M I T T E L S TA N D S B E R I C H T 2010 - … · Finanz- und Wirtschaftskrise seine Mitarbeiter...

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Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit MITTELSTANDSBERICHT 2010

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Thüringer Ministerium fürWirtschaft, Technologie und Arbeit

M I T T E L S T A N D S B E R I C H T

2010

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

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der thüringer Mittelstand:

auf dem Weg zum innovationsmotor und

zur Quelle sozialen Zusammenhaltes?

Bericht im Auftrag des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Technologie

Erstellung durch das

Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut gGmbH (HWWI).

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Kurzfassung 6

1 einleitende bemerkungen 7

2 Weltwirtschaftliche lage und wirtschaftliche entwicklung in thüringen 13

2.1 Gesamtwirtschaftliche Entwicklung, weltwirtschaftliche Lage

und Situation in Thüringen 13

2.2 Wirtschaftsstruktur 24

2.3 Die Entwicklung des Thüringer Mittelstandes 31

3 herausforderungen und chancen für den thüringer Mittelstand 40

3.1 Globalisierung, Europäischer Binnenmarkt, Export 40

3.2 Forschung, Technologie und Innovation 42

3.3 Spezialisierungen und Zukunftsbranchen 52

3.4 Kooperationen und Netzwerke 66

4 Qualifizierte Fachkräfte sind die basis für einen erfolgreichen Mittelstand 69

4.1 Demografische Entwicklung in Thüringen und Wettbewerb

der Regionen in Deutschland um Fachkräfte 69

4.2 Berufliche Ausbildung 75

4.3 Akademische Ausbildung für den Mittelstand 80

4.4 Migration von qualifizierten Fachkräften 86

4.5 Thüringer Unternehmer über Fachkräfte, Qualifizierung und Demografie 88

5 Mittelstandspolitik und -förderung in thüringen 94

5.1 Grundlagen und Ziele der Thüringer Mittelstandspolitik 94

5.2 Investitionsförderung im Mittelstand 97

5.3 Förderung von Forschung, Technologie und Innovation 103

5.4 Förderung der Wirtschaftsinfrastruktur,

Ver- und Entsorgung und Umweltschutz 109

6 handlungsempfehlungen 112

6.1 Investitionsförderung 113

6.2 Kapitalsicherung für den Mittelstand 115

6.3 Innovations- und Technologieförderung 116

6.4 Cluster und Netzwerke 118

6.5 Förderung von Humankapital und Sicherung

des Fachkräftebedarfes für den Mittelstand 119

6.6 Förderung der Selbstständigkeit/Gründungsgeschehen 122

6.7 Wirtschaftsfreundliches Thüringen 124

Inhaltsverzeichnis

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Sehr geehrte Damen und Herren,

fast alle Thüringer Unternehmen gehören zum Mittelstand. Sie bilden die Basis der Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit unserer Thüringer Wirtschaft. Der Mit-telstand hat in den letzten Jahren eine gute Entwicklung genommen. Trotz gewis-ser Unsicherheiten konnte er sich zum großen Teil auch gegen die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise behaupten. Das Hamburger WeltWirtschafts Ins titut (HWWI) hatte den Auftrag für diesen Mittelstandsbericht in der letzten Legislaturperiode im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben erhalten. Er steht unter der Themenstellung: „Der Thüringer Mittelstand. Auf dem Weg zum Innovations-motor und zur Quelle sozialen Zusammenhaltes?“. Ich danke dem HWWI, insbe-sondere Herrn PD Dr. Joachim Zweynert und seinen Mitautoren, für die geleistete Arbeit.

Dieser Bericht zeigt, dass der Thüringer Mittelstand über ein hohes Innovations-potenzial verfügt. Innovationen entstehen in funktionierenden Teams und im rich-tigen Arbeitsklima. Unser Mittelstand ist also eine Quelle des sozialen Zusam-menhalts und des guten Unternehmertums. Wir arbeiten auf einer guten Grund-lage, sind aber noch lange nicht am Ziel. Wir müssen die Rahmenbedingungen dem derzeitigen Bedarf anpassen. Zukünftig muss es darum gehen, das Wachs-tum des Verarbeitenden Gewerbes zu forcieren und gerade die Entwicklung inno-vativer Unternehmer und wissensbasierter Dienstleistungen voranzutreiben.

Die Umsetzung hat längst begonnen, unser neues Mittelstandsförderprogramm ist einer der vielen Belege dafür. Darin gibt das Thüringer Ministerium für Wirt-schaft, Arbeit und Technologie Hilfestellung in den zentralen Handlungsfeldern Investitionsförderung, Innovationsförderung, Vernetzung und Kooperation, Fach-kräftesicherung, Beratung, Standort und Design. Mit Ausnahme des Handlungs-feldes „Design“ spiegeln sich diese Schwerpunkte auch im vorliegenden Bericht wider. Außerdem haben wir das Programm „Thüringen – GreenTech“ aufgelegt, mit dem wir die Entwicklung und Anwendung grüner Technologien in Thüringen unterstützen. Die strategische Neuausrichtung unserer Wirtschaftspolitik wird derzeit durch die Erarbeitung des zentralen Projekts „Zukunftsatlas 2020“ vorbe-reitet. Zudem bringen wir gemeinsam mit dem Thüringer Ministerium für Bil-dung, Wissenschaft und Kultur (TMBWK) die Thüringer Gründer-Initiative (ThGI) speziell für innovative und technologieorientierte Unternehmen auf den Weg.

Die neue Wirtschaftspolitik für den Thüringer Mittelstand setzt gezielt neue Schwerpunkte, um noch besser und schneller voranzukommen. Wir müssen und wollen noch mehr auf unseren eigenen Beinen stehen. Wir werden uns auf unsere Stärken besinnen und unseren speziellen Charakter ausprägen. Jetzt kommt es darauf an, mit neuen Initiativen einen eigenen dynamischen Wachstumspfad für Thüringen zu gestalten. Lassen Sie uns nun gemeinsam daran arbeiten, dass unser Mittelstand die neuen Herausforderungen meistert und damit erfolgreich im internationalen Wettbewerb besteht.

Ihr Matthias Machnig

Thüringer Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie

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Mittelständler als inhabergeführte Familienunternehmen zeichnen sich aus durch hohe Innovations- und Risikobereitschaft, flache Hierarchien, große Flexibilität und Kundenorientierung. Dies gilt auch und gerade für Thüringen. Die Entwick-lung des Thüringer Mittelstandes seit 1990 ist eine Erfolgsgeschichte. Nicht zu-letzt aufgrund der erfolgreichen Förderpolitik des Freistaates weist Thüringen heute die höchste Betriebsdichte aller Länder auf. Innerhalb Ostdeutschlands wei-sen nur die sächsischen Unternehmen ein vergleichbares Innovationspotenzial auf – bundesweit liegt Thüringen immerhin im Mittelfeld. Einer beachtlichen Zahl innovativer Mittelständler, die z. T. Weltmarktführer in ihrer jeweiligen Branche sind, steht jedoch eine (noch zu) große Zahl an Klein- und Kleinstbetrieben gegen-über. Der Thüringer Mittelstand und damit auch die Mittelstandsförderung steht vor einer wichtigen Weichenstellung: Nachdem es gelungen ist, eine gesunde indus trielle Basis zu schaffen, gilt es nun, das Wachstum der Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe nachhaltig zu verstärken und den Strukturwandel in die Wissensgesellschaft auch durch wissensintensive Dienstleistungen zu beschleu-nigen. Die Förderpolitik kann dies unterstützen, indem sie solche Unternehmen besonders fördert, die ein hohes Innovationspotenzial aufweisen oder verspre-chen. Für die Internationalisierung auch und gerade der kleinen und mittelstän-dischen Unternehmen (KMU) kommt es entscheidend auf die Bildung strate-gischer Allianzen und Cluster an. Die Wirtschaftspolitik könnte und sollte dies fördern. Der Thüringer Mittelstand hat auch unter schwierigen Bedingungen der Finanz- und Wirtschaftskrise seine Mitarbeiter gehalten und nimmt gesellschaft-liche Verantwortung wahr. Die Innovationskraft des Mittelstandes ist eng mit sei-ner Funktion als Quelle sozialen Zusammenhaltes verbunden: Gerade in der Wis-sensgesellschaft können kleinere und mittlere Unternehmen entscheidend dazu beitragen, dass Menschen in für sie überschaubaren Verhältnissen leben und sich entfalten können. Thüringens kleingliedrige Struktur, seine lebenswerten Städte und sein reichhaltiges Kulturangebot bedeuten hier einen Standortvorteil, der im Wettbewerb um die besten Köpfe genutzt werden sollte. Eine weitere Verbesse-rung weicher Standortvorteile ist dazu vielversprechend.

Kurzfassung

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1einleitende bemerkungen

Mittelständische Unternehmen stehen in besonderer Weise für Innovation, Leis-tung und Flexibilität. Viele neue Technologien, Produkte und Verfahren wurden von Mittelständlern entwickelt. Für die dynamische Entwicklung und das Wachs-tum von Volkswirtschaften haben sie deshalb eine besondere Bedeutung. Mit fes-ter lokaler Verankerung bei gleichzeitiger konsequenter Ausrichtung auf Märkte im In- und Ausland bieten sie für Mitarbeiter und Unternehmer große Möglichkeiten selbstbestimmter beruflicher Entfaltung. Die Kraft kleiner und mittlerer Unterneh-men strahlt gerade mit den stark persönlichen Arbeitsbeziehungen positiv auf die Entwicklung der Gesellschaft aus.

Der vorliegende Mittelstandsbericht 2010 für Thüringen unterscheidet sich vor diesem Hintergrund in einer wesentlichen Hinsicht von seinen Vorgängern: Erst-mals wird hier die Entwicklung der kleinen und mittleren Unternehmen im Frei-staat aus der Perspektive einer ganz bestimmten thematischen Schwerpunktset-zung analysiert: Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit der Thüringer Mittelstand noch stärker als bisher schon eine Doppelrolle als Innovationsmotor und Quelle sozialen Zusammenhaltes spielen kann, und wie kann die insgesamt erfolgreiche Mittelstandspolitik der Landesregierung im Hinblick auf dieses Ziel weiter optimiert werden. Trotz dieser inhaltlichen Neuausrichtung sieht sich der vorliegende Bericht auch in der Tradition früherer Mittelstandsberichte. Denn auch jene Fragen, die hier im Mittelpunkt stehen, lassen sich nur auf Grundlage einer breiten Datenbasis erfassen. Insofern wird der weitere wirtschaftliche Kon-text, in den die Entwicklung des Thüringer Mittelstandes eingebettet ist, wie auch in den früheren Berichten mit ausgeleuchtet. Bundesweit gilt, dass der Anteil der mittelständischen Unternehmen an den Unternehmen insgesamt mehr als 99 % beträgt, und in Thüringen ist dieser Anteil besonders hoch. Das ist der wesent-liche Grund dafür, warum man die Themen „allgemeine wirtschaftliche Entwick-lung“ und „Entwicklung des Mittelstandes“ nicht immer deutlich voneinander abgren zen kann. Zentrales Anliegen dieses Berichts ist es, jene Aspekte der wirt-schaftlichen Entwicklung herauszuarbeiten, die für die Aussichten des Thüringer Mittelstandes besonders relevant sind.

Der Bericht knüpft durchgängig an die vom Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie aufgelegten Studien wie den Jahreswirtschaftsbericht, die Fachkräftestudie und andere sowie den unter Federführung des Thüringer Minis-teriums für Bau und Verkehr erarbeiteten Demografiebericht an und versucht, diese Studien durch eine ordnungspolitische Dimension zu ergänzen, wie sie für das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) charakteristisch ist. Insofern versteht er sich in erster Linie als ein Komplement zu den bereits von der Landes-regierung erarbeiteten bzw. in Auftrag gegebenen Studien. Im HWWI wurde der Bericht von Silvia Stiller, Andreas Trautvetter, Joachim Zweynert unter Mitarbeit von Boris Jasinski, Ingo Fischer und Ulrich Clemens erstellt. Der Bericht umfasst dabei den Zeitraum von 2005 bis 2008 und bezieht ergänzend Daten und Aus-sagen ab 2009 ein, wo dies inhaltlich angezeigt ist, etwa bei der Entwicklung und den Perspektiven Thüringens im Zusammenhang mit der Wirtschafts- und Finanz-krise oder der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung.

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Diskussionen um den Mittelstand und die mittelständische Wirtschaft haben in Deutschland eine besondere Tradition. Der spezifisch deutsche Begriff des Mit-telstandes – der, wie unschwer zu erkennen ist, seine historischen Wurzeln in der mittelalterlichen Ständegesellschaft hat – umfasst weit mehr als seine angelsäch-sische Entsprechung, die small and medium enterprises. Im deutschen Sprach-raum handelt es sich bei der Betriebsgröße nur um ein Teilkriterium dafür, welche Unternehmungen zum Mittelstand zu zählen sind. Das Institut für Mittelstands-forschung (IfM) zählt Firmen mit weniger als 500 Beschäftigten bzw. mit bis zu 50 Mio. Euro Jahresumsatz dazu, die EU-Definition ist etwas enger, indem sie ledig lich Betriebe mit bis zu 249 Beschäftigen (und ebenfalls einem Umsatz bis jährlich 50 Mio. Euro) dazu zählt. In diesem Bericht wird die EU-Definition zu-grunde gelegt. Auch die Begründer der Sozialen Marktwirtschaft haben sich ein-deutig zugunsten einer qualitativen Definition des Mittelstandes ausgesprochen. So bemerkte Ludwig Erhard auf einer der ersten Tagungen der Aktionsgemein-schaft Soziale Marktwirtschaft: „Der Mittelstand kann materiell in seiner Bedeu-tung nicht voll ausgewogen werden, sondern er ist (…) viel stärker ausgeprägt durch Gesinnung und Haltung im gesellschaftlichen und politischen Prozess.“1

Diese qualitative Auffassung vom Mittelstand stellt sehr stark auf die Figur des mittelständischen Unternehmers ab. Ihm bzw. ihr werden vier zentrale Eigen-schaften zugesprochen: Erstens liegen – und zwar vor allem bei mittelständischen Familienunternehmen – Eigentum und Management in einer Hand, wodurch der Haftungsgedanke voll zum Tragen kommt. Zweitens strebt der Mittelständler in der Regel an, den Betrieb an seine Nachfahren zu vererben. Dadurch hat er einen entscheidend längeren Zeithorizont als ein angestellter Manager, der mög-licherweise auch noch durch entsprechende Bonussysteme in einer kurzfristigen Erfolgsorientierung bestärkt wird. Drittens betrachtet der mittelständische Unter-nehmer den Betrieb als eine Art erweiterte Familie. Die Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter sind ihm nicht nur Mittel zum Zweck, sondern er entwickelt soziale Verantwortung für sie. Viertens weisen mittelständische Unternehmen eine weit intensivere innerbetriebliche Kommunikation, weniger standardisierte Abläufe und schlankere innerbetriebliche Verwaltungen auf, und gerade dies bedingt wohl ihr deutlich höheres Innovationspotenzial.

Der eigenverantwortliche Mittelstand, der Umstand, dass Menschen in für sie überschaubaren Verhältnissen leben und arbeiten und innerhalb dieser über-schaubaren Gemeinschaften Verantwortung füreinander übernehmen – das ist laut den Gründungsvätern der Sozialen Marktwirtschaft Voraussetzung dafür, dass eine Gesellschaft gleichzeitig freiheitlich und geordnet sein kann. Und das war die Antwort auf ihre zentrale Frage, wie Freiheit und Menschenwürde in den modernen, industriell geprägten Gesellschaften gewahrt werden können.

Charakteristisch für diese qualitative Definition des Mittelstandes ist, dass bei ihr die Betriebsgröße, wenn überhaupt, eine untergeordnete Rolle spielt. So wer-den nach diesem Verständnis manchmal börsennotierte Unternehmen zum Mit-telstand gezählt, weil sie sich noch immer in den Händen der Gründerfamilie befinden. Tatsächlich scheinen familiengeführte Großunternehmen einige der mittelständischen Tugenden, vor allem die längerfristige Orientierung, wahren zu können. Ob aber, wie dies immer wieder behauptet wird, börsennotierten Fami-lienunternehmen besser abschneiden als andere größere Unternehmen mit ande-rer Eigentumsform, ist und bleibt in der Fachliteratur umstritten.

1 Vgl. Erhard (1956), S. 54.

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Im Interesse einer eindeutigen statistischen Zurechenbarkeit wird im vorliegen-den Bericht von einer quantitativen Definition des Mittelstandes ausgegangen. Gleichzeitig wird sich auf die Frage nach der qualitativen Bedeutung des Mittel-standes konzentriert sowie seine Bedeutung als Innovationsmotor und Quelle gesell schaftlichen Zusammenhaltes. Gerade für die ostdeutschen Länder und speziell für Thüringen sind beide Momente sowohl für die wirtschaftliche als auch die gesellschaftliche Entwicklung in einem weiteren Sinne von kaum zu überschät-zender Bedeutung. Insgesamt gilt für die deutsche Volkswirtschaft, dass sie in beson derem Maße mittelständisch geprägt ist. Laut der eben genannten Defini-tion gehören nicht weniger als 99,6 % aller deutschen Unternehmen zum Mittel-stand. Diese Unternehmen beschäftigen 60,2 % aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sie machen 38,5 % aller steuerpflichtigen Umsätze, und sie bilden 83,1 % der Auszubildenden aus.2

Noch wichtiger ist die Bedeutung des Mittelstandes als Joblokomotive. In diesem Zusammenhang sind die Zahlen besonders aufschlussreich, die die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) im Jahre 2006 vorgelegt hat, zu einer Zeit also, zu der die Arbeitsmärkte in der Bundesrepublik Deutschland durch starke Ungleichgewichte geprägt waren. Wie die KfW nachgewiesen hat, war der Beschäftigungszuwachs in den Jahren 2003 bis 2005 ausschließlich durch die mittelständischen Unter-nehmen getragen: Während Großunternehmen und öffentlicher Dienst in diesen Jahren rund 300.000 Arbeitsplätze abbauten, hat der Mittelstand im gleichen Zeitraum nicht weniger als 400.000 Stellen neu geschaffen. Ein weiteres – qualita-tives – Moment kommt hinzu: Da diese neu geschaffenen Arbeitsplätze vor allem im Bereich der wissensintensiven Dienstleistungen und damit in einem in die Zukunft gerichteten Sektor angesiedelt waren, haben sie den sektoralen Struktur-wandel begünstigt.3 Dem entspricht es, dass im gleichen Zeitraum, vor allem in der Baubranche und im Verarbeitenden Gewerbe, Arbeitsplätze abgebaut wurden. Der Mittelstand fungiert hier also in einer Doppelrolle als Joblokomotive und als treibende Kraft des sektoralen Strukturwandels, der mittel- bis langfristig über die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft entscheidet.

Zu Recht wird immer wieder darauf hingewiesen, dass Deutschland seinen Status als Exportweltmeister vor allem dem Innovationspotenzial seiner kleinen und mittleren Unternehmen zu verdanken hat. Tatsächlich halten die mittelständi-schen Unternehmungen rund ¾ aller Patente in Deutschland. Die Zündkerze, der Fischer-Dübel oder die Büroklammer – all dies sind Erfindungen deutscher Mittel-ständler, die inzwischen weltweit ihren Siegeszug angetreten haben. Aber – diesem Thema hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau ihr Mittelstandspanel 2007 gewidmet – gerade auf dem Gebiet der Innovation droht dem Mittelstand derzeit bundesweit erhebliche Gefahr. So haben im Jahre 2006 nur etwa 43 % der mittel-ständischen Unternehmen erfolgreich neue Produkte eingeführt,4 wobei es sich nur bei einem Bruchteil um wirkliche Neuerungen (im Gegensatz zur Modifika-tion bewährter Produkte) gehandelt hat. Besorgniserregend ist es vor allem, dass nur 9 % der mittelständischen Unternehmen in der Lage sind, kontinuierlich zu forschen.5 Es zeigt sich in den letzten Jahren eine zunehmende Spreizung inner-halb des Mittelstandes sowohl bei Investitionen wie auch bei Innovationen. Es sind vor allem die größeren Mittelständler, die über ausreichend Eigenkapital ver-fügen, um regelmäßig in Forschung und Entwicklung zu investieren und damit ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern.

2 Vgl. www.ifm-bonn.org/index.php?id=956. 3 Vgl. KfW-Mittelstandspanel 2006.4 Vgl. KfW-Mittelstandspanel 2007, S. 73.5 Vgl. ebenda, S. 75.

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Gleichzeitig aber – und das geht gerade in der Globalisierungsdiskussion manch-mal unter – gehört der deutsche Mittelstand zu den ganz großen Gewinnern der Globalisierung. Denn dem Effizienzdruck durch die Globalisierung ist es geschul-det, dass sich heute – im Gegensatz zum Beginn des jetzt zu Ende gehenden Indus triezeitalters – in vielen Branchen ein Dekonzentrationsprozess vollzieht. Das liegt daran, dass die Großkonzerne sich immer stärker auf ihre absoluten Kernbereiche konzentrieren und Vorleistungen auslagern – und zwar an mittel-ständische Unternehmen, die sich aus den alten Großkonzernen herausgründen. Das ist volkswirtschaftlich zu begrüßen, weil – wenn ihre Kapitaldecke ausrei-chend stark ist – erwartet werden kann, dass die neuen, kleinen Unternehmen weni ger schwerfällig, weniger bürokratisch und damit flexibler und innovativer sein werden als die Großunternehmen. Das ist aber auch gesellschaftlich zu begrü ßen, weil der sich immer schneller vollziehende technologische und gesell-schaftliche Wandel den Menschen zweifellos ein immer größeres Maß an Flexibi-lität abverlangt. Dafür können sie entschädigt, u. U. sogar überkompensiert wer-den, wenn sie nicht in einem anonymen Großbetrieb beschäftigt sind, sondern in kleinere, überschaubare Einheiten integriert sind, die durch persönliche Beziehun-gen und ein stärkeres Zusammengehörigkeitsgefühl geprägt sind.

Unter den Mittelständlern gibt es beeindruckende Beispiele dynamischen Wachs-tums. Wachstumschampions im Mittelstand erreichen führende Weltmarkposi-tionen in ihren spezifischen Märkten. Erfolgsfaktoren sind Innovationen, nicht nur bei Produkten, sondern breit gefächert in den Bereichen Produktion, Marketing, Logistik, Vertrieb und Service. So entstehen neue Lösungen in enger Abstimmung mit den anspruchsvollen Kunden oft schneller als in großen Konzernen. Dies ge-lingt nur mit hervorragend qualifizierten und motivierten Mitarbeitern, die gehal-ten werden und sich gut entwickeln können. Zweistellige Wachstumsraten sind dann möglich. Bei offenen, bestreitbaren Märkten ohne Markteintrittsbarrieren entsteht daraus auch kein wettbewerbspolitisches Problem. Solche international erfolgreichen Weltmeister im Mittelstand sind auch keine „hidden champions“. Ihre besondere Leistungsfähigkeit wird von Kunden, Lieferanten und Wettbewer-bern erkannt. Unter den Top 100 Wachstumschampions im „klassischen“ indus-triellen Mittelstand (Firmenranking von Prof. Bernd Venohr FHW Berlin im Auf-trag von VDI) finden sich auch herausragende Thüringer Unternehmen.6

Im Kontext dieses Dreiklangs – Innovation, sozialer Zusammenhalt und Globa-lisierung – müssen auch die Entwicklungsperspektiven des Thüringischen Mit-telstandes diskutiert werden. Daran orientiert sich auch die Gliederung des vor-liegenden Berichts. Im zweiten Kapitel werden zunächst die wirtschaftlichen Rah-menbedingungen im Kontext internationaler Entwicklung herausgearbeitet. Anschließend werden die wichtigsten Herausforderungen untersucht, die sich daraus für den Thüringer Mittelstand ergeben. Das vierte Kapitel behandelt das Themengebiet „Humankapital und Fachkräfte“, das von ganz entscheidender Bedeu tung für das künftige Entwicklungspotenzial der kleinen und mittleren Unternehmen im Freistaat ist. Der Bericht fragt an dieser Stelle auch nach dem Einfluss „weicher“ Standortfaktoren für die Migrationsentscheidungen qualifi-zierter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Im fünften Kapitel schließlich wird die Mittelstandspolitik des Freistaates dargestellt und der Frage nachgegangen, inwieweit sie bisher dazu beigetragen hat, einen zukunftsorientierten Mittelstand in Thüringen zu etablieren. Der Bericht schließt mit Handlungsempfehlungen.

6 Vgl. VDI nachrichten (13.03.2009), S. 5.

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Die Kernthesen des vorliegenden Berichts, die im Folgenden näher ausgeführt werden sollen, lauten wie folgt: Will man die derzeitige Ausgangslage des Thürin-ger Mittelstandes charakterisieren, so ist zum einen festzustellen, dass kaum ein anderes Land so stark mittelständisch geprägt ist wie der Freistaat. Hinsichtlich der Betriebsdichte je Einwohner hat Thüringen inzwischen sogar Baden-Württem-berg überholt und liegt bundesweit an der Spitze. Gleichzeitig ist in Thüringen eine extreme Spreizung hinsichtlich Investitionen und Innovationen zu konsta-tieren. Es existiert eine breit diversifizierte Gruppe äußerst innovativer Mittel-ständler, unter ihnen Weltmarktführer für hoch spezialisierte, wissensintensive Güter und Dienstleistungen. Der Erfolg dieser Firmen ist in erster Linie ein Erfolg der dahinterstehenden Unternehmerpersönlichkeiten. Er ist aber auch das Ergeb-nis einer effizienten Förderpolitik durch die Thüringische Landesregierung, die sich stärker als in anderen Ländern auf die kleineren und mittleren Unternehmen konzentriert hat. Zum anderen ist nicht zu übersehen, dass der Gruppe der inno-vativen und erfolgreichen thüringischen Mittelständler, deren Kapitaldecke inzwi-schen ausreicht, um ihr Humankapital ausreichend zu erhalten und zu erneuern, eine Gruppe von Klein- und Kleinstunternehmen gegenübersteht, für die dies nicht oder in weit geringerem Maße der Fall ist. Die erste Gruppe wird auch gerade von der Globalisierung weiterhin stark profitieren. In der zweiten Gruppe werden jedoch die hauptsächlich direkt mit internationalen Wettbewerbern kon-kurrierenden Unternehmen mit einem erheblichen Wettbewerbsdruck konfron-tiert sein und ein Teil deshalb auch in ihrer Existenz gefährdet, sofern es ihnen nicht gelingt, die Nachteile bezüglich der Kapital- und Humankapitalausstattung zu kompensieren. Die zu geringe Betriebsgröße vieler Thüringer mittelständischer Unternehmen ist neben der Abwanderung das wohl größte Problem des Thürin-ger Mittelstandes.

Die Zukunft des Mittelstandes wird darin liegen, sich für ganz konkrete Projekte und auf begrenzte Zeit flexibel mit anderen mittelständischen Firmen zu strate-gischen Allianzen zusammenzuschließen.7 Das gilt bundesweit, wiegt jedoch in Thüringen aufgrund der geringeren durchschnittlichen Betriebsgrößen schwerer. Hier ist ein Lernprozess erforderlich, da nicht wenige mittelständische Unterneh-merinnen und Unternehmer solchen Allianzen bisher noch kritisch bis ablehnend gegenüberstehen. Eine wichtige Aufgabe der Mittelstandsförderung ist es, diesen Lernprozess – etwa im Rahmen von Workshops und Seminaren – zu unterstützen oder temporären Zusammenschlüssen auch materiell zu helfen.

Was Thüringen anbelangt, so hat die Förderpolitik der Landesregierung seit 1990 wesentlich dazu beigetragen, dass im Freistaat wieder eine gesunde industrielle Basis entstanden ist. Dabei ist aber nicht zu übersehen, dass in Thüringen der An-teil kleiner Unternehmen größer als im bundesweiten Vergleich ist und Thüringen auch durch eine schwächere Position bei den wissensnahen Dienstleistungen cha-rakterisiert wird. Soweit wissensintensive Dienstleistungen auch das Wachstum im Verarbeitenden Gewerbe befruchten, sollte im Sinne einer antizipierenden För-derpolitik versucht werden, das zu beobachtende Ungleichgewicht zu verringern.

Das zentrale Anliegen der Mittelstandsförderung ist die Sicherung und die Schaf-fung von Arbeitsplätzen. Im Sinne der Funktion des Mittelstandes als Quelle so-zialen Zusammenhaltes handelt es sich dabei um qualitativ hochwertige Arbeits-plätze, weil sie das Arbeiten in überschaubaren Unternehmen ermöglichen, und

7 Vgl. Barrantes (2000).

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das heißt eben auch: in einer nicht völlig anonymisierten Arbeitswelt. In diesem Sinne ist es sinnvoll, dass sich die Mittelstandsförderung wesentlich am Arbeits-platz-Kriterium orientiert. Dabei gilt es nach Möglichkeit, potenzielle Zielkonflikte zwischen der kurzen und der langen Frist in die Vergabeentscheidung mit einzu-beziehen. Denn wenn etwa ein Unternehmen eine technische Neuerung einführt, die kurzfristig arbeitsplatzneutral ist oder sogar temporär zu Entlassungen führt, so ist dies häufig nicht nur die einzige Möglichkeit, international konkurrenzfähig zu bleiben und damit Arbeitskräfte dauerhaft zu erhalten. Sondern indem ein sol-ches Unternehmen den Strukturwandel befördert und neue Wachstumspoten-ziale erschließt, kann es mittel- bis langfristig möglicherweise selbst neue Arbeits-plätze schaffen oder durch seine gestiegene Nachfrage nach Vorleistungen die Nachfrage nach Arbeit bei anderen Unternehmen erhöhen. Der alles entscheiden-de komparative Vorteil des Hochlohnlandes Deutschland liegt im Humankapital. Folglich berücksichtigt die Mittelstandsförderung in Deutschland und in Thürin-gen bei der Vergabe von Mitteln das Innovationspotenzial bereits heute als eines von mehreren Kriterien. Unsere Empfehlung lautet, die Gewichtung dieses Krite-riums in den kommenden Jahren sukzessive anzuheben.

Ohne den Schlussfolgerungen des Berichts vorgreifen zu wollen, können aus den hier vorgetragenen grundsätzlichen Überlegungen schon einige grundlegende Implikationen für die Zukunft der Mittelstandsförderung abgeleitet werden. Es sollte bereits deutlich geworden sein: Ihre Doppelfunktion als Innovationsmotor und Quelle gesellschaftlichen Zusammenhaltes können die mittelständischen Betriebe nur dann spielen, wenn sie humankapitalintensive Güter produzieren und an der Spitze des Strukturwandels agieren. Denn bei der Produktion relativ einfacher Güter stehen sie hinsichtlich der Kostenstruktur unter dem doppelten Druck: einerseits die größeren inländischen Anbieter und andererseits die auslän-dischen Anbieter mit in der Regel geringeren Lohnstückkosten als in Deutschland. Der Vorsprung erfolgreicher Mittelständler ist dort am größten, wo er sich auf eine Ressource stützt, die nur in einer hochgradig entwickelten Gesellschaft in rela tiv hohem Maße vorhanden: Wissen. Vielfach weisen kleine und mittlere Unternehmen in besonderem Maße Flexibilität und Pioniergeist auf, um neuem Wissen zur wirtschaftlichen Anwendung zu verhelfen. Gelingt ihnen dies, so sor-gen sie regelmäßig für positive externe Effekte. Denn über kurz oder lang diffun-dieren die neuen Produktions- oder Organisationsverfahren über die Volkswirt-schaft und führen auch in den größeren Betrieben (und gegebenenfalls auch in der staatlichen Verwaltung) zu Produktivitätsgewinnen. Das macht die gesamte Volkswirtschaft international wettbewerbsfähiger und sorgt für Wirtschaftswachs-tum – und wirtschaftliches Wachstum ist der Schlüssel zur Reduzierung von Arbeitslosigkeit!

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2 Weltwirtschaftliche lage und wirtschaftliche entwicklung in thüringen2.1 Gesamtwirtschaftliche entwicklung, weltwirtschaftliche lage und situation in thüringen

Die ökonomische Entwicklung Thüringens ist über die globalen Verflechtungen der Güter-, Dienstleistungs- und Finanzmärkte mit der weltwirtschaftlichen Ent-wicklung verbunden. Deshalb hat auch die internationale Finanz- und Wirtschafts-krise Rückwirkungen auf die Unternehmen in Thüringen. Das gesamtwirtschaft-liche Umfeld war in den letzten Jahren geprägt von einem kontinuierlichen Wachs-tum der Weltproduktion, das im Jahr 2009 zum Erliegen kam (vgl. Abbildung 2.1). Während das Welt-BIP im Jahr 2008 noch um etwa 3 % zulegen konnte, errech-nete der IMF (International Monetary Fund = Internationaler Währungsfonds – IWF) für das Jahr 2009 ein Negativwachstum (-0,6 %); für 2010 und 2011 rechnet der IMF hingegen wieder mit 4,8 % bzw. 4,2 % Wachstum. Die Entwicklung des Welt-BIPs ist eng gekoppelt an das Welthandelsvolumen. Abbildung 2.2 verdeut-licht den drastischen Einbruch des Welthandels im 4. Quartal 2008. Das Volumen des Welthandels lag allein im ersten Quartal 2009 rund 20 % unter seinem Niveau im ersten Quartal des Vorjahres. Für das Gesamtjahr 2009 beziffert der IMF den Rückgang des Welthandels mit -11,0 %. Für 2010 und 2011 werden Anstiege von jeweils 11,4 % bzw. 7,0 % erwartet.8

8 Vgl. Netherlands Bureau of Economic Policy Analysis (2009); International Monetary Fund (IMF) (2010).

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1

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%

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2009

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Welt-Produktion

Abb. 2.1Quellen: IMF (2010); HWWI.

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Die Exporttätigkeit der deutschen Wirtschaft reflektiert die Belebung des Welt-handels. Das HWWI prognostiziert für das Jahr 2010 einen Anstieg der deutschen Exporte im Vergleich zum Vorjahr um 15,5 % und eine Zunahme des deutschen BIPs um 3,4 %. Mit der Erholung des Welthandels auf Vorkrisenniveau kommt der weltwirtschaftliche Aufschwung wieder in Gang. Insgesamt implizieren die in Tabelle 2.1 dargestellten wirtschaftlichen Eckdaten für die Unternehmen in Thürin-gen für das Jahr 2010 ein günstiges makroökonomisches Umfeld. Die Verbesse-rung der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen wird sich im Jahr 2011 wei-ter fortsetzen. Für das Jahr 2011 ergibt die HWWI-Prognose einen weiteren Anstieg der deutschen Exporte (+9,7 %) und des gesamtwirtschaftlichen Wachstums (+2,5 %).

Welthandel, 2000 bis 2009

Abb. 2.2Quellen: Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (2009); HWWI.

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Volu

men

, 200

0 =

100

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Die Wirtschafts- und Finanzkrise wirkt sich heterogen auf einzelne Wirtschafts-zweige aus, weil diese unterschiedlich intensiv in die internationale Arbeitsteilung integriert sind. Aufgrund der hohen Präsenz auf Auslandsmärkten haben die gegenwärtigen weltwirtschaftlichen Entwicklungen relativ starke Rückwirkungen auf die deutschen Industrieunternehmen. Im Verarbeitenden Gewerbe in Deutsch-land entfallen etwa 43 % der Umsätze auf Auslandsgeschäfte.9 Abbildung 2.3 verdeutlicht, dass das Verarbeitende Gewerbe von den Umsatzeinbrüchen seit Mitte 2008 schwerer betroffen ist als das Dienstleistungsgewerbe. Das Umsatz-volumen im Verarbeitenden Gewerbe war im November 2009 allerdings nur noch -6,5 % niedriger als im entsprechenden Vorjahresmonat.

Wirtschaftliche eckdaten für deutschland

2007 2008 2009 2010 2011

(Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr)

bruttoinlandsprodukt1 2,7 1,0 -4,7 3,4 2,5

Private Konsumausgaben -0,2 0,7 -0,2 0,0 1,5

Konsumausgaben des Staates 1,6 2,3 2,9 2,5 -0,8

Anlageinvestitionen 4,7 2,5 -10,1 5,1 2,7

Ausrüstungen 10,7 3,5 -22,6 9,2 4,7

Bauten -0,5 1,2 -1,5 1,8 0,5

Sonstige Anlagen 6,8 6,5 5,6 5,8 4,9

inlandsnachfrage 1,3 1,2 -1,9 2,0 1,4

Ausfuhr 7,6 2,5 -14,3 15,5 9,7

Einfuhr 5,0 3,3 -9,4 13,8 8,5

arbeitsmarkt

Erwerbstätige 1,7 1,4 0,0 0,2 0,4

Arbeitslose (Mio. Personen) 4,78 3,27 3,42 3,25 3,06

Arbeitslosenquote2 (in %) 8,7 7,5 7,9 7,5 7,0

Verbraucherpreise 2,3 2,6 0,4 1,0 1,5

Finanzierungssaldo des Staates (in % des BIP)

0,3 0,1 -3,0 -3,4 -2,1

leistungsbilanzsaldo3 (in % des BIP) 7,6 6,7 5,0 5,0 5,4

1 Preisbereinigt. 2 Arbeitslose in % der inländischen Erwerbspersonen (Wohnortkonzept). 3In der Abgrenzung der Zahlungsbilanzstatistik.Quellen: Statistisches Bundesamt; Deutsche Bundesbank; Bundesagentur für Arbeit; 2010 und 2011: Prognose des HWWI.

