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FB 03 Rechts- und Wirtschaftswissenschaften Arbeitsgemeinschaften zum Schuldrecht WS 2008/09 Lösungshinweise Fall 11 „Feuer im Sonnenstudio“ A. Grundfall: Ansprüche der A I. Ansprüche der A gegen Hausmeister H 1.Vertragliche Ansprüche A-H (§ 280 I, 241 II BGB) Zwischen A und dem von V angestellten Hausmeister H bestehen keine vertraglichen oder vertragsähnlichen Beziehungen. 2. Quasievertragliche oder sachenrechtliche Ansprüche A-H Solche kommen ebenfalls nicht in Betracht. 3. Deliktsrechtliche Ansprüche A-H §§ 823 I BGB Ein Anspruch der A gegen H könnte sich aus § 823 I BGB ergeben. Prüfungsvoraussetzungen des §§ 823 I BGB: 1. Rechtsgutsverletzung : Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder sonst. Recht 2. zurechenbare Verletzungshandlung 3. Widerrechtlichkeit indiziert (Lehre vom Erfolgsunrecht), außer bei sonstigen absoluten Rechten: Dann darf insb. kein §§ 227 ff BGB vorliegen. 4. Verschulden 5. Schaden Rechtsfolge: Schadensersatz gem. §§ 249 ff. BGB, inbs. auch Schmerzensgeld gem. § 253 BGB a) A eine Körper- bzw. Gesundheitsverletzung erlitten. b) H hat diese in zurechenbarer Weise durch das Verlegen der Leitung herbeigeführt. Zum Prüfungspunkt "zurechenbares Verhalten" Zurechenbar ist im Deliktsrecht jedes Verhalten, das für die Rechtsgutverletzung (haftungsbegründende Kausalität) ursächlich im Sinne der Äquivalenztheorie (condictio sine qua non ) ist aber auch noch im Rahmen der allgemeinen Lebenserfahrung liegt (Einschränkung über Adäquanztheorie ). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen ist desweiteren die Lehre vom

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FB 03 – Rechts- und Wirtschaftswissenschaften

Arbeitsgemeinschaften zum Schuldrecht

WS 2008/09

Lösungshinweise Fall 11 „Feuer im Sonnenstudio“

A. Grundfall: Ansprüche der A

I. Ansprüche der A gegen Hausmeister H

1.Vertragliche Ansprüche A-H (§ 280 I, 241 II BGB)

Zwischen A und dem von V angestellten Hausmeister H bestehen keine vertraglichen oder

vertragsähnlichen Beziehungen.

2. Quasievertragliche oder sachenrechtliche Ansprüche A-H

Solche kommen ebenfalls nicht in Betracht.

3. Deliktsrechtliche Ansprüche A-H

§§ 823 I BGB

Ein Anspruch der A gegen H könnte sich aus § 823 I BGB ergeben.

Prüfungsvoraussetzungen des §§ 823 I BGB:

1. Rechtsgutsverletzung: Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder sonst. Recht

2. zurechenbare Verletzungshandlung

3. Widerrechtlichkeit indiziert (Lehre vom Erfolgsunrecht), außer bei sonstigen absoluten

Rechten: Dann darf insb. kein §§ 227 ff BGB vorliegen.

4. Verschulden

5. Schaden

Rechtsfolge: Schadensersatz gem. §§ 249 ff. BGB, inbs. auch Schmerzensgeld gem. § 253 BGB

a) A eine Körper- bzw. Gesundheitsverletzung erlitten.

b) H hat diese in zurechenbarer Weise durch das Verlegen der Leitung herbeigeführt.

Zum Prüfungspunkt "zurechenbares Verhalten"

Zurechenbar ist im Deliktsrecht jedes Verhalten, das für die Rechtsgutverletzung

(haftungsbegründende Kausalität) ursächlich im Sinne der Äquivalenztheorie (condictio sine qua

non) ist aber auch noch im Rahmen der allgemeinen Lebenserfahrung liegt (Einschränkung über

Adäquanztheorie). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen ist desweiteren die Lehre vom

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Schutzzweck der Norm heranzuziehen (wenn pflichtwidriges Verhalten das allgemeine

Lebensrisiko gesteigert hat und sich dieses gesteigerte Risiko gerade realisiert hat). Liegt der

Vorwurf nicht in einem positiven Tun, sondern in einem Unterlassen von Schutzmaßnahmen

kommt unter engen Voraussetzungen insbesondere eine Verletzung der

Verkehrssicherungspflicht in Betracht

c) Die Widerrechtlichkeit ist indiziert.

d) H hat auch die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und handelte damit

fahrlässig i.S.d. § 276 II BGB.

