 Prozent. Bezogen auf die Verteilung der Emissionen über die Abschnitte der Transportkette bilden der „Food Seetransport“, der „Non Food Seetransport“ und die „Food und Non Food Belieferung Verkauf und Rückwärtslogistik“ die Emissionsschwerpunkte („Hot Spots“).

3.4 Wissenstransfer und Wissensgenerierung Der zentrale Projektbaustein umfasste das innovative Vorgehen zum Transfer von externem Wissen in das Unternehmen. Im Mittelpunkt standen dabei „wissensbasierte Expertenworkshops“ zum Austausch von Wissen zwischen Experten und verantwortlichen Mitarbeiter(innen) des Unternehmens, um Maßnahmen zur Reduzierung transportbedingter Ressourcenverbräuche des Unternehmens für die identifizierten Hot Spots zu identifizieren. Vor dem eigentlichen Wissenstransfer bzw. der Wissensgenierung stand zunächst die Identifizierung und Gewinnung geeigneter Experten. Da es sich um ein relativ breites Themenspektrum handelte, musste interdisziplinär nach Experten und Wissensträgern recherchiert werden. War die Zeit für das eigentlichen „Identifizieren“ noch überschaubar, stellte sich insbesondere die Ansprache und Gewinnung der Experten als sehr zeit- und arbeitsintensiv heraus. Insgesamt waren es weit über 1.000 Kontaktaufnahmen, die in einem engen Zeitfenster geleistet wurden. Im Rahmen von fünf Workshops wurde das interdisziplinäre, externe Wissen von 33 Experten im Unternehmen fallbezogen zusammengeführt, um Handlungsoptionen zu erarbeiten, die geeignet sind, dauerhaft CO2-Emissionen in der Transportkette zu reduzieren. Als Ergebnis wurden über 200 Vorschläge für Handlungsoptionen zur Reduzierung der CO2-Emissionen erarbeitet und diskutiert. Diese wurden durch verschiedene Methoden (Clusterung, ABC-Analyse, Skalierung) auf rund 30 Maßnahmen verdichtet. Die verbliebenen Maßnahmen wurden mit Hilfe einer Nutzwertanalyse nach ökologischen und ökonomischen Kriterien gewichtet.

3.5 Reduktionsziele und verabschiedete Maßnahmen Es wurden neun Maßnahmen zur Reduzierung der CO2-Emissionen identifiziert und durch den Vorstand verabschiedet, deren Umsetzung kurzfristig im Jahr 2008 erfolgen sollte. In einer ersten Abschätzung können durch die Umsetzung der folgenden Maßnahmen die CO2-Emissionen im Jahr 2008 gegenüber den Werten im Jahr 2006 um 7 Prozent gesenkt werden:

Page 11: LOTOS Zusammenfassung deutsch Version mit Deckblatt · 2011. 1. 3. · die Einführung eines Verhaltenskodexes (Social Code of Conduct), der den Lieferanten Vorgaben zu der Einhaltung

Logistics towards Sustainability (LOTOS)

11

Im Bereich der Verkehrsvermeidung: M 1: Vergleich verschiedener Routenoptimierungs-Software und Implementierung M 2: TETRIS – Optimierung der Palettenauslastung M 3: Qualitätsprüfungen bereits im Beschaffungsmarkt (Pilot: Shanghai)

Im Bereich der Verkehrsverlagerung: M 4: Verlagerung der Transporte auf die Bahn auf der Strecke Hamburg-Berlin M 5: Verlagerung der Transporte auf die Bahn von Bremen-Gallin (Mecklenburg Vorpommern) M 6: Nutzung des Motorway of the Sea-Konzeptes zur Versorgung von UK

(Pilotprojekt)

Im Bereich der Entschleunigung und Verbrauchsoptimierung: M 7: Definition von ökologischen Anforderungen an Dienstleister im

Seeschiffverkehr M 8: Definition von ökologischen Anforderungen an Dienstleister im Straßenverkehr M 9: Zusammenarbeit mit Skysails (Pilotprojekt)