Tabelle 2.1

9 Vgl. Statistisches Bundesamt (2009).

16

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Die Stärke der ökonomischen Rückwirkungen des weltweiten Abschwungs unter-scheidet sich zwischen den deutschen Ländern unter anderem aufgrund unter-schiedlicher wirtschaftsstruktureller Bedingungen. Länder mit einem höheren Anteil von Branchen mit relativ hoher Exportorientierung, wie etwa dem Fahr-zeug- und Maschinenbau, sind von der weltweiten Rezession überdurchschnitt-lich stark betroffen. Dies trifft in Deutschland beispielsweise auf Baden-Würt-temberg zu, wo die Exportquote der Industrie bei 48 % liegt (vgl. Tabelle 2.2). Thüringens Industrieunternehmen befinden sich mit einer durchschnittlichen Export quote von 30,3 % knapp unterhalb des entsprechenden Durchschnittswer-tes für die ostdeutschen Länder (30,9 %) und deutlich unterhalb der durchschnitt-lichen Quote der alten Länder (44,3 %) und dem gesamtdeutschen Durchschnitt von 42,8 % (vgl. Tabelle 2.2).

Umsätze im Verarbeitenden Gewerbe und im dienstleistungsbereich in deutschland

Abb. 2.3Quellen: Statistisches Bundesamt (2010); HWWI.

Inde

x 20

08 =

100

2008 2009

70

80

90

100

110

120

130Verarbeitendes GewerbeEinzelhandelGroßhandel

17

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

ausfuhr pro erwerbstätigen und exportanteil der industrie

Ausfuhr pro Erwerbstätigen Exportanteil Industrie

2000 2005 2008 2000 2005 2008

€ € € % % %

baden-Württemberg 18.869 22.788 26.947 41,6 47,0 48,0

bayern 14.686 19.944 23.451 40,3 45,4 47,9

berlin 5.186 6.456 7.010 23,6 30,4 38,6

brandenburg 4.022 6.591 11.342 17,9 21,7 23,5

bremen 23.944 32.911 34.471 49,5 53,8 50,6

hamburg 19.534 21.187 29.064 17,1 19,3 23,9

hessen 10.331 13.031 16.418 37,4 43,2 47,0

Mecklenburg-Vorpommern 3.197 4.081 8.157 21,6 19,9 24,6

niedersachsen 13.322 17.084 20.894 40,2 40,1 42,6

nordrhein-Westfalen 13.222 17.191 13.768 34,7 38,7 41,5

rheinland-Pfalz 13.903 19.033 24.251 40,6 46,9 47,9

saarland 17.427 22.780 27.676 39,9 44,6 46,7

sachsen 5.288 9.335 11.837 25,6 30,7 33,9

sachsen-anhalt 3.654 7.796 12.572 15,7 23,4 28,0

schleswig-holstein 8.600 13.301 14.490 31,7 41,2 40,0

thüringen 4.236 7.817 10.777 22,8 29,3 30,3

neue bundesländer 4.496 7.380 10.293 21,9 27,3 30,9

alte bundesländer 14.465 18.653 22.206 37,8 42,1 44,3

deutschland 12.559 16.577 20.775 36,3 40,6 42,8

Quellen: Statistisches Bundesamt (2009); Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2009a); HWWI.

Tabelle 2.2

18

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Die Tatsache, dass die exportschwächeren ostdeutschen Länder weniger intensiv in die internationale Wertschöpfung eingebunden sind als zahlreiche westdeut-sche Länder, begründet tendenziell eine geringere Betroffenheit von dem gegen-wärtigen Nachfrageausfall auf Auslandsmärkten aufgrund der globalen Wirt-schafts- und Finanzkrise. Eltges et al. (2009) schlussfolgern in diesem Zusam-menhang, dass sich das großräumige West-Ost-Gefälle der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Zuge der mit der gegenwärtigen Krise verbundenen Anpas-sungsprozesse abschwächen könnte. Die Aussage ist jedoch für Thüringen dahin-gehen zu relativieren, dass zahlreiche Unternehmen in Thüringen „verlängerte Werkbänke“ von exportstarken Unternehmen, beispielsweise in Süddeutschland sind. Die rückläufigen Exporte dieser Unternehmen übertragen sich deshalb über Wertschöpfungsketten auch negativ auf die Umsätze der Unternehmen in Thürin-gen. Zudem ist der eventuelle Rückgang des Ost-West-Gefälles nicht auf einen Aufholprozess der ostdeutschen Länder zurückzuführen, sondern darauf, dass Westdeutschland in besonderem Maße von der Finanz- und Wirtschaftskrise betrof fen sein wird.10

Generell hat sich der Außenhandel Thüringens aber positiv entwickelt. Von 2000 bis 2008 stieg der Exportanteil am Umsatz der Industrie in Thüringen um 7,5 Pro-zentpunkte. Die Ausfuhr pro Erwerbstätigen betrug im Jahr 2008 das 2,5-fache des Jahres 2000. Von 2005 bis 2008 stieg dieser Wert um 37 %. Diese Ent wicklung verdeutlicht, dass Thüringens Integration in die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung sukzessive zugenommen hat. Hiermit hat Thüringen hinsichtlich der Exportorien-tierung innerhalb Ostdeutschlands bereits eine sehr gute Position erreicht und die Thüringer Unternehmen sind vergleichsweise erfolgreich auf ausländischen Absatzmärkten. Die Wettbewerbsfähigkeit der Thüringer Unternehmen auf aus-ländischen Märkten, die sich in den Exportverflechtungen widerspiegelt, weicht jedoch weiterhin von den Unternehmen in deutlich exportstärkeren westdeut-schen Ländern ab.

Rückt man die krisenbedingten Entwicklungen in den Hintergrund und betrachtet die mittelfristige Entwicklung Thüringens, dann zeichnet sich in vielen Bereichen seit dem Jahr 2000 ein positiver Trend ab. Im Zeitraum von 2005 bis 2008 haben sich die positiven ökonomischen Entwicklungstendenzen hinsichtlich des BIP-Wachstums verstärkt und eine Verbesserung der Arbeitsmarktbedingungen setzte ein (Entstehung von neuen Arbeitsplätzen und Rückgang der Arbeitslosenquote – vgl. Abbildungen 2.4 bis 2.6). Thüringen konnte im Zeitraum von 2005 bis 2008 das Bruttoinlandsprodukt überdurchschnittlich um 11 % steigern. Allerdings blieb Thüringen im Jahr 2007 und 2008 in seiner wirtschaftlichen Dynamik leicht hinter der Gesamtheit der neuen Länder zurück. Die Wachstumsraten übertrafen jedoch den Wert für Deutschland insgesamt.

Die mittelfristige positive Entwicklung der Erwerbstätigenzahlen spiegelt sich in der jüngeren Zeit an der Entwicklung der Zahl der Arbeitsplätze wider. Zwar nahm die Zahl der Erwerbstätigen zwischen 2000 und 2008 insgesamt ab, zwischen dem Jahr 2005 und 2008 stieg die Anzahl der Arbeitsplätze in Thüringen jedoch um 2,2 %. Hiermit ist Thüringen zwar hinter der durchschnittlichen relativen Zunahme von Arbeitsplätzen in Ostdeutschland und in Deutschland zurückge-blieben (vgl. Abbildung 2.7). Die Arbeitslosenquoten liegen in Thüringen jedoch

10 Vgl. Eltges et al. (2009), S. 7.

19

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

bereits – wenngleich weiterhin auf einem sehr hohen Niveau – deutlich unterhalb des durchschnittlichen Niveaus der neuen Länder. Es zeigt sich ferner ein stetiger Konvergenzprozess zwischen der Arbeitslosenquote in Thüringen und der gesamt-deutschen Arbeitslosenquote. Die Differenz der Arbeitslosenquote zwischen Thü-ringen und Gesamtdeutschland betrug im Jahr 2000 5,8 Prozentpunkte und lag im Jahr 2003 bei 6,2 Prozentpunkten. Bis zum Jahr 2008 verringerte sich dieser Abstand auf 3,5 Prozentpunkte.11 Allerdings ist der Rückgang der Arbeitslosen-quoten in Thüringen nicht allein auf die ökonomische Dynamik zurückzuführen. Die hohe Abwanderung von Personen im erwerbsfähigen Alter reduziert ebenfalls die Arbeitslosenzahlen.

Der Abstand zwischen der Thüringer Arbeitslosenquote und dem deutschen Durchschnittswert könnte sich im Rahmen der aktuellen Wirtschaftskrise reduzie-ren. Hierzu trägt die Tatsache bei, dass Thüringer Firmen angesichts des in zahl-reichen Wirtschaftszweigen zunehmenden Fachkräftemangels und der Gefahr weiterer Abwanderungen von Arbeitskräften in der Tendenz schnelle Entlassun-gen vermeiden werden. Diese Einschätzung bestätigen die Ergebnisse einer IWH-Umfrage. Anfang 2009 planten lediglich 21 % der befragten ostdeutschen Indust-rieunternehmen einen Personalabbau, während 27 % vorsahen, ihre Belegschaft aufzustocken.12

11 Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2009).12 Vgl. Dettmann et al. (2009).

Wachstumsrate des bruttoinlandsprodukts

Abb. 2.4Quellen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2009b); HWWI.

0 5 10 15 20 25 %

2005–20082000–20052000–2008

Neue Bundesländer

Alte Bundesländer

Deutschland

Thüringen

20

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

entwicklung der erwerbstätigenzahl

arbeitslosenquote bezogen auf alle zivilen erwerbspersonen

Abb. 2.5Quellen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2009b); HWWI.

Abb. 2.6Quellen: Bundesagentur für Arbeit (2009); HWWI.

-8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8

2000 – 20082000 – 20052005 – 2008

Neue Bundesländer

Alte Bundesländer

Deutschland

Thüringen

6

8

10

12

14

16

18

20ThüringenNeue BundesländerAlte BundesländerDeutschland

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

%

21

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Ein wichtiger Indikator für die längerfristigen ökonomischen Entwicklungstenden-zen insbesondere im Hinblick auf die technologische Leistungsfähigkeit und Inno-vationsfähigkeit – ist das Produktivitätswachstum. Thüringen hat seit dem Jahr 2000 deutliche Produktivitätszuwächse erzielt, die jedoch wie in allen ostdeut-schen Ländern mit einem Abbau von Arbeitsplätzen einhergingen (vgl. Abbildung 2.7). In den westdeutschen Ländern konnten hingegen gleichzeitig sowohl Pro-duktivitätszuwächse wie auch ein Anstieg der Erwerbstätigenzahlen realisiert wer-den. Abbildung 2.7 verdeutlicht die Spaltung der ökonomischen Entwicklungs-prozesse zwischen Ost- und Westdeutschland. In Ostdeutschland fanden Produk-tivitätsfortschritte im Durchschnitt der letzten Jahre weiterhin auf Kosten von Arbeitsplätzen statt.

Wachstumsrate von Produktivität und erwerbstätigen, 2000 bis 2008

Abb. 2.7Quellen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2009b); HWWI.

Prod

uktiv

itäts

wac

hstu

m in

%

Erwerbstätigenwachstum in %

Thüringen

ST

MVBB

SNSL

HB

NW

HE

SH

BE

RP

NIHH

BY

BW

Deutschland

Alte Bundesländer

5

10

15

20

25

30

-4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7

Neue Bundesländer

22

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Die generell positiven ökonomischen Entwicklungstrends in Thüringen im Zeit-raum von 2005 bis 2008 (vgl. Kasten 1), die sich in einem kontinuierlichen Anstieg der Produktion zeigen, befördern auch einen Aufholprozess hinsichtlich des Pro-Kopf-Einkommens. Zwar liegt Thüringen absolut gesehen sowohl hinter dem ost-deutschen als auch dem bundesdeutschen Durchschnitt zurück. Der Freistaat konnte aber zwischen 2000 und 2007 mit 21,4 % unter den in Abbildung 2.8 betrachteten Vergleichsgruppen die höchste Zuwachsrate des Pro-Kopf-Einkom-mens realisieren.13

13 Vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2009b); die Werte für das Jahr 2008 waren zum Zeitpunkt der Erstellung der Studie noch nicht verfügbar.

Volkseinkommen je einwohner

Abb. 2.8Quellen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2009b); HWWI.

0 5 10 15 20 25 30 %

2005 – 20072000 – 20052000 – 2007

Neue Bundesländer

Alte Bundesländer

Deutschland

Thüringen

23

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Ökonomische entwicklung thüringens 2005 bis 2008 in aller Kürze

Nach verhaltener Wirtschaftsentwicklung im Jahr 2005 beschleunigte sich ab dem Jahr 2006 bis zum 3. Quartal des Jahres 2008 die konjunkturelle Entwicklung. Das Wachstum in Deutschland und in Thüringen wurde insbesondere gefördert durch eine anhaltend hohe Nachfrage aus dem Ausland und steigende Anlageinves-titionen. Das Bruttoinlandsprodukt stieg im Zeitraum von 2005 bis 2008 von 44,8 Mrd. Euro auf 49,8 Mrd. Euro. Wesentlichen Anteil an diesem Wachstum hatte die Bruttowertschöpfung des Produzierenden Gewerbes, welches in allen Jahren des Berichtszeitraumes Wachstumsraten von über 7 % erzielte. Die etwas schwächere Entwicklung in Thüringen gegenüber den anderen ostdeutschen Län-dern liegt in der Struktur der Volkswirtschaft begründet. Während das Verarbei-tende Gewerbe in Thüringen mit 23,7 % Anteil an der BWS den deutschen Durch-schnittswert von 23,5 % erreicht hat, besteht ein erheblicher Nachholbedarf im Bereich „Finanzierung, Vermietung, Unternehmensdienstleister“. Nach Rückgang und Stagnation der Beschäftigung in den vorliegenden Jahren konnte im Berichts-zeitraum die Beschäftigung deutlich ausgeweitet werden. Die Zahl der Erwerbs-tätigen stieg im Zeitraum von 2005 bis 2008 um 22.400 auf 1.027.800 Personen. Das Verarbeitende Gewerbe hatte mit 10.900 und die Unternehmensdienstleister mit 14.800 den größten Zuwachsanteil. Ende Juni 2008 waren in Thüringen ins-gesamt 736.814 Personen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das waren 28.550 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse oder 4,0 % mehr als Juni 2005. Der Anteil der Frauen konnte nur um 6.832 Personen gesteigert werden und betrug Ende Juni 2008 352.446 Personen, was einem Anteil von 47,8 % entspricht. Das größte Wachstum bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen hatten die Bereiche Vermietung und Unternehmens-dienstleistung (+15.404) und das Verarbeitende Gewerbe (+14.887). Zwischen 2005 und 2008 hat sich die Lage auf dem Thüringer Arbeitsmarkt deutlich ver bessert. Mit jahresdurchschnittlich 135.203 Arbeitslosen verzeichnet Thürin-gen die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 1996. Das sind jahresdurchschnittlich 74.769 Arbeitslose oder 35,6 % weniger als im Jahr 2005. Thüringen hat damit im Berichtszeitraum den höchsten Rückgang aller ostdeutschen Länder. Die jah-resdurchschnittliche Arbeitslosenquote in Thüringen lag 2008 bei 11,3 % (2007: 13,2 %; 2006: 15,6 %; 2005: 17,1 %).

Kasten 1: Quelle: Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit (2009), Wirtschaftsbericht 2009 für den Freistaat Thüringen.

24

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

2.2 Wirtschaftsstruktur

In Thüringen, wie in Deutschland insgesamt, ist der Dienstleistungssektor der domi nierende Wirtschaftszweig. In den zugehörigen Unternehmen sind im Jahr 2008 65,5 % der Bruttowertschöpfung in Thüringen entstanden (vgl. Abbildung 2.9). Hierbei weist der Dienstleistungssektor in Thüringen im Vergleich zu Deutschland eine etwas andere Struktur auf. Der Bereich der öffentlichen und pri-vaten Dienstleistungen ist größer und der Anteil des Wirtschaftszweigs „Finanzie-rung, Vermietung und Unternehmensdienstleister“ kleiner als im bundesdeut-schen Mittel.

Das Produzierende Gewerbe konnte hingegen in Thüringen ohne die Bauwirt-schaft seine Anteile sowohl an der Bruttowertschöpfung als auch an der Erwerbs-tätigkeit im Zeitraum von 2000 bis 2008 entgegen dem bundesweiten Trend erhö-hen. Das Wachstum der Bruttowertschöpfung der Industrie lag mit 54,2 % im Zeitraum von 2000 bis 2008 in Thüringen deutlich über dem Durchschnitt in den westdeutschen und den ostdeutschen Ländern (vgl. Abbildung 2.10). Von 2005 bis 2008 ist die Bruttowertschöpfung in diesem Wirtschaftszweig um 17,9 % gestie gen (vgl. Abbildung 2.11). Zum Vergleich: Der Zuwachs der Bruttowert-schöpfung im Dienstleistungssektor betrug in diesem Zeitraum 6,8 %. Die Pro-duktivitätsentwicklung verlief in den einzelnen Wirtschaftszweigen seit 2005 posi-tiv (vgl. Abbildung 2.12), wobei Thüringen im Durchschnitt hinter dem Produkti-vitätsniveau der Vergleichsgruppen zurückbleibt.

Die Landwirtschaft hat für Thüringen, wie für die deutsche Volkswirtschaft insge-samt, nur eine geringe ökonomische Bedeutung. Dieser Wirtschaftszweig trägt mit 1,4 % zur Bruttowertschöpfung bei, konnte aber auch im Vergleich zu 2005 wieder deutliche Produktivitätszuwächse realisieren und befindet sich auf dem deutschen Durchschnittsniveau.

bruttowertschöpfungsanteil nach Wirtschftsbereichen, 2008

Abb. 2.9Quellen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2009b); HWWI.

0 5 10 15 20 25 30 35 %

Produzierendes Gewerbeohne Baugewerbe

Baugewerbe

Handel; Gastgewerbe undVerkehr

Finanzierung; Vermietung undUnternehmensdienstleister

Öffentliche und privateDienstleister

Land- und Forstwirtschaft;Fischerei

ThüringenNeue BundesländerAlte BundesländerDeutschland

25

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Wachstum bruttowertschöpfung, in jeweiligen Preisen, 2000 bis 2008

Abb. 2.10Quellen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2009b); HWWI.

-30 -20 -10 0 10 20 30 40 50 60 %

Produzierendes Gewerbeohne Baugewerbe

Baugewerbe

Insgesamt

Handel; Gastgewerbe undVerkehr

Finanzierung; Vermietung undUnternehmensdienstleister

Öffentliche und privateDienstleister

Land- und Forstwirtschaft;Fischerei

ThüringenNeue BundesländerAlte BundesländerDeutschland

Wachstum bruttowertschöpfung, in jeweiligen Preisen, 2005 bis 2008

Abb. 2.11Quellen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2009b); HWWI.

Produzierendes Gewerbeohne Baugewerbe

Baugewerbe

Insgesamt

Handel; Gastgewerbe undVerkehr

Finanzierung; Vermietung undUnternehmensdienstleister

Öffentliche und privateDienstleister

Land- und Forstwirtschaft;Fischerei

ThüringenNeue BundesländerAlte BundesländerDeutschland

0 5 10 15 20 25 %

26

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

19.000

21.000

23.000

25.000

27.000

29.000

31.000

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

29.000

39.000

49.000

59.000

69.000

79.000

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

19.000

24.000

29.000

34.000

39.000

44.000

49.000

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

24.000

27.000

30.000

33.000

36.000

39.000

42.000

45.000

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

Abb. 2.12Quellen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2009b); HWWI.

bruttowertschöpfung, in jeweiligen Preisen je erwerbstätigen, 2008

landwirtschaft

Produzierendes Gewerbe (ohne bau)

baugewerbe

handel, Gastgewerbe und Verkehr

27

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

64.000

69.000

74.000

79.000

84.000

89.000

94.000

99.0002000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

30.000

33.000

36.000

39.000

42.000

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

Abb. 2.12Quellen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2009b); HWWI.

31.000

36.000

41.000

46.000

51.000

56.000

61.000

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

ThüringenNeue BundesländerAlte BundesländerDeutschland

Finanzierung, Vermietung und Unternehmens dienstleister

Öffentliche und private dienstleister

insgesamt

bruttowertschöpfung, in jeweiligen Preisen je erwerbstätigen, 2008

28

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Das Umsatzwachstum im Verarbeitenden Gewerbe (vgl. Abbildung 2.13) in Thü-ringen lag im Zeitraum von 2000 bis 2007 deutlich oberhalb des bundesdeut-schen Trends sowie über der Entwicklung in Ostdeutschland, was ein Indikator für die positive Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit der Thüringer Industrieunter-nehmen ist.

entwicklung des Umsatzes im Verarbeitenden Gewerbe sowie bergbau und Gewinnung von steinen

Abb. 2.13Quellen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2009); HWWI.

100

110

120

130

140

150

160

170

180

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

Inde

x 19

99 =

100

Thüringen

Neue Bundesländer

Alte Bundesländer

Deutschland

Die relative Stärke der Thüringer Industrie verdeutlicht auch die sektorale Beschäf-tigungsentwicklung (vgl. Tabelle 2.3). Während die Zahl der Industriebeschäf-tigten in Thüringen zwischen dem Jahr 2000 und 2007 um 1,7 % stieg, ging die Indus triebeschäftigung in Deutschland in diesem Zeitraum um 8,4 % zurück. Auch hier sind die hohen Wachstumszahlen im Rahmen eines wirtschaftlichen Aufholprozesses zu sehen: So liegt die Industriedichte in Thüringen mit 63,4 Be-schäftigten je 1.000 Einwohner zwar an der Spitze Ostdeutschlands (47,5), der bundesdeutsche Schnitt ist mit 71,5 jedoch immer noch höher. Es ist hervorzu-heben, dass die Thüringer Unternehmen im Zeitraum von 2000 bis 2007 Indus-triearbeitsplätze aufgebaut haben, während die Beschäftigung in Thüringen um -11,8 % abgenommen hat. Besonders ausgeprägt war der Arbeitsplatzabbau im Agrarbereich (-27,4 %) und im Baugewerbe (-12,8 %).

29

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Hier sei noch erwähnt, dass bei der Bewertung der Beschäftigungsentwicklung im Verarbeitenden Gewerbe generell zu berücksichtigen ist, dass Firmen zuneh-mend durch Outsourcing Unternehmensteile in andere (Dienstleistungs-)Unter-nehmen verlagern. Die entsprechenden Tätigkeiten werden dann aufgrund dieser Umschichtungen zwar nicht mehr als Arbeitsplätze im Verarbeitenden Gewerbe gezählt, gehen aber nicht zwangsläufig mit tatsächlichen Arbeitsplatzverlusten einher.14

Ferner ist zu betonen, dass auch das Handwerk und der Tourismus für Thürin-gens Wirtschaftsstruktur bedeutsam sind. Das Handwerk hat im Zeitraum von 2005 bis 2008 eine sehr differenzierte Entwicklung genommen. Während im Jahr 2005 eine negative Entwicklung in Umsatz und Beschäftigung zu verzeichnen war, hat insbesondere die positive Konjunkturstimmung ab dem Jahr 2006 zu einem deutlichen Umsatzplus geführt, allerdings ohne Beschäftigungszuwachs. Die Auswirkungen der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise trüben ab dem 2. Halb-jahr 2008 wieder deutlich die Erwartungen im Handwerk ein. Insgesamt hat sich auf der Basis des Berichtsjahres 2003 (= 100 %) der Umsatz im Handwerk bis zum Jahr 2007 auf 102,4 % gesteigert, während die Beschäftigtenzahlen sich auf 89,3 % reduziert haben. Hierbei hat die Anzahl der Handwerksbetriebe deutlich zugenommen. Bei den Thüringer Handwerkskammern sind im Jahr 2008 insge-samt 31.488 Handwerksbetriebe registriert mit ca. 141.000 Beschäftigten. Dies ist

anzahl, Veränderung und anteil der beschäftigten nach Wirtschaftsbereichen*

Thüringen Deutschland

Anzahl Anteil Veränd. Anzahl Anteil Veränd.

2000 2007 2007 2000/7 2000 2007 2007 2000/7

Tsd. Tsd. % % Tsd. Tsd. % %

land- und Forstwirtschaft, Fischerei 26,5 19,3 2,7 -27,4 355,0 314,3 1,2 -11,5

Produzierendes Gewerbe ohne baugewerbe

183,1 186,2 25,6 1,7 7.701,7 7.055,7 26,3 -8,4

Verarbeitendes Gewerbe 171,1 176,2 24,3 3,0 7.272,5 6.693,4 24,9 -8,0

baugewerbe 104,4 60,3 8,3 -42,3 2.227,9 1.541,6 5,7 -30,8

handel, Gastgewerbe, Verkehrund nachrichtenübermittlung

172,3 150,3 20,7 -12,8 6.515,5 6.276,5 23,4 -3,7

Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleistungen

84,9 99,3 13,7 17,0 4.026,2 4.608,7 17,2 14,5

Öffentliche und private dienstleister 231,6 210,4 29,0 -9,1 6.990,9 7.053,5 26,3 0,9

insgesamt 822,9 726,0 100,0 -11,8 27.825,6 26.854,6 100,0 -3,5

Tabelle 2.3

*Die verwendeten Daten beziehen sich auf die sozialversicherungspf lichtig Beschäftigten am Arbeitsort (Beschäftigungsstatistik der Bundes-agentur für Arbeit). Mit dieser Systematik werden im Verarbeitenden Gewerbe etwa 90% aller Erwerbstätigen erfasst. In der Betrachtung fehlen geringfügig Beschäftigte, Beamte und Selbstständige. Im Wesentlichen werden die Entwicklungen von 1999 bis zum Ende des Jahres 2007 betrachtet. Für die Beschäftigtenstatistik ist im Jahr 2008 eine neue Wirtschaftszweigsystematik eingeführt worden, die teilweise nicht mit der zuvor herrschenden Systematik kompatibel ist und die Ergebnisse in der Längsschnittbetrachtung verzerren würden.Quellen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2009); Berechnungen HWWI.

14 Vgl. Stille (2003); Schnur/Zika (2005).

30

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

gegenüber dem Jahr 2004 ein deutlicher Zuwachs an Handwerksbetrieben (2004: 23.729 Handwerksbetriebe). Viele Existenzgründungen erfolgten dabei nicht rein marktgetrieben, sondern wurden durch den Verlust des Arbeitsplatzes motiviert. Die durch die Novellierung der Handwerksordnung einfachere Existenzgründung, insbesondere durch die nicht mehr notwendige Meisterausbildung in einigen Gewer ken, hat nicht zu einem Beschäftigungszuwachs geführt, sondern zur Ver-schärfung des Wettbewerbs. 15

Auch die Stärkung der Tourismusindustrie als Wirtschaftszweig trägt zur wirt-schaftsstrukturellen Verbesserung der Thüringer Unternehmenslandschaft bei. Wirtschaftliches Ziel der Thüringer Tourismuspolitik ist es, bis zum Jahr 2010 die Anzahl der Übernachtungen auf 10 Mio. zu steigern. So konnte die Anzahl der Übernachtungen von 2004 bis 2008 von 8,5 Mio. auf über 9,2 Mio. und damit um 8,3 % erhöht werden. Allein die Vorsorge- und Rehabilitationskliniken hatten da-bei einen Zuwachs von 13,4 %. Die Anzahl der Ankünfte stieg von 3 Mio. auf über 3,3 Mio. und damit um 10,7 %. In Thüringen blieb die durchschnittliche Aufent-haltsdauer mit 2,8 Tagen konstant. Trotz steigender Gäste- und Übernachtungs-zahlen sind die Umsätze im Berichtszeitraum rückläufig. In der „getränkegepräg-ten Gastronomie“ (Schankwirtschaften, Diskotheken, Tanz- und Vergnügungslo-kale) kam es dabei sogar zeitweilig zu zweistelligen Rückgängen. Gleichwohl handelt es sich beim Tourismus in Thüringen um eine Wachstumsbranche, da Gäste und Übernachtungszahlen seit Jahren einem fast ununterbrochenen Auf-wärtstrend folgen. Eine Analyse des Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverban-des verdeutlicht, dass es neben den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen vor allem qualitative Defizite im touristischen Angebot gibt, die höhere Zuwachsraten verhindern. In der Verbesserung der qualitativen und zielgruppenorientierten Angebote ist in den nächsten Jahren zur Erreichung der anspruchsvollen Ziele der Tourismuspolitik im Freistaat Thüringen der Schwerpunkt zu setzen.16

15 Vgl. Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit (2007, 2009), Wirtschaftsberichte 2007 und 2009 für den Freistaat Thüringen.16 Vgl. Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit (2007, 2009), Wirtschaftsberichte 2007 und 2009 für den Freistaat Thüringen.

31

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

2.3 die entwicklung des thüringer Mittelstandes17

Die Unternehmensstruktur in Thüringen ist stark durch den Mittelstand geprägt. Der Anteil der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) – Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz von unter 50 Mio. Euro – an der Gesamtzahl der Unter-nehmen betrug im Freistaat im Jahr 2007 99,9 %.18 Zwar weicht dieser Wert kaum merklich vom bundesweiten Anteil der KMU an allen Unternehmen (99,6 %) ab, aber die bedeutende Stellung des Thüringer Mittelstandes wird deutlich, wenn man seinen Anteil am Gesamtumsatz betrachtet: So erbrachten die kleinen und mittleren Unternehmen Thüringens 2007 76 % des insgesamt erwirtschafteten Umsatzes und lagen damit weit vor dem Durchschnitt des Umsatzanteils der KMU in den ostdeutschen Ländern mit 58,7 % (vgl. Abbildung 2.14). Bezogen auf Deutschland insgesamt erwirtschaftete diese Unternehmensgruppe mit 35,5 % nur etwas mehr als ein Drittel des Umsatzes. Hervorzuheben ist der Stellenwert von Unternehmen mit weniger als 1 Mio. Umsatz, die 20 % der Unternehmen in Thüringen ausmachen. Unternehmen, die jährlich mehr als 50 Mio. Euro Umsät-ze erwirtschaften, haben einen Anteil von 24 % an den Gesamtumsätzen der Unternehmen in Thüringen. Der Umsatzanteil der entsprechenden Unternehmen beträgt in Ostdeutschland im Durchschnitt 40 % und in Westdeutschland 65 %.

Die starke Stellung des Mittelstandes in Thüringen impliziert im Vergleich zu ande ren Regionen in Deutschland einen relativ kleinen Anteil an großen Betrieben und Konzernen. Diese Betriebsgrößenstruktur ist für die gesamte ostdeutsche Unternehmenslandschaft charakteristisch. Dies hat zur Folge, dass in Ostdeutsch-land im Vergleich zu den westdeutschen Ländern der Zufluss an Wagnis- und Betei ligungskapital relativ gering ist. Ursächlich hierfür ist, dass Beteiligungen in der Regel erst ab einer bestimmten Firmengröße – die viele Firmen in Ostdeutsch-land nicht erreichen – attraktiv sind.19 Gerade in der Gründungsphase von Unter-nehmen und der Startphase von Projekten spielen Beteiligungen jedoch eine wichtige Rolle für die Unternehmensfinanzierung.

17 Nicht für alle betrachteten Indika-toren liegen Werte und Zeitreihen für die EU-Mittelstandsdefinition vor. In einigen Fällen wird deshalb auf die Datenbank des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) zurück-gegriffen, das Firmen mit weniger als 500 Beschäftigten bzw. mit bis zu 50 Mio. Euro Jahresumsatz zum Mittelstand zählt. Die EU-Definition ist etwas enger, indem sie lediglich Betriebe mit bis zu 249 Beschäftigten (und ebenfalls einem Umsatz bis jährlich 50 Mio. Euro) dazu zählt.18 Vgl. Thüringer Landesamt für Statistik (2009); Institut für Mittel-standsforschung (IfM) (2009).19 Vgl. Suckert (2009).

steuerpflichtige Unternehmen nach Umsatzgrößenklassen, 2007

Größenklassen des steuerbaren Umsatzes von … bis unter … EUR

Thüringen Neue Bundesländer Alte Bundesländer

Steuerpflichtige Anteil Steuerpflichtige Anteil Steuerpflichtige Anteil

17.500 – 1.000.000 69.245 90,8% 512.388 91,5% 2.305.163 89,3%

1.000.000 – 2.000.000 3.161 4,1% 22.462 4,0% 119.718 4,6%

2.000.000 – 10.000.000 3.106 4,1% 20.466 3,7% 116.472 4,5%

10.000.000 – 50.000.000 625 0,8% 3.874 0,7% 29.699 1,2%

> 50.000.000 91 0,1% 771 0,1% 9.496 0,4%

insgesamt 76.228 100,0% 559.961 2.580.548

darunter: KMU 76.137 99,9% 559.190 2.571.052

Quellen: Thüringer Landesamt für Statistik (2009); Institut für Mittelstandsforschung (IfM) (2009); Berechnungen HWWI.

Tabelle 2.4

32

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Defizite lassen sich hinsichtlich des Gründungsgeschehens in Thüringen feststel-len. Im Zeitraum von 2000 bis 2008 lag der Gründungssaldo – die Differenz zwi-schen Unternehmensgründungen und Unternehmensliquidationen – meist nur geringfügig im positiven Bereich. Eine Ausnahme stellt das Jahr 2004 dar, in dem es in Deutschland wie auch in Thüringen einen sprunghaften Anstieg der Grün-dungen als Folge des zum 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Hartz-II Gesetzes gab, welches die Gründung von sogenannten „Ich-AGs“ ermöglichte.

Seit 2005 nimmt der Gründungssaldo kontinuierlich ab und war in den Jahren 2007 und 2008 negativ. Die Entwicklung der Gründungsaktivitäten in Thüringen weicht negativ vom bundesweiten Durchschnitt sowie von der Entwicklung in Ostdeutschland ab. Dies verdeutlicht der Vergleich der Gründungsintensität, die als Anzahl der Gründungen je 10.000 Erwerbsfähige gemessen wird (vgl. Abbil-dung 2.15). Während sich diese zwischen 2001 und 2007 in den Vergleichsgrup-pen – den oben erwähnten allgemeinen Anstieg um 2004 ausgeklammert – nur geringfügig zurückentwickelte (von 79,1 im Jahr 2001 zu 77,8 im Jahr 2007 in Ost-deutschland; in Deutschland von 85,7 zu 82,2), sank die Gründungsintensität im betrachteten Zeitraum in Thüringen von 77,1 auf 58,2 Gründungen je 10.000 Er-werbsfähige im Jahr 2007 (vgl. Abbildung 2.16).

anteil am Gesamtumsatz von Unternehmen nach Umsatzgrößenklassen, 2007

Abb. 2.14Quellen: Institut für Mittelstands-forschung (IfM) (2009); HWWI.

0 10 20 30 40 50 60 70 %

ThüringenNeue BundesländerAlte Bundesländer

10 Mio. – 50 Mio.

2 Mio. – 10 Mio.

1 Mio. – 2 Mio.

17.500 – 1 Mio.

50 Mio. und mehr

33

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Gründungen, liquidationen und Gründungssaldo in thüringen

Gründungsintensität

Abb. 2.15Quellen: Institut für Mittelstands-forschung (2009); HWWI.

Abb. 2.16Quellen: Institut für Mittelstands-forschung (2009); Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2009a); Berechnungen HWWI.

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

-2.000

0

2.000

4.000

6.000

8.000

10.000

12.000

14.000

16.000

18.000 GründungenLiquidationenGründungssaldo

ThüringenNeue BundesländerAlte BundesländerDeutschland

Grü

ndun

gen

je Z

ehn-

Tsd.

Erw

erbs

fähi

ge d

es V

orja

hres

2001 2002 2003 2004 2005 2006 200740

50

60

70

80

90

100

110

120

34

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Die Selbstständigenquote Thüringens – der Anteil der Selbstständigen an der Zahl der Erwerbstätigen – hat sich dagegen in den letzten Jahren positiv entwi-ckelt, wenngleich sie immer noch unterhalb der Quote Deutschlands und der ost-deutschen Länder liegt. Der Abstand zur gesamtdeutschen Quote konnte im Zeit-raum von 2000 bis 2007 jedoch deutlich verkürzt werden. Insgesamt stieg die Anzahl der Selbstständigen von 2000 bis 2007 um etwa 20.000 auf 109.000.20

Abbildung 2.17 verdeutlicht die sektoralen Schwerpunkte der Unternehmensgrün-dungen im Zeitraum von 2005 bis 2007. In allen Wirtschaftszweigen – bis auf die Energie- und Wasserversorgung und das Verarbeitende Gewerbe – ist der Saldo der Unternehmensgründungen rückläufig. Im Handel, im Gastgewerbe, im Wirt-schaftszweig Verkehr/Nachrichten sowie im Kredit- und Versicherungsgewerbe waren im Jahr 2007 negative Gründungssalden zu verzeichnen. Die höchsten Gründungssalden wiesen im Jahr 2007 das Baugewerbe (+354) und die Energie-/Wasserversorgung (+379) auf.