=> A hat gegen H einen Schadenersatzanspruch gemäß § 823 I BGB in Höhe der kausalen

Behandlungskosten.

§ 823 II BGB i.V.m. § 229 StGB

Prüfungsvoraussetzungen des §§ 823 II BGB i.V.m. Schutzgesetz:

1. Verletzung des Schutzgesetzes

a) Es muss ein Schutzgesetz vorliegen, dh eine materielle Norm, die ein Ge- oder Verbot

enthält und gerade dem Schutz einer anderen Person dient (Individualschutz)

b) das Schutzgesetz muss voll erfüllt sein, dh bei Strafnormen muss ein tatbestandsmäßiger

rechtswidriger und schuldhafter Verstoß vorliegen

2. Widerrechtlichkeit wird indiziert

3. Verschulden: bereits im Schutzgesetz geprüft; mindestens jedoch Fahrlässigkeit II S.2

4. Schaden

a) § 229 StGB stellt ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB dar: Die Strafrechtsnorm

enthält ein Verbot und dient nicht nur dem Schutz der Allgemeinheit, sondern gerade auch

den Interessen des betroffenen Opfers.

b) H hat durch das sorgfaltswidrige Verlegen der Leitung kausal eine fahrlässige und

schuldhafte Körperverletzung gemäß § 229 StGB begangen

c) Die Widerrechtlichkeit ist indiziert; aufgrund der Rechtswidrigkeitsprüfung in der

Strafrechtsnorm i.Ü. kaum Anwendungsbereich.

d) S.o., bei Strafrechtsnormen, die ein Verschulden voraussetzen entfällt die weitergehende

Prüfung

e) Der A ist ein kausaler Schaden entstanden.

=>Demzufolge ist ein Anspruch A- H aus § 823 II BGB i.V.m. § 229 StGB in Höhe der

Heilbehandlungskosten gegeben.

4. Ergebnis Ansprüche gegen H

A kann gegen H deliktische Ansprüche (§ 823 I und § 823 II) geltend machen.

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II. Ansprüche der A gegen ihre Arbeitgeberin M

1.Vertragliche Ansprüche A-M (§§ 280 I, 618 I BGB)

Zwar besteht zwischen A und M ein Vertragsverhältnis (Arbeitsvertrag). Allerdings hat die M als

Arbeitgeberin hier gegen keine Schutz- und Fürsorgepflichten des Arbeitgebers verstoßen (§ 618

BGB regelt spezielle Schutzpflichten eines Arbeitgebers).

2. Quasievertragliche oder sachenrechtliche Ansprüche A-M

Solche kommen ebenfalls nicht in Betracht.

3. Deliktsrechtliche Ansprüche A-M

Da der A kein Verhalten vorzuwerfen ist, scheiden auch deliktische Ansprüche aus.

III. Ansprüche der A gegen den Vermieter V

1.vertragliche Ansprüche A-V

Eigentlich besteht kein Schuldverhältnis zwischen A und V auf Grund dessen der A

vertragliche Ansprüche gegen V zustehen könnten. Allerdings kommt eine Einbeziehung der A

in den Schutzbereich des Mietvertrages zwischen V und M über die Grundsätze des Vertrages

mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Betracht:

Exkurs: Abgrenzung zum Vertrag zugunsten Dritter

Der Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter ist von dem in §§ 328 ff. BGB geregelten

echten Vertrag zu Gunsten Dritter zu unterscheiden. Bei letzterem erwirbt der Dritte auch

Primäransprüche (z. B. einen Lieferungsanspruch; klassischer Fall des echten Vertrages

zugunsten Dritter ist die Lebensversicherung), während beim Vertrag mit Schutzwirkung nur

bestimmte Schutzpflichten zu Gunsten des Dritten bestehen, deren Verletzung zu

Schadensersatzansprüchen, also Sekundäransprüchen, führen kann.

§§ 280 I, 241 II iVm Grundsätzen über das Schuldverhältnis mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, § 311 III BGB

A könnte einen Anspruch gegen V auf Schadenersatz aus einem Vertrag zwischen M und V mit

Schutzwirkung zu ihren Gunsten aus §§ 280 I, 311 III i.V.m. den Grundsätzen über das

Schuldverhältnis mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter haben.

Beim VmSzD werden nur bezüglich Schadenersatzansprüche, also Sekundärrechten, Dritte

miteinbezogen. Keinesfalls erlangen Dritte Primärrechte, also Ansprüche auf Vertragserfüllung.