Neben dem projektbezogenen Ziel hat sich Tchibo im Transportbereich ein Reduzierungsziel von 30 Prozent bis zum Jahr 2015 gegenüber dem Jahr 2006 gesetzt. Dieses mittelfristige Ziel will Tchibo durch folgende Ansätze erreichen: • Entschleunigung von Seetransporten, • Nutzung modernster Seeschiffe sowie • Optimierung der bedarfs- und nachfragegesteuerten Warenverteilung zur Vermeidung von

Transporten auf der langen, mittleren und kurzen Strecke (einschl. Rückwärtslogistik). Tchibo wird darüber hinaus eine jährliche Bilanzierung der transportbedingten CO2-Emissionen durchführen. Diese Bilanzierung soll durch ein regelmäßiges, externes und unabhängiges Monitoring validiert werden.

4 Kritische Reflektion der gewählten Methode

4.1 Bilanzierung Mit der Emissionsbilanzierung wurden zwei Ziele verfolgt: Erstens sollte der durch die Transporte von Tchibo generierte Beitrag des Unternehmens zu den CO2-Emissionen ermittelt werden. Zweitens sollte das eingesetzte Instrumentarium dahingehend überprüft werden, inwieweit es auch auf andere Unternehmen übertragbar ist. Von besonderer Bedeutung hierbei sind die Wahl der Bilanzierungsgrenzen und die Datengewinnung. Als einer der größten Herausforderungen stellt sich die Wahl der „richtigen“ Bilanzierungsgrenzen dar. Dabei ist die Frage der räumlichen Dimension der Bilanzierungsgrenzen noch relativ klar zu beantworten. Allerdings gibt es bisher keine einheitliche Vorstellung darüber, welche Indikatoren in welcher Ausprägung bei der Bilanzierung berücksichtigt werden sollten. Die gewählten räumlichen und inhaltlichen Bilanzgrenzen, die für die (Emissions-) Bilanzierung im Rahmen des Projekts LOTOS bestimmend waren, spiegeln weniger das gewünschte noch notwendige Maß wider, sondern sind vielmehr durch die Zugänglichkeit der

Page 12: LOTOS Zusammenfassung deutsch Version mit Deckblatt · 2011. 1. 3. · die Einführung eines Verhaltenskodexes (Social Code of Conduct), der den Lieferanten Vorgaben zu der Einhaltung

Heike Flämig, Patric Drewes, Peer Seipold, Jutta Wolff

12

Daten entstanden. Beispielsweise sind weder die Transportketten zwischen den Produktions- bzw. Anbaustätten und den Abgangshäfen (Transporte im Beschaffungsmarkt) betrachtet, noch sind die der Energiegewinnung vorgelagerten Ketten einbezogen (Ausnahme: Bahn). Auch sind nicht alle Transporte bilanziert, die im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit von Tchibo anfallen. Beispielsweise fehlen die „frei Haus“-Transporte. Zudem konnten bestimmte Transporte nicht separat ermittelt werden. Im Unternehmen Tchibo waren Daten zu Quellen und Senken der Transporte sowie zu den Transportgewichten meist vorhanden. Demnach kann die gewählte Vorgehensweise, mit Emissionsfaktoren auf Basis des Transportaufwands zu rechnen, als zielführend bewertet werden. Auch wenn Angaben zum direkten Verbrauch (von Energie oder Treibstoff) ein genaueres Ergebnis erzielen würden, konnten derartige Daten durch das Unternehmen nicht zur Verfügung gestellt werden.