Zusammenfassend lässt sich aus den Entwicklungen in der jüngeren Vergangen-heit schließen, dass ökonomische Impulse aufgrund von Unternehmensgründun-gen in Thüringen seit 2005 an Bedeutung verloren haben. Zu berücksichtigen sind hier auch die – gerade im Vergleich mit anderen ostdeutschen Ländern – positive Entwicklung des Arbeitsmarktes und der Umstand, dass viele gut ausgebildete Thüringerinnen und Thüringer die Abwanderung in die westlichen Länder der Aufnahme einer eigenen Unternehmertätigkeit vorziehen. Zudem ist Thüringen durch eine hohe Betriebsdichte gekennzeichnet mit vielen kleinen und sehr klei-nen Unternehmen. Bundesweit einschließlich Thüringens dominieren Gründun-gen im Handel und klassischen Dienstleistungen, wie der Gastronomie, während High-Tech-Gründungen relativ selten sind. Wie immer man diese Faktoren im Einzelnen gewichten mag, so ist es zu begrüßen, dass die Landesregierung ihre Anstrengungen im Bereich der Beratungsförderung intensiviert, um das ökono-mische Potenzial bei Neugründungen von Unternehmen sowie ihr nachhaltiges Wachstum besser auszuschöpfen. Dabei geht es nicht erster Linie darum, die reine Zahl der Gewerbeanmeldungen zu steigern, sondern die Qualität der Grün-dungsvorhaben und die Qualifikation der Gründer zu verbessern, um damit die Tragfähigkeit und den ökonomischen Erfolg der Gründungen zu erhöhen sowie das Wachstum nach der Gründung tatkräftig zu unterstützen.

Positiv ist es zu bewerten, dass die Umsätze der Unternehmen (mit Ausnahme des Baugewerbes) seit 2002 kräftig gestiegen sind (vgl. Abbildung 2.18). Auf-fallend ist hierbei allerdings, dass die Umsatzentwicklung der Thüringer Unter-nehmen im Bereich der Privatwirtschaft in einzelnen Bereichen hinter den Zuwachs raten im deutschen Durchschnitt und auch hinter der Umsatzentwick-lung der ostdeutschen Unternehmen zurückgeblieben ist. Überdurchschnittlich stark sind hingegen die Umsätze im Bereich der Erbringung von öffentlichen Dienstleistungen – Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen; Erbringung sons-tiger öffentlicher und persönlicher Dienstleistungen – sowie im Verarbeitenden Gewerbe expandiert.

20 Vgl. IfM (2009).

35

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

saldo der neuerrichtung und aufgabe von Unternehmen in thüringen, 2005 bis 2007

Abb. 2.17Quellen: Thüringer Landesamt für Statistik (2009); HWWI.

Verarbeitendes Gewerbe

Baugewerbe

Energie- und Wasserversorgung

Handel

Gastgewerbe

sonstige Wirtschaftsbereiche

Verkehr und Nachrichtenübermittlung

Kredit- undVersicherungsgewerbe

Land- und Forstwirtschaft;Fischerei

-500 0 500 1.000 1.500 2.000 2.500

200720062005

Saldo insgesamt2007: 1.4062006: 3.6592005: 3.893

36

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Veränderungen des Umsatzes umsatzsteuerpflichtiger Unternehmen nach Wirtschaftszweigen, 2005 bis 2007

Abb. 2.18Quellen: Statistisches Bundesamt (2009); Berechnungen HWWI.

Verarbeitendes Gewerbe

Baugewerbe

Gastgewerbe

Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz und Gebrauchsgütern

Energie- und Wasserversorgung

Verkehr und Nachrichtenübermittlung

Grundst.-, Wohnungswesen, Verm. bewegl. Sachen usw.

Erziehung und Unterricht

Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen

Erbringung sonst. öffentlicher und persönlicher Dienstleistungen

Insgesamt

Kredit- undVersicherungsgewerbe *

* Für die Neuen Bundesländer liegt der Wert von Sachsen nicht für 2005 vor. Stattdessen wird der Wert von 2004 herangezogen.

Land- und Forstwirtschaft

0 10 20 30 40 50 60 %ThüringenNeue BundesländerAlte BundesländerDeutschland

37

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Abbildung 2.19 verdeutlicht die Klassifizierungen der Unternehmen nach Beschäf-tigungsgrößenklassen und Wirtschaftszweigen. Dabei handelt es sich jeweils um Unternehmen mit steuerbarem Umsatz und/oder sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Jahr 2007. In durchweg allen Wirtschaftssektoren liegt der Anteil der Beschäftigten in Kleinstunternehmen (0 – 9 Beschäftigte) bei über 60 %, für Thüringen insgesamt bei knapp über 90 %. Der Anteil der Unternehmen mit einer Betriebsgröße von 10 – 49 Beschäftigten liegt im Durchschnitt bei 9,3 %. Insbe-sondere der Bergbau mit 29,6 %, gefolgt von der „Wasserversorgung, Abwasser und Abfallentsorgung“ mit 24 % und dem „Verarbeitenden Gewerbe“ (21,7 %) nehmen mit Werten > 20 % eher eine Sonderstellung ein. Insgesamt ergab sich für diese Kategorie ein Anteil von 7,4 %. Die Zahl der Betriebe mit „50 – 249“ und „250 und mehr“ Beschäftigten sind vergleichsweise unbedeutend (Thüringen ins-gesamt 1,8 % sowie 0,3 %). Zusammenfassend lässt sich für Thüringen eine klein-teilige Betriebsgrößenstruktur festhalten. Die Kleinteiligkeit der thüringischen Wirtschaft kann sowohl als Problem als auch als Chance verstanden werden. Ge-ringe Eigenkapitaldecke und eingeschränkte Diversifizierungsmöglichkeiten inner-halb des Unternehmens grenzen die wirtschaftlichen Handlungsspielräume klei-nerer Unternehmen ein. Gleichzeitig können sie zumeist sehr flexibel agieren und bilden für die Entwicklungen in der regionalen Wirtschaft und als Arbeitsplatz-potenzial eine solide Basis für eine nachhaltige Wirtschaftsstruktur.

Abbildung 2.20 (KMU nach Wirtschaftszweigen) zeigt die für Thüringen spezifi-schen Anteile der klein- und mittelständischen Unternehmen. Die Abbildung ver-deutlicht, dass der mittelständisch geprägte Handel – auf den 21 % aller KMU entfallen – eine wichtige Säule der Wirtschaft und ein wesentliches Standbein der KMU ist. Sein Anteil an der Bruttowertschöpfung betrug im Jahr 2008 15,0 % (im Jahr 2005 15,7 %) und der Anteil an sozialversicherungspflichtigen Beschäf-tigungsverhältnissen zum Stichtag 30.06.2008 12,4 % und insgesamt 91.376 Per-sonen. Der relative Rückgang des Anteils an der Bruttowertschöpfung ist vor allem den hohen Steigerungsraten der Industrie geschuldet, obwohl der Handel seit Jahren einen Umsatzrückgang zu verzeichnen hat. Der Grund liegt vor allem in der sinkenden Einwohnerzahl Thüringens, aber auch im geringer werdenden Anteil am privaten Verbrauch durch Kostensteigerungen (z. B. Energie, Kraftstoffe bzw. die Erhöhung der Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2007).21 Positiv ist hervor-zuheben, dass 10 % aller KMU im Bereich „Erbringung von freiberuflichen, wis-senschaftlichen und technischen Dienstleistungen“ liegen, die zu den wissensin-tensiven Dienstleistungen zählen. Im Verarbeitenden Gewerbe beläuft sich der Anteil auf 9 %.

21 Vgl. Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit (2007, 2009), Wirtschaftsberichte 2007 und 2009 für den Freistaat Thüringen.

38

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Unternehmen nach beschäftigtengrößenklassen und Wirtschaftszweigen in thüringen, 2007

Abb. 2.19Quellen: Thüringer Landesamt für Statistik (TLS) (2010); Berechnungen HWWI.

Erziehung und Unterricht

Thüringen insgesamt

0 20 40 60 80 100 %

0 – 910 – 4950 – 249250 und mehr

Verarbeitendes Gewerbe

Baugewerbe

Gastgewerbe

Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen

Energieversorgung

Verkehr und Lagerei

Grundstücks- und Wohnungswesen

Information und Kommunikation

Kunst, Unterhaltung und Erholung

Erbringung von freiberuflichen, wissensch.und technischen Dienstleistungen

Erbringung von Finanz- undVersicherungsdienstleistungen

Bergbau und Gewinnungvon Steinen und Erden

Gesundheits- und Sozialwesen

Wasservers., Abwasser- und Abfallents. und Beseitigung von Umweltversch.

Erbringung von sonstigen Dienstleistungen

Erbringung von sonstigenwirtsch. Dienstleistungen

39

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

anteile der KMU* nach Wirtschaftszweigenthüringen, 2008

Abb. 2.20Quellen: Thüringer Landesamt für Statistik (TLS) (2010); Berechnungen HWWI.

Verarbeitendes Gewerbe

Baugewerbe

Gastgewerbe

Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen

Energie- und Wasserversorgung

Verkehr und Lagerei

Grundstücks- und Wohnungswesen

Information und Kommunikation

Kunst, Unterhaltung und Erholung

Erbringung von freiberuflichen, wissensch.und technischen Dienstleistungen

Erbringung von Finanz- undVersicherungsdienstleistungen

Bergbau und Gewinnungvon Steinen und Erden

* Definition gemäß der Kommission der Europäischen Union.

Gesundheits- und Sozialwesen

Wasservers., Abwasser- und Abfallents. und Beseitigung von Umweltversch.

Erziehung und Unterricht

Erbringung von sonstigen Dienstleistungen

Erbringung von sonstigenwirtsch. Dienstleistungen

0 5 10 15 20 25 %

40

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

3herausforderungen und chancen für den thüringer Mittelstand3.1 Globalisierung, europäischer binnenmarkt, export

Die weltweit fortschreitende Globalisierung und die weitere Öffnung der Märkte verändern die Bedingungen für internationale ökonomische Verflechtungen und die Spezialisierung von Standorten. Diese Prozesse erfordern sektorale Anpas-sungen, die sich in wirtschaftsstrukturellen Veränderungen widerspiegeln. Mit dem Abbau von Handelshemmnissen, Grenzbarrieren sowie der Reduktion von Transaktionskosten geht eine zunehmende globale Arbeitsteilung einher. Im Zuge dieser Entwicklung nimmt die Spezialisierung einzelner Volkswirtschaften auf die Erstellung bestimmter Güter und Dienstleistungen zu. Gleichzeitig bedeutet dies die teilweise Aufgabe der Produktion von Gütern, die in anderen Ländern zu gerin-geren Kosten erstellt werden können. Eine weitere Folge der Globalisierung besteht in der erhöhten Faktormobilität. Insbesondere der Faktor Arbeit ist im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte kontinuierlich mobiler geworden, was einen zunehmenden Standortwettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte zur Folge hat. Gleichzeitig konkurrieren Standorte zudem um international mobiles Kapital.

Thüringens Unternehmer haben sich in den letzen Jahren erfolgreich auf diese Veränderungen eingestellt und sich zunehmend als Exporteur auf den Weltmärk-ten positioniert. Entsprechend konnten die Warenausfuhren zwischen 2002 und 2008 um 117,8 % von knapp 5 Mrd. auf über 11 Mrd. Euro erhöht werden. Im Zeit-raum von 2005 bis 2008 nahmen die Exporte um 40,9 % zu. Damit entwickelten sich die Warenausfuhren in Thüringen wesentlich dynamischer als in den übrigen Ländern (vgl. Abbildung 3.1). Als besonders erfolgreich erwiesen sich dabei der Fahrzeugbau und die Elektrotechnik. Ersterer machte im Jahr 2007 knapp 19 % des gesamten Thüringer Exports aus und wies eine Exportquote von 45,1 % auf, die Elektrotechnikbranche exportierte sogar 58,3 % ihrer Erzeugnisse.2222 Vgl. IWH (2007).

41

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Die dynamische Entwicklung der Warenausfuhr zeugt von der zunehmenden internationalen Wettbewerbsfähigkeit und einer intensivierten Integration Thürin-gens in die Weltwirtschaft. Die exportierten Waren werden größtenteils innerhalb der EU abgesetzt: Etwa zwei Drittel der Gesamtausfuhren entfallen auf die euro-päischen Staaten, wobei Frankreich mit 9 % der gesamten Exporte das Hauptaus-fuhrziel darstellt. Die osteuropäischen Mitgliedsstaaten der EU gewinnen zuneh-mend an Bedeutung für die Thüringer Exportwirtschaft. Ihr Anteil an den Gesamt-ausfuhren hat sich ebenso wie der der USA seit 2002 mehr als verdoppelt. (vgl. Abbildung 3.2).

entwicklung der Warenausfuhren

entwicklung der Warenausfuhrziele von thüringen

Abb. 3.1Quellen: Statistisches Bundesamt (2009); Berechnungen HWWI.

Abb. 3.2Quellen: Statistisches Bundesamt (2009); Berechnungen HWWI.

100

120

140

160

180

200

220

2002

Inde

x 20

02 =

100

2003

2004

2005

2006

2007

2008

ThüringenNeue BundesländerAlte BundesländerDeutschland

100

150

200

250

300

2002

Inde

x 20

02 =

100

2003

2004

2005

2006

2007

2008

EU 15EU + 4 (2004)übriges EuropaAsienAmerika

42

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

3.2 Forschung, technologie und innovation

In einem Umfeld, das unter anderem aufgrund der zunehmenden Mobilität von Produktionsfaktoren von einem sich stetig intensivierenden Standortwettbewerb geprägt ist und in welchem die zunehmende Bedeutung der Wissenswirtschaft den Strukturwandel forciert, wächst die Bedeutung von Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie für den ökonomischen Erfolg von Unternehmen. Im Zuge dieser Entwicklung spezialisieren sich Unternehmen in hoch entwickelten Volkswirtschaften zunehmend auf die Produktion von humankapitalintensiven Gütern und Dienstleistungen. 39 % der gesamten Wertschöpfung in der deut-schen Industrie entsteht bereits in humankapitalintensiven Wirtschaftszweigen.23

Neue Technologien, qualifizierte Arbeitskräfte und eine ausgeprägte Innovations-fähigkeit stellen in diesem Strukturwandel grundsätzliche Voraussetzungen für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen dar. Auch für die techno-logische Leistungsfähigkeit und die Stärkung der ökonomischen Zukunftsaus-sichten Thüringens ist die zunehmende Spezialisierung der Unternehmen – auch gerade des Mittelstands – auf wissensintensive Wirtschaftsbereiche entschei-dend.

Ein wichtiger Indikator für die Beurteilung der Potenziale Thüringens als wachsen-der Wissensstandort ist seine Innovationsfähigkeit. Im aktuellen Innovation Score-board der Europäischen Kommission ist Thüringen im oberen Drittel platziert und erreicht in diesem Ranking Platz 59 unter 208 europäischen Regionen.24 Hier-bei wird die Innovationsleistung der EU-Regionen auf der Basis unterschiedlicher Indikatoren für Humanressourcen, Beschäftigung im Hochtechnologiebereich und die Generierung neuen technischen Wissens bewertet. In diesem interregio-nalen Vergleich ist Stockholm die Region mit der höchsten Innovationsfähigkeit in Europa, gefolgt von der ebenfalls schwedischen Region Västsverige. Unter den führenden 10 Gebieten europaweit befinden sich auch vier deutsche Regionen: Oberbayern auf Rang 3, Karlsruhe (5), Stuttgart (6) und Braunschweig auf Rang 7.

Die Innovationsfähigkeit von Regionen spiegelt sich im FuE-Output (Forschung und Entwicklung) wider, der üblicherweise mit der Patentintensität25 (Patentan-meldungen pro 100.000 Einwohner) gemessen wird (vgl. Tabelle 3.1). Im Jahr 2008 lag die Patentintensität Thüringens bei 26 und war damit nicht mal halb so hoch wie im Bundesdurchschnitt (60). Noch deutlicher fällt Thüringens Rückstand gegenüber den süddeutschen Ländern Baden-Württemberg (140) und Bayern (108) aus. Hervorzuheben ist jedoch, dass Thüringen hinsichtlich dieses Indika-tors unter den ostdeutschen Ländern sehr gut platziert ist. Nur Berlin weist von diesen Ländern mit 26 eine gleich hohe Patentintensität auf. Thüringen hat im Vergleich zu den anderen ostdeutschen Ländern gute Innovationsleistungen vor-zuweisen, was auf vergleichsweise gute Forschungskapazitäten schließen lässt. Negativ zu beurteilen ist jedoch die Dynamik der Patentintensitäten. Diesbezüg-lich zeigt sich in Thüringen eine abnehmende Tendenz, sodass sich der Abstand hinsichtlich der Innovationserfolge zu den führenden Ländern nicht weiter redu-ziert.

23 Vgl. BMBF (2007).24 Vgl. European Commission (2008).25 Ein Kritikpunkt an der Verwendung der Patentintensität als Indikator für die regionale Innovationsfähigkeit ist, dass die Patentanmeldung am Wohnort des Erf inders erfolgt. Dennoch wird dieser Indikator gemeinhin als gutes Maß für den interregionalen Vergleich der Innova-tionsfähigkeit betrachtet.

43

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Die regionale Innovationsdynamik ist eng verbunden mit der Intensität öffent-licher und privater Forschungsaktivitäten. Den Status quo der FuE-Investitionen der Privatwirtschaft in den deutschen Ländern fasst die Tabelle 3.2 zusammen. Der Vergleich zeigt, dass Unternehmen in zahlreichen Ländern mehr FuE-Inves-titionen tätigen als in Thüringen. Während der Anteil der FuE-Aufwendungen am Umsatz im Verarbeitenden Gewerbe bundesweit im Jahr 2007 bei 2,3 % lag, erreichte dieser Wert in Thüringen lediglich 1,4 %.26 Besonders deutlich ist der Unterschied der Innovationsaktivitäten zwischen den Unternehmen in Thüringen und im Süden Deutschlands, wo der FuE-Umsatzanteil in Baden-Württemberg und Hessen die 3 %-Marke überschreitet. Auch der Anteil der FuE-Beschäftigten verdeutlicht den Aufholbedarf Thüringens hinsichtlich der FuE-Kapazitäten. In Thüringen stellt das FuE-Personal einen Anteil von 2,6 % an allen Beschäftigten. Dieser Wert liegt annähernd 2 Prozentpunkte unter dem Bundesdurchschnitt. Die FuE-Investitionen der Privatwirtschaft entsprechen in Thüringen etwa 1 % des BIPs, während Baden-Württemberg mit 3,6 % den Spitzenwert hinsichtlich dieses Indikators aufweist.

Patentanmeldungen nach bundesländern

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

je 100.000 Einwohner

baden-Württemberg 119 113 121 130 120 120 124 127 140

bayern 109 118 114 115 108 110 112 109 108

berlin 37 35 34 32 27 26 28 29 26

brandenburg 15 15 14 15 14 12 17 15 14

bremen 25 30 23 25 26 26 21 27 22

hamburg 71 85 70 58 57 53 54 55 62

hessen 80 69 68 65 62 56 53 49 44

Mecklenburg-Vorpommern 12 10 11 13 12 12 11 10 11

niedersachsen 45 41 37 37 35 34 33 34 42

nordrhein-Westfalen 57 55 50 49 43 45 45 45 43

rheinland-Pfalz 62 60 61 62 53 55 32 30 31

saarland 34 33 32 31 33 34 30 32 28

sachsen 23 20 19 19 19 20 19 22 24

sachsen-anhalt 18 15 14 18 16 15 14 13 15

schleswig-holstein 24 24 22 23 22 21 21 22 21

thüringen 31 33 30 35 32 30 28 26 26

deutschland 65 64 62 64 59 59 58 58 60

Quellen: Statistisches Bundesamt (2009); Deutsches Patent- und Markenamt (2009); Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2009); HWWI.

Tabelle 3.1

26 Da die Daten aus der Erhebung des Stifterverbands Wissenschaftsstatistik lediglich das Verarbeitende Gewerbe umfassen, konnte eine Analyse der Innovationsaktivitäten im Dienstleis-tungsbereich nicht durchgeführt werden.

44

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Fue-aufwendungen des Wirtschaftssektors nach bundesländern

2003 2007

Anteil FuE-Pers. an Beschäftigten

Anteil interne FuE am Umsatz

Anteil interne FuE am BIP

Anteil FuE-Pers. an Beschäftigten

Anteil interne FuE am Umsatz

Anteil interne FuE am BIP

% % % % % %

baden-Württemberg 5,65 3,69 3,09 6,15 3,80 3,57

bayern 5,70 3,20 2,38 5,89 2,84 2,21

berlin 8,53 4,10 2,02 7,85 3,89 1,4

brandenburg 1,41 0,78 0,34 1,37 0,59 0,32

bremen 3,29 1,45 1,39 2,25 0,96 0,87

hamburg 5,93 1,20 1,11 5,97 1,37 1,15

hessen 5,84 4,33 2,13 6,20 3,98 2,14

Mecklenburg-Vorpommern 1,40 0,73 0,26 1,28 0,73 0,38

niedersachsen 3,94 2,71 2,09 4,06 1,74 1,72

nordrhein-Westfalen 2,74 1,61 1,09 2,88 1,47 1,14

rheinland-Pfalz 3,71 1,84 1,29 3,43 1,60 1,38

saarland 0,70 0,42 0,40 0,60 0,27 0,44

sachsen 2,62 1,44 1,02 2,75 1,33 1,34

sachsen-anhalt 1,15 0,44 0,28 1,27 0,41 0,34

schleswig-holstein 2,19 1,12 0,48 2,47 1,08 0,53

thüringen 2,62 1,69 0,98 2,60 1,44 0,93

neue bundesländer 3,05 1,76 k.A. 2,93 1,55 k.A.

alte bundesländer 4,48 2,64 k.A. 4,71 2,39 k.A.

deutschland 4,31 2,55 1,76 4,49 2,30 1,78

Quellen: Stifterverband Wissenschaftsstatistik (2009); Berechnungen HWWI.

Tabelle 3.2

45

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

In Thüringen waren 2007 5.081 Menschen im FuE-Sektor beschäftigt. Damit ist das FuE-Personal in diesem Land seit 2003 um beachtliche 8,7 % gewachsen, während der Zuwachs bundesweit bei 4,7 % lag.27 Die FuE-Aufwendungen haben im Zeitraum von 2003 bis 2007 um 5,6 % zugenommen. Im Jahr 2008 gab es 4.687 FuE-Beschäftigte in Thüringen und damit 8,5 % mehr als im Jahr 2005. Die FuE-Aufwendungen der Wirtschaft lagen im Jahr 2008 mit 415 Mio. Euro 54 % über dem entsprechenden Wert des Jahres 2005.28 Thüringen ist damit hinsicht-lich dieses Indikators unter den ostdeutschen Ländern nach Sachsen auf Platz zwei angesiedelt.

Neben den Forschungskapazitäten in der Privatwirtschaft sind die Quantität und Qualität der öffentlichen Forschungsinfrastruktur in Thüringen von zentraler Bedeu tung für die Innovationsfähigkeit der dort ansässigen Unternehmen. Der Stellenwert der öffentlichen Forschung in den Ländern lässt sich anhand der Grundmittel einschätzen, die für die Wissenschaft von den Ländern und Gemein-den zur Verfügung gestellt werden. Abbildung 3.3 verdeutlicht, dass die Länder und Gemeinden in Thüringen mit 0,89 % ihres BIPs mehr finanzielle Mittel als die Länder im Durchschnitt für die Wissenschaft bereitstellen.

Damit zeigt sich im privaten ebenso wie im öffentlichen Bereich eine deutliche Expan sion der FuE-Investitionen. Diese Tendenzen sind positiv zu bewerten und deuten auf einen Ausbau der FuE-Kapazitäten in Thüringen hin. Diese Entwick-lung schafft günstigere Voraussetzungen dafür, dass der Mittelstand in Thüringen zukünftig noch stärker von dem globalen Trend wissensbasierten Strukturwan-dels profitieren kann. Der bundesweite Vergleich der FuE-Indikatoren verdeutlicht jedoch, dass für die Verbesserung der Entwicklungsperspektiven der wissens- und forschungsintensiven Wirtschaftszweige in Thüringen ein weiterer Ausbau der pri-vaten FuE-Aktivitäten angezeigt ist. Hiermit können sich die Unternehmen in Thü-ringen besser für den sich fortsetzenden wissensbasierten Strukturwandel auf-stellen, dessen Bewältigung eine zentrale Voraussetzung für ihren zukünftigen ökonomischen Erfolg sein wird.

27 Vgl. Stifterverband Wissenschafts-statistik (2009).28 Auskunft des Thüringer Ministe-riums für Wirtschaft, Arbeit und Technologie.

46

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

anteil der öffentlichen Fue-ausgaben am biP 2007

Abb. 3.3Quellen: Statistisches Bundesamt (2009); Berechnungen HWWI.

Deutschland*

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0

Alte Bundesländer

Neue Bundesländer

Berlin

Bremen

Sachsen

Mecklenburg-Vorpommern

Brandenburg

Thüringen

Baden-Württemberg

Nordrhein-Westfalen

Niedersachsen

Hamburg

Hessen

Saarland

Schleswig-Holstein

Bayern

Sachsen-Anhalt

Rheinland-Pfalz

* Einschließlich nicht aufteilbarer Mittel.

47

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Die FuE-Kapazitäten sind eine wichtige Determinante für das Voranschreiten des wissensbasierten Strukturwandels in Thüringen. Treibende Kräfte für die weitere Etablierung Thüringens als Wissensstandort sind mittelständische Unternehmen, soweit sie zu den wissensbasierten industriellen Wirtschaftszweigen zählen. Im Zusammenhang mit diesen Unternehmen entstehen ferner Arbeitsplätze in den nachgelagerten Dienstleistungsbereichen.29

Für die Beschreibung struktureller Veränderungen ist es sinnvoll, einen längeren Betrachtungszeitraum zugrunde zu legen. Im Folgenden ist dies für die Beschäfti-gungsentwicklung nach Wirtschaftszweigen der Zeitraum von 1999 bis 2007, für den eine kompatible Wirtschaftszweiggliederung vorliegt.30 Die Zahl der Arbeits-plätze in den wissensintensiven Industrien hat in Deutschland um 0,2 % in die-sem Zeitraum leicht zugenommen, während die Industriebeschäftigung insge-samt um 7,3 % zurückgegangen ist (vgl. Abbildung 3.4). In diesem Zeitraum hat-ten Sachsen und Thüringen mit einem Plus von 19,3 % beziehungsweise 20,3 % die höchsten Zuwächse bei den wissensintensiven Industriearbeitsplätzen zu ver-zeichnen. Die relativ hohen Zuwächse in diesen Ländern resultieren weiterhin aus den Aufholprozessen der ostdeutschen Länder hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der industriellen Strukturen. Durch diese dynamische Entwicklung konnte Thürin-gen seinen Abstand auf die hinsichtlich der Spezialisierung auf wissensintensive Industrien führenden Ländern reduzieren.

Diesen Aufholprozess Thüringens veranschaulicht auch Abbildung 3.5. Während der Anteil der wissensintensiven Industriearbeitsplätze an allen Industriearbeits-plätzen in Thüringen im Jahr 1999 bei 34,9 % lag, stieg er auf 40,5 % im Jahr 2007. Auf Bundesebene stieg dieser Anteil von 47,2 % auf 50,9 %. Die vier beschäfti-gungsstärksten wissensintensiven Industriezweige waren in Thüringen im Jahr 2007 der Maschinenbau (20.875 Beschäftigte), die Medizin-, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik (13.477 Beschäftigte), die Herstellung von Kraftwagen und -tei-len (11.598) und die Herstellung von Geräten der Elektrizitätserzeugung (9.587).31

Weil die dynamische Entwicklung der Beschäftigungszahlen in den wissensinten-siven Produzierenden Unternehmen in Thüringen den Strukturwandel in Thürin-gen befördert sowie die technologische Leistungsfähigkeit stärkt, sind diese struk-turellen Veränderungen, die in besonderem Maße von FuE getragen werden, sehr positiv zu bewerten und sollten auch zukünftig durch entsprechende politische Weichenstellungen für Unternehmen gefördert werden.

29 Vgl. BMBF (2007). Nach Legler/Frietsch (2006) zählen zu den wissensintensiven Industrien folgende Wirtschaftszweige: Chemische Industrie; die Herstellung von Büromaschinen, DV-Geräten und -einrichtungen; die Herstellung von Geräten der Elektrizitätserzeugung, -verteilung u. ä.; die Herstellung von Kraftwagen und Kraftfahrzeugteilen; Kokerei, Mineralölverarbeitung, Herstellung von Brutstoffen; Maschi-nenbau; Medizin-, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik, Optik; Rundfunk-, Fernseh- und Nachrichtentechnik; Sonstiger Fahrzeugbau. Wobei zu den Exporterfolgen der forschungsintensi-ven Industrien in Deutschland in erster Linie der Automobilbau, der Maschi-nenbau und die Chemie beitragen.30 Die verwendeten Daten beziehen sich auf die sozialversicherungspf lich-tig Beschäftigten am Arbeitsort aus der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Aus der Betrachtung fallen daher geringfügig Beschäftigte, Beamte und Selbststän-dige heraus. Mit dieser Systematik werden im Verarbeitenden Gewerbe etwa 90 % aller Erwerbstätigen erfasst. Wir beziehen uns auf die Beschäftigtenstatistik, weil die Daten zur Entwicklung der Zahl der Erwerbs-tätigen auf Ebene der Bundesländer nur bis zum Jahr 2006 vorliegen. Wir betrachten die Entwicklung bis zum Ende des Jahres 2007, weil für die Beschäftigtenstatistik im Jahr 2008 eine neue Wirtschaftszweigsystematik eingeführt worden ist, die teilweise nicht mit der zuvor herrschenden Systematik kompatibel ist. 31 Berechnungen HWWI basierend auf der Statistik der sozialversicherungs-pf lichtig Beschäftigten.

48

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

beschäftigungsentwicklung der wissensintensiven industrien von 1999 bis 2007

Abb. 3.4Quellen: Bundesagentur für Arbeit (2009); Beschäftigungsstatistik 1999–2007; Berechnungen HWWI.

Deutschland insgesamt

-25 -20 -15 -10 -5 0 5 10 15 20 25 %

Berlin

Bremen

Sachsen

Mecklenburg-Vorpommern

Brandenburg

Thüringen

Baden-Württemberg

Nordrhein-Westfalen

Niedersachsen

Hamburg

Hessen

Saarland

Schleswig-Holstein

Bayern

Sachsen-Anhalt

Rheinland-Pfalz

Verarbeitendes Gewerbewissensintensive Industrien

49

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

beschäftigungsentwicklung der wissensintensiven industrien am Verarbeitenden Gewerbe

Abb. 3.5Quellen: Bundesagentur für Arbeit (2009); Beschäftigungsstatistik 1999–2007; Berechnungen HWWI.

Deutschland insgesamt

0 10 20 30 40 50 60 70 %

Berlin

Bremen

Sachsen

Mecklenburg-Vorpommern

Brandenburg

Thüringen

Baden-Württemberg

Nordrhein-Westfalen

Niedersachsen

Hamburg

Hessen

Saarland

Schleswig-Holstein

Bayern

Sachsen-Anhalt

Rheinland-Pfalz

19992007

50

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Der Wandel der Wirtschaftsstrukturen zu einer zunehmenden Spezialisierung auf höherwertigere Wirtschaftsbereiche geht einher mit volkswirtschaftlichen Pro-duktivitätszuwächsen, weil der Anteil wissensintensiv produzierender Unterneh-men in der Industrie steigt. Produktivitätssteigerungen innerhalb von Unterneh-men resultieren daraus, dass aufgrund von Prozess- und organisatorischen Inno-vationen sowie spezifischer Qualifikationsentwicklungen das im Durchschnitt von einem Erwerbstätigen produzierte Bruttoinlandsprodukt zunimmt. Aus ökono-mischer Sicht ist die Produktivitätsentwicklung ein wichtiger Maßstab für die tech-nologische Leistungsfähigkeit von Produktionsstandorten.

Abbildung 3.6 stellt die Produktivitätsentwicklung in den deutschen Ländern im Zeitraum von 1999 bis 2008 dar. Die höchsten Produktivitätszuwächse, die getra-gen wurden von dem relativen Bedeutungszuwachs wissensintensiver Wirtschafts-bereiche, weisen Sachsen-Anhalt (+34 %) und Thüringen (+30 %) auf. Trotz die-ses Aufholprozesses liegt die durchschnittliche Arbeitsproduktivität in Deutsch-land immer noch 27 % oberhalb des in den Unternehmen in Thüringen erreichten Wertes. Die Produktivität Thüringens (Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen) lag im Jahr 2008 mit 47.218 Euro sogar knapp unter dem ostdeutschen Durch-schnitt (Durchschnitt Gesamtdeutschlands 2008: 60.976 Euro).32

Im engen Zusammenhang mit der Produktivität stehen die Lohnstückkosten, wel-che ihrerseits die Wettbewerbsfähigkeit Thüringens beeinflussen. Die Lohnstück-kosten sind in Thüringen im Vergleich zu anderen Ländern, speziell gegenüber den westdeutschen Ländern, in der jüngeren Vergangenheit gesunken. In den Jah-ren 2000 bis 2008 sind in Thüringen die Lohnstückkosten um 4,4 % zurückgegan-gen, während sie in Deutschland um 2,3 % und in den westdeutschen Ländern um 2,7 % gestiegen sind. In den ostdeutschen Ländern konnte man zwischen den Jahren 2000 bis 2008 einen Rückgang der Lohnstückkosten um 3,7 % beobach-ten. Allerdings liegen die Lohnstückkosten in Thüringen 1,8 % (2008) über dem deutschlandweiten Vergleichswert. Zahlreiche andere Länder, beispielsweise Bayern, Brandenburg, Bremen, Hamburg und Sachsen-Anhalt weisen hingegen Lohnstückkosten unterhalb des deutschen Durchschnittswertes auf.33 Aus dieser Perspektive stellen sich die Lohnstückkosten in Thüringen als vergleichsweise ungünstig dar, was die Wettbewerbsfähigkeit der Thüringer Unternehmer in der Tendenz negativ beeinflusst. Betrachtet man hingegen die Lohnstückkosten in den einzelnen Wirtschaftsbereichen, wird deutlich, dass der Nachteil in Thürin-gen nicht aus dem Verarbeitenden Gewerbe resultiert. In diesem überzeugt Thü-ringen mit Lohnstückkosten von 90,6 %, die klar unter dem deutschen Durch-schnitt (100,0 %) liegen. Hier hat Thüringen sogar Wettbewerbsvorteile gegen-über solchen Ländern wie Baden-Württemberg, Bayern und Hessen. Mit Blick auf die Gewinnung und Haltung von gut qualifizierten Fachkräften stehen die Unter-nehmen deshalb vor einer doppelten Herausforderung: sowohl preisliche Wettbewerbs fähigkeit als auch leistungsgerechte, attraktive Entlohnung sind kei-ne Alternativen, sondern müssen gleichzeitig erreicht werden.

32 Vgl. HypoVereinsbank (2008). Es geht hier nicht um Produktivität im betriebswirtschaftlichen Sinne. Viele ostdeutsche Industrieunternehmen sind Töchter westdeutscher Konzerne. Bei der Bruttowertschöpfung muss daher sowohl bei den Umsätzen als auch bei den Vorleistungen auf interne Verrechnungspreise zurückgegriffen werden. 33 Vgl. VGR der Länder (2009).

51

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Produktivitätsentwicklung 1999 bis 2008

Abb. 3.6Quellen: VGR der Länder (2009); Berechnungen HWWI.

Deutschland

0 10 20 30 40 %

Berlin

Bremen

Sachsen

Mecklenburg-Vorpommern

Brandenburg

Thüringen

Baden-Württemberg

Nordrhein-Westfalen

Niedersachsen

Hamburg

Hessen

Saarland

Schleswig-Holstein

Bayern

Sachsen-Anhalt

Rheinland-Pfalz

52

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

3.3 spezialisierungen und Zukunftsbranchen

Die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der Thüringer Unternehmen hängt neben den allgemeinen Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Aktivitäten von ihrer jewei ligen Branchenzugehörigkeit – ihrer Spezialisierung – ab. Denn die Entwick-lungsperspektiven variieren zwischen einzelnen Wirtschaftszweigen. Ursächlich hierfür sind die sektorspezifischen Auswirkungen globaler Trends wie des anhal-tenden wirtschaftsstrukturellen Wandels, neuer Technologien, des Klimawandels und demografischer Veränderungen. Die Spezialisierung von Unternehmen ist zudem ausschlaggebend dafür, wie intensiv sie dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind.

In der Vergangenheit waren einzelne Wirtschaftszweige in Deutschland unter-schiedlich stark vom zunehmenden Wettbewerb mit den aufstrebenden, dynami-schen Ökonomien, beispielsweise in Asien und Ostmitteleuropa, betroffen. Auf-grund der wachsenden Konkurrenz in Ostmitteleuropa stehen insbesondere die Bereiche des Verarbeitenden Gewerbes verstärkt unter Wettbewerbsdruck, die arbeitsintensiv, aber humankapitalextensiv produzieren. Die mittel- und osteuro-päischen Transformationsländer sind hinsichtlich der Arbeitskosten und -flexibili-tät weiterhin wettbewerbsfähiger als etablierte Industriestandorte. Aufgrund der hieraus resultierenden Produktionsvorteile spezialisieren sich die Unternehmen in diesen Ländern entsprechend auf Wertschöpfungstätigkeiten im Bereich der Fertigung und der Organisation.34 Dagegen binden Standorte in den westlichen Industrieländern weiterhin wichtige Bereiche wie Produktdefinition und -entwi-cklung, Steuerungs- und Durchsetzungskompetenzen sowie Forschung und Ent-wicklung an sich.

Das vorherrschende Muster der Arbeitsteilung zwischen relativ arbeitsreichen und relativ kapitalreichen Standorten hat Rückwirkungen auf die Entwicklungsper-spektiven der Unternehmen in Thüringen. Die weitere Spezialisierung auf wis-sensintensive Industrien und auf die mit diesen verbundenen Dienstleistungs-branchen ist deshalb eine Strategie, welche dazu beiträgt, dass Thüringer Unter-nehmen zukünftig im Standortwettbewerb erfolgreich sein werden.