Daher kann es denk logischerweise nur um einen Schadenersatz neben der Leistung gehen.

Aus diesem Grunde muss § 280, 282 BGB als Schadenersatz statt der Leistung von vornherein

ausscheiden, auch wenn § 282 gerade Nebenpflichtverletzungen behandel, allerdings gerade nur,

wenn wegen diese Nebenpflichtverletzung eine Schadenersatz statt der Leistung verlangt wird

(typischer Anwendungsfall des § 282 wäre daher der Maler, der "klaut": Ist dem Maler bzgl

seiner Hauptvertragspflichten kein Vorwurf zu machen, kann sich der Auftraggeber trotzdem

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wegen des Diebstahls als Nebenpflichtverletzung vom Vertrag lösen (durch Rücktritt nach § 324)

und einen deswegen entstehenden Schadenersatz statt der Leistung gemäß §§ 280 I, III, 282 BGB

fordern).

a) Schuldverhältnis A-V iSv § 280 I iVm V.m.S.z.D (§ 311 III BGB)

Voraussetzung dafür ist das Vorliegen eines Schuldverhältnisses zwischen A und V. Ein solches

liegt gerade nicht vor, allerdings könnte die A in den Schutzbereich des Mietvertrages V-M

einbezogen werden über die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter

(Die Prüfung des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter erfolgt also im Rahmen des §

280-er Prüfungspunktes „Schuldverhältnis“)

An dem zwischen V und M geschlossenen Mietvertrag ist A nicht unmittelbar beteiligt. Nach

§ 311 III BGB kann ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 II BGB aber auch zu Personen

entstehen, die nicht Vertragspartei werden sollen. Unter diese Vorschrift sind nicht nur die Fälle

zu subsumieren, in denen ein Dritter haften, sondern auch die Fälle, in denen ein nicht am

Vertrag Beteiligter berechtigt sein soll (unstreitig unglückliche Formulierung des Gesetzes).

Insofern findet das früher gewohnheitsrechtliche anerkannte Institut des Schuldverhältnisses mit

Schutzwirkung zu Gunsten Dritter nunmehr seine Grundlage in § 311 III BGB, wobei der

Gesetzgeber es versäumt hat, auch die vor der Schuldrechtsreform entwickelten und noch heute

anzuwendenden Voraussetzungen zu normieren.

Zwischen M und V müsste mithin ein Schuldverhältnis bestehen, dass Schutzwirkung zu

Gunsten der A entfaltet:

aa) Schuldverhältnis zwischen M und V

Zwischen M und V besteht ein Mietvertrag.

bb) Schutzwirkung zugunsten der unbeteiligten A aus dem „fremden“ Vertrag

Dieser Vertrag müsste Schutzwirkung zu Gunsten der A entfalten.

(1) „Leistungsnähe“

Der Dritte (=A) muss den Gefahren des Schuldverhältnisses (=Mietvertrag) bestimmungsgemäß

ebenso ausgesetzt sein wie der Gläubiger (=M) selbst. Desweiteren muss der einbezogene

Personenkreis eng umgrenzt und überschaubar sein.

Die Angestellte A ist ebenso wie die Mieterin M selbst etwaigen von den Mieträumen

ausgehenden Gefahren ausgesetzt. Bei gewerblich genutzten Mietsachen befindet sich der eng

begrenzte Personenkreis des Personals des Mieters bestimmungsgemäß im Gefahrenbereich des

Mietvertrags.

(2) „Gläubigernähe“ bzw. „Einbeziehungsinteresse“

Darüber hinaus muss der Gläubiger (=M) nicht nur ein eigenes Interesse an der pflichtgemäßen

Vertragsausführung durch V haben, sondern darüber hinaus auch ein berechtigtes Interesse am

Einbeziehen eines Dritten (=A) in den Schutzbereich dieses Vertrages.

Früher verlangte die Rechtsprechung dafür, dass der Gläubiger (=M) aufgrund eines

Rechtsverhältnisses mit personenrechtlichem Einschlag für das „Wohl und Wehe“ des Dritten

(=A) einzustehen habe. Das galt insbesondere bei arbeitsrechtlichen- oder familiären

Verbindungen. Heute ist die Rechtsprechung dagegen großzügiger und ermittelt den

Personenkreis im Wege der Auslegung des Vertrages, ob die Vertragsparteien zugunsten

bestimmter Dritten eine Schutzpflicht begründen wollen.

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Im vorliegenden Fall ist M als Arbeitgeberin der A dieser bereits nach § 618 BGB

fürsorgepflichtig, so dass auch ein personenrechtlicher Einschlag gegeben ist und es auf die

Unterscheidung nicht ankommt.