4.2 Wissenstransfer und Wissensgenerierung Der Wissenstransfer und die Wissensgenerierung zu potentiellen Maßnahmen fand durch das Zusammentreffen verschiedener Experten zu verschiedenen Themenbereichen während der Workshops statt. Das Wissen der Experten wurde „internalisiert“, indem es im Rahmen von Workshops Mitarbeiter(innen) des Unternehmens Tchibo GmbH gegenüber kommuniziert und die mündlichen Schilderungen der Experten schriftlich dokumentiert wurden. Insgesamt waren die Workshops durch eine durchweg hohe positive Grundstimmung bzw. hohe innere (intrinsische) Motivation der Experten bestimmt. Diese motivierende und von positivem Interesse geprägte Atmosphäre sorgte für eine ambitionierte Beteiligung der Experten in den Workshops. Unterstützt wurde diese durch die als wertvoll wahrgenommene interdisziplinäre Zusammensetzung von (bekannten) Experten, so dass die Experten die Möglichkeit zu einer persönlichen Vernetzung mit großem Interesse nutzten. Folgende positive Einflussfaktoren für die Expertengewinnung konnten identifiziert werden: • Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit • Persönliche Wertschätzung • Persönliche Betroffenheit • Fachliches und persönliches Interesse Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das entworfene innovative Vorgehen der Nutzung von Wissensinseln bei den Experten und Wissensträgern auf eine hohe Teilnahmebereitschaft traf. Es ist davon auszugehen, dass diese bereit sind, ihr Wissen auch in weitere gesellschaftlich relevante und öffentlich anerkannte Projekte einzubringen. Als ein erstes Ergebnis des Wissenstransfers lagen über 200 externalisierte Maßnahmen vor, aus denen im Rahmen der Maßnahmenverdichtung ein Katalog von 31 potentiellen Maßnahmen entstand. Aus diesem Katalog wurden durch den Vorstand neun kurzfristig umzusetzende Maßnahmen verabschiedet, die im Rahmen von LOTOS detailliert geprüft und bearbeitet wurden. Die verantwortlichen Mitarbeiter(innen) des Unternehmens Tchibo haben sich umfangreich mit jeder einzelnen Maßnahme im Rahmen des Umsetzungsprozesses auseinandergesetzt. Der im Rahmen der Expertenworkshops begonnene Wissenstransfer wurde dabei weiter ausgebaut und das vorhandene themenspezifische Wissen kontinuierlich weiterentwickelt. Intensive Gespräche, Diskussionen und auch Schriftverkehr mit kooperierenden Transportdienstleistern

Page 13: LOTOS Zusammenfassung deutsch Version mit Deckblatt · 2011. 1. 3. · die Einführung eines Verhaltenskodexes (Social Code of Conduct), der den Lieferanten Vorgaben zu der Einhaltung

Logistics towards Sustainability (LOTOS)

13

haben darüber hinaus zu einem Transfer des Wissens auch über die Unternehmensgrenzen von Tchibo hinaus beigetragen. Ebenfalls angeregt durch den Wissenstransfer bei LOTOS testete das Unternehmen im Rahmen eines Pilotprojekts Möglichkeiten, um sowohl im Food- als auch im Non Food-Bereich die produktbezogenen Ressourcenverbräuche zu erfassen. Hierzu wurden exem-plarisch ein Artikel des Food-Bereiches und ein Artikel des Non Food-Bereiches hinsichtlich seines spezifischen Carbon-Footprint entlang der Wertschöpfungskette untersucht. Dabei konnten für die Logistikprozesse die Ergebnisse aus LOTOS genutzt werden.