Für Thüringen lassen sich insbesondere in der Industrie Branchenschwergewichte identifizieren, welche die ökonomische Struktur und die wirtschaftliche Dynamik prägen. Diese Wirtschaftszweige haben deshalb das Potenzial, sich zunehmend als zukunftsfähige Branchen zu etablieren. Tabellen 3.3 und 3.4 stellen die Beschäf-tigungsentwicklung im Zeitraum von 1999 bis 200735 in einzelnen Wirtschafts-zweigen des Produzierenden Gewerbes und der Dienstleistungen in Thüringen dar. Die Differenzierung in wachsende und schrumpfende Wirtschaftszweige gibt Hinweise auf Spezialisierungstendenzen der Thüringer Unternehmen und erlaubt Rückschlüsse hinsichtlich der Konkurrenzfähigkeit Thüringer Unternehmen in den einzelnen Branchen.

34 Vgl. Schintke/Weiß (2004).35 Die verwendeten Daten beziehen sich auf die sozialversicherungspf lich-tig Beschäftigten am Arbeitsort (Beschäftigungsstatistik der Bundes-agentur für Arbeit). Mit dieser Systematik werden im Verarbeitenden Gewerbe etwa 90% aller Erwerbstäti-gen erfasst. In der Betrachtung fehlen geringfügig Beschäftigte, Beamte und Selbstständige. Im Wesentlichen werden die Entwicklungen von 1999 bis zum Ende des Jahres 2007 betrachtet. Für die Beschäftigtenstatistik ist im Jahr 2008 eine neue Wirtschaftszweig-systematik eingeführt worden, die teilweise nicht mit der zuvor herr-schenden Systematik kompatibel ist und die Ergebnisse in der Längsschnitt-betrachtung verzerren würde.

53

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Der Arbeitsplatzabbau im Produzierenden Gewerbe in Thüringen hat im Zeitraum von 1999 bis 2007 am relativ stärksten das Bekleidungsgewerbe, das Lederge-werbe, das Textilgewerbe, den sonstigen Fahrzeugbau, die Wasserversorgung und die Herstellung von Möbeln, Schmuck, Sportgeräten usw. betroffen. Die Human-kapitalintensität ist in diesen Wirtschaftszweigen relativ gering, sodass in der Pro-duktion nur im geringen Maße hoch qualifiziertes Personal eingesetzt wird. Des-halb sind diese Wirtschaftszweige dem Wettbewerb mit arbeitsreichen Ländern und Regionen mit geringeren Lohnkosten relativ stark ausgesetzt.36

Andere industrielle Wirtschaftszweige haben im Rahmen des allgemeinen Bedeu-tungszuwachses humankapitalintensiver industrieller Strukturen in Thüringen rela tiv an Bedeutung gewonnen. Hierzu zählten insbesondere die Rundfunk-/Fernseh- und Nachrichtentechnik, die Herstellung von Kraftwagen und Kraftfahr-zeugteilen, die Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren, die Metallerzeu-gung und -bearbeitung, die Medizin-, Mess- und Steuertechnik/Optik, das Papier-gewerbe und der Maschinenbau.Die zunehmende Bedeutung humankapitalintensiver Wirtschaftszweige prägt ebenso die Beschäftigungsentwicklung im Dienstleistungsbereich. Hier nimmt die Bedeutung von Arbeitsplätzen in der Datenverarbeitung, der Forschung und Entwicklung und im Kredit- und Versicherungsgewerbe zu. Im Bereich der öffent-lichen Dienstleistungen gehen die Beschäftigtenzahlen hingegen zurück, was im Hinblick auf die Angleichung an die produktiveren Wirtschaftsstrukturen in Westdeutschland (vgl. Abschnitt 3.2) – die weniger stark vom öffentlichen Sektor geprägt sind – sehr positiv zu bewerten ist.

36 Vgl. Peters et al. (2006).

54

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

beschäftigungsentwicklung im Produzierenden Gewerbe*

Wirtschaftssektor 1999 2001 Veränderung

Pers. Pers. %

rundfunk-, Fernseh- und nachrichtentechnik 4.344 6.898 58,8

herstellung von Kraftwagen und -teilen 7.822 11.598 48,3

herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren 11.352 15.134 33,3

Metallerzeugung und -bearbeitung 4.637 5.760 24,2

Medizintechnik, Optik und Meß-, steuer- und regelungstechnik 11.034 13.477 22,1

Papiergewerbe 2.466 2.987 21,1

Maschinenbau 18.364 20.875 13,7

herstellung von Geräten der elektrizitätserzeugung, -verteilung u.Ä. 8.606 9.587 11,4

chemische industrie 5.016 5.541 10,5

Verlagsgewerbe, druckgewerbe, Vervielfältigung von bespielten ton-, bild- und datenträgern

5.484 5.955 8,6

herstellung von Metallerzeugnissen 24.972 26.144 4,7

recycling 2.076 2.016 -2,9

ernährungsgewerbe 20.141 19.523 -3,1

herstellung von büromaschinen, datenverarbeitungsgeräten und -einrichtungen 1.001 967 -3,4

bergbau und Gewinnung von steinen und erden 3.739 3.067 -18

holzgewerbe (ohne herstellung von Möbeln) 6.039 4.872 -19,3

energieversorgung 5.949 4.711 -20,8

Glasgewerbe, Keramik, Verarbeitung von steinen und erden 13.576 10.715 -21,1

herstellung von Möbeln, schmuck, Musikinstrumenten, sportgeräten, spielwaren und sonstigen erzeugnissen

10.115 6.002 -40,7

textilgewerbe 3.833 2.182 -43,1

Wasserversorgung 2.334 1.041 -55,4

sonst. Fahrzeugbau 1.645 629 -61,8

ledergewerbe 1.024 354 -65,4

bekleidungsgewerbe 1.593 473 -70,3

* Die verwendeten Daten beziehen sich auf die sozialversicherungspf lichtig Beschäftigten am Arbeitsort (Beschäftigungsstatistik der Bundes-agentur für Arbeit). Für die Beschäftigtenstatistik ist im Jahr 2008 eine neue Wirtschaftszweigsystematik eingeführt worden, die teilweise nicht mit der zuvor herrschenden Systematik kompatibel ist. Deshalb werden hier nur die Entwicklungen bis zum Jahr 2007 ausgewiesen.Quellen: Bundesagentur für Arbeit (2009); Berechnungen HWWI.

Tabelle 3.3

55

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

beschäftigungsentwicklung dienstleistungen

Wirtschaftssektor 1999 2001 Veränderung

Pers. Pers. %

datenverarbeitung und datenbanken 2.993 4.761 59,1

erbringung von dienstleistungen überwiegend für Unternehmen 49.631 67.942 36,9

Forschung und entwicklung 2.971 3.698 24,5

Gesundheits-, Veterinär- und sozialwesen 79.834 83.925 5,1

erbringung von sonstigen dienstleistungen 9.309 9.427 1,3

hilfs- und nebentätigkeit für den Verkehr 15.050 15.233 1,2

Grundstücks- und Wohnungswesen 8.688 7.915 -8,9

Gastgewerbe 21.007 18.906 -10,0

Kraftfahrzeughandel; instandhaltung und reparatur; tankstellen 21.659 19.331 -10,7

nachrichtenübermittlung 10.481 9.121 -13,0

handelsvermittlung und Großhandel (ohne Kfz) 25.980 21.994 -15,3

Kreditgewerbe 12.289 10.037 -18,3

Keine Zuordnung möglich 146 119 -18,5

einzelhandel (ohne handel mit Kfz und ohne tankstellen); reparatur von Gebrauchsgütern

61.264 49.553 -19,1

Vermietung beweglicher sachen ohne bedienungspersonal 1.655 1.338 -19,2

Private haushalte 209 167 -20,1

landverkehr und transport in rohrfernleitungen 20.318 16.038 -21,1

abwasser- und abfallbeseitigung und sonstige entsorgung 5.731 4.242 -26,0

Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; sozialversicherung 71.437 52.121 -27,0

interessenvertretungen sowie kirchliche und sonstige Vereinigungen (ohne sozialwesen, Kultur und sport)

19.541 13.430 -31,3

Versicherungsgewerbe 2.008 1.349 -32,8

erziehung und Unterricht 62.436 40.013 -35,9

Kultur, sport und Unterhaltung 11.924 6.926 -41,9

Quellen: Bundesagentur für Arbeit (2009); Berechnungen HWWI

Tabelle 3.4

56

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Tabelle 3.5 gibt einen Überblick über die Wirtschaftszweige in Thüringen, in denen im Jahr 2008 mehr als 5.000 Menschen beschäftigt waren, wobei die absoluten Beschäftigungszahlen isoliert betrachtet nicht als Indikatoren für Spezialisierungs-vorteile definiert werden können. Sie geben jedoch erste Hinweise darauf, in wel-chen Wirtschaftszweigen Schwerpunkte existieren.

Die drei beschäftigungsstärksten Wirtschaftszweige in Thüringen sind die öffent-liche Verwaltung/Verteidigung/Sozialversicherung (53.492 Beschäftigte), das Ge-sundheitswesen (53.413 Beschäftigte) und der Einzelhandel (51.993 Beschäftigte). Diese drei Sektoren haben jeweils einen Anteil an der Gesamtbeschäftigung in Thüringen von 7,4 % bzw. 7,2 %. Trotz ihrer Stärke haben die öffentliche Ver-waltung und der Einzelhandel nicht das Potenzial, für eine zukünftige dynamische Entwicklung Thüringens der Ausgangspunkt zu sein. Eine hohe Anzahl von Arbeitsplätzen im Gesundheitswesen hat hingegen – insbesondere in Kombina-tion mit den entsprechenden industriellen Strukturen, beispielsweise der Produk-tion von medizintechnischem Gerät – positive Zukunftsaussichten aufgrund der allgemeinen günstigen Entwicklungsperspektiven für die Gesundheitswirtschaft.

Innerhalb des Produzierenden Gewerbes sind das Baugewerbe (41.356 Beschäf-tigte), die Herstellung von Metallerzeugnissen (26.415 Beschäftigte), der Maschi-nenbau (18.952 Beschäftigte), die Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln (17.822 Beschäftigte), die Herstellung von DV-Geräten/elektronischen und opti-schen Erzeugnissen (16.322 Beschäftigte) sowie die Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen (15.366 Beschäftigte) Branchenschwergewichte, deren Be-schäftigungsanteil zwischen 5,7 % und 2,1 % liegt. Thüringen verfügt somit über eine diversifizierte Industrielandschaft, die von mehreren beschäftigungsstarken Industriezweigen geprägt ist. Diese haben sich im Zeitraum von 2005 bis zum Einsetzen der Wirtschaftskrise überwiegend als wachstumsstark erwiesen (vgl. Kasten 2).

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

beschäftigung 2009 – teil i

Wirtschaftszweig Beschäftigte Beschäfti-gungsanteil

Pers. %

Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; sozialversicherung 53.492 7,4

Gesundheitswesen 53.413 7,4

einzelhandel (ohne handel mit Kraftfahrzeugen) 51.993 7,2

Vorbereitende baustellenarbeiten, bauinstallation und sonstiges ausbaugewerbe 41.356 5,7

erziehung und Unterricht 37.949 5,3

herstellung von Metallerzeugnissen 26.415 3,7

Großhandel (ohne handel mit Kraftfahrzeugen) 22.636 3,1

Vermittlung und Überlassung von arbeitskräften 20.364 2,8

heime (ohne erholungs- und Ferienheime) 19.917 2,8

Maschinenbau 18.952 2,6

herstellung von nahrungs- und Futtermitteln 17.748 2,5

handel mit Kraftfahrzeugen; instandhaltung und reparatur von Kraftfahrzeugen 17.291 2,4

sozialwesen (ohne heime) 17.015 2,4

herstellung von datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen erzeugnissen 16.322 2,3

herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen 15.366 2,1

landwirtschaft, Jagd und damit verbundene tätigkeiten 15.136 2,1

Gastronomie 13.877 1,9

Gebäudebetreuung; Garten- und landschaftsbau 13.820 1,9

herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren 13.620 1,9

lagerei sowie erbringung von sonstigen dienstleistungen für den Verkehr 13.611 1,9

interessenvertretungen sowie kirchliche und sonstige religiöse Vereinigungen (ohne sozialwesen und sport) 12.408 1,7

herstellung von Glaswaren, Keramik, Verarbeitung von steinen und erden 10.992 1,5

erbringung von sonstigen Finanzdienstleistungen 10.217 1,4

erbringung von sonstigen überwiegend persönlichen dienstleistungen 10.138 1,4

Quellen: Bundesagentur für Arbeit (2010); Berechnungen HWWI.

Tabelle 3.5 – Teil I

58

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Quellen: Bundesagentur für Arbeit (2010); Berechnungen HWWI.

Tabelle 3.5 – Teil II

beschäftigung 2009 – teil ii

Wirtschaftszweig Beschäftigte Beschäfti-gungsanteil

Pers. %

hochbau 9.296 1,3

architektur- und ingenieurbüros 9.057 1,3

tiefbau 8.834 1,2

rechts- und steuerberatung, Wirtschaftsprüfung 7.731 1,1

Metallerzeugung und -bearbeitung 7.410 1,0

herstellung von sonstigen Waren 7.136 1,0

herstellung von elektrischen ausrüstungen 6.983 1,0

beherbergung 5.959 0,8

erbringung von dienstleistungen der informationstechnologie 5.601 0,8

Post-, Kurier- und expressdienste 5.486 0,8

erbringung von wirtschaftlichen dienstleistungen für Unternehmen und Privatpersonen a. n. g. 5.351 0,7

Grundstücks- und Wohnungswesen 5.241 0,7

sammlung, behandlung und beseitigung von abfällen; rückgewinnung 5.089 0,7

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

attraktiver branchen-Mix der thüringer industrie forciert Wachstum

Kasten 2: Quelle: Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit (2009), Wirtschaftsbericht 2009 für den Freistaat Thüringen.

Die Industrie war in den Jahren 2005 bis 2008 die Wachstumslokomotive der Thü-ringer Wirtschaft, wobei auch von jungen Branchen, wie der Solarindustrie und der Medizintechnik, Wachstumsimpulse ausgingen. Insgesamt ist die industrielle Landschaft von einer großen Branchenvielfalt gekennzeichnet, mit Schwerpunk-ten in den Wirtschaftszweigen Metallerzeugnisse, Gummi und Kunststoff, Kraft-fahrzeugbau, Elektrotechnik (DV-Anlagen, Solar, Optik, Medizintechnik), Ernäh-rungsgewerbe und Maschinenbau. Auf diese Branchen entfielen im Jahr 2008 rund 75 % des gesamten Umsatzes und der Beschäftigung sowie mehr als 80 % der Auslandsumsätze. Mit Ausnahme der Elektrotechnik konnten diese Schwer-punktbranchen ihre Umsätze gegenüber dem Jahr 2005 deutlich ausweiten. Erst infolge der weltweiten Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise gingen die Umsätze ab dem 4. Quartal 2008 zurück.

Die umsatzstärkste Branche der Thüringer Industrie ist die Herstellung von Kfz und Kfz-Teilen. Seit 2005 hat sich dieser Wirtschaftszweig sehr dynamisch ent-wickelt: Der Jahresumsatz stieg von 2,5 Mrd. Euro auf 3,8 Mrd. Euro und die Beschäftigtenzahlen stiegen um 20 % auf 13.241. Insgesamt sind in Thüringen etwa 440 Betriebe mit 45.000 Beschäftigten direkt oder indirekt mit der Fertigung von Kraftfahrzeugen bzw. Zulieferungen für die Kraftfahrzeugindustrie befasst. Die beschäftigungsstärkste Branche ist traditionsgemäß die Herstellung von Metall erzeugnissen, wobei diese Branche sehr mittelständisch geprägt ist. 75 % der Betriebe haben weniger als 100 Beschäftigte, über die Hälfte haben weniger als 50 Beschäftigte. In den Jahren von 2005 bis 2008 wurde der Jahresumsatz von 1,9 Mrd. Euro auf über 2,6 Mrd. Euro gesteigert und die Beschäftigtenzahlen leg-ten um 19 % auf 18.007 zu. Die produktivste Branche der Thüringer Industrie ist die Metallerzeugung und -bearbeitung, die mit einer Exportquote von 43,6 % weit über dem entsprechenden Durchschnittswert der deutschen Industrie liegt. Mit 307 TEUR je Beschäftigten liegt sie weit über dem Thüringer Industriedurchschnitt von 206 TEUR je Beschäftigten.

Die Schwerpunktbranche Maschinenbau hat eine Schlüsselfunktion für FuE und Zukunftspotenzial für technologiebasiertes Wachstum. Allerdings ist diese Bran-che von Umsatzeinbrüchen und zurückgehenden Investitionen im Zuge der Wirt-schaftskrise überproportional negativ betroffen. Im Zeitraum von 2005 bis 2008 stieg die Beschäftigung in diesem Wirtschaftszweig noch um 13 %. Zu den um-satz- und beschäftigungsstarken Industrien gehört auch das Ernährungsgewerbe, das von 2005 bis 2008 mit 36 % ein deutliches Umsatzplus erzielen konnte, aller-dings bei leicht rückläufiger Beschäftigung. Auch die relativ kleine Branche Rund-funk- und Nachrichtentechnik entwickelte sich von 2005 bis 2008 außerordentlich dynamisch, was sich in einer Zunahme des Umsatzes um 83,4 % zeigt. Innerhalb dieses Wirtschaftszweiges hat sich die Solarindustrie, die im Jahr 2008 rund 3.000 Mitarbeiter beschäftigte, überdurchschnittlich gut entwickelt. Die Solarindustrie ist ein stabilisierender Faktor in der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise, weil sie nicht von hiermit verknüpften Umsatz- und Auftragsrückgängen betroffen ist.

60

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Weitere wichtige Branchen sind die Gummi- und Kunststoffindustrie, die Elektro-technik, die Medizintechnik und die Optik. Der Umsatz der Gummi- und Kunst-stoffindustrie ist seit 1991 um 700 % gestiegen und die Beschäftigten haben sich mehr als verdoppelt. In den Jahren 2005 bis 2008 entwickelte sich der Umsatz von 1,8 Mrd. Euro auf 2,3 Mrd. Euro und stieg damit um 32,8 %. Die Mitarbeiter-zahl wuchs im gleichen Zeitraum von 10.500 auf 12.646 Beschäftigte. Die Umsatz-entwicklung in der Branche Elektrotechnik war im Zeitraum von 2005 bis 2008 sehr dynamisch und die Branche erwirtschaftete im Jahr 2008 2,2 Mrd. Euro. Die Mitarbeiterzahl stieg von 10.529 auf 11.352 Beschäftigte. Da zu den wichtigsten Märkten beider Branchen der Automobilbau und der Maschinenbau zählen, haben auch diese Branchen seit 2008 mit deutlichen Rückgängen im Umsatz und Auftragseingang zu kämpfen. Die Medizintechnik, Optik und Mess-, Steuer- und Regelungstechnik ist von einem hohen Technologie- und Innovationsgrad gekenn-zeichnet. Sie ist, gemessen am Gesamtumsatz, eine kleinere Branche in Thürin-gen. Im Vergleich zum deutschen Durchschnitt hat sie jedoch einen relativ hohen Umsatzanteil. Während dieser in Thüringen bei 5,1 % liegt, beträgt der entspre-chende deutsche Durchschnittswert 2,8 %. Bei den Beschäftigten steht der Thü-ringer Anteil von 6,3 % an der Gesamtbeschäftigung einem deutschen Durch-schnitt von 4,0 % gegenüber. In den Jahren 2005 bis 2008 entwickelte sich der Umsatz von 1,1 Mrd. Euro auf fast 1,4 Mrd. Euro und steigerte sich damit um 25,8 %. Die Mitarbeiterzahl wuchs von 7.199 auf 8.278 Beschäftigte.

Kasten 2: Quelle: Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit (2009), Wirtschaftsbericht 2009 für den Freistaat Thüringen.

Die Spezialisierungsvorteile Thüringens lassen sich anhand des Lokalisations-koeffizienten für einzelne Wirtschaftszweige bewerten. Dieser ist der Quotient aus dem Anteil der Beschäftigten einer Branche an der Gesamtzahl der Beschäf-tigten in Thüringen und dem Anteil der Beschäftigten dieser Branche in Deutsch-land. Ein Lokalisationskoeffizient größer als 1 weist auf einen relativen Standort-vorteil Thüringens in dem jeweiligen Wirtschaftszweig hin. Ein Lokalisationsko-effizient zwischen 0 und 1 zeigt an, dass diese Branche in Thüringen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt unterrepräsentiert ist. Die räumliche Konzentration von Wirtschaftszweigen ist insbesondere vor dem Hintergrund der verstärkten Clus-terbildung in wissensintensiven Industrien von Bedeutung. Es gibt eine Tendenz, dass sich neue Unternehmen vorzugsweise dort ansiedeln, wo bereits ein dichtes Netz von Unternehmen, hoch qualifizierten Arbeitskräften und Forschungsinsti-tuten der jeweiligen Branche existiert. Dieses räumliche Muster kann insbesonde-re damit erklärt werden, dass die Ballung und Entwicklung wissensintensiver Industrie- Cluster eng gekoppelt ist an die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeits-kräften. Diese variiert innerhalb Thüringens stark. Die Akademikerquote ist in den wissensintensiven Industrien in Deutschland mit 15 % fünfmal so hoch wie in der übrigen Wirtschaft. Speziell in den auf technische Forschungs- und Entwicklungs-kenntnisse ausgerichteten Wirtschaftszweigen liegt der Anteil von Naturwis-senschaftlern und Ingenieuren über dem Durchschnitt.37 Die Konzentration von Human kapital und die Ansiedlung von wissensintensiven Industriezweigen in einer Region sind dabei sich selbstverstärkende Prozesse, das heißt, wissensin-tensive Unternehmenszweige siedeln sich dort an, wo sie einen Markt mit ange-messen qualifizierten Fachkräften vorfinden. Auf der anderen Seite gehen die Arbeitskräfte dort hin, wo ihre Qualifikationen nachgefragt werden.

37 Vgl. Gehrke/Legler (2009).

61

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Tabelle 3.6 gibt einen Überblick über jene Wirtschaftszweige, die einen Koeffizien-ten mit einem Wert größer als 1,1 haben und damit in Thüringen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt überproportional vertreten sind.38 Hierbei ist zu beachten, dass eine Branche, die einen hohen Koeffizienten aufweist, keineswegs automa-tisch als Zukunftsfeld gelten kann. Eine Spezialisierung der Thüringer Wirtschaft auf arbeitsintensive Wirtschaftszweige, die aufgrund des fortschreitenden wirt-schaftsstrukturellen Wandels weiter schrumpfen dürften, wird in den kommen-den Jahren hohe Anpassungskosten verursachen.

38 Die aufgeführten Wirtschaftszweige weichen von jenen in Tabelle 3.5 ab, weil nicht alle Branchen mit mehr als 5.000 Beschäftigten einen Lokalisa-tionskoeff izienten über 1 aufweisen.

beschäftigte und lokationsquotient 2009 – teil i

Art des Gewerbes Absolut Beschäftigte in

Thüringen

Anteil der Beschäftigten in Thüringen

Absolut Beschäftigte in

Deutschland

Anteil der Beschäftigten

in Deutschland

Lokations-quotient

Pers. % Pers. %

landwirtschaft, Jagd u. damit verbundene tätigkeiten

15.136 2,09 198.519 0,73 2,89

Forstwirtschaft u. holzeinschlag 1.160 0,16 17.521 0,06 2,51

Gewinnung von steinen und erden, sonstiger bergbau

2.149 0,30 39.710 0,15 2,05

herstellung von Glas, Keramik, Verarbeitung von steinen und erden

10.992 1,52 203.867 0,74 2,04

Wasserversorgung 2.072 0,29 38.726 0,14 2,03

tiefbau 8.834 1,22 191.460 0,70 1,75

herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren 13.620 1,88 342.454 1,25 1,51

herstellung von holz-, Korb-, Korkwaren (ohne Möbel)

4.388 0,61 112.300 0,41 1,48

herstellung von datenverarbeitungsgeräten, elektr.- u. optischen erzeugnissen

16.322 2,26 424.907 1,55 1,46

abwasserentsorgung 1.002 0,14 26.436 0,10 1,44

Vorbereitende baustellenarbeiten, bauinstandhaltung, sonstiges ausbaugewerbe

41.356 5,72 1.113.849 4,07 1,41

Kreative, künstlerische und unterhaltende tätigkeiten

2.369 0,33 64.220 0,23 1,40

Vermittlung und Überlassung von arbeitskräften 20.364 2,82 569.303 2,08 1,36

herstellung von Metallerzeugnissen 26.415 3,65 745.439 2,72 1,34

erziehung und Unterricht 37.949 5,25 1.071.282 3,91 1,34

hochbau 9.296 1,29 266.918 0,97 1,32

sammlung, behandlung und beseitigung von abfällen; rückgewinnung

5.089 0,70 150.656 0,55 1,28

herstellung von sonstigen Waren 7.136 0,99 212.969 0,78 1,27

Quellen: Bundesagentur für Arbeit (2010); Berechnungen HWWI.

Tabelle 3.6 – Teil I

62

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

So weist etwa der Bereich der Landwirtschaft einen sehr hohen Lokalisationskoef-fizienten auf, wenngleich im landwirtschaftlichen Sektor im Zeitablauf kontinuier-lich Arbeitsplätze abgebaut werden. Dieser Wirtschaftszweig ist gegenwärtig in Thüringen immer noch etwas größer als in Deutschland insgesamt. Der Lokalisa-tionskoeffizient verdeutlicht ebenso den überproportional hohen Stellenwert der öffentlichen Dienstleistungen in Thüringen: In den Wirtschaftsbereichen „Öffent-liche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung“, „Erziehung und Unterricht“ und „Überlassung von Arbeitskräften“ sind in Thüringen anteilsmäßig deutlich mehr Menschen beschäftigt als in Deutschland insgesamt.

Es ist ein wichtiges Merkmal der Thüringer Wirtschaftsstruktur, dass sich für zahl-reiche industrielle Wirtschaftszweige Spezialisierungsvorteile feststellen lassen (vgl. Tabelle 3.6). Die Gewerbeklassifizierung „Herstellung von Datenverarbei-tungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen“, welche die Zukunfts-branchen Photovoltaik, Optik und Nanotechnologie sowie die Mikroelektronik enthält, hat in Thüringen einen deutlich höheren Anteil an der Beschäftigung als in Deutschland insgesamt und weist daher gute Standortbedingungen auf. Beson-ders im Bereich der Solarwirtschaft zeigt sich ein signifikanter Vorsprung gegen-über dem Rest Deutschlands. Mit insgesamt 2.500 Mitarbeitern in 48 Unterneh-men aus dem Bereich der Photovoltaik stellt Thüringen den höchsten Anteil an Arbeitsplätzen in diesem Bereich in Deutschland.

Quellen: Bundesagentur für Arbeit (2010); Berechnungen HWWI.

Tabelle 3.6 – Teil II

beschäftigte und lokationsquotient 2009 – teil ii

Art des Gewerbes Absolut Beschäftigte in

Thüringen

Anteil der Beschäftigten in Thüringen

Absolut Beschäftigte in

Deutschland

Anteil der Beschäftigten

in Deutschland

Lokations-quotient

Pers. % Pers. %

Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; sozialversicherung

53.492 7,40 1.665.791 6,08 1,22

sonstige überwiegend persönliche dienstleistungen

10.138 1,40 322.822 1,18 1,19

sozialwesen (ohne heime) 17.015 2,35 544.161 1,99 1,18

herstellung von nahrungs- und Futtermitteln 17.748 2,46 569.981 2,08 1,18

reparatur v. dV-Geräten u. Gebrauchsgütern 1.055 0,15 35.045 0,13 1,14

herstellung von Möbeln 3.421 0,47 115.486 0,42 1,12

bibliotheken, archive, Museen, botanische u. zoologische Gärten

1.015 0,14 34.488 0,13 1,11

handel mit Kraftfahrzeugen; instandhaltung und reparatur von Kraftfahrzeugen

17.291 2,39 589.962 2,15 1,11

reparatur und installation von Maschinen und ausrüstungen

3.928 0,54 134.180 0,49 1,11

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Kasten 3: Quellen: Prognos AG (2009); Braun et al. (2008); Landesentwicklungs-gesellschaft (LEG) Thüringen mbH (2010).

in Zukunftsbranchen gut aufgestellt

Die optische industrie stellt eine klassische Querschnittstechnologie dar, was bedeu tet, dass sie in vielen unterschiedlichen wirtschaftlichen und technolo-gischen Feldern zum Einsatz kommt. Sie beschäftigt sich unter anderem mit dem Messen, Analysieren und Speichern von Daten als auch der Erkennung und Bear-beitung von Oberflächen und findet beispielsweise in der Elektrotechnik, der Medi zintechnik oder auch der Halbleiter- und Solarzellenproduktion Verwendung. Die Optik stellt ein relativ junges Forschungsfeld dar und gilt, auch wegen ihres branchenübergreifenden Charakters, als zukunftssicheres Forschungsfeld. Auch in Thüringen hat die optische Industrie mit 171 Unternehmen und 14.650 Beschäf-tigten günstige Entwicklungsperspektiven. Die Region um Jena beherbergt etwas mehr als die Hälfte all dieser Unternehmen und bildet somit das Zentrum der opti schen Industrie, das von kleinen und mittleren Unternehmen geprägt wird. Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten machen 25,7 % der Unterneh-men aus. 41,5 % der Optik-Unternehmen beschäftigen zehn bis 49 Mitarbeiter. Mehr als die Hälfte aller Beschäftigten ist in den Unternehmen mit bis zu 249 Mit-arbeitern angestellt, welche ein Viertel aller Unternehmen des Optik-Bereichs in Thüringen ausmachen. Der im Ausland erwirtschaftete Umsatzanteil von den auf Optik spezialisierten Unternehmen in Thüringen beträgt 65 %, wobei eine hohe Integration in den Weltmarkt kennzeichnend für eine zukunftsweisende Technolo-giebranche ist. Ferner zeichnet sich dieser Wirtschaftszweig durch hohe FuE-Akti-vitäten aus: Ein Zehntel des Gesamtumsatzes fließt in FuE. Zum Einsatz kommen die Produkte der Thüringer Optikindustrie vor allem in den Feldern Information und Produktion, Lebenswissenschaft und Medizin sowie Energie und Umwelt. Thüringen hat in der Medizintechnik, eine lange Tradition, wobei dieser Wirt-schaftszweig ein zentrales Standbein der life science darstellt. Die Medizintech-nikbranche mit ihren ca. 200 Unternehmen zählt zu den innovativsten Industrie-zweigen im Freistaat. Die Wurzeln der Thüringer Medizintechnik liegen in den Berei chen Optik, Feinmechanik und Pharmazie. Auf dieser Basis sind in den letz-ten Jahren neue Unternehmen in den Bereichen Analytik, Lasertechnik, Pharma-industrie, medizinischer Instrumenten- und Gerätebau sowie Implantat-Techno-logie entstanden. Zu diesem Cluster zählen rund 200 Unternehmen der Medi-zintechnik, die zu einer der umsatzstärksten Branchen im Freistaat gehört. Die Exportquote der Branche beträgt über 50 %, was ihre erfolgreiche Etablierung am Weltmarkt widerspiegelt. Die Thüringer Firmen und FuE-Einrichtungen der Medi-zintechnik konzentrieren sich vor allem in Jena und den Regionen Saalfeld-Rudol-stadt sowie Gera-Zeulenroda-Greiz. Auch die Biotechnologie ist in Thüringen als Life Science vertreten. Derzeit gibt es etwa 60 Biotechnologie-Unternehmen und 23 Forschungseinrichtungen sowie weitere Unternehmen und Einrichtungen in Thüringen, die sich auf industrielle und landwirtschaftliche Biotechnologie kon-zentrieren. Der Schwerpunkt liegt hierbei in dem Bereich Bioinstrumente. Das BMBF zeichnete Jena bereits im Jahr 1996 für vorbildliche Fokussierung auf das Profil „Bioinstrumente“ aus.Erfolgsfaktoren für Thüringer Unternehmen in der Life Science sind ein fundiertes und breit gefächertes Bildungsangebot im Bereich der Life Sciences, ein positives Forschungsumfeld, interdisziplinäre Zusammenarbeit auf den Gebieten der Bio- und Medizintechnologie sowie dessen Förderung durch Initiativen. Die Fach-/Hochschulen in Jena, Ilmenau und Nordhausen bieten eine Vielzahl – über die Kerndisziplinen hinausgehende – Studiengängen an, so auch Fachbereiche, die Grundlagen für die Life Science darstellen oder solche, die ihr nahe stehen. Ne-ben zahlreichen Instituten der Hochschulen wird ferner an Instituten, wie zum Beispiel der Fraunhofer Gesellschaft oder der Leibniz-Gemeinschaft, im Bereich der Life Science geforscht.

64

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Die industriellen Strukturen in Thüringen bieten zahlreiche regionale Ansatz-punkte für die Sicherung der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit des Verarbei-tenden Gewerbes. Entwicklungsperspektiven für diesen Wirtschaftszweig bieten dabei neben den traditionell bestehenden Strukturen auch solche Bereiche, die im Zuge genereller Trends weiter expandieren werden. Für Ostdeutschland wurden in einer Untersuchung aus dem Jahr 2008 sechs Zukunftsfelder identifiziert.39 Drei von ihnen beziehen sich auf etablierte Branchen, die aufgrund veränderter Rahmenbedingungen zukünftig neue Wachstumsimpulse erhalten dürften. Zu diesen zählen die Gesundheitswirtschaft, die Optischen Technologien sowie Informations- und Kommunikationstechnologien. Die andere Gruppe besteht aus forschungsintensiven Zukunftsfeldern: Nanotechnologien/neue Werkstoffe, Bio-technologien und Energie- und Umwelttechnologien. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass Thüringen mit der der Gesundheitswirtschaft zuzurechnenden Medizintechnik und der Photovoltaik sowohl zwei etablierte Branchen als auch zwei besonders zukunftsträchtige Felder mit der Biotechnologie und der Optik-branche aufweist.

In Thüringen bestehen derzeit Cluster40 vor allem auf den Gebieten Automobil-zulieferer (Automotive Thüringen [AT]), Optische Technologien (OptoNet), Solartechnik (SolarInput), Kunststofftechnik (PolymerMat) und Medizintechnik (medways e. V.).41 Junge Clusterinitiativen, die seit 2009 im Rahmen der Verbund-förderung vom Land unterstützt werden, sind der Bereich der Mikrotechnik- Nanotechnologie (Mikro-Nanotechnologie-Thüringen e. V. [MNT]), der Medien-bereich (Mediencluster Thüringen [MCT]), das Industriecluster „Elektronische Mess- und Gerätetechnik Thüringen“ (ELMUG) und „Fertigungstechnik und Metall bearbeitung in Thüringen“ (FerMeTh).

Diese innovativen Wirtschaftszweige in Thüringen sind – wie auch bundesweit – stark von Forschung und Entwicklung beeinflusst. Auch in Zukunft ist beispiels-weise mit einer steigenden Nachfrage nach neuen innovativen Verfahren der Medi zintechnik zu rechnen, unter anderem aufgrund demografischer Verände-rungen. Die Entwicklungstendenzen auf den entsprechenden Märkten deuteten in der jüngeren Vergangenheit darauf hin, dass sich die deutschen Unternehmen der Medizintechnik trotz starker Konkurrenz international gut behaupten konnten. Gleichzeitig ist die Medizintechnik ein wichtiger Bestandteil der Life-Science Cluster.42 Auch die Wachstumsbranche erneuerbare Energien, hierunter in Thü-ringen insbesondere die Solarenergie, eröffnet Ansatzpunkte für den Ausbau zukunfts fähiger Wirtschaftsstrukturen. Im Zuge der globalen Anpassungen an den Klimawandel wird die Bedeutung von alternativen Energien sukzessive weiter-wachsen.

39 Vgl. Braun et al. (2008).40 Vgl. Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) Thüringen mbH (2010).41 Die Clusterinitiative Bioinstrumente Jena e. V. wird in Kürze aufgelöst werden.42 Vgl. Bräuninger/Wohlers (2008).

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Zur erfolgreichen Positionierung der Thüringer Unternehmen in Zukunftsbran-chen tragen Innovationserfolge in Wachstumsbranchen bei. Deshalb ist es im Hinblick auf die Entwicklungsperspektiven der Thüringer Unternehmen positiv zu bewerten, dass sich hinsichtlich der Patentanmeldungen Schwerpunkte und Spezialisierungen in Zukunftsbranchen identifizieren lassen. Im wissensbasierten Bereich liegt der Patentanmeldungsanteil Thüringens deutlich über dem bundes-weiten Durchschnitt. Zwischen den Jahren 1995 und 2007 stammte mit 44,3 % fast die Hälfte der Erfindungen aus Ostthüringen und 31,5 % aus Mittelthü-ringen.43

Der Patentatlas des deutschen Patent- und Markenamtes gibt Aufschluss über die Wirtschaftszweige, in denen schwerpunktmäßig Innovationserfolge zu verzeich-nen waren. Der größte Anteil der Patentanmeldungen Thüringens (20,2 %) hatte im Jahr 2006 das Teilgebiet „Messen, Prüfen, Optik, Fotografie“ zu verbuchen. Viele Patentanmeldungen gab es zudem mit 10 % in der Elektrotechnik, im Gesund heitswesen (inklusive medizinische, zahnärztliche und kosmetische Präparate) mit 8,4 % sowie im Bauwesen mit 4,9 % der Gesamtpatentzahl. Im bundesdeutschen Vergleich gibt es ferner überdurchschnittlich viele Patent-anmeldungen von Thüringer Erfindern in der Anorganischen Chemie. Die Spezia-lisierung der Thüringer Unternehmen in den Bereichen der optischen Technologie und im Gesundheitswesen spiegelt sich auch in der anteiligen Betrachtung im deutschlandweiten Vergleich wider. Im Zeitraum von 1995 bis 2007 waren 18,1 % der deutschen Patentanmeldungen in der Unterklasse Optische Elemente, Syste-me oder Geräte den Erfindern aus Thüringen zuzuschreiben. Ebenso haben sie 5,3 % der deutschen Patente in der Unterklasse Filter, Prothesen, Gefäßstützen angemeldet. Die Thüringer Erfinder haben also klare Spezialisierungsgebiete im Bereich der Patentanmeldungen, was ihnen Wettbewerbsvorteile schaffen kann.