(3) Erkennbarkeit

Damit das Haftungsrisiko für den Schuldner nicht uferlos wird und er das Vertrags- und

Haftungsrisiko bei Vertragsabschluss kalkulieren kann, muss ihm die Leistungs- und

Gläubigernähe bei Vertragsschluss erkennbar sein. Hierbei genügt eine Abgrenzung nach

allgemeinen Merkmalen, namentliche Kenntnis ist nicht erforderlich.

Als V das Sonnenstudio als gewerblichen Raum vermietete, musste er damit rechnen, dass sich

typischerweise Angestellte in diesen Räumen bewegen werden. Auf die Kenntnis bezogen auf die

konkrete Person A kommt es selbstverständlich nicht an.

(4) Schutzbedürftigkeit

Der Dritte (A) müsste zudem schutzbedürftig sein. Daran fehlt es, wenn er einen vertraglichen

Anspruch vergleichbaren Inhalts hat. (Nur vertragliche Ansprüche schließen diesen Punkt aus

aufgrund der Werthaltigkeit der vertraglichen Ansprüche im Gegensatz zu deliktischen

Ansprüchen: verschärfte Haftung über § 278 ohne Exkulpationsmöglichkeit, weiterer

Schadensumfang,…)

(werden solche Ansprüche in einer Klausur nicht vorher abgefragt, so wären sie inzident an

dieser Stelle zu prüfen).

Die Schutzbedürftigkeit der A würde somit entfallen, wenn sie ihrerseits Ersatzansprüche gegen

M aus dem Arbeitsvertrag herleiten könnte oder gegen V oder H eigene vertragliche Ansprüche

hätte.

Arbeitsrechtliche Ansprüche gegen M sind nicht ersichtlich (s.o.). Die der A zustehenden

deliktischen Ansprüche gegen H (s.o.) beseitigen dagegen das Schutzbedürfnis nicht, da es sich

gerade nicht um vertragliche Ansprüche handelt. Eigene vertragliche Ansprüche gegen V

scheiden auch aus (s.o.), so dass eine Schutzbedürftigkeit der A besteht.

=> Damit liegen die Voraussetzungen eines Schuldverhältnisses mit Schutzwirkung zu Gunsten

Dritter vor. A ist demnach ist in den Schutzbereich des zwischen M und V bestehenden

Mietvertrags einbezogen; zwischen ihr und V besteht mit anderen Worten ein Schuldverhältnis

i.S.v. §§ 280 I, 241 II i.v.m 311 III BGB bzgl. Sekundäransprüchen.

b) Pflichtverletzung iSd § 280 I iVm V.m.S.z.D (§ 311 III BGB)

Nach § 241 II BGB traf V die Schutzpflicht Sorge zu tragen, dass von den Räumen keine

Gefahren für die Gesundheit der sich darin befindenden Menschen und für die Unversehrtheit der

eingebrachten Sachen ausgehen. Durch die falsche Kabelverlegung hat V diese

Vermieterschutzpflicht verletzt.

c) Vertretenmüssen iSv § 280 I iVm V.m.S.z.D (§ 311 III BGB)

V müsste die Pflichtverletzung zu vertreten haben.

Ein eigenes Verschulden trifft V nicht; er hat das Kabel nicht verlegt.

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Allerdings muss sich V nach § 278 das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen.

V und A haben eine Sonderrechtsbeziehung (VmSuD). Aus dem Mietvertrag obliegt dem V die

Instandhaltungspflicht. H ist bezogen auf die Schutzpflicht mit Wissen und Wollen im

Pflichtenkreis des V tätig geworden. Mithin handelte er als Erfüllungsgehilfe des V.

d) Schaden iSv § 280 I iVm V.m.S.z.D (§ 311 III BGB)

A erlitt aufgrund der Pflichtverletzung einen Schaden (Heilkosten für Gesundheitsschädigung).

e) Ergebnis

A hat damit einen Anspruch auf Schadenersatz gegen V aus §§ 280 I BGB i.V.m. den

Grundsätzen des VmSzD.

2. Quasivertragliche und sachenrechtliche Ansprüche A-V

Solche Ansprüche kommen nicht in Betracht.