4.3 Wirkungsanalyse Hinsichtlich der Wirkungsanalyse sind die Handlungswirkung und die Maßnahmenwirkung zu unterscheiden. Dabei zielt die Analyse der Handlungen auf den Umsetzungsprozess und die Analyse der Maßnahmen auf die substantielle Wirkung. Auf der Handlungsebene wurde die Umsetzung der Mehrzahl der Maßnahmen (s. Kap. 3.5) konsequent verfolgt (M1, M3, M7, M8, M9). Allerdings kam es bei der Umsetzung der Maßnahmen M7 und M8 zu zeitlichen Verzögerungen aufgrund der Entscheidung für eine zusätzliche empirische Erhebung sowie aufgrund des Vorziehens der Transportausschreibung als Folge des allgemeinen Frachtratenverfalls im Logistiksektor. Die Umsetzung der Maßnahmen M4, M5 und M6 war hingegen durch einen strukturellen Wandel der Tchibo-Gruppe geprägt. Im Gegensatz dazu hätte die Maßnahme M2 erfolgreich umgesetzt werden können. Die Maßnahme verzögert sich aufgrund seiner Komplexität und der Beteiligung vieler anderer Unternehmensbereiche. Jedoch bestehen vielversprechende Potentiale über die Projektlaufzeit hinaus. Die Maßnahmen M2, M3, M7 und M8 sind im Projektzeitraum angestoßen worden und werden voraussichtlich in den nächsten Jahren durch das Unternehmen erfolgreich realisiert. Die Zielerreichung hinsichtlich der substantiellen Wirkung der Maßnahmen variiert sehr stark. Zunächst ist festzuhalten, dass sieben der neun verabschiedeten Maßnahmen nicht in 2008 vollständig erfolgreich umgesetzt werden konnten. Der größte Teil der Maßnahmen konnte demnach keine substantielle Wirkung entfalten. Ausschließlich durch die Maßnahme 3, Qualitätsprüfung bereits im Beschaffungsmarkt, und die Maßnahme 8, Anforderungen an Transportdienstleister See, konnte eine Reduktion der transportbedingten CO2-Emissionen erreicht werden. Beide Maßnahmen zusammen haben zu einer Reduzierung der CO2-Emissionen in Höhe von 5.303,7 tCO2-Emissionen geführt. Dies entspricht einer CO2-Einsparung an den gesamten von Tchibo verursachten transportbedingten CO2-Emissionen im Jahr 2006 in Höhe von 4,13 Prozent. Wird die im Rahmen der Maßnahme 8 bilanzierte marktbedingte Reduktion der CO2-Emissionen hinzugezogen, beträgt die gesamte Reduktion der CO2-Emissionen 12.495,2 tCO2. Folglich wurde die Projektzielsetzung, die transportbedingten CO2-Emissionen um 7 Prozent bis zum Ende des Jahres 2008 gegenüber dem Jahr 2006 zu verringern, erreicht.

Page 14: LOTOS Zusammenfassung deutsch Version mit Deckblatt · 2011. 1. 3. · die Einführung eines Verhaltenskodexes (Social Code of Conduct), der den Lieferanten Vorgaben zu der Einhaltung

Heike Flämig, Patric Drewes, Peer Seipold, Jutta Wolff

14

Abbildung 4: Im Jahr 2008 erzielte CO2-Einsparungen

Das aus dem Katalog bislang (Status: Ende 2008) nur ein geringer Teil an Maßnahmen den Weg in die unmittelbare Umsetzung fand, ist vor allem auf die komplexen unternehmensinternen Strukturen und strategischen Überlegungen zurückzuführen, als auf einen zu gering ausgefallenen Wissenstransfer. Nahezu während der gesamten Projektlaufzeit von LOTOS durchlebte das Unternehmen Tchibo eine Vielzahl an strategischen Neuerungen mit immensen internen Umstrukturierungsprozessen, die bis heute zu umfangreichen strukturellen und personellen Veränderungen im Unternehmen geführt haben.

5 Zusammenfassung und Ausblick Ziel des ForschungsProjekts LOTOS war es, durch die wissensgenerierende Zusammenarbeit zwischen Verkehrswirtschaft, verladender Wirtschaft und Wissenschaft, den Wissenstransfer zwischen der Forschung und den Unternehmen deutlich zu erhöhen und eine Methodik zu erproben, um mehr Nachhaltigkeitsprojekte zur Umsetzung zu bringen. Zur Erreichung dieses Ziels wurde eine einfach anwendbare Methodik zur ökologischen Optimierung der Logistik entwickelt, die in einem Leitfaden8 zusammengefasst und veröffentlicht wurde. Zur Übertragung der Ergebnisse ist zudem aus den Erkenntnissen des Prozesses des Wissenstransfers und der –generierung ein Konzept für eine Institution abgeleitet worden, die

8 „Die LOTOS-Methodik (Logistics towards Sustainability) - Leitfaden für Unternehmen zur Umsetzung von

Nachhaltigkeitsprojekten“ Kostenloser Download des Leitfadens unter: www.vsl.tu-harburg.de/LOTOS

Page 15: LOTOS Zusammenfassung deutsch Version mit Deckblatt · 2011. 1. 3. · die Einführung eines Verhaltenskodexes (Social Code of Conduct), der den Lieferanten Vorgaben zu der Einhaltung

Logistics towards Sustainability (LOTOS)

15

Unternehmen die Thematik zugänglich macht und Unternehmen unterstützt Nachhaltigkeitsprojekte umzusetzen.