43 Vgl. Fritsch et al. (2009).

66

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

3.4 Kooperationen und netzwerke

Neben günstigen Voraussetzungen für die weitere Bewältigung des (wissens-basierten) Strukturwandels und die fortschreitende Integration in die Weltwirt-schaft hängen die wirtschaftlichen Perspektiven Thüringens davon ab, inwieweit Branchen mit hohem Wachstumspotenzial – sogenannte „Zukunftsbranchen“ – günstige Entwicklungsbedingungen in der Region vorfinden. Dynamische Bran-chen können der Ausgangspunkt für die Entstehung von Wachstumsclustern sein, die als „Motor“ der regionalen Gesamtentwicklung fungieren können, wenn sie in ein zu ihnen komplementäres Umfeld eingebunden sind. Als Cluster bezeichnet man die räumliche Ballung von Unternehmen und Institutionen, deren Aktivitäten miteinander verzahnt sind. Zentrale Akteure eines solchen Netzwerkes sind Pro-duzenten, Zulieferer, Dienstleistungsunternehmen, Arbeitskräfte, Forschungs- und Bildungseinrichtungen, aber auch Kunden und der öffentliche Sektor. Diese regionalen Strukturen bieten Firmen neben den allgemeinen Agglomerations-vorteilen, wie der gemeinsamen Nutzung öffentlicher Güter und der Größe des lokalen Marktes, Vorteile aufgrund der engen räumlichen Verflechtung mit Zulie-ferern und Kunden, ein spezialisiertes Arbeitskräfteangebot sowie des Transfers von Wissen. Die räumliche Nähe führt dazu, dass die Menschen ihre Erfahrungen und ihr Wissen untereinander austauschen, dadurch voneinander lernen und mit-einander kooperieren. Dies hat einen positiven Einfluss auf die Entstehung von Inno vationen und Weiterentwicklungen von Technologien. Auch die Thüringer Unternehmen setzen auf die Vorteile von Kooperationen mit regionalen Netzwer-ken. Die Integration Thüringer Unternehmen in Innovations-Netzwerke verdeut-licht die Bedeutung von Ko-Erfindern aus einem anderen Land. Dabei zeigt sich deutlich ein „Gürtel“ von Regionen um Thüringen herum, aus denen die meisten Ko-Erfinder stammen, beispielsweise aus Berlin, Chemnitz-Erzgebirge und Rhein-Main.44

Für ökonomisches Wachstum spielt generell die Etablierung von sogenannten „Zukunftsindustrien“ eine wichtige Rolle, wobei Spezialisierungsvorteile und Clus-terbildungen im Zusammenhang mit diesen Wirtschaftszweigen Wettbewerbs-vorteile für Thüringer Unternehmen generieren können. Dies gilt für Thüringen umso mehr, da die dortige Struktur der Zukunftsbranchen mehrheitlich klein- und mittelständisch geprägt ist. Da kostspielige Forschungs- und Entwicklungspro-jekte von einzelnen, kleinen Unternehmen nur schwer zu finanzieren sind, entste-hen hier durch Forschungsverbünde erhebliche Synergiepotenziale. Um eine nen-nenswerte regionale Innovationsfähigkeit zu entwickeln, muss der FuE-Sektor einer Region eine bestimmte kritische Masse erreichen. Von Bedeutung ist darü-ber hinaus auch das Ausmaß der regionsinternen FuE-Kooperation – innerhalb sowie zwischen öffentlichem Wissenschaftsbereich und technologieorientierter Wirtschaft. Große wie auch kleine Thüringer Unternehmen greifen verstärkt auf Partnerschaften und Netzwerke im Bereich Forschung zurück. Universitäten, Fachhochschulen und andere Forschungseinrichtungen zählen dabei nach Um-frageergebnissen für 70 % der Unternehmen zu den wichtigsten Ansprechpart-nern. Forschungsbezogene Kooperation findet gleichermaßen in den verschieden großen Betrieben statt. Auch die Nutzung von Netzwerken nimmt eine immer wichtigere Rolle ein. Das Jenaer Kompetenznetzwerk „OptoNet“ vereinigt unter anderem Unternehmen und andere relevante Akteure der Optik-Branche.45 Zu sei-nen Dienstleistungen zählen Workshops, Plattformen für Informationsaufbe-reitung und -austausch sowie „Clustertreffen“, bei denen sich die Mitglieder unter-einander kennen lernen können. Doch auch Thüringer Netzwerke aus anderen

44 Vgl. Fritsch et al. (2009).45 Vgl. www.optonet-jena.de

67

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Bereichen wie z. B. „medways“, eine Vereinigung aus Industrieunternehmen, For-schungsinstituten und Hochschulen der Medizintechnikbranche sowie aus dem Bereich der Biotechnologie, stellen ein wichtiges Kooperationsnetzwerk dar. Seit Frühjahr 2008 gehört neben der Medizintechnik auch die Biotechnologie zum Aufgabenspektrum des Vereins medways e. V. Der BioInstrumente Jena e. V. wird in Kürze aufgelöst werden.

Eine in der Praxis sehr bedeutsame Form der räumlichen Ballung ökonomischer Aktivitäten sind Technologie-Cluster, für welches das Silicon Valley das Paradebei-spiel ist. Es können aber auch Cluster an der Schnittstelle unterschiedlicher Wirt-schaftsbereiche entstehen, wie das Beispiel der Gesundheitswirtschaft an vielen Standorten in Deutschland zeigt. Vor diesem Hintergrund dürften vor allem jene Technologien und Unternehmen in Thüringen gute Entwicklungsaussichten haben, die eng verknüpft sind mit den bereits hier etablierten Wirtschaftsbe-reichen (vgl. 3.3). In diesem Fall gibt es in der Region bereits ein branchenspezifi-sches Dienstleistungs-, Zulieferer- und Infrastrukturangebot. Ferner kann die Um-setzung neuer Technologien in marktfähige Produkte bei Vorhandensein einer ad-äquaten Plattform in den traditionellen Wirtschaftsbereichen erleichtert werden.

Für die Entfaltung positiver Clustereffekte ist auch die „industrielle Mischung“ ein relevanter Einflussfaktor. Diversifizierung ist vorteilhaft gegenüber starker Speziali-sierung von Clustern, weil monostrukturierte Cluster krisenanfälliger sind und we-niger Potenzial für Wissensaustausch bieten.46 In Deutschland gab es im Zeitraum von 1999 bis 2007 nur für wenige Wirtschaftsbereiche einen positiven Zusammen-hang zwischen Spezialisierung und Beschäftigungsentwicklung. Eine wichtige Aus-nahme stellt die Herstellung von Kraftwagen und Kraftfahrzeugteilen dar.47

Im Allgemeinen haben die Konzentration von Branchen und der gleichzeitige Erhalt beziehungsweise Aufbau eines diversifizierten ökonomischen Umfelds positive Auswirkungen auf das regionale Wachstum.48 Empirische Untersuchun-gen zeigen, dass viele Branchen in einer diversifizierten ökonomischen Umge-bung eine dynamischere Entwicklung aufweisen als in einer stark spezialisierten Region. Die Koexistenz unterschiedlicher Industriezweige an einem Standort erlei-chtert den intersektoralen Wissensaustausch, weil Menschen mit unterschied-lichen Hintergründen aufeinander treffen.49 Zahlreiche Regionen in Thüringen weisen eine solche industrielle Mischung auf, was positiv für ihre zukünftigen Ent-wicklungsperspektiven ist (vgl. Kasten 2 und Kasten 3).50

Daher ist die Bildung von Netzwerken, in welchen die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Hochschulen gefördert wird, ein wichtiges Element der Clusterbildung. Dabei profitiert Thüringen neben den Hochschulen vor allem von der Existenz außeruniversitärer Forschungseinrich-tungen, wie etwa den Max-Planck-Instituten oder den Fraunhofer- und Leibniz- Instituten. Wissenschaftseinrichtungen und ihre Leistungsangebote stellen häufig Vorleistungen für die anwendungsorientierte FuE der Wirtschaft dar.51 Aber auch aufgrund der Ausbildung hochqualifizierter Arbeitskräfte sind die Hochschulen von erheblicher Bedeutung für die technologische Leistungsfähigkeit. Koopera-tionen mit Unternehmen, Auftragsforschung oder Gründungen aus dem öffent-lichen Forschungsbereich leisten darüber hinaus wichtige Beiträge zum Technolo-gietransfer.52

46 Vgl. Möller/Tassinopoulos (2000).47 Vgl. Kowalewski/Niebuhr (2008).48 Vgl. Henderson (1997).49 Vgl. Jacobs (1969).50 Vgl. Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit (2009).51 Vgl. Schricke/Liefner (2006).52 Vgl. BMBF (2009).

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Neben der Kooperationsbereitschaft der regionalen Akteure aus Politik, Wirt-schaft und Verwaltung sind auch attraktive regionale Standortbedingungen eine wichtige Voraussetzung für eine günstige Entwicklung von Clustern. In einer zu-nehmend wissensbasierten Gesellschaft rücken neben den traditionellen Stand-ortfaktoren (Lohnniveau, Verkehrsinfrastruktur oder die Nähe zu Absatzmärkten) die sogenannten weichen Standortfaktoren verstärkt in den Vordergrund.53 Der Zugang zu neuem technischen Wissen, die Verfügbarkeit hoch qualifizierter Arbeitskräfte und Kooperationsmöglichkeiten im Bereich FuE, sind Voraussetzun-gen, die die Standorte dynamischer Wachstumsbranchen erfüllen müssen.

53 Vgl. Niebuhr/Stiller (2004) und Kowalewski/Stiller (2009).

69

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

4Qualifizierte Fachkräfte sind die basis für einen erfolgreichen Mittelstand4.1 demografische entwicklung in thüringen und Wettbewerb der regionen in deutschland um Fachkräfte

Die demografische Entwicklung Thüringens war im Zeitraum von 2000 bis 2009 von rückläufigen Bevölkerungszahlen geprägt. Während im Jahr 2000 noch 2,44 Millionen Personen im Freistaat lebten, waren es im Jahr 2005 95.196 Men-schen weniger. Im Jahr 2009 zählte die Bevölkerung Thüringens nur noch 2,25 Millionen Menschen. Dies entspricht einem Bevölkerungsrückgang um -7,80 % im Zeitraum von 2000 bis 2009 (vgl. Abbildung 4.1). Während dieses Zeitraums waren sowohl der natürliche Bevölkerungssaldo (Differenz zwischen Geburten und Todesfällen) als auch der Wanderungssaldo negativ. In den Jahren 2003 bis 2006 hat der Wanderungssaldo kontinuierlich zugenommen und lag bei -14.270 Personen im Jahr 2006 (vgl. Abbildung 4.2). Ab 2007 ist dieser Saldo leicht rückläufig und hat 2009 mit -8.026 Personen seinen Tiefststand in dem betrachte-ten Jahrzehnt erreicht. Der natürliche Bevölkerungssaldo hat seit dem Jahr 2000 zwischen -8.000 und -9.000 Personen geschwankt. Die Kombination dieser bei-den Entwicklungstrends hat in der jüngeren Vergangenheit eine Beschleunigung des Bevölkerungsrückgangs in Thüringen zur Folge gehabt (vgl. Abbildung 4.3).

bevölkerungsentwicklung in thüringen

Abb. 4.1Quellen: Thüringer Landesamt für Statistik (2010); HWWI.

Mio.

2,15

2,20

2,25

2,30

2,35

2,40

2,45

2,50

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

70

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

natürlicher bevölkerungs- und Wanderungssaldo in thüringen

bevölkerungsentwicklung gegenüber dem Vorjahr, 2000 bis 2009

Abb. 4.2Quellen: Thüringer Landesamt für Statistik (2010); Berechnungen HWWI.

Abb. 4.3Quellen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2009a); Berechnungen HWWI.

-16.000

-14.000

-12.000

-10.000

-8.000

-6.000

-4.000

-2.000

020

00

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

WanderungssaldoNatürlicher Bevölkerungssaldo

-1,2

-1,0

-0,8

-0,6

-0,4

-0,2

0,0

0,2

0,4

0,6

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

%

Neue BundesländerThüringen

Alte BundesländerDeutschland

71

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Die demografische Entwicklung Thüringens ist charakteristisch für die ostdeut-schen Länder. Die stark differenzierte Bevölkerungsentwicklung zwischen Ost- und Westdeutschland, welche die demografische Entwicklung in Deutschland nach der deutschen Wiedervereinigung prägte, hat sich auch nach dem Jahr 2000 fortgesetzt. Während die Bevölkerung in Ostdeutschland seither abgenommen hat, ist sie in Westdeutschland bis zum Jahr 2006 leicht gewachsen und nach 2007 leicht zurückgegangen. Aus dem Blickwinkel der demografischen Perspektiven Thüringens ist es negativ zu beurteilen, dass in diesem Land die Dynamik des Bevöl kerungsrückgangs höher ist als im ostdeutschen Durchschnitt. Dieser Unter-schied hat sich seit dem Jahr 2004 deutlich vergrößert (vgl. Abbildung 4.3). Die Bevölkerung in Ostdeutschland ist im Jahr 2009 um 0,61 % zurückgegangen und in Thüringen um 0,79 %.

Dabei gibt es schon jetzt in Teilbereichen ein Ungleichgewicht an der Verteilung der Geschlechter. Die regional stärkere Abwanderung von jungen, gut ausgebil-deten weiblichen Fachkräften dürfte in der Folge auch zur Abwanderung junger Männer aus dieser Region führen, zumindest zu dem Zeitpunkt, indem sich diese Männer entschließen eine Familie zu gründen. In diesem Zusammenhang ist auch das im Vergleich zu Thüringer Männern durchschnittlich geringere Einkom-men von Frauen und das insgesamt niedrigere Lohnniveau Thüringens relativ zu den alten Ländern zu sehen.

Ein wichtiger Erklärungsfaktor für die insgesamt hohe Abwanderung von Frauen und Männern aus Thüringen sind die ökonomischen Bedingungen, insbesondere die Situation der regionalen Arbeitsmärkte. Weil das Angebot an (attraktiven) Arbeitsplätzen von zentraler Bedeutung für die Wohnortwahl von Arbeitskräften ist54, weist Thüringen aus dieser Perspektive und aufgrund des Arbeitsplatz abbaus bis zum Jahr 2005 eine geringere Standortattraktivität auf als zahlreiche andere Regionen in Deutschland. Nach 2005 hat sich jedoch die Wettbewerbsposition Thüringens im Hinblick auf die Reduzierung der Abwanderung von Arbeitskräften verbessert, weil die Arbeitslosigkeit deutlich zurückgegangen ist. Die Zunahme an Beschäftigungsmöglichkeiten (vgl. Kapitel 2) hat aber bisher kaum zur Lösung der Abwanderungsproblematik beigetragen.

Die demografische Zukunft Thüringens ist zudem eingebettet in die generellen Bevölkerungstrends Deutschlands. Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen älte-ren und jüngeren Menschen in der Bundesrepublik Deutschland wird sich in den nächsten Jahrzehnten erheblich verschieben. Die im Zeitablauf an Tempo gewin-nende Umwälzung der Altersstruktur wird – selbst bei permanenter Zuwande-rung aus dem Ausland – von einem drastischen Rückgang der deutschen Bevölke-rung begleitet sein. Die aufgezeigten demografischen Entwicklungstendenzen werden mit Sicherheit eintreten. Das genaue Ausmaß des Bevölkerungsrückgangs und das Tempo des Alterungsprozesses hängen hingegen von der zukünftigen Entwicklung der Lebenserwartung, der Zuwanderung und dem Fertilitätsverhal-ten ab.

Bei der Analyse demografischer Probleme auf regionaler Ebene tritt ein Aspekt deutlich hervor: Während Lebenserwartung und Fertilität den demografischen Wandel auf der Makroebene dominieren, können sich bedingt durch die niedrigen Geburtenzahlen und die steigende Lebenserwartung demografische Entwick-lungstendenzen für einzelne Regionen aufgrund von Abwanderungen verschär-fen. Diese Gefahr besteht für Thüringen, wenn sich die negativen Wanderungssal-

54 Vgl. Burkert et al. (2007).

72

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

den, die den Bevölkerungsrückgang in der Vergangenheit forciert haben, weiter fortsetzen. Die Abwanderungstendenzen unterscheiden sich deutlich zwischen den einzelnen Thüringer Regionen, weshalb sich die zukünftige demografische Entwicklung in Thüringen räumlich stark differenziert darstellen wird. Unter die-sen Bedingungen sind vielerorts in Thüringen drastische Bevölkerungsrückgänge sowie eine weitere Alterung der Bevölkerung und der Erwerbspersonen vorpro-grammiert.

Abbildung 4.4 stellt die Ergebnisse der regionalisierten Bevölkerungsprognose des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) für die Kreise und kreis-freien Städte in Thüringen dar. Insgesamt ergibt die BBR-Prognose für Thüringen für den Zeitraum von 2006 bis 2025 eine Abnahme der Bevölkerung um 15,6 % und der Erwerbspersonen, welche Erwerbstätige und Arbeitslose einschließen, um 30,8 %. Damit stellen sich die demografischen Prognosen für Thüringen deut-lich negativer dar als für Deutschland insgesamt, für das die Prognose einen Bevöl kerungsrückgang um 1,8 % und eine Reduzierung der Erwerbspersonenzah-len um 5 % ergibt. Während die regionalisierte Bevölkerungsprognose des BBR für alle Regionen in Thüringen eine Abnahme der Bevölkerung und einen Rück-gang der Erwerbspersonenzahlen impliziert, weisen die Ergebnisse auf erhebliche Unterschiede der Bevölkerungsentwicklung innerhalb Thüringens bis zum Jahr 2025 hin.

bevölkerungsveränderung in thüringen, nach Kreisen, in Prozent, 2006–2025

Wachstum der erwerbspersonen in thüringen, nach Kreisen, in Prozent, 2006–2025

Abb. 4.4Quellen: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (2009); Berechnungen HWWI.

nordhausen

GothaWeimar

Gera altenburgJenaerfurt

suhl

Mühlhausen

eisenach

= -26 bis -36

>= -26

>= -22

>= -18

= -5 bis -14

nordhausen

GothaWeimar

GeraaltenburgJenaerfurt

suhl

Mühlhausen

eisenach

= -38 bis -45

>= -38

>= -34

>= -30

= -17 bis -26

73

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

So wird für einige Thüringer Regionen ein Bevölkerungsrückgang um bis zu 30 % und eine Abnahme der Erwerbspersonenzahlen um bis zu 45 % erwartet. Insbe-sondere im östlichen Teil Thüringens, in Suhl sowie im Norden des Freistaates, dürften überdurchschnittlich negative demografische Entwicklungstrends eintre-ten. Ferner sind die zukünftigen demografischen Veränderungen von Stadt-Land-Unterschieden gekennzeichnet. Die demografische Entwicklung der verdichteten Regionen – insbesondere der Städte Eisenach, Gotha, Erfurt, Weimar und Jena – stellt sich vergleichsweise günstig dar. Dennoch werden auch die genannten Städ-te voraussichtlich zukünftig mit einer Abnahme der Bevölkerungs- und Erwerbs-personenzahlen konfrontiert sein. Im Schnitt liegt die prozentuale Abnahme der Bevölkerung im Umfeld der genannten „Städtekette“ zwischen 5 und 14 %. Damit sinkt die Bevölkerung 2025 von Eisenach auf 38.100, von Erfurt auf 186.900, von Weimar auf 61.500, von Jena auf 88.500 und vom Kreis Gotha auf 124.000 Ein-wohner.

Auch die neueren Ergebnisse der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberech-nung (Variante 1) unterstreichen diesen Trend für Thüringen. Die Bevölkerung wird sich weiter stark reduzieren, im Zeitraum 2008 bis 2025 um 14,7 %. Haupt-ursache dafür ist der anhaltende Sterbefallüberschuss. Allerdings wird sich die Bevölkerung Thüringens nicht nur weiter verringern, sondern zudem auch immer älter werden, und die Zahl der Erwerbspersonen im gleichen Zeitraum um 26,4 % sinken.

Die Entwicklung der Altersstruktur der Thüringer Bevölkerung lässt sich anhand der Anteile einzelner Bevölkerungsgruppen abbilden (vgl. Tabelle 4.1). Während der Anteil der Bevölkerung unter 15 Jahre sich bis 2050 nur wenig verändern dürfte und im Zeitablauf um 10 % schwankt, steigt der Anteil der über 65-jährigen von 22,6 % im Jahr 2008 auf 35,4 % im Jahr 2030 und 38,4 % im Jahr 2050. Entspre-chend sinkt der Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung zwischen 15 bis 65 Jahren von 66,8 % im Jahr 2008 auf 54,8 % im Jahr 2030 und 51,1 % im Jahr 2050, was erheb liche Konsequenzen für das Angebot an Arbeitskräften in Thüringen hat.

74

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Generell ist im Hinblick auf die prognostizierten regionalen demografischen Trends zu berücksichtigen, dass regionale Bevölkerungsprognosen große Unsi-cherheiten bergen. Dabei lässt sich das Fertilitätsverhalten relativ gut prognosti-zieren. Im Gegensatz dazu variieren die regionalen Wanderungssalden im Zeitab-lauf stark. Insofern sind die jeweiligen Bevölkerungsprognosen, die auf einer be-stimmten Projektion zur Wanderungsentwicklung basieren, als ein mögliches Szenario der zukünftigen Bevölkerungsentwicklung zu betrachten. Dieses zeich-net jedoch einen wahrscheinlichen Trend ab, weil der Altersaufbau und die Beset-zung der Altersklassen der Bevölkerung im Basisjahr der Prognose wesentliche Determinanten ihrer zukünftigen Entwicklung sind.

entwicklung des anteils ausgewählter altersgruppen an der bevölkerung insgesamt,2008 bis 2050

Jahr Bevölkerungsanteil in %

Stichtag 31.12. 0 bis unter 15 Jahre 15 bis unter 65 Jahre 65 Jahre und mehr

basisjahr

2008 10,6 66,8 22,6

Voraussichtliche entwicklung

2010 11,1 65,8 23,1

2015 11,2 63,8 25,0

2020 11,0 60,7 28,3

2025 10,4 57,9 31,7

2030 9,8 54,8 35,4

2035 9,4 53,0 37,6

2040 9,5 52,8 37,7

2045 10,0 52,0 38,0

2050 10,5 51,1 38,4

Quellen: Statistisches Landesamt Thüringen (2010) – Ergebnisse der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung (KBV); TMWAT.; HWWI.

Tabelle 4.1

75

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

4.2 berufliche ausbildung

Von hoher Relevanz für die ökonomische Leistungs- und Innovationsfähigkeit der Thüringer Unternehmen sind die demografischen Prozesse, die sich innerhalb der Unternehmen abspielen. Zukünftig wird das Durchschnittsalter der Arbeitskräfte in Thüringen im Zuge der altersstrukturellen Veränderungen steigen. Empirische Studien zeigen für eine Reihe europäischer Länder einen „umgekehrt u-förmigen“ Zusammenhang zwischen dem Alter der Arbeitskräfte und der Produktivität, ins-besondere für das Verarbeitende Gewerbe.55 Danach sind Arbeitskräfte zwischen 30 und 50 Jahren am produktivsten, während die Produktivität der über 50-jähri-gen zurückgeht. Altersstrukturelle Veränderungen, die entsprechende Anpassun-gen auf der Unternehmensebene erfordern, werden in Thüringen in den kommen-den Jahrzehnten sukzessive an Dynamik gewinnen. Abbildung 4.5 verdeutlicht die Altersstruktur nach Qualifikationsniveau in den Thüringer Betrieben.

Insgesamt lässt sich deutlich eine überdurchschnittliche Besetzung der Alters-klassen über 35 bis 50 Jahren bei den Beschäftigten mit Lehre, Fachschule und Meisterausbildung über sämtliche Branchen hinweg erkennen. Dieser „Buckel“ wird sich in den nächsten Jahren zunehmend in die höheren Altersklassen ver-schieben. Bei anderen Qualifikationsniveaus zeigen sich diese Altersstruktur-effekte weniger. Für die Akademiker zeichnen sich eher branchenspezifische Struk-turen ab. Eine hohe Präsenz an Akademikern besteht in den Bereichen Finan-zierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister und öffentliche und private Dienstleistungen, die ähnliche Altersstruktureffekte wie die Beschäftigten mit Lehre, Fachschule und Meisterausbildung aufweisen. Im Baugewerbe dagegen beginnt der geringe Anteil an Akademikern erst ab einem Alter von knapp 30 Jah-ren und verteilt sich anschließend relativ homogen über die restlichen Alters-stufen. Das Produzierende Gewerbe weist zwar schon Akademiker knapp über 20 Jahre aus, doch konzentriert sich der Großteil von ihnen zwischen 45 und 55 Jahren. Im Hinblick auf den Wandel zur wissensintensiven Industrie könnte sich diese Altersstruktur negativ auf die Produktivität auswirken, wenn die hoch qualifizierten Mitarbeiter in den nächsten 20 Jahren zunehmend aus dem Berufs-leben ausscheiden.

Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hat im Jahr 2009 die Entwick-lung des Fachkräftebedarfs in Thüringen bis zum Jahr 2015 im Auftrag des Thürin-ger Minis teriums für Wirtschaft, Arbeit und Technologie untersucht. Demnach beläuft sich der Ersatzbedarf für beschäftigte Arbeitskräfte im Zeitraum von 2007 bis 2015 auf 90.000 Personen.56 Dieser Nachfrage steht im untersuchten Zeitraum noch ein ausreichend großes Angebot an Berufs- und Hochschulabsolventen, Arbeitssuchenden, Pendlern oder Zuwanderern gegenüber. Dennoch kann es in einzelnen Bereichen – z. B. in den Metall- und Elektroberufen – bereits zu einer Diskrepanz zwischen angebotenen und nachgefragten Qualifikationen kommen. Der Neubedarf an Arbeitskräften, der nachfrageseitige Effekte des Strukturwan-dels berücksichtigt, beläuft sich gemäß der IWH-Studie auf 80.000 Personen.

Sowohl die Höhe der Arbeitslosigkeit als auch die Relevanz des Fachkräfteman-gels resultieren aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage auf dem Thüringer Arbeitsmarkt. Mismatch ergibt sich, wenn das Angebot und die Nach-frage hinsichtlich des Qualifikationsprofils strukturell voneinander abweichen. Die IWH-Studie differenziert in ihren Prognosen nach drei Qualifikationsstufen: Per-sonen ohne abgeschlossene Berufsbildung, Personen mit Berufsausbildung ohne

55 Vgl. Grund/Westergård-Nielsen (2005); Schneider (2006); Hellerstein/Neumark (2004); Ilmakunnas/Maliranta (2005).56 Vgl. Buscher et al. (2009).

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Hochschulausbildung und Personen mit Hochschulausbildung. Die quali fika-tionsspezifische Prognose des IWH ergibt, dass für alle drei Qualifikations stufen ein Rückgang der Nachfrage bis 2015 wahrscheinlich ist. Im Jahr 2015 werden ca. 81.000 hoch qualifizierte Arbeitskräfte und circa 555.000 qualifizierte Arbeits-kräfte benötigt.57 In Zukunft werden neben Bürokräften vor allem Arbeitskräfte in technischen Berufen, im Gesundheitsbereich sowie im Dienstleistungsbereich gebraucht.

Eine Studie zur Optikindustrie weist darauf hin, dass eine Ausweitung der For-schungs- und Produktionsaktivitäten im Optik-Bereich einen höheren Bedarf an qualifizierten Fachkräften nach sich zieht.58 In Thüringen ist dahingehend ein Umden ken zu erkennen, als dass der Anteil der auszubildenden Unternehmen in den letzten beiden Jahren von 43 % auf 53 % gestiegen ist. An den regionalen Universitäten stieg die Zahl der ingenieurwissenschaftlichen Studenten in den letzten zehn Jahren stetig, jedoch wandern immer noch viele nach ihrem Ab-schluss in andere Regionen ab. Die genannte Studie rechnet mit einer Deckungs-lücke bis zum Jahr 2015 von ca. 720 Stellen an ausgebildeten Facharbeitern und ca. 600 Stellen an Absolventen aus relevanten Studiengängen. Um erfolgreich zu sein, wird sich Thüringen im Wettbewerb um hoch qualifizierte Arbeitskräfte bes-ser positionieren müssen, um das Fachkräftepotenzial aus der eigenen Region zu binden sowie Berufseinsteiger aus anderen Ländern bzw. aus dem Ausland anzu-ziehen.

57 Vgl. Buscher et al. (2009).58 Vgl. OptoNet e. V. (2009).

77

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Abb. 4.5Quellen: Mikrozensus 2007; HWWI.

15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75

0,00

0,01

0,02

0,03

0,04

15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75

0,00

0,01

0,02

0,03

0,04

0,05

15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75

0,00

0,01

0,02

0,03

0,04

15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75

0,00

0,01

0,02

0,03

15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75

0,00

0,01

0,02

0,03

Angelernt, Ungelernt, Vorbereitungsjahr, ohne AngabeFachhochschule, Hochschule, Promotion

Lehre, Fachschule, Meisterausbildung

altersstruktur nach Wirtschaftszweigen, thüringen

78

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Tabelle 4.2 veranschaulicht, dass für alle Wirtschaftszweige die betriebliche Aus-bildung essenziell ist, weil Erwerbstätige mit Lehre, Fachschule und Meisteraus-bildung in allen Wirtschaftszweigen den Großteil der Erwerbstätigen stellen. Des-halb ist es positiv zu bewerten, dass nach der angespannten Ausbildungssituation bis zum Jahr 2006 sich der Ausbildungsstellenmarkt im Jahr 2008 in Thüringen entspannt hat. Der Hauptgrund war die demografisch bedingte Verringerung der Zahl der Schulabgänger (2008: -22,3 %), aber auch die Zahl der Altbewerber sank von 12.093 im Jahr 2007 auf 9.245 im Jahr 2008, was einem Anteil von 48,6 % ent-spricht. Aufgrund der anhaltend hohen Ausbildungsbereitschaft der Thüringer Wirtschaft über die Angebote an betrieblichen Ausbildungsplätzen, aber auch durch die staatlichen Förderprogramme des Thüringer Ausbildungspaktes, das Bund-Länder-Sonderprogramm sowie das Ergänzungsprogramm des Freistaates Thüringen hat sich die Situation für Personen, die einen Ausbildungsplatz such-ten, verbessert.59 Dennoch ist die Zahl von insgesamt besetzten Ausbildungs-plätzen von 51.576 im Jahr 2004 auf 45.220 im Jahr 2008 zurückgegangen (vgl. Ta-belle 4.2).

Im Freistaat Thüringen hat sich die Situation am Ausbildungsstellenmarkt am Ende des Berufsberatungsjahres 2008/2009 im Vergleich zum Vorjahr weiter ent-spannt: Die Zahl der Bewerber nahm stärker ab als die Anzahl der angebotenen Ausbildungsstellen. Der Trend rückläufiger Bewerberzahlen hat sich weiter fortge-setzt (-22,4 % zum Vorjahr). Die rückläufigen Bewerberzahlen resultieren sowohl aus der geringeren Nachfrage aus dem aktuellen Schuljahr aufgrund der demo-grafischen Entwicklung (-1.383 bzw. –14,7 %), als auch aus der geringeren Anzahl von Bewerbern aus früheren Schulentlassjahren (sog. Altnachfrage -2.789 bzw. -30,2 % zum Vorjahr). Bezogen auf alle Bewerber liegt ihr Anteil bei 43,7 %. Die Zahl der Altbewerber ging damit deutlich stärker zurück als die Zahl der Bewerber aus dem aktuellen Schulentlassjahr. Im gleichen Zeitraum wurden den Thüringer Arbeitsagenturen insgesamt 14.631 Ausbildungsstellen (betriebliche Plätze, Plätze des Bund-Länder-Sonderprogramms „Ausbildungsplatzprogramm Ost 2008“ und des Ergänzungsprogramms des Freistaates Thüringen sowie Programme der Arbeitsverwaltung für behinderte und benachteiligte Jugendliche) angeboten. Das sind 1.945 Ausbildungsplätze weniger als im Vorjahr (-11,7 %).

Ende September 2009 wurden 11.024 betriebliche Ausbildungsstellen gemeldet; 472 bzw. 4,1 % Plätze weniger als im Vorjahr. Der Anteil der betrieblichen Plätze am gemeldeten Gesamtangebot stieg trotzdem auf 75,3 % (Vorjahr 69,3 %). Im Durchschnitt der neuen Länder lag das betriebliche Ausbildungsplatzangebot aller dings bei 71,2 %. Damit war in Thüringen der Anteil der gemeldeten betrieb-lichen Plätze am Gesamtangebot an Ausbildungsplätzen deutlich höher als im Durchschnitt der neuen Länder. Im Ausbildungsjahr 2008/2009 wurden ins-gesamt 3.607 Berufsausbildungsstellen in außerbetrieblicher Form in der Berufs-beratungsstatistik ausgewiesen (-1.273 Plätze im Vergleich zum Vorjahr). Der Anteil der außerbetrieblichen Ausbildungsstellen am Gesamtangebot an Aus-bildungsstellen ging damit von 31 % im Vorjahr auf 24,7 % zurück. Im Durch-schnitt der neuen Länder ist dieser Anteil ebenfalls deutlich von 35,1 % auf 28,8 % zurückgegangen. Die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen hat sich von 307 im Vorjahr auf 335 erhöht. Insbesondere bei den Fertigungs- und Dienstleistungs-berufen konnten nicht alle angebotenen Stellen besetzt werden. Ende September 2009 waren noch 132 Bewerber bei den Arbeitsagenturen als unversorgt regist-riert (-50 % im Vergleich zum Vorjahr).60

59 Vgl. Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit (2009).60 Dieser und der vorherige Absatz basieren auf Auskünften des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Technologie. Eine ausführliche Darstellung zur Ausbildungssituation f indet sich im Berufsbildungsbericht 2009 des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Technologie.

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Der demografische Wandel wird die Problematik, Ausbildungsplätze mit geeigne-ten Bewerbern zu besetzen, verschärfen. Hieraus könnte für die Unternehmen in Thüringen ein erhebliches Nachwuchsproblem bezogen auf Mitarbeiter, die eine Ausbildung bzw. Meisterausbildung absolvieren, resultieren. Menschen mit die-sen Qualifikationsniveaus stellen weiterhin eine wichtige Säule der Leistungsfä-higkeit des Thüringer Mittelstands dar und leisten einen wichtigen Beitrag für die Bewältigung des strukturellen Wandels.

Quellen: Statistisches Landesamt Thüringen (2009); HWWI.

Tabelle 4.2

ausbildung in thüringen

Ausbildungsbereich 2004 2008

insgesamt darunter weiblich insgesamt darunter weiblich

industrie und handel 29.787 11.286 28.228 10.148

handwerk 15.919 3.083 12.225 2.672

landwirtschaft 1.889 503 1.629 463

Öffentlicher dienst 1.314 865 1.074 694

hauswirtschaft 804 749 609 534

Freie berufe 1.863 1.789 1.455 1.346

insgesamt 51.576 18.275 45.220 15.857

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

4.3 akademische ausbildung für den Mittelstand

Im Zuge der fortschreitenden Technisierung von Produktionsprozessen werden zukünftig zunehmend weniger Arbeitsplätze im Bereich der niedrig qualifizierten Tätigkeiten angesiedelt sein. Für die Entwicklung wissensintensiver Wirtschafts-zweige sind die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte und die technologische Leistungsfähigkeit grundlegende Voraussetzung. Das Bildungsniveau der Beschäf-tigten ist von hoher Bedeutung für die Fähigkeit, Innovationen sowie technologi-sche Neuerungen hervorzubringen und zu adaptieren. Dies ist eine grundlegende Voraussetzung für den Strukturwandel zur „Wissensökonomie“. Gleichzeitig ist die Qualifikation der Bevölkerung relevant für die Innovationsfähigkeit auf der Ebe-ne der Unternehmen. Regionen, die ein sehr hohes durchschnittliches Qualifi-kationsniveau der Beschäftigten aufweisen, sind überdurchschnittlich erfolgreich im Hinblick auf Patente.6161 Vgl. Keller et al. (2004).

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

2007

Bundesland Anteil der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss

Anteil der Schulabgänger mit Hochschulreife

Anteil der Beschäftigten mit Fach-, Fachhoch-, oder

Hochschulabschluss

% % %

baden-Württemberg 5,8 23,6 10,4

bayern 6,9 21,4 9,8

berlin 9,7 37,5 14,6

brandenburg 9,9 36,3 9,5

bremen 7,6 30,1 11,6

hamburg 10,5 36,0 12,8

hessen 6,5 27,0 11,3

Mecklenburg-Vorpommern 10,5 31,0 8,6

niedersachsen 7,6 24,1 8,2

nordrhein-Westfalen 6,5 27,3 9,3

rheinland-Pfalz 7,5 25,6 7,7

saarland 7,6 24,4 8,3

sachsen 8,5 31,5 12,8

sachsen-anhalt 7,9 42,2 8,5

schleswig-holstein 8,7 22,6 7,2

thüringen 7,0 35,4 9,7

neue bundesländer 8,9 35,8 11,1

alte bundesländer 6,9 25,0 9,6

deutschland 7,4 27,0 9,9

Quellen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2009a), Berechnungen HWWI.