3. Deliktische Ansprüche A-V

§ 823 I BGB

a) A eine Körper- bzw. Gesundheitsverletzung erlitten.

b) V hat diese jedoch nicht in zurechenbarer Weise herbeigeführt:

V hat nicht selbst gehandelt. In Betracht käme somit nur eine mittelbare Rechtsgutverletzung im

Sinne eines Unterlassensworwurf trotz bestehender Verkehrssicherungspflicht. Eine

Verkehrssicherungspflicht besteht vor allem beim Eröffnen oder Betreiben einer Gefahrenquelle

(z.B. Baustelle, Atomanlage;…) nicht jedoch beim Vermieten eines „normalen“ Gewerberaums,

da dies keine offensichtliche Gefahrensquelle ist.

Achtung: ein schwerer Fehler wäre es nun im Rahmen des § 823 BGB auf § 278 BGB

abzustellen! § 278 BGB ist im Deliktsrecht nicht anwendbar! Arg: Die Zuhilfenahme eines

Dritten auf Schädigerseite wird im Deliktsrecht speziell in § 831 BGB geregelt. Das heiß, selbst

wenn zwischen deliktischen Schädiger und Geschädigtem auch ein Schuldverhältnis vorliegt (das

setzt nämlich § 278 voraus), führt das nur dazu, dass im Rahmen vertraglicher Ansprüche die

Voraussetzungen des § 278 BGB:

- Geschäftsherr (V) und Geschädigter (A) haben eine Sonderrechtbeziehung (idR

Vertragsverhältnis, hier i.V.m. VmSzD)

- Geschäftsherr (V) bedient sich zur Erfüllung dieser Pflichten aus dem Vertrag eines Dritten

(hier war V als Vermieter zur Instandhaltung des Mietobjekts verpflichtet)

- Dieser Dritte (H) ist gesetzlicher Vertreter oder Erfüllungsgehilfe des Geschäftsherren (V):

Erfüllungsgehilfe ist wer mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn in dessen Pflichtenkreis

tätig wird (Abgrenzung in personeller Hinsicht zum Verrichtungsgehilfe in § 831).

Gesetzlicher Vertreter ist wer mit Wirkung für andere Handeln kann (Eltern; Betreuer,

Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter,…).

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Zurechnungsnorm des § 278 greift; nicht jedoch im § 823. Im Deliktsrecht greift dann ggf. in

Konkurrenz zum vertraglichen Anspruch die eigenständige Anspruchsgrundlage des § 831 BGB.

=>kein Anspruch A-V aus § 823 BGB

§§ 823 II BGB i.V.m. § 229 StGB

V hat den Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung nicht erfüllt. Eine Handlungszurechnung

kommt im Strafrecht grds. nicht in Betracht. (Täterschaft und Teilnahme Problematiken liegen

evident nicht vor)

=>kein Anspruch A-V aus § 823 II, BGB iVm § 292 StGB.

§ 831 BGB

A könnte einen Anspruch gegen V aus § 831 BGB haben.

§ 831 BGB ist keine (!) Zurechnungsnorm, sondern eigenständiger deliktischer Anspruch

gegen einen Geschäftsherren bei Zuhilfenahme eines Verrichtungsgehilfen, bezgl. dem dem

Geschäftsherren der Vorwurf von Auswahl- und Organisationsverschulden gemacht wird (=

Haftung für eigenes Verschulden!)

Prüfungsvoraussetzungen des § 831 BGB:

1. Verrichtungsgehilfe ist eine unerlaubte Handlung (§ 823) vorzuwerfen, wobei ein Verschulden

nicht vorliegen muss (handelt VG auch noch schuldhaft, kommt neben § 831 auch eine § 823

Haftung des VG selbst in Betracht)

a) Verrichtungsgehilfe ist wer im Interessenkreis des Geschäftsherrn tätig wird und

dabei – im Gegensatz zum Erfüllungsgehilfe bei § 278 - weisungsabhängig vom GH ist,

dh der GH kann Ort, Zeit, Dauer und Art und Weise der Ausführung bestimmen.

b) Die unerlaubte Handlung des VG muss in Ausübung der Verrichtung und nicht bloß bei

Gelegenheit erfolgen.

2. Verschulden des Geschäftsherrn! Liegt in einem Auswahl- und Organisationsverschulden.

Dieses Verschulden wird bei § 831 vermutet (Haftung für vermutetes Verschulden

3. keine Exkulpation des GH: der GH kann bzgl des vermuteten Eigenverschuldens den

Entlastungsbeweis führen, § 831 I S.2 BGB

4. Schaden

a) H wird als angestellter Hausmeister weisungsgebunden tätig und ist damit

Verrichtungsgehilfe i.S.v. § 831 BGB. (zumindest nicht leitende Angestellte sind typischerweise

weisungsgebunden. Dagegen sind Unterhemer oder Vertreter freie Berufe in der Regel nicht

weisungsgebunden gegenüber ihrem Auftragsgeber. Hätte V hier also einen externen

Handwerker mit der Kabelverlegung beauftragt, so wäre dieser ohne weitere Anhaltspunkte nicht

als Verrichtunggehilfe zu qualifizieren gewesen).

b) H hat in Ausführung seiner Tätigkeit eine rechtswidrige (nicht notwendig schuldhafte)

deliktische Handlung begangen (s.o. bei § 823 A-H).