5.1 Bilanzierung Es existiert kein standardisiertes Vorgehen hinsichtlich der räumlichen, zeitlichen und inhaltlichen Dimension der Bilanzierung. Die weitreichendste Standardisierung im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung stellt derzeit die GRI-Richtlinie dar. Der GRI-Leitfaden von 20069 (Version G3) umfasst ca. 80 Indikatoren zur Berichterstattung über die ökonomische, ökologische und gesellschaftlich/soziale Leistung einer Organisation. Mit der Fassung aus dem Jahr 2002 liegt auch für den Bereich Logistik und Transport10 vor. Zwar werden in den Leitlinien Bilanzierungsgrenzen definiert, es werden aber keine klaren Bilanzierungsregeln hinsichtlich der Bewertung vorgelegt. Die Bilanzierung im Rahmen des Projekts LOTOS umfasste die Wirkungskategorie „Treibhauseffekt“ anhand des Indikators CO2 (ohne die Betrachtung anderer Treibhausgase mittels CO2-Äquivalente). Obwohl ein nachhaltiges Wirtschaften mehr umfasst, als die Reduzierung des CO2-Ausstoßes, fokussieren die meisten Bilanzierungen darauf. Auch in diesem Projekt wurde der erste Bilanzierungsschritt auf die CO2-Emissionen begrenzt. Neben der hohen Relevanz von Kohlendioxid als Treibhausgas Nummer eins, sprechen für Kohlendioxid als Steuerungsgröße die lineare Abhängigkeit zum Energieeinsatz (unabhängig vom eingesetzten Treibstoff) und dessen Einsatz als staatliche Leitgröße. Eine ganzheitliche Betrachtung der Ressourcennutzung und der Umweltfolgen durch logistische Prozesse würde aber mindestens die Ausweitung auf andere Schadstoffemissionen aber auch um weitere ökologische Wirkungskategorien, wie Toxizität, bedeuten. Darüber hinaus müsste, dem Anspruch der Nachhaltigkeit folgend, neben der ökologischen, gleichermaßen die ökonomische und soziale Betrachtungsdimension einbezogen werden. Zudem fehlt es auch noch an der Bilanzierung der Lager- und Umschlagprozesse, da nur durch eine gesamtheitliche Betrachtung der Logistikprozesse, die Umweltwirkungen der logistischen Kette und die substantiellen Wirkungen von Maßnahmen bewertet werden können. Allerdings wären zum jetzigen Zeitpunkt die meisten Unternehmen mit dieser Ausweitung der Bilanzierung über die bisherigen Grenzen hinweg deutlich überfordert, nicht zuletzt aufgrund des erheblichen Aufwands bei der Datenbeschaffung und -verarbeitung. Aufgrund der unzureichenden Standardisierung kann eine Glaubwürdigkeit der Ergebnisse nur durch die entsprechende Transparenz gewährleistet werden, also wenn die Vorgehensweise einschließlich der Systemabgrenzung und die verwendeten Emissionsfaktoren offen gelegt werden. Entsprechendes gilt für die Emissionsfaktoren selbst, wo der entsprechende Grundlagenbericht jeweils offen liegen sollte.