Tabelle 4.1

Thüringen hat im Vergleich mit Ostdeutschland insgesamt einen unterdurch-schnittlich niedrigen Anteil an Schulabgängern ohne Hauptschulabschluss (7 %) (siehe Tabelle 4.3). Der Anteil der Schulabgänger mit Abitur liegt mit 35,4 % im gesamt deutschen Vergleich deutlich oberhalb des Durchschnitts, was im Hinblick auf das Akademikerpotenzial sehr positiv zu bewerten ist. Positiv ist weiterhin das wiederholt sehr gute Abschneiden Thüringens im Bildungsmonitor des Instituts für Neue Soziale Marktwirtschaft hervorzuheben. Im gesamtdeutschen Vergleich schneidet Thüringen im Bildungsmonitor 2009 in den 13 untersuchten Hand-lungsfeldern mit gut oder sehr gut ab und nimmt damit im Ranking nach Sachsen den zweiten Platz ein.

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Hinsichtlich der Entwicklung des Potenzials zur Ausbildung von qualifizierten Fachkräften kompensiert jedoch der demografische Effekt sinkender Bevölke-rungszahlen die hohe Abiturientenquote. Für den Zeitraum von 2008 bis 2020 ergibt die Prognose der Kultusministerkonferenz (vgl. Abbildung 4.6) einen Rückgang der Schulabgänger mit Abitur um 43 %. Eine deutlich negativere Prog-nose hinsichtlich des Akademikerpotenzials hat nur Mecklenburg-Vorpommern (-67 %). Thüringen steht vor der Herausforderung, den Abiturientinnen und Abi-turienten aus anderen Ländern attraktive Studienmöglichkeiten zu bieten. Damit sich Studierende für Universitäten und Fachhochschulen in Thüringen entschei-den, ist eine leistungsfähige und attraktive Bildungslandschaft die grundlegende Voraussetzung. Eine hohe Zahl von Studierenden in Thüringen eröffnet den dort ansässigen mittelständischen Unternehmen vielfältige Möglichkeiten, Studieren-de über Projekte in ihre Betriebsabläufe einzubinden, was die Chance erhöht, diese Studierenden im Anschluss an ihr Studium für das Unternehmen als Fach-kräfte zu gewinnen.

Im Hinblick auf die Attrahierung von Studierenden ist es günstig, dass Thüringen im nationalen Vergleich aufgrund der Studienbedingungen attraktiv ist. Thüringen gehört noch zu den wenigen Ländern ohne allgemeine Studiengebühren. Ledig-lich „Langzeitstudierende“ müssen eine Gebühr von 500 Euro bezahlen. Die Anzahl der Studienanfänger hat sich seit 1995 von 5.825 auf 10.581 (2008) fast verdoppelt. Im gleichen Zeitraum ist die Anzahl der Hochschulen und Universi-täten von 11 (1995) auf 13 (2008) gestiegen – das hauptberufliche Personal ist in diesem Zeitraum von 11.155 im Jahr 1995 auf 11.502 im Jahr 2008 angestiegen.62 Im Wintersemester 2007/2008 sind an den Hochschulen in Thüringen erstmals mehr als 50.000 Studierende immatrikuliert. In der 2004 veröffentlichen CHE-Studie (Centrum für Hochschulentwicklung) schnitt Thüringen im Länderranking der Hochschulen hinter Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Bayern auf einem fünften Platz ab und befindet sich damit noch im oberen Drittel des Vergleichs. In dieser Untersuchung erzielte Thüringen den ersten Platz für die Kategorie Studiendauer. In zwei der vier Fächer-gruppen (Geistes-, Ingenieurs-, Natur-, Recht/Wirtschafts- und Sozialwissenschaf-ten) sind die Fakultäten der Thüringer Hochschulen absolute Spitze im oberen Drittel. Lediglich die Bereiche Geisteswissenschaften (Platz 11) und Ingenieurs-wissenschaften (Platz 6) erhalten nur durchschnittliche Bewertungen.

62 Vgl. Thüringer Landesamt für Statistik (2009).

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Änderung der Zahl der schulabgänger mit hochschulreife, 2008 bis 2020

Abb. 4.6Quellen: Kultusministerkonferenz (2005); Berechnungen HWWI.

Deutschland

-70 -60 -50 -40 -30 -20 -10 0 10 20 %

Thüringen

Bremen

Brandenburg

Hessen

Berlin

Bayern

Niedersachsen

Saarland

Sachsen

Rheinland-Pfalz

Nordrhein-Westfalen

Hamburg

Schleswig-Holstein

Mecklenburg-Vorpommern

Baden-Württemberg

Sachsen-Anhalt

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Das Bildungsniveau der Beschäftigten ist von hoher Bedeutung für die Fähigkeit der Unternehmen, Innovationen sowie technologische Neuerungen hervorzubrin-gen und zu adaptieren. Dies ist eine grundlegende Voraussetzung für den Struk-turwandel zur „Wissensökonomie“. Gleichzeitig ist die Qualifikation der Bevölke-rung relevant für die Innovationsfähigkeit auf der Ebene der Unternehmen. Gegen-wärtig liegt der Beschäftigungsanteil von Menschen mit Fach-, Fachhoch- oder Hochschulabschluss in Thüringen bei 9,7 % und damit unterhalb des entspre-chenden ostdeutschen Durchschnittswertes (11,1 %) sowie leicht über dem west-deutschen Wert (9,6 %, vgl. Abb. 4.3).

Zudem unterscheidet sich die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften zwi-schen den Regionen in Thüringen deutlich. Abbildung 4.7 zeigt eine Konzentra-tion von hoch qualifizierten Arbeitskräften in den Thüringer Städten. Diese kön-nen deshalb Ausgangspunkt und Impulsgeber für den Strukturwandel zu wissens-intensiven Arbeitsplätzen sein. Denn Universitäten und Forschungseinrichtungen, die für diesen Strukturwandel eine wichtige Rolle spielen, sind ebenfalls in den Städten konzentriert. Die Konzentration von Humankapital und die Ansiedlung von wissensintensiven Industriezweigen in einer Region sind sich selbstverstär-kende Prozesse, das heißt, wissensintensive Unternehmenszweige siedeln sich dort an, wo sie einen Markt mit angemessen qualifizierten Fachkräften vorfinden. Auf der anderen Seite gehen die Arbeitskräfte dort hin, wo ihre Qualifikationen nachgefragt werden.

85

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

In welchem Umfang zukünftig der Mangel an hoch qualifizierten Arbeitskräften ein Hemmnis für Wirtschaftswachstum in Thüringen und den zukünftigen öko-nomischen Erfolg der Unternehmen in Thüringen darstellt, hängt von Faktoren auf der Angebots- und der Nachfrageseite ab. Nachfrageseitig führt der fortschrei-tende Strukturwandel zu einer kontinuierlichen Expansion des Bedarfs an aka-demisch ausgebildeten Fachkräften sowie an Personen mit beruflichen Fach-abschlüssen sowohl im technischen als auch im Dienstleistungsbereich. Dieser wachsenden Nachfrage nach Arbeitskräften steht auf der Angebotsseite aufgrund der beschriebenen demografischen Tendenzen – rückläufige Erwerbspersonen-zahlen und drastisch abnehmendes Akademikerpotenzial in Thüringen – eine tenden ziell rückläufige Zahl von hoch qualifizierten Arbeitskräften entgegen. Im Zuge der Entwicklungen auf der Angebots- und Nachfrageseite könnten sich die Mismatch-Probleme auf den Arbeitsmärkten verschärfen, was seinerseits eine zuneh mende Konkurrenz der Unternehmen um Arbeitskräfte zur Folge hätte. Die Studien von Buscher et al. (2009a, b) weisen ebenfalls auf die Gefahr zunehmen-den Mismatches und sich verstärkenden Fachkräftemangels hin.

anteil hoch qualifizierter beschäftigter* an allen beschäftigten, 2007

Abb. 4.7Quellen: Bundesagentur für Arbeit (2009); HWWI.* Beschäftigte mit Fachhochschul- oder Hochschulabschluss

nordhausen

GothaWeimar

Gera altenburgJenaerfurt

suhl

Mühlhausen

eisenach

>=� 0%

>=� 6%

>=� 8%

>=� 9%

>=� 10%

86

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

4.4 Migration von qualifizierten Fachkräften

Die Attraktivität einer Region für Zuwanderer beziehungsweise für die bereits an-sässige Bevölkerung, um deren Abwanderung zu verhindern, ist von hoher Rele-vanz für die ökonomischen Entwicklungsperspektiven der Regionen in Thüringen und damit für die dort angesiedelten Unternehmen. Es gibt zahlreiche direkte Zusam menhänge zwischen demografischer und ökonomischer Entwicklung. Das Bevölkerungswachstum und die Altersstruktur der Bevölkerung beeinflussen die Ökonomie über die regionale Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen, die Bedingungen für die Bereitstellung von Infrastruktur (Schulen, kulturelle Einrich-tungen, ÖPNV etc.) und die Immobilienmärkte. Darüber hinaus kann die Lebens-qualität in schrumpfenden Regionen abnehmen, weil es zu einem rückläufigen kulturellen Angebot und abnehmender Infrastrukturbereitstellung kommt. Die zurück gehenden Investitionen führen dann zu einem Rückgang der Arbeitsplätze, was eine weitere Abwanderung von Familien und Arbeitskräften nach sich zieht. Wie sich die ökonomische Entwicklung in Thüringen zukünftig darstellen wird, hängt deshalb entscheidend davon ab, wie viele Menschen in andere Teile Deutschlands und in das Ausland abwandern beziehungsweise aus anderen Regio nen nach Thüringen wandern.

Dies ist insbesondere für die Deckung des Fachkräftebedarfs von Unternehmen von hoher Relevanz, denn die Bevölkerungsgröße und ihre Struktur sind relevant für das qualitative und quantitative Arbeitsangebot. Deshalb haben die demogra-fischen Bedingungen erhebliche Bedeutung für die Angebotsseite des Arbeits-markts. So geht das Erwerbspersonenpotenzial bei konstanten Erwerbsquoten zurück, wenn der Umfang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter abnimmt. Als Folge hieraus treten dann Engpässe auf dem Arbeitsmarkt auf, sofern der Arbeits-kräftebedarf nicht entsprechend rückläufig ist. Betroffene Regionen stehen vor der Herausforderung, dieser Tendenz entgegen zu wirken.

Hierbei orientiert sich die Wanderungsentscheidung – insbesondere der hoch qualifizierten Arbeitskräfte – zunehmend an sogenannten „weichen“ Standortfak-toren, wie der Lebensqualität, der Familienfreundlichkeit, der Attraktivität der Immo bilienangebote, die ein Standort bietet. Regionen können durch die Gestal-tung attraktiver Lebensbedingungen Arbeitskräfte und ihre Familien anziehen und durch gezielte Maßnahmen stille Reserven in der Region freisetzen. Einen wesent-lichen Beitrag zur Förderung der Arbeitsmarktpartizipation von Arbeitskräften mit Kindern – sowohl zur Erhöhung der regionalen Erwerbsquote als auch der Voll-zeiterwerbstätigkeit insbesondere von Frauen – leistet ein familienfreundliches Umfeld mit adäquaten Kinderbetreuungsplätzen. Die öffentliche Kindertages-betreuung wirkt sich direkt auf die Zeitverwendung beider Elternteile aus und för-dert daher ihre Beteiligung am Arbeitsmarkt. Davon profitieren nicht nur diese, denn der Nutzen aus der Erwerbsarbeit besteht außer dem Lohn auch aus dem Humankapital, also dem Wissen, das am Arbeitsplatz erworben wird. Von diesem wie auch von sozialen Kompetenzen aus der Familienarbeit profitieren anderer-seits die Unternehmen und die Gesamtwirtschaft, insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels. Dabei ist wichtig, dass die Angebote zur Kindertagesbetreu-ung auch in ländlichen Gebieten erreichbar sind und die Unternehmen die Nut-zung dieser Angebote selbst durch entsprechende Arbeitszeitmodelle und andere flexible Rahmenbedingungen unterstützen.

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Hier zeigt sich ein deutlicher Standortvorteil: Thüringen ist hinsichtlich der öffent-lichen Kindertagesbetreuung im bundesweiten Vergleich sehr gut aufgestellt. In den Kreisen und kreisfreien Städten besuchten im Jahr 2007 zwischen 24,9 % und 49,1 % der Kinder unter drei Jahren eine öffentliche Tageseinrichtung, also durch-schnittlich 36,3 %. Dieser Wert wird nur noch von Brandenburg (38,1 %) über-troffen. In Bezug auf die Altersgruppe der drei- bis sechsjährigen ist Thüringen das Land mit der höchsten Betreuungsquote (95,9 %). Je mehr Stunden ein Kind tagsüber in einer öffentlichen Einrichtung betreut werden kann, desto besser ist die Betreuung mit der Berufstätigkeit der Mutter vereinbar. Daher ist besonders auf die Spitzenstellung Thüringens in Bezug auf die Ganztagsbetreuung hinzuwei-sen. Von den fünf Kreisen und kreisfreien Städten in Deutschland mit den höchs-ten Ganztagsbetreuungsquoten liegen drei in Thüringen. In der Stadt Jena gehen 46 von hundert Kindern unter drei Jahren und 93 von denen im Alter zwischen drei und sechs Jahren ganztags in die Krippe oder den Kindergarten. Im Weimarer Land sind es 41 bzw. 89 %, im Saale-Holzland-Kreis immerhin 37 bzw. 90 %.63 Thüringen scheint schon jetzt von diesem ausgezeichneten Angebot an Kinder-tagesstätten zu profitieren, denn die Kreise und kreisfreien Städte weisen im bun-desweiten Vergleich überdurchschnittlich hohe Frauenerwerbsquoten auf. In den meisten Kreisen zählten im Jahr 2007 mehr als 71 % der Frauen zu den Erwerbs-personen.64

Für die zukünftige Deckung des Fachkräftebedarfs und im Hinblick auf eine posi-tive Beeinflussung der regionalen Produktionsmöglichkeiten ist zu berücksichti-gen, dass die ökonomische Entwicklung Thüringens auch durch die Intensivierung der weltweiten Arbeitsteilung und die zunehmende Internationalisierung ökono-mischer Aktivitäten beeinflusst werden wird. Mit einem Ausländeranteil von 2,1 % (Deutschland: 8,8 %) sind die Internationalitäts- und Integrationserfahrungen der Thüringer Unternehmen und der Bevölkerung vergleichsweise gering, was sich zukünftig als Nachteil hinsichtlich der Attrahierung von Arbeitskräften aus dem Ausland darstellen kann. Generell gewinnt ein Standort an Attraktivität für Zuwan-derer aus dem Ausland, wenn dort bereits Menschen aus dem jeweiligen Her-kunftsland ansässig sind. Netzwerkwanderungen können auch im Bereich der Bil-dungszuwanderung aus dem Ausland eine sich selbstverstärkende Dynamik haben, weil die Zahl der auswandernden Studenten aus einem Land von der Zahl der bereits ansässigen Studenten aus diesem Land an einem bestimmten Hoch-schulstandort beeinflusst wird.65 Relevant für das Ziel zukünftiger internationaler Zuwanderungen – damit auch der Attraktivität von Thüringen für international mobile Arbeitskräfte – sind neben der Existenz von Arbeitsplätzen soziale Netz-werke. Standortentscheidungen von Zuwanderern orientieren sich zudem an der „Offenheit“ und anderen weichen Standortfaktoren in der Zielregion.66 Insbeson-dere Regionen, die bereits einen hohen Ausländeranteil aufweisen, wie verstädt-erte Regionen und Agglomerationsräume, dürften auch zukünftig verstärkt Zu-wanderer aus dem Ausland anziehen.67

63 Vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2009).64 Vgl. BBSR (2009).65 Vgl. Niebuhr/Stiller (2004).66 Vgl. Florida (2002).67 Vgl. BBR (2006).

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

4.5 thüringer Unternehmer über Fachkräfte, Qualifizierung und demografie

Bei der Erörterung von Problemen der wirtschaftlichen Entwicklung gewinnen Fragen des Humankapitals zunehmend an Bedeutung. Deshalb wurden im Rah-men der Erarbeitung des vorliegenden Berichtes Tiefeninterviews mit Thüringer Unternehmern zu relevanten Aspekten dieses Themas vorgenommen. Ziel war dabei eine möglichst authentische Erfassung der vor Ort bestehenden subjek-tiven Wahrnehmung spezifischer Sachverhalte. Zwei Kriterien waren für die Aus-wahl der zu befragenden Unternehmerinnen und Unternehmer entscheidend: Es wurde angestrebt, die Branchenstruktur und die unterschiedlichen Regionen mög-lichst repräsentativ zu erfassen.

Der entscheidende Vorteil von Tiefeninterviews gegenüber standardisierten Befra-gungen besteht darin, dass die Befragten von sich aus jene Dinge thematisieren können, die sie für besonders relevant halten, ohne in ein Raster vorgegebener Antwortmöglichkeiten gepresst zu werden. Die Subjektivität der Wahrnehmung ist dabei immer zu berücksichtigen, zudem veranlassen solche offenen Gesprächs-konstellationen die Befragten manchmal dazu, „sich Luft zu machen“ und jene Dinge anzusprechen, die als belastend empfunden werden. Dies sollte bei der Interpretation der hier vorgelegten Ergebnisse bedacht werden.

Der Fragebogen bestand aus zwei Teilen. Im ersten Teil waren Angaben zum Unternehmen gefragt. Der zweite Teil des Fragebogens beinhaltete die konkreten Fragen zum Thema Humankapital, aber auch zu der aktuellen wirtschaftlichen Situa tion des Unternehmens, den Förderprogrammen des Freistaates Thüringen und der Einbindung des Unternehmens in der jeweiligen Region. Die Interviews wurden jeweils in einem persönlichen Gespräch mit dem Eigentümer oder dem Vorstand des Unternehmens geführt und dauerten zwischen einer und zweiein-halb Stunden.

Einen breiten Raum nahmen in den Interviews die Fragen der derzeitigen Situa-tion bei der Bereitstellung von qualifizierten Arbeitskräften ein. Der allgemeine Tenor der Antworten lautete dabei: Je umfassender die benötigte Qualifikation, desto schwieriger ist eine kurzfristige Stellenbesetzung. Dies betrifft besonders Absolventen von ingenieurtechnischen Studienrichtungen („Suche dauert teil-weise bis zu 4 Monate“). Praxisorientierte Studiengänge – z. B. das Pilotprojekt BIS/ Berufsintegriertes Studium an der FHS Schmalkalden oder die Ausbildung an der Berufsakademie Thüringen – wurden von mehreren Gesprächspartnern als zukunftsweisend hervorgehoben. Jüngeren Bewerbern wird oft eine zu geringe Leistungsbereitschaft testiert („von 13 Teilnehmern haben nur 2 über 50-jährige die angestrebte Qualifikation erworben“). Ebenso wird eine häufig nicht erfüll- bare Lohn- und Gehaltsvorstellung als Hindernis für eine Einstellung angeführt. Als ein wesentliches Problem bei der Rekrutierung qualifizierten Personals nann-ten unsere Interviewpartner, dass viele Arbeitnehmer eine Beschäftigung bei gro-ßen, bekannten und international agierenden Unternehmen vorziehen.

Eine unternehmensbezogene Einarbeitung wird nahezu durchgängig als erfor-derlich angesehen. Das Produktionsprofil bestimmt dabei deutlich den Inhalt und die Zeitdauer („Spezialisten brauchen bei uns eine Reifezeit von 5 bis 8 Jahren“). Bei der betrieblichen Einarbeitung geht es keineswegs nur um die Vermittlung

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

betriebsspezifischer Kenntnisse, sondern auch um generelles Wissen – etwa tech-nisch-wissenschaftliche und Sprachkenntnisse – und um soft skills wie Quali-tätsbewusstsein oder eine Verinnerlichung der Unternehmenskultur. Die Frage, inwieweit die derzeitigen Schulabgänger für eine Berufsausbildung ausreichende Vorkenntnisse besitzen, wurde von einer breiten Mehrheit negativ beantwortet („in den letzten 10 Jahren sank der Durchschnitt um 2 Noten“). Besonders beklagt werden neben mangelnden Kenntnissen in den Naturwissenschaften (insbeson-dere Mathematik) vor allem unzulängliche Deutschkenntnisse – Klagen über „Bewer bungsschreiben mit 20 Rechtschreibfehlern“ stellten nicht die Ausnahme, sondern die Regel dar. Aber auch hier kommt es nicht nur auf „harte“, sondern durchaus auch auf „weiche“ Faktoren an: Neben den fachlichen Schwächen wer-den immer wieder unklare Vorstellungen über die eigene berufliche Zukunft, eine mangelnde Arbeitsmotivation und überzogene Erwartungshaltungen der Bewer-berinnen und Bewerber kritisiert.

Der polytechnischen Ausbildung im Schulsystem der DDR messen nahezu alle Befragten, die damit eigene Erfahrungen gemacht haben, rückblickend eine posi-tive Wirkung bei. Diese sei nicht auf das Vermitteln von praktischen Erfahrungen begrenzt gewesen („Finger ans Eisen kriegen“), sondern habe auch einen wesent-lichen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung geleistet. Die im Rahmen dieses Systems gewonnenen Einblicke in Produktionsabläufe hätten sich insbesondere bei einer späteren technischen Berufsausbildung bezahlt gemacht. Das Unter-richtsfach wurde vielmals als prägende Phase empfunden. Mehrere Gesprächs-partner regen deshalb neben einer stärker naturwissenschaftlich ausgerichteten Stoffvermittlung eine Ausweitung von praktisch ausgerichteten Modellprojekten an Schulen an. Die damit verbundenen Möglichkeiten zur Stärkung der sozialen Kompetenzen der Schüler, so unsere Gesprächspartner, sollten intensiver genutzt werden. In gleicher Weise wird ein verstärktes naturwissenschaftlich-technisches Freizeitangebot in Partnerschaft von Schule und Wirtschaft gefordert.

Die Antworten zum Bedarf an weiteren Arbeitskräften sind deutlich vom jewei-ligen Produktionsprofil der Unternehmen geprägt und greifen die häufig bereits zu verzeichnenden Schwierigkeiten bei der Suche nach qualifiziertem techni-schem Personal auf. Mittel- bzw. langfristig wird mit Verweis auf sinkende Schü-lerzahlen dieses Problem nach Auffassung der Interviewpartner trotz zwischen-zeitlicher Verbesserungen eher bestehen bleiben. Die eigene Ausbildung von benö tigtem Personal behält damit für viele einen hohen Stellenwert. Durchgängig räumen die Befragten bereits im Unternehmen Beschäftigten größere Chancen bei der Besetzung neuer Stellen ein („bereits Vorkenntnisse bzw. schon mit dem Unternehmen liiert“). Sofern Unternehmensverbünde existieren, wird der Aktionsradius auch dorthin ausgeweitet. Eine Neubesetzung durch externe Bewer-ber wird nur im Einzelfall favorisiert.

Das über die Kammern und Verbände organisierte Angebot für Weiter- und Fort-bildung wird nahezu durchgängig positiv bewertet. Mit den darüber hinaus am Markt agierenden privaten Bildungsträgern wird teilweise bereits ein Überan- gebot festgestellt. Als Mangel wird empfunden, dass die vermittelten Inhalte häu-fig zu allgemein und grundlagenlastig sind. Den tatsächlichen Bedürfnissen der

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Unternehmen wird damit nur begrenzt entsprochen. Angeregt werden in diesem Zusammenhang effizient nutzbare regionale Angebote zu komplexen Themen oder etwa zur Verbesserung der Gestaltung des Wissenstransfers. Dabei werden besondere Erwartungen an die regionalen Hochschulen gerichtet.

Die Befragung zeigt, dass keinem der klassischen Akteure für das Vermitteln von Arbeitskräften eine dominierende Rolle zukommt. Neben den persönlichen Erfah-rungen wirken sich hier wohl in starkem Maße die jeweiligen Anforderungen an die gesuchten Arbeitskräfte aus. Während beim Produktionspersonal häufig über die staatlichen Agenturen für Arbeit erfolgreiche Besetzungen erreicht werden konnten (hier vor allem ältere Arbeitnehmer), werden für höher qualifizierte Mit-arbeiter gezielt Recherchen vorgenommen. In zunehmendem Maße nutzt man inzwischen Personaldienstleister und die Angebote von Zeitarbeitsfirmen. Ver-stärkt wird auch versucht, bereits Studierende für einen späteren beruflichen Ein-stieg im werbenden Unternehmen zu interessieren. Je bekannter das Unterneh-men ist, desto geringer ist der Aufwand für eine eigene aktive Werbung.

Es zeigt sich, dass das Wachstum der Thüringer Unternehmen bereits durch ein knappes Angebot an qualifizierten Arbeitskräften limitiert wird. Bei Kapazitäts-erweiterungen wird deshalb bereits verstärkt bundesweit nach Personal gesucht. Auffällig ist, dass trotz des Nachfragedrucks und der damit verbundenen bundes-weiten Rekrutierungsaktivitäten Thüringer Unternehmen auf Seiten der Arbeit-nehmer eine geringe Bereitschaft zu verzeichnen ist, eine Beschäftigung in Thü-ringen aufzunehmen. Laut der Erfahrungen der durch uns befragten Mittelständ-ler liegt das vornehmlich an einem zu wenig positiven Image des Freistaates („geringere Lebensqualität, fehlende Infrastruktur“). Ausländische Arbeitskräfte finden in der Regel nur dann einen Weg in Thüringer Unternehmen, wenn diese auf den entsprechenden Auslandsmärkten aktiv sind.

Sofern die Unternehmen als Ausbildungsstätten wirksam sind, stehen sie in dauer-haften Beziehungen zu den überwiegend regional zugeordneten Berufsschulzent-ren. Die häufig traditionellen Kontakte haben sich bewährt und werden teilweise gezielt weiter ausgebaut. Angesichts der absehbaren demografischen Verände-rungen werden bereits auch zukünftig zweckmäßigere Konzentrationen ins Auge gefasst. Besonders kleine Unternehmen erachten eine zusätzliche Stimulierung der Ausbildungsbereitschaft für notwendig („z. B. auch steuerliche Würdigung“). Spezialwissen wird bei Bedarf sowohl bei praktischen Technologieträgern als auch in Hochschulen oder Forschungseinrichtungen nachgefragt. Herkömmliche Transfereinrichtungen spielen dabei eher eine nachgeordnete Rolle. Die Befragten verweisen hier auf eher direkte Kontakte. Dabei halten sich Thüringer Quellen und solche aus dem Bundesgebiet die Waage. Die Partnerschaften dürften dabei maß-geblich durch persönliche Bekanntschaften bestimmt sein.

Hinsichtlich der zukünftigen Entwicklungen bei der Bereitstellung qualifizierter Arbeitskräfte sind die Befragten mehrheitlich der Ansicht, dass es mittelfristig berufs bildabhängig zu deutlichen Problemen beim Ersatz bzw. der Ergänzung von Arbeitskräften kommen wird. Als Prognosezeitraum wird dabei von fünf bis sechs Jahren ausgegangen. Besondere Schwierigkeiten werden vor allem bei Mit-arbeitern mit Spezialkenntnissen vorhergesehen („mit Knöpfchendrückern allein wird es keine Zukunft für uns geben“). Mehrere der von uns befragten Unterneh-mer wollen durch die Ausbildung von Fachpersonal auf hohem Niveau gegensteu-ern. Um die Abwanderung einzudämmen bzw. den Zuzug nach Thüringen zu sti-

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mulieren, ist aus Sicht der Befragten eine Verbesserung der Rahmenbedingungen unbedingt erforderlich. Das Spektrum der als erforderlich angesehenen Verän-derungen reicht dabei von wirtschaftlichen Maßnahmen bis zur Verbesserung von kulturellen und sozialen Angeboten.

Eine deutliche Niveausteigerung wird vor allem bei der Außendarstellung des Lan-des erwartet („überzeugendere und pfiffigere Lösung als Denkfabrik“). Intern wer-den mehr Maßnahmen für den ländlichen Bereich, aber ebenso eine weitere Attrak tivitätserhöhung von Innenstädten durch mehr Freizeitangebote vor allem für junge Leute eingefordert („Wirtschaft und Kommune – Hand in Hand“). Impulse für die einheimischen Unternehmen sollten durch eine verstärkte Nach-frage sowie den Einsatz von regionalen Produkten gesetzt werden. Der Hauptteil der Befragten würde im Falle einer Expansion am liebsten den derzeitigen Stand-ort ausbauen („Arbeit vor Ort erhalten“). Maßgeblich wird diese Haltung durch bereits vorhandene Prognoseplanungen beeinflusst. Auch der vom Land gewähr-ten Unterstützung wird dabei eine besondere Bedeutung beigemessen. Auslands-aktivitäten resultieren in der Regel immer aus sich dort abzeichnenden Exportaus-weitungen.

In nahezu allen befragten kleinen und mittleren Unternehmen werden an den Geschäftserfolg gekoppelte Sonderzahlungen bzw. gewinnabhängige Lohnbe-standteile gewährt. Die dabei praktizierten Modelle reichen von erfolgsorien-tierten Bonussystemen über leistungsgebundene Kennziffern für 10 % bis 15 % des Entgeltes bis zu Sonderzahlungen von Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Kleinst-unternehmen hingegen verzichten in der Regel auf diese Stimulierungsform. Aus-gehend von einem noch historisch geprägten Gemeinschaftsgefühl wird nahezu durchgängig auf die persönliche Verantwortung der Geschäftsführung für die Mitar beiter verwiesen. Daneben tritt häufig die Absicht zur Herausbildung von Stammbelegschaften. Unter diesem Aspekt wird auch eine Präferierung zur Beschäf tigung von Familienmitgliedern befürwortet („Nutzung des Familien-drucks“). Die Geschäftsführer verweisen wiederholt auf ihre für Mitarbeiter „stets offenen Türen“.

Als Methode zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls wird durchweg auf gemein-same Veranstaltungen verwiesen (u. a. Organisation von Kultur- und Sportveran-staltungen bzw. Gewähren von finanziellen Zuschüssen für solche). Neben Ange-boten zur Familien- und Gesundheitsvorsorge werden in Kleinstunternehmen oft auch persönliche Gesten gepflegt (z. B. Blumenstrauß zum Geburtstag). Neben Angeboten zur medizinischen Versorgung (z. B. Physiotherapie) wird häufig die Pausenversorgung gefördert (eigene Kantine oder Essensgeldzuschuss). Ebenso gibt es Beispiele dafür, wie kulturelle (Betriebschor) oder sportliche Betätigungen (Fußballturnier) unterstützt werden. Dem Sponsoring vor allem von regionalen sozialen und kulturellen Einrichtungen wird allgemein eine große Aufmerksamkeit gewidmet. In mehreren Fällen ist darüber hinaus auch eine persönliche Mitwir-kung insbesondere in karitativen Vereinen zu verzeichnen.

Alle Befragten haben in der Vergangenheit Fördermittel des Landes Thüringen erhal ten und äußern eine hohe Zufriedenheit mit der gewährten Förderung. Es überwiegen dabei Zuschüsse aus der Gemeinschaftsaufgabe. Als kritisch wird durchgängig die an diese Förderung gekoppelte Arbeitsplatzbindung eingestuft. Diese Bindung berücksichtige zu wenig die praktische Situation der Unternehmen und negiere die oft außerhalb des Fördervorgangs liegenden Wirkungen auf den

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Arbeitsplatzerhalt (z. B. aktuelle Krisensymptome). Ebenso werden die zu beach-tenden Zweckbindungsfristen für geförderte Investitionsgüter als wenig fort-schrittsfreundlich bezeichnet. Grundsätzlich wird das Förderprozedere vielfach als zu aufwendig, starr und kompliziert eingestuft („nicht alles doppelt und drei-fach nachweisen“). Der Prüfungsumfang im Rahmen der Erfolgskontrolle wird dabei insbesondere kritisiert.

Während die Investitionsförderung im Allgemeinen kaum Kritik erfährt, werden die starren Regeln und deren unzureichende Interpretationsbereitschaft von Inno-vationsförderprogrammen besonders durch technologieorientierte Unternehmen bemängelt. Als Ansatzpunkte für Erweiterungen des Förderspektrums werden das Unterstützen von Markterschließungen sowie von Vertrieb und Absatz und das Auflegen von Programmelementen mit reiner Landesfinanzierung genannt: Neben der bisher eher passiven Förderberatung sollte nach Meinung mehrerer Unternehmensvertreter auch ein aktives Fördercoaching initiiert werden, das spe-ziell auf regionale Stärken ausgerichtet ist.

Alle Befragten geben an, von den Wirkungen der Wirtschaftskrise betroffen zu sein. Besonders betrifft dies Unternehmen mit einer unmittelbaren Konsumen-tenorientierung. Durch mitunter erhebliche Auftragsrückgänge stagniert verschie-dentlich die Produktion, was teilweise drastische Umsatzeinbrüche (bis zu 20 %) zur Folge hat. In nahezu allen Unternehmen waren deshalb die Mitarbeiter bereits von Kurzarbeit betroffen oder wurde diese vorsorglich angemeldet. In Einzelfällen kam es auch schon zur Produktionseinstellung bzw. ist ein deutlicher Stellenab-bau zu verzeichnen. Geplante Investitionsmaßnahmen werden vielfach zeitlich zurückgestellt. Bei der Einholung von Lieferaufträgen ist ein deutlich höherer Aufwand festzustellen. Neben dem umfassenden Ausschöpfen der Möglichkeiten für Kurzarbeit werden in allen Unternehmen gezielt alle Kostenpositionen auf ihr aktu elles Einsparpotenzial hin untersucht, und es wird zu einem streng limitierten Kostenmanagement übergegangen. Beispiele dafür sind u. a. eine reduzierte Lager haltung oder das Einschränken von Miet- oder Fremdleistungen. Die An-strengungen zur Intensivierung von Forschung und Entwicklung für neue Pro-dukte werden deutlich erhöht. Es wird ebenso auch nach erweiterten Kreditmög-lichkeiten Ausschau gehalten.

Von der Mehrzahl der Befragten wird die Möglichkeit der Kurzarbeit als existenz-sichernder Ansatz zum Erhalt des unternehmensspezifischen Mitarbeiterwissens geschätzt und bei Bedarf genutzt. Durchgängig wird auf das Nutzen der Auszei-ten für geeignete Weiterbildungsmaßnahmen orientiert (u. a. Schulungen in Qua-litätsmanagement, Sprachvervollkommnung, Vertriebsintensivierung). Grenzen dieses Vorgehens liegen aber oft in der von einer schwankenden Auftragssituation abhängigen Zeitdauer der Kurzarbeit (häufig zwischen 2 bis 3 Tage), die länger-fristige Lehrgangsbesuche verhindert.

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Hinsichtlich der Frage, ob sie glauben, gestärkt aus der Krise hervorzugehen, strahlen alle Befragten eine verhalten optimistische Grundeinstellung aus („Wir tun alles dafür“). Die tatsächlichen Entwicklungen lassen sich aber vielfach nur schwer einschätzen. Unternehmen, die bereits vor dem Krisengeschehen in ihrem Produktionsprofil Alleinstellungsmerkmale besaßen, rechnen durchaus mit einer Verstärkung dieser Marktführerschaft, während Produzenten von Zuliefersorti-menten die Zukunftsaussichten deutlich abwartender und zurückhaltender ein-schätzen.

In der abschließenden Gesamtbewertung werden von den Befragten in unter-schiedlichem Umfang die für sie jeweils dringlichsten Probleme nochmals darge-stellt. Das Spektrum reicht dabei von gesamtgesellschaftlichen bis zu wirtschafts-bezogenen Aufgaben sowie teilweise von den Wirtschaftsvertretern selbst zu ver-antwortenden Maßnahmen:

– Erhalt und weitere Schaffung von wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen mit ver-nünftigen Tarifregelungen

– Verstärkung der Forschungsförderung und schnellere Umsetzung der Ergeb-nisse in innovative Produkte

– deutlichere Flexibilisierung der Förderung von Innovationen, Entbürokratisie-rung und Deregulierung von Richtlinien

– steuerliche Erleichterungen für Unternehmen und Arbeitnehmer

– Gewährleistung eines funktionierenden und wirtschaftsfreundlichen Finanz- und Bankensystems

– stärkere Wirtschaftsorientierung des Bildungssystems sowie Begabtenförde-rung

– Intensivierung der wirksamen Hilfe für KMU (z. B. Ausbildungsbeihilfen statt Abwrackprämien)

– Schaffung von attraktiven Angeboten für jüngere Leute in Thüringen.

Die Unternehmer nehmen sich dabei nicht aus der Verantwortung: „Ohne Selbst-motivation ist der permanente geforderte Wandel nicht zu meistern!“

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5Mittelstandspolitik und -förderung in thüringen5.1 Grundlagen und Ziele der thüringer Mittelstandpolitik

Eine umfassende Analyse der Ergebnisse der Thüringer Wirtschaftspolitik im Zeit-raum von 2005 bis 2008 liegt in den Jahreswirtschaftsberichten 2007 und 2009 vor. In beiden Berichten wird die sektorale und regionale Entwicklung sehr detail-liert analysiert. Die Daten dieses Kapitels basieren im Wesentlichen auf den Anga-ben der beiden Jahreswirtschaftsberichte.