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c) Das Verschulden des V (!) bzgl der Auswahl und Überwachung seiner Verrichtungsgehilfen

wird vermutet.

Da H bisher allerdings immer gewissenhaft gearbeitet hat, kann sich V nach § 831 I 2 BGB

exkulpieren. (die Formulierung des Sachverhalts, „der ansonsten immer zuverlässige…“, ist

immer ein Hinweis auf eine erfolgreiche Exkulpation im Rahmen des § 831 BGB)

=>Damit scheidet ein Anspruch der A gegen V aus § 831 BGB aus.

III. Gesamtschuldnerische Haftung von H und V

H haftet gegenüber A aus § 823 I BGB und aus § 823 II BGB i.V.m. § 229 StGB.

V haftet gegenüber A aus §§ 280 I, 241 II, 311 III BGB i.V.m. den Grundätzen über den Vertrag

mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter.

Eine Gesamtschuldnerische Haftung von V und H nach § 840 BGB scheidet aus, da V lediglich

aus vertraglichem Schuldverhältnis und nicht deliktisch haftet. Der Begriff der „unerlaubten

Handlung“ in § 840 BGB ist zwar weit zu verstehen, er umfasst jedoch nicht vertragliche

Haftungstatbestände.

Aufgrund der Gleichstufigkeit der Haftung von V und H liegt jedoch eine gesamtschuldnerische

Haftung nach § 421 BGB vor (anderer gehen von einer Gesamtschuld nach § 840 analog aus).

B. Zusatzfrage: Schadensersatzansprüche der Freundin F wegen der zerstörten Weihnachtskugeln

I. Anspruch der F gegen Hausmeister H

1.Vertragliche Ansprüche F-H

Vertragliche Ansprüche gegenüber H kommen nicht in Betracht.

2. Deliktische Ansprüche F-H

F könnte gegen H jedoch einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 I BGB haben:

a) F hat eine Eigentumsverletzung erlitten.

b) H hat diese in zurechenbarer Weise durch Umschmeißen herbeigeführt.

c) Die Widerrechtlichkeit ist indiziert.

d) H hat auch die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und handelte damit

fahrlässig i.S.d. § 276 II BGB.

=> F hat gegen H einen deliktischen Anspruch.

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II. Anspruch der F gegen Freundin M

1.Vertragliche Ansprüche F-M

§§ 280 I, III, 283 BGB

a)Schuldverhältnis

M der F haben einen Verwahrungsvertrag nach § 688 BGB über die Kugeln abgeschlossen

(Abgrenzung zu reinem Gefälligkeitsverhältnis und wirkungsgemindertem

Gefälligkeitsverhältnis)

b)Pflichtverletzung

Nach § 695 BGB ist M zur Rückgabe der hinterlegten Ware verpflichtet, was sie nicht getan hat.

c)Unmöglichkeit

Die Rückgabe der Weihnachtskugeln war M aufgrund der Zerstörung derselben nach § 275 I

BGB unmöglich.

d)Verschulden

Im Rahmen von § 283 ist dem Schuldner vorzuwerfen, dass ihn ein Verschulden an den

Umständen trifft, die zur Unmöglichkeit der Leistung geführt haben.

Als Besonderheit gilt hier die Verschuldensprivilegierung des § 690 BGB: Bei unentgeltlicher

Verwahrung haftet der Verwahrer nur für eigenübliche Sorgfalt (diligentia quam in suis), in

jedem Fall aber für grobe Fahrlässigkeit, s. § 277 BGB.

Einen solchen Vorwurf kann man der M hier nicht machen. Die Kiste mit den Kugeln war laut

Sachverhalt gut verstaut An eine Zurechnung des Verschuldens des H an M ist hier nicht zu

denken, da dieser nicht ihr Erfüllungsgehilfe ist.

=>kein vertraglichen Schadenersatzanspruch der F gegen M.

2. Deliktische Ansprüche F-M

Sonstige Ansprüche kommen gegen M nicht in Betracht, insbesondere keine deliktischen

Ansprüche, da der M kein Verhaltensvorwurf zu machen ist.