9 GRI (Global Reporting Initiative) (GRI 2006a): GRI Logistics and Transport Solution Sector Supplement (Pilot Version

1.0), 2006; GRI (Global Reporting Initiative) (GRI 2006b): Leitfaden zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Version G3),

2006 10 GRI-Sector Supplements: Indicator Protocols Set: EN, Aspect: Transport (EN29)

(http://www.globalreporting.org/NR/rdonlyres/D2BC0DF8-FF2C-4BAB-B2B4-

27DA868C2A5F/2800/smallG3_IP_EN_ENG_andcov.pdf, gesehen am: 02 Dezember 2009)

Page 16: LOTOS Zusammenfassung deutsch Version mit Deckblatt · 2011. 1. 3. · die Einführung eines Verhaltenskodexes (Social Code of Conduct), der den Lieferanten Vorgaben zu der Einhaltung

Heike Flämig, Patric Drewes, Peer Seipold, Jutta Wolff

16

Die Datenlage zu den Emissionsfaktoren kann im Bereich Straßen-, Bahn- und Luftverkehr als ausreichend eingeschätzt werden. Allerdings werden diese Daten bisher nicht der Öffentlichkeit anwendungsgerecht zur Verfügung gestellt. Erheblicher Forschungsbedarf besteht hinsichtlich der Emissionsfaktoren für Schiffsverkehr. Insbesondere im Seeschiffbereich ist die zur Verfügung stehende Datenlage unzureichend. Zusammenfassend sind für die dauerhafte Implementierung eines Berechnungsinstrumentes im Unternehmen insbesondere die im Folgenden beschriebenen Voraussetzungen zu schaffen: Grundlage für eine Integration des Ziels „CO2-Reduzierung“ (oder auch vergleichbarer Ziele) ist die Aufnahme von Prioritäten und Ziele in die Unternehmensphilosophie. Aktuell ist der CO2-Ausstoß noch kein Entscheidungskriterium auf strategischer oder auf operativer Ebene (bspw. CO2 als strategische Einflussgröße bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle bzw. als operatives Entscheidungskriterium im Einkauf). Darüber hinaus müssen ausreichende personelle Kapazitäten für die Durchführung der Bilanzierung und zur Umsetzung von Maßnahmen geschaffen werden. Bei der Einführung eines Indikatorenmodells sollte ein Unternehmen zunächst mit den Prozessen beginnen, die im eigenen Verantwortungsbereich liegen, und dies nach und nach auf weitere Prozesse und Partner ausdehnen. Mittel- bis langfristig sollten die notwendigen Daten für die Emissionsbilanzierung in einem einheitlichen Format zur Verfügung stehen. Sinnvoll ist es, bereits frühzeitig auch geeignete Bilanzierungsregeln für andere Treibhausgase und Luftschadstoffe aufzustellen um den Einstieg in eine umfassendere Bilanzierung zu erleichtern. Vorteilhaft für die Datenerfassung sind langfristige Vertragsbeziehungen, weil in diesen die Bereitstellung von bestimmten Daten zur Auflage gemacht werden kann. Bei anstehenden Ausschreibungen von Dienstleistungen für ein Unternehmen besteht von vornherein die Möglichkeit, potenzielle Subunternehmer auf die erwünschte Datenerhebung hinzuweisen. Es ist daher sinnvoll, die Verantwortung für die Bilanzierung im Controlling des Unternehmens anzusiedeln, da dort auch ökonomische Daten aus allen Unternehmensbereichen zusammenlaufen und die entsprechenden Informationsstrukturen meist vorhanden sind. Für die Transparenz und damit Glaubwürdigkeit und Vergleichbarkeit der Bilanzen unterschiedlicher Unternehmen ist es darüber hinaus auf politischer Ebene notwendig, in Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Unternehmen, kurzfristig klare Bilanzierungsregeln zu erarbeiten sowie die Datengrundlage festzulegen und laufend zu aktualisieren. Langfristig ist es erstrebenswert, in Zusammenarbeit von Herstellern, Nutzern und Wissenschaft, für Transportmittel die technischen Voraussetzungen für eine nutzungsbezogene Erfassung („am Auspuff“) zu schaffen und diese gemeinsam mit den jeweiligen Vorketten zu bilanzieren.