Das Ziel der Wirtschaftsförderung besteht in Thüringen vornehmlich darin, den Aufbau und die Entwicklung von modernen, leistungsfähigen und zukunftsorien-tierten Unternehmen zu unterstützen. Die dabei inzwischen erreichten Ergeb-nisse zeigen, dass der anfangs zu verzeichnende dramatische Rückstand gegen-über den westlichen Ländern zwar deutlich verringert, aber vor allem die struktu-rellen Defizite noch nicht gänzlich überwunden werden konnten. Für die weitere Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit werden deshalb auch künftig noch erheb-liche Investitionen notwendig sein.

Thüringen steht im Wettbewerb mit anderen Regionen in Deutschland und Europa. Deshalb kommt es vor allem darauf an, die Standortbedingungen in Thü-ringen weiter zu verbessern und die Entwicklung wettbewerbsfähiger Wirtschafts-strukturen zu fördern. Die Stärken Thüringens sind vor allem seine zentrale Lage in der Mitte Deutschlands und Europas, die gut entwickelte Infrastruktur und das qualifizierte Beschäftigungspotenzial. Wirtschaftliches Wachstum und damit die positive Entwicklung einer Region ist vor allem das Ergebnis der erfolgreichen Arbeit von innovativen und risikobereiten Unternehmern und ihrer Mitarbeiter. Deshalb ist es vor allem Aufgabe der Wirtschaftsförderung, die Rahmenbedin-gungen für positive Unternehmensentwicklungen zu fördern und eine unterneh-mens- und innovationsfreundliche Infrastruktur weiterzuentwickeln.

Wichtigstes Förderprogramm für die Wirtschaftsförderung ist die Gemeinschafts-aufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW). Im Rahmen der Möglichkeiten der Bundes- und EU-Gesetzgebung, vor allem des Beihilfe-rechts, werden die GRW-Mittel insbesondere durch den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) verstärkt. Darüber hinaus stehen Thüringen wei-tere Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) zur Verfügung. Thüringen ist in der Förderperiode 2007 bis 2013 Konvergenzregion. Es ist zu erwarten, dass Thüringen mit Ende dieser Förderperiode aus der Höchstförderung herausfallen wird. Da durch die zurückgehenden Mittel aus dem Solidarpakt II weniger Haus-haltmittel zur Verfügung stehen und die Gesetzgebung von Bund und Freistaat Thüringen in den letzten Jahren die notwendige Haushaltkonsolidierung durch die Begrenzung der Kreditaufnahme auf den Weg gebracht hat, dürfte diese För-derperiode die letzte sein, in der der Wirtschaftsförderung überdurchschnittlich

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hohe Mittelansätze im Vergleich zu Westdeutschland zur Verfügung stehen. Auch nach 2013 werden noch nicht alle strukturellen Defizite beseitigt sein, und es wird weiterhin ein Förderbedarf für die Wirtschaft bestehen. Deshalb sollten in der jetzt laufenden Förderperiode die Grundlagen für die weitere Wirtschaftsförde-rung, z. B. über revolvierende Fonds, geschaffen werden.Die Thüringer Wirtschaftsförderung konzentriert sich bisher vor allem auf die Mit-telstandsförderung für das Verarbeitende Gewerbe, die produktionsnahen Dienst-leistungen und das produzierende Handwerk. Sie zielt auf Gründung und Neu-ansiedlung von Unternehmen, auf das Wachstum vorhandener Unternehmen, auf die Stärkung der technologischen Leistungskraft von Unternehmen und die Erschließung neuer Märkte ab. Dies erfolgt in erster Linie durch die Fortsetzung der Förderung von Investitionen auf hohem Niveau. Thüringen hat seit 2007 die regionale Differenzierung der Fördergebiete aufgegeben, so dass flächendeckend gleiche Fördersätze gewährt werden konnten. Darüber hinaus sichern das gemein-sam mit der KfW entwickelte Programm zur Gründungs- und Wachstumsfinanzie-rung (GuW Plus) und das Programm Thüringen-Invest (seit 2008 als Nachfolge-programm zum Landesinvestitionsprogramm) Finanzierungskonzepte vor allem für kleine und mittlere Unternehmen. Die nach wie vor zu geringe Kapitalausstat-tung mittelständischer Unternehmen wird durch das 2004 aufgelegte Programm Thüringen Kapital und den 2009 ausgelaufenen Beteiligungsfonds „Private Equity Thüringen“ (PET I) unterstützt. Der Nachfolgefonds PET II ist 2010 gestartet. Der Fonds ist mit 40 Millionen Euro dotiert. Der vorherige Fonds PET I hatte sich von Juni 2006 bis Juni 2009 an 25 Unternehmen mit insgesamt 49 Millionen Euro offen und still beteiligt. Die Beteiligungen laufen noch.

Die Attraktivität Thüringens als Standort für Wirtschaft und Wissenschaft wird maßgeblich durch die vorhandene wirtschaftsnahe Infrastruktur bestimmt. Neben dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und der Erschließung und Entwicklung von geeigneten Industrie- und Gewerbeflächen kommt dabei dem Ausbau der Hoch-schul- und Forschungsinfrastruktur eine besondere Bedeutung zu.

Aufgrund der noch immer angespannten Lage auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt sind die Senkung der Arbeitslosigkeit und die Schaffung wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze die wichtigsten Ziele der Wirtschaftsförderung. Dabei ist eine aktive Arbeitsmarktpolitik noch immer von besonderer Bedeutung. Die Arbeitsmarktpoli-tik wurde weiterhin zielgerichtet auf den ersten Arbeitsmarkt ausgerichtet. Landes- und ESF-Mittel sind schwerpunktmäßig auf die Einstellung und Qualifizierung älte-rer Arbeitsloser, die Ausbildung junger Menschen und Weiterbildungsmaßnahmen in Thüringer Unternehmen ausgerichtet. Als wichtiges Querschnittsziel im ESF wird zudem die „Chancengleichheit von Frauen und Männern“ verfolgt.

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Insbesondere durch die Ausbildungsprogramme des Bundes und deren Auf-stockung durch eigene Landesmittel ist es gelungen, nahezu jedem Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zu vermitteln. Dem drohenden Fachkräftemangel durch die demografische Entwicklung und der immer noch sehr hohen Abwanderung junger Menschen kommt in der Arbeitsmarktpolitik eine immer größere Bedeu-tung zu. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, hat Thüringen bei der Landesentwicklungsgesellschaft einen Unternehmerfachkräfteservice (UFAS) in Zusammenarbeit mit Unternehmen und der Arbeitsagentur aufgebaut.

Neben der direkten Wirtschaftsförderung wird aber auch die Entwicklung von so-genannten „weichen Standortfaktoren“ wie Wohnungs- und Städtebau, Umwelt-schutz, Sport und Kultur zunehmende Bedeutung für die Fachkräftesicherung erlan gen: Denn neben den Arbeitsplatzangeboten und den höheren Einkommens-möglichkeiten in westlichen Wirtschaftszentren haben solche Faktoren eine zu-nehmende Bedeutung für die Entscheidung insbesondere jüngerer Menschen zu gehen oder zu bleiben bzw. sich in Thüringen neu anzusiedeln.

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5.2 investitionsförderung im Mittelstand

Das wichtigste Förderprogramm in Thüringen ist die Investitionsförderung über die Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirt-schaftsstruktur“ (GRW). In der Wirtschaftsförderung des Freistaates haben sol-che Investitionen Priorität, die Neuansiedlungen und Erweiterungen von Unter-nehmen zur Folge haben. In den Jahren 1995 bis 2008 hat die Thüringer Aufbau-bank fast 4,8 Mrd. Euro an Fördermitteln in der direkten Wirtschaftsförderung ausgezahlt, davon entfielen allein 4 Mrd. Euro und damit 83,3 % auf die Gemein-schaftsaufgabe. Der Gemeinschaftsaufgabe liegt fast die Hälfte aller Förderan-träge bei der Thüringer Aufbaubank zugrunde. Insgesamt handelte es sich bei die-sen Anträgen um ca. 11.000 Vorhaben mit einer Fördersumme von 4 Mrd. Euro, die überwiegend als investive Zuschüsse an Wirtschaftsunternehmen ausgezahlt worden sind. Weitere in besonderem Umfang in Anspruch genommene Förder-programme waren das Landesinvestitionsprogramm mit rund 7.000 bewilligten Projektanträgen und einem Zuschussbetrag von 95 Mio. Euro sowie das Pro-gramm zur einzelbetrieblichen Technologieförderung mit etwa 2.000 Projekten und einer Fördersumme von über 281 Mio. Euro.

Bei der Ausreichung öffentlicher Zuschüsse ist der größte Teil der Fördermittel-empfänger dem Verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen. 76,3 % aller bewilligten Projekte betrifft diesen Bereich (siehe Abbildung 5.1).

branchenverteilung der bewilligten Förderprojekte

Abb. 5.1Quellen: Thüringer Aufbaubank (2009); HWWI.

Verarbeitendes Gewerbe

Gastgewerbe

Forschung und Entwicklung

Handel

Datenverarbeitung

Verkehr

Bau

Sonstige

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Mit deutlichem Abstand sind danach die ausgereichten Zuschüsse an Antragstel-ler aus dem Gastgewerbe (ca. 4 %), für reine Forschungs- und Entwicklungspro-jekte (3 %) sowie aus dem Handel (2,5 %) bzw. dem Sektor der Datenverarbei-tung (ca. 2 %) zu registrieren. Innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes dominiert sowohl von der Anzahl als auch vom Investitions- und Fördervolumen der Antrag-steller her die Branche „Herstellung von Metallerzeugnissen“ (siehe Abbildung 5.2). Signifikante Anteile entfallen weiterhin auf die Branchen Gummi und Kunst-stoffe, Herstellung von Kfz-Teilen sowie auf Glasgewerbe und Keramik.

Fördermittelbereitstellung für relevante Wirtschaftszweige des Verarbeitenden Gewerbes

Abb. 5.2Quellen: Thüringer Aufbaubank (2009); HWWI.

-10.000

0

10.000

20.000

30.000

40.000

50.000

60.000

70.000

80.000

90.00020

00

2001

2002

2003

2004

2005

1995

1996

1997

1998

1999

2006

2007

2008

Herstellung von Glas und Glaswaren,Keramik, Verarbeitung von Steinen und ErdenHerstellung von Gummi- und Kunststoffwaren

Herstellung von MetallerzeugnissenMaschinenbau

Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen

Tsd. �

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Auch im Untersuchungszeitraum 2005 bis 2008 spiegelt sich wider, dass die Inves titionsförderung über die Gemeinschaftsaufgabe die wichtigste Form der Wirtschaftsförderung ist. Der Schwerpunkt der Investitionsförderung im Bereich der gewerblichen Wirtschaft lag in den Jahren 2005 bis 2008 bei den Erweite-rungsinvestitionen. 892 Vorhaben und damit 63,8 % aller geförderten Vorhaben betrafen Erweiterungsinvestitionen. Es wurden damit 8.062 zusätzliche Arbeits-plätze geschaffen und 42.766 gesichert. Der Anteil der Neugründungen und Ansied lungen betrug in diesen Jahren 26,6 % des Gesamtinvestitionsvolumens (siehe Tabelle 5.1).

Die außerordentlich mittelständisch geprägte Unternehmensstruktur in Thürin-gen wird im Vergleich nach Arbeitsplatzgrößenklassen deutlich.

Quellen: TMWTA (2009); HWWI.

Tabelle 5.1

Geförderte investitionsvorhaben im rahmen der Gemeinschaftsaufgabe (GrW), 2005 bis 2008

Investitionsart Anzahl der Vorhaben Investitionsvolumen bewilligte GA-Mittel Arbeitsplätze zusätzlich

Arbeitsplätze gesichert

Mio. Euro Mio. Euro

errichtungen 160 1.261,5 190,4 3.921 0

erweiterungen 892 2.793,0 429,6 8.062 42.766

sonstige 346 695,3 90,7 1.263 19.109

Gesamt 1.398 4.749,8 710,7 13.246 61.875

Quellen: TMWTA (2009); HWWI.

Tabelle 5.2

Geförderte investitionsvorhaben im rahmen der Gemeinschaftsaufgabe (GrW), 2005 bis 2008

Größenklassen Anzahl der Vorhaben Investitionsvolumen bewilligte GA-Mittel Arbeitsplätze zusätzlich

Arbeitsplätze gesichert

Mio. Euro Mio. Euro

bis 19 679 438,1 76,6 1.709 3.897

20 – 49 336 671,9 107,4 1.979 8.599

50 – 199 299 1.860,4 288,6 5.197 23.702

200 – 499 74 1.430,9 204,6 3.644 18.614

über 500 10 348,5 33,5 717 7.063

Gesamt nachrichtlich 1.398 4.749,8 710,7 13.246 61.875

KMU 1.341 3.365,7 540,3 9.801 41.288

100

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Wie bereits erwähnt, sind nach der engeren KMU-Definition der EU, Unterneh-men mit weniger als 250 Mitarbeitern den KMU zuzuordnen. Selbst bei dieser res triktiven Definition sind es 1.341 Vorhaben und damit 95,7 % der gesamten geför derten Investitionsvorhaben. Diese KMU investierten 71 % des gesamten Inves titionsvolumens und realisierten 74,2 % der zusätzlich geschaffenen Arbeits-plätze (siehe Tabelle 5.2).

Im Vergleich der Investitionsgrößenklassen entfallen 64,1 % des geförderten Inves-titionsvolumens auf die Gruppe der mittleren Vorhaben mit einer Investitions-summe von 5 bis 50 Mio. Euro. Die kleineren Investitionsvorhaben mit einem Volu men von weniger als 5 Mio. Euro machen 86,1 % aller bewilligten Projekte und 26,6 % des Investitionsvolumens aus, realisieren aber 38,1 % der zusätzlich geschaffenen Arbeitsplätze (siehe Tabelle 5.3).

Quellen: TMWTA (2009); HWWI.

Tabelle 5.3

Geförderte investitionsvorhaben im rahmen der Gemeinschaftsaufgabe (GrW), 2005 bis 2008 (nach investitionsgrößenklassen)

Größenklassen Anzahl der Vorhaben Investitionsvolumen bewilligte GA-Mittel Arbeitsplätze zusätzlich

Arbeitsplätze gesichert

Mio. Euro Mio. Euro

Über 50 Mio. euro 5 442,3 48,5 665 2.504

5 bis unter 50 Mio. euro 188 3.044,6 460,3 7.549 26.137

1,25 bis unter 5 Mio. euro 314 857,8 135,8 2.743 18.298

0,5 bis unter 1,25 Mio. euro

307 263,9 41,9 1.239 8.149

0,25 bis unter 0,5 Mio. euro

258 97,2 15,7 580 4.309

unter 0,25 Mio. euro 326 44,0 8,5 470 2.478

Gesamt 1.398 4.749,8 710.7 13.246 61.875

Ein maßgebliches Zielkriterium der Mittelstandsförderung besteht im Erhalt beste hender, aber vor allem in der Schaffung neuer, d. h. zusätzlicher Arbeits-plätze, als entscheidende Voraussetzung für eine weitere deutliche Senkung der Arbeitslosigkeit. Vor allem mit der Investitionsförderung wurden im Zeitraum von 1995 bis 2008 insgesamt 141.232 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Beglei-tende Fördermaßnahmen (z. B. Maßnahmen zur Förderung der wirtschaftsnahen Infrastruktur) haben eine zusätzliche arbeitsplatzfördernde Wirkung, die aber nur indirekt zu messen ist.

Dies führt nicht automatisch zu einem gesamtwirtschaftlichen Zuwachs an sozi-alversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen, was an den Thüringer Zahlen von 1995 bis 2008 deutlich wird.

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Zwischen 1999 und 2005 sind die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungs-verhältnisse in Thüringen um 135.773 zurückgegangen und stiegen danach bis 2007 um 28.550 auf 736.814 Beschäftigungsverhältnisse kräftig an, was einem Zuwachs um 4 % entspricht. Die Ursachen des Rückgangs sind vor allem zwei Sektoren geschuldet. Das Baugewerbe reduzierte die Beschäftigtenzahlen um 57.496 Beschäftigte und die öffentlichen und privaten Dienstleister um 50.026 Be-schäftigte. Im Produzierenden Gewerbe hat es nach einem kräftigen Beschäfti-gungszuwachs in den 90er Jahren aufgrund der allgemeinen Konjunkturschwäche ab 2001 keinen Zuwachs gegeben. Mit der konjunkturellen Entwicklung ab dem Jahr 2007 erfolgte jedoch ein kräftiger Beschäftigungszuwachs auf 186.191 sozial-versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse und damit auf den höchsten Stand seit 1991 (siehe Abbildung 5.3).

In den Jahren 1996 bis 2008 wurden in Thüringen 235.076 Gewerbeanmeldungen getätigt und 206.180 Gewerbe abgemeldet. Dies entspricht einem Zuwachs von 28.896 Selbstständigen. Die Entwicklung der Gewerbetätigkeit hat multifaktorielle Ursachen. Gleichwohl dürfte die Wirtschaftsförderung den Zuwachs im genann-ten Zeitraum positiv unterstützt haben, während die verstärkten Maßnahmen der Wirtschaftspolitik ab 2009 gerade dem erwarteten Rückgang der Gewerbetä-tigkeit in Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise entgegenwirken sollten. Ausge-wählte Teilbereiche zeigt die Abbildung 5.4.

sozialversicherungspflichtige beschäftigungsverhältnisse von 1999 bis 2007

Abb. 5.3Quellen: Statistisches Landesamt Thüringen (2009); HWWI.

0

100.000

200.000

300.000

400.000

500.000

600.000

700.000

800.000

900.000

2000

2001

2002

2003

2004

2005

1999

2006

2007

Produzierendes Gewerbesozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse insgesamt

Baugewerbeöffentliche und private Dienstleistner

Pers.

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Im Produzierenden Gewerbe wurden 10.880 Unternehmen neu errichtet und 9.822 Unternehmen abgemeldet, was einem Zuwachs von 1.058 Unternehmen entspricht. Bis auf die Jahre 2001 und 2002 gab es in jedem Jahr einen positiven Errichtungssaldo. Es ist zwar als außerordentlich positiv zu bewerten, dass es einen Zuwachs an unternehmerischer Betätigung im Produzierenden Gewerbe gibt, aber die relativ hohe Anzahl der Unternehmensaufgaben ist zu hinterfragen. Die amtliche Statistik gibt keine Auskunft über Gründe und Motive von Gründun-gen und Unternehmensaufgaben sowie die Anzahl von Übernahmen, die jeweils mit einer Gewerbean- und -abmeldung verbunden sind. Es kommt daher im Rah-men der Förderung von Existenzgründern neben Finanzhilfen vor allem darauf an, die Qualität der Gründungskonzepte zu erhöhen und ihre Umsetzung durch Coa-ching zu begleiten, um höhere Erfolgsquoten zu erzielen. Dafür steht ein breites Instrumentarium an Unterstützungsangeboten von Bund, Land und Fachinsti-tutionen zur Verfügung. Die Effizienz der Förderung kann erhöht werden, indem diese Angebote gebündelt, stärker beworben, wo nötig ergänzt, in ihrer Qualität verbessert werden und die diversen Beratungsakteure ihre Aktivitäten stärker koor dinieren. Deshalb ist es zu begrüßen, dass diese Zielstellungen durch das vom TMWAT geförderte Beratungsnetzwerk „Gründen und Wachsen in Thürin-gen (GWT)“ in Trägerschaft der 6 Handwerks- und Industrie- und Handelskam-mern verfolgt werden. Dabei zielt GWT auf Gründungen im Allgemeinen. Techno-logieorientierte und FuE-intensive Gründungen sind zwar im Vergleich dazu rela-tiv selten, aber mit überdurchschnittlichen Wachstumserwartungen verbunden. Hier bestehen insbesondere Angebote der Hochschulen sowie der Technologie- und Gründerzentren. Eine entsprechende, quantitativ angemessene Ergänzung der Beratung und Förderung mit gezielter Vernetzung und Koordination auch der vorhandenen Elemente für dieses Segment der technologieorientierten, innovati-ven Gründungen wäre wünschenswert.

Gewerbeanmeldungen und -abmeldungen im produzierenden und baugewerbe von 1996 bis 2008

Abb. 5.4Quellen: Statistisches Landesamt Thüringen (2009); HWWI.

2000 2001 2002 20031996 1997 1998 1999 2004 2005 2006 2007 2008

Stk.

-500

0

500

1.000

1.500

2.000

2.500

3.000

Gewerbeanmeldungen Prod. GewerbeGewerbeabmeldungen Prod. GewerbeSaldo Prod. GewerbeGewerbeanmeldungen Baugewerbe Gewerbeabmeldungen BaugewerbeSaldo Baugewerbe

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

5.3 innovations- und technologieförderung

Die Innovations- und Technologieförderung verfolgt als wichtigste Ziele und Hand-lungsfelder:

– den Ausbau und die intensive Nutzung der Innovationspotenziale in Unterneh-men und Forschungseinrichtungen

– die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und des Wachstums der KMU

– die Stabilisierung und Vermehrung der Arbeitsplätze im Hochtechnologie- und Hochlohnbereich

– die weitere Stärkung der technologischen Kompetenz und Erhöhung der Inno-vationsfähigkeit der Thüringer Unternehmen

– die erfolgreiche Transformation wissenschaftlicher Erkenntnisse in marktfähige Produkte, Verfahren und Dienstleistungen

– die Verstärkung des Prozesses zur Bildung von Verbünden, Netzwerken und Clustern

– die Sicherung des zukünftigen Fachkräftebedarfes

– die Begleitung und Koordination von Maßnahmen der Interaktion Wissenschaft-Wirtschaft als ein Beitrag Thüringens zur Erreichung des 3 %-Zieles der Lissa-bon-Strategie der EU.

Die Förderrichtlinien zur Forschungs-, Technologie und Innovationsförderung wurden im Jahr 2007 zum Programm „Thüringen-Technologie“ zusammengeführt und weiterentwickelt. Es wurde ein gemeinsamer Rahmen für alle Maßnahmen in diesem Bereich geschaffen. Die einzelnen Fördergegenstände wurden in 3 Richt-linien (einzelbetriebliche Technologieförderung, Verbundförderung und Förde-rung des FuE-Personals) zusammengefasst. Vorrangig gefördert werden Projekte in den Feldern: Mess-, Steuer- und Regelungstechnik, Informations-, Kommunika-tions- und Medientechnik (einschließlich Software), neue Materialien und Werk-stoffe, Optik und Optoelektronik, Produktionstechnik (einschließlich Verfahrens-technik), Mikro- und Nanotechnologien (einschließlich Systemtechnik), Biotech-nologie, Medizintechnik, Umwelttechnik, Energietechnologien (inkl. Regenerative Energietechnik).

Die einzelbetriebliche Technologieförderung bezuschusst Aufwendungen für For-schungs- und Entwicklungsvorhaben, Investitionen zur Einführung neuester Tech-nologien sowie Technologietransfer bei gewerblichen Unternehmen und wirt-schaftsnahen Forschungseinrichtungen. Weiterhin werden junge technologieori-entierte KMU bei der Einmietung in Technologie- und Gründerzentren unterstützt. Von 2005 bis 2008 wurden insgesamt 2.198 Projekte gefördert. Davon waren 1.610 Projekte (73,2 %) den KMU zuzuordnen (Abbildung 5.5).

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Die Gesamtausgaben für die geförderten Projekte betrugen 201,1 Mio. Euro, bei den von KMU geförderten Projekten 112,9 Mio. Euro (56,1 %). An Zuschüssen wur-den insgesamt 83,1 Mio. Euro gewährt. Davon entfielen 53,2 Mio. Euro (64,0 %) auf KMU (Abbildung 5.6).

auszahlungen für Projekte bei Unternehmen – Projekte

auszahlungen für Projekte bei Unternehmen – Gesamtausgaben

Abb. 5.5Quellen: TMWTA; HWWI.

Abb. 5.6Quellen: TMWTA; HWWI.

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

2008

in %

2005 2006 2007

darunter KMUAnzahl der Projekte

Anteil KMU (rechte Skala)

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20

30

40

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20

30

40

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2008

in %in Mio. �

2005 2006 2007

Gesamtausgabendarunter KMUöffentliche Mitteldarunter KMUAnteil KMU an den Gesamtausgaben (rechte Skala)Anteil KMU an den öffentlichen Mitteln (rechte Skala)

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50

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105

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Die Technologie- und Gründerzentren bieten jungen Unternehmen eine bedarfs-gerechte Infrastruktur mit modernen Büros und einem umfassenden Beratungs- und Serviceangebot. Damit bekommen junge Unternehmen die Unterstützung, die sie für ihre wirtschaftliche Entwicklung brauchen. Die sieben Technologie- und Gründerzentren (an neun Standorten) befinden sich zudem in unmittelbarer Nähe zu Thüringer Hochschulen. Darüber hinaus gibt es fünf Applikationszentren im Freistaat, um jungen technologieorientierten Unternehmen bei der raschen Umsetzung von Forschungsergebnissen in neue Produkte und Verfahren zu unterstützen.

Im betrachteten Zeitraum wurden in den Technologie- und Gründerzentren jähr-lich rund 130 technologieorientierte Unternehmen durch Freistellung von der Kalt-miete mit jährlich 0,5 Mio. Euro kontinuierlich unterstützt. Die in früheren Jahren mögliche zusätzliche Unterstützung der Betreibergesellschaften musste aufgrund europarechtlicher Bestimmungen zurückgefahren werden (Abbildung 5.7).

auszahlungen für tGZ

Abb. 5.7Quellen: TMWTA; HWWI.

0

1

2

3

4

2008

in Mio. �

2005 2006 2007

Gesamtausgabenöffentliche Mittelöffentliche Mittel für TOUgeförderte technologieorientierte Unternehmen (rechte Skala)

0

20

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106

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

In Thüringen wurden im betrachteten Zeitraum bis zu 8 externe wirtschaftsnahe Forschungseinrichtungen unterstützt. Die Förderung war insbesondere darauf ausgerichtet, die Leistungen der Einrichtungen stärker am Bedarf der Thüringer Wirtschaft zu orientieren und mit gezielten Investitionen neue fachliche Schwer-punkte zu setzen. In den Jahren 2005 bis 2008 haben die wirtschaftsnahen For-schungseinrichtungen insgesamt 106 Projekte mit einem Gesamtvolumen von 30,3 Mio. Euro durchgeführt, die vom Freistaat mit 23,5 Mio. Euro gefördert wur-den (Abbildung 5.8).

Förderung von wirtschaftsnahen Forschungseinrichtungen

Abb. 5.8Quellen: TMWTA; HWWI.

0

2

4

6

8

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12

2008

in Mio. �

2005 2006 2007

GesamtausgabenFördermittel des FreistaatesAnzahl der Projekte (rechte Skala)

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35

40

Im Rahmen der Verbundförderung werden FuE-Verbundprojekte zwischen Unter-nehmen bzw. Forschungseinrichtungen und Unternehmen sowie Koordinierungs-stellen von Netzwerken/Clustern gefördert.

Bei der Förderung von FuE-Verbundprojekten wurden von 2005 bis 2008 insge-samt 70 Projekte mit 200 Partnern neu begonnen. 86 KMU waren Verbundpartner von Forschungseinrichtungen und einigen größeren Unternehmen. Damit betrug der Anteil mittelständischer Unternehmen 43 % (Abbildung 5.9).

107

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Insgesamt wurden Verbundvorhaben mit 31,5 Mio. Euro unterstützt. Davon ent-fielen 9,9 Mio. Euro auf die KMU-Verbundpartner, was einem Anteil von 31,4 % entspricht (Abbildung 5.10).

Förderung Verbundvorhaben – Partner und Projekte

Abb. 5.9Quellen: TMWTA; HWWI.

0

10

20

30

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2008

in %

20062005 20070

10

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40

50

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Anzahl der neu begonnenen ProjekteAnzahl der neu geförderten Verbundpartnerdarunter KMUAnteil KMU (rechte Skala)

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Förderung Verbundvorhaben – Fördermittel

Abb. 5.10Quellen: TMWTA; HWWI.

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2

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4

5

6

7

8

2008

in %in Mio. �

20062005 2007

Ausgezahlte Fördermittel neue VorhabenAusgezahlte Fördermittel laufende VorhabenSummedarunter KMU neue Vorhabendarunter KMU laufende VorhabenSumme KMUAnteil KMU (rechte Skala)

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

5.4 Förderung der Wirtschaftsinfrastruktur, Ver- und entsorgung und Umweltschutz

Eine wesentliche Rahmenbedingung für wirtschaftliche Entwicklung ist eine Infra-struktur, die Investitionen in der Wirtschaft fördert sowohl in Verbindung mit Neuansiedlungen von Unternehmen als auch in Verbindung mit Unterstützungen für den wirtschaftlichen Erfolg und das Wachstum vorhandener Unternehmen. Für die Erschließungs- und Entwicklungsinvestitionen von Industrie- und Gewer-beflächen ist die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirt-schaftsstruktur“ (GRW) das wesentliche Förderinstrument. Der strategische Schwerpunkt lag in der Vergangenheit in der Wiedernutzbarmachung von brach-liegenden Industrie- und Gewerbeflächen und der Aufwertung von Altstandorten. Derzeit vollzieht sich eine Fokussierung auf die Entwicklung von Industriegroß-flächen, um den gestiegenen Bedarf an großen, zusammenhängenden Industrie-flächen zu decken. Am Beispiel der Industriegroßfläche „Erfurter Kreuz“ und der Nachfrage nach diesem Standort wird deutlich, wie wichtig gute infrastrukturelle Voraussetzungen für die Ansiedlung von Unternehmen, gleich welcher Branche, sind.

Neben der Entwicklung von Industrie- und Gewerbeflächen sind die weiteren Schwerpunkte die Förderung von Einrichtungen der beruflichen Bildung, die Fremdenverkehrsinfrastruktur und Ver- und Entsorgungsanlagen. Im Zeitraum von 2005 bis 2008 wurden im Bereich der wirtschaftsnahen Infrastruktur insge-samt 160 Vorhaben mit einem Investitionsvolumen von fast 288 Mio. Euro geför-dert. Dazu wurden öffentliche Zuschüsse in Höhe von 234,1 Mio. Euro bewilligt.

Für die wirtschaftliche Entwicklung Thüringens und vor allem für die Erreichbar-keit aller Regionen ist eine ausgebaute Verkehrsinfrastruktur von entscheidender Bedeutung. In der überregionalen Straßenverkehrsinfrastruktur konnten in den Jahren 2005 bis 2008 wichtige öffentliche Investitionsvorhaben der Verkehrspro-jekte Deutsche Einheit für den Verkehr freigegeben werden. Mit der Fertigstellung der Autobahnen A71/A73 (Erfurt-Schweinfurt/Erfurt-Bamberg) in Richtung Bayern ist vor allem Südthüringen sehr gut an das überregionale Fernstraßennetz ange-bunden. Der weitere Ausbau der A38 (Halle-Göttingen) bietet für die Region Nordthüringen sehr gute Anbindung an das überregionale Fernstraßennetz. Die Entscheidung des Freistaates Thüringen, die EFRE-Mittel des Bundes, die auf den Freistaat Thüringen entfallen, insbesondere für das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit (VDE 8.1 Neubaustrecke ICE Erfurt-Ebensfeld) einzusetzen, hat wesentlich zur Beschleunigung dieses Investitionsvorhabens beigetragen. Es sind damit die Weichen gestellt, dass Erfurt als ICE-Knotenpunkt im Fernstreckennetz des Schie-nenverkehrs ab 2017 eine wesentlich größere Bedeutung erhält. Der Ausbau der Luftverkehrsinfrastruktur ist bereits weitgehend abgeschlossen. Mit dem inter-nationalen Verkehrsflughafen Erfurt-Weimar verfügt Thüringen über eine moder-ne, den internationalen Anforderungen entsprechende Luftverkehrsinfrastruktur. Am Verkehrslandeplatz Leipzig-Altenburg sind ebenfalls die Voraussetzungen für internationale Flüge gegeben. Weitere sieben Verkehrslandeplätze verbessern die Erreichbarkeit der einzelnen Regionen.

110

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Gesicherte und preiswerte Energieversorgung ist eine wesentliche Grundlage für Standortentscheidungen von Unternehmen. Dabei spielt sowohl der Preis als auch die Versorgungssicherheit und in Bezug auf Nachhaltigkeit und klimapoli-tische Zielstellungen, die Umweltverträglichkeit eine besondere Rolle. Eine regio-nale Energiepolitik im Freistaat Thüringen kann man nur im Kontext internatio-naler und vor allem europäischer Rahmenbedingungen betreiben. Es geht dabei um Rahmenbedingungen, wie Klimaschutzziele, Binnenmarkt, Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Insbesondere der Ausbau erneuerbarer Energien im Rahmen der europäischen und deutschen Klimaziele und dabei vor allem die Verrin gerung der Ressourcenabhängigkeit von Öl und Erdgas hat dabei eine wich-tige Bedeutung. In Thüringen haben die erneuerbaren Energien im Jahr 2006 einen Anteil am Primärenergieverbrauch von 15,4 % (Deutschland 6,3 %), und der Anteil am Endenergieverbrauch beträgt 10,5 % (Deutschland 4,8 %). Mit der „Energie- und Klimastrategie Thüringen 2015“ hat die Landesregierung den Hand-lungsrahmen zum weiteren Ausbau erneuerbarer Energien gesetzt.

In den Umwelttechnologien (auch Green Tech oder Clean Tech) existieren in Deutschland nicht nur Chancen der Umwelt- und Ressourcenschonung sondern attraktive Geschäftsfelder für Technologieunternehmen auch und gerade aus dem Mittelstand. Bei den Umwelttechnologien bestehen in Thüringen Potenziale vor allem in den Bereichen umweltfreundliche und erneuerbare Energien (z. B. Solar-industrie), Rohstoff- und Materialeffizienz sowie Kreislaufwirtschaft (Abfallver-meidung und Abfallnutzung). Die Marktstruktur der Thüringer Unternehmen der Umwelttechnik ist zwar kleinteilig, weist aber mit durchschnittlichen Wachstums-raten von 20 % p. a. und mehr erhebliche Potenziale auf.68 Um diese Entwicklung zu forcieren, hat das TMWAT gerade das Programm Thüringen GreenTech aufge-legt. Das Programm soll Entwicklung, Produktion und Einsatz grüner Technolo-gien in Thüringen beschleunigen und den heimischen Unternehmen einen höhe-ren Anteil am weltweiten Branchenwachstum sichern. Das Programm umfasst neue Fördermöglichkeiten und Dienstleistungen. Darüber hinaus werden beste-hende Fördermöglichkeiten stärker auf GreenTech ausgerichtet; die Förderkondi-tionen für GreenTech werden attraktiver. „Thüringen – GreenTech“ beinhaltet fol-gende Programmteile:

– 1000-Dächer-Potovoltaik-Programm

– Einzelbetriebliche Technologieförderung

– Förderung von innovativen, technologieorientierten Verbundprojekten, Netzwerken und Clustern (Verbundförderung)

– Förderung von Personal in Forschung und Entwicklung

– Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW)

„Thüringen – GreenTech“ ist über dem Umweltaspekt hinaus bereits ein Element der künftig auszubauenden Schwerpunktsetzung in der Innovationsförderung.

68 Vgl. BMUNR (Hrsg.) 2009, S. 304 ff.

111

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

Ohne ausgebaute Infrastruktur bei der Wasserver- und Abwasserentsorgung sind keine Investitionen im wirtschaftlichen Bereich möglich. Der Freistaat Thüringen unterstützte mit erheblichen finanziellen Mitteln den weiteren Ausbau der kom-munalen Ver- und Entsorgungsanlagen, um eine weitere Erhöhung des Anschluss-grades an kommunale Kläranlagen nach EU-Kommunalabwasserrichtlinie zu er-möglichen, aber auch, um die Gebühren und Beiträge für die Wirtschaft und die Bürger in einem verträglichen Rahmen zu halten. Zum weiteren Ausbau der Ver- und Entsorgungsinfrastruktur bei Wasser- und Abwasseranlagen wurden in den Jahren 2005 bis 2008 insgesamt 392,8 Mio. Euro Investitionen getätigt. Diese wurden mit Fördermitteln des Freistaates Thüringen in Höhe von 217,0 Mio. Euro unterstützt. Mit diesen Investitionen konnte der Anschlussgrad an kommunale Kläranlagen bis zum Jahr 2008 auf 70 % gesteigert werden. Der Anteil der anfal-lenden Abwässer in Thüringen, die in den kommunalen Kläranlagen behandelt werden, beträgt 95 %.

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

6. handlungsempfehlungen des hWWi

Die Entwicklung der kleineren und mittleren Unternehmen in Thüringen befindet sich derzeit in einer entscheidenden Phase. Durch eine insgesamt erfolgreiche Förderpolitik hat der Freistaat hinsichtlich seiner industriellen Basis gegenüber den westlichen Ländern entscheidend aufgeholt. Auch im Bereich des Innova-tionspotenzials steht Thüringen unter den ostdeutschen Ländern ausgesprochen gut da. Nun aber gilt es, das Potenzial gerade der kleineren und mittleren Unter-nehmen mit ihrer Innovationsfreude, Dynamik und besonderen Flexibilität zu nut-zen, um den Weg in die dienstleistungsintensive Wissensgesellschaft zu fördern. Daraus folgt keineswegs, dass die bisherige Förderstrategie aufgegeben werden sollte. Vielmehr gilt es, die Weichen für eine allmähliche Schwerpunktverlagerung zu stellen. Eine weitere Internationalisierung und vor allem eine verstärkte Anbin-dung an die internationalen Wissensströme, stellt dabei ein Schlüsselmoment dar. Gerade im Übergang zur Wissensgesellschaft können kleinere und mittlere Unternehmen ihr Potenzial entfalten und zum sozialen Zusammenhalt von Ge-sellschaften und damit zur Lebensqualität der Menschen beitragen. Hier besitzt Thüringen aufgrund seiner kleingliedrigen Struktur einen Wettbewerbsvorteil, den es zu nutzen gilt.

113

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

6.1 investitionsförderung

Das Verarbeitende Gewerbe ist heute nach wie vor der Motor für den weiteren Leistungszuwachs der Thüringer Wirtschaft. Die technologische und innovative Leistungsfähigkeit der Thüringer Wirtschaft hängt dabei vor allem von der Stärke der industriellen Basis ab. Deshalb ist eine gewisse Konzentration der Investi-tionsförderung auf diesem Sektor sachlich noch immer gerechtfertigt. Auch in der Phase der konjunkturellen Erholung ist diese Förderung wichtig, zumal nach dem historischen Einschnitt der Wirtschafts- und Finanzkrise das Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht ist. Dem gut entwickelten gewerblichen Sektor steht ein schwächer entwickelter Bereich „wissensnahe Dienstleistungen“ gegenüber. Das könnte sich in Zukunft nicht zuletzt negativ auf die Entwicklung der human-kapitalintensiven gewerblichen Produktion auswirken. Da beide Sektoren in hohem Maße komplementär sind, empfiehlt es sich, sukzessive Fördermittel auf den Be-reich der wissensintensiven Dienstleistungen umzuschichten. Selbstverständlich sollte auch eine solche Umschichtung nicht nach dem Gießkannenprinzip erfol-gen, sondern auf das Ziel ausgerichtet sein, die Entwicklung der wissensinten-siven Dienstleistungen zu fördern. Hier geht es vor allem um wissensintensive Dienstleistungen, die vor Ort spezifisch mit Unternehmen aus innovativen Bran-chen des Verarbeitenden Gewerbes verbunden sind und die nicht von externen Ballungszentren aus bedient werden. Die hohe Zahl der Patentanmeldungen in den Bereichen Optik und Gesundheitswesen (vgl. 3.2 f.) deutet darauf hin, dass Thüringen in diesen wichtigen Feldern – aufgrund der demografischen Entwick-lung ist gerade das Gesundheitswesen eine strategische Zukunftsbranche – be-reits über einen komparativen Vorteil verfügt, der durch eine gezielte Förderung komplementärer Dienstleistungen möglicherweise noch weiter ausgebaut werden könnte. Dabei gibt es gerade an der Schnittstelle von Medizin und Medizintechnik und dem – arbeitsintensiven – Bereich der Altenpflege erhebliche Entwicklungs-potenziale, die sich auch arbeitsmarktpolitisch positiv auswirken könnten.

Die Investitionsförderung über die Mittel der Gemeinschaftsaufgabe und die Inves titionszulage bildet nach wie vor das Rückgrat der Wirtschaftsförderung in Thüringen. Die Investitions- und Innovationsförderung unterstützt die Unter-nehmerinnen und Unternehmer in ganz erheblichem Maße dabei, die Grundlage für eine moderne und zukunftsorientierte Wirtschaftsstruktur zu schaffen. Die Inves titionstätigkeit der Unternehmen hängt aufgrund der Eigenkapitalsituation maßgeblich von der Bereitstellung staatlicher Fördermittel ab. Deswegen wird die Inves titionsförderung auch in Zukunft die wichtigste Form der Wirtschafts-förderung bleiben. Nach der jetzigen Gesetzeslage fällt nach dem Jahr 2013 die steuerliche Investitionszulage ersatzlos weg. Thüringen wird in der Förderperiode 2007 bis 2013 wahrscheinlich letztmals Konvergenzregion sein. Deshalb hat die Landsregierung sinnvoller Weise revolvierende Fonds aufgelegt, um auch nach 2013 eine Förderung auf hohem Niveau gewährleisten zu können. Damit ist eine Verlagerung von einer Förderung über Zuschüsse hin zu einer stärkeren Förde-rung über Darlehen verbunden. Bei rückläufigen Volumina für die Förderung ins-gesamt, ist eine stärkere Nutzung von Krediten und Bürgschaften im Vergleich zum früheren Umfang der Zuschussförderung sinnvoll. Dies kann insbesondere

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durch die stärkere Umstellung auf revolvierende Fonds erfolgen. Darüber hinaus bieten insbesondere die Programme Thüringen-Invest und Thüringen-Kapital eine gute Grundlage, um die Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe zur „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ mit landeseigenen Program-men insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen zu ergänzen.

Wie bereits in der Einleitung ausgeführt, stellt bei der Förderung von Neuansied-lungen und Errichtungsinvestitionen die Neuschaffung von Arbeitsplätzen die zentrale Zielsetzung dar. Die bisherige Förderpraxis orientiert sich in erster Linie an dem Versprechen des Investors, eine bestimmte Zahl von Arbeitsplätzen für mindestens fünf Jahre nach Abschluss des Vorhabens zu schaffen. Daneben spielt auch das Innovationspotenzial des zu gründenden Unternehmens eine Rolle für die Mittelvergabe. Da die KMU des Freistaates Thüringen sich schon heute in einem internationalen Innovationswettbewerb befinden, der sich in Zukunft noch entscheidend verschärfen wird, kommt der Akkumulation von Humankapital die alles entscheidende Bedeutung für die mittel- bis langfristige Wettbewerbsfähig-keit Thüringens und damit auch für die Schaffung neuer und den Erhalt bestehen-der Arbeitsplätze zu. Auch wenn dies nicht oder nicht allein in der Kompetenz der Thüringer Landesregierung liegt, so empfiehlt sich als Denkanstoß, das Kriterium der Innovationsfähigkeit bei der Vergabe von Fördermitteln noch stärker als bis-her zu berücksichtigen. Mögliche Kenngrößen für das Innovationspotenzial könn-ten sein: der Ausbildungsgrad des Investors oder die Zahl der Patentanmeldun-gen in der jeweiligen Branche. Ein weiterer Faktor, der über Erfolg oder Misserfolg von KMU entscheidet, ist die Bereitschaft und Fähigkeit, mit anderen KMU zu ko-operieren. Von daher könnte es zur Auflage gemacht werden, von vornherein Überlegungen zu möglichen strategischen Allianzen mit anderen mittelständi-schen Unternehmen anzustellen.

Fazit: – Fortsetzung der Investitionsförderung zur dauerhaften Überwindung der Krise

und zum Anschluss an das Vorkrisenniveau

– Schwerpunktverlagerung von Zuschüssen hin zu Darlehen und Bürgschaften angesichts künftig rückläufiger Fördermittelvolumina

– Intensivierung der Umstellung auf revolvierende Fonds

– Verarbeitendes Gewerbe als Motor für den Leistungszuwachs der Thüringer KMU weiter stärken

– Noch stärkere Förderung wissensintensiver Dienstleistungen

– Stärkere Betonung des Innovationspotenzials im Rahmen des Arbeitsplatzkrite-riums der Förderung

115

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

6.2 Kapitalsicherung für den Mittelstand

Maßnahmen, die zur Verbesserung der Kapitalausstattung der Unternehmen die-nen, wie etwa Darlehen, Bürgschaften und Beteiligungen haben wesentlich zur Stabilisierung des Thüringer Mittelstandes beigetragen. Zwar wird die Wirkung nicht so direkt deutlich wie bei der Investitionsbezuschussung, aber die Folgen dieser Programme mit kostensenkenden Kapitalaufwendungen und Zinsreduzie-rungen sind in den positiven Wachstumszahlen der Thüringer Wirtschaft ables-bar.

In Hinsicht auf die Überwindung der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise gewinnen Eigenkapital stabilisierende Maßnahmen eine zunehmende Bedeutung, um die Unternehmen zukünftig besser gegen solche Krisen zu schützen. Diese Förder-programme sind gerade für die kleinen mittelständischen Unternehmen auch in Zukunft von großer Bedeutung.

Der Freistaat hat mit der Universalbeteiligungsgesellschaft bm-t eine Eigenkapital unterstützende Beteiligungsstrategie entwickelt, die die Unternehmen in allen Unternehmensphasen aktiv begleiten kann. Präferierte Investments werden im Hochtechnologiebereich wie z. B. Life Sciences, Opto- und Mikroelektronik oder neue Medien aber auch im klassischen Mittelstand, wie z. B. Automobilzulieferer, Maschinenbau und Werkstofftechnik, getätigt. Aufgrund der geringen Unterneh-mensgrößen des Thüringer Mittelstandes sind diese Programme längerfristig zu planen. Deshalb ist es empfehlenswert, über die Kapitalstärkung dieser revolvie-renden Fondslösungen die Kontinuität solcher Programme zu stabilisieren.

Fazit:– Darlehen, Bürgschaften und Beteiligungen tragen zur Stabilisierung des Mittel-

standes bei und sollten fortgeführt werden

– Kostensenkung für Kapitalaufwand und Zinsreduzierung unterstützen das Unter-nehmenswachstum

– Eigenkapital stabilisierende Maßnahmen tragen zur Überwindung der Wirt-schafts- und Finanzkrise maßgeblich bei

– Möglichkeiten der öffentlich geförderten Beteiligungsfinanzierung sind länger-fristig insbesondere für das Wachstum der kleineren Mittelständler unter Nut-zung revolvierender Fondslösungen erforderlich

116

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

6.3 innovations- und technologieförderung

Die Analyse hat gezeigt, dass Thüringen gemeinsam mit Sachsen hinsichtlich des Innovationspotenzials seiner Unternehmen eine führende Rolle unter den ostdeutschen Ländern einnimmt. Diese Erfolgsmeldung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in dieser Hinsicht noch immer ein deutlicher Rückstand auf die westdeutschen Länder, vor allem auf Bayern und Baden-Württemberg, besteht. Die innovativen Unternehmen konzentrieren sich auf wenige Standorte. Da für die einzelbetriebliche FuE-Förderung überwiegend Fördermittel der EU bereitgestellt werden, wird das Auslaufen der Förderperiode 2013 eine Verringe-rung des Niveaus der einzelbetrieblichen Förderung zur Folge haben. Noch im-mer weist Thüringen einen Rückstand bei den FuE-Kapazitäten auf. Im Hinblick auf den Übergang in die Wissensgesellschaft sollte alles dafür getan werden, die-sen Rückstand aufzuholen. Aufgrund des in diesem Bereich bereits weit fortge-schrittenen Konvergenzprozesses wird die gewerbliche Wirtschaft Thüringens in Zukunft in immer geringerem Maße der staatlichen Unterstützung bedürfen. Der auch in Thüringen erfolgreiche Aufbau Ost hat den ökonomischen Abstand zwi-schen den alten und neuen Ländern deutlich verringert. Nicht nur Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes auch Wohnungsbau und Verkehrsinfrastruktur sind auf einem hohen Niveau angelangt. Die Schließung der verbleibenden Lücke erfor dert jedoch mit Forschung, Entwicklung und Innovation qualitativ andere Anstrengungen. Dafür ist auch ein effizienter Einsatz der degressiven Mittel des Solidarpaktes II entscheidend, damit auch diese zweite Phase des Aufbau Ost gelingt. Im Hinblick auf den zur Verbesserung der Thüringer Wirtschaft insge-samt notwendigen Strukturwandel empfiehlt es sich, die bei der Förderung der gewerblichen Wirtschaft eingesparten Mittel gezielt in den Bereich der FuE-Förde-rung umzuschichten.

Vor diesem Hintergrund ist die Frage der räumlichen und sachlichen Schwer-punktbildung der Innovationsförderung zu diskutieren. Sowohl der breite Bran-chenmix der Thüringer Wirtschaft als auch die eher geringe räumliche Ausdeh-nung Thüringens sprechen dafür, zumindest bis zum Jahr 2013 keine regionale oder sachliche Konzentration der einzelbetrieblichen Technologieförderung vor-zunehmen. Dieser zentralen Schlussfolgerung einer aktuellen Studie der Stiftung für Technologie, Innovation und Forschung in Thüringen (STIFT)69 wird zuge-stimmt. Es zeigt sich, dass Thüringen derzeit an einem entscheidenden Punkt sei-ner Entwicklung angekommen ist: So richtig es ist, die bisherige Praxis noch bis etwa 2013 fortzuführen, so wichtig scheint der Hinweis zu sein, dass danach sehr wahrscheinlich die Schwelle erreicht sein wird, an der man über vermehrte räum-liche und sachliche Differenzierung nachdenken sollte.

Für die Schwerpunktsetzung in bestimmten Technologiebereichen bieten die Hochschulen und öffentlichen Forschungseinrichtungen eine gute Grundlage. Durch ihre Einbindung in die internationale Forschungsgemeinschaft stellen sie die Grundlage für Thüringens zunehmende Integration in die internationalen Wis-sensströme dar. Es sollten insbesondere die Qualität der Forschungsaktivitäten sowie der Transfer der Forschungsergebnisse in die kommerzielle Anwendung ge-fördert werden. Dabei kommt es entscheidend darauf an, die öffentlichen FuE-Einrichtungen komplementär zu den Technologieschwerpunkten der privaten Unternehmungen zu gestalten.

69 Vgl. Fritsch et al. (2009).

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Die Bedeutung von Optik und Medizintechnik für Thüringen ist bereits heraus-gearbeitet worden. Bei den Umwelttechnologien bestehen in Thüringen Potenzia-le vor allem in den Bereichen umweltfreundliche und erneuerbare Energien (z. B. Solarindustrie), Rohstoff- und Materialeffizienz sowie Kreislaufwirtschaft (Abfall-vermeidung und Abfallnutzung). Die Marktstruktur der Thüringer Unternehmen der Umwelttechnik ist zwar kleinteilig, weist aber mit durchschnittlichen Wachs-tumsraten von 20 % p. a. und mehr erhebliche Potenziale auf.70 Um diese Ent-wicklung zu forcieren, hat das TMWAT gerade das Programm „Thüringen Green-Tech“ aufgelegt. Dies ist bereits ein Element der künftig auszubauenden Schwer-punktsetzung in der Innovationsförderung. Die vom TMWAT in Auftrag gegebene Studie „Trendatlas“ wird weitere Empfehlungen für eine Akzentuierung und evtl. Konzentration der künftigen Förderpolitik herausarbeiten. Um nach 2013 die redu-zierten Mittel gezielt einsetzen zu können, müssen entsprechende Konzepte rechtzeitig formuliert werden. Es ist zu begrüßen, dass die strategischen Vorbe-reitungen dafür eingeleitet wurden.

Fazit:– Schwerpunktverlagerung in der Mittelausstattung von der allgemeinen Förde-

rung der gewerblichen Wirtschaft hin zu stärkerer Förderung von Forschung und Entwicklung von Unternehmen

– Künftige räumliche und sachliche Schwerpunktbildung bei der Innovationsför-derung vorbereiten

– Auswahl der Technologieschwerpunkte an spezifischen Kompetenzen der wis-senschaftlichen Einrichtungen und des konkreten Bedarfs der Thüringer Unter-nehmen ausrichten

70 Vgl. BMUNR (Hrsg.) 2009, S. 304 ff.

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

6.4 cluster und netzwerke

Effektive Innovationsprozesse insbesondere in mittelständischen Unternehmen sind durch ein hohes Maß an Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen, aber auch zwischen Unternehmen und Hochschulen sowie Forschungseinrichtungen gekennzeichnet. Vor allem für kleine und mittlere Unternehmen bietet die koordi-nierte Zusammenarbeit in Netzwerken die Möglichkeit, vorhandene strukturelle Defizite auszugleichen und dabei die eigenen Leistungspotenziale besser auszu-schöpfen.

Netzwerk- und Clusterinitiativen bieten vor allem Vorteile bei der Durchführung komplexer und interdisziplinärer FuE-Aufgaben, bei der Umsetzung von For-schungsergebnissen in marktfähige Produkte und Technologien und bei der Ent-wicklung von Systemlösungen sowie der Akquisition größerer Aufträge am Markt. Zu fördern ist deshalb insbesondere der Aufbau und die Erweiterung von Netz-werk- und Clusterinitiativen zur Förderung des Wissenstransfers und der Zusam-menarbeit zwischen innovativen Akteuren innerhalb Thüringens, sowie zur Stimu-lierung der überregionalen und insbesondere der Technologie übergreifenden Koope ration. Dazu bietet insbesondere die Studie der Stiftung für Technologie, Inno vation und Forschung Thüringen (STIFT)71 eine gute Analyse über die Netz-werk- und Clusterinitiativen und ihre innovativen Kompetenzen.

In Thüringen wurde die Notwendigkeit der Clusterbildung rechtzeitig erkannt und entsprechende Strukturen sind im Aufbau. Gleichwohl überwiegt bisher eine eher regionale Ausrichtung, während es an überregionalen bzw. globalen Kontakten noch mangelt. Das ist nicht zuletzt auf die Kleinteiligkeit der Thüringischen Wirt-schaft zurückzuführen. Die hohe Zahl der beteiligten Unternehmen macht es auch ungleich schwieriger, Cluster zu organisieren, weshalb sich einige Initiativen selektiver Anreize bedienen. Wie bereits an früherer Stelle ausgeführt, ist deshalb eine Verstärkung gerade der internationalen Ausrichtung des Thüringischen Mit-telstandes dringend geboten. Daher empfehlen wir verstärkte Aktivitäten der Lan-desregierung zur Unterstützung der internationalen Vernetzung der Thüringer KMU.

Fazit:– Fortsetzung der Förderung von Netzwerken und Clustern

– Stärkung der Technologie übergreifenden Kooperation und des Wissenstrans-fers

– Unterstützung der überregionalen Ausrichtung und der internationalen Vernet-zung

71 Vgl. Fritsch et al. (2009).

119

M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

6.5 Förderung von humankapital und sicherung des Fachkräftebedarfes für den Mittelstand

Die Sicherung des Fachkräftebedarfes für die Wirtschaft wird eine der zentralen Herausforderungen der nächsten Jahre sein. Die Analyse hat gezeigt, dass erfolg-reiche wirtschaftliche Entwicklung am besten mit humankapitalintensiven Gütern zu erzielen ist, da vor allem ausländische Anbieter bei der Produktion relativ ein-facher Güter einen starken Kostendruck ausüben, der sich mit fortschreitender Globalisierung noch verstärken wird.

Im Jahr 2008 umfasste die Altersgruppe der 55- bis 65-Jährigen in Thüringen ca. 300.000 Personen. Dieser Gruppe stehen nur rund 155.000 Menschen gegen-über, die in den folgenden zehn Jahren volljährig werden und damit dem Ausbil-dungs- und Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Berücksichtigt man zusätzlich, dass in den letzten Jahren ca. 23 % der Schulabgänger nur einen Hauptschulab-schluss machen oder sogar ohne Hauptschulabschluss die Schule verlassen, steht damit nur ein Potenzial von ca. 110.000 Personen mit einem qualifizierten Schul-abschluss (Realschule oder Abitur) für den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zur Verfügung.

Weitere Probleme kommen hinzu: Im Jahr 2008 waren ca. ein Drittel der Arbeits-losen Langzeitarbeitslose, deren Chancen auf eine Re-Integration in eine qualifika-tionsgerechte Beschäftigung gering sind und im Zeitablauf immer weiter sinken. Die nach wie vor große Anzahl der Abwanderer entzieht dem Thüringer Arbeits-markt ein erhebliches Potenzial an gut qualifizierten Fachkräften, und mit dem vorzeitigen Ausscheiden älterer Arbeitnehmer geht vor allem großes betrieblich verwertbares Fachwissen verloren, welches nicht rechtzeitig an die jüngere Gene-ration vermittelt werden konnte.

Fachkräftemangel beinhaltet mehrere verschiedene Probleme, die miteinander zusammenwirken. Wenn Unternehmen nicht in ausreichendem Maß geeignete Mitarbeiter finden, so ist zunächst nach einer leistungs- und marktgerechten Ent-lohnung zu fragen. Hinzukommen Aspekte eines attraktiven Umfeldes, in dem gut qualifizierte Fachkräfte gern leben. Dies betrifft sowohl die Unternehmen als auch Kommunen und Regionen. Angesichts der demografischen Entwicklung und den steigenden Qualifikationsanforderungen für immer größere Teile der Arbeits-plätze muss volkswirtschaftlich ein ausreichendes Angebot an Fachkräften bereit-gestellt werden. Auch hier sind sowohl Unternehmen als auch öffentliche Körper-schaften gefordert. Während weiter ein attraktives und auch im ländlichen Raum erreichbares Angebot an Kindertagesbetreuung erforderlich ist, bedarf es aufsei-ten der Unternehmen entsprechender Arbeitszeitmodelle und weitere flexibler Rahmenbedingungen für Familienfreundlichkeit.

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M i t t e l s t a n d s b e r i c h t 2 0 1 0

In erster Linie sind jedoch unternehmerische Strategien gefragt, um dem drohen-den Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Das bedeutet, über eine leistungsge-rechte Vergütung hinaus, eine vorausschauende Personalentwicklung zu betrei-ben und insbesondere den Personal- und Qualifizierungsbedarf im Unternehmen früh zu erkennen. Die besonders kleinteilig, mittelständisch geprägte Struktur der Thüringer Wirtschaft bringt hier ein Problem mit sich: Mittelständische Unterneh-men verfügen oftmals nur über begrenzte Ressourcen für eine strategische Perso-nalentwicklung und sind daher in geringerem Maße als Großbetriebe in der Lage, eine strategische Personalplanung zu betreiben. Gerade hier empfiehlt sich die unternehmensübergreifende Kooperation, deren Bedeutung schon in der Einlei-tung dieses Berichts hervorgehoben wurde, aber auch die Nutzung des Know-hows externer Berater der Kammern und Verbände. Der Staat könnte diesen Pro-zess beratend begleiten und den Aufbau unternehmensübergreifender Netzwer-ke zur strategischen Personalplanung auch finanziell unterstützen, so dies von den Unternehmern gewünscht wird.

Betriebliche Weiterbildung wird ein kontinuierliches Erfordernis sein. Dabei sind insbesondere die älteren Arbeitnehmer vermehrt in die Weiterbildungsstrategie einzubeziehen. Die in den nächsten Jahren absehbare Unterauslastung in den überbetrieblichen staatlichen Berufsausbildungseinrichtungen sollte für die Ent-wicklung betrieblicher Weiterbildungserfordernisse mitgenutzt werden.

Die berufliche Erstausbildung ist der entscheidende Faktor zur Sicherung eines Bestandes an qualifizierten Arbeitnehmern und damit auch für die Wettbewerbs-fähigkeit des Mittelstandes. In Folge der demografischen Entwicklung und des Rückgangs der Zahl an Schulabgängern wird es schwierig werden, geeignete Schulabgänger mit entsprechender Berufsausbildungsreife für die Unternehmen zu gewinnen. Gemeinsam mit Unternehmen, Kammern, Verbänden und staatli-chen Bildungseinrichtungen sind Modelle wie z. B. das Berufsvorbereitungsjahr weiterzuentwickeln, um aus dem Anteil der Schulabgänger mit Hauptschulab-schluss oder ohne Abschluss zusätzliche junge Menschen zu einem Schulab-schluss mit Berufsausbildungsreife zu befähigen.

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Ein Lösungsansatz für die Gewinnung qualifizierter Fachkräfte ist der Aufbau von Netzwerken für die berufliche Ausbildung, der frühzeitige Kontakt zu Hoch- und Fachhochschulen, das Anbieten von Praktikumsplätzen oder die Nutzung von Dienstleistern wie z. B. Personalvermittlungsagenturen. Dies sichert die Bindung von Fachkräften an das Unternehmen. Ein bedeutendes Potenzial an Fachkräften ist durch die Rückgewinnung abgewanderter junger Menschen vorhanden. Um dieses Potenzial zu nutzen, bedarf es aber der Verbesserung der Rahmenbedin-gungen wie des Lohnniveaus, aber auch der weichen Standortfaktoren, wie z. B. der Wohnqualität und der Angebote im sportlichen und kulturellen Bereich. Dies-bezüglich sind vor allem die Städte in der Weiterentwicklung und Umsetzung ihrer integrierten Stadtentwicklungskonzepte in der Verantwortung. Neben der Rück-gewinnung abgewanderter Menschen sollte auch die gezielte Anwerbung quali-fizierter Arbeitskräfte aus dem In- und Ausland erwogen werden. Thüringen hat dabei – wie die anderen ostdeutschen Länder auch – den entscheidenden Nach-teil, dass der bisherige Ausländeranteil gering ist, sodass sich bisher kaum Migra-tionsnetzwerke herausgebildet haben. Möglicherweise könnten aus der Vergan-genheit bestehende Kontakte in die Länder Ostmitteleuropas genutzt werden, um dort gezielt qualifizierte Arbeitskräfte anzuwerben. Das wird dauerhaft aber nur dann gelingen, wenn bei der Bevölkerung gezielt für eine stärkere Akzeptanz des Zuzugs ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger geworben wird.

Fazit:– Vorrang unternehmerischer Strategien zur Deckung des Fachkräftebedarfs

(Lohnniveau, betriebliche Personalentwicklung, Qualifizierung und Familien-freundlichkeit)

– Nutzung unternehmensübergreifender Kooperation für Qualifizierung und Fach kräfteentwicklung einschließlich Kammern und Verbände

– Gezielte unternehmerische Förderung älterer Mitarbeiter

– Anteil der Jugendlichen mit Ausbildungsreife erhöhen durch gemeinsame Initia-tiven von Schulen und Hochschulen sowie Unternehmen, Kammern und Ver-bänden

– Weiterentwicklung und Aufbau von Netzwerken von Unternehmen und Schu-len bzw. Hochschulen zur frühen Gewinnung und Bindung von Personalnach-wuchs

– Nutzung der künftig nicht voll auszulastenden überbetrieblichen Ausbildungs-stätten für Weiterbildung

– Rückgewinnung abgewanderter Thüringer und gezielte Anwerbung von Fach-kräften im In- und Ausland

– Verbesserung der weichen Standortfaktoren insbesondere für Migranten

– Verbesserung des Standortmarketings Thüringens (Imagekampagne)

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6.6 Förderung der selbstständigkeit, Gründungsgeschehen und KMU-beratung

Erfolgreiche KMU und insbesondere Gründungen sind ein wichtiger Motor für ein steigendes Leistungsniveau und die strukturelle Erneuerung der Volkswirtschaft. Voraussetzung dafür ist ein ausreichend großes Potenzial an Unternehmen sowie Unternehmerinnen und Unternehmern. Insofern sind die hohe Selbstständigen-quote und die im deutschen Vergleich höchste Betriebsdichte im Produzierenden Gewerbe positive Kennzeichen der wirtschaftlichen Entwicklung in Thüringen. Das ist nicht zuletzt ein großer Erfolg der Thüringer Wirtschaftsförderung, die beson ders auf kleinere und mittlere Betriebe gesetzt hat. Zwei Dinge sind dazu jedoch einschränkend zu bemerken: Thüringen hält insofern nach wie vor dem Vergleich mit Baden-Württemberg nicht stand, weil erstens die Durchschnitts-größe der kleineren und mittleren Betriebe deutlich geringer und zweitens und entscheidend, weil die Humankapitalintensität und damit auch das Innovations-potenzial in Thüringen noch bei weitem nicht so ausgeprägt sind wie im Südwes-ten Deutschlands. Noch immer handelt es sich bei vielen der Thüringer mittelstän-dischen Betriebe um Klein- und Kleinstbetriebe. Sie müssen entweder organisch wachsen, sich dauerhaft zu größeren Einheiten zusammenfügen oder zeitlich be-fristet flexibel mit anderen KMU im Rahmen strategischer Allianzen kooperieren.

Für erfolgreiche Unternehmensgründungen sind eine tragfähige Geschäftsidee, die unternehmerische Kompetenz des Gründers und eine belastbare Finanzie-rung des Gründungsprojektes ausschlaggebend. Förderung durch Beratung und Coaching ist hier von entscheidender Bedeutung. Bund, Land und viele Institutio-nen wie z. B. KfW, TAB, BBT, BA und ARGEn, Hochschulen, TGZ stellen hier eine Vielzahl von Unterstützungsinstrumenten bereit. Eine Bündelung mit Lotsenfunk-tion und enger Abstimmung der diversen Beratungsakteure ist aus Effizienzgrün-den wünschenswert. Nachdem die drei Thüringer Industrie- und Handelskam-mern zusammen mit den drei Thüringer Handwerkskammern in 2008 und 2009 den Aufbau der Einheitlichen Ansprechpartner nach der EU-Dienstleistungsricht-linie bewerkstelligt haben, erfolgt nun die Weiterentwicklung zum Beratungsnetz-werk „Gründen und Wachsen in Thüringen (GWT)“ mit genau dieser Zielstellung, weil die Vielzahl der Gründer und KMU ohnehin mit den Kammern in Kontakt tritt. Hier kommt es darauf an, die Zusammenarbeit der Förderer effizient zu ge-stalten und eine gute Qualität der Beratung zu sichern, entsprechend der unter-schiedlichen Bedürfnisse der KMU im Wachstum, der Gründer und ihrer Grün-dungsvorhaben.

Dabei sollte zwischen unterschiedlichen Typen von Gründungen differenziert wer-den. Vor allem technologieorientierte Existenzgründungen im Bereich von Hoch- und Spitzentechnologie sind für Thüringen wie in Deutschland von besonderer Bedeutung, wenngleich sehr selten. Oftmals ist der Transfer von wissenschaft-lichen Forschungsergebnissen in ein marktfähiges Produkt Grundlage einer sol-chen Existenzgründung und es können im Idealfall zukünftige innovative Wachs-tumskerne der Wirtschaft entstehen. Derartige Gründungen könnten zusätzlich stimuliert werden durch eine entsprechende, quantitativ angemessene Ergänzung der Beratung und Förderung mit gezielter Vernetzung und Koordination der vor-handenen Angebote der Hochschulen sowie der Technologie- und Gründerzent-ren: Dies wäre das Pendant für allgemeine Gründungen im Rahmen des GWT für dieses spezielle Segment der technologieorientierten, innovativen Gründungen.

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Darüber hinaus sind für eine erfolgreiche Entwicklung der mittelständischen Wirt-schaft die wissensintensiven Dienstleistungen von besonderem Interesse (z. B. in der Informations- und Kommunikationstechnologie, bei neuen Medien oder in der Gesundheitswirtschaft). Hier gilt es das zahlenmäßig kleine Potenzial auszu-schöpfen und dafür die Förderung entsprechend der spezifischen Bedarfe weiter-zuentwickeln. Das gilt gleichermaßen für die Gründungen mit größerer wirtschaft-licher Substanz (Betriebsgründungen im Sinne der amtlichen Statistik vor allem bei Beschäftigung von Mitarbeitern und Gründung als (Kapital-)Gesellschaft). Die mit Abstand größte Gruppe der Gründer in Thüringen wie in Deutschland sind Soloselbstständige. Wirtschaftspolitisch kann nicht die Erhöhung der Anzahl der Gewerbeanmeldungen und Gründungsvorhaben im Vordergrund stehen. Aber erfolgreiche Soloselbstständigkeit und Sologründungen sind auch arbeitsmarkt-politisch wünschenswert. Für den einzelnen Gründer muss sich die Förderung auf den Erfolg und die Tragfähigkeit seines Gründungsvorhabens richten.

Zur Förderung von kleinen Unternehmen und Gründern kommt auch die ver-stärkte Vergabe von Mikrokrediten mit Beratung als erwägenswertes Instrument der Mittelstandsförderung in Betracht.

Eine generelle politische Aufgabe ist die Verbesserung des Gründungsklimas und dabei insbesondere die gesellschaftliche Aufwertung des Bildes des Unterneh-mers. Hierbei kommt vor allem der Bildungspolitik eine Schlüsselrolle zu. Sie muss vermitteln, dass Unternehmerinnen und Unternehmern– und zwar insbe-sondere dem Mittelstand – „Jenseits von Angebot und Nachfrage“ eine Schlüssel-rolle für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft zukommt. Dieser Gedanke ist in den ostdeutschen Ländern nachweislich weniger stark im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert als in den traditionellen Hochburgen des Mittelstandes, wie etwa in Baden-Württemberg.

Fazit:– Differenzierung der Angebote für unterschiedliche Arten von Gründern (Tech-

nologiegründungen, wissensintensive Dienstleistungen, Gründungen mit wirt-schaftlicher Substanz, Gründungen aus der Arbeitslosigkeit)

– Ausrichtung von Beratung und Förderung auf Gründung und Wachstum

– Ausweitung des Angebots an Mikrokrediten

– Verbesserung des Gründungsklimas

– Förderung eines positiven Unternehmerbildes einschließlich der sozialen Funk-tion

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6.7 Wirtschaftsfreundliches thüringen

Aufgrund der demografischen Entwicklung ergeben sich neue Anforderungen an Verwaltungsstrukturen und das Handeln der kommunalen Akteure. Es sind regio-nal abgestimmte Entwicklungskonzepte notwendig, die den Anforderungen der Unternehmen an Standortentwicklung, Verkehrserschließung, Verwaltungsdienst-leistung, familien- und umweltfreundliche Wohnorte für Arbeitskräfte sowie Bildungs- und Kulturangebote entsprechen. Fehlende räumliche Nähe zu Ver-waltungseinrichtungen, insbesondere im ländlichen Bereich, ist durch den weite-ren Ausbau moderner Kommunikationswege sowie e-government zu begegnen. Außer dem muss vor allem der flächendeckende Ausbau der technischen Infra-struktur im IT-Bereich (Breitbandnetz oder technische Alternativen wie Breitband-anwendungen z. B. über power line oder Mobilfunknetze) in Thüringen weiter voran gebracht werden.

Den überwiegenden Teil der Bürokratiekosten in der Wirtschaft trägt der Mittel-stand. Verringerung bürokratischer Auflagen und Entschlackung der Regelungs-dichte ist eine permanente Herausforderung der politischen Akteure auf allen Ebenen. Mit der Stabsstelle Deregulierung, Rechtsvereinfachung und Rechtsfol-genabschätzung im Thüringer Justizministerium und der Clearingstelle zum Ab-bau bürokratischer Hemmnisse im Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie hat Thüringen eine gute Grundlage für einen bürokratie- und ver-waltungsfreundlichen Wirtschaftsstandort geschaffen. Die bereits praktizierte regel mäßige Evaluierung aller Verwaltungsvorschriften auf ihre Notwendigkeit und Wirksamkeit ist daher zu begrüßen. Genau so wichtig ist die Fortsetzung des regelmäßigen Erfahrungsaustauschs von TMWAT, Kammern und Kommunen im Arbeitskreis „Wirtschaftsfreundliche Verwaltung“. Hier kann über die Erörterung teils schon umgesetzter teils noch nötiger Änderungen von Gesetzen und Verord-nungen auf Landes und Bundesebene hinaus vor allem die Umsetzung der Rechtsregeln in der Praxis begleitet werden. Die Qualität in der Verwaltung ent-scheidet sich vor Ort, etwa bei der Gestaltung von Antragsverfahren, Bearbei-tungszeiten von Anträgen oder Serviceleistungen wie Parkausweisen für Hand-werker und Dienstleister. Dafür sollten die in Modellprojekten gewonnenen Erfah-rungen unter Einbeziehung von Qualitätssiegeln wie dem „RAL-Gütezeichen zur Mittelstandsorientierten Kommunalverwaltung“ in Thüringen ausgeweitet wer-den. Die Nachweise für die Erlangung von Fördermitteln sollen auf das unabding-bar Erforderliche beschränkt werden.

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Zunehmende Bedeutung für wirtschaftliche Entwicklung werden die sogenannten „weichen“ Standortfaktoren bekommen. In immer stärkerem Maße orientieren sich jüngere Menschen und Familien bei der Standortentscheidung – und das heißt auch: bei der „stay or go“-Entscheidung – an Faktoren wie Lebensqualität, Kulturangebot und Familienfreundlichkeit. Gerade hier hat Thüringen mit seiner Vielzahl an kleineren Städten, seinem reichhaltigen Kulturangebot, seiner land-schaftlichen Vielfalt, seinen Betreuungsangeboten für Kinder sowie nicht zuletzt durch sein positives Abschneiden bei den PISA-Studien viele Vorteile zu bieten, die in der öffentlichen Darstellung des Freistaates noch stärker hervorgehoben werden könnten.

Fazit:– Regional abgestimmte Konzepte für die Standortentwicklung aus Sicht der

Unternehmen

– Bürokratiekosten senken durch:

•regelmäßigeEvaluierungallerVerwaltungsvorschriften

•kritischeReflexionderRechtsanwendungund–umsetzung

•ServicequalitätderVerwaltungerhöhen

– Ausbau e-government und Breitband bzw. Breitbandalternativen

– Bessere Darstellung der „weichen“ Standortvorteile Thüringens (Lebensquali-tät, Kulturangebot, Familienfreundlichkeit, Bildungsstandards (PISA)

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Herausgeber: Thüringer Ministerium für Wirtschaft,

Arbeit und Technologie (TMWAT)

Max-Reger-Straße 4-8

99096 Erfurt

Telefon: 03 61 / 37 97-99 9, Fax: 03 61 / 37 97-99 0

Email: [email protected]

Internet: www.thueringer-wirtschaftsministerium.de

Redaktion: Referat Wirtschafts- und Konjunkturpolitik, Gründungen,

Finanzwirtschaft, Handwerk, Freie Berufe, Handel

Gestaltung: ARTUS.ATELIER GmbH & Co. KG, Erfurt

Druck: Druckhaus „Thomas Müntzer“ GmbH, Weimar