Hätte die M der F ihre Ansprüche nicht freiwillig abgetreten, hätte die F gegen M ein Anspruch

auf Abtretung derselben nach § 285 BGB. Dann müsste man im Rahmen des § 285 BGB die

folgende Prüfung inzident prüfen. Aus Darstellungsgründen ist hier aber von einer Abtretung

auszugehen.

III. Anspruch der F gegen Vermieter V aus eigenem Recht

F könnte gegen V Ansprüche aus eigenem Recht haben.

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1. vertragliche Ansprüche F–V

§§ 280 I, 311 III BGB i.V.m. den Grundsätzen über dVmSzD

Eine eigene vertragliche Beziehung besteht zwischen F und V nicht.

Allerdings kommt ein Anspruch aus § 280 I BGB in Betracht, wenn F in den Schutzbereich des

zwischen M und V bestehenden Mietvertrags einbezogen ist. (Zu den Voraussetzungen siehe

Grundfall.)

Vorliegend ist bereits das Merkmal der „Leistungsnähe“ zweifelhaft. Zwar ist es naheliegend

und verständlich, dass die Mieterin M, die hinsichtlich der ihr nicht gehörenden

Weihnachtskugeln obhutspflichtig ist, durch die Gewährung des ungefährdeten Gebrauchs der

Mieträume nicht nur die Unversehrtheit ihrer eigenen, sondern auch der Sachen der F gesichert

sehen will. Allerdings darf die vertragliche Haftung nicht uferlos ausgedehnt werden. Nach der

Rechtsprechung des BGH kommt es daher darauf an, ob nach dem Inhalt des Vertrags die F

bestimmungsgemäß mit der Mietsache in Berührung kommt.

So macht – für den Vermieter erkennbar – den Kern der gewerblichen Tätigkeit eines

Lagerhalters aus, in den gemieteten Räumen Waren Dritter unterzubringen. Hingegen gehört es

nicht zur typischen Bestimmung eines Sonnenstudios, als allgemeines Lager zu dienen.

Jedenfalls ist eine solche Nutzung für den Vermieter nicht vorhersehbar und damit nicht

erkennbar.

Eine Einbeziehung der F in den Mietvertrag ist daher abzulehnen (andere Ansicht vertretbar).

2. Deliktische Ansprüche F–V

§ 823 I bzw. § 831 BGB

Im Hinblick auf § 823 I fehlt es an einer eigenen Handlung des V, im Rahmen des § 831 kann

sich V exkulpieren (s.o.). Deliktische Ansprüche scheiden daher aus.

=> der F stehen keine eigenen Ansprüche gegen V zu.

III. Anspruch F-V aus abgetretenem Recht

§§ 398, 280 I BGB i.V.m. den Grundsätzen über die Drittschadensliquidation

M hat alle Ansprüche, die ihr gegen V zustanden, an F abgetreten. Demnach müsste der M ein

Anspruch gegen V zugestanden haben, da Voraussetzung einer Abtretung nach § 398 BGB das

Bestehen eines abzutretenden Anspruchs ist.

Ein solcher Anspruch der M gegen V könnte sich aus § 280 I i.V.m. den Grundsätzen über die

Drittschadensliquidation ergeben.

1. Anspruch M gegen V aus § 280 I BGB i.V.m. DSL

M müsste einen Anspruch auf Schadensersatz gegen V haben.

a) Schuldverhältnis (+)

Zwischen V und M lag ein Mietverhältnis vor. Ein Schuldverhältnis ist daher gegeben.

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b) Pflichtverletzung (+)

V trafen in Bezug auf seine Mieträume Schutzpflichten für das darin befindliche Gut aus § 241 II

BGB, (s.o.). Durch die Zerstörung von in die Mieträume eingebrachten Sachen liegt eine

Pflichtverletzung vor.

c) Vertretenmüssen, §§ 280 I 2, 278 BGB (+)

V selbst hat die Kugeln nicht zerstört, aber er hat gem. §§ 278, 276 BGB für das Verschulden des

H als sein Erfüllungsgehilfe einzustehen. H hat hier fahrlässig die Kiste umgestoßen.

d) Schaden

Der Anspruchstellerin M müsste ein Schaden entstanden sein.

aa) Eigener Schaden

Problem: Ein eigener Schaden ist M nicht entstanden. Zwar war M der F nach § 695 BGB zur

Rückgabe der hinterlegten Ware verpflichtet. Von dieser Pflicht ist sie aber nach § 275 I BGB

frei geworden. Sie selbst haftet der F auch nicht auf Schadensersatz aus §§ 280 I, III, 283 BGB

(s.o.), so dass die M durch die Zerstörung der Kugeln der F keinen Schaden erleidet.

bb) Liquidation eines Drittschadens

Sofern die Voraussetzungen der Drittschadensliquidation vorliegen, ist M aber berechtigt, den

Schaden der F geltend zu machen. Mit diesem Rechtsinstitut wird das Dogma vom

Gläubigerinteresse durchbrochen, wonach der Gläubiger nur seinen eigenen Schaden geltend

machen kann. Ist eine DSL zu bejahen, besteht dadurch ein Schaden bei der M und ihr Anspruch

nach §§ 280 I vervollständigt sich und ist zu bejahen.

(1) Anspruch ohne Schaden

Zunächst ist M an sich anspruchsberechtigt, da die eigentlichen Voraussetzungen des § 280 I

BGB vorliegen; es fehlt ihr aber an einem Schaden, so dass 280 I eigentlich ausscheidet - siehe

soeben.

(2) Schaden ohne Anspruch

F hingegen hat zwar einen Schaden aber keinen vertraglichen Anspruch. Der deliktische

Anspruch gegen H bleibt an dieser Stelle außer Betracht, sondern es ist nur auf eigene

vertragliche Ansprüche abzustellen (Arg. Wie in Grundfall: vertragliche Ansprüche sind

werthaltiger).

(3) (Aus Sicht des Schädigers) zufällige Schadensverlagerung

Die zentrale Voraussetzung ist schließlich, dass es sich um eine aus Sicht des Schädigers

zufällige Schadensverlagerung handeln muss.

Exkurs zu den Fallgruppen:

Das Bestehen einer solchen zufälligen Schadensverlagerung wird in den folgenden, von der h.M.

als abschließend angesehenen Fallgruppen angesehen.

(1) Obligatorische Gefahrentlastung

Situation, dass der zur Eigentumsübertragung verpflichtete Eigentümer bei Beschädigung oder

Zerstörung der Sache keinen eigenen Schaden erleidet, weil er gegenüber seinem Gläubiger frei

wird, mit der Folge, dass er das Drittinteresse des Gläubigers geltend machen kann.

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Hauptanwendungsfälle: Versendungskauf nach § 447 BGB (beachte aber: § 474 II BGB und §

421 HGB).

(2) Mittelbare Stellvertretung

Wenn jemand als mittelbarer Stellvertreter für fremde Rechnung einen Vertrag geschlossen hat,

kann er den Schaden des Geschäftsherrn gegen den zum Schadensersatz verpflichteten

Vertragsgegner geltend machen.

Gilt insb. für Spediteur, Kommissionär.

(3) Treuhand- und Obhutsverhältnisse

Wer als berechtigter Besitzer einer fremden Sache einen Vertrag abschließt, der hinsichtlich der

Sache eine Obhutspflicht begründet, kann bei Verletzung dieser Pflicht gegenüber dem

Vertragsgegner den Schaden des Eigentümers geltend machen.

Hier ist die Fallgruppe der Obhut für fremde Sachen einschlägig. V musste damit rechnen, dass

alle im Sonnenstudio vorhandenen Sachen der M gehören (dies ist ja auch gerade der Grund,

warum das gegenteilige Rechtsinstitut, der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter,

ausscheidet). Er soll nicht von der Haftung frei werden, weil (aus seiner Sicht zufällig) eine

fremde Sache beschädigt worden ist. M kann daher den Schaden der F liquidieren.

=> Der eigentlich nicht bestehende Schaden bei M entsteht doch, indem die M den Schaden der F

an sich zieht (der Schaden wandert zum Anspruch).

=> Damit steht der M ein vollwertiger Anspruch gegen V zu, den sie wiederrum an F abtreten

konnte.

2. Abtretung des Anspruchs an F

M hat ihren Anspruch auf Schadensersatz an F abgetreten. Die Voraussetzungen einer wirksamen

Abtretung nach § 398 BGB (= Abtretungseinigung F-M; bestehen eines abzutretenden Anspruchs

und Berechtigung des Zedent) liegen vor.

3. Ergebnis

Nach der erfolgten Abtretung, die F auch nach § 285 BGB verlangen könnte, steht F ein

Anspruch gegen V auf Zahlung von 700 € zu.

H und V haften als Gesamtschuldner.

Hinweis:

Beim Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zieht man also die Anspruchsgrundlage zum

Schaden, während bei der Drittschadensliquidation der Schaden zur Anspruchsgrundlage gezogen

wird. Deshalb kann dort der eigentlich Geschädigte den Anspruch erst nach Abtretung geltend

machen, auf die er (analog) § 285 BGB einen Anspruch hat.