5.2 Innovatives Vorgehen: Nutzung von Wissensinseln zur Identifizierung von Maßnahmen

Wissen über die nachhaltige Gestaltung logistischer Prozesse ist ausreichend vorhanden, erreicht jedoch nicht die zentralen Akteure der Umsetzung in den Unternehmen. Das liegt nicht an der mangelnden Bereitschaft zur Initiierung eines solchen Prozesses, sondern vielmehr an der fehlenden Vernetzung zwischen Wissenschaft und Praxis sowie mangelnden personellen Kapazitäten in den Unternehmen. Letztlich hat sich damit die Eingangsthese des Projekts bestätigt, wonach neben den erforderlichen Inhalten eine Infrastruktur benötigt wird, um den Zugang zum Wissen und zu den Experten zu vereinfachen. Um diese Lücke zu füllen,

Page 17: LOTOS Zusammenfassung deutsch Version mit Deckblatt · 2011. 1. 3. · die Einführung eines Verhaltenskodexes (Social Code of Conduct), der den Lieferanten Vorgaben zu der Einhaltung

Logistics towards Sustainability (LOTOS)

17

ist das Konzept der „LOTOS-Plattform“ (LP) zusammen mit den externen Experten entwickelt worden, welches ein Netzwerk zwischen Entscheidungs- und Wissensträgern zum Themenfeld Nachhaltigkeit und Logistik bilden soll:

Unter dem Leitbild „Unternehmen befähigen, ihre Wertschöpfungskette nachhaltig zu gestalten“ sind die folgenden Zielsetzungen für die LP definiert worden: • Erhöhung des Wissenstransfers zwischen Forschung und Unternehmen im Themenfeld

Nachhaltigkeit und Logistik. • Motivation und Unterstützung von Unternehmen zur Optimierung ihrer Logistik unter

Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien. Die LOTOS-Plattform soll Infrastruktur für ein Netzwerk zwischen den Akteursgruppen Unternehmen (als Entscheidungsträger), Experten (als Wissensträger) und Politik (als Rahmengeber) sein. Um gegenüber den Unternehmen die erforderliche Glaubwürdigkeit zu wahren ist es wichtig, dass die LOTOS-Plattform als neutral empfunden wird. Die Organisation der LOTOS-Plattform sollte zentral aufgestellt und durch eine flache Hierarchie gekennzeichnet sein, um eine unkomplizierte dynamische Arbeitsweise zu ermöglichen. Das Team der LOTOS-Plattform sollte aus 3 bis 4 intrinsisch motivierten Beschäftigten bestehen, mit der Fähigkeit zur interdisziplinären Kommunikation bzw. Mediation zwischen Wirtschaftsunternehmen, Forschung, Politik und relevanten Stakeholdergruppen (NGO‘s, Verbände etc.). Es ist denkbar, dass über das Kernteam der LOTOS-Plattform hinaus, lokal verankerte Multiplikatoren eingesetzt werden. Der Vorteil würde darin bestehen, eine Person vor Ort in die Arbeit zu integrieren, die die örtlichen Begebenheiten einschätzen kann und bereits ein Netzwerk zu den Unternehmen aufgebaut hat. Unternehmensseitig würde dieses Vorgehen die Hemmschwelle bei der Kontaktaufnahme absenken. Mögliche Verankerungspunkte für dieses Netz wären Handelskammern, Logistikinitiativen oder ähnliche Institutionen.

Tabelle 2 Konzept der LOTOS-Plattform

Eine weitere Form der Unterstützung wäre die Ausbildung und der Einsatz von Nachhaltigkeitsberatern(innen) – vergleichbar zu den stattlich geförderten Energieberatern. Diese sollen insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen über die Hürde der fehlenden Ressourcen hinweghelfen. Die Nachhaltigkeitsberater(innen) würden damit die Funktion eines, häufig in größeren Unternehmen, integriertem, externen Umwelt- oder CSR-Managers übernehmen.

Page 18: LOTOS Zusammenfassung deutsch Version mit Deckblatt · 2011. 1. 3. · die Einführung eines Verhaltenskodexes (Social Code of Conduct), der den Lieferanten Vorgaben zu der Einhaltung

Heike Flämig, Patric Drewes, Peer Seipold, Jutta Wolff